SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 26. April 2012 ( 1 )

Rechtssache C-36/11

Pioneer Hi Bred Italia Srl

gegen

Ministero delle Politiche agricole alimentari e forestali

(Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato [Italien])

„Landwirtschaft — Genetisch veränderte Organismen — Richtlinie 2002/53/EG — Gemeinsamer Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten — In den gemeinsamen Sortenkatalog aufgenommene genetisch veränderte Organismen — Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 — Art. 20 — Bereits existierende Erzeugnisse — Richtlinie 2001/18/EG — Art. 26a — Maßnahmen zur Verhinderung des unbeabsichtigten Vorhandenseins genetisch veränderter Organismen in anderen Produkten — Nationale Maßnahmen, mit denen der Anbau in den gemeinsamen Sortenkatalog aufgenommener und als bereits existierende Erzeugnisse zugelassener genetisch veränderter Organismen bis zum Erlass von Maßnahmen gemäß Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG untersagt wird“

1. 

Zu einem Zeitpunkt, zu dem die politische und rechtliche Debatte über die Frage, ob es erforderlich ist, den Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Beschränkung oder Untersagung des Anbaus von in ihrem Hoheitsgebiet oder einem Teil davon zugelassenen genetisch veränderten Organismen ( 2 ) zu erweitern, mehr denn je in vollem Gange ist ( 3 ), gibt uns das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen Gelegenheit, den gegenwärtigen Stand des Unionsrechts festzuhalten.

2. 

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft hauptsächlich die Auslegung von Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates ( 4 ) in der durch die Richtlinie 2008/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2008 ( 5 ) geänderten Fassung.

3. 

Diese Bestimmung, die die Überschrift „Maßnahmen zur Verhinderung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO“ trägt, lautet:

„(1)

Die Mitgliedstaaten können die geeigneten Maßnahmen ergreifen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in anderen Produkten zu verhindern.

(2)

Die Kommission sammelt und koordiniert Informationen auf der Grundlage von Untersuchungen auf gemeinschaftlicher und nationaler Ebene, beobachtet die Entwicklungen bei der Koexistenz in den Mitgliedstaaten und entwickelt auf der Grundlage dieser Informationen und Beobachtungen Leitlinien für die Koexistenz von genetisch veränderten, konventionellen und ökologischen Kulturen.“

4. 

Die Kommission hat zu diesem Thema hintereinander zwei Empfehlungen abgegeben. Es handelt sich zunächst um die Empfehlung 2003/556/EG der Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen ( 6 ). Sie ist in der Folge durch die Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen aufgehoben und ersetzt worden ( 7 ).

5. 

Diese Empfehlungen enthalten allgemeine Grundsätze, von denen sich die Mitgliedstaaten leiten lassen sollen, wenn sie sich dazu entschließen, Maßnahmen zur Gewährleistung der Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen zu erlassen.

6. 

In beiden Empfehlungen geht die Kommission von dem Grundsatz aus, dass keine Form der Landwirtschaft – ob konventionelle, ökologische oder GVO-gestützte Produktionssysteme – in der Union ausgeschlossen sein sollte. Um den Erzeugern und den Verbrauchern die Wahl zwischen diesen drei Erzeugungsformen zu lassen, sind gesonderte Erzeugungssysteme beizubehalten. Hierbei zielen die Koexistenzmaßnahmen darauf ab, das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in anderen Produkten und damit mögliche wirtschaftliche Einbußen ( 8 ) und die Auswirkungen der Vermischung gentechnisch veränderter und nicht veränderter Kulturen ( 9 ) zu verhindern.

7. 

Koexistenzmaßnahmen können z. B. sein die Festlegung von Sicherheitsabständen zwischen Feldern, die für den Anbau von GVO bestimmt sind, und solchen, die dem konventionellen oder ökologischen Anbau vorbehalten sind, die Einrichtung von Pufferzonen, die Errichtung von Pollenbarrieren oder die Anpassung der Fruchtfolgen ( 10 ).

8. 

In der vorliegenden Rechtssache hat der Consiglio di Stato (Italien) darüber zu befinden, ob eine nationale Regelung, mit der die Erteilung nationaler Genehmigungen für den Anbau von GVO vom Erlass von Koexistenzmaßnahmen durch die Regionen abhängig gemacht wird, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Er möchte Aufschluss über die Tragweite von Art. 26a der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit den Empfehlungen vom 23. Juli 2003 und 13. Juli 2010 haben. Der Consiglio di Stato legt dem Gerichtshof insofern folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

Ist, wenn der Mitgliedstaat beschlossen hat, die Erteilung der Genehmigung des Anbaus von GVO von allgemeinen Maßnahmen zur Gewährleistung der Koexistenz mit konventionellen und ökologischen Kulturen abhängig zu machen, obwohl die GVO im gemeinsamen europäischen Sortenkatalog gemäß der Richtlinie 2002/53/EG ( 11 ) verzeichnet sind, Art. 26a der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit der Empfehlung vom 23. Juli 2003 und der Empfehlung vom 13. Juli 2010 in Bezug auf den Zeitraum bis zum Erlass dieser allgemeinen Maßnahmen dahin auszulegen, dass die Genehmigung zu erteilen ist, wenn sie im gemeinsamen Sortenkatalog verzeichnete GVO betrifft, oder dahin, dass die Prüfung des Antrags auf Genehmigung bis zum Erlass der allgemeinen Maßnahmen auszusetzen ist, oder dahin, dass die Genehmigung unter Auflagen zu erteilen ist, die im konkreten Fall geeignet sind, den, auch unbeabsichtigten, Kontakt von zugelassenen gentechnisch veränderten Kulturen mit in ihrer Umgebung angebauten konventionellen oder ökologischen Kulturen zu verhindern?

9. 

Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Pioneer Hi Bred Italia Srl (im Folgenden: Pioneer) und dem Ministero delle Politiche agricole alimentari e forestali (Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forstwirtschaft) über die Rechtmäßigkeit einer Mitteilung dieses Ministeriums, mit der Pioneer davon unterrichtet wurde, dass ihr Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für den Anbau von bereits im gemeinsamen Sortenkatalog verzeichneten genetisch veränderten Maishybriden aus dem Mais MON 810 nicht geprüft werden könne, bis die Regionen eigene Regeln zur Gewährleistung der Koexistenz konventioneller, ökologischer und gentechnisch veränderter Kulturen erlassen hätten.

10. 

Der Consiglio di Stato ist bei der Formulierung seiner Frage offenbar davon ausgegangen, dass ein Mitgliedstaat ein Verfahren zur Genehmigung des Anbaus eines GVO auf nationaler Ebene einführen darf, obwohl dieser bereits auf der Ebene der Union zugelassen worden ist. Als Erstes ist zu prüfen, ob diese Annahme zutrifft.

11. 

Als Zweites werde ich prüfen, ob sich ein Mitgliedstaat, um in seinem Hoheitsgebiet den Anbau eines nach Unionsrecht zugelassenen GVO zu untersagen, darauf berufen kann, dass auf regionaler Ebene noch keine Koexistenzpläne erlassen sind.

I – Tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang des Vorabentscheidungsersuchens

A – Der rechtliche Status des Maises MON 810

12.

Das Inverkehrbringen des Maises MON 810 wurde auf Antrag der Monsanto Europe SA ( 12 ) mit der Entscheidung 98/294/EG ( 13 ) genehmigt.

13.

Die Richtlinie 2001/18 war nach ihrem Art. 34 bis zum 17. Oktober 2002 umzusetzen. Mit ihr wurde die Richtlinie 90/220/EWG ( 14 ), auf deren Grundlage die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Maises MON 810 erteilt worden war, aufgehoben und ersetzt.

14.

Der Mais MON 810 ist ein Erzeugnis im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2001/18, für das vor dem 17. Oktober 2002 gemäß der Richtlinie 90/220 eine Zustimmung für das Inverkehrbringen erteilt worden ist. Allerdings reichte Monsanto Europe bei der zuständigen nationalen Behörde bis zum Fristende, dem 17. Oktober 2006, keine Anmeldung gemäß Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2001/18 ein. Dieses Unternehmen hat somit nicht nach dem Verfahren gemäß Art. 17 dieser Richtlinie die Erneuerung der Zustimmung für das Inverkehrbringen des Maises MON 810 beantragt.

15.

Nach ihren Erwägungsgründen 7 und 11 wird mit der Verordnung Nr. 1829/2003 u. a. für Futtermittel, die aus GVO bestehen, diese enthalten oder daraus hergestellt werden, sowie für GVO, die als Ausgangsmaterial für die Herstellung solcher Futtermittel verwendet werden sollen, ein einheitliches gemeinschaftliches Zulassungsverfahren eingeführt.

16.

Nach dem Willen von Monsanto Europe sollte das Inverkehrbringen des Maises MON 810 im Rahmen der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1829/2003 erfolgen. Monsanto Europe meldete der Kommission den Mais MON 810 nämlich am 11. Juli 2004 gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung als unter Abschnitt 1 des Kapitels III der Verordnung fallendes, „bereits existierendes Erzeugnis“ an ( 15 ). Am 4. Mai 2007 beantragte Monsanto Europe gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1829/2003 die Erneuerung der Zulassung für das Inverkehrbringen des Maises MON 810. Nach Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1829/2003 bleibt eine bereits existierende Zulassung während des Verfahrens der Erneuerung weiter gültig.

17.

In seinem Urteil vom 8. September 2011, Monsanto u. a. ( 16 ), hat der Gerichtshof festgestellt, dass Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1829/2003, der die weitere Verwendung der von ihm geregelten Erzeugnisse zulässt, die Verwendung von gemeldeten Erzeugnissen als Saatgut abdeckt ( 17 ).

18.

Art. 20 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1829/2003 lautet: „Die in Absatz 1 genannten Erzeugnisse und die Futtermittel, die diese enthalten oder aus diesen hergestellt sind, unterliegen den Bestimmungen dieser Verordnung, insbesondere den Artikeln 21, 22 und 34, die entsprechend gelten.“

19.

Im Übrigen stimmte die Kommission am 8. September 2004 der Eintragung von 17 aus dem Mais MON 810 abgeleiteten Sorten in den gemeinsamen Sortenkatalog gemäß der Richtlinie 2002/53 zu.

20.

Das Verhältnis zwischen der Regelung der Verordnung Nr. 1829/2003 und der Regelung der Richtlinie 2002/53 wird in Art. 4 Abs. 5 dieser Richtlinie bestimmt, wo es heißt: „Wenn aus einer Pflanzensorte gewonnenes Material zur Verwendung in Lebensmitteln oder Futtermitteln bestimmt ist, die unter Artikel 3 bzw. Artikel 15 der Verordnung ... Nr. 1829/2003 ... fallen, so darf diese Sorte nur zugelassen werden, wenn sie gemäß der genannten Verordnung zugelassen wurde.“

21.

Der Mais MON 810 fällt folglich nicht nur unter die Regelung der Verordnung Nr. 1829/2003, sondern auch unter die Regelung der Richtlinie 2002/53.

22.

Außerdem gilt Art. 26a der Richtlinie 2001/18, der mit Art. 43 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1829/2003 in diese Richtlinie eingeführt wurde, allgemein und somit auch für einen GVO wie den Mais MON 810 ( 18 ).

B – Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits und einschlägiges nationales Recht

23.

Pioneer ist ein weltweit agierendes Unternehmen, das konventionelles und genetisch verändertes Saatgut herstellt und vertreibt.

24.

Pioneer möchte die im gemeinsamen Sortenkatalog aufgenommenen Maissorten MON 810 anbauen.

25.

Am 18. Oktober 2006 beantragte Pioneer beim Ministero delle Politiche agricole alimentari e forestali eine Genehmigung zum Anbau dieser Sorten, und zwar gemäß Art. 1 Abs. 2 des Decreto legislativo Nr. 212 vom 24. April 2001 ( 19 ), in dem bestimmt ist:

„… Die Aussaat von Saatgut unterliegt der Genehmigung durch das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, die im Einvernehmen mit dem Umweltminister und dem Gesundheitsminister nach Stellungnahme des [Ausschusses für Saatgut genetisch veränderter Sorten] erteilt wird; in der Genehmigung werden die Maßnahmen bezeichnet, mit denen gewährleistet werden kann, dass Kulturen aus Saatgut genetisch veränderter Sorten nicht mit Kulturen aus herkömmlichem Saatgut in Kontakt kommen und in der unmittelbaren Umgebung keinen ökologischen Schaden verursachen, unter Berücksichtigung der Besonderheiten, die hinsichtlich der Agroökologie, der Umwelt und der Bodenbeschaffenheit bestehen.“ ( 20 )

26.

Mit Mitteilung Nr. 3734 vom 12. Mai 2008 ließ das Ministero delle Politiche agricole alimentari e forestali – Dipartimento delle Politiche di sviluppo economico e rurale della Repubblica Italiana (Abteilung für wirtschaftliche und ländliche Entwicklung der Italienischen Republik) Pioneer wissen, dass ihr Antrag auf Genehmigung des Anbaus von bereits im gemeinsamen Sortenkatalog aufgenommenen genetisch veränderten Maishybriden nicht geprüft werden könne, „bis die Regionen gemäß dem Rundschreiben [Nr. 269] des [Ministero delle Politiche agricole alimentari e forestali] vom 31. März 2006 Regelungen erlassen haben, die geeignet sind, die Koexistenz konventioneller, ökologischer und genetisch veränderter Kulturen zu gewährleisten“.

27.

Es ist der nationale Rechtsrahmen zu erläutern, in dem diese Entscheidung erlassen worden ist.

28.

Mit dem Decreto-legge Nr. 279 vom 22. November 2004 ( 21 ), das durch das Gesetz Nr. 5 vom 28. Januar 2005 geändert und in ein Gesetz umgewandelt wurde ( 22 ), sollen im Hinblick auf die Empfehlung vom 23. Juli 2003 Koexistenzmaßnahmen erlassen werden.

29.

Art. 3 des Decreto-legge Nr. 279 sieht vor, dass diese Koexistenzmaßnahmen vom Ministero delle Politiche agricole alimentari e forestali im Einvernehmen mit der ständigen Konferenz für die Beziehungen zwischen Staat, Regionen und den autonomen Provinzen Trient und Bozen durch ein Dekret ohne formelle Gesetzeskraft erlassen werden, das nach Stellungnahme der zuständigen parlamentarischen Ausschüsse veröffentlicht wird.

30.

Nach diesem Art. 3 und Art. 4 des Decreto-legge Nr. 279 sind mit diesem zu erlassenden Dekret ohne formelle Gesetzeskraft die Rahmenbestimmungen für die Koexistenz festzulegen, nach denen die Regionen im Wege von Ad-hoc-Akten ihre eigenen Koexistenzpläne erlassen sollen.

31.

Nach Art. 4 Abs. 1 des Decreto-legge Nr. 279 wird der Koexistenzplan von jeder Region und jeder autonomen Provinz durch einen Akt erlassen und enthält die technischen Regeln für die Durchführung der Koexistenz, wobei er auch Instrumente vorsieht, die die Zusammenarbeit der lokalen Gebietskörperschaften nach den Grundsätzen der Subsidiarität, der Differenzierung und der Verhältnismäßigkeit gewährleisten.

32.

Art. 8 des Decreto-legge Nr. 279 sieht vor, dass genetisch veränderte Kulturen bis zum Erlass der verschiedenen Koexistenzpläne verboten sind, mit Ausnahme der Kulturen für Forschungs- und Versuchszwecke.

33.

Mit Urteil vom 17. März 2006 hat die Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) auf eine Klage der Region Marche u. a. die Art. 3, 4 und 8 des Decreto-legge Nr. 279 für verfassungswidrig erklärt.

34.

Was insbesondere Art. 4 des Decreto-legge Nr. 279 angeht, hat die Corte costituzionale entschieden, dass diese Bestimmung in die Gesetzgebungskompetenz der Regionen im Bereich der Landwirtschaft eingreife, da diesen die Befugnis zustehe, die Modalitäten der Anwendung des Grundsatzes der Koexistenz in den verschiedenen regionalen Gebieten zu regeln, die sich bekanntlich hinsichtlich ihrer Morphologie und ihrer Produktion unterschieden.

35.

Art. 8 der Decreto-legge Nr. 279 hat die Corte costituzionale für verfassungswidrig erklärt, weil er untrennbar mit den anderen für rechtswidrig erachteten Bestimmungen verbunden sei.

36.

Gültig geblieben sind mithin die Art. 1 und 2 des Decreto-legge Nr. 279, aus denen der Wille des nationalen Gesetzgebers hervorgeht, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in anderen, etwa konventionellen oder ökologischen, Kulturen zu verhindern.

37.

Auf das angeführte Urteil vom 17. März 2006 hin erließ das Ministero delle Politiche agricole alimentari e forestali das Rundschreiben Nr. 269 vom 31. März 2006, in dem es die Auffassung vertritt, dieses Urteil stelle die Rechtmäßigkeit des Verbots, GVO anzubauen, bis Koexistenzpläne erlassen sind, nicht in Frage und die Erklärung von Art. 8 des Decreto-legge Nr. 279 für verfassungswidrig sei dahin zu verstehen, dass das Verbot des Anbaus von GVO weiterhin gelte, aber vorzusehen sei, dass die Behörden der Region oder Provinz von ihrer Zuständigkeit in diesem Bereich Gebrauch machten.

38.

In Nr. 4 dieses Rundschreibens heißt es, auch wenn die Regionen und autonomen Provinzen ihre eigenen Bestimmungen zur Koexistenz erlassen hätten, müsste das Verfahren der Genehmigung des Anbaus der GVO noch positiv abgeschlossen werden, gemäß den Bestimmungen des Decreto legislativo Nr. 212/2001, nach denen die Erteilung einer ministeriellen Genehmigung erforderlich sei.

39.

In Nr. 5 dieses Rundscheibens stellt das Ministero delle Politiche agricole alimentari e forestali fest:

Der Anbau von GVO bleibt untersagt, bis die Rechtsetzungsakte der Regionen, mit denen die Koexistenz konventioneller, ökologischer und genetisch veränderter Kulturen gewährleistet werden kann, erlassen sind und passende Lösungen zwischen benachbarten Regionen gefunden sind;

Verstöße gegen dieses Verbot führen zur Anwendung der Sanktionen gemäß Art. 1 Abs. 5 des Decreto legislativo Nr. 212/2001.

40.

Die erwähnte Mitteilung entspricht genau dem Inhalt dieses Rundschreibens Nr. 269 vom 31. März 2006.

41.

Pioneer hat beim Präsidenten der Italienischen Republik eine außerordentliche Beschwerde eingelegt, mit dem Ziel, die Nichtigerklärung der genannten Mitteilung zu erreichen. Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die in Nr. 8 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegebene Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.

42.

Im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens haben Pioneer, die italienische und die spanische Regierung sowie die Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben. Am 21. März 2012 fand eine mündliche Verhandlung statt, an der Pioneer, die italienische Regierung und die Kommission teilgenommen haben.

II – Würdigung

43.

Bevor geprüft wird, welche Tragweite Art. 26a der Richtlinie 2001/18 beizumessen ist, ist zu prüfen, ob ein Mitgliedstaat befugt ist, neben der vom Unionsrecht vorgesehenen eine nationale Regelung der Genehmigung für den Anbau von GVO vorzusehen. Wie die italienische Regierung in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, ist diese Frage meines Erachtens zu verneinen.

44.

Wie bereits ausgeführt sind die Verwendung und das Inverkehrbringen von Saatgut des genetisch veränderten Maises MON 810 in der Union auf zweifache Weise zugelassen.

45.

Als Erstes sind die Verwendung und das Inverkehrbringen dieses Saatguts nach der Verordnung Nr. 1829/2003 zugelassen, soweit diese Sorten „bereits existierende Erzeugnisse“ im Sinne von Art. 20 dieser Verordnung darstellen. Ein Erzeugnis, für das ein solches Zulassungsverfahren durchgeführt worden ist, darf in der Union verwendet und in den Verkehr gebracht werden. Für genetisch veränderte Futtermittel ergibt sich dies aus Art. 16 Abs. 2 dieser Verordnung, nach dem „[n]iemand ... ein in Artikel 15 Absatz 1 genanntes Erzeugnis in Verkehr bringen, verwenden oder verarbeiten [darf], das nicht über eine gemäß diesem Abschnitt erteilte Zulassung verfügt und die entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen erfüllt“. Im Übrigen bestimmt Art. 19 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1829/2003: „Die Zulassung, die gemäß dem in dieser Verordnung festgelegten Verfahren erteilt wird, gilt in der gesamten Gemeinschaft.“

46.

Außerdem heißt es im ersten Erwägungsgrund dieser Verordnung: „Der freie Verkehr mit sicheren und gesunden Lebensmitteln und Futtermitteln ist ein wichtiger Aspekt des Binnenmarkts und trägt wesentlich zur Gesundheit und zum Wohlergehen der Bürger und zu ihren sozialen und wirtschaftlichen Interessen bei“; dies impliziert, dass, sobald Produkte nach den Verfahren gemäß dieser Verordnung Gegenstand einer wissenschaftlichen Bewertung gewesen sind, die ergeben hat, dass das Risiko einer Beeinträchtigung der Umwelt oder der Gesundheit nicht besteht, und für die somit eine Zulassung für das Inverkehrbringen erteilt worden ist, eine solche Zulassung bewirkt, dass der freie Verkehr mit den betreffenden Lebens- und Futtermitteln zwischen den Mitgliedstaaten erlaubt ist.

47.

Die Verwendung und das Inverkehrbringen von Saatgut der Sorten des genetisch veränderten Maises MON 810 sind in der Union als Zweites zugelassen, soweit diese Sorten in den gemeinsamen Sortenkatalog gemäß der Richtlinie 2002/53 aufgenommen worden sind.

48.

Denn nach dem elften Erwägungsgrund dieser Richtlinie „[sollte] [u]nter diese Richtlini[e] fallendes Saat- und Pflanzgut ... ab dessen Veröffentlichung im gemeinsamen Sortenkatalog in der Gemeinschaft frei gehandelt werden dürfen“. Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie legt den Mitgliedstaaten daher die Verpflichtung auf, dafür Sorge zu tragen, „dass mit der Bekanntmachung nach Artikel 17 Saat- und Pflanzgut von Sorten, die nach den Bestimmungen dieser Richtlinie oder nach Grundsätzen, die denen dieser Richtlinie entsprechen, zugelassen worden sind, ab dem Zeitpunkt der in Artikel 17 genannten Veröffentlichung keinen Verkehrsbeschränkungen hinsichtlich der Sorte unterliegt“.

49.

Weder aufgrund der Verordnung Nr. 1829/2003 noch aufgrund der Richtlinie 2002/53 sind die Mitgliedstaaten befugt, auf nationaler Ebene eine zusätzliche Kontrolle der Gefahren, die ein GVO für die Umwelt oder die Gesundheit darstellen kann, einzuführen, bei der am Ende von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats eine Genehmigung für den Anbau in seinem Hoheitsgebiet erteilt wird oder die Erteilung einer solchen Genehmigung abgelehnt wird. Nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts beruht die Regelung des Inverkehrbringens von GVO in der Union also auf einer auf der Ebene der Union erteilten Zulassung, aufgrund derer die betreffenden GVO in den Mitgliedstaaten frei verwendet und in Verkehr gebracht werden dürfen. Art. 1 Abs. 2 des Decreto legislativo Nr. 212/2001 ist somit insoweit nicht mit dem durch die Regelung der Union eingerichteten System vereinbar, als er für den Anbau von GVO allgemein eine nationale Genehmigung vorschreibt.

50.

Ich schlage somit vor, dass der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht in einer ersten Stufe seiner Prüfung antwortet, dass GVO wie genetisch veränderte Maishybride aus dem Mais MON 810, die nach der Richtlinie 90/220 u. a. als Saatgut für Anbauzwecke zugelassen wurden, die gemäß Art. 20 der Verordnung Nr. 1829/2003 als bereits existierende Erzeugnisse gemeldet wurden, für die sodann ein Antrag auf Erneuerung der Zulassung gestellt wurde, der noch geprüft wird, und die in den gemeinsamen Sortenkatalog gemäß der Richtlinie 2002/53 aufgenommen wurden, keinem nationalen Genehmigungsverfahren unterworfen werden dürfen.

51.

Stellt ein Mitgliedstaat, nachdem ein GVO auf Unionsebene zugelassen ist, eine Gefahr für die Umwelt oder die Gesundheit fest und möchte er, dass diese Gefahr berücksichtigt wird, hat er auf eines der Verfahren zurückzugreifen, das die Unionsregelung hierfür vorsieht. Wenn wir uns in Anbetracht der Umstände des Ausgangsrechtsstreits auf die Richtlinie 2002/53 und die Verordnung Nr. 1829/2003 beschränken, handelt es sich dabei um folgende Verfahren.

52.

Nach Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2002/53

„kann [e]in Mitgliedstaat ... auf Antrag ... ermächtigt werden, in der Gesamtheit oder in einem Teil seines Gebiets die Verwendung der Sorte zu untersagen oder geeignete Bedingungen für den Anbau der Sorte und in dem im folgenden Buchstaben c) vorgesehenen Fall Bedingungen für die Verwendung der aus dem Anbau hervorgegangenen Produkte vorzuschreiben,

a)

wenn nachgewiesen wird, dass sich der Anbau dieser Sorte hinsichtlich des Pflanzenschutzes auf den Anbau anderer Sorten oder Arten oder auf die Umwelt schädlich auswirken könnte; oder

c)

wenn es – abgesehen von den Gründen, die beim Verfahren [der Aufnahme in einen einzelstaatlichen Sortenkatalog] bereits geltend gemacht wurden oder geltend gemacht werden konnten – triftige Gründe für die Annahme gibt, dass die Sorte ein Risiko für die menschliche Gesundheit oder für die Umwelt darstellt.“

53.

Im Übrigen sieht Art. 18 dieser Richtlinie vor: „Wird festgestellt, dass sich der Anbau einer Sorte, die in den gemeinsamen Sortenkatalog aufgenommen ist, in einem Mitgliedstaat in Bezug auf den Pflanzenschutz, auf den Anbau anderer Sorten oder Arten schädlich auswirken oder ein Risiko für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit darstellen könnte, so kann der Mitgliedstaat auf Antrag ... ermächtigt werden, den Verkehr mit Saat- und Pflanzgut dieser Sorte in der Gesamtheit oder in einem Teil seines Gebiets zu verbieten. Bei unmittelbarer Gefahr einer Ausbreitung von Schadorganismen oder bei unmittelbarer Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt kann der betroffene Mitgliedstaat das Verbot ab Antragstellung bis zur endgültigen Entscheidung erlassen, die binnen drei Monaten ... ergehen muss.“

54.

Was die mit der Verordnung Nr. 1829/2003 eingeführten Verfahren angeht, ist Art. 22 dieser Verordnung einschlägig, der bei genetisch veränderten Futtermitteln ( 23 ) die Änderung, die Aussetzung oder den Widerruf der Zulassungen auf Initiative der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaats oder der Kommission ermöglicht.

55.

Außerdem können die Mitgliedstaaten nach Art. 34 dieser Verordnung Sofortmaßnahmen treffen; diese Bestimmung lautet: „Ist davon auszugehen, dass ein nach dieser Verordnung zugelassenes oder mit ihr in Einklang stehendes Erzeugnis wahrscheinlich ein ernstes Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt darstellt, ... so werden Maßnahmen nach den Verfahren der Artikel 53 und 54 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002[ ( 24 )] getroffen.“ In seinem Urteil Monsanto u. a. hat der Gerichtshof festgestellt, dass „die Mitgliedstaaten nach Art. 34 der Verordnung Nr. 1829/2003 für den Erlass von Sofortmaßnahmen außer der Dringlichkeit das Vorliegen einer Situation begründen müssen, in der ein erhebliches Risiko bestehen kann, das offensichtlich die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt gefährdet“ ( 25 ).

56.

Auf Art. 26a der Richtlinie 2001/18, der ihnen wie bereits ausgeführt die Möglichkeit einräumt, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in anderen Produkten zu verhindern, können sich die Mitgliedstaaten hingegen nicht berufen, um den Anbau eines gemäß der Verordnung Nr. 1829/2003 zugelassenen und gemäß der Richtlinie 2002/53 in den gemeinsamen Sortenkatalog aufgenommenen GVO in ihrem Hoheitsgebiet generell zu verhindern. Der Zweck der Maßnahmen, die geeignet sind, die Koexistenz der verschiedenen Arten von Kulturen zu gewährleisten, ist insoweit strikt von dem mit den soeben beschriebenen Verfahren verfolgten Ziel zu unterscheiden.

57.

Nach den Empfehlungen vom 23. Juli 2003 und vom 13. Juli 2010 soll mit den Koexistenzmaßnahmen die Vielfalt der Formen der Landwirtschaft bewahrt werden, um zum einen den Erzeugern die Wahl zu überlassen, welchen Arten von Kulturen sie den Vorzug geben möchten, und zum anderen den Verbrauchern die Wahl, welche Arten von Nahrungsmitteln – genetisch verändert oder nicht – sie konsumieren möchten. Von dieser Wahlfreiheit kann nur dann tatsächlich Gebrauch gemacht werden, wenn Maßnahmen erlassen werden, mit denen die Existenz gesonderter Erzeugungssysteme gewährleistet wird.

58.

Außerdem kann mit den Koexistenzmaßnahmen, mit denen das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in anderen Produkten verhindert werden soll, der wirtschaftliche Schaden abgewendet werden, der den Erzeugern konventioneller und ökologischer Kulturen dadurch entstehen könnte, insbesondere im Fall des Überschreitens des gesetzlichen Schwellenwerts für die Etikettierung, ab dem auf das Vorhandensein von GVO hinzuweisen ist.

59.

Mit den Koexistenzmaßnahmen gemäß Art. 26a der Richtlinie 2001/18 soll somit in erster Linie die Koexistenz der verschiedenen Formen der Landwirtschaft ermöglicht werden. Wie bereits ausgeführt, kommen als solche Maßnahme in Frage: die Festlegung von Sicherheitsabständen zwischen Feldern, die für den Anbau von GVO bestimmt sind, und solchen, die dem konventionellen oder ökologischen Anbau vorbehalten sind, die Einrichtung von Pufferzonen, die Errichtung von Pollenbarrieren oder die Anpassung der Fruchtfolgen.

60.

Art. 26a der Richtlinie 2001/18, mit dem die Koexistenz verschiedener Kulturarten unter bestmöglichen Bedingungen gewährleistet werden soll und nicht generell eine Kulturart aus gesundheitlichen oder Umweltschutzgründen ausgeschlossen werden soll, unterscheidet sich somit ganz klar von den Verfahren, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, sich aus solchen Gründen dem Anbau eines GVO in ihrem Hoheitsgebiet zu widersetzen.

61.

Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass wegen der Eigenheiten eines bestimmten Gebiets wie des Klimas, des Reliefs, der Arten der Kulturen, des Fruchtwechselsystems oder der Struktur der Betriebe der Erlass von technischen Maßnahmen alleine nicht genügt, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in konventionellen oder ökologischen Kulturen zu verhindern. In einer solchen Situation könnte Art. 26a der Richtlinie 2001/18 dahin ausgelegt werden, dass er es einem Mitgliedstaat ermöglicht, den Anbau von GVO in einem bestimmten Gebiet seines Hoheitsgebiets zu untersagen ( 26 ). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit würde dies aber den strengen Beweis voraussetzen, dass andere Maßnahmen nicht ausreichen würden, um an diesem Ort das Vorhandensein von GVO in benachbarten konventionellen und ökologischen Kulturen zu beherrschen.

62.

Wenn dieser Sonderfall nicht vorliegt oder der genannte Nachweis nicht erbracht wird, kann sich ein Mitgliedstaat nicht auf Art. 26a der Richtlinie 2001/18 stützen, um den Anbau eines nach der Verordnung Nr. 1829/2003 zugelassenen und nach der Richtlinie 2002/53 in den gemeinsamen Sortenkatalog aufgenommenen GVO in seinem Hoheitsgebiet zu untersagen.

63.

Nach diesen Ausführungen zur Tragweite, die Art. 26a der Richtlinie 2001/18 meines Erachtens beizumessen ist, kann sich ein Mitgliedstaat aufgrund dieser Bestimmung auch nicht dem Anbau eines solchen GVO in seinem Hoheitsgebiet widersetzen, bis auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene Koexistenzmaßnahmen getroffen sind.

64.

Abgesehen davon, dass der Erlass von Koexistenzmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten bereits nach dem Wortlaut von Art. 26a der Richtlinie 2001/18 nur fakultativ ist, würde die Annahme des Gegenteils darauf hinauslaufen, eine zusätzliche Bedingung für das Inverkehrbringen eines auf Unionsebene zugelassenen GVO einzuführen, die davon abhängig wäre, wie schnell die Mitgliedstaaten gegebenenfalls Koexistenzmaßnahmen erlassen, was mit dem durch die Verordnung Nr. 1829/2003 eingeführten System unvereinbar ist.

65.

Im Übrigen würde eine solche Auslegung von Art. 26a der Richtlinie 2001/18 dazu führen, es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, den Anbau eines nach der Verordnung Nr. 1829/2003 zugelassenen und nach der Richtlinie 2002/53 in den gemeinsamen Sortenkatalog aufgenommenen GVO in ihrem Hoheitsgebiet außerhalb der hierfür durch diese beiden Regelungen vorgesehenen Verfahren zu untersagen, und stellte somit ein leichtes Mittel für die Umgehung dieser Verfahren dar.

66.

Es bleibt den Mitgliedstaaten natürlich unbenommen, jederzeit auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach Art. 26a der Richtlinie 2001/18 Maßnahmen zur Gewährleistung der Koexistenz genetisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen zu erlassen. Die Mitgliedstaaten können sich aber nicht auf ihr Versäumnis, Koexistenzmaßnahmen auszuarbeiten und durchzuführen, berufen, auch nicht, wenn dieses auf die interne Verteilung der Zuständigkeiten zurückzuführen ist, um in der Zwischenzeit den Anbau eines nach der Verordnung Nr. 1829/2003 zugelassenen und nach der Richtlinie 2002/53 in den gemeinsamen Sortenkatalog aufgenommenen GVO in ihrem Hoheitsgebiet zu untersagen.

67.

Somit schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 26a der Richtlinie 2001/18 dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat nicht ermöglicht, sich dem Anbau eines nach der Verordnung Nr. 1829/2003 zugelassenen und nach der Richtlinie 2002/53 in den gemeinsamen Sortenkatalog aufgenommenen GVO in seinem Hoheitsgebiet zu widersetzen, bis auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene Maßnahmen zur Verhinderung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in anderen Kulturen erlassen sind.

III – Ergebnis

68.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Consiglio di Stato wie folgt zu antworten:

Genetisch veränderte Organismen wie genetisch veränderte Maishybride aus dem Mais MON 810, die nach der Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt u. a. als Saatgut für Anbauzwecke zugelassen wurden, die nach Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel als bereits existierende Erzeugnisse gemeldet wurden, für die sodann ein Antrag auf Erneuerung der Zulassung gestellt wurde, der noch geprüft wird, und die in den gemeinsamen Sortenkatalog gemäß der Richtlinie 2002/53/EG des Rates vom 13. Juni 2002 in der durch die Verordnung Nr. 1829/2003 geänderten Fassung aufgenommen wurden, dürfen keinem nationalen Genehmigungsverfahren unterworfen werden.

Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates in der durch die Richtlinie 2008/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2008 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht ermöglicht, sich dem Anbau solcher genetisch veränderter Organismen in seinem Hoheitsgebiet zu widersetzen, bis auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene Maßnahmen zur Verhinderung des unbeabsichtigten Vorhandenseins genetisch veränderter Organismen in anderen Kulturen erlassen sind.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Im Folgenden: GVO.

( 3 ) Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 13. Juli 2010 zur Freiheit der Mitgliedstaaten, über den Anbau von genetisch veränderten Kulturen zu entscheiden (KOM[2010] 380 endg.), und den von der Europäischen Kommission am 13. Juli 2010 vorgelegten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen (KOM[2010] 375 endg.). Vgl. auch legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5. Juli 2011 zu diesem Vorschlag. Mit diesem Vorschlag soll den Mitgliedstaaten die Freiheit gewährt werden, sich auf andere Gründe als die wissenschaftliche Bewertung von Gesundheits- und Umweltrisiken zu stützen, um den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu untersagen oder zu beschränken. Mehrere Mitgliedstaaten haben sich entschieden gegen diesen Vorschlag der Kommission ausgesprochen, so dass die dänische Präsidentschaft der Europäischen Union derzeit um einen Kompromiss bemüht ist, der die Zustimmung aller Mitgliedstaaten finden kann.

( 4 ) ABl. L 106, S. 1, im Folgenden: Richtlinie 2001/18.

( 5 ) ABl. L 81, S. 45.

( 6 ) ABl. L 189, S. 36, im Folgenden: Empfehlung vom 23. Juli 2003.

( 7 ) ABl. C 200, S. 1, im Folgenden: Empfehlung vom 13. Juli 2010.

( 8 ) Diese wirtschaftlichen Einbußen können u. a. aus der Verpflichtung zur Etikettierung mit dem Hinweis auf das Vorhandensein von GVO in einem Erzeugnis beim Überschreiten des gesetzlichen Schwellenwerts von 0,9 % resultieren.

( 9 ) Vgl. für einen allgemeinen Überblick über die Problematik u. a. Rosso Grossman, M., „Coexistence of Genetically Modified, Conventional, and Organic Crops in the European Union: The Community Framework“, The Regulation of Genetically Modified Organisms: Comparative Approaches, Oxford University Press, 2010, S. 123.

( 10 ) Vgl. indikativer Maßnahmenkatalog zur Koexistenz in Abschnitt 3 der Empfehlung vom 23. Juli 2003.

( 11 ) Richtlinie des Rates vom 13. Juni 2002 über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten (ABl. L 193, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl. L 268, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2002/53).

( 12 ) Im Folgenden: Monsanto Europe.

( 13 ) Entscheidung der Kommission vom 22. April 1998 über das Inverkehrbringen von genetisch verändertem Mais (Zea mays L., Linie MON 810) gemäß der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 131, S. 32).

( 14 ) Richtlinie des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (ABl. L 117, S. 15).

( 15 ) Da es sich beim Mais MON 810 um eine Sorte genetisch veränderten Maises handelt, die offenbar hauptsächlich als Futtermittel verwendet wird, werde ich mich im Folgenden nur auf Abschnitt 1 des Kapitels III der Verordnung Nr. 1829/2003 beziehen, der die Zulassung und Überwachung genetisch veränderter Futtermittel betrifft. Allerdings hat Monsanto Europe den Mais MON 810 der Kommission auch gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b dieser Verordnung als „bereits existierendes Erzeugnis“ gemeldet; diese Bestimmung gehört zu Abschnitt 1 des Kapitels II dieser Verordnung, der die Zulassung und Überwachung genetisch veränderter Lebensmittel betrifft. Da die Bestimmungen des Abschnitts 1 des Kapitels II der Verordnung Nr. 1829/2003 und des Abschnitts 1 des Kapitels III dieser Verordnung vergleichbar sind, hat die Tatsache, dass ich mich nur auf die Bestimmungen des letztgenannten Abschnitts beziehe, keinen Einfluss auf die Analyse.

( 16 ) C-58/10 bis C-68/10, Slg. 2011, I-7763.

( 17 ) Randnr. 55.

( 18 ) Der Vorrang der sektoralen Rechtsvorschriften gemäß Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 gilt nicht für Art. 26a dieser Richtlinie.

( 19 ) GURI Nr. 131 vom 8. Juni 2001, im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 212.

( 20 ) Außerdem bestimmt Art. 1 Abs. 5 des Decreto legislativo Nr. 212: „Wer Saatgut genetisch veränderter Sorten ohne die Genehmigung gemäß Absatz 2 aussät, wird mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 100 Mio. Lire bestraft. Dasselbe gilt, wenn die Genehmigung widerrufen oder ausgesetzt ist.“

( 21 ) GURI Nr. 280 vom 29. November 2004.

( 22 ) GURI Nr. 22 vom 28. Januar 2005, im Folgenden: Decreto-legge Nr. 279.

( 23 ) Die einschlägigen Bestimmungen für genetisch veränderte Nahrungsmittel finden sich in Art. 10 der Verordnung Nr. 1829/2003.

( 24 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31, S. 1).

( 25 ) Randnr. 81.

( 26 ) Vgl. in diesem Sinne Empfehlung vom 23. Juli 2003 (Abschnitt 2.1.5) und, ausdrücklicher, Empfehlung vom 13. Juli 2010 (Abschnitt 2.4).