Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In der Rechtssache T‑240/10

Ungarn, vertreten durch M. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,

Kläger,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und S. Menez als Bevollmächtigte,

durch

Großherzogtum Luxemburg, vertreten zunächst durch C. Schiltz, dann durch P. Frantzen und schließlich durch L. Delvaux und D. Holderer als Bevollmächtigte,

durch

Republik Österreich, vertreten durch C. Pesendorfer und E. Riedl als Bevollmächtigte,

und durch

Republik Polen, vertreten zunächst durch M. Szpunar, B. Majczyna und J. Sawicka, dann durch B. Majczyna und J. Sawicka als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch A. Sipos und L. Pignataro-Nolin, dann durch A. Sipos und D. Bianchi als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses 2010/135/EU der Kommission vom 2. März 2010 über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten Kartoffelerzeugnisses ( Solanum tuberosum L. Linie EH92‑527‑1) mit erhöhtem Amylopectingehalt in der Stärke gemäß der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 53, S. 11) sowie des Beschlusses 2010/136/EU der Kommission vom 2. März 2010 über die Zulassung des Inverkehrbringens von Futtermitteln, die aus der genetisch veränderten Kartoffelsorte EH92‑527‑1 (BPS‑25271‑9) gewonnen werden, und des zufälligen oder technisch nicht zu vermeidenden Vorhandenseins dieser Kartoffelsorte in Lebensmitteln und Futtermitteln gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 53, S. 15)

erlässt

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung der Richterin I. Labucka in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters S. Frimodt Nielsen und der Richterin M. Kancheva (Berichterstatterin),

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2013

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

Rechtlicher Rahmen

Genehmigungsverfahren für das Inverkehrbringen genetisch veränderter Organismen

1. Die unionsrechtliche Regelung für die Genehmigung des Inverkehrbringens genetisch veränderter Organismen (im Folgenden: GVO) beruht auf dem Vorsorgeprinzip und insbesondere auf dem Grundsatz, dass diese Organismen bzw. die Erzeugnisse, die sie enthalten, nur dann in die Umwelt freigesetzt oder in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie Gegenstand einer Genehmigung sind, die nach einer wissenschaftlichen Risikobewertung im Einzelfall im Hinblick auf spezifische Verwendungen und unter bestimmten Voraussetzungen erteilt wurde.

2. Diese Regelung umfasst zwei maßgebliche Rechtsakte. Der erste betrifft die absichtliche Freisetzung von GVO in die Umwelt im Allgemeinen und der zweite speziell genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel.

3. Der erstgenannte Rechtsakt ist die Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 106, S. 1).

4. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/18 lautet:

„Vor der Anmeldung gemäß Teil B [Absichtliche Freisetzung von GVO zu anderen Zwecken als dem Inverkehrbringen] oder Teil C [Inverkehrbringen von GVO als Produkte oder in Produkten] hat der Verantwortliche eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Die zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung gegebenenfalls erforderlichen Informationen sind in Anhang III aufgeführt. Die Mitgliedstaaten und die Kommission sorgen dafür, dass GVO, die Gene enthalten, welche Resistenz gegen in der ärztlichen oder tierärztlichen Behandlung verwendete Antibiotika vermitteln, bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung besonders berücksichtigt werden, und zwar im Hinblick auf die Identifizierung und schrittweise Einstellung der Verwendung von Antibiotikaresistenzmarkern in GVO, die schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben können. Diese schrittweise Einstellung der Verwendung erfolgt im Falle von gemäß Teil C in den Verkehr gebrachten GVO bis zum 31. Dezember 2004 und im Falle von gemäß Teil B zugelassenen GVO bis zum 31. Dezember 2008.“

5. In Anhang II der geänderten Richtlinie 2001/18 werden allgemein das zu erreichende Ziel, die zu bedenkenden Faktoren sowie die zu befolgenden Grundprinzipien und die Methodik zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wie in Art. 4 der Richtlinie erwähnt, beschrieben. Diese Richtlinie ist im Zusammenhang zu sehen mit der Entscheidung 2002/623/EG der Kommission vom 24. Juli 2002 über Leitlinien zur Ergänzung des Anhangs II der Richtlinie 2001/18 (ABl. L 200, S. 22).

6. Das durch die Richtlinie 2001/18, insbesondere ihre Art. 13 bis 19, harmonisierte Verfahren geht von dem Grundsatz aus, dass die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, die von einem Unternehmen eine Anmeldung erhalten hat, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung umfasst, eine Genehmigung erteilt, zu der die zuständigen Behörden der übrigen Mitgliedstaaten oder die Europäische Kommission Bemerkungen oder Einwände vortragen können.

7. Art. 18 („Gemeinschaftsverfahren im Falle von Einwänden“) Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/18 bestimmt:

„In Fällen, in denen ein Einwand geltend gemacht und von einer zuständigen Behörde oder der Kommission gemäß den Artikeln 15, 17 und 20 aufrechterhalten wird, wird nach dem Verfahren des Artikels 30 Absatz 2 innerhalb von 120 Tagen eine Entscheidung getroffen und veröffentlicht. …“

8. Art. 30 („Ausschussverfahren“) Abs. 2 der Richtlinie 2001/18 verweist auf das nach Art. 5 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (ABl. L 184, S. 23) vorgesehene Verfahren, den so genannten „Komitologiebeschluss“, in der durch den Beschluss 2006/512/EG des Rates vom 17. Juli 2006 (ABl. L 200, S. 11) geänderten Fassung.

9. Der zweite maßgebliche Unionsrechtsakt zur Genehmigungsregelung für das Inverkehrbringen von GVO ist die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl. L 268, S. 1). Mit dieser Verordnung wurde eine einheitliche, im Verhältnis zu der allgemeinen harmonisierten Regelung der Richtlinie 2001/18 spezielle Regelung für die Genehmigung von genetisch veränderten Lebensmitteln (Kapitel II) und genetisch veränderten Futtermitteln (Kapitel III) eingeführt. Nach dieser einheitlichen Regelung wird ein Genehmigungsantrag unmittelbar auf Unionsebene in Absprache mit den Mitgliedstaaten beurteilt, und der endgültige Beschluss über die Genehmigung wird von der Kommission oder gegebenenfalls vom Rat der Europäischen Union getroffen.

10. Die Kommission und der Rat stützen ihre Beschlüsse auf wissenschaftliche Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31, S. 1) unterliegt. In dieser Verordnung sind die allgemeinen Grundsätze der Risikobewertung in allen Bereichen festgelegt, die sich unmittelbar oder mittelbar auf die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit auswirken, unter Einbeziehung von GVO. Die EFSA ist auch dafür zuständig, im Rahmen des Gemeinschaftsverfahrens im Fall von Einwänden gemäß der Richtlinie 2001/18 Risikobewertungen durchzuführen.

11. Art. 7 Abs. 1 und 3 sowie Art. 19 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1829/2003 sind wortgleich und stehen in den Kapiteln II bzw. III der Verordnung. Sie lauten:

„(1) Die Kommission legt dem in Artikel 35 genannten Ausschuss innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der Stellungnahme der [EFSA] einen Entwurf für eine Entscheidung über den Antrag vor, wobei die Stellungnahme der [EFSA], die einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und andere legitime Faktoren berücksichtigt werden, die für den jeweils zu prüfenden Sachverhalt relevant sind. Stimmt der Entscheidungsentwurf nicht mit der Stellungnahme der [EFSA] überein, erläutert die Kommission die betreffenden Unterschiede.

(3) Die endgültige Entscheidung über den Antrag wird nach dem in Artikel 35 Absatz 2 genannten Verfahren getroffen.“

12. Art. 35 („Ausschussverfahren“) Abs. 2 der Verordnung Nr. 1829/2003 verweist ebenso wie die Richtlinie 2001/18 (siehe oben, Randnr. 8) auf das nach Art. 5 des Beschlusses 1999/468 vorgesehene Verfahren.

Regelungsverfahren

13. Art. 5 („Regelungsverfahren“) des Beschlusses 1999/468 in der durch den Beschluss 2006/512 geänderten Fassung lautet:

„(1) Die Kommission wird von einem Regelungsausschuss unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem der Vertreter der Kommission den Vorsitz führt.

(2) Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuss einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der betreffenden Frage festsetzen kann. Die Stellungnahme wird mit der Mehrheit abgegeben, die in Artikel 205 Absätze 2 und 4 des Vertrags für die Annahme der vom Rat auf Vorschlag der Kommission zu fassenden Beschlüsse vorgesehen ist. Bei der Abstimmung im Ausschuss werden die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten gemäß dem vorgenannten Artikel gewogen. Der Vorsitzende nimmt an der Abstimmung nicht teil.

(3) Die Kommission erlässt unbeschadet des Artikels 8 die beabsichtigten Maßnahmen, wenn sie mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmen.

(4) Stimmen die beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht überein oder liegt keine Stellungnahme vor, so unterbreitet die Kommission dem Rat unverzüglich einen Vorschlag für die zu treffenden Maßnahmen und unterrichtet das Europäische Parlament.

(5) Ist das Europäische Parlament der Auffassung, dass ein Vorschlag, den die Kommission auf der Grundlage eines gemäß Artikel 251 des Vertrags erlassenen Basisrechtsakts unterbreitet hat, über die in diesem Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgeht, so unterrichtet es den Rat über seinen Standpunkt.

(6) Der Rat kann, gegebenenfalls in Anbetracht eines solchen etwaigen Standpunkts, innerhalb einer Frist, die in jedem Basisrechtsakt festzulegen ist, die keinesfalls aber drei Monate von der Befassung des Rates an überschreiten darf, mit qualifizierter Mehrheit über den Vorschlag befinden.

Hat sich der Rat innerhalb dieser Frist mit qualifizierter Mehrheit gegen den Vorschlag ausgesprochen, so überprüft die Kommission den Vorschlag. Die Kommission kann dem Rat einen geänderten Vorschlag vorlegen, ihren Vorschlag erneut vorlegen oder einen Vorschlag für einen Rechtsakt auf der Grundlage des Vertrags vorlegen.

Hat der Rat nach Ablauf dieser Frist weder den vorgeschlagenen Durchführungsrechtsakt erlassen noch sich gegen den Vorschlag für die Durchführungsmaßnahmen ausgesprochen, so wird der vorgeschlagene Durchführungsrechtsakt von der Kommission erlassen.“

14. Die Regelungsausschüsse, die zuständig sind, um an der Ausübung der der Kommission gemäß der Richtlinie 2001/18 und der Verordnung Nr. 1829/2003 übertragenen Durchführungsbefugnisse mitzuwirken, sind der nach Art. 30 Abs. 1 der genannten Richtlinie eingeführte Regelungsausschuss betreffend die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und die Tiergesundheit nach Art. 35 Abs. 1 der genannten Verordnung, der gemäß Art. 58 der Verordnung Nr. 178/2002 eingeführt wurde.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Das genehmigte Erzeugnis

15. Die genetisch veränderte Kartoffel mit der Bezeichnung „Amflora“ ( Solanum tuberosum L. Linie EH92‑527‑1) ist eine Kartoffel mit verändertem Stärkegehalt. Sie ist gekennzeichnet durch einen erhöhten Amylopectingehalt, so dass ihre Stärke nahezu ausschließlich aus Amylopectin besteht. Dadurch unterscheidet sie sich von einer genetisch nicht veränderten Kartoffel, deren Stärke sich aus etwa 15 % bis 20 % Amylose und etwa 80 % bis 85 % Amylopectin zusammensetzt. Sie ermöglicht eine optimierte Extraktion von Amylopectin für industrielle Anwendungen, insbesondere die Herstellung von Papier, Textilien oder Klebstoff.

16. Die genetische Veränderung erfolgt durch die Einführung eines sogenannten nptII-Gens (Neomycin-Phosphotransferase II) (im Folgenden: nptII-Gen). Das nptII-Gen gehört zur Kategorie der Antibiotikaresistenz-Markergene (ARMG). Bei der genetischen Veränderung besteht die Aufgabe der Markergene darin, zusammen mit dem Gen, das das gewünschte Merkmal trägt, die Zellen zu markieren, in denen die Operation geglückt ist. Die ARMG üben ihre Funktion mit Hilfe der Antibiotikaresistenz aus. Das nptII-Gen weist insbesondere Resistenz gegenüber den Antibiotika Neomycin, Kanamycin und Geneticin auf, die zur Familie der Aminoglykoside gehören.

Zulassungsanträge

17. Am 5. August 1996 erhielt die zuständige schwedische Behörde von einer Tochtergesellschaft der BASF Plant Science GmbH (im Folgenden: BASF), der Amylogene HB, jetzt Plant Science Sweden AB, eine Anmeldung gemäß der Richtlinie 90/220. Diese Anmeldung enthielt einen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen der Kartoffel Amflora, um diese zu industriellen Zwecken anzubauen (Stärkeherstellung) und um Folgeerzeugnisse (Kartoffelteig) zu gewinnen, verbunden mit dem Hinweis auf die Erzeugung von Futtermitteln und darauf, dass Spuren dieser Kartoffel in Lebensmitteln enthalten sein könnten.

18. Nach Inkrafttreten der Richtlinie 2001/18 am 17. April 2001 und der Verordnung Nr. 1829/2003 am 7. November 2003 teilte BASF ihre Anmeldung bei der zuständigen schwedischen Behörde in zwei Teile auf: Der erste betraf den Genehmigungsantrag für das Inverkehrbringen der Kartoffel Amflora zum Zweck ihres Anbaus und ihrer Verwendung zu industriellen Zwecken, und der zweite bezog sich auf den Genehmigungsantrag für das Inverkehrbringen zur Erzeugung von Futtermitteln und auf das Vorhandensein von Spuren in Lebensmitteln. BASF zog den zweiten Teil ihrer Anmeldung bei der genannten Behörde zurück, um den Genehmigungsantrag für das Inverkehrbringen nach dem in der Verordnung Nr. 1829/2003 vorgesehenen einheitlichen Verfahren zu stellen. Den ersten Teil ihrer bei dieser Behörde nach der Richtlinie 2001/18 vorgenommenen Anmeldung hielt sie jedoch aufrecht. Im Dezember 2003 fügte sie diesem ersten Teil eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Anhang II der Richtlinie 2001/18 bei.

19. Am 8. April 2004 verabschiedete die zuständige schwedische Behörde ihren Bewertungsbericht und übermittelte ihn der Kommission. Sie stellte darin fest, dass eine Verwendung des Erzeugnisses zu industriellen Zwecken zwar sicher sei, doch sei es wichtig, es nicht in die Lebensmittelkette gelangen zu lassen, weil seine Verwendung zu Ernährungszwecken keiner umfassenden Bewertung unterzogen worden sei. Im Ergebnis stellte sie fest, dass die Amflora-Kartoffel unter den festgelegten Bedingungen und zu den von der Anmelderin vorgesehenen Zwecken in den Verkehr gebracht werden könne.

20. Die Kommission übermittelte den Bewertungsbericht der zuständigen schwedischen Behörde an die zuständigen Behörden der übrigen Mitgliedstaaten, von denen mehrere, darunter Ungarn, schriftliche Erklärungen abgaben. Ungarn machte in seinen Erklärungen vom 3. Juli 2004 geltend, der Anmelder müsse zum einen, bevor die Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt werde, ein quantitatives Nachweisverfahren durchführen und zum anderen weitere Untersuchungen hinsichtlich der Verwendung der Amflora-Kartoffel als Futtermittel und ihrer etwaigen schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit vornehmen. Dabei sei die Gefahr einer Kontamination der Lebensmittelkette zu berücksichtigen.

21. Am 9. Februar 2005 beauftragte die Kommission die EFSA gemäß Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 sowie den Art. 22 und 29 Abs. 1 der Verordnung Nr. 178/2002 mit einer Risikobewertung.

22. Gleichzeitig stellte BA SF am 28. Februar 2005 bei der zuständigen Behörde des Vereinigten Königreichs einen Genehmigungsantrag bezüglich der Produktion von Futtermitteln und Lebensmitteln gemäß den Art. 5 und 17 der Verordnung Nr. 1829/2003. Am 25. April 2005 wurde diese Anmeldung der Kommission gemäß Art. 6 Abs. 4 und Art. 18 Abs. 4 derselben Verordnung übermittelt.

Risikobewertungen und Ausschussverfahren

23. Am 2. April 2004 erstellte das wissenschaftliche Gremium für GVO der EFSA (im Folgenden: GVO-Gremium) auf eigene Initiative ein Gutachten über die Verwendung von ARMG in genetisch veränderten Pflanzen (EFSA-Anfrage Q-2003-109, The EFSA Journal [2004] 48, 1‑18, im Folgenden: Gutachten von 2004). Darin präsentierte die EFSA ein auf verschiedene Kriterien gestütztes System zur Klassifizierung der ARMG in drei Gruppen. Insbesondere enthielt die Gruppe I die ungefährlichsten ARMG ‐ diejenigen, die in der Erde und enterischen Bakterien bereits weit verbreitet sind ‐, die gegen Antibiotika, die keine oder lediglich geringe therapeutische Bedeutung in der Human‑ und der Veterinärmedizin haben, Resistenz verleihen. Außerdem nahm die EFSA nach diesem Klassifizierungssystem in drei Gruppen eine Einteilung der bekannten ARMG vor, die erhebliche Auswirkungen im Hinblick auf die (für die Gruppen I und II, nicht jedoch für die Gruppe III empfohlene) Genehmigung dieser Gene zu experimentellen Zwecken und das (lediglich für die Gruppe I, nicht jedoch für die Gruppen II und III empfohlene) Inverkehrbringen hatte. Das nptII-Gen, das von den ARMG am häufigsten für die Auswahl von genetisch veränderten Pflanzen verwendet wird, wurde in die Gruppe I eingestuft.

24. Am 7. Dezember 2005 erstellte das GVO-Gremium zwei inhaltlich sehr ähnliche Gutachten. In dem ersten über das Inverkehrbringen der Amflora-Kartoffel zum Zweck des Anbaus und der industriellen Herstellung von Stärke, das am 24. Februar 2006 veröffentlicht wurde (EFSA-Anfrage Q-2005-023, The EFSA Journal [2006] 323, 1-20, im Folgenden: Gutachten von 2005), kam die EFSA im Wesentlichen zu dem Ergebnis, es sei unwahrscheinlich, dass das Inverkehrbringen der genannten Kartoffel im Rahmen der vorgeschlagenen Verwendungszwecke schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder auf die Umwelt haben könnte. In dem zweiten Gutachten über die Vermarktung dieser Kartoffel zur Verwendung in Lebens- oder Futtermitteln, das am 10. November 2006 veröffentlicht wurde (EFSA-Anfrage Q-2005-070, The EFSA Journal [2006] 324, 1-20), kam die EFSA ebenfalls zu dem Ergebnis, dass im Rahmen der vorgeschlagenen Verwendungszwecke schädliche Auswirkungen unwahrscheinlich seien.

25. Am 4. Dezember 2006 wurde im Regelungsausschuss betreffend die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt gemäß Art. 5 Abs. 2 des Beschlusses 1999/468 ein von der Kommission unterbreiteter Entwurf eines Beschlusses über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten Kartoffelerzeugnisses ( Solanum tuberosum L. Linie EH92‑527‑1) mit erhöhtem Amylopectingehalt in der Stärke gemäß der Richtlinie 2001/18 erörtert. In dem genannten Ausschuss ergab sich keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen diesen von der Kommission vorgelegten Entwurf von Maßnahmen. Das Abstimmungsergebnis lautete 134 gegen 109 Stimmen bei 78 Stimmenthaltungen.

26. Am 25. Januar 2007 bat die Kommission die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) zu prüfen, ob ‐ angesichts der Stellungnahme der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Aminoglykoside (zu denen Neomycin und Kanamycin gehören) als überaus wichtige Antibiotika eingestuft hatte ‐ die derzeitigen oder für die Zukunft in Betracht kommenden Verwendungen dieser Antibiotika noch immer mit dem Gutachten der EFSA von 2004 im Einklang stünden, wonach diese Antibiotika keine oder lediglich geringe therapeutische Bedeutung hätten.

27. Am 22. Februar 2007 erließ die EMA eine Erklärung (im Folgenden: Erklärung der EMA von 2007), wonach die Verwendung von Neomycin und Kanamycin in der Human‑ und Veterinärmedizin wichtig sei und die derzeitigen oder für die Zukunft in Betracht kommenden Verwendungen dieser Antibiotika nicht als eine Verwendung eingestuft werden könnten, die keine oder lediglich geringe therapeutische Bedeutung habe.

28. Am 23. März 2007 erließ das von der Kommission konsultierte GVO-Gremium eine Erklärung (im Folgenden: Erklärung der EFSA von 2007), in der es vorab seine Übereinstimmung mit der EMA zum Ausdruck brachte, dass es wichtig sei, das therapeutische Potenzial der Aminoglykoside, d. h. auch von Neomycin und Kanamycin, zu erhalten. Anschließend bekräftigte es unter Hinweis insbesondere auf die äußerst geringe Wahrscheinlichkeit eines horizontalen Transfers des nptII-Gens von Pflanzen auf Bakterien seine Auffassung, dass die Verwendung des nptII-Gens in GVO und deren Folgeerzeugnissen mit keinen Risiken für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt verbunden sei.

29. Mangels einer qualifizierten Mehrheit im Ausschuss für oder gegen die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen (siehe oben, Randnr. 25) unterbreitete die Kommission dem Rat am 13. Juni 2007 einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten Kartoffelerzeugnisses ( Solanum tuberosum L. Linie EH92‑527‑1) mit erhöhtem Amylopectingehalt in der Stärke gemäß der Richtlinie 2001/18. Am 16. Juli 2007 wurde in der Sitzung des Rates die zur Annahme oder zur Zurückweisung dieses von der Kommission unterbreiteten Vorschlags erforderliche qualifizierte Mehrheit nicht erreicht.

30. Am 10. Oktober 2007 erörterte der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit gemäß Art. 5 Abs. 2 des Beschlusses 1999/468 einen von der Kommission vorgelegten Entwurf für eine Genehmigung des Inverkehrbringens der Kartoffel Amflora zur Verwendung in Lebens- oder Futtermitteln gemäß der Verordnung Nr. 1829/2003. Im Ausschuss fand sich keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen diesen von der Kommission vorgelegten Entwurf von Maßnahmen. Das Abstimmungsergebnis lautete 123 gegen 133 Stimmen bei 89 Stimmenthaltungen. Am 18. Dezember 2007 unterbreitete die Kommission dem Rat mangels einer qualifizierten Mehrheit im Ausschuss einen Vorschlag für einen Beschluss zum selben Thema.

31. Am 13. Februar 2008 sandte eine Nichtregierungsorganisation (NRO) dem für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständigen Kommissar im Hinblick auf die Sitzung des Rates ein Schreiben, dem zufolge der Vorschlag der Kommission Unstimmigkeiten enthielt. In dem Vorschlag werde nämlich zum einen nicht erwähnt, dass die EFSA die Antibiotika, die von der genetisch veränderten Kartoffel betroffen seien, in ihrem Gutachten von 2004 zu Unrecht als für die Human‑ und die Veterinärmedizin unerheblich eingestuft habe, während die EMA und die WHO sie als überaus wichtig ansähen. Zum anderen habe die EFSA ihren diesbezüglichen Fehler in ihrer Erklärung von 2007 zugegeben, es jedoch versäumt, daraus die gebotenen logischen Schlüsse zu ziehen und demzufolge das nptII-Gen aus der Gruppe I auszuschließen und gemäß der im Gutachten der EFSA von 2004 vorgesehenen Klassifizierung in die Gruppe II oder III einzustufen.

32. Am 18. Februar 2008 wurde in der Sitzung des Rates die zur Annahme oder zur Zurückweisung des von der Kommission unterbreiteten Vorschlags erforderliche qualifizierte Mehrheit nicht erreicht.

33. Am 14. März 2008 übermittelten die dänischen Minister für Ernährung, für Landwirtschaft und für Fischerei sowie für Umwelt den für Gesundheitsfragen und für die Umwelt zuständigen Kommissionsmitgliedern ein Schreiben, in dem sie darauf hinwiesen, dass die dänischen Sachverständigen mit der EFSA zwar darin übereinstimmten, dass das nptII-Gen ungefährlich sei, doch bestehe zwischen dem Gutachten der EFSA von 2004 und der Erklärung der EFSA von 2007 im Hinblick auf die Einstufung des nptII-Gens nach den Kriterien des Gutachtens von 2004 eine Unstimmigkeit, die die Kommission und die EFSA klären sollten.

34. Am 14. Mai 2008 erteilte die Kommission der EFSA gestützt auf Art. 29 der Verordnung Nr. 178/2002 ein „Mandat für die Erstellung eines konsolidierten Gutachtens über die Verwendung von antibiotikaresistenten Genen als Markergene in genetisch veränderten Pflanzen“. Gemäß diesem Mandat wollte die Kommission hinsichtlich der Frage der Verwendung von ARMG in genetisch veränderten Pflanzen, die Gegenstand zweier Sicherheitsbewertungen der EFSA waren ‐ im Gutachten von 2004 und, auf die Erklärung der EMA von 2007 hin, in der Erklärung vom März 2007 ‐, „jegliches Missverständnis ausschließen“. In dem Mandat verlangte die Kommission von der EFSA erstens, ein konsolidiertes wissenschaftliches Gutachten unter Berücksichtigung früherer Gutachten und Erklärungen zu erstellen mit Angabe der Gründe, auf denen die Schlussfolgerungen der EFSA beruhten, und zweitens, anzugeben, welche Auswirkungen dieses neue Gutachten auf die früheren Bewertungen haben könnte, die die EFSA bei genetisch veränderten Pflanzen mit ARMG gemacht habe. Die Kommission forderte die EFSA ausdrücklich auf, mit der EMA eng zusammenzuarbeiten, und fügte diesem neuen Mandat die Schreiben einer NRO und der dänischen Regierung bei.

35. Mit Klageschrift, die am 24. Juli 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, reichten BASF, die Plant Science Sweden AB, die Amylogene HB und die BASF Plant Science Holding GmbH eine Untätigkeitsklage gegen die Kommission ein, um feststellen zu lassen, dass diese dadurch, dass sie es unterlassen hat, einen Beschluss über die Anmeldung betreffend das Inverkehrbringen der genetisch veränderten Kartoffel Amflora zu erlassen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 und Art. 5 des Beschlusses 1999/468 verstoßen hat.

36. Am 11. bzw. am 26. März 2009 erließen das GVO-Gremium und das wissenschaftliche Gremium der EFSA für biologische Gefahren (im Folgenden: BIOHAZ-Gremium) auf das erste Ersuchen der Kommission hin eine Gemeinsame Stellungnahme mit dem Titel „Verwendung von Antibiotikaresistenzgenen als Markergene in genetisch veränderten Pflanzen“ (EFSA-Anfragen Q-2008-411 und Q‑2008-706, The EFSA Journal [2009] 1034, 1-82, im Folgenden: Gemeinsame Stellungnahme von 2009). Die EFSA räumte zwar ein, dass die Antibiotika Kanamycin und Neomycin von überaus großer therapeutischer Bedeutung seien, verwies jedoch insbesondere darauf, dass der Nachweis für einen horizontalen Transfer von ARMG genetisch veränderter Pflanzen auf in der Umwelt enthaltene Bakterien nicht nachgewiesen sei. Sie kam zu dem Ergebnis, dass nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand ‐ trotz der Ungewissheiten, insbesondere in Bezug auf die Probenahme, die Erkennung, die Schwierigkeit, das Ausmaß der Exposition zu schätzen, und die Unmöglichkeit, die übertragbaren Resistenzgene einer bestimmten Quelle zuzuordnen ‐ schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen oder auf die Umwelt infolge der Verwendung genetisch veränderter Pflanzen und des Transfers des ARMG nptII von diesen Pflanzen auf Bakterien unwahrscheinlich seien.

37. Zwei Mitglieder des BIOHAZ-Gremiums vertraten jedoch eine Minderheitsauffassung, insbesondere im Hinblick auf die wissenschaftlichen Ungewissheiten im Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit eines horizontalen Transfers des nptII-Gens auf Bakterien. Die Vertreter dieser Auffassungen schlugen im Wesentlichen vor, festzustellen, dass es unklug wäre, eine Antibiotikaresistenz als belanglos oder als von geringfügiger Bedeutung zu bezeichnen, und dass es allgemein nicht möglich sei, bei einem etwaigen Transfer die schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen und die Umwelt einzuschätzen.

38. Am 25. März 2009 erließ das GVO-Gremium auf das zweite Ersuchen der Kommission hin eine Stellungnahme mit dem Titel „Auswirkungen der Stellungnahme zur Verwendung von Antibiotikaresistenzgenen als Markergene in genetisch veränderten Pflanzen auf frühere von der EFSA durchgeführte Bewertungen einzelner (genetisch veränderter) Pflanzen“ (EFSA-Anfrage Q-2008-04977, The EFSA Journal [2009] 1035, 1-9), in der sie im Ergebnis feststellte, dass keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlägen, die ihr Anlass zu einer Änderung ihres früheren Gutachtens gäben.

39. Am 28. April 2009 fragte die Leiterin der EFSA die Vorsitzenden des GVO-Gremiums und des BIOHAZ-Gremiums sowie der Gemeinsamen Arbeitsgruppe, ob aufgrund der beiden Minderheitsauffassungen zusätzliche wissenschaftliche Arbeiten erforderlich seien. Am 25. Mai 2009 antworteten die genannten Vorsitzenden, dass der Inhalt der beiden Minderheitsauffassungen bei der Erstellung der Gemeinsamen Stellungnahme von 2009 weitgehend berücksichtigt worden sei, so dass die Gemeinsame Stellungnahme von 2009 in wissenschaftlicher Hinsicht weder ergänzender Erläuterungen noch zusätzlicher wissenschaftlicher Arbeiten bedürfe.

40. Am 11. Juni 2009 nahm die EFSA ein konsolidiertes wissenschaftliches Gutachten an, bestehend aus der Gemeinsamen Stellungnahme von 2009, der Stellungnahme vom 25. März 2009, dem Schreiben vom 28. April 2009 und dem Schreiben vom 25. Mai 2009 (EFSA-Anfragen Q‑2009-00589 und Q-2009-00593, The EFSA Journal [2009] 1108, 1-8, im Folgenden: Konsolidiertes Gutachten von 2009).

41. Nach diesem konsolidierten wissenschaftlichen Gutachten wurden die zuständigen Regelungsausschüsse von der Kommission mit keinen neuen Projekten für den Erlass von Zulassungsbeschlüssen befasst.

Zulassungsbeschlüsse

42. Am 2. März 2010 erließ die Kommission gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/18 den Beschluss 2010/135/EU über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten Kartoffelerzeugnisses ( Solanum tuberosum L. Linie EH92-527-1) mit erhöhtem Amylopectingehalt in der Stärke gemäß der Richtlinie 2001/18 (ABl. L 53, S. 11). Dieser Beschluss erlaubt im Wesentlichen das Inverkehrbringen der Amflora-Kartoffel zum Zweck ihres Anbaus und zur Produktion von Stärke zu industriellen Zwecken.

43. Die Erwägungsgründe 11 und 12 des Beschlusses 2010/135 lauten:

„(11) Am 14. Mai 2008 ersuchte die Kommission die EFSA um Folgendes: i) ein konsolidiertes wissenschaftliches Gutachten zu erstellen, wobei sie das frühere Gutachten und die Stellungnahme über die Verwendung von ARMG in genetisch veränderten Pflanzen berücksichtigen sollte, die in Verkehr gebracht werden sollen oder bereits in Verkehr gebracht werden dürfen, sowie ihre Verwendung für Einfuhr, Verarbeitung und Anbau in Betracht ziehen sollte; ii) die Auswirkungen zu erläutern, die dieses konsolidierte Gutachten auf die früheren Bewertungen der EFSA zu einzelnen GVO mit ARMG haben könnte. Im Rahmen des Ersuchens wurde die EFSA u. a. auf Schreiben von Dänemark und [einer NRO] an die Kommission hingewiesen.

(12) Am 11. Juni 2009 veröffentlichte die EFSA eine Stellungnahme über die Verwendung von ARMG in genetisch veränderten Pflanzen und kam darin zu dem Schluss, dass die frühere Bewertung der EFSA zu Solanum tuberosum L. Linie EH92-527-1 mit der in der Stellungnahme dargelegten Risikobewertungsstrategie übereinstimmt und dass keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, die die EFSA zu einer Änderung ihres früheren Gutachtens veranlassen würden.“

44. Art. 1 („Zustimmung“) des Beschlusses 2010/135 sieht vor:

„Unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften der [Union], insbesondere der Verordnung … Nr. 1829/2003, erteilt die zuständige Behörde Schwedens gemäß dem vorliegenden Beschluss die schriftliche Zustimmung zum Inverkehrbringen des in Artikel 2 genannten Erzeugnisses, das das Unternehmen BASF Plant Science angemeldet hat (Aktenzeichen C/SE/96/3501).

Gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Richtlinie 2001/18/EG enthält die Zustimmung ausdrücklich die Bedingungen für deren Erteilung gemäß den Artikeln 3 und 4 des vorliegenden Beschlusses.“

45. Art. 2 („Erzeugnis“) Abs. 1 des Beschlusses 2001/135 lautet:

„Bei den [GVO], die als Erzeugnisse oder in Erzeugnissen in Verkehr gebracht werden sollen, nachstehend ‚Erzeugnis‘ genannt, handelt es sich um Kartoffeln/Erdäpfel[(1) ] ( Solanum tuberosum L.), die zur Erzielung eines erhöhten Amylopectingehalts in der Stärke mittels Agrobacterium tumefaciens unter Verwendung des Vektors pHoxwG die Linie EH92-527-1 ergaben. Das Erzeugnis enthält folgende DNS-Sequenzen in zwei Genkassetten:

a) … Ein von Tn5 stammendes nptII -Gen, das die Resistenz gegen Kanamycin verleiht …;

b) … Ein Segment des gbss-Gens der Kartoffel/des Erdapfels, das an Körner gebundenes Stärkesynthase-Protein kodiert …“

46. Art. 3 des Beschlusses 2010/135 bestimmt im Rahmen der Zustimmungsbedingungen u. a., dass die Geltungsdauer der Zustimmung ab dem Zeitpunkt ihrer Erteilung zehn Jahre beträgt, dass der Zustimmungsinhaber dafür Sorge trägt, dass die Knollen der Amflora-Kartoffel bei Anpflanzung, Anbau, Ernte, Transport, Lagerung und Handhabung in der Umwelt von Kartoffeln/Erdäpfeln räumlich getrennt sind, die zur Verwendung als Lebensmittel oder Futtermittel bestimmt sind, und ausschließlich an ausgewiesene Stärkeherstellungsbetriebe geliefert werden, die bei der zuständigen einzelstaatlichen Behörde für die Herstellung industrieller Stärke in einem geschlossenen System … angemeldet sind.

47. Art. 4 des Beschlusses 2010/135 sieht u. a. vor, dass der Zustimmungsinhaber während der gesamten Geltungsdauer der Zustimmung sicherstellt, dass der Plan zur Überwachung auf etwaige schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf die Umwelt durch die Handhabung oder die Verwendung des Erzeugnisses vorgelegt und umgesetzt wird. Dieser Überwachungsplan umfasst die spezifische und die allgemeine Überwachung sowie ein Identitätssicherungssystem.

48. Gemäß Art. 5 des Beschlusses 2010/135 ist dieser Beschluss an das Königreich Schweden gerichtet.

49. Am 2. März 2010 nahm die Kommission gestützt auf Art. 7 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1829/2003 auch den Beschluss 2010/136 über die Zulassung des Inverkehrbringens von Futtermitteln, die aus der genetisch veränderten Kartoffelsorte EH92‑527‑1 (BPS‑25271‑9) gewonnen werden, und des zufälligen oder technisch nicht zu vermeidenden Vorhandenseins dieser Kartoffelsorte in Lebensmitteln und Futtermitteln gemäß der [Verordnung Nr. 1829/2003] (ABl. L 53, S. 15) an. Dieser Beschluss erlaubt im Wesentlichen das Inverkehrbringen von Futtermitteln, die aus der Amflora-Kartoffel gewonnen werden, und das zufällige Vorhandensein von Spuren dieser Kartoffelsorte in Lebensmitteln und Futtermitteln.

50. Die Erwägungsgründe 7 und 8 des Beschlusses 2010/136 stimmen mit den Erwägungsgründen 11 und 12 des Beschlusses 2010/135 (siehe oben, Randnr. 43) wörtlich überein.

51. Art. 2 („Zulassung“) des Beschlusses 2010/136 sieht vor:

„Folgende Erzeugnisse werden für die Zwecke von Artikel 4 Absatz 2 und Artikel 16 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 gemäß den in diesem Beschluss aufgeführten Bedingungen zugelassen:

a) Futtermittel, die aus der Kartoffelsorte [Amflora] gewonnen werden.

b) Lebensmittel, die die Kartoffelsorte [Amflora] enthalten, aus dieser bestehen oder aus dieser gewonnen werden, mit einem zufälligen oder technisch nicht zu vermeidenden Vorhandensein dieses GVO, das nicht mehr ausmacht als 0,9 % der einzelnen Lebensmittelzutaten oder des Lebensmittels, wenn dieses aus einer einzigen Zutat besteht.

c) Futtermittel, die die Kartoffelsorte [Amflora] enthalten oder aus dieser bestehen, mit einem zufälligen oder technisch nicht zu vermeidenden Vorhandensein dieses GVO, das nicht mehr ausmacht als 0,9 % des Futtermittels und der Futtermittelbestandteile, aus denen es zusammengesetzt ist.“

52. Zulassungsinhaber ist gemäß Art. 6 des Beschlusses 2010/136 die BASF Plant Science GmbH, Deutschland.

53. Die Erste Kammer des Gerichts, in anderer Besetzung als in der vorliegenden Rechtssache, erließ zu den von der Kommission am 9. Juni 2010 angenommenen Beschlüssen 2010/135 und 2010/136 einen Beschluss (Beschluss des Gerichts vom 9. Juni 2010, BASF Plant Science u. a./Kommission, T‑293/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), wonach der Rechtsstreit über die gegen die Kommission erhobene Untätigkeitsklage in der Hauptsache erledigt ist.

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

54. Mit Klageschrift, die am 27. Mai 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Unga rn die vorliegende Klage erhoben.

55. Mit Schriftsätzen, die am 21., am 14., am 3. bzw. am 21. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Österreich und die Republik Polen beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge Ungarns zugelassen zu werden.

56. Mit Beschluss vom 8. November 2010 hat der Präsident der Siebten Kammer des Gerichts die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Österreich und die Republik Polen als Streithelfer zugelassen.

57. Am 24. Januar 2011 haben die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Österreich und die Republik Polen ihre Streithilfeschriftsätze eingereicht.

58. Am 2. Mai 2011 hat die Kommission ihre Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen eingereicht.

59. Am 24. Mai 2012 hat die Kanzlei des Gerichts die Parteien davon in Kenntnis gesetzt, dass die vorliegende Rechtssache infolge einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern der Ersten Kammer des Gerichts zugewiesen worden ist.

60. Am 7. Dezember 2012 hat die Kanzlei des Gerichts den Verfahrensbeteiligten den Beschluss des Gerichts mitgeteilt, die vorliegende Rechtssache der Ersten erweiterten Kammer des Gerichts zuzuweisen. Am selben Tag hat die Kanzlei des Gerichts die Parteien im Wege verfahrensleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts aufgefordert, eine Reihe von Unterlagen vorzulegen und schriftliche Fragen zu beantworten. Die Parteien haben innerhalb der gesetzten Fristen diese Unterlagen vorgelegt und auf die Fragen geantwortet.

61. Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste erweiterte Kammer) am 4. März 2013 beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

62. Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 18. April 2013 mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet. Insbesondere sind sie vom Gericht zum Ablauf des Verfahrens befragt worden, das im Anschluss an die Annahme des Konsolidierten Gutachtens von 2009 durch die EFSA zur Annahme der Beschlüsse 2010/135 und 2010/136 (im Folgenden zusammenfassend: angefochtene Beschlüsse) geführt hatte, und zur Einhaltung wesentlicher Formvorschriften durch die Kommission im Rahmen dieses Verfahrens. Bei derselben Gelegenheit hat das Gericht die Kommission zusätzlich aufgefordert, Unterlagen zu den Schreiben vorzulegen, die sie dem Gericht in der Rechtssache, die zum Beschluss BASF Plant Science u. a./Kommission (siehe oben, Randnr. 53) führte, vorgelegt hatte. Daraufhin ist die Kommission dieser Aufforderung nachgekommen; die anderen Beteiligten haben sich zu den vorgelegten Unterlagen nicht geäußert.

63. Da der Kammerpräsident nach Ablauf seiner Amtszeit am 16. September 2013 daran gehindert war, an der Beratung teilzunehmen, hat gemäß Art. 32 der Verfahrensordnung der in der Rangordnung im Sinne von Art. 6 der Verfahrensordnung niedrigste Richter an der Beratung nicht teilgenommen. Die Beratungen des Gerichts sind von den drei Richtern fortgesetzt worden, die das vorliegende Urteil unterzeichnet haben, und der in der Rangordnung im Sinne der letztgenannten Vorschrift höchste Richter hat die Aufgaben des Kammerpräsidenten wahrgenommen.

64. Ungarn, unterstützt, hinsichtlich der Haupt‑ und Hilfsanträge, durch das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Österreich und die Republik Polen sowie, hinsichtlich der Hilfsanträge, durch die Französische Republik, beantragt,

– die angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären;

– hilfsweise, falls der Antrag auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2010/136 zurückgewiesen wird, Art. 2 Buchst. b und c dieses Beschlusses für nichtig zu erklären;

– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

65. Die Kommission beantragt,

– die Klage abzuweisen;

– Ungarn die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

66. Ungarn stützt seine Klage auf zwei Gründe.

67. Erstens macht es einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, einen Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip sowie gegen Art. 4 Abs. 2 und Anhang II der Richtlinie 2001/18 geltend, da die Beschlüsse über den Genehmigungsantrag für das Inverkehrbringen von GVO auf einer fehlerhaften, inkohärenten und unvollständigen Risikobewertung beruhten.

68. Mit dem zweiten Klagegrund macht es hilfsweise geltend, Art. 2 Buchst. b und c des Beschlusses 2010/136 verstoße dadurch gegen die Verordnung Nr. 1829/2003, insbesondere deren Art. 4 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 2, dass dieser Artikel für das zufällige oder technisch nicht zu vermeidende Vorhandensein von Spuren von GVO in Lebensmitteln und Futtermitteln eine nach der genannten Verordnung nicht vorgesehene und nicht einmal zulässige Toleranzgrenze von 0,9 % festsetze.

69. Die Kommission tritt dem Vorbringen Ungarns entgegen.

70. Vorab ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Art. 263 AEUV eine Rüge zwingenden Rechts darstellt, die der Unionsrichter von Amts wegen prüfen muss (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 67, und vom 30. März 2000, VBA/Florimex u. a., C‑265/97 P, Slg. 2000, I‑2061, Randnr. 114; vgl. Urteil des Gerichts vom 6. März 2003, Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, T‑228/99 und T‑233/99, Slg. 2003, II‑435, Randnr. 143 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Gleiche gilt für die Unzuständigkeit gemäß derselben Vorschrift (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 10. Mai 1960, Deutschland/Hohe Behörde, 19/58, Slg. 1960, 483, 500, und vom 13. Juli 2000, Salzgitter/Kommission, C‑210/98 P, Slg. 2000, I‑5843, Randnr. 56; Urteil des Gerichts vom 28. Januar 2003, Laboratoires Servier/Kommission, T‑147/00, Slg. 2003, II‑85, Randnr. 45).

71. Im Übrigen muss der Unionsrichter seine Pflicht, einen Grund der öffentlichen Ordnung von Amts wegen zu berücksichtigen, im Licht des kontradiktorischen Verfahrens erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland u. a., C‑89/08 P, Slg. 2009, I‑11245, Randnrn. 59 und 60).

72. Im vorliegenden Fall sind die Parteien sowohl im Rahmen des schriftlichen Verfahrens als auch in der mündlichen Verhandlung aufgefordert worden, sich dazu zu äußern, ob die Kommission die wesentlichen Formvorschriften des für die Annahme der angefochtenen Beschlüsse geltenden Verfahrens beachtet hat und ob sie zum Erlass dieser Beschlüsse befugt war. Insbesondere hat das Gericht den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen zwei schriftliche Fragen folgenden Wortlauts vorgelegt:

– „Die Kommission möge erläutern, weshalb sie nicht die Durchführungsmaßnahmen nach Art. 5 Abs. 6 Unterabs. 3 des Beschlusses 1999/468/EG erlassen hat, die sie dem Rat, unmittelbar nachdem sich bei diesem für die Annahme der beiden ihm von der Kommission unterbreiteten Vorschläge keine qualifizierte Mehrheit gefunden hatte, vorgeschlagen hat (vgl. 22. Erwägungsgrund des Beschlusses [2010/135] und 17. Erwägungsgrund des Beschlusses [2010/136]). Des Weiteren möge sie in diesem Zusammenhang begründen, weshalb sie, nachdem sich im Rat keine qualifizierte Mehrheit gefunden hatte, es für zweckmäßig hielt, die EFSA erneut zu konsultieren, was im Wesentlichen der Frage entspricht, die im Rahmen der Untätigkeitsklage BASF Plant Science GmbH u. a./Kommission (T‑293/08) erörtert wurde.“

– „Aus den Akten ergibt sich nicht, ob die Kommission infolge des im elften Erwägungsgrund des Beschlusses 2010/135/EU und im siebten Erwägungsgrund des Beschlusses 2010/136/EU erwähnten Konsolidierten Gutachtens der EFSA vom 11. Juni 2009 a) den nach Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG eingesetzten Ausschuss und den nach Art. 58 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eingesetzten (und in Art. 35 Abs. 1 der Verordnung [EG] Nr. 1829/2003 erwähnten) Ausschuss erneut konsultiert hat und b) dem Rat unter Einbeziehung sowohl der Erwägungsgründe 11 und 12 des Beschlusses 2010/135/EU als auch der Erwägungsgründe 7 und 8 des Beschlusses 2010/136/EU geänderte Vorschläge unterbreitet hat. Falls das nicht der Fall ist, werden die Parteien aufgefordert, anzugeben, 1. ob die unterlassene Vorlage eines geänderten Vorschlags an den zuständigen Ausschuss und an den Rat einen Verstoß gegen eine wesentliche Formvorschrift darstellt, und 2. ob die Kommission, nachdem sie von der EFSA neue wissenschaftliche Erkenntnisse erlangt hatte, die sie dem Rat nicht mitgeteilt hatte, befugt war, namentlich im Hinblick auf die Bestimmungen des Art. 5 Abs. 6 des Beschlusses 1999/468/EG, die angefochtenen Beschlüsse am 2. März 2010 anzunehmen.“

73. Die Kommission ist der Aufforderung des Gerichts nachgekommen und hat auf diese zwei Fragen geantwortet. Ungarn hat das gleiche hinsichtlich der zweiten Frage getan, während sich die Streithelfer hierzu nicht geäußert haben.

Zur Einhaltung wesentlicher Formvorschriften des Regelungsverfahrens

74. Die Kommission ist der Ansicht, sie habe im Rahmen der Verfahren zur Erarbeitung und zur Annahme der angefochtenen Beschlüsse keinen Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften begangen. Sie habe sowohl beim Beschluss 2010/135 als auch beim Beschluss 2010/136 das nach Art. 5 des Beschlusses 1999/468 vorgesehene Regelungsverfahren eingehalten, indem sie den Ausschüssen und anschließend, nachdem diese keine Stellungnahmen abgegeben hätten, dem Rat die ersten Entwürfe von Zulassungsbeschlüssen unterbreitet habe. Sie sei in diesem Zusammenhang nicht verpflichtet gewesen, den genannten Ausschüssen die geänderten Entwürfe von Zulassungsbeschlüssen erneut vorzulegen, weil erstens der normative Teil der ersten geänderten Entwürfe identisch gewesen sei, zweitens die geänderten Entwürfe keine inhaltlichen Änderungen enthalten hätten und drittens sie die beiden Zulassungsbeschlüsse, nachdem der Rat zu den vorgeschlagenen Maßnahmen keine Stellungnahme abgegeben habe, unverzüglich angenommen habe.

75. Ungarn tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

Zum Sachverhalt

76. Erstens ist festzustellen, dass die Kommission, nachdem sie die Gutachten der EFSA von 2005 erhalten hatte (siehe oben, Randnr. 24), den zuständigen Regelungsausschüssen die ersten Entwürfe von Zulassungsbeschlüssen übermittelt hat (siehe oben, Randnrn. 25 und 30). Da diese Ausschüsse keine Stellungnahme abgaben, unterbreitete sie dem Rat die ursprünglichen Vorschläge für Zulassungsbeschlüsse (siehe oben, Randnrn. 29 und 30).

77. Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen, obwohl sich für diese im Rat keine qualifizierte Mehrheit gefunden hatte, nicht ergriffen hat. Nachdem sie nämlich zwischenzeitlich Schreiben einer NRO und der dänischen Regierung erhalten hatte, in denen geltend gemacht wurde, dass zwischen den wissenschaftlichen Gutachten der EFSA, auf denen die genannten Maßnahmen beruhten (siehe oben, Randnrn. 31 und 33), einige Unstimmigkeiten bestünden, entschloss sich die Kommission stattdessen, die EFSA mit Mandat vom 14. Mai 2008 (siehe oben, Randnr. 34) erneut zu konsultieren. Am 11. Juni 2009 gab die EFSA ihr konsolidiertes Gutachten ab, das die Gemeinsame Stellungnahme des GVO-Gremiums vom 11. März 2009 und die des BIOHAZ-Gremiums vom 26. März 2009 sowie die Schlussfolgerungen in Bezug auf die Unwahrscheinlichkeit schädlicher Auswirkungen des nptII-Gens zusammen mit den Minderheitsauffassungen zweier Mitglieder des BIOHAZ-Gremiums enthielt (siehe oben, Randnrn. 36 bis 40). Es steht fest, dass dieses konsolidierte Gutachten nicht den Regelungsausschüssen übermittelt wurde, die vorher mit den ersten Entwürfen befasst waren, und dass diesen Ausschüssen kein neuer Entwurf für einen Antrag auf Genehmigung des Inverkehrbringens der Amflora-Kartoffel vorgelegt wurde.

78. Drittens ist festzustellen, dass die Kommission die angefochtenen Beschlüsse am 2. März 2010 angenommen hat (siehe oben, Randnrn. 42 und 49). Der verfügende Teil dieser Beschlüsse ist eine vollständige Wiedergabe, ohne jeden Zusatz, der Artikel, die den Regelungsausschüssen und dem Rat in den Entwürfen und Vorschlägen für Zulassungsbeschlüsse ursprünglich übermittelt worden waren (im Folgenden: vorherige Entwürfe und Vorschläge), und in der jeweiligen Begründung dieser Artikel werden die Erwägungsgründe der vorherigen Entwürfe und Vorschläge ebenfalls umfassend wiedergegeben. Allerdings weichen diese Beschlüsse von den vorherigen Entwürfen und Vorschlägen insofern ab, als ihre Präambeln neue Erwägungsgründe in Bezug auf das Mandat, das die Kommission der EFSA am 14. Mai 2008 erteilt hatte, und die Schlussfolgerungen des Konsolidierten Gutachtens der EFSA vom 11. Juni 2009 enthalten. Es handelt sich um die Erwägungsgründe 11 und 12 des Beschlusses 2010/135 sowie die Erwägungsgründe 7 und 8 des Beschlusses 2010/136, deren Wortlaut identisch ist (siehe oben, Randnrn. 43 und 50, im Folgenden: zusätzliche Erwägungsgründe).

79. Unter diesen Gesichtspunkten ist zu prüfen, ob die Kommission die Verfahrensvorschriften für die Annahme der angefochtenen Beschlüsse eingehalten hat.

Zur Einhaltung der Verpflichtung, die geänderten Entwürfe der angefochtenen Beschlüsse den zuständigen Regelungsausschüssen vorzulegen

80. Es steht fest, dass die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen nach dem in Art. 5 des Beschlusses 1999/468 festgelegten Regelungsverfahren anzunehmen waren. Nach diesem Verfahren ist die Kommission verpflichtet, dem zuständigen Regelungsausschuss einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen zu unterbreiten. Liegt keine mit qualifizierter Mehrheit angenommene Stellungnahme des Ausschusses vor, so hat die Kommission dem Rat unverzüglich einen Vorschlag für die zu treffenden Maßnahmen zu unterbreiten.

81. Außerdem ist festzustellen, dass die Kommission den zuständigen Regelungsausschüssen vor Annahme der Beschlüsse 2010/135 und 2010/136 nicht die geänderten Entwürfe dieser Beschlüsse zusammen mit dem Konsolidierten Gutachten von 2009 und den Minderheitsauffassungen vorgelegt hat.

82. Der verfügende Teil der angefochtenen Beschlüsse stimmt zwar mit dem überein, der in den den zuständigen Ausschüssen und dem Rat ursprünglich vorgelegten Entwürfen vorgesehen war, doch gilt dies nicht für die von der Kommission für den Erlass dieser Beschlüsse gewählte wissenschaftliche Grundlage, die Teil der Begründung der genannten Beschlüsse ist.

83. Daher ist festzustellen, dass die Kommission von dem nach Art. 5 des Beschlusses 1999/468, insbesondere nach Abs. 2 dieser Vorschrift, vorgeschriebenen Regelungsverfahren abgewichen ist, indem sie die EFSA infolge der Erklärungen einer NRO und der dänischen Regierung zur Erstellung eines konsolidierten Gutachtens aufgefordert und die angefochtenen Beschlüsse insbesondere auf dieses Gutachten gestützt hat, ohne den zuständigen Ausschüssen Gelegenheit zu geben, zu dem Gutachten und zu den im Hinblick auf ihre Begründung geänderten Entwürfen von Beschlüssen Stellung zu nehmen.

84. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung die Nichtbeachtung einer Verfahrensvorschrift insbesondere dann einen Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften darstellt, wenn das Verfahren oder der Inhalt des erlassenen Rechtsakts bei Einhaltung dieser Vorschrift wesentlich anders hätte ausfallen können (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 10. Juli 1980, Distillers Company/Kommission, 30/78, Slg. 1980, 2229, Randnr. 26, vom 29. Oktober 1980, van Landewyck u. a./Kommission, 209/78 bis 215/78 und 218/78, Slg. 1980, 3125, Randnr. 47, und vom 23. April 1986, Bernardi/Parlament, 150/84, Slg. 1986, 1375, Randnr. 28).

85. Im vorliegenden Fall fielen die Abstimmungen in den Ausschüssen über die vorherigen Entwürfe sehr unterschiedlich aus (siehe oben, Randnrn. 25 und 30), und die Schlussfolgerungen im Konsolidierten Gutachten der EFSA von 2009 brachten noch mehr Unsicherheit zum Ausdruck als die vorherigen Gutachten der EFSA, insbesondere die Erklärung der EFSA von 2007, und ihnen waren Anhänge über Minderheitsauffassungen beigefügt (siehe oben, Randnrn. 28, 36 und 37). Unter allen diesen Gesichtspunkten war daher nicht auszuschließen, dass die Ausschussmitglieder ihren Standpunkt ändern und zu einer qualifizierten Mehrheit für oder gegen die Entwürfe von Maßnahmen gelangen würden. Außerdem wäre die Kommission gemäß Art. 5 Abs. 4 des Beschlusses 1999/468 im Fall einer ablehnenden oder einer fehlenden Stellungnahme verpflichtet gewesen, die vorgeschlagenen Maßnahmen unverzüglich dem Rat zu unterbreiten, der sie mit qualifizierter Mehrheit binnen drei Monaten hätte annehmen oder förmlich ablehnen können. Erst nach Abschluss dieses Verfahrens und bei Fehlen einer qualifizierten Mehrheit im Rat hätte die Kommission die vorgeschlagenen streitigen Maßnahmen annehmen können. Demzufolge ist festzustellen, dass das Ergebnis des Verfahrens oder der Inhalt der angefochtenen Beschlüsse wesentlich anders hätte ausfallen können, wenn die Kommission das nach Art. 5 des Beschlusses 1999/468 vorgesehene Verfahren eingehalten hätte.

86. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Regelungsverfahren gemäß Art. 202 dritter Gedankenstrich EG eine Durchführungsbefugnis der Kommission regelt, die ihr vom Rat in dem von ihm erlassenen Basisrechtsakt übertragen wurde. Es trägt somit zum institutionellen Gleichgewicht innerhalb der Union bei, insbesondere zwischen den Befugnissen des Rates und des Parlaments auf der einen und denen der Kommission auf der anderen Seite. Wird dieses Verfahren von der Kommission nicht beachtet, so kann dies das institutionelle Gleichgewicht innerhalb der Union beeinträchtigen.

87. Die Kommission hat daher, als sie die angefochtenen Beschlüsse annahm, ohne die geänderten Entwürfe dieser Zulassungsbeschlüsse den zuständigen Regelungsausschüssen vorzulegen, gegen die ihr obliegenden verfahrensrechtlichen Verpflichtungen nach Art. 5 des Beschlusses 1999/468 sowie der Richtlinie 2001/18 und der Verordnung Nr. 1829/2003, in denen auf den genannten Beschluss Bezug genommen wird, verstoßen. Gleichzeitig hat sie mit den in Rede stehenden Beschlüssen gegen wesentliche Formvorschriften im Sinne von Art. 263 Abs. 2 AEUV verstoßen, die das Gericht von Amts wegen berücksichtigen muss. Deshalb sind diese Beschlüsse gemäß Art. 264 Abs. 1 AEUV insgesamt nichtig.

Zur Übereinstimmung oder der fehlenden inhaltlichen Änderung der angefochtenen Beschlüsse gegenüber den vorherigen Entwürfen

88. Die vorstehenden Feststellungen können durch das Vorbringen der Kommission nicht entkräftet werden.

89. Erstens macht die Kommission geltend, die angefochtenen Beschlüsse stimmten mit den vorherigen Entwürfen und Vorschlägen insofern überein, als ihre normativen Teile i dentisch seien. Die Präambeln dieser Beschlüsse seien demgegenüber jedoch nicht Teil der durch diese Beschlüsse erlassenen „Maßnahmen“ im Sinne von Art. 5 des Beschlusses 1999/468.

90. Dazu genügt die Feststellung, dass dieses Vorbringen der Kommission der ständigen Rechtsprechung zuwiderläuft, wonach der verfügende Teil eines Rechtsakts unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen ist, die zu seinem Erlass geführt haben, und nicht von seiner Begründung getrennt werden kann, da sie ein Ganzes darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 26. April 1988, Asteris u. a./Kommission, 97/86, 99/86, 193/86 und 215/86, Slg. 1988, 2181, Randnr. 27, und vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission, C‑355/95 P, Slg. 1997, I‑2549, Randnr. 21; vgl. Urteil des Gerichts vom 7. Oktober 1999, Irish Sugar/Kommission, T‑228/97, Slg. 1999, II‑2969, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91. Entgegen dem damit zusammenhängenden Vorbringen der Kommission, wonach die wissenschaftlichen Gutachten der EFSA, insbesondere das vom 11. Juni 2009, nicht zur Begründung der angefochtenen Beschlüsse gehörten, ist festzustellen, dass die Kommission dadurch, dass sie ihre Beschlüsse auf die Stellungnahmen einer wissenschaftlichen Behörde stützt, den Tenor dieser Stellungnahmen in die zur Annahme dieser Beschlüsse führende Beurteilung und in die Begründung dieser Beschlüsse einfließen lässt. Da die Kommission in den genannten Beschlüssen angibt, sich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse in den Gutachten der EFSA von 2005 und 2009 zu stützen, ohne das Gutachten der EFSA von 2004 zu erwähnen, und in einigen Erwägungsgründen auf diese Erkenntnisse verweist, stellt der Inhalt dieser Gutachten einen Bestandteil der Begründung dieser Beschlüsse dar (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichts vom 18. Dezember 2003, Fern Olivieri/Kommission und EMEA, T‑326/99, Slg. 2003, II‑6053, Randnr. 55).

92. Somit stellt in den Entwürfen der angefochtenen Beschlüsse das Hinzufügen von Erwägungsgründen, in denen als wissenschaftliche Grundlage auf ein neues EFSA-Gutachten verwiesen wird, eine Änderung dar, die jegliche Behauptung, dass die in Rede stehenden Beschlüsse mit den vorherigen Entwürfen und Vorschlägen übereinstimmten, widerlegt.

93. Zweitens macht die Kommission geltend, das Hinzufügen zusätzlicher Erwägungsgründe in die geänderten Entwürfe stelle keine inhaltliche Änderung dar, sondern diene lediglich dazu, die Begründung der angefochtenen Beschlüsse unter Hinweis auf das Konsolidierte Gutachten der EFSA von 2009 zu untermauern. Dieses Gutachten bestätige nämlich die früheren Gutachten der EFSA, in denen diese im Wesentlichen festgestellt habe, dass das nptII-Gen unbedenklich sei.

94. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der im Mai 2008 eingeleitete neue Konsultationsprozess mit der EFSA nach dem eigenen Vorbringen der Kommission „teilweise darauf zurückzuführen [war], dass in dem Schreiben [einer NRO] von Februar 2008 und dem Schreiben [der] dänischen Minister… [für Ernährung und] für Landwirtschaft sowie für Umwelt von März 2008 Zweifel geäußert wurden“ und dass insofern wissenschaftliche Ungewissheiten bestanden hätten. Diese Zweifel bezogen sich auf die Unstimmigkeiten zwischen den spezifischen Gutachten der EFSA zur Amflora-Kartoffel und dem allgemeinen Gutachten der EFSA von 2004 über ARMG in Verbindung mit der Erklärung der EMA von 2007 über die therapeutische Bedeutung von Antibiotika, gegen die das nptII-Gen resistent ist.

95. Daraus folgt, dass das Hinzufügen zusätzlicher Erwägungsgründe nicht nur dazu diente, die Begründung der angefochtenen Beschlüsse zu untermauern, sondern auch dazu, im Einklang mit dem neuen Mandat, das die Kommission der EFSA am 14. Mai 2008 erteilt hatte, einige Unstimmigkeiten zwischen den früheren Gutachten zu klären und die bestehende wissenschaftliche Ungewissheit zu verringern, und zwar durch den Versuch, auf die in den Schreiben einer NRO und der dänischen Minister geäußerten inhaltlichen Einwände einzugehen. Es ist festzustellen, dass die begründete oder nicht begründete Antwort der EFSA auf derartige inhaltliche Einwände einen wesentlichen Bestandteil der Begründung der in Rede stehenden Beschlüsse darstellt, die eine inhaltliche Änderung des Rechtsakts und seines Regelungsgehalts bewirkt.

96. Außerdem ist dem Vorbringen der Kommission, wonach das Konsolidierte Gutachten der EFSA vom 11. Juni 2009 lediglich die in den früheren Gutachten der EFSA genannten Risikobewertungen (die auch in den vorherigen Entwürfen und Vorschlägen für Zulassungsbeschlüsse der Kommission bei ihrer Vorlage an die Ausschüsse und den Rat erwähnt worden seien) bestätigt und im Ergebnis ebenfalls festgestellt habe, dass das nptII-Gen unbedenklich sei, entgegenzuhalten, dass das genannte Gutachten eine neue sachliche Prüfung darstellt und nicht bloß eine formale Bestätigung der in den EFSA-Gutachten von 2004 und 2005 sowie in der Erklärung der EFSA von 2007 enthaltenen Risikobewertungen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des der EFSA erteilten neuen Mandats als auch aus den großen Unterschieden zwischen dem neuen und den früheren EFSA-Gutachten.

97. Zum einen ist dem Wortlaut des der EFSA von der Kommission am 14. Mai 2008 erteilten neuen Mandats, das im elften Erwägungsgrund des Beschlusses 2010/135 und im siebten Erwägungsgrund des Beschlusses 2010/136 erwähnt wird, zu entnehmen, dass das bei der EFSA angefragte neue Gutachten nicht bloß einer Bestätigung dienen konnte. Erstens oblag es der EFSA, „unter Berücksichtigung“ der früheren Gutachten und Erklärungen „die Gründe zu erläutern“ und „die Überlegungen darzulegen“, die zu diesen Schlussfolgerungen führten. Diese Formulierung zeigt, dass die Kommission die EFSA zur Vorlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse aufgefordert hat und dass diese ihre Begründung unter Berücksichtigung der früheren Gutachten und Erklärungen erläutern und ergänzen, d. h. ihre Schlussfolgerungen ändern sollte. Die Notwendigkeit für die EFSA, ihre früheren wissenschaftlichen Analysen zu überprüfen, kam im Übrigen auch durch die in der Folge für die Erstellung des Konsolidierten Gutachtens von der EFSA erbetene und von der Kommission akzeptierte sechsmonatige Fristverlängerung gegenüber dem ursprünglichen Mandat zum Ausdruck. Zweitens war es Sache der EFSA, anzugeben, welche Auswirkungen dieses neue Gutachten auf die früheren Bewertungen haben könnte, die sie in Bezug auf einzelne genetisch veränderte Pflanzen mit ARMG gemacht hatte. Daran zeigt sich auch, dass die Kommission von der EFSA, in enger Zusammenarbeit mit der EMA, eine überarbeitete wissenschaftliche Analyse erwartete, die für die Bewertung anderer GVO neue Konsequenzen haben könnte. Drittens hatte die Kommission als Anlage die Schreiben einer NRO und der dänischen Regierung beigefügt. Das spricht dafür, dass es Aufgabe der EFSA war, die in diesen Schreiben beanstandeten Unstimmigkeiten zu klären.

98. Zum anderen ist auf drei große Unterschiede zwischen dem im elften Erwägungsgrund des Beschlusses 2010/135 und im siebten Erwägungsgrund des Beschlusses 2010/136 erwähnten Konsolidierten Gutachten der EFSA von 2009 und den früheren Gutachten der EFSA hinzuweisen, ohne dass die Richtigkeit der in diesen Gutachten jeweils vorgenommenen Risikobewertungen geprüft zu werden braucht. Im vorliegenden Fall beziehen sich diese Unterschiede auf den Verfasser der wissenschaftlichen Gutachten, auf denen jeweils die geänderten früheren Entwürfe von Zulassungsbeschlüssen beruhen, auf den Inhalt der in diesen Gutachten gezogenen Schlussfolgerungen und auf das Vorhandensein von Minderheitsauffassungen im Rahmen der genannten Gutachten. Erstens stehen hinter dem Konsolidierten Gutachten der EFSA von 2009, verglichen mit den Gutachten und Erklärungen von 2004, 2005 und 2007, die allein vom GVO-Gremium erstellt wurden, weitere Verfasser, denn es stammt auch vom BIOHAZ-Gremium und wurde gemäß dem neuen Mandat der Kommission in enger Zusammenarbeit mit der EMA erstellt. Zweitens werden in den Schlussfolgerungen im Konsolidierten Gutachten der EFSA von 2009, auf denen die geänderten Vorschläge beruhen, die wissenschaftliche Unsicherheit („nicht ganz verstanden“, „Grenzen“, „Unsicherheiten“, „unwahrscheinlich“) und die Gefahren („Anlass weltweiter Sorge“) stärker hervorgehoben als in den Schlussfolgerungen des Gutachtens der EFSA von 2005 („kein Grund, anzunehmen“, „wäre kein zusätzliches Risiko“, „kein signifikantes Risiko“, „eine Schädigung der Umwelt wurde nicht festgestellt bzw. wäre unwahrscheinlich“) und in der Erklärung der EFSA von 2007 („wird nicht beeinträchtigt“, „Wahrscheinlichkeit ist äußerst gering“, „sehr unwahrscheinlich“, „stellt kein Risiko dar“), auf denen die vorherigen Entwürfe beruhten. Drittens enthält das Konsolidierte Gutachten der EFSA von 2009 Minderheitsauffassungen zweier Mitglieder des BIOHAZ-Gremiums, die die wissenschaftliche Unsicherheit hervorheben, während das EFSA-Gutachten von 2005 und die Erklärung der EFSA von 2007 keine Minderheitsauffassungen enthalten.

99. Insofern geht das Vorbringen der Kommission, wonach das Konsolidierte Gutachten der EFSA von 2009 lediglich die früheren Gutachten der EFSA bestätige, in tatsächlicher Hinsicht fehl.

100. Im Übrigen widerspricht diese Behauptung anderen Behauptungen der Kommission, die sie im vorliegenden Verfahren in ihren Schriftsätzen sowie in dem Verfahren vorgetragen hat, das zu dem Beschluss BASF Plant Science u. a./Kommission (siehe oben, Randnr. 53) geführt hat.

101. Zum einen steht das genannte Vorbringen im Widerspruch zu Randnr. 25 der Klagebeantwortung, worin die Kommission selbst einräumt, die EFSA-Gutachten, die vor dem von 2009 erstellt wurden, seien nicht ganz klar und „unmissverständlich“ gewesen und „mit Widersprüchen behaftet“. In zahlreichen Randnummern ihrer Klagebeantwortung und ihrer Gegenerwiderung hebt die Kommission jedoch den „umfassenden“ Charakter des Konsolidierten Gutachtens der EFSA von 2009 und die „Vollständigkeit“ der darin enthaltenen Risikobewertung hervor. Deshalb ist das EFSA-Gutachten von 2009 nach Ansicht der Kommission viel mehr als eine Bestätigung der früheren Risikobewertungen, denn es sei umfassend und vollständig, während die vorherigen Gutachten missverständlich und widersprüchlich gewesen seien.

102. Zum anderen steht das genannte Vorbringen der Kommission im Widerspruch zu dem, was sie in dem Rechtsstreit, der zu dem Beschluss BASF Plant Science u. a./Kommission, T‑293/08 (siehe oben, Randnr. 53), geführt hat, in ihrer Klagebeantwortung vorgetragen hat, die den Akten des vorliegenden Rechtsstreits beigefügt worden ist. Darin verwies die Kommission zunächst auf den „Kern“ des Rechtsstreits, d. h. auf ihre „Pflichten bei Vorliegen von Informationen, die auf … Unstimmigkeiten zwischen wissenschaftlichen Gutachten hinweisen“. Danach machte sie geltend, „die EFSA ha[be] in ihrer Erklärung von 2007 das Kriterium der therapeutischen Bedeutung außer Acht gelassen, indem sie [in Abweichung von den im EFSA-Gutachten von 2004 befürworteten Kriterien] weder die Stellungnahme der [EMA] noch die der WHO berücksichtigt ha[be]“. Damit kam sie zu der Feststellung, dass „es im Grunde genommen darum geh[e], ob die Erwägungen und Gründe, die den im Gutachten von 2004 getroffenen Schlussfolgerungen zugrunde [lägen], mit der Erklärung von 2007 im Einklang [stünden]“. Schließlich berief sie sich auf ihre „das Vorsorgeprinzip betreffende Pflicht, diese Unstimmigkeiten zu klären, und [machte geltend, dass] sie hierzu die [EFSA] konsultiert“ habe, so dass ihr keinerlei Untätigkeit vorgeworfen werden könne.

103. Diesem Vorbringen der Kommission ist zu entnehmen, dass sie zumindest nach Erhalt der Schreiben einer NRO und der dänischen Regierung der Ansicht war, dass die Erklärung der EFSA von 2007, da sie gegenüber dem EFSA-Gutachten von 2004 in Verbindung mit der Erklärung der EMA von 2007 eine Unstimmigkeit aufwies, eine für die Annahme der bereits den Regelungsausschüssen und dem Rat unterbreiteten Beschlussvorschläge zu unsichere wissenschaftliche Grundlage bildete und dass sie in Anbetracht der bestehenden wissenschaftlichen Unsicherheit gemäß dem Vorsorgeprinzip erneut die EFSA konsultieren müsse, damit diese hinsichtlich der wissenschaftlichen Risikobewertung im Zusammenhang mit der Amflora-Kartoffel, insbesondere mit dem nptII-Gen, Klarstellungen vornehme.

104. Demzufolge ist das Vorbringen der Kommission, wonach die angefochtenen Beschlüsse mit den vorherigen Entwürfen und Vorschlägen übereinstimmten oder zumindest inhaltlich nicht geändert worden seien, als unbegründet zurückzuweisen.

105. Außerdem ist festzustellen, dass der dem Urteil des Gerichts vom 13. September 2006, Sinaga/Kommission (T‑217/99, T‑321/00 und T‑222/01, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 90 bis 96), zugrunde liegende Sachverhalt, auf den die Kommission verweist, um geltend zu machen, dass die in den zusätzlichen Erwägungsgründen hinzugefügte Begründung „keine inhaltliche Änderung des Rechtsakts“ (Urteil Sinaga/Kommission, Randnr. 95) bewirke, vom hier vorliegenden Sachverhalt zu unterscheiden ist. Zunächst betraf die Rechtssache, die zum letztgenannten Urteil führte, das Verwaltungsverfahren im Sinne von Art. 4 des Beschlusses 1999/468 und nicht das Regelungsverfahren im Sinne von Art. 5 dieses Beschlusses. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erlässt die Kommission Maßnahmen, die unmittelbar gelten. Stimmen diese Maßnahmen jedoch mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht überein, so werden sie sofort von der Kommission dem Rat mitgeteilt, der binnen drei Monaten einen anderen Beschluss fassen kann. Das Gleiche gilt für das Regelungsverfahren, wo die Kommission, falls die beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht übereinstimmen oder, wie im vorliegenden Fall, keine Stellungnahme vorliegt, keine Maßnahmen ergreift, sondern dem Rat unverzüglich einen Vorschlag unterbreitet. Außerdem ging es in dem Rechtsstreit, der zum Urteil Sinaga/Kommission führte, um die Phase des Verfahrens, nachdem der Ausschuss (Verwaltungsausschuss für Zucker) befasst wurde, und nicht, wie im vorliegenden Fall, um die Phase nach Befassung des Rates. Schließlich hatte der Ausschuss in dem Rechtsstreit, der zum Urteil Sinaga/Kommission führte, bevor die zusätzliche Begründung hinzugefügt wurde, die keine wesentliche Änderung des Rechtsakts bewirkte, eine „befürwortende Stellungnahme“ abgegeben und damit die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen „gebilligt“ (Urteil Sinaga/Kommission, Randnrn. 91 bis 95), im Gegensatz zum vorliegenden Rechtsstreit, wo der Ausschuss keine befürwortende Stellungnahme abgeben konnte.

106. Drittens macht die Kommission geltend, sie habe, nachdem der Rat zu den vorgeschlagenen Maßnahmen keine Stellungnahme abgegeben habe, die beiden Zulassungsbeschlüsse unverzüglich angenommen. Sie habe daher eine Frist gehabt, um ein zusätzliches wissenschaftliches Gutachten einzuholen, und Art. 5 Abs. 6 des Beschlusses 1999/468 enthalte im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 4 dieses Beschlusses nicht den Ausdruck „unverzüglich“.

107. Dazu ist zunächst festzustellen, dass der die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse beeinträchtigende Mangel nicht die Frist betrifft, die für den Erlass der genannten Beschlüsse in Anspruch genommen wurde, nachdem die ursprünglichen Vorschläge dem Rat in dessen Sitzungen am 16. Juli 2007 und 18. Februar 2008 unterbreitet worden waren. Er bezieht sich vielmehr auf die den zuständigen Regelungsausschüssen und, gegebenenfalls, dem Rat gegenüber unterlassene Vorlage der geänderten Entwürfe der Zulassungsbeschlüsse.

108. Deshalb ist das Vorbringen der Kommission, wonach die angefochtenen Beschlüsse ohne Verzögerung angenommen worden seien, als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

109. Überdies ist der zur Stützung dieses Arguments vorgebrachte Hinweis der Kommission auf das Urteil des Gerichtshofs vom 18. November 1999, Pharos/Kommission (C‑151/98 P, Slg. 1999, I‑8157), im vorliegenden Fall unerheblich. Der Rechtsstreit, der zum Urteil Pharos/Kommission führte, bezog sich nämlich auf die Phase des Verfahrens zwischen der Befassung des Ausschusses und der des Rates. Zu dieser Phase hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Kommission über einen gewissen Zeitraum verfügte, um, bevor sie dem Rat einen Vorschlag unterbreitete, ein neues wissenschaftliches Gutachten in Auftrag zu geben und vorab eine Kompromisslösung zu finden, damit der Vorschlag letztlich nicht vom Rat abgelehnt wird (Urteil Pharos/Kommission, Randnrn. 22 bis 27). Im vorliegenden Rechtsstreit betrifft das Vorbringen der Kommission jedoch die Phase des Verfahrens, nachdem der Rat keine Stellungnahme abgegeben hatte. In dieser Phase war es nach Art. 5 Abs. 6 Unterabs. 3 des Beschlusses 1999/468 Sache der Kommission, Maßnahmen der vorgeschlagenen Art zu ergreifen, doch ändern konnte sie diese nicht mehr.

110. Schließlich sind zwar, der Kommission folgend, die „große politische Sensibilität“ und die „Komplexität der Materie“ im Zusammenhang mit einem Genehmigungsantrag für das Inverkehrbringen von GVO hervorzuheben, doch sprechen derartige Gesichtspunkte gerade für die Verpflichtung der Kommission, geänderte Entwürfe von Zulassungsbeschlüssen für die Amflora-Kartoffel den zuständigen Regelungsausschüssen und gegebenenfalls dem Rat vorzulegen.

111. Aufgrund all dieser Erwägungen kann das Vorbringen der Kommission, da es unbegründet bzw. nicht stichhaltig ist, das Gericht nicht daran hindern, von Amts wegen zu prüfen und festzustellen, dass die angefochtenen Beschlüsse mit einem Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften behaftet sind, was ihre Rechtmäßigkeit beeinträchtigt. Im Übrigen stand die Befugnis der Kommission zum Erlass der genannten Beschlüsse unter dem Vorbehalt, dass sie das Regelungsverfahren einhält, und die Kommission hat die geänderten Entwürfe von Maßnahmen, die zu diesen Beschlüssen geführt haben, nicht gemäß Art. 5 Abs. 3 und 6 des Beschlusses 1999/468 den Regelungsausschüssen unterbreitet. Somit folgt aus der vorstehend in Randnr. 87 festgestellten Verletzung wesentlicher Formvorschriften, dass die Kommission nicht zum Erlass der fraglichen Beschlüsse befugt war.

Zur Nichtigkeitsklage

112. Nach alledem ist der Nichtigkeitsklage, ohne dass die Stichhaltigkeit der von Ungarn geltend gemachten Klagegründe geprüft zu werden braucht, wie von Ungarn beantragt, stattzugeben.

113. Demzufolge sind die angefochtenen Beschlüsse gemäß Art. 264 Abs. 1 AEUV für nichtig zu erklären.

Kosten

114. Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag Ungarns die Kosten aufzuerlegen.

115. Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Österreich und die Republik Polen tragen daher ihre eigenen Kosten.

(1) .

(1) 1 – Österreichischer Ausdruck gemäß Protokoll Nr. 10 zur Beitrittsakte 1994.

Tenor

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Der Beschluss 2010/135/EU der Kommission vom 2. März 2010 über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten Kartoffelerzeugnisses ( Solanum tuberosum L. Linie EH92‑527‑1) mit erhöhtem Amylopectingehalt in der Stärke gemäß der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Beschluss 2010/136/EU der Kommission vom 2. März 2010 über die Zulassung des Inverkehrbringens von Futtermitteln, die aus der genetisch veränderten Kartoffelsorte EH92‑527‑1 (BPS‑25271‑9) gewonnen werden, und des zufälligen oder technisch nicht zu vermeidenden Vorhandenseins dieser Kartoffelsorte in Lebensmitteln und Futtermitteln gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates werden für nichtig erklärt.

2. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten Ungarns.

3. Die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Österreich und die Republik Polen tragen ihre eigenen Kosten.


URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)

13. Dezember 2013 ( *1 )

„Angleichung der Rechtsvorschriften — Absichtliche Freisetzung von GVO in die Umwelt — Genehmigungsverfahren für das Inverkehrbringen — Wissenschaftliche Gutachten der EFSA — Ausschussverfahren — Regelungsverfahren — Verletzung wesentlicher Formvorschriften — Prüfung von Amts wegen“

In der Rechtssache T‑240/10

Ungarn, vertreten durch M. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,

Kläger,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und S. Menez als Bevollmächtigte,

durch

Großherzogtum Luxemburg, vertreten zunächst durch C. Schiltz, dann durch P. Frantzen und schließlich durch L. Delvaux und D. Holderer als Bevollmächtigte,

durch

Republik Österreich, vertreten durch C. Pesendorfer und E. Riedl als Bevollmächtigte,

und durch

Republik Polen, vertreten zunächst durch M. Szpunar, B. Majczyna und J. Sawicka, dann durch B. Majczyna und J. Sawicka als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch A. Sipos und L. Pignataro-Nolin, dann durch A. Sipos und D. Bianchi als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses 2010/135/EU der Kommission vom 2. März 2010 über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten Kartoffelerzeugnisses (Solanum tuberosum L. Linie EH92‑527‑1) mit erhöhtem Amylopectingehalt in der Stärke gemäß der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 53, S. 11) sowie des Beschlusses 2010/136/EU der Kommission vom 2. März 2010 über die Zulassung des Inverkehrbringens von Futtermitteln, die aus der genetisch veränderten Kartoffelsorte EH92‑527‑1 (BPS‑25271‑9) gewonnen werden, und des zufälligen oder technisch nicht zu vermeidenden Vorhandenseins dieser Kartoffelsorte in Lebensmitteln und Futtermitteln gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 53, S. 15)

erlässt

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung der Richterin I. Labucka in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters S. Frimodt Nielsen und der Richterin M. Kancheva (Berichterstatterin),

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2013

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

Genehmigungsverfahren für das Inverkehrbringen genetisch veränderter Organismen

1

Die unionsrechtliche Regelung für die Genehmigung des Inverkehrbringens genetisch veränderter Organismen (im Folgenden: GVO) beruht auf dem Vorsorgeprinzip und insbesondere auf dem Grundsatz, dass diese Organismen bzw. die Erzeugnisse, die sie enthalten, nur dann in die Umwelt freigesetzt oder in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie Gegenstand einer Genehmigung sind, die nach einer wissenschaftlichen Risikobewertung im Einzelfall im Hinblick auf spezifische Verwendungen und unter bestimmten Voraussetzungen erteilt wurde.

2

Diese Regelung umfasst zwei maßgebliche Rechtsakte. Der erste betrifft die absichtliche Freisetzung von GVO in die Umwelt im Allgemeinen und der zweite speziell genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel.

3

Der erstgenannte Rechtsakt ist die Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 106, S. 1).

4

Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/18 lautet:

„Vor der Anmeldung gemäß Teil B [Absichtliche Freisetzung von GVO zu anderen Zwecken als dem Inverkehrbringen] oder Teil C [Inverkehrbringen von GVO als Produkte oder in Produkten] hat der Verantwortliche eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Die zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung gegebenenfalls erforderlichen Informationen sind in Anhang III aufgeführt. Die Mitgliedstaaten und die Kommission sorgen dafür, dass GVO, die Gene enthalten, welche Resistenz gegen in der ärztlichen oder tierärztlichen Behandlung verwendete Antibiotika vermitteln, bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung besonders berücksichtigt werden, und zwar im Hinblick auf die Identifizierung und schrittweise Einstellung der Verwendung von Antibiotikaresistenzmarkern in GVO, die schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben können. Diese schrittweise Einstellung der Verwendung erfolgt im Falle von gemäß Teil C in den Verkehr gebrachten GVO bis zum 31. Dezember 2004 und im Falle von gemäß Teil B zugelassenen GVO bis zum 31. Dezember 2008.“

5

In Anhang II der geänderten Richtlinie 2001/18 werden allgemein das zu erreichende Ziel, die zu bedenkenden Faktoren sowie die zu befolgenden Grundprinzipien und die Methodik zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wie in Art. 4 der Richtlinie erwähnt, beschrieben. Diese Richtlinie ist im Zusammenhang zu sehen mit der Entscheidung 2002/623/EG der Kommission vom 24. Juli 2002 über Leitlinien zur Ergänzung des Anhangs II der Richtlinie 2001/18 (ABl. L 200, S. 22).

6

Das durch die Richtlinie 2001/18, insbesondere ihre Art. 13 bis 19, harmonisierte Verfahren geht von dem Grundsatz aus, dass die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, die von einem Unternehmen eine Anmeldung erhalten hat, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung umfasst, eine Genehmigung erteilt, zu der die zuständigen Behörden der übrigen Mitgliedstaaten oder die Europäische Kommission Bemerkungen oder Einwände vortragen können.

7

Art. 18 („Gemeinschaftsverfahren im Falle von Einwänden“) Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/18 bestimmt:

„In Fällen, in denen ein Einwand geltend gemacht und von einer zuständigen Behörde oder der Kommission gemäß den Artikeln 15, 17 und 20 aufrechterhalten wird, wird nach dem Verfahren des Artikels 30 Absatz 2 innerhalb von 120 Tagen eine Entscheidung getroffen und veröffentlicht. …“

8

Art. 30 („Ausschussverfahren“) Abs. 2 der Richtlinie 2001/18 verweist auf das nach Art. 5 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (ABl. L 184, S. 23) vorgesehene Verfahren, den so genannten „Komitologiebeschluss“, in der durch den Beschluss 2006/512/EG des Rates vom 17. Juli 2006 (ABl. L 200, S. 11) geänderten Fassung.

9

Der zweite maßgebliche Unionsrechtsakt zur Genehmigungsregelung für das Inverkehrbringen von GVO ist die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl. L 268, S. 1). Mit dieser Verordnung wurde eine einheitliche, im Verhältnis zu der allgemeinen harmonisierten Regelung der Richtlinie 2001/18 spezielle Regelung für die Genehmigung von genetisch veränderten Lebensmitteln (Kapitel II) und genetisch veränderten Futtermitteln (Kapitel III) eingeführt. Nach dieser einheitlichen Regelung wird ein Genehmigungsantrag unmittelbar auf Unionsebene in Absprache mit den Mitgliedstaaten beurteilt, und der endgültige Beschluss über die Genehmigung wird von der Kommission oder gegebenenfalls vom Rat der Europäischen Union getroffen.

10

Die Kommission und der Rat stützen ihre Beschlüsse auf wissenschaftliche Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31, S. 1) unterliegt. In dieser Verordnung sind die allgemeinen Grundsätze der Risikobewertung in allen Bereichen festgelegt, die sich unmittelbar oder mittelbar auf die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit auswirken, unter Einbeziehung von GVO. Die EFSA ist auch dafür zuständig, im Rahmen des Gemeinschaftsverfahrens im Fall von Einwänden gemäß der Richtlinie 2001/18 Risikobewertungen durchzuführen.

11

Art. 7 Abs. 1 und 3 sowie Art. 19 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1829/2003 sind wortgleich und stehen in den Kapiteln II bzw. III der Verordnung. Sie lauten:

„(1)   Die Kommission legt dem in Artikel 35 genannten Ausschuss innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der Stellungnahme der [EFSA] einen Entwurf für eine Entscheidung über den Antrag vor, wobei die Stellungnahme der [EFSA], die einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und andere legitime Faktoren berücksichtigt werden, die für den jeweils zu prüfenden Sachverhalt relevant sind. Stimmt der Entscheidungsentwurf nicht mit der Stellungnahme der [EFSA] überein, erläutert die Kommission die betreffenden Unterschiede.

(3)   Die endgültige Entscheidung über den Antrag wird nach dem in Artikel 35 Absatz 2 genannten Verfahren getroffen.“

12

Art. 35 („Ausschussverfahren“) Abs. 2 der Verordnung Nr. 1829/2003 verweist ebenso wie die Richtlinie 2001/18 (siehe oben, Randnr. 8) auf das nach Art. 5 des Beschlusses 1999/468 vorgesehene Verfahren.

Regelungsverfahren

13

Art. 5 („Regelungsverfahren“) des Beschlusses 1999/468 in der durch den Beschluss 2006/512 geänderten Fassung lautet:

„(1)   Die Kommission wird von einem Regelungsausschuss unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem der Vertreter der Kommission den Vorsitz führt.

(2)   Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuss einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der betreffenden Frage festsetzen kann. Die Stellungnahme wird mit der Mehrheit abgegeben, die in Artikel 205 Absätze 2 und 4 des Vertrags für die Annahme der vom Rat auf Vorschlag der Kommission zu fassenden Beschlüsse vorgesehen ist. Bei der Abstimmung im Ausschuss werden die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten gemäß dem vorgenannten Artikel gewogen. Der Vorsitzende nimmt an der Abstimmung nicht teil.

(3)   Die Kommission erlässt unbeschadet des Artikels 8 die beabsichtigten Maßnahmen, wenn sie mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmen.

(4)   Stimmen die beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht überein oder liegt keine Stellungnahme vor, so unterbreitet die Kommission dem Rat unverzüglich einen Vorschlag für die zu treffenden Maßnahmen und unterrichtet das Europäische Parlament.

(5)   Ist das Europäische Parlament der Auffassung, dass ein Vorschlag, den die Kommission auf der Grundlage eines gemäß Artikel 251 des Vertrags erlassenen Basisrechtsakts unterbreitet hat, über die in diesem Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgeht, so unterrichtet es den Rat über seinen Standpunkt.

(6)   Der Rat kann, gegebenenfalls in Anbetracht eines solchen etwaigen Standpunkts, innerhalb einer Frist, die in jedem Basisrechtsakt festzulegen ist, die keinesfalls aber drei Monate von der Befassung des Rates an überschreiten darf, mit qualifizierter Mehrheit über den Vorschlag befinden.

Hat sich der Rat innerhalb dieser Frist mit qualifizierter Mehrheit gegen den Vorschlag ausgesprochen, so überprüft die Kommission den Vorschlag. Die Kommission kann dem Rat einen geänderten Vorschlag vorlegen, ihren Vorschlag erneut vorlegen oder einen Vorschlag für einen Rechtsakt auf der Grundlage des Vertrags vorlegen.

Hat der Rat nach Ablauf dieser Frist weder den vorgeschlagenen Durchführungsrechtsakt erlassen noch sich gegen den Vorschlag für die Durchführungsmaßnahmen ausgesprochen, so wird der vorgeschlagene Durchführungsrechtsakt von der Kommission erlassen.“

14

Die Regelungsausschüsse, die zuständig sind, um an der Ausübung der der Kommission gemäß der Richtlinie 2001/18 und der Verordnung Nr. 1829/2003 übertragenen Durchführungsbefugnisse mitzuwirken, sind der nach Art. 30 Abs. 1 der genannten Richtlinie eingeführte Regelungsausschuss betreffend die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und die Tiergesundheit nach Art. 35 Abs. 1 der genannten Verordnung, der gemäß Art. 58 der Verordnung Nr. 178/2002 eingeführt wurde.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Das genehmigte Erzeugnis

15

Die genetisch veränderte Kartoffel mit der Bezeichnung „Amflora“ (Solanum tuberosum L. Linie EH92‑527‑1) ist eine Kartoffel mit verändertem Stärkegehalt. Sie ist gekennzeichnet durch einen erhöhten Amylopectingehalt, so dass ihre Stärke nahezu ausschließlich aus Amylopectin besteht. Dadurch unterscheidet sie sich von einer genetisch nicht veränderten Kartoffel, deren Stärke sich aus etwa 15 % bis 20 % Amylose und etwa 80 % bis 85 % Amylopectin zusammensetzt. Sie ermöglicht eine optimierte Extraktion von Amylopectin für industrielle Anwendungen, insbesondere die Herstellung von Papier, Textilien oder Klebstoff.

16

Die genetische Veränderung erfolgt durch die Einführung eines sogenannten nptII-Gens (Neomycin-Phosphotransferase II) (im Folgenden: nptII-Gen). Das nptII-Gen gehört zur Kategorie der Antibiotikaresistenz-Markergene (ARMG). Bei der genetischen Veränderung besteht die Aufgabe der Markergene darin, zusammen mit dem Gen, das das gewünschte Merkmal trägt, die Zellen zu markieren, in denen die Operation geglückt ist. Die ARMG üben ihre Funktion mit Hilfe der Antibiotikaresistenz aus. Das nptII-Gen weist insbesondere Resistenz gegenüber den Antibiotika Neomycin, Kanamycin und Geneticin auf, die zur Familie der Aminoglykoside gehören.

Zulassungsanträge

17

Am 5. August 1996 erhielt die zuständige schwedische Behörde von einer Tochtergesellschaft der BASF Plant Science GmbH (im Folgenden: BASF), der Amylogene HB, jetzt Plant Science Sweden AB, eine Anmeldung gemäß der Richtlinie 90/220. Diese Anmeldung enthielt einen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen der Kartoffel Amflora, um diese zu industriellen Zwecken anzubauen (Stärkeherstellung) und um Folgeerzeugnisse (Kartoffelteig) zu gewinnen, verbunden mit dem Hinweis auf die Erzeugung von Futtermitteln und darauf, dass Spuren dieser Kartoffel in Lebensmitteln enthalten sein könnten.

18

Nach Inkrafttreten der Richtlinie 2001/18 am 17. April 2001 und der Verordnung Nr. 1829/2003 am 7. November 2003 teilte BASF ihre Anmeldung bei der zuständigen schwedischen Behörde in zwei Teile auf: Der erste betraf den Genehmigungsantrag für das Inverkehrbringen der Kartoffel Amflora zum Zweck ihres Anbaus und ihrer Verwendung zu industriellen Zwecken, und der zweite bezog sich auf den Genehmigungsantrag für das Inverkehrbringen zur Erzeugung von Futtermitteln und auf das Vorhandensein von Spuren in Lebensmitteln. BASF zog den zweiten Teil ihrer Anmeldung bei der genannten Behörde zurück, um den Genehmigungsantrag für das Inverkehrbringen nach dem in der Verordnung Nr. 1829/2003 vorgesehenen einheitlichen Verfahren zu stellen. Den ersten Teil ihrer bei dieser Behörde nach der Richtlinie 2001/18 vorgenommenen Anmeldung hielt sie jedoch aufrecht. Im Dezember 2003 fügte sie diesem ersten Teil eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Anhang II der Richtlinie 2001/18 bei.

19

Am 8. April 2004 verabschiedete die zuständige schwedische Behörde ihren Bewertungsbericht und übermittelte ihn der Kommission. Sie stellte darin fest, dass eine Verwendung des Erzeugnisses zu industriellen Zwecken zwar sicher sei, doch sei es wichtig, es nicht in die Lebensmittelkette gelangen zu lassen, weil seine Verwendung zu Ernährungszwecken keiner umfassenden Bewertung unterzogen worden sei. Im Ergebnis stellte sie fest, dass die Amflora-Kartoffel unter den festgelegten Bedingungen und zu den von der Anmelderin vorgesehenen Zwecken in den Verkehr gebracht werden könne.

20

Die Kommission übermittelte den Bewertungsbericht der zuständigen schwedischen Behörde an die zuständigen Behörden der übrigen Mitgliedstaaten, von denen mehrere, darunter Ungarn, schriftliche Erklärungen abgaben. Ungarn machte in seinen Erklärungen vom 3. Juli 2004 geltend, der Anmelder müsse zum einen, bevor die Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt werde, ein quantitatives Nachweisverfahren durchführen und zum anderen weitere Untersuchungen hinsichtlich der Verwendung der Amflora-Kartoffel als Futtermittel und ihrer etwaigen schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit vornehmen. Dabei sei die Gefahr einer Kontamination der Lebensmittelkette zu berücksichtigen.

21

Am 9. Februar 2005 beauftragte die Kommission die EFSA gemäß Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 sowie den Art. 22 und 29 Abs. 1 der Verordnung Nr. 178/2002 mit einer Risikobewertung.

22

Gleichzeitig stellte BASF am 28. Februar 2005 bei der zuständigen Behörde des Vereinigten Königreichs einen Genehmigungsantrag bezüglich der Produktion von Futtermitteln und Lebensmitteln gemäß den Art. 5 und 17 der Verordnung Nr. 1829/2003. Am 25. April 2005 wurde diese Anmeldung der Kommission gemäß Art. 6 Abs. 4 und Art. 18 Abs. 4 derselben Verordnung übermittelt.

Risikobewertungen und Ausschussverfahren

23

Am 2. April 2004 erstellte das wissenschaftliche Gremium für GVO der EFSA (im Folgenden: GVO-Gremium) auf eigene Initiative ein Gutachten über die Verwendung von ARMG in genetisch veränderten Pflanzen (EFSA-Anfrage Q-2003-109, The EFSA Journal [2004] 48, 1‑18, im Folgenden: Gutachten von 2004). Darin präsentierte die EFSA ein auf verschiedene Kriterien gestütztes System zur Klassifizierung der ARMG in drei Gruppen. Insbesondere enthielt die Gruppe I die ungefährlichsten ARMG ‐ diejenigen, die in der Erde und enterischen Bakterien bereits weit verbreitet sind ‐, die gegen Antibiotika, die keine oder lediglich geringe therapeutische Bedeutung in der Human‑ und der Veterinärmedizin haben, Resistenz verleihen. Außerdem nahm die EFSA nach diesem Klassifizierungssystem in drei Gruppen eine Einteilung der bekannten ARMG vor, die erhebliche Auswirkungen im Hinblick auf die (für die Gruppen I und II, nicht jedoch für die Gruppe III empfohlene) Genehmigung dieser Gene zu experimentellen Zwecken und das (lediglich für die Gruppe I, nicht jedoch für die Gruppen II und III empfohlene) Inverkehrbringen hatte. Das nptII-Gen, das von den ARMG am häufigsten für die Auswahl von genetisch veränderten Pflanzen verwendet wird, wurde in die Gruppe I eingestuft.

24

Am 7. Dezember 2005 erstellte das GVO-Gremium zwei inhaltlich sehr ähnliche Gutachten. In dem ersten über das Inverkehrbringen der Amflora-Kartoffel zum Zweck des Anbaus und der industriellen Herstellung von Stärke, das am 24. Februar 2006 veröffentlicht wurde (EFSA-Anfrage Q-2005-023, The EFSA Journal [2006] 323, 1-20, im Folgenden: Gutachten von 2005), kam die EFSA im Wesentlichen zu dem Ergebnis, es sei unwahrscheinlich, dass das Inverkehrbringen der genannten Kartoffel im Rahmen der vorgeschlagenen Verwendungszwecke schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder auf die Umwelt haben könnte. In dem zweiten Gutachten über die Vermarktung dieser Kartoffel zur Verwendung in Lebens- oder Futtermitteln, das am 10. November 2006 veröffentlicht wurde (EFSA-Anfrage Q-2005-070, The EFSA Journal [2006] 324, 1-20), kam die EFSA ebenfalls zu dem Ergebnis, dass im Rahmen der vorgeschlagenen Verwendungszwecke schädliche Auswirkungen unwahrscheinlich seien.

25

Am 4. Dezember 2006 wurde im Regelungsausschuss betreffend die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt gemäß Art. 5 Abs. 2 des Beschlusses 1999/468 ein von der Kommission unterbreiteter Entwurf eines Beschlusses über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten Kartoffelerzeugnisses (Solanum tuberosum L. Linie EH92‑527‑1) mit erhöhtem Amylopectingehalt in der Stärke gemäß der Richtlinie 2001/18 erörtert. In dem genannten Ausschuss ergab sich keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen diesen von der Kommission vorgelegten Entwurf von Maßnahmen. Das Abstimmungsergebnis lautete 134 gegen 109 Stimmen bei 78 Stimmenthaltungen.

26

Am 25. Januar 2007 bat die Kommission die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) zu prüfen, ob ‐ angesichts der Stellungnahme der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Aminoglykoside (zu denen Neomycin und Kanamycin gehören) als überaus wichtige Antibiotika eingestuft hatte ‐ die derzeitigen oder für die Zukunft in Betracht kommenden Verwendungen dieser Antibiotika noch immer mit dem Gutachten der EFSA von 2004 im Einklang stünden, wonach diese Antibiotika keine oder lediglich geringe therapeutische Bedeutung hätten.

27

Am 22. Februar 2007 erließ die EMA eine Erklärung (im Folgenden: Erklärung der EMA von 2007), wonach die Verwendung von Neomycin und Kanamycin in der Human‑ und Veterinärmedizin wichtig sei und die derzeitigen oder für die Zukunft in Betracht kommenden Verwendungen dieser Antibiotika nicht als eine Verwendung eingestuft werden könnten, die keine oder lediglich geringe therapeutische Bedeutung habe.

28

Am 23. März 2007 erließ das von der Kommission konsultierte GVO-Gremium eine Erklärung (im Folgenden: Erklärung der EFSA von 2007), in der es vorab seine Übereinstimmung mit der EMA zum Ausdruck brachte, dass es wichtig sei, das therapeutische Potenzial der Aminoglykoside, d. h. auch von Neomycin und Kanamycin, zu erhalten. Anschließend bekräftigte es unter Hinweis insbesondere auf die äußerst geringe Wahrscheinlichkeit eines horizontalen Transfers des nptII-Gens von Pflanzen auf Bakterien seine Auffassung, dass die Verwendung des nptII-Gens in GVO und deren Folgeerzeugnissen mit keinen Risiken für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt verbunden sei.

29

Mangels einer qualifizierten Mehrheit im Ausschuss für oder gegen die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen (siehe oben, Randnr. 25) unterbreitete die Kommission dem Rat am 13. Juni 2007 einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten Kartoffelerzeugnisses (Solanum tuberosum L. Linie EH92‑527‑1) mit erhöhtem Amylopectingehalt in der Stärke gemäß der Richtlinie 2001/18. Am 16. Juli 2007 wurde in der Sitzung des Rates die zur Annahme oder zur Zurückweisung dieses von der Kommission unterbreiteten Vorschlags erforderliche qualifizierte Mehrheit nicht erreicht.

30

Am 10. Oktober 2007 erörterte der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit gemäß Art. 5 Abs. 2 des Beschlusses 1999/468 einen von der Kommission vorgelegten Entwurf für eine Genehmigung des Inverkehrbringens der Kartoffel Amflora zur Verwendung in Lebens- oder Futtermitteln gemäß der Verordnung Nr. 1829/2003. Im Ausschuss fand sich keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen diesen von der Kommission vorgelegten Entwurf von Maßnahmen. Das Abstimmungsergebnis lautete 123 gegen 133 Stimmen bei 89 Stimmenthaltungen. Am 18. Dezember 2007 unterbreitete die Kommission dem Rat mangels einer qualifizierten Mehrheit im Ausschuss einen Vorschlag für einen Beschluss zum selben Thema.

31

Am 13. Februar 2008 sandte eine Nichtregierungsorganisation (NRO) dem für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständigen Kommissar im Hinblick auf die Sitzung des Rates ein Schreiben, dem zufolge der Vorschlag der Kommission Unstimmigkeiten enthielt. In dem Vorschlag werde nämlich zum einen nicht erwähnt, dass die EFSA die Antibiotika, die von der genetisch veränderten Kartoffel betroffen seien, in ihrem Gutachten von 2004 zu Unrecht als für die Human‑ und die Veterinärmedizin unerheblich eingestuft habe, während die EMA und die WHO sie als überaus wichtig ansähen. Zum anderen habe die EFSA ihren diesbezüglichen Fehler in ihrer Erklärung von 2007 zugegeben, es jedoch versäumt, daraus die gebotenen logischen Schlüsse zu ziehen und demzufolge das nptII-Gen aus der Gruppe I auszuschließen und gemäß der im Gutachten der EFSA von 2004 vorgesehenen Klassifizierung in die Gruppe II oder III einzustufen.

32

Am 18. Februar 2008 wurde in der Sitzung des Rates die zur Annahme oder zur Zurückweisung des von der Kommission unterbreiteten Vorschlags erforderliche qualifizierte Mehrheit nicht erreicht.

33

Am 14. März 2008 übermittelten die dänischen Minister für Ernährung, für Landwirtschaft und für Fischerei sowie für Umwelt den für Gesundheitsfragen und für die Umwelt zuständigen Kommissionsmitgliedern ein Schreiben, in dem sie darauf hinwiesen, dass die dänischen Sachverständigen mit der EFSA zwar darin übereinstimmten, dass das nptII-Gen ungefährlich sei, doch bestehe zwischen dem Gutachten der EFSA von 2004 und der Erklärung der EFSA von 2007 im Hinblick auf die Einstufung des nptII-Gens nach den Kriterien des Gutachtens von 2004 eine Unstimmigkeit, die die Kommission und die EFSA klären sollten.

34

Am 14. Mai 2008 erteilte die Kommission der EFSA gestützt auf Art. 29 der Verordnung Nr. 178/2002 ein „Mandat für die Erstellung eines konsolidierten Gutachtens über die Verwendung von antibiotikaresistenten Genen als Markergene in genetisch veränderten Pflanzen“. Gemäß diesem Mandat wollte die Kommission hinsichtlich der Frage der Verwendung von ARMG in genetisch veränderten Pflanzen, die Gegenstand zweier Sicherheitsbewertungen der EFSA waren ‐ im Gutachten von 2004 und, auf die Erklärung der EMA von 2007 hin, in der Erklärung vom März 2007 ‐, „jegliches Missverständnis ausschließen“. In dem Mandat verlangte die Kommission von der EFSA erstens, ein konsolidiertes wissenschaftliches Gutachten unter Berücksichtigung früherer Gutachten und Erklärungen zu erstellen mit Angabe der Gründe, auf denen die Schlussfolgerungen der EFSA beruhten, und zweitens, anzugeben, welche Auswirkungen dieses neue Gutachten auf die früheren Bewertungen haben könnte, die die EFSA bei genetisch veränderten Pflanzen mit ARMG gemacht habe. Die Kommission forderte die EFSA ausdrücklich auf, mit der EMA eng zusammenzuarbeiten, und fügte diesem neuen Mandat die Schreiben einer NRO und der dänischen Regierung bei.

35

Mit Klageschrift, die am 24. Juli 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, reichten BASF, die Plant Science Sweden AB, die Amylogene HB und die BASF Plant Science Holding GmbH eine Untätigkeitsklage gegen die Kommission ein, um feststellen zu lassen, dass diese dadurch, dass sie es unterlassen hat, einen Beschluss über die Anmeldung betreffend das Inverkehrbringen der genetisch veränderten Kartoffel Amflora zu erlassen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 und Art. 5 des Beschlusses 1999/468 verstoßen hat.

36

Am 11. bzw. am 26. März 2009 erließen das GVO-Gremium und das wissenschaftliche Gremium der EFSA für biologische Gefahren (im Folgenden: BIOHAZ-Gremium) auf das erste Ersuchen der Kommission hin eine Gemeinsame Stellungnahme mit dem Titel „Verwendung von Antibiotikaresistenzgenen als Markergene in genetisch veränderten Pflanzen“ (EFSA-Anfragen Q-2008-411 und Q‑2008-706, The EFSA Journal [2009] 1034, 1-82, im Folgenden: Gemeinsame Stellungnahme von 2009). Die EFSA räumte zwar ein, dass die Antibiotika Kanamycin und Neomycin von überaus großer therapeutischer Bedeutung seien, verwies jedoch insbesondere darauf, dass der Nachweis für einen horizontalen Transfer von ARMG genetisch veränderter Pflanzen auf in der Umwelt enthaltene Bakterien nicht nachgewiesen sei. Sie kam zu dem Ergebnis, dass nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand ‐ trotz der Ungewissheiten, insbesondere in Bezug auf die Probenahme, die Erkennung, die Schwierigkeit, das Ausmaß der Exposition zu schätzen, und die Unmöglichkeit, die übertragbaren Resistenzgene einer bestimmten Quelle zuzuordnen ‐ schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen oder auf die Umwelt infolge der Verwendung genetisch veränderter Pflanzen und des Transfers des ARMG nptII von diesen Pflanzen auf Bakterien unwahrscheinlich seien.

37

Zwei Mitglieder des BIOHAZ-Gremiums vertraten jedoch eine Minderheitsauffassung, insbesondere im Hinblick auf die wissenschaftlichen Ungewissheiten im Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit eines horizontalen Transfers des nptII-Gens auf Bakterien. Die Vertreter dieser Auffassungen schlugen im Wesentlichen vor, festzustellen, dass es unklug wäre, eine Antibiotikaresistenz als belanglos oder als von geringfügiger Bedeutung zu bezeichnen, und dass es allgemein nicht möglich sei, bei einem etwaigen Transfer die schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen und die Umwelt einzuschätzen.

38

Am 25. März 2009 erließ das GVO-Gremium auf das zweite Ersuchen der Kommission hin eine Stellungnahme mit dem Titel „Auswirkungen der Stellungnahme zur Verwendung von Antibiotikaresistenzgenen als Markergene in genetisch veränderten Pflanzen auf frühere von der EFSA durchgeführte Bewertungen einzelner (genetisch veränderter) Pflanzen“ (EFSA-Anfrage Q-2008-04977, The EFSA Journal [2009] 1035, 1-9), in der sie im Ergebnis feststellte, dass keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlägen, die ihr Anlass zu einer Änderung ihres früheren Gutachtens gäben.

39

Am 28. April 2009 fragte die Leiterin der EFSA die Vorsitzenden des GVO-Gremiums und des BIOHAZ-Gremiums sowie der Gemeinsamen Arbeitsgruppe, ob aufgrund der beiden Minderheitsauffassungen zusätzliche wissenschaftliche Arbeiten erforderlich seien. Am 25. Mai 2009 antworteten die genannten Vorsitzenden, dass der Inhalt der beiden Minderheitsauffassungen bei der Erstellung der Gemeinsamen Stellungnahme von 2009 weitgehend berücksichtigt worden sei, so dass die Gemeinsame Stellungnahme von 2009 in wissenschaftlicher Hinsicht weder ergänzender Erläuterungen noch zusätzlicher wissenschaftlicher Arbeiten bedürfe.

40

Am 11. Juni 2009 nahm die EFSA ein konsolidiertes wissenschaftliches Gutachten an, bestehend aus der Gemeinsamen Stellungnahme von 2009, der Stellungnahme vom 25. März 2009, dem Schreiben vom 28. April 2009 und dem Schreiben vom 25. Mai 2009 (EFSA-Anfragen Q‑2009-00589 und Q-2009-00593, The EFSA Journal [2009] 1108, 1-8, im Folgenden: Konsolidiertes Gutachten von 2009).

41

Nach diesem konsolidierten wissenschaftlichen Gutachten wurden die zuständigen Regelungsausschüsse von der Kommission mit keinen neuen Projekten für den Erlass von Zulassungsbeschlüssen befasst.

Zulassungsbeschlüsse

42

Am 2. März 2010 erließ die Kommission gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/18 den Beschluss 2010/135/EU über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten Kartoffelerzeugnisses (Solanum tuberosum L. Linie EH92-527-1) mit erhöhtem Amylopectingehalt in der Stärke gemäß der Richtlinie 2001/18 (ABl. L 53, S. 11). Dieser Beschluss erlaubt im Wesentlichen das Inverkehrbringen der Amflora-Kartoffel zum Zweck ihres Anbaus und zur Produktion von Stärke zu industriellen Zwecken.

43

Die Erwägungsgründe 11 und 12 des Beschlusses 2010/135 lauten:

„(11)

Am 14. Mai 2008 ersuchte die Kommission die EFSA um Folgendes: i) ein konsolidiertes wissenschaftliches Gutachten zu erstellen, wobei sie das frühere Gutachten und die Stellungnahme über die Verwendung von ARMG in genetisch veränderten Pflanzen berücksichtigen sollte, die in Verkehr gebracht werden sollen oder bereits in Verkehr gebracht werden dürfen, sowie ihre Verwendung für Einfuhr, Verarbeitung und Anbau in Betracht ziehen sollte; ii) die Auswirkungen zu erläutern, die dieses konsolidierte Gutachten auf die früheren Bewertungen der EFSA zu einzelnen GVO mit ARMG haben könnte. Im Rahmen des Ersuchens wurde die EFSA u. a. auf Schreiben von Dänemark und [einer NRO] an die Kommission hingewiesen.

(12)

Am 11. Juni 2009 veröffentlichte die EFSA eine Stellungnahme über die Verwendung von ARMG in genetisch veränderten Pflanzen und kam darin zu dem Schluss, dass die frühere Bewertung der EFSA zu Solanum tuberosum L. Linie EH92-527-1 mit der in der Stellungnahme dargelegten Risikobewertungsstrategie übereinstimmt und dass keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, die die EFSA zu einer Änderung ihres früheren Gutachtens veranlassen würden.“

44

Art. 1 („Zustimmung“) des Beschlusses 2010/135 sieht vor:

„Unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften der [Union], insbesondere der Verordnung … Nr. 1829/2003, erteilt die zuständige Behörde Schwedens gemäß dem vorliegenden Beschluss die schriftliche Zustimmung zum Inverkehrbringen des in Artikel 2 genannten Erzeugnisses, das das Unternehmen BASF Plant Science angemeldet hat (Aktenzeichen C/SE/96/3501).

Gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Richtlinie 2001/18/EG enthält die Zustimmung ausdrücklich die Bedingungen für deren Erteilung gemäß den Artikeln 3 und 4 des vorliegenden Beschlusses.“

45

Art. 2 („Erzeugnis“) Abs. 1 des Beschlusses 2001/135 lautet:

„Bei den [GVO], die als Erzeugnisse oder in Erzeugnissen in Verkehr gebracht werden sollen, nachstehend ‚Erzeugnis‘ genannt, handelt es sich um Kartoffeln/Erdäpfel[1 – Österreichischer Ausdruck gemäß Protokoll Nr. 10 zur Beitrittsakte 1994.] (Solanum tuberosum L.), die zur Erzielung eines erhöhten Amylopectingehalts in der Stärke mittels Agrobacterium tumefaciens unter Verwendung des Vektors pHoxwG die Linie EH92-527-1 ergaben. Das Erzeugnis enthält folgende DNS-Sequenzen in zwei Genkassetten:

a)

… Ein von Tn5 stammendes nptII-Gen, das die Resistenz gegen Kanamycin verleiht …;

b)

… Ein Segment des gbss-Gens der Kartoffel/des Erdapfels, das an Körner gebundenes Stärkesynthase-Protein kodiert …“

46

Art. 3 des Beschlusses 2010/135 bestimmt im Rahmen der Zustimmungsbedingungen u. a., dass die Geltungsdauer der Zustimmung ab dem Zeitpunkt ihrer Erteilung zehn Jahre beträgt, dass der Zustimmungsinhaber dafür Sorge trägt, dass die Knollen der Amflora-Kartoffel bei Anpflanzung, Anbau, Ernte, Transport, Lagerung und Handhabung in der Umwelt von Kartoffeln/Erdäpfeln räumlich getrennt sind, die zur Verwendung als Lebensmittel oder Futtermittel bestimmt sind, und ausschließlich an ausgewiesene Stärkeherstellungsbetriebe geliefert werden, die bei der zuständigen einzelstaatlichen Behörde für die Herstellung industrieller Stärke in einem geschlossenen System … angemeldet sind.

47

Art. 4 des Beschlusses 2010/135 sieht u. a. vor, dass der Zustimmungsinhaber während der gesamten Geltungsdauer der Zustimmung sicherstellt, dass der Plan zur Überwachung auf etwaige schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf die Umwelt durch die Handhabung oder die Verwendung des Erzeugnisses vorgelegt und umgesetzt wird. Dieser Überwachungsplan umfasst die spezifische und die allgemeine Überwachung sowie ein Identitätssicherungssystem.

48

Gemäß Art. 5 des Beschlusses 2010/135 ist dieser Beschluss an das Königreich Schweden gerichtet.

49

Am 2. März 2010 nahm die Kommission gestützt auf Art. 7 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1829/2003 auch den Beschluss 2010/136 über die Zulassung des Inverkehrbringens von Futtermitteln, die aus der genetisch veränderten Kartoffelsorte EH92‑527‑1 (BPS‑25271‑9) gewonnen werden, und des zufälligen oder technisch nicht zu vermeidenden Vorhandenseins dieser Kartoffelsorte in Lebensmitteln und Futtermitteln gemäß der [Verordnung Nr. 1829/2003] (ABl. L 53, S. 15) an. Dieser Beschluss erlaubt im Wesentlichen das Inverkehrbringen von Futtermitteln, die aus der Amflora-Kartoffel gewonnen werden, und das zufällige Vorhandensein von Spuren dieser Kartoffelsorte in Lebensmitteln und Futtermitteln.

50

Die Erwägungsgründe 7 und 8 des Beschlusses 2010/136 stimmen mit den Erwägungsgründen 11 und 12 des Beschlusses 2010/135 (siehe oben, Randnr. 43) wörtlich überein.

51

Art. 2 („Zulassung“) des Beschlusses 2010/136 sieht vor:

„Folgende Erzeugnisse werden für die Zwecke von Artikel 4 Absatz 2 und Artikel 16 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 gemäß den in diesem Beschluss aufgeführten Bedingungen zugelassen:

a)

Futtermittel, die aus der Kartoffelsorte [Amflora] gewonnen werden.

b)

Lebensmittel, die die Kartoffelsorte [Amflora] enthalten, aus dieser bestehen oder aus dieser gewonnen werden, mit einem zufälligen oder technisch nicht zu vermeidenden Vorhandensein dieses GVO, das nicht mehr ausmacht als 0,9 % der einzelnen Lebensmittelzutaten oder des Lebensmittels, wenn dieses aus einer einzigen Zutat besteht.

c)

Futtermittel, die die Kartoffelsorte [Amflora] enthalten oder aus dieser bestehen, mit einem zufälligen oder technisch nicht zu vermeidenden Vorhandensein dieses GVO, das nicht mehr ausmacht als 0,9 % des Futtermittels und der Futtermittelbestandteile, aus denen es zusammengesetzt ist.“

52

Zulassungsinhaber ist gemäß Art. 6 des Beschlusses 2010/136 die BASF Plant Science GmbH, Deutschland.

53

Die Erste Kammer des Gerichts, in anderer Besetzung als in der vorliegenden Rechtssache, erließ zu den von der Kommission am 9. Juni 2010 angenommenen Beschlüssen 2010/135 und 2010/136 einen Beschluss (Beschluss des Gerichts vom 9. Juni 2010, BASF Plant Science u. a./Kommission, T‑293/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), wonach der Rechtsstreit über die gegen die Kommission erhobene Untätigkeitsklage in der Hauptsache erledigt ist.

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

54

Mit Klageschrift, die am 27. Mai 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Ungarn die vorliegende Klage erhoben.

55

Mit Schriftsätzen, die am 21., am 14., am 3. bzw. am 21. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Österreich und die Republik Polen beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge Ungarns zugelassen zu werden.

56

Mit Beschluss vom 8. November 2010 hat der Präsident der Siebten Kammer des Gerichts die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Österreich und die Republik Polen als Streithelfer zugelassen.

57

Am 24. Januar 2011 haben die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Österreich und die Republik Polen ihre Streithilfeschriftsätze eingereicht.

58

Am 2. Mai 2011 hat die Kommission ihre Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen eingereicht.

59

Am 24. Mai 2012 hat die Kanzlei des Gerichts die Parteien davon in Kenntnis gesetzt, dass die vorliegende Rechtssache infolge einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern der Ersten Kammer des Gerichts zugewiesen worden ist.

60

Am 7. Dezember 2012 hat die Kanzlei des Gerichts den Verfahrensbeteiligten den Beschluss des Gerichts mitgeteilt, die vorliegende Rechtssache der Ersten erweiterten Kammer des Gerichts zuzuweisen. Am selben Tag hat die Kanzlei des Gerichts die Parteien im Wege verfahrensleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts aufgefordert, eine Reihe von Unterlagen vorzulegen und schriftliche Fragen zu beantworten. Die Parteien haben innerhalb der gesetzten Fristen diese Unterlagen vorgelegt und auf die Fragen geantwortet.

61

Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste erweiterte Kammer) am 4. März 2013 beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

62

Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 18. April 2013 mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet. Insbesondere sind sie vom Gericht zum Ablauf des Verfahrens befragt worden, das im Anschluss an die Annahme des Konsolidierten Gutachtens von 2009 durch die EFSA zur Annahme der Beschlüsse 2010/135 und 2010/136 (im Folgenden zusammenfassend: angefochtene Beschlüsse) geführt hatte, und zur Einhaltung wesentlicher Formvorschriften durch die Kommission im Rahmen dieses Verfahrens. Bei derselben Gelegenheit hat das Gericht die Kommission zusätzlich aufgefordert, Unterlagen zu den Schreiben vorzulegen, die sie dem Gericht in der Rechtssache, die zum Beschluss BASF Plant Science u. a./Kommission (siehe oben, Randnr. 53) führte, vorgelegt hatte. Daraufhin ist die Kommission dieser Aufforderung nachgekommen; die anderen Beteiligten haben sich zu den vorgelegten Unterlagen nicht geäußert.

63

Da der Kammerpräsident nach Ablauf seiner Amtszeit am 16. September 2013 daran gehindert war, an der Beratung teilzunehmen, hat gemäß Art. 32 der Verfahrensordnung der in der Rangordnung im Sinne von Art. 6 der Verfahrensordnung niedrigste Richter an der Beratung nicht teilgenommen. Die Beratungen des Gerichts sind von den drei Richtern fortgesetzt worden, die das vorliegende Urteil unterzeichnet haben, und der in der Rangordnung im Sinne der letztgenannten Vorschrift höchste Richter hat die Aufgaben des Kammerpräsidenten wahrgenommen.

64

Ungarn, unterstützt, hinsichtlich der Haupt‑ und Hilfsanträge, durch das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Österreich und die Republik Polen sowie, hinsichtlich der Hilfsanträge, durch die Französische Republik, beantragt,

die angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären;

hilfsweise, falls der Antrag auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2010/136 zurückgewiesen wird, Art. 2 Buchst. b und c dieses Beschlusses für nichtig zu erklären;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

65

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

Ungarn die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

66

Ungarn stützt seine Klage auf zwei Gründe.

67

Erstens macht es einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, einen Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip sowie gegen Art. 4 Abs. 2 und Anhang II der Richtlinie 2001/18 geltend, da die Beschlüsse über den Genehmigungsantrag für das Inverkehrbringen von GVO auf einer fehlerhaften, inkohärenten und unvollständigen Risikobewertung beruhten.

68

Mit dem zweiten Klagegrund macht es hilfsweise geltend, Art. 2 Buchst. b und c des Beschlusses 2010/136 verstoße dadurch gegen die Verordnung Nr. 1829/2003, insbesondere deren Art. 4 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 2, dass dieser Artikel für das zufällige oder technisch nicht zu vermeidende Vorhandensein von Spuren von GVO in Lebensmitteln und Futtermitteln eine nach der genannten Verordnung nicht vorgesehene und nicht einmal zulässige Toleranzgrenze von 0,9 % festsetze.

69

Die Kommission tritt dem Vorbringen Ungarns entgegen.

70

Vorab ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Art. 263 AEUV eine Rüge zwingenden Rechts darstellt, die der Unionsrichter von Amts wegen prüfen muss (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C-367/95 P, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 67, und vom 30. März 2000, VBA/Florimex u. a., C-265/97 P, Slg. 2000, I-2061, Randnr. 114; vgl. Urteil des Gerichts vom 6. März 2003, Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, T-228/99 und T-233/99, Slg. 2003, II-435, Randnr. 143 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Gleiche gilt für die Unzuständigkeit gemäß derselben Vorschrift (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 10. Mai 1960, Deutschland/Hohe Behörde, 19/58, Slg. 1960, 483, 500, und vom 13. Juli 2000, Salzgitter/Kommission, C-210/98 P, Slg. 2000, I-5843, Randnr. 56; Urteil des Gerichts vom 28. Januar 2003, Laboratoires Servier/Kommission, T-147/00, Slg. 2003, II-85, Randnr. 45).

71

Im Übrigen muss der Unionsrichter seine Pflicht, einen Grund der öffentlichen Ordnung von Amts wegen zu berücksichtigen, im Licht des kontradiktorischen Verfahrens erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland u. a., C-89/08 P, Slg. 2009, I-11245, Randnrn. 59 und 60).

72

Im vorliegenden Fall sind die Parteien sowohl im Rahmen des schriftlichen Verfahrens als auch in der mündlichen Verhandlung aufgefordert worden, sich dazu zu äußern, ob die Kommission die wesentlichen Formvorschriften des für die Annahme der angefochtenen Beschlüsse geltenden Verfahrens beachtet hat und ob sie zum Erlass dieser Beschlüsse befugt war. Insbesondere hat das Gericht den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen zwei schriftliche Fragen folgenden Wortlauts vorgelegt:

„Die Kommission möge erläutern, weshalb sie nicht die Durchführungsmaßnahmen nach Art. 5 Abs. 6 Unterabs. 3 des Beschlusses 1999/468/EG erlassen hat, die sie dem Rat, unmittelbar nachdem sich bei diesem für die Annahme der beiden ihm von der Kommission unterbreiteten Vorschläge keine qualifizierte Mehrheit gefunden hatte, vorgeschlagen hat (vgl. 22. Erwägungsgrund des Beschlusses [2010/135] und 17. Erwägungsgrund des Beschlusses [2010/136]). Des Weiteren möge sie in diesem Zusammenhang begründen, weshalb sie, nachdem sich im Rat keine qualifizierte Mehrheit gefunden hatte, es für zweckmäßig hielt, die EFSA erneut zu konsultieren, was im Wesentlichen der Frage entspricht, die im Rahmen der Untätigkeitsklage BASF Plant Science GmbH u. a./Kommission (T‑293/08) erörtert wurde.“

„Aus den Akten ergibt sich nicht, ob die Kommission infolge des im elften Erwägungsgrund des Beschlusses 2010/135/EU und im siebten Erwägungsgrund des Beschlusses 2010/136/EU erwähnten Konsolidierten Gutachtens der EFSA vom 11. Juni 2009 a) den nach Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG eingesetzten Ausschuss und den nach Art. 58 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eingesetzten (und in Art. 35 Abs. 1 der Verordnung [EG] Nr. 1829/2003 erwähnten) Ausschuss erneut konsultiert hat und b) dem Rat unter Einbeziehung sowohl der Erwägungsgründe 11 und 12 des Beschlusses 2010/135/EU als auch der Erwägungsgründe 7 und 8 des Beschlusses 2010/136/EU geänderte Vorschläge unterbreitet hat. Falls das nicht der Fall ist, werden die Parteien aufgefordert, anzugeben, 1. ob die unterlassene Vorlage eines geänderten Vorschlags an den zuständigen Ausschuss und an den Rat einen Verstoß gegen eine wesentliche Formvorschrift darstellt, und 2. ob die Kommission, nachdem sie von der EFSA neue wissenschaftliche Erkenntnisse erlangt hatte, die sie dem Rat nicht mitgeteilt hatte, befugt war, namentlich im Hinblick auf die Bestimmungen des Art. 5 Abs. 6 des Beschlusses 1999/468/EG, die angefochtenen Beschlüsse am 2. März 2010 anzunehmen.“

73

Die Kommission ist der Aufforderung des Gerichts nachgekommen und hat auf diese zwei Fragen geantwortet. Ungarn hat das gleiche hinsichtlich der zweiten Frage getan, während sich die Streithelfer hierzu nicht geäußert haben.

Zur Einhaltung wesentlicher Formvorschriften des Regelungsverfahrens

74

Die Kommission ist der Ansicht, sie habe im Rahmen der Verfahren zur Erarbeitung und zur Annahme der angefochtenen Beschlüsse keinen Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften begangen. Sie habe sowohl beim Beschluss 2010/135 als auch beim Beschluss 2010/136 das nach Art. 5 des Beschlusses 1999/468 vorgesehene Regelungsverfahren eingehalten, indem sie den Ausschüssen und anschließend, nachdem diese keine Stellungnahmen abgegeben hätten, dem Rat die ersten Entwürfe von Zulassungsbeschlüssen unterbreitet habe. Sie sei in diesem Zusammenhang nicht verpflichtet gewesen, den genannten Ausschüssen die geänderten Entwürfe von Zulassungsbeschlüssen erneut vorzulegen, weil erstens der normative Teil der ersten geänderten Entwürfe identisch gewesen sei, zweitens die geänderten Entwürfe keine inhaltlichen Änderungen enthalten hätten und drittens sie die beiden Zulassungsbeschlüsse, nachdem der Rat zu den vorgeschlagenen Maßnahmen keine Stellungnahme abgegeben habe, unverzüglich angenommen habe.

75

Ungarn tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

Zum Sachverhalt

76

Erstens ist festzustellen, dass die Kommission, nachdem sie die Gutachten der EFSA von 2005 erhalten hatte (siehe oben, Randnr. 24), den zuständigen Regelungsausschüssen die ersten Entwürfe von Zulassungsbeschlüssen übermittelt hat (siehe oben, Randnrn. 25 und 30). Da diese Ausschüsse keine Stellungnahme abgaben, unterbreitete sie dem Rat die ursprünglichen Vorschläge für Zulassungsbeschlüsse (siehe oben, Randnrn. 29 und 30).

77

Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen, obwohl sich für diese im Rat keine qualifizierte Mehrheit gefunden hatte, nicht ergriffen hat. Nachdem sie nämlich zwischenzeitlich Schreiben einer NRO und der dänischen Regierung erhalten hatte, in denen geltend gemacht wurde, dass zwischen den wissenschaftlichen Gutachten der EFSA, auf denen die genannten Maßnahmen beruhten (siehe oben, Randnrn. 31 und 33), einige Unstimmigkeiten bestünden, entschloss sich die Kommission stattdessen, die EFSA mit Mandat vom 14. Mai 2008 (siehe oben, Randnr. 34) erneut zu konsultieren. Am 11. Juni 2009 gab die EFSA ihr konsolidiertes Gutachten ab, das die Gemeinsame Stellungnahme des GVO-Gremiums vom 11. März 2009 und die des BIOHAZ-Gremiums vom 26. März 2009 sowie die Schlussfolgerungen in Bezug auf die Unwahrscheinlichkeit schädlicher Auswirkungen des nptII-Gens zusammen mit den Minderheitsauffassungen zweier Mitglieder des BIOHAZ-Gremiums enthielt (siehe oben, Randnrn. 36 bis 40). Es steht fest, dass dieses konsolidierte Gutachten nicht den Regelungsausschüssen übermittelt wurde, die vorher mit den ersten Entwürfen befasst waren, und dass diesen Ausschüssen kein neuer Entwurf für einen Antrag auf Genehmigung des Inverkehrbringens der Amflora-Kartoffel vorgelegt wurde.

78

Drittens ist festzustellen, dass die Kommission die angefochtenen Beschlüsse am 2. März 2010 angenommen hat (siehe oben, Randnrn. 42 und 49). Der verfügende Teil dieser Beschlüsse ist eine vollständige Wiedergabe, ohne jeden Zusatz, der Artikel, die den Regelungsausschüssen und dem Rat in den Entwürfen und Vorschlägen für Zulassungsbeschlüsse ursprünglich übermittelt worden waren (im Folgenden: vorherige Entwürfe und Vorschläge), und in der jeweiligen Begründung dieser Artikel werden die Erwägungsgründe der vorherigen Entwürfe und Vorschläge ebenfalls umfassend wiedergegeben. Allerdings weichen diese Beschlüsse von den vorherigen Entwürfen und Vorschlägen insofern ab, als ihre Präambeln neue Erwägungsgründe in Bezug auf das Mandat, das die Kommission der EFSA am 14. Mai 2008 erteilt hatte, und die Schlussfolgerungen des Konsolidierten Gutachtens der EFSA vom 11. Juni 2009 enthalten. Es handelt sich um die Erwägungsgründe 11 und 12 des Beschlusses 2010/135 sowie die Erwägungsgründe 7 und 8 des Beschlusses 2010/136, deren Wortlaut identisch ist (siehe oben, Randnrn. 43 und 50, im Folgenden: zusätzliche Erwägungsgründe).

79

Unter diesen Gesichtspunkten ist zu prüfen, ob die Kommission die Verfahrensvorschriften für die Annahme der angefochtenen Beschlüsse eingehalten hat.

Zur Einhaltung der Verpflichtung, die geänderten Entwürfe der angefochtenen Beschlüsse den zuständigen Regelungsausschüssen vorzulegen

80

Es steht fest, dass die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen nach dem in Art. 5 des Beschlusses 1999/468 festgelegten Regelungsverfahren anzunehmen waren. Nach diesem Verfahren ist die Kommission verpflichtet, dem zuständigen Regelungsausschuss einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen zu unterbreiten. Liegt keine mit qualifizierter Mehrheit angenommene Stellungnahme des Ausschusses vor, so hat die Kommission dem Rat unverzüglich einen Vorschlag für die zu treffenden Maßnahmen zu unterbreiten.

81

Außerdem ist festzustellen, dass die Kommission den zuständigen Regelungsausschüssen vor Annahme der Beschlüsse 2010/135 und 2010/136 nicht die geänderten Entwürfe dieser Beschlüsse zusammen mit dem Konsolidierten Gutachten von 2009 und den Minderheitsauffassungen vorgelegt hat.

82

Der verfügende Teil der angefochtenen Beschlüsse stimmt zwar mit dem überein, der in den den zuständigen Ausschüssen und dem Rat ursprünglich vorgelegten Entwürfen vorgesehen war, doch gilt dies nicht für die von der Kommission für den Erlass dieser Beschlüsse gewählte wissenschaftliche Grundlage, die Teil der Begründung der genannten Beschlüsse ist.

83

Daher ist festzustellen, dass die Kommission von dem nach Art. 5 des Beschlusses 1999/468, insbesondere nach Abs. 2 dieser Vorschrift, vorgeschriebenen Regelungsverfahren abgewichen ist, indem sie die EFSA infolge der Erklärungen einer NRO und der dänischen Regierung zur Erstellung eines konsolidierten Gutachtens aufgefordert und die angefochtenen Beschlüsse insbesondere auf dieses Gutachten gestützt hat, ohne den zuständigen Ausschüssen Gelegenheit zu geben, zu dem Gutachten und zu den im Hinblick auf ihre Begründung geänderten Entwürfen von Beschlüssen Stellung zu nehmen.

84

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung die Nichtbeachtung einer Verfahrensvorschrift insbesondere dann einen Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften darstellt, wenn das Verfahren oder der Inhalt des erlassenen Rechtsakts bei Einhaltung dieser Vorschrift wesentlich anders hätte ausfallen können (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom10. Juli 1980, Distillers Company/Kommission, 30/78, Slg. 1980, 2229, Randnr. 26, vom 29. Oktober 1980, van Landewyck u. a./Kommission, 209/78 bis 215/78 und 218/78, Slg. 1980, 3125, Randnr. 47, und vom 23. April 1986, Bernardi/Parlament, 150/84, Slg. 1986, 1375, Randnr. 28).

85

Im vorliegenden Fall fielen die Abstimmungen in den Ausschüssen über die vorherigen Entwürfe sehr unterschiedlich aus (siehe oben, Randnrn. 25 und 30), und die Schlussfolgerungen im Konsolidierten Gutachten der EFSA von 2009 brachten noch mehr Unsicherheit zum Ausdruck als die vorherigen Gutachten der EFSA, insbesondere die Erklärung der EFSA von 2007, und ihnen waren Anhänge über Minderheitsauffassungen beigefügt (siehe oben, Randnrn. 28, 36 und 37). Unter allen diesen Gesichtspunkten war daher nicht auszuschließen, dass die Ausschussmitglieder ihren Standpunkt ändern und zu einer qualifizierten Mehrheit für oder gegen die Entwürfe von Maßnahmen gelangen würden. Außerdem wäre die Kommission gemäß Art. 5 Abs. 4 des Beschlusses 1999/468 im Fall einer ablehnenden oder einer fehlenden Stellungnahme verpflichtet gewesen, die vorgeschlagenen Maßnahmen unverzüglich dem Rat zu unterbreiten, der sie mit qualifizierter Mehrheit binnen drei Monaten hätte annehmen oder förmlich ablehnen können. Erst nach Abschluss dieses Verfahrens und bei Fehlen einer qualifizierten Mehrheit im Rat hätte die Kommission die vorgeschlagenen streitigen Maßnahmen annehmen können. Demzufolge ist festzustellen, dass das Ergebnis des Verfahrens oder der Inhalt der angefochtenen Beschlüsse wesentlich anders hätte ausfallen können, wenn die Kommission das nach Art. 5 des Beschlusses 1999/468 vorgesehene Verfahren eingehalten hätte.

86

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Regelungsverfahren gemäß Art. 202 dritter Gedankenstrich EG eine Durchführungsbefugnis der Kommission regelt, die ihr vom Rat in dem von ihm erlassenen Basisrechtsakt übertragen wurde. Es trägt somit zum institutionellen Gleichgewicht innerhalb der Union bei, insbesondere zwischen den Befugnissen des Rates und des Parlaments auf der einen und denen der Kommission auf der anderen Seite. Wird dieses Verfahren von der Kommission nicht beachtet, so kann dies das institutionelle Gleichgewicht innerhalb der Union beeinträchtigen.

87

Die Kommission hat daher, als sie die angefochtenen Beschlüsse annahm, ohne die geänderten Entwürfe dieser Zulassungsbeschlüsse den zuständigen Regelungsausschüssen vorzulegen, gegen die ihr obliegenden verfahrensrechtlichen Verpflichtungen nach Art. 5 des Beschlusses 1999/468 sowie der Richtlinie 2001/18 und der Verordnung Nr. 1829/2003, in denen auf den genannten Beschluss Bezug genommen wird, verstoßen. Gleichzeitig hat sie mit den in Rede stehenden Beschlüssen gegen wesentliche Formvorschriften im Sinne von Art. 263 Abs. 2 AEUV verstoßen, die das Gericht von Amts wegen berücksichtigen muss. Deshalb sind diese Beschlüsse gemäß Art. 264 Abs. 1 AEUV insgesamt nichtig.

Zur Übereinstimmung oder der fehlenden inhaltlichen Änderung der angefochtenen Beschlüsse gegenüber den vorherigen Entwürfen

88

Die vorstehenden Feststellungen können durch das Vorbringen der Kommission nicht entkräftet werden.

89

Erstens macht die Kommission geltend, die angefochtenen Beschlüsse stimmten mit den vorherigen Entwürfen und Vorschlägen insofern überein, als ihre normativen Teile identisch seien. Die Präambeln dieser Beschlüsse seien demgegenüber jedoch nicht Teil der durch diese Beschlüsse erlassenen „Maßnahmen“ im Sinne von Art. 5 des Beschlusses 1999/468.

90

Dazu genügt die Feststellung, dass dieses Vorbringen der Kommission der ständigen Rechtsprechung zuwiderläuft, wonach der verfügende Teil eines Rechtsakts unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen ist, die zu seinem Erlass geführt haben, und nicht von seiner Begründung getrennt werden kann, da sie ein Ganzes darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 26. April 1988, Asteris u. a./Kommission, 97/86, 99/86, 193/86 und 215/86, Slg. 1988, 2181, Randnr. 27, und vom15. Mai 1997, TWD/Kommission, C-355/95 P, Slg. 1997, I-2549, Randnr. 21; vgl. Urteil des Gerichts vom 7. Oktober 1999, Irish Sugar/Kommission, T-228/97, Slg. 1999, II-2969, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91

Entgegen dem damit zusammenhängenden Vorbringen der Kommission, wonach die wissenschaftlichen Gutachten der EFSA, insbesondere das vom 11. Juni 2009, nicht zur Begründung der angefochtenen Beschlüsse gehörten, ist festzustellen, dass die Kommission dadurch, dass sie ihre Beschlüsse auf die Stellungnahmen einer wissenschaftlichen Behörde stützt, den Tenor dieser Stellungnahmen in die zur Annahme dieser Beschlüsse führende Beurteilung und in die Begründung dieser Beschlüsse einfließen lässt. Da die Kommission in den genannten Beschlüssen angibt, sich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse in den Gutachten der EFSA von 2005 und 2009 zu stützen, ohne das Gutachten der EFSA von 2004 zu erwähnen, und in einigen Erwägungsgründen auf diese Erkenntnisse verweist, stellt der Inhalt dieser Gutachten einen Bestandteil der Begründung dieser Beschlüsse dar (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichts vom 18. Dezember 2003, Fern Olivieri/Kommission und EMEA, T-326/99, Slg. 2003, II-6053, Randnr. 55).

92

Somit stellt in den Entwürfen der angefochtenen Beschlüsse das Hinzufügen von Erwägungsgründen, in denen als wissenschaftliche Grundlage auf ein neues EFSA-Gutachten verwiesen wird, eine Änderung dar, die jegliche Behauptung, dass die in Rede stehenden Beschlüsse mit den vorherigen Entwürfen und Vorschlägen übereinstimmten, widerlegt.

93

Zweitens macht die Kommission geltend, das Hinzufügen zusätzlicher Erwägungsgründe in die geänderten Entwürfe stelle keine inhaltliche Änderung dar, sondern diene lediglich dazu, die Begründung der angefochtenen Beschlüsse unter Hinweis auf das Konsolidierte Gutachten der EFSA von 2009 zu untermauern. Dieses Gutachten bestätige nämlich die früheren Gutachten der EFSA, in denen diese im Wesentlichen festgestellt habe, dass das nptII-Gen unbedenklich sei.

94

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der im Mai 2008 eingeleitete neue Konsultationsprozess mit der EFSA nach dem eigenen Vorbringen der Kommission „teilweise darauf zurückzuführen [war], dass in dem Schreiben [einer NRO] von Februar 2008 und dem Schreiben [der] dänischen Minister… [für Ernährung und] für Landwirtschaft sowie für Umwelt von März 2008 Zweifel geäußert wurden“ und dass insofern wissenschaftliche Ungewissheiten bestanden hätten. Diese Zweifel bezogen sich auf die Unstimmigkeiten zwischen den spezifischen Gutachten der EFSA zur Amflora-Kartoffel und dem allgemeinen Gutachten der EFSA von 2004 über ARMG in Verbindung mit der Erklärung der EMA von 2007 über die therapeutische Bedeutung von Antibiotika, gegen die das nptII-Gen resistent ist.

95

Daraus folgt, dass das Hinzufügen zusätzlicher Erwägungsgründe nicht nur dazu diente, die Begründung der angefochtenen Beschlüsse zu untermauern, sondern auch dazu, im Einklang mit dem neuen Mandat, das die Kommission der EFSA am 14. Mai 2008 erteilt hatte, einige Unstimmigkeiten zwischen den früheren Gutachten zu klären und die bestehende wissenschaftliche Ungewissheit zu verringern, und zwar durch den Versuch, auf die in den Schreiben einer NRO und der dänischen Minister geäußerten inhaltlichen Einwände einzugehen. Es ist festzustellen, dass die begründete oder nicht begründete Antwort der EFSA auf derartige inhaltliche Einwände einen wesentlichen Bestandteil der Begründung der in Rede stehenden Beschlüsse darstellt, die eine inhaltliche Änderung des Rechtsakts und seines Regelungsgehalts bewirkt.

96

Außerdem ist dem Vorbringen der Kommission, wonach das Konsolidierte Gutachten der EFSA vom 11. Juni 2009 lediglich die in den früheren Gutachten der EFSA genannten Risikobewertungen (die auch in den vorherigen Entwürfen und Vorschlägen für Zulassungsbeschlüsse der Kommission bei ihrer Vorlage an die Ausschüsse und den Rat erwähnt worden seien) bestätigt und im Ergebnis ebenfalls festgestellt habe, dass das nptII-Gen unbedenklich sei, entgegenzuhalten, dass das genannte Gutachten eine neue sachliche Prüfung darstellt und nicht bloß eine formale Bestätigung der in den EFSA-Gutachten von 2004 und 2005 sowie in der Erklärung der EFSA von 2007 enthaltenen Risikobewertungen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des der EFSA erteilten neuen Mandats als auch aus den großen Unterschieden zwischen dem neuen und den früheren EFSA-Gutachten.

97

Zum einen ist dem Wortlaut des der EFSA von der Kommission am 14. Mai 2008 erteilten neuen Mandats, das im elften Erwägungsgrund des Beschlusses 2010/135 und im siebten Erwägungsgrund des Beschlusses 2010/136 erwähnt wird, zu entnehmen, dass das bei der EFSA angefragte neue Gutachten nicht bloß einer Bestätigung dienen konnte. Erstens oblag es der EFSA, „unter Berücksichtigung“ der früheren Gutachten und Erklärungen „die Gründe zu erläutern“ und „die Überlegungen darzulegen“, die zu diesen Schlussfolgerungen führten. Diese Formulierung zeigt, dass die Kommission die EFSA zur Vorlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse aufgefordert hat und dass diese ihre Begründung unter Berücksichtigung der früheren Gutachten und Erklärungen erläutern und ergänzen, d. h. ihre Schlussfolgerungen ändern sollte. Die Notwendigkeit für die EFSA, ihre früheren wissenschaftlichen Analysen zu überprüfen, kam im Übrigen auch durch die in der Folge für die Erstellung des Konsolidierten Gutachtens von der EFSA erbetene und von der Kommission akzeptierte sechsmonatige Fristverlängerung gegenüber dem ursprünglichen Mandat zum Ausdruck. Zweitens war es Sache der EFSA, anzugeben, welche Auswirkungen dieses neue Gutachten auf die früheren Bewertungen haben könnte, die sie in Bezug auf einzelne genetisch veränderte Pflanzen mit ARMG gemacht hatte. Daran zeigt sich auch, dass die Kommission von der EFSA, in enger Zusammenarbeit mit der EMA, eine überarbeitete wissenschaftliche Analyse erwartete, die für die Bewertung anderer GVO neue Konsequenzen haben könnte. Drittens hatte die Kommission als Anlage die Schreiben einer NRO und der dänischen Regierung beigefügt. Das spricht dafür, dass es Aufgabe der EFSA war, die in diesen Schreiben beanstandeten Unstimmigkeiten zu klären.

98

Zum anderen ist auf drei große Unterschiede zwischen dem im elften Erwägungsgrund des Beschlusses 2010/135 und im siebten Erwägungsgrund des Beschlusses 2010/136 erwähnten Konsolidierten Gutachten der EFSA von 2009 und den früheren Gutachten der EFSA hinzuweisen, ohne dass die Richtigkeit der in diesen Gutachten jeweils vorgenommenen Risikobewertungen geprüft zu werden braucht. Im vorliegenden Fall beziehen sich diese Unterschiede auf den Verfasser der wissenschaftlichen Gutachten, auf denen jeweils die geänderten früheren Entwürfe von Zulassungsbeschlüssen beruhen, auf den Inhalt der in diesen Gutachten gezogenen Schlussfolgerungen und auf das Vorhandensein von Minderheitsauffassungen im Rahmen der genannten Gutachten. Erstens stehen hinter dem Konsolidierten Gutachten der EFSA von 2009, verglichen mit den Gutachten und Erklärungen von 2004, 2005 und 2007, die allein vom GVO-Gremium erstellt wurden, weitere Verfasser, denn es stammt auch vom BIOHAZ-Gremium und wurde gemäß dem neuen Mandat der Kommission in enger Zusammenarbeit mit der EMA erstellt. Zweitens werden in den Schlussfolgerungen im Konsolidierten Gutachten der EFSA von 2009, auf denen die geänderten Vorschläge beruhen, die wissenschaftliche Unsicherheit („nicht ganz verstanden“, „Grenzen“, „Unsicherheiten“, „unwahrscheinlich“) und die Gefahren („Anlass weltweiter Sorge“) stärker hervorgehoben als in den Schlussfolgerungen des Gutachtens der EFSA von 2005 („kein Grund, anzunehmen“, „wäre kein zusätzliches Risiko“, „kein signifikantes Risiko“, „eine Schädigung der Umwelt wurde nicht festgestellt bzw. wäre unwahrscheinlich“) und in der Erklärung der EFSA von 2007 („wird nicht beeinträchtigt“, „Wahrscheinlichkeit ist äußerst gering“, „sehr unwahrscheinlich“, „stellt kein Risiko dar“), auf denen die vorherigen Entwürfe beruhten. Drittens enthält das Konsolidierte Gutachten der EFSA von 2009 Minderheitsauffassungen zweier Mitglieder des BIOHAZ-Gremiums, die die wissenschaftliche Unsicherheit hervorheben, während das EFSA-Gutachten von 2005 und die Erklärung der EFSA von 2007 keine Minderheitsauffassungen enthalten.

99

Insofern geht das Vorbringen der Kommission, wonach das Konsolidierte Gutachten der EFSA von 2009 lediglich die früheren Gutachten der EFSA bestätige, in tatsächlicher Hinsicht fehl.

100

Im Übrigen widerspricht diese Behauptung anderen Behauptungen der Kommission, die sie im vorliegenden Verfahren in ihren Schriftsätzen sowie in dem Verfahren vorgetragen hat, das zu dem Beschluss BASF Plant Science u. a./Kommission (siehe oben, Randnr. 53) geführt hat.

101

Zum einen steht das genannte Vorbringen im Widerspruch zu Randnr. 25 der Klagebeantwortung, worin die Kommission selbst einräumt, die EFSA-Gutachten, die vor dem von 2009 erstellt wurden, seien nicht ganz klar und „unmissverständlich“ gewesen und „mit Widersprüchen behaftet“. In zahlreichen Randnummern ihrer Klagebeantwortung und ihrer Gegenerwiderung hebt die Kommission jedoch den „umfassenden“ Charakter des Konsolidierten Gutachtens der EFSA von 2009 und die „Vollständigkeit“ der darin enthaltenen Risikobewertung hervor. Deshalb ist das EFSA-Gutachten von 2009 nach Ansicht der Kommission viel mehr als eine Bestätigung der früheren Risikobewertungen, denn es sei umfassend und vollständig, während die vorherigen Gutachten missverständlich und widersprüchlich gewesen seien.

102

Zum anderen steht das genannte Vorbringen der Kommission im Widerspruch zu dem, was sie in dem Rechtsstreit, der zu dem Beschluss BASF Plant Science u. a./Kommission, T‑293/08 (siehe oben, Randnr. 53), geführt hat, in ihrer Klagebeantwortung vorgetragen hat, die den Akten des vorliegenden Rechtsstreits beigefügt worden ist. Darin verwies die Kommission zunächst auf den „Kern“ des Rechtsstreits, d. h. auf ihre „Pflichten bei Vorliegen von Informationen, die auf … Unstimmigkeiten zwischen wissenschaftlichen Gutachten hinweisen“. Danach machte sie geltend, „die EFSA ha[be] in ihrer Erklärung von 2007 das Kriterium der therapeutischen Bedeutung außer Acht gelassen, indem sie [in Abweichung von den im EFSA-Gutachten von 2004 befürworteten Kriterien] weder die Stellungnahme der [EMA] noch die der WHO berücksichtigt ha[be]“. Damit kam sie zu der Feststellung, dass „es im Grunde genommen darum geh[e], ob die Erwägungen und Gründe, die den im Gutachten von 2004 getroffenen Schlussfolgerungen zugrunde [lägen], mit der Erklärung von 2007 im Einklang [stünden]“. Schließlich berief sie sich auf ihre „das Vorsorgeprinzip betreffende Pflicht, diese Unstimmigkeiten zu klären, und [machte geltend, dass] sie hierzu die [EFSA] konsultiert“ habe, so dass ihr keinerlei Untätigkeit vorgeworfen werden könne.

103

Diesem Vorbringen der Kommission ist zu entnehmen, dass sie zumindest nach Erhalt der Schreiben einer NRO und der dänischen Regierung der Ansicht war, dass die Erklärung der EFSA von 2007, da sie gegenüber dem EFSA-Gutachten von 2004 in Verbindung mit der Erklärung der EMA von 2007 eine Unstimmigkeit aufwies, eine für die Annahme der bereits den Regelungsausschüssen und dem Rat unterbreiteten Beschlussvorschläge zu unsichere wissenschaftliche Grundlage bildete und dass sie in Anbetracht der bestehenden wissenschaftlichen Unsicherheit gemäß dem Vorsorgeprinzip erneut die EFSA konsultieren müsse, damit diese hinsichtlich der wissenschaftlichen Risikobewertung im Zusammenhang mit der Amflora-Kartoffel, insbesondere mit dem nptII-Gen, Klarstellungen vornehme.

104

Demzufolge ist das Vorbringen der Kommission, wonach die angefochtenen Beschlüsse mit den vorherigen Entwürfen und Vorschlägen übereinstimmten oder zumindest inhaltlich nicht geändert worden seien, als unbegründet zurückzuweisen.

105

Außerdem ist festzustellen, dass der dem Urteil des Gerichts vom 13. September 2006, Sinaga/Kommission (T‑217/99, T‑321/00 und T‑222/01, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 90 bis 96), zugrunde liegende Sachverhalt, auf den die Kommission verweist, um geltend zu machen, dass die in den zusätzlichen Erwägungsgründen hinzugefügte Begründung „keine inhaltliche Änderung des Rechtsakts“ (Urteil Sinaga/Kommission, Randnr. 95) bewirke, vom hier vorliegenden Sachverhalt zu unterscheiden ist. Zunächst betraf die Rechtssache, die zum letztgenannten Urteil führte, das Verwaltungsverfahren im Sinne von Art. 4 des Beschlusses 1999/468 und nicht das Regelungsverfahren im Sinne von Art. 5 dieses Beschlusses. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erlässt die Kommission Maßnahmen, die unmittelbar gelten. Stimmen diese Maßnahmen jedoch mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht überein, so werden sie sofort von der Kommission dem Rat mitgeteilt, der binnen drei Monaten einen anderen Beschluss fassen kann. Das Gleiche gilt für das Regelungsverfahren, wo die Kommission, falls die beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht übereinstimmen oder, wie im vorliegenden Fall, keine Stellungnahme vorliegt, keine Maßnahmen ergreift, sondern dem Rat unverzüglich einen Vorschlag unterbreitet. Außerdem ging es in dem Rechtsstreit, der zum Urteil Sinaga/Kommission führte, um die Phase des Verfahrens, nachdem der Ausschuss (Verwaltungsausschuss für Zucker) befasst wurde, und nicht, wie im vorliegenden Fall, um die Phase nach Befassung des Rates. Schließlich hatte der Ausschuss in dem Rechtsstreit, der zum Urteil Sinaga/Kommission führte, bevor die zusätzliche Begründung hinzugefügt wurde, die keine wesentliche Änderung des Rechtsakts bewirkte, eine „befürwortende Stellungnahme“ abgegeben und damit die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen „gebilligt“ (Urteil Sinaga/Kommission, Randnrn. 91 bis 95), im Gegensatz zum vorliegenden Rechtsstreit, wo der Ausschuss keine befürwortende Stellungnahme abgeben konnte.

106

Drittens macht die Kommission geltend, sie habe, nachdem der Rat zu den vorgeschlagenen Maßnahmen keine Stellungnahme abgegeben habe, die beiden Zulassungsbeschlüsse unverzüglich angenommen. Sie habe daher eine Frist gehabt, um ein zusätzliches wissenschaftliches Gutachten einzuholen, und Art. 5 Abs. 6 des Beschlusses 1999/468 enthalte im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 4 dieses Beschlusses nicht den Ausdruck „unverzüglich“.

107

Dazu ist zunächst festzustellen, dass der die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse beeinträchtigende Mangel nicht die Frist betrifft, die für den Erlass der genannten Beschlüsse in Anspruch genommen wurde, nachdem die ursprünglichen Vorschläge dem Rat in dessen Sitzungen am 16. Juli 2007 und 18. Februar 2008 unterbreitet worden waren. Er bezieht sich vielmehr auf die den zuständigen Regelungsausschüssen und, gegebenenfalls, dem Rat gegenüber unterlassene Vorlage der geänderten Entwürfe der Zulassungsbeschlüsse.

108

Deshalb ist das Vorbringen der Kommission, wonach die angefochtenen Beschlüsse ohne Verzögerung angenommen worden seien, als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

109

Überdies ist der zur Stützung dieses Arguments vorgebrachte Hinweis der Kommission auf das Urteil des Gerichtshofs vom 18. November 1999, Pharos/Kommission (C-151/98 P, Slg. 1999, I-8157), im vorliegenden Fall unerheblich. Der Rechtsstreit, der zum Urteil Pharos/Kommission führte, bezog sich nämlich auf die Phase des Verfahrens zwischen der Befassung des Ausschusses und der des Rates. Zu dieser Phase hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Kommission über einen gewissen Zeitraum verfügte, um, bevor sie dem Rat einen Vorschlag unterbreitete, ein neues wissenschaftliches Gutachten in Auftrag zu geben und vorab eine Kompromisslösung zu finden, damit der Vorschlag letztlich nicht vom Rat abgelehnt wird (Urteil Pharos/Kommission, Randnrn. 22 bis 27). Im vorliegenden Rechtsstreit betrifft das Vorbringen der Kommission jedoch die Phase des Verfahrens, nachdem der Rat keine Stellungnahme abgegeben hatte. In dieser Phase war es nach Art. 5 Abs. 6 Unterabs. 3 des Beschlusses 1999/468 Sache der Kommission, Maßnahmen der vorgeschlagenen Art zu ergreifen, doch ändern konnte sie diese nicht mehr.

110

Schließlich sind zwar, der Kommission folgend, die „große politische Sensibilität“ und die „Komplexität der Materie“ im Zusammenhang mit einem Genehmigungsantrag für das Inverkehrbringen von GVO hervorzuheben, doch sprechen derartige Gesichtspunkte gerade für die Verpflichtung der Kommission, geänderte Entwürfe von Zulassungsbeschlüssen für die Amflora-Kartoffel den zuständigen Regelungsausschüssen und gegebenenfalls dem Rat vorzulegen.

111

Aufgrund all dieser Erwägungen kann das Vorbringen der Kommission, da es unbegründet bzw. nicht stichhaltig ist, das Gericht nicht daran hindern, von Amts wegen zu prüfen und festzustellen, dass die angefochtenen Beschlüsse mit einem Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften behaftet sind, was ihre Rechtmäßigkeit beeinträchtigt. Im Übrigen stand die Befugnis der Kommission zum Erlass der genannten Beschlüsse unter dem Vorbehalt, dass sie das Regelungsverfahren einhält, und die Kommission hat die geänderten Entwürfe von Maßnahmen, die zu diesen Beschlüssen geführt haben, nicht gemäß Art. 5 Abs. 3 und 6 des Beschlusses 1999/468 den Regelungsausschüssen unterbreitet. Somit folgt aus der vorstehend in Randnr. 87 festgestellten Verletzung wesentlicher Formvorschriften, dass die Kommission nicht zum Erlass der fraglichen Beschlüsse befugt war.

Zur Nichtigkeitsklage

112

Nach alledem ist der Nichtigkeitsklage, ohne dass die Stichhaltigkeit der von Ungarn geltend gemachten Klagegründe geprüft zu werden braucht, wie von Ungarn beantragt, stattzugeben.

113

Demzufolge sind die angefochtenen Beschlüsse gemäß Art. 264 Abs. 1 AEUV für nichtig zu erklären.

Kosten

114

Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag Ungarns die Kosten aufzuerlegen.

115

Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Österreich und die Republik Polen tragen daher ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Der Beschluss 2010/135/EU der Kommission vom 2. März 2010 über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten Kartoffelerzeugnisses (Solanum tuberosum L. Linie EH92‑527‑1) mit erhöhtem Amylopectingehalt in der Stärke gemäß der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Beschluss 2010/136/EU der Kommission vom 2. März 2010 über die Zulassung des Inverkehrbringens von Futtermitteln, die aus der genetisch veränderten Kartoffelsorte EH92‑527‑1 (BPS‑25271‑9) gewonnen werden, und des zufälligen oder technisch nicht zu vermeidenden Vorhandenseins dieser Kartoffelsorte in Lebensmitteln und Futtermitteln gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates werden für nichtig erklärt.

 

2.

Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten Ungarns.

 

3.

Die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Österreich und die Republik Polen tragen ihre eigenen Kosten.

 

Labucka

Frimodt Nielsen

Kancheva

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Dezember 2013.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis

 

Rechtlicher Rahmen

 

Genehmigungsverfahren für das Inverkehrbringen genetisch veränderter Organismen

 

Regelungsverfahren

 

Vorgeschichte des Rechtsstreits

 

Das genehmigte Erzeugnis

 

Zulassungsanträge

 

Risikobewertungen und Ausschussverfahren

 

Zulassungsbeschlüsse

 

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

 

Rechtliche Würdigung

 

Zur Einhaltung wesentlicher Formvorschriften des Regelungsverfahrens

 

Zum Sachverhalt

 

Zur Einhaltung der Verpflichtung, die geänderten Entwürfe der angefochtenen Beschlüsse den zuständigen Regelungsausschüssen vorzulegen

 

Zur Übereinstimmung oder der fehlenden inhaltlichen Änderung der angefochtenen Beschlüsse gegenüber den vorherigen Entwürfen

 

Zur Nichtigkeitsklage

 

Kosten


( *1 ) Verfahrenssprache: Ungarisch.