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Leitsätze

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1. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung Nr. 2201/2003 – Zuständigkeit im Bereich des Sorgerechts – Rechtshängigkeit

(Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates, Art. 19 Abs. 2 und Art. 20)

2. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung Nr. 2201/2003 – Zuständigkeit im Bereich des Sorgerechts – Rechtshängigkeit

(Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates, Art. 19 Abs. 2)

3. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung Nr. 2201/2003 – Zuständigkeit im Bereich des Sorgerechts – Rechtshängigkeit

(Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates, Art. 19 Abs. 2)

Leitsätze

1. Die Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1347/2000 ist nicht anwendbar, wenn das zur Regelung der elterlichen Verantwortung zuerst angerufene Gericht eines Mitgliedstaats nur zum vorläufigen Rechtsschutz nach Art. 20 dieser Verordnung und das Gericht eines anderen Mitgliedstaats, das nach der Verordnung Nr. 2201/2003 für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, später ebenfalls zur Regelung der elterlichen Verantwortung angerufen wird, sei es zu einer einstweiligen oder zu einer endgültigen Regelung.

Art. 20 der Verordnung Nr. 2201/2003 ist nämlich keine Vorschrift, die die Zuständigkeit für die Entscheidung in der Hauptsache begründet. Außerdem steht die Anwendung dieser Vorschrift einer Anrufung des für die Entscheidung in der Hauptsache zuständigen Gerichts nicht entgegen. Art. 20 Abs. 2 dieser Verordnung schließt jede Gefahr eines Widerspruchs zwischen einer Entscheidung, mit der einstweilige Maßnahmen nach Art. 20 angeordnet werden, und einer Entscheidung des Gerichts, das für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, dadurch aus, dass die einstweiligen Maßnahmen nach Art. 20 Abs. 1 außer Kraft treten, wenn das Gericht, das für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, die Maßnahmen getroffen hat, die es für angemessen hält.

(vgl. Randnrn. 70-71, 86 und Tenor)

2. Der Umstand, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, insbesondere hinsichtlich des Sorgerechts für Kinder, angerufen wird oder eine Entscheidung in einem solchen Verfahren ergeht und der eingereichte Antrag oder die ergangene Entscheidung nichts enthält, woraus sich ergibt, dass das im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angerufene Gericht nach der Verordnung Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1347/2000 zuständig ist, schließt nicht zwangsläufig aus, dass es – wie dies möglicherweise nach dem nationalen Recht dieses Mitgliedstaats zulässig ist – einen mit dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz in Zusammenhang stehenden Antrag in der Hauptsache gibt, der Angaben enthält, mit denen dargetan werden soll, dass das angerufene Gericht nach dieser Verordnung zuständig ist.

In einem solchen Zusammenhang muss das später angerufene Gericht selbst prüfen, ob die Entscheidung des zuerst angerufenen Gerichts, soweit sie einstweilige Maßnahmen anordnet, nur eine Vorbedingung für eine Entscheidung war, die später in besserer Kenntnis der Sachlage und unter Bedingungen ergeht, die nicht mehr durch die Dringlichkeit des Erlasses einer Entscheidung gekennzeichnet sind. Das später angerufene Gericht sollte außerdem prüfen, ob das Begehren, das Gegenstand der einstweiligen Maßnahmen ist, und ein später anhängig gemachtes Begehren in der Hauptsache eine verfahrensrechtliche Einheit bilden.

(vgl. Randnrn. 80, 86 und Tenor)

3. Verfügt das später angerufene Gericht trotz seiner Bemühungen, sich bei der Partei, die sich auf Rechtshängigkeit beruft, dem zuerst angerufenen Gericht und der Zentralen Behörde zu informieren, nicht über Angaben, die es erlauben, den mit einem Antrag bei einem anderen Gericht verfolgten Anspruch zu bestimmen, und die insbesondere darauf gerichtet sind, die Zuständigkeit dieses Gerichts nach der Verordnung Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1347/2000 darzutun, und gebietet aufgrund besonderer Umstände das Kindeswohl den Erlass einer Entscheidung, die in anderen Mitgliedstaaten als dem des später angerufenen Gerichts anerkennungsfähig ist, so hat dieses Gericht nach Ablauf einer angemessenen Frist für den Eingang der Antworten auf die gestellten Fragen die Prüfung des bei ihm eingereichten Antrags fortzusetzen. Die Dauer dieser angemessenen Frist hat dem Kindeswohl unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des betreffenden Verfahrens Rechnung zu tragen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Ziel der Verordnung Nr. 2201/2003 zum Wohl des Kindes darin besteht, dass das Gericht, das dem Kind räumlich am nächsten ist und das daher dessen Situation und Entwicklungsstand am besten kennt, die erforderlichen Entscheidungen treffen kann.

(vgl. Randnrn. 82-84, 86 und Tenor)