SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 28. Juni 2012 ( 1 )

Rechtssache C-124/11

Bundesrepublik Deutschland

gegen

Karen Dittrich

Rechtssache C-125/11

Bundesrepublik Deutschland

gegen

Robert Klinke

Rechtssache C-143/11

Jörg-Detlef Müller

gegen

Bundesrepublik Deutschland

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts [Deutschland])

„Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf — Nationale Regelung, die die Zahlung einer Beihilfe für Beamte im Krankheitsfall vorsieht — Von der Beihilfe erfasste Familienmitglieder — Ausschluss von Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft — Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG — Begriff ‚Entgelt‘“

1. 

Das Bundesverwaltungsgericht fragt den Gerichtshof im Rahmen von drei Rechtsstreitigkeiten, in denen es um die Feststellung geht, ob die Partner eingetragener Lebenspartnerschaften ein Recht auf eine im deutschen Recht für Ehegatten vorgesehene Beihilfe haben, das auf den unionsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gestützt werden kann.

2. 

Dadurch wird dem Gerichtshof Gelegenheit gegeben, seiner Rechtsprechung zum Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ( 2 ) Konturen zu verleihen. Diesmal geht es um die Feststellung, ob die Richtlinie auf Beihilfen, die Beamten im Krankheitsfall gewährt wird, anwendbar ist.

3. 

Dazu muss geprüft werden, ob diese Beihilfe Arbeitsentgelt im Sinne der Richtlinie 2000/78 ist, deren Anwendbarkeit auf die streitigen Fälle – nach Maßgabe einer integrierten Auslegung des 13. Erwägungsgrundes und des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c – davon abhängt, ob die in Rede stehende Beihilfe einem „Entgelt“ im Sinne von Art. 141 EGV (jetzt Art. 157 AEUV) gleichsteht. Hierzu ist näher auf die Kriterien einzugehen, die der Gerichtshof in seinen auf diesem Gebiet ergangenen Entscheidungen verwendet hat, die sich bislang auf Fälle beschränkten, in denen es um Altersrenten ging, und gleichzeitig der Umfang der Nichtanwendbarkeit der Richtlinie 2000/78 auf Leistungen seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie zu bestimmen.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrecht

4.

Im 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 heißt es:

„Diese Richtlinie findet weder Anwendung auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Artikels 141 des EG-Vertrags gegeben wurde, noch auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben.“

5.

Art. 1 der Richtlinie 2000/78 legt ihren Gegenstand wie folgt fest:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“

6.

Art. 2 der Richtlinie 2000/78 bestimmt:

„(1)   Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)   Im Sinne des Absatzes 1

a)

liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

…“

7.

Der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 wird in Art. 3 festgelegt:

„(1)   Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

c)

die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;

(3)   Diese Richtlinie gilt nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes.

…“

B – Nationales Recht

1. Bestimmungen über Lebenspartnerschaften

8.

§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (im Folgenden: LPartG) vom 16. Februar 2001 ( 3 ) in seiner Fassung durch § 7 des Gesetzes vom 6. Juli 2009 ( 4 ) bestimmt:

„Zwei Personen gleichen Geschlechts, die gegenüber dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen (Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner), begründen eine Lebenspartnerschaft. Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung abgegeben werden.“

9.

Nach § 5 LPartG sind die Lebenspartner „einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die partnerschaftliche Lebensgemeinschaft angemessen zu unterhalten …“.

2. Vorschriften über die Beihilfe für Beamte

10.

Das Bundesbeamtengesetz (im Folgenden: BBG) sieht vor, dass Bundesbeamte einen Anspruch auf Beihilfe in Krankheitsfällen haben. Gemäß § 80 BBG sind unter bestimmten Voraussetzungen auch der Ehegatte des Bundesbeamten und unterhaltsberechtigte Kinder beihilfeberechtigt.

11.

Nach den bis zum 14. Februar 2009 geltenden Durchführungsbestimmungen hatten der Ehegatte eines Bundesbeamten und seine unterhaltsberechtigten Kinder Anspruch auf Beihilfe, nicht jedoch der Lebenspartner. Es handelte sich keinesfalls um eine Hilfe, die bedingungslos gewährt wurde, denn dem Ehegatten wurde sie nur gewährt, wenn der Gesamtbetrag seiner Einkünfte 18000 Euro nicht überstieg oder er zwar krankenversichert war, ihm aber wegen angeborener Leiden oder bestimmter Krankheiten aufgrund eines individuellen Ausschlusses keine Versicherungsleistungen gewährt wurden oder die Leistungen hierfür auf Dauer eingestellt worden waren. Ein Beihilfeanspruch bestand demnach bei Unterhaltsbedürftigkeit des Ehegatten eines Beihilfeberechtigten wegen zu geringen Einkommens oder wegen unverschuldet unzureichenden Krankenversicherungsschutzes.

12.

Aufgrund der Ermächtigung in § 80 Abs. 4 BBG erließ das Bundesministerium des Innern die Bundesbeihilfeverordnung (im Folgenden: BBhV) vom 13. Februar 2009 ( 5 ), die, soweit es hier von Belang ist, die frühere Regelung mit dem Ausschluss der Partner eingetragener Lebenspartnerschaften als Beihilfeberechtigte aufrechterhielt.

13.

Nach den streitigen Ereignissen erfolgte eine Gesetzesänderung, durch die Lebenspartnerinnen und Lebenspartner in den Kreis der Beihilfeberechtigten eingeschlossen wurden ( 6 ). Sie ist aber für die Entscheidung in den Ausgangsverfahren ohne Bedeutung.

II – Sachverhalt

14.

Die Kläger der Ausgangsverfahren sind Bundesbeamte, die eingetragene Lebenspartnerschaften eingegangen sind und deren jeweilige Partner auf den Unterhalt durch sie angewiesen waren.

15.

Nachdem die Kläger in den Rechtssachen C-124/11 und C-125/11 zunächst erfolglos bei der Verwaltung Krankheitsbeihilfe beantragt hatten, erkannte das Verwaltungsgericht Berlin ihren Anspruch mit der Begründung an, dass Lebenspartner nicht beihilfeberechtigt seien, sich ihr Recht auf die Beihilfe jedoch aus der Richtlinie 2000/78 ergebe. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sei auch die Beihilfe ein „Arbeitsentgelt“ im Sinne der Richtlinie, denn sie werde nur aufgrund des Dienstverhältnisses gewährt und nicht als Leistung des allgemeinen staatlichen Systems der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes.

16.

Der Anspruch des Klägers in der Rechtssache C-143/11 wurde hingegen sowohl von der Verwaltung als auch vom Verwaltungsgericht abgelehnt, da kein Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78 vorliege, denn die Situation eines Angehörigen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sei nicht mit der eines Ehegatten vergleichbar.

17.

In allen Fällen hat die jeweils unterlegene Partei Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.

18.

Das vorlegende Gericht geht davon aus, dass für Lebenspartner nach den nationalen Vorschriften kein Anspruch auf die für Bundesbeamte vorgesehene Beihilfe bestehe. Ein Beihilfeanspruch bestehe jedoch für Ehegatten von Bundesbeamten.

19.

Das Bundesverwaltungsgericht hat Zweifel, ob die Richtlinie 2000/78 in den Ausgangsverfahren anwendbar ist. Sollte sie anwendbar sein, hätte dies zur Folge, dass Lebenspartner wie Ehegatten behandelt werden müssten, so dass die Beteiligten dieser Verfahren beihilfeberechtigt wären.

20.

Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, die Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78 hänge von der rechtlichen Einordnung der in Rede stehenden Beihilfe ab. Konkret, ob sie ein Entgeltbestandteil im Sinne von Art. 157 AEUV sei – in diesem Fall wäre die Richtlinie 2000/78 anwendbar – oder eine Leistung aus einem öffentlichen System der sozialen Sicherung oder einem vergleichbaren System, und damit nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie falle.

21.

Das Bundesverwaltungsgericht ist der Ansicht, die vom Gerichtshof für Altersrenten verwendeten Kriterien zur Unterscheidung von Alterssicherungssystemen anhand der Herkunft ihrer Finanzierung seien für den Bereich der Krankensicherungssysteme ungeeignet. U. a. deswegen, weil die Beihilfe nicht von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängig sei.

III – Vorlagefrage

22.

Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Gerichtshof daher folgende Frage vorgelegt:

Findet die Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf Anwendung auf nationalstaatliche Vorschriften zur Gewährung von Beihilfe für Beamte in Krankheitsfällen?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

23.

Die Vorlagebeschlüsse in den Rechtssachen C-124/11 und C-125/11 wurden am 9. März 2011, der Vorlagebeschluss in der Rechtssache C-143/11 am 24. März 2011 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofs eingetragen.

24.

Die drei Vorabentscheidungsersuchen wurden durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 27. Mai 2011 verbunden.

25.

Frau Dittrich, Herr Klinke und Herr Müller sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

26.

In der mündlichen Verhandlung am 3. Mai 2012 sind die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten erschienen und haben mündliche Ausführungen gemacht.

27.

In der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden die Parteien aufgefordert, schriftliche Ausführungen zur Finanzierungsweise der streitigen Beihilfe zu machen, insbesondere, ob sie ganz oder zum Teil aus Beiträgen der Bundesrepublik Deutschland als Dienstherrin der Bundesbeamten oder aus dem Haushalt der sozialen Sicherheit finanziert wird. Die Frist für die Einreichung dieser Klarstellungen endete am 13. April 2012.

V – Vorbringen

28.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind der Ansicht, die Richtlinie 2000/78 sei auf die streitige Beihilfe anwendbar, da nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs einerseits jedes Entgelt im Sinne von Art. 157 AEUV in den Anwendungsbereich der Richtlinie falle und andererseits der Begriff der Arbeit auch die Beziehung zwischen Beamten und dem Staat umfasse ( 7 ).

29.

Die Kläger sind der Auffassung, gegen eine Einstufung der Beihilfe als Entgelt könne nicht eingewendet werden, dass sie durch Gesetz geregelt sei, denn der Gesetzgeber handele in diesem Fall nur als Arbeitgeber und nicht hoheitlich. Ebenso wenig könne eingewendet werden, bei Beamten handele es sich um eine allgemein umschriebene Gruppe von Arbeitnehmern. Insoweit berufen sich die Kläger auf das Urteil vom 17. Mai 1990, Barber ( 8 ). Schließlich könne auch nicht eingewendet werden, dass sie weder von der abgeleisteten Dienstzeit abhänge noch sich ihre Höhe auf der Grundlage der letzten Bezüge berechne. Letztendlich könnten diese Umstände bei der Bestimmung der Natur der Altersrenten relevant sein, nicht aber bei der Klärung, ob es sich bei der streitigen Beihilfe um ein Arbeitsentgelt handele.

30.

Die Kommission schließt sich der Auffassung der Kläger an. Nachdem sie darauf hingewiesen hat, dass bei der Auslegung des Begriffs des Entgelts nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs von einem weiten Begriffsverständnis auszugehen sei und daher grundsätzlich jede Leistung oder Vergütung umfasse, die dem Arbeitnehmer aufgrund der Beschäftigung gewährt werde, die er ausübe oder ausgeübt habe, sei es aus einem Arbeitsvertrag, aufgrund von Rechtsvorschriften oder einer Gerichtsentscheidung, führt sie aus, der Gerichtshof habe immer die Auffassung vertreten, dass beim Ruhegehalt das einzige bestimmende – wenn auch nicht ausschließliche – Kriterium darin bestehe, dass das Ruhegehalt dem Betreffenden aufgrund seines Dienstverhältnisses mit seinem früheren Arbeitgeber gezahlt werde. Neben diesem Kriterium bestünden drei zusätzliche Kriterien, die es erlaubten, eine Altersrente in Abgrenzung von einer Leistung aus einem staatlichen System der sozialen Sicherheit als eine Leistung aus einem betrieblichen System der sozialen Sicherheit und damit als Entgelt im Sinne von Art. 157 AEUV zu qualifizieren, nämlich a) dass die Rente an eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern gezahlt werde, b) dass sie unmittelbar von der geleisteten Dienstzeit abhänge und c) dass ihre Höhe auf der Grundlage des letzten Gehalts berechnet werde.

31.

Hinsichtlich der streitigen Beihilfe hebt die Kommission erstens hervor, dass sie eine Leistung an eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern darstelle, zweitens, dass sie aufgrund eines Dienstverhältnisses gezahlt werde und an ein Beamtengehalt oder eine Beamtenpension geknüpft sei und daher als Bestandteil dieses Entgelts anzusehen sei, und drittens, dass im vorliegenden Fall die weiteren von der Rechtsprechung für die Renten entwickelten Kriterien unerheblich seien, da der Gerichtshof sowohl das Kriterium, dass die Beihilfe von der abgeleisteten Dienstzeit abhänge, als auch das Kriterium, dass ihre Höhe nach den letzten Bezügen berechnet werde, nur anwende, um festzustellen, ob die Beamtenversorgung als Entgelt angesehen werden könne, obwohl sie typischerweise nicht die Kriterien erfülle, die der Gerichtshof in der Rechtssache Barber als für betriebliche Altersrenten kennzeichnende Merkmale genannt habe. Im Hinblick auf die Beihilfe für Beamte in Krankheitsfällen sei festzustellen, dass es kein vergleichbares System auf privatrechtlicher Grundlage gebe. Folglich könnten auch nicht in Anlehnung an entsprechende privatrechtliche Systeme Abgrenzungskriterien zur gesetzlichen Sozialversicherung entwickelt werden.

32.

Daher sei allein ausschlaggebend, dass die fragliche Beihilfe aufgrund des Dienstverhältnisses mit dem Staat gewährt werde, wobei dieser als Arbeitgeber und nicht als Versicherer im Rahmen eines öffentlichen Systems der sozialen Sicherheit handele. Daher sei die Beihilfe als Entgelt im Sinne von Art. 157 AEUV einzuordnen, ohne dass dem entgegenstehe, dass sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften gezahlt werde oder auch auf sozialpolitischen Erwägungen beruhe.

33.

In Antwort auf die Aufforderung, die ich in Nr. 24 dieser Schlussanträge erwähnt habe, haben sowohl die Kläger des Ausgangsverfahrens als auch die deutsche Regierung geantwortet, dass die streitige Beihilfe durch die Bundesrepublik Deutschland finanziert werde und es keine Finanzierung durch die soziale Sicherheit gebe.

VI – Würdigung

A – Vorbemerkung

34.

Wie ich bereits vorausgeschickt habe, ist Gegenstand der verbundenen Vorabentscheidungsersuchen die Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78 in Fällen, in denen es um die Feststellung geht, ob die Partner eingetragener Lebenspartnerschaften nach dem Recht eines Mitgliedstaats einen Anspruch auf eine Leistung haben, die dieses Recht Ehegatten gewährt.

35.

Die vorliegenden Fragen gehen nicht über diese Fragestellung hinaus. Ich möchte festhalten, dass nicht danach gefragt wird, ob das Recht der Kläger der Ausgangsverfahren auf Gleichbehandlung gegenüber Ehegatten verletzt wurde, sondern ob die Voraussetzungen für die Anwendung der Richtlinie 2000/78 zur Entscheidung in diesen Verfahren vorliegen.

36.

Es wird mithin nicht erwartet, dass der Gerichtshof zu einer möglichen Diskriminierung Stellung nimmt, sondern nur zum Vorliegen der Voraussetzung, die es dem vorlegenden Gericht ermöglicht, über die ihm vorliegenden Verfahren unter Anwendung der Richtlinie zu entscheiden. Hierzu muss es ausreichen, dass festgestellt wird, ob es sich bei den streitigen Beihilfen um ein Arbeitsentgelt im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 handelt, denn davon hängt es ab, ob die streitige Beihilfe einem „Entgelt“ gemäß Art. 157 AEUV gleichgestellt werden kann, auf den die Richtlinie im 13. Erwägungsgrund verweist, um diesen Begriff zu definieren.

B – Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78

37.

Das Bundesverwaltungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass die Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78 davon abhängt, ob die streitige Beihilfe als Entgelt im Sinne von Art. 157 AEUV eingestuft werden kann.

38.

In der Tat bestimmt Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78, dass sie „für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf … c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts“ gilt.

39.

Da es sich hier um eine Leistung handelt, die von einer Behörde gewährt wird, ist es unerlässlich, auf die in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78 vorgesehene Ausnahme einzugehen, nach der „[d]iese Richtlinie … nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes“ gilt.

40.

Diese Ausnahme ist jedoch nach Maßgabe des 13. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2000/78 zu beurteilen, nach dem „[d]iese Richtlinie … weder … auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung von Art. 141 des EG-Vertrags gegeben wurde, noch auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben, [Anwendung findet]“.

41.

Diese integrierte Auslegung des Art. 3 Abs. 3 und des 13. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2000/78, die der Gerichtshof im Urteil Maruko vorgenommen hat ( 9 ), bedeutet, dass nicht alle von öffentlichen Trägern gewährten Leistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78 ausgeschlossen sind, nicht einmal alle, die von öffentlichen Trägern der sozialen Sicherheit gewährt werden, sondern nur solche, die von solchen Trägern gewährt werden und nicht als „Entgelt“ im Sinne des (jetzigen) Art. 157 AEUV betrachtet werden können.

1. Der Begriff „Entgelt“

42.

Um die Vorlagefrage beantworten zu können, muss daher ein konkreter Zweifel ausgeräumt werden, nämlich ob die streitige Beihilfe ein „Entgelt“ im Sinne von Art. 157 AEUV ist, auf den, wie ich bereits ausgeführt habe, die Richtlinie 2000/78 zur Bestimmung des in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c verwendeten Begriff des „Arbeitsentgelts“ verweist. Es wird sich zeigen, dass bei der Untersuchung, ob sämtliche Elemente vorliegen, die den Begriff „Entgelt“ bilden, der Sinn der Ausnahme erkennbar wird, die sich aus der integrierten Auslegung des Art. 3 Abs. 3 und des 13. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2000/78 ergibt. Sie besteht letztendlich in nichts anderem als der Spezifizierung einer Folge, die sich notwendig aus dem Begriff „Entgelt“ selbst ergibt.

43.

Art. 157 AEUV definiert das Entgelt als „die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen …, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt“. Dieser Begriff hat daher einen materiellen Inhalt (Lohn oder Gehalt und sonstige Vergütungen), einen subjektiven Inhalt (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) und ein kausales Element (das Dienstverhältnis). Es ist zu prüfen, ob sie im Fall der streitigen Beihilfe sämtlich vorliegen.

44.

Hinsichtlich des materiellen Elements habe ich keine Zweifel daran, dass die Bezugnahme in Art. 157 AEUV auf „die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen“ den Inhalt der streitigen Beihilfe umfasst. Mit ihr werden dem Arbeitnehmer 50 % bis 80 % der Behandlungskosten, die ihm selbst oder bestimmten von ihm abhängigen Person entstanden sind, erstattet ( 10 ).

45.

Meiner Ansicht nach ist im vorliegenden Fall auch das kausale Element gegeben. Die Beihilfe ist nämlich Bundesbeamten als solchen und wegen dieser Eigenschaft vorbehalten. Insbesondere ist sie ihnen vorbehalten, wenn sie nicht nur Bundesbeamte sind, sondern auch tatsächlich in dieser Eigenschaft arbeiten. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 2 BBhV, nach dem der Anspruch auf Beihilfe bei Urlaub unter Wegfall der Besoldung unberührt bleibt, wenn dieser nicht länger als einen Monat dauert. Meiner Ansicht nach ist der Kausalzusammenhang zwischen der streitigen Beihilfe und dem Dienstverhältnis offenkundig ( 11 ).

46.

Bleibt schließlich das heikelste Element. Die zu prüfende Beihilfe besteht in einer Geldleistung, auf die ein Bundesbeamter aufgrund seines Dienstverhältnisses mit der Bundesverwaltung Anspruch hat. Handelt es sich dabei um eine Leistung, die „der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer“ zahlt, wie es Art. 157 AEUV verlangt? Es handelt sich hierbei meiner Meinung nach um den harten Kern der Frage.

2. Insbesondere die Finanzierung der materiellen Leistung

47.

Eine Leistung, die ein Arbeitnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses mit seinem Arbeitgeber erhält, stellt nur ein „Entgelt“ im Sinne von Art. 157 AEUV dar, wenn sie gerade vom Arbeitgeber gewährt wird. Andere Leistungen, auf die der Arbeitnehmer einen Anspruch haben kann, einschließlich solcher, die aufgrund des Dienstverhältnisses gezahlt werden, sind von dem Begriff, der hier von Interesse ist, nicht umfasst, so dass ihr Schutz vor Diskriminierung außerhalb der Richtlinie 2000/78 zu suchen ist.

48.

Daraus erklärt sich, dass nicht sämtliche Leistungen der sozialen Sicherheit unter den Begriff „Entgelt“ gefasst werden können, sondern nur solche, die nicht nur ein Arbeitsentgelt „aufgrund des Dienstverhältnisses“ darstellen, sondern darüber hinaus entweder vom Arbeitgeber oder indirekt von einem Träger der sozialen Sicherheit gezahlt werden.

49.

Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 25. Mai 1971, Defrenne ( 12 ), schon früh festgestellt, dass die Systeme der sozialen Sicherheit „den Arbeitnehmern Ansprüche aus gesetzlichen Systemen, an deren Finanzierung Arbeitnehmer, Arbeitgeber und gegebenenfalls die öffentliche Hand in einem Maße beteiligt sind, das weniger vom Dienstverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als von sozialpolitischen Erwägungen abhängt“, sichern (Randnr. 8), so dass „der Arbeitgeberanteil an der Finanzierung solcher Systeme … keine unmittelbare oder mittelbare Zahlung an den Arbeitnehmer [darstellt]“ (Randnr. 9); „[L]etzterer wird im Übrigen normalerweise die gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen nicht aufgrund des Arbeitgeberbeitrags, sondern allein deshalb erhalten, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs erfüllt“ (Randnr. 10).

50.

Die Tatsache, dass die Richtlinie 2000/78 keine „Anwendung auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Artikels [157 AEUV] gegeben wurde,“ findet (13. Erwägungsgrund), impliziert, da diese Gleichstellung nur möglich ist, wenn die vom Arbeitnehmer bezogene Leistung von seinem Arbeitgeber gezahlt wird, dass es erforderlich ist, festzustellen, ob die Finanzierung des Systems der sozialen Sicherheit insoweit dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer oder der öffentlichen Hand obliegt. Und nur wenn feststeht, dass die Finanzierung durch den Arbeitgeber erfolgt, und der Schluss gezogen werden kann, dass über das System der sozialen Sicherheit in Wirklichkeit eine Leistung gewährt wird, die indirekt dem Arbeitgeber zuzurechnen ist, kann festgestellt werden, dass es sich um ein „Entgelt“ im Sinne von Art. 157 AEUV handelt.

51.

Dieser Ansatz muss für Träger der sozialen Sicherheit im Besonderen genauso gelten wie für alle anderen öffentlichen Systeme zur Finanzierung von Leistungen an Arbeitnehmer im Allgemeinen. Denn da der Umstand entscheidend ist, dass die Leistung schlussendlich vom Arbeitgeber gezahlt wird, ist die Frage, ob er sie unmittelbar oder über einen Mittelsmann zahlt und ? im letzteren Fall ? ob es sich bei dem zwischengeschalteten Zahler um ein privates Unternehmen oder einen öffentlichen Träger gleich welcher Art handelt und ob es sich um ein Subjekt des öffentlichen Rechts handelt, ebenso irrelevant wie die Form seiner Rechtspersönlichkeit und seine Funktionsweise.

52.

Dies bedeutet, dass im Einzelfall festgestellt werden muss, wer die dem Arbeitnehmer gewährte Leistung finanziert. Dabei ist vom Endzahler auszugehen, und wenn feststeht, dass es sich dabei nicht um den Arbeitgeber handelt, ist zu prüfen, ob er nichts anderes ist als ein Mittelsmann des Arbeitgebers. Wenn es sich um Leistungen von öffentlichen Trägern im Allgemeinen oder der sozialen Sicherheit im Besonderen handelt, muss festgestellt werden, ob diese Leistungen durch Beiträge, die beim Arbeitgeber erhoben werden, finanziert werden oder auf Kosten anderer Beitragszahler, der Arbeitnehmer selbst, der öffentlichen Hand oder von den einen und anderen in unterschiedlichem Umfang. Angesichts der Unterschiede, die insoweit zwischen den Mitgliedstaaten bestehen, ist es offensichtlich, dass hierfür ausschließlich die nationalen Gerichte zuständig sein können.

53.

Meiner Ansicht nach kann sich das Kriterium der Zurechenbarkeit der Finanzierung – in Verbindung mit dem materiellen Inhalt der Leistung und ihrer arbeitsrechtlichen causa –, da es übergreifend ist, als nützlicher erweisen als das der Abgrenzung der Begünstigten der Leistung oder das der größeren oder geringeren Nähe zwischen dieser und anderen äquivalenten Leistungen im Bereich der privaten Unterstützung.

54.

Es muss daher in derselben Weise für Leistungen gelten, die in einer Altersrente bestehen, wie für solche, die eine Beihilfe im Krankheitsfall zum Gegenstand haben. Da es sich um eine materielle Leistung handelt, die aufgrund eines Dienstverhältnisses gezahlt wird, ist allein ausschlaggebend, ob es sich bei demjenigen, der sie finanziert, um den Arbeitgeber handelt oder nicht. Ich glaube, dass die Vorteile dieser Formel im Sinne einer Vereinfachung des Problems der Einstufung einer Leistung als „Entgelt“ im Sinne von Art. 157 AEUV kaum zu bestreiten sind ( 13 ).

C – Der Fall der Ausgangsverfahren

55.

Was die Fälle betrifft, die den Vorlagefragen zugrunde liegen, ergibt sich aus den dem Gerichtshof zur Verfügung gestellten Informationen, dass die streitigen Leistungen auf das Dienstverhältnis zwischen den Bundesbeamten und der Bundesverwaltung zurückgehen und unmittelbar aus dem Bundeshaushalt finanziert werden, der insoweit mit öffentlichen Mitteln des Mitgliedstaats als Arbeitgeber der Bundesbeamten ausgestattet wird.

56.

Angesichts dessen weist alles darauf hin, dass in Übereinstimmung mit den in diesen Schlussanträgen dargestellten Gründen die streitigen Leistungen im vorliegenden Fall als „Entgelt“ im Sinne von Art. 157 AEUV einzustufen sind. Daraus ergibt sich, dass die Richtlinie 2000/78 auf die nationalen Durchführungsbestimmungen anzuwenden ist.

57.

Es ist Sache der nationalen Gerichte, abschließend festzustellen, ob die Finanzierung der Leistungen angesichts ihrer spezifischen Regelung tatsächlich dem Mitgliedstaat als Arbeitgeber der in den Ausgangsverfahren betroffenen Beamten zuzurechnen ist.

VII – Ergebnis

58.

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Vorlagefrage zu antworten:

Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf findet auf nationalstaatliche Vorschriften zur Gewährung von Beihilfe für Beamte in Krankheitsfällen Anwendung, wenn sie im Grundsatz vom Staat als öffentlicher Arbeitgeber finanziert wird. Dies festzustellen, ist Sache des nationalen Gerichts.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) ABl. L 303, S. 16.

( 3 ) BGBl. I S. 266.

( 4 ) BGBl. I S. 1696.

( 5 ) BGBl. I S. 326.

( 6 ) BBhV in der Fassung vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1394).

( 7 ) Urteile vom 1. April 2008, Maruko (C-267/06, Slg. 2008, I-1757), und vom 23. Oktober 2003, Schönheit und Becker (C-4/02, Slg. 2003, I-12575).

( 8 ) C-262/88 (Slg. 1990, I-1889, Randnr. 26).

( 9 ) Vgl. aus neuerer Zeit Urteil vom 10. Mai 2011, Römer (C-147/08, Slg. 2011, I-3591, Randnr. 32).

( 10 ) Der Gerichtshof spricht sich für ein weites Kriterium bei der Feststellung des materiellen Inhalts des Begriffs „Entgelt“ aus. Er hat u. a. für Recht erkannt, dass es sich bei Vergünstigungen im Reiseverkehr (Urteil vom 9. Februar 1982, Garland, C-12/81, Slg. 1982, 359, Randnr. 9), Weihnachtsgratifikationen (Urteil vom 9. September 1999, Krüger, C-281/97, Slg. 1999, I-5127, Randnr. 17), und einer Vergütung für Schulungsveranstaltungen (Urteil vom 4. Juni 1992, Bötel, C-360/90, Slg. 1992, I-3589, Randnrn. 12 bis 15) um Entgelt handelt. Ich gehe davon aus, dass es nicht schwierig ist, ein Arbeitsentgelt wie im vorliegenden Fall dieser Aufzählung hinzuzufügen.

( 11 ) Meiner Ansicht nach ist es kaum von Bedeutung, dass die Leistung, aus der das Entgelt materiell besteht, für den einen oder anderen Zweck bestimmt ist. Ich will damit sagen, dass es unerheblich ist, ob es sich um eine Gegenleistung im engen Sinne handelt, einen Produktivitätsanreiz oder eine Maßnahme zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Entscheidend ist hier die causa der Leistung, nicht der Zweck, dem sie dient. Die Leistung muss auf ein Dienstverhältnis zurückgehen (das daher im Sinne von Art. 157 AEUV seinen „Grund“ darstellt) und jeglichem Zweck dienen können, den der Arbeitgeber rechtmäßig festlegt.

( 12 ) 80/70, Slg. 1971, 445.

( 13 ) Auch nicht im Hinblick auf die Folgen eines bestimmten Grads materieller Vereinheitlichung der Systeme der Mitgliedstaaten, unabhängig von den formellen Unterschieden, die sich aus den jeweiligen Systemen der sozialen Sicherheit und öffentlichen Versorgung und der Freiheit bei ihrer Ausgestaltung ergeben. Vgl. hierzu Krebber, S., „Art. 157“, in: Callies, C./Ruffert, M., EUV/AEUV, 4. Aufl., C. H. Beck, München, 2011, Randnr. 28.