SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 15. Mai 2012 ( 1 )

Rechtssache C-502/10

Staatssecretaris van Justitie

gegen

Mangat Singh

(Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State [Niederlande])

„Richtlinie 2003/109/EG — Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen — Anwendungsbereich der Richtlinie — Tragweite des Ausschlusses nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. e — Begriff ‚förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung‘“

1. 

Die vorliegende Rechtssache bietet dem Gerichtshof Gelegenheit, den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ( 2 ) zu präzisieren.

2. 

Die Richtlinie führt für langfristig Aufenthaltsberechtigte eine gemeinsame Rechtsstellung ein, damit Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig und dauerhaft in den Mitgliedstaaten niedergelassen haben, diese Rechtsstellung erlangen und die damit verbundenen Rechte unter weitgehend vergleichbaren Bedingungen in der Europäischen Union ausüben können. Die Richtlinie harmonisiert somit auf der Grundlage einer Gleichbehandlung mit den Unionsbürgern die Kriterien für die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten und die damit zusammenhängenden Rechte.

3. 

Der Unionsgesetzgeber hat in Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie von ihrem Anwendungsbereich Drittstaatsangehörige ausgenommen, die „sich ausschließlich vorübergehend wie etwa als Au-pair oder Saisonarbeitnehmer, als von einem Dienstleistungserbringer im Rahmen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen entsendete Arbeitnehmer oder als Erbringer grenzüberschreitender Dienstleistungen aufhalten oder deren Aufenthaltsgenehmigung förmlich begrenzt wurde“.

4. 

In diesem Fall fließen gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie die Zeiten, in denen sich der Drittstaatsangehörige im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufgehalten hat, nicht in die Berechnung des auf fünf Jahre festgelegten Zeitraums ein, der für die Erteilung einer langfristigen Aufenthaltsgenehmigung verlangt wird ( 3 ).

5. 

Im vorliegenden Fall ersucht der Raad van State (Niederlande) den Gerichtshof, zu klären, welche Bedeutung der Unionsgesetzgeber dem Begriff „förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung“ beimessen wollte, und damit die Tragweite des Ausschlusses nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie genauer zu bestimmen.

6. 

Dieses Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staatssecretaris van Justitie (Staatssekretär für Justiz, im Folgenden: Staatssekretär) und Herrn Singh, einem indischen Staatsbürger, dessen förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung über einen Zeitraum von etwas mehr als sieben Jahren verlängert wurde, wegen der Weigerung, ihm eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen.

I – Nationales Recht

7.

Die Richtlinie wurde in den Niederlanden durch die Wet tot algehele herziening van de Vreemdelingenwet (Gesetz über die vollständige Reform des Ausländergesetzes) vom 23. November 2000 ( 4 ) umgesetzt.

8.

Gemäß Art. 14 Abs. 2 dieses Gesetzes wird eine befristete Aufenthaltsgenehmigung unter Beschränkungen erteilt, die mit dem genehmigten Aufenthaltszweck zusammenhängen. Die Genehmigung kann mit Auflagen verbunden werden. Nach Art. 14 Abs. 3 des Gesetzes wird sie für eine Dauer von höchstens fünf aufeinanderfolgenden Jahren erteilt.

9.

Ein Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung kann nach Art. 21 Abs. 1 des Gesetzes u. a. dann zurückgewiesen werden, wenn der Ausländer in den diesem Antrag unmittelbar vorausgegangenen fünf Jahren über ein förmlich begrenztes Aufenthaltsrecht verfügt hat.

10.

Der niederländische Gesetzgeber erließ, gestützt auf dieses Gesetz, den Vreemdelingenbesluit 2000 (Ausländerverordnung 2000) ( 5 ).

11.

Nach Art. 3.5 Abs. 2 Buchst. d des Vreemdelingenbesluit 2000 ist ein auf eine befristete Aufenthaltsgenehmigung gestütztes Aufenthaltsrecht zeitlich begrenzt, wenn die Aufenthaltsgenehmigung mit einer Beschränkung im Zusammenhang mit der Ausübung einer Tätigkeit als geistlicher Führer oder Religionslehrer erteilt wurde, es sei denn, dieses Aufenthaltsrecht beruht auf dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats ( 6 ).

12.

Diese Aufenthaltsgenehmigung wird gemäß Art. 3.33 Abs. 1 des Vreemdelingenbesluit 2000 nur dann erteilt, wenn der Ausländer schriftlich erklärt, dass ihm bekannt ist, dass die Aufenthaltsgenehmigung ausschließlich zur Ausübung einer Tätigkeit als geistlicher Führer oder Religionslehrer zugunsten der näher zu bezeichnenden Gemeinschaft erteilt wird, dass die Aufenthaltsgenehmigung nur für die Dauer der Tätigkeit gilt, dass er die Niederlande nach Beendigung seiner Tätigkeit wieder zu verlassen hat und dass es ihm nicht gestattet ist, während seines Aufenthalts in den Niederlanden eine Tätigkeit anderer Art auszuüben.

13.

Der Staatssekretär hat die Modalitäten für die Ausübung der ihm nach der Wet tot algehele herziening van de Vreemdelingenwet und dem Vreemdelingenbesluit 2000 eingeräumten Befugnisse in der Vreemdelingencirculaire 2000 (Ausländerrundverfügung 2000) erläutert.

14.

Nach Abschnitt B1/2.4 der Rundverfügung richtet sich die Beurteilung der Frage, ob das Aufenthaltsrecht eines Drittstaatsangehörigen befristet oder unbefristet ist, nicht nach der Art der ihm erteilten Aufenthaltsgenehmigung, sondern allein nach Art. 3.5 des Vreemdelingenbesluit 2000. Wurde die Aufenthaltsgenehmigung mit einer der in Art. 3.5 Abs. 2 des Vreemdelingenbesluit 2000 genannten Beschränkungen erteilt, ist das Aufenthaltsrecht zeitlich begrenzt.

15.

Diese Regelung wurde durch ein Gesetz vom 7. Juli 2010 ( 7 ) und eine Verordnung vom 24. Juli 2010 ( 8 ) geändert, die jedoch noch nicht in Kraft getreten sind. Der Aufenthalt von geistlichen Führern und von Religionslehrern im niederländischen Hoheitsgebiet ist künftig als nicht zeitlich begrenzt definiert und kann demzufolge im Rahmen der Erteilung einer langfristigen Aufenthaltsberechtigung berücksichtigt werden.

II – Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

16.

Herr Singh erhielt am 22. Oktober 2001 im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als geistlicher Führer oder Religionslehrer von Guru Nanak Gurudwara eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Diese wurde mehrfach für einen jeweils bestimmten Zeitraum verlängert. Am 30. Mai 2007, d. h. ungefähr fünf Jahre und acht Monate nach seiner Einreise in die Niederlande, beantragte Herr Singh die Erteilung einer langfristigen Aufenthaltsgenehmigung.

17.

Mit Bescheid vom 15. November 2007 lehnte der Staatssekretär diesen Antrag ab und verlängerte die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsgenehmigung bis zum 19. Januar 2009. Nach Ansicht des Staatssekretärs fiel Herr Singh als Inhaber einer förmlich begrenzten Aufenthaltsgenehmigung nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie.

18.

Im Verfahren über den von Herrn Singh gegen diesen ablehnenden Bescheid erhobenen Widerspruch machte der Staatssekretär geltend, dass der Begriff „förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit belasse, Personen, die im Besitz bestimmter, förmlichen Beschränkungen unterliegender Aufenthaltsgenehmigungen seien, die Gewährung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zu verweigern.

19.

Der Raad van State, bei dem der Rechtsstreit anhängig gemacht wurde, weist darauf hin, dass das Ermessen eines Mitgliedstaats, eine befristete Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen und zu verlängern, ohne damit den Erhalt einer langfristigen Aufenthaltsgenehmigung in Aussicht zu stellen, die praktische Wirksamkeit der Richtlinie beeinträchtigen und die mit ihr bezweckte Harmonisierung der Bedingungen für die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten behindern könnte.

20.

Der Raad van State hat unter Hinweis darauf, dass der Begriff „förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung“ in Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie nicht definiert sei, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist der Begriff „förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie dahin auszulegen, dass darunter eine befristete Aufenthaltsgenehmigung fällt, die nach niederländischem Recht keine Aussicht auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung bietet, auch wenn die Gültigkeitsdauer dieser befristeten Aufenthaltsgenehmigung nach niederländischem Recht grundsätzlich unbegrenzt oft verlängert werden kann und auch wenn dadurch eine bestimmte Personengruppe, etwa geistliche Führer und Religionslehrer, von dieser Richtlinie ausgeschlossen wird?

21.

Schriftliche Erklärungen sind von Herrn Singh, der niederländischen Regierung, der belgischen Regierung und der Europäischen Kommission eingereicht worden.

III – Rechtliche Würdigung

22.

Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Vorlagefrage wissen, ob Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die Drittstaatsangehörigen, die eine förmlich auf die Tätigkeit eines geistlichen Führers oder Religionslehrers begrenzte Aufenthaltsgenehmigung besitzen, die Gewährung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten verwehrt, obwohl diese Genehmigung mehrfach verlängert werden kann.

23.

Die Bedeutung der Antwort auf die Frage des vorlegenden Gerichts liegt auf der Hand.

24.

Es geht darum, den Anwendungsbereich der Richtlinie zu erläutern und insbesondere zu ermitteln, was der Unionsgesetzgeber damit bezweckt hat, dass er Drittstaatsangehörigen, die eine förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung besitzen, die Gewährung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten verwehrt. Diese Klarstellung ist unerlässlich, damit die Kriterien für die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in allen Mitgliedstaaten kohärent und einheitlich angewandt werden, und von wesentlicher Bedeutung für die Rechtssicherheit von Drittstaatsangehörigen, die möglicherweise einen Anspruch auf eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung haben.

25.

Der Unionsgesetzgeber hat den Begriff „förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung“ nicht definiert. Er hat hinsichtlich der Bedeutung, die diesen Worten beizumessen ist, auch nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verwiesen. Sie sind daher für die Anwendung dieser Richtlinie als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen und in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ( 9 ). Das bedeutet auch, dass Bedeutung und Tragweite dieses unionsrechtlich nicht definierten Begriffs, insbesondere unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem er verwendet wird, und der Ziele der Regelung, zu der er gehört, zu bestimmen sind ( 10 ).

26.

Aufgrund dieser Erwägungen schlage ich vor, die Auslegung zurückzuweisen, die die niederländische und die belgische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen vorschlagen. Ihrer Auffassung nach dürfen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie bestimmte Aufenthaltsgenehmigungen unabhängig davon, ob der Aufenthalt seiner Natur nach vorübergehend ist oder nicht, als „förmlich begrenzt“ einstufen, um deren Inhaber vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen. Zwar trifft es zu, dass der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum belassen hat, der es ihnen ermöglicht, zu prüfen, inwieweit bestimmte Kategorien von Ausländern, deren Situation von der Richtlinie nicht speziell erfasst wird, von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden können, doch findet das ihnen eingeräumte Ermessen seine Grenzen in der Verpflichtung, die praktische Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten.

27.

Aus den Gründen, die ich nachstehend erläutern werde, besteht meines Erachtens kein Zweifel daran, dass sowohl die Zielsetzung der Richtlinie als auch ihr Inhalt, insbesondere der Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 Buchst. e, es gebieten, den dort verwendeten Begriff „förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung“ dahin auszulegen, dass er sich auf Aufenthaltsgenehmigungen bezieht, die von den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Ausübung eines Berufs oder einer Tätigkeit erteilt werden, mit der ein vorübergehender Aufenthalt auf ihrem Hoheitsgebiet verbunden ist.

28.

Die Zielsetzung der Richtlinie, wie sie insbesondere in den Erwägungsgründen 2, 4 und 12 zum Ausdruck kommt, besteht darin, ein auf die Integration der rechtmäßig und dauerhaft in den Mitgliedstaaten niedergelassenen Drittstaatsangehörigen ausgerichtetes System zu schaffen und so zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt beizutragen, der ein grundlegendes Ziel der Union ist.

29.

Dieses System basiert auf der Gewährung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten. Die Definition einer in allen Mitgliedstaaten einheitlichen Rechtsstellung soll eine gerechte Behandlung von legal ansässigen Drittstaatsangehörigen sicherstellen, damit sie diese Rechtsstellung erwerben und die damit verbundenen Rechte unter weitgehend vergleichbaren Bedingungen in der gesamten Union ausüben können. Die Festlegung dieser Rechtsstellung soll also die Rechtssicherheit von Drittstaatsangehörigen gewährleisten, indem verhindert wird, dass die Entscheidung über die Gewährung der Rechtsstellung, wenn die vorgesehenen Bedingungen tatsächlich erfüllt sind, dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen bleibt ( 11 ).

30.

Die Gewährung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten soll es auch ermöglichen, diesen Drittstaatsangehörigen Rechte einzuräumen und Pflichten aufzuerlegen, die mit denen vergleichbar sind, die die Unionsbürger in vielen wirtschaftlichen und sozialen Bereichen wie Arbeit, Wohnung, soziale Sicherung oder Sozialfürsorge haben, und zielt auf eine möglichst weitgehende Angleichung ihrer Rechtsstellung ab. Sie soll ihnen auch Rechtssicherheit gewähren, indem sie ihnen erhöhten Schutz vor einer Ausweisung bietet.

31.

Die Integration von Drittstaatsangehörigen und die daraus resultierende Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beruhen also auf dem Kriterium eines dauerhaften Aufenthalts.

32.

Der Unionsgesetzgeber geht von dem Grundsatz aus, dass ein Drittstaatsangehöriger nach einer hinreichend langen und ununterbrochenen Zeit des Aufenthalts im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats seine Bereitschaft, sich dort dauerhaft niederzulassen, und seine Verwurzelung in diesem Staat zum Ausdruck gebracht hat ( 12 ).

33.

Die Dauer des Aufenthalts des Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats weist nämlich auf die Intensität der dort geknüpften Bindungen und somit, nachdem der Drittstaatsangehörige zu diesem Staat eine enge Bindung entwickelt hat, auf eine gewisse Integration hin. Je länger der Aufenthalt in diesem Staat dauert, desto enger dürften seine Bindungen an diesen sein und desto vollständiger wird die Integration sein; schließlich wird diesem Bürger das Gefühl gegeben, einem inländischen Staatsangehörigen gleichgestellt und integrierender Bestandteil der Gesellschaft des Mitgliedstaats zu sein.

34.

Der Unionsgesetzgeber wollte also für die Gewährung einer langfristigen Aufenthaltsgenehmigung auf das Kriterium eines dauerhaften Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat abstellen, denn im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie ist von einer langfristigen Ansässigkeit die Rede, und im sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es, dass die „Dauer des Aufenthalts im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Hauptkriterium für die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten sein sollte“.

35.

In Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie wird somit der Grundsatz aufgestellt, dass die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörigen, die sich unmittelbar vor der Stellung des entsprechenden Antrags fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten haben, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten gewähren, sofern, wie erwähnt, die drei übrigen Voraussetzungen nach den Art. 5 und 6 der Richtlinie erfüllt sind ( 13 ).

36.

Der Umfang der vom Unionsgesetzgeber in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen erschließt sich aus dem Zweck und der Systematik, die der Gewährung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zugrunde liegen.

37.

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie lautet:

„Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf Drittstaatsangehörige,

a)

die sich zwecks Studiums oder Berufsausbildung aufhalten;

b)

denen zwecks vorübergehenden Schutzes der Aufenthalt in einem Mitgliedstaat genehmigt wurde …

c)

denen der Aufenthalt in einem Mitgliedstaat aufgrund subsidiärer Schutzformen … genehmigt wurde …

d)

die Flüchtlinge sind oder die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft beantragt haben und über deren Antrag noch nicht abschließend entschieden worden ist;

e)

die sich ausschließlich vorübergehend wie etwa als Au-pair oder Saisonarbeitnehmer, als von einem Dienstleistungserbringer im Rahmen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen entsendete Arbeitnehmer oder als Erbringer grenzüberschreitender Dienstleistungen aufhalten oder deren Aufenthaltsgenehmigung förmlich begrenzt wurde;

f)

deren Rechtsstellung durch das Wiener Übereinkommen von 1961 über diplomatische Beziehungen, das Wiener Übereinkommen von 1963 über konsularische Beziehungen, das Übereinkommen von 1969 über Sondermissionen oder die Wiener Konvention von 1975 über die Vertretung der Staaten in ihren Beziehungen zu internationalen Organisationen universellen Charakters geregelt ist.“

38.

Mit dieser Vorschrift sollen, wie sich aus dem Vorschlag der Kommission eindeutig ergibt, Personen, die keinen Daueraufenthalt anstreben, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden ( 14 ).

39.

Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie bezieht sich auf Studenten und zum Zweck einer Berufsausbildung zugelassene Personen. Sie werden, so die Kommission in ihrem Vorschlag, nur vorübergehend zugelassen und kehren im Prinzip nach ihrer Ausbildung in ihr Land zurück ( 15 ). Art. 3 Abs. 2 Buchst. b bezieht sich auf Personen, die einen vorübergehenden Schutz mit einer Höchstdauer von, wie erwähnt, einem Jahr genießen ( 16 ). Art. 3 Abs. 2 Buchst. c und d betreffen Personen, die internationalen Schutz genießen oder deren Antrag noch geprüft wird. Art. 3 Abs. 2 Buchst. f schließlich bezieht sich auf Personen, deren Rechtsstellung in internationalen Übereinkommen über diplomatische oder konsularische Beziehungen oder in Übereinkommen mit internationalen Organisationen geregelt ist. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie schließt also diverse Situationen aus, in denen der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen nicht als dauerhafter Aufenthalt anzusehen ist.

40.

In diesen Rahmen ist der Ausschluss in Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie einzuordnen, dessen Tragweite hier in Rede steht.

41.

Im Gegensatz zu den Ausschlüssen in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a bis d und f der Richtlinie, die sich alle auf sehr spezifische Situationen beziehen, könnte die in Buchst. e genannte Situation einen verhältnismäßig weiten Anwendungsbereich haben.

42.

Zum einen lässt der Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie sowohl im Hinblick auf seine Bedeutung („vorübergehend“) als auch insofern, als er ausdrücklich auch andere als die in der Vorschrift genannten Fälle zulässt („wie etwa“), nicht alle Fälle erkennen, die unter diesen Ausschluss fallen.

43.

Zum anderen sind die Fälle, auf die sich der Begriff „förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung“ bezieht, nicht so klar abgrenzbar wie die von Au-pair oder von Saisonarbeitnehmern, entsendeten Arbeitnehmern oder Erbringern grenzüberschreitender Dienstleistungen.

44.

Wenn jedoch die Ausnahme nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie geschaffen wurde, hat dies einen Sinn, der nur im Einklang mit der von mir genannten Zielsetzung der Richtlinie und dem Aufbau dieses Artikels stehen kann.

45.

Außerdem darf dieser Ausschluss nur eng ausgelegt werden. Er stellt nämlich eine Ausnahme von den in Art. 3 Abs. 1 und in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie aufgestellten Grundsätzen dar, wonach, zum einen, die Richtlinie auf alle Drittstaatsangehörigen Anwendung findet, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten, und, zum anderen, nach einem ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt von fünf Jahren im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats ein Anspruch auf Gewährung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten geltend gemacht werden kann. Dabei fließen nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie die Zeiten nicht ein, in denen sich der Drittstaatsangehörige aus den in Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie genannten Gründen in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgehalten hat. Somit ist nur durch eine enge Auslegung des Begriffs „förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung“ gewährleistet, dass diese Personen ein hohes Maß an Rechtssicherheit im Hinblick auf die Gewährung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten genießen.

46.

Der Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie gibt Aufschluss über den Bereich, den der Begriff „förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung“ abdecken muss.

47.

Diese Vorschrift bezieht sich gemäß ihren einleitenden Worten ausdrücklich auf Fälle, in denen sich Drittstaatsangehörige „ausschließlich vorübergehend“ ( 17 ) aufhalten. Demzufolge dienen die vom Unionsgesetzgeber aufgeführten Beispiele lediglich zur Veranschaulichung der Fälle, in denen die (berufliche) Tätigkeit, die der Betroffene in dem Mitgliedstaat ausübt, vorübergehender Art und mit einem Aufenthalt von begrenzter Dauer verbunden ist, der es den betroffenen Ausländern nicht ermöglicht, zu dem Mitgliedstaat, in dem sie sich aufhalten, eine enge Bindung zu entwickeln.

48.

Die Kommission hat bezüglich der von ihr in ihrem Vorschlag angeführten Fälle von Au-pair, Saisonarbeitnehmern, entsendeten Arbeitnehmern oder Erbringern grenzüberschreitender Dienstleistungen darauf hingewiesen, dass das gemeinsame und entscheidende Kriterium für all diese Personen die Kürze des Aufenthalts sei, da sie sich in der Regel nicht in dem Mitgliedstaat niederlassen würden, in dem sie sich vorübergehend aufhielten ( 18 ), wie Studenten oder Personen, die sich in einer Berufsausbildung befänden.

49.

Der Fall von Personen, die über eine förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung verfügen, wurde auf Initiative des Königreichs Belgien im Rahmen der Arbeiten des Rates der Europäischen Union hinzugefügt ( 19 ).

50.

Da der Unionsgesetzgeber diesen Begriff nach den einzelnen oben genannten Beispielen unter Verwendung der nebenordnenden Konjunktion „oder“ eingeführt hat, ist diese dahin auszulegen, dass sie sich genauso wie die vorhergehenden Beispiele auf Drittstaatsangehörige bezieht, die sich vorübergehend in dem Mitgliedstaat aufhalten.

51.

Aufgrund dieser Erwägungen bin ich somit der Ansicht, dass der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er Drittstaatsangehörigen, die in den Mitgliedstaaten Inhaber einer förmlich begrenzten Aufenthaltsgenehmigung sind, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten verweigert, auf die Fälle abgestellt hat, in denen die Mitgliedstaaten diesen Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer (beruflichen) Tätigkeit, die mit einem vorübergehenden Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet verbunden ist, eine förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung erteilt haben.

52.

Anders gesagt, Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie verbietet es meines Erachtens, Staatsangehörige vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen, deren Aufenthaltsgenehmigung förmlich auf die Ausübung einer (beruflichen) Tätigkeit begrenzt wurde, mit der ihrem Wesen nach oder wegen der Erneuerung und/oder Verlängerung dieser Genehmigung ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbunden ist.

53.

Die letztgenannte Alternative betrifft Fälle, in denen die Aufenthaltsgenehmigung zwar förmlich auf die Ausübung einer Tätigkeit oder eines Berufs begrenzt, jedoch erneuert und verlängert wurde, so dass sich der Drittstaatsangehörige dauerhaft und ununterbrochen im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufgehalten und die von ihm anfangs vorübergehend ausgeübte (berufliche) Tätigkeit dauerhaft geworden ist.

54.

Diese Auslegung ist meiner Ansicht nach geboten, um die praktische Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten und die mit ihr angestrebten Ziele zu verwirklichen.

55.

Wenn die Mitgliedstaaten nämlich – wie die niederländische Regierung und die belgische Regierung geltend machen – Aufenthaltsgenehmigungen unabhängig vom vorübergehenden Charakter des Aufenthalts oder der fraglichen Tätigkeit als „förmlich begrenzt“ einstufen könnten, würden die vom Unionsgesetzgeber mit der Richtlinie angestrebten Ziele vereitelt und ihr Anwendungsbereich eingeschränkt, da die Mitgliedstaaten die Tragweite der Richtlinie dann künstlich begrenzen könnten.

56.

Die Mitgliedstaaten könnten nämlich gestützt auf Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie und im Rahmen der Gewährung einer förmlich begrenzten Aufenthaltsgenehmigung bestimmten Kategorien von Drittstaatsangehörigen die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten selbst dann verweigern, wenn sie aufgrund ihres rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts im Hoheitsgebiet dieser Staaten diese Rechtsstellung beanspruchen könnten.

57.

Damit würden diesen Staatsangehörigen erstens die an die Erteilung einer langfristigen Aufenthaltsgenehmigung geknüpften Rechte vorenthalten, die mit denen des Inhabers einer förmlich begrenzten Aufenthaltsgenehmigung nicht zu vergleichen sind.

58.

Zweitens würde diesen Staatsangehörigen die Rechtssicherheit, die die Richtlinie doch für alle, die sich rechtmäßig und dauerhaft im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten, schaffen will, vorenthalten und damit ihre Integration in diesen Staat beeinträchtigt.

59.

Drittens entspräche dies nicht der gerechten Behandlung, die allen Drittstaatsangehörigen gewährt werden soll, die sich rechtmäßig und dauerhaft im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten. Ist nämlich der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat nicht vorübergehender Art und erreicht sein Aufenthalt in Anbetracht der Zahl und der kumulierten Dauer der ihm gewährten förmlich begrenzten Aufenthaltsgenehmigungen die Dauer von fünf Jahren, ist es meiner Ansicht nach durch nichts gerechtfertigt, ihm sowohl die Möglichkeit einer Anrechnung seiner Aufenthaltszeiten nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie als auch die Möglichkeit vorzuenthalten, die mit der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten verbundenen Rechte und Garantien – sofern die übrigen in der Richtlinie genannten Voraussetzungen erfüllt sind – geltend zu machen.

60.

Viertens geriete aus dem Blickfeld, was nach dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie das Hauptkriterium für die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten sein sollte, nämlich die Aufenthaltsdauer; stattdessen würden ungenauere Kriterien herangezogen, wie z. B. solche, die die Ausübung einer bestimmten Art von Beruf oder Tätigkeit betreffen.

61.

Die besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache, insbesondere die Zahl und die kumulierte Dauer der Herrn Singh gewährten förmlich begrenzten Aufenthaltsgenehmigungen, bringen diese Gefahren meiner Ansicht nach sehr deutlich zum Ausdruck ( 20 ).

62.

Ihm wurde nämlich eine förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung ab 22. Oktober 2001 gewährt und jeweils für eine bestimmte Zeit verlängert, zunächst bis zum 8. September 2002, dann bis zum 19. Januar 2005, anschließend bis zum 19. Januar 2008 und schließlich bis zum 19. Januar 2009, d. h. über eine Gesamtzeit von mehr als sieben Jahren. Sein Aufenthalt wurde also entgegen Art. 14 Abs. 3 der Wet tot algehele herziening van de Vreemdelingenwet für eine Dauer von deutlich mehr als fünf Jahren genehmigt.

63.

In dieser Zeit hat sich Herr Singh zweifellos dauerhaft im niederländischen Hoheitsgebiet niederlassen wollen. Das zeigt sich zum einen an seinen Tätigkeiten, bei denen ich zeigen werde, dass sie nicht für einen vorübergehenden Aufenthalt sprachen, und zum anderen an seinem Antrag vom 30. Mai 2007 auf Erteilung einer langfristigen Aufenthaltsgenehmigung.

64.

Obwohl sich Herr Singh also seit über sieben Jahren im niederländischen Hoheitsgebiet aufhält, d. h. deutlich länger, als es für die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erforderlich ist, wird ihm zum einen die Möglichkeit, diese Aufenthaltszeiten zur Erlangung dieser Rechtsstellung anzurechnen und somit einen entsprechenden Anspruch geltend zu machen, und zum anderen die Rechtssicherheit verwehrt, die nach der Richtlinie Drittstaatsangehörigen gewährt werden soll, die sich rechtmäßig und dauerhaft im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhalten.

65.

Außerdem wurde Herrn Singh eine förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung für die Ausübung eines Berufs erteilt, der seinem Wesen nach nicht vorübergehender Art ist und sich von dem Fall von Au-pair, Saisonarbeitnehmern oder Studenten sehr deutlich unterscheidet, deren Aufenthaltsdauer zeitlich klar begrenzt ist und die nicht die Absicht haben, sich in dem Mitgliedstaat, in dem sie sich aufhalten, zu integrieren.

66.

Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, kann die Gültigkeitsdauer einer einem geistlichen Führer oder Religionslehrer erteilten Aufenthaltsgenehmigung unbegrenzt oft verlängert werden. Das vorlegende Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass aus einem Schreiben des Ministers für Ausländerfragen und Integration vom 11. Mai 2006 hervorgehe, dass sehr viele Ausländer, die sich als geistliche Führer in den Niederlanden aufhielten, das Land in der Praxis nicht wieder verließen, so dass es sich letztlich in vielen Fällen um einen langfristigen Aufenthalt handele, und dass der genannte Minister das Aufenthaltsrecht von geistlichen Führern und Religionslehrern zukünftig als von nicht vorübergehender Art ansehen wolle. Es ist in der Tat bezeichnend, dass diese Staatsangehörigen, wie das vorlegende Gericht bemerkt, seit dem 1. Januar 2002 verpflichtet sind, die niederländische Sprache zu erlernen und sich in die Gesellschaft zu integrieren.

67.

Im Übrigen erkennt die niederländische Regierung gemäß den Ausführungen des vorlegenden Gerichts an, dass der Aufenthalt von geistlichen Führern und Religionslehrern im Hoheitsgebiet des Königreichs der Niederlande nicht vorübergehender Art ist.

68.

Wie ich nämlich in Nr. 15 der vorliegenden Schlussanträge festgestellt habe, haben die niederländischen Behörden unlängst eine Reform verabschiedet, die noch nicht in Kraft getreten ist und durch die Art. 3.5 des Vreemdelingenbesluit 2000 dahin geändert wird, dass geistige Führer und Religionslehrer eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung erhalten können.

69.

Folglich ist festzustellen, dass der Aufenthalt dieser Ausländer in den Niederlanden nicht von vorübergehender Art ist, so dass die ihnen erteilte befristete Aufenthaltsgenehmigung, die mit einer Beschränkung in Bezug auf die Ausübung einer Tätigkeit als geistiger Führer oder Religionslehrer verbunden ist, nicht als „förmlich begrenzt“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie eingestuft werden kann.

70.

Aufgrund all dieser Erwägungen bin ich daher der Ansicht, dass Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die Drittstaatsangehörigen, die eine Aufenthaltsgenehmigung besitzen, die förmlich auf die Ausübung einer (beruflichen) Tätigkeit begrenzt ist, mit der ihrem Wesen nach oder wegen der Erneuerung und/oder Verlängerung dieser Genehmigung ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbunden ist, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten verwehrt.

IV – Ergebnis

71.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Raad van State wie folgt zu antworten:

Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die Drittstaatsangehörigen, die eine Aufenthaltsgenehmigung besitzen, die förmlich auf die Ausübung einer (beruflichen) Tätigkeit begrenzt ist, mit der ihrem Wesen nach oder wegen der Erneuerung und/oder Verlängerung dieser Genehmigung ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbunden ist, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten verwehrt.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) ABl. 2004, L 16, S. 44, im Folgenden: Richtlinie. Diese Richtlinie wurde nach der im Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Zeit durch die Richtlinie 2011/51/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2011 (ABl. L 132, S. 1) geändert.

( 3 ) Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie „erteilen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörigen, die sich unmittelbar vor der Stellung des entsprechenden Antrags fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten haben, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten“.

( 4 ) Stb. 2000, Nr. 495.

( 5 ) Stb. 2000, Nr. 497.

( 6 ) Der Assoziationsrat wurde mit dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei eingerichtet, das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnet worden war. Dieses wurde im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685).

( 7 ) Stb. 2010, Nr. 2009.

( 8 ) Stb. 2010, Nr. 307.

( 9 ) Urteil vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja (C-424/10 und C-425/10, Slg. 2011, I-14035, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 10 ) Ebd. (Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 11 ) Vgl. Nr. 5.2 des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates betreffend den Status der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (KOM[2001] 127 endg., im Folgenden: Vorschlag der Kommission).

( 12 ) Sechster Erwägungsgrund der Richtlinie.

( 13 ) Nach diesen Vorschriften muss der Drittstaatsangehörige über feste, regelmäßige und ausreichende Einkünfte sowie über eine Krankenversicherung verfügen und darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen.

( 14 ) Nr. 5.3 des Vorschlags der Kommission.

( 15 ) Vgl. Erläuterungen zu Art. 3 Abs. 2 (S. 15).

( 16 ) Siehe Art. 2 Buchst. a und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. L 212, S. 12).

( 17 ) Hervorhebung nur hier.

( 18 ) Vgl. Vorschlag der Kommission, Erläuterungen zu Art. 3 Abs. 2 Buchst. d (S. 15).

( 19 ) Beratungsergebnisse des Strategischen Ausschusses für Einwanderungs-, Grenz- und Asylfragen (KOM[2001] 127 endg.), Fn. 2, S. 4. Dieses Dokument ist auf der Internetseite des Rates unter der Dokumentennummer 8408/03 abrufbar.

( 20 ) Für ein weiteres veranschaulichendes Beispiel siehe die auf der Internetseite des Parlaments abrufbare Mitteilung an die Mitglieder vom 26. Oktober 2009 zu der beim Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments eingereichten Petition 0118/2008 betreffend die Anwendung des Ausschlusses nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie auf Zypern. Im Rahmen dieser Petition wird den zuständigen nationalen Behörden vorgeworfen, einer Drittstaatsangehörigen, die für die Tätigkeit als Haushaltshilfe eine förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung besitzt, eine langfristige Aufenthaltsberechtigung verweigert zu haben, obwohl ihre Aufenthaltsgenehmigung mehrfach verlängert wurde, so dass sie sich seit neun Jahren rechtmäßig im zyprischen Hoheitsgebiet aufhält.