SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

VERICA Trstenjak

vom 16. Juni 2011(1)

Rechtssache C‑155/10

Williams u. a.

gegen

British Airways plc

(Vorabentscheidungsersuchen des Supreme Court [Vereinigtes Königreich])

„Arbeitsbedingungen – Arbeitszeitgestaltung – Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG – Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub – Umfang der Verpflichtungen, die diese Richtlinie hinsichtlich der Natur und der Höhe des bezahlten Jahresurlaubs vorsehen – Ermessen der Mitgliedstaaten bei der Festlegung genauer Regeln für den bezahlten Jahresurlaub – Richtlinie 2000/79/EG – Bezahlter Jahresurlaub, der den bei Fluglinien beschäftigten Piloten zusteht“






Inhaltsverzeichnis


I – Einleitung

II – Normativer Rahmen

A – Unionsrecht

B – Nationales Recht

III – Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

V – Wesentliche Argumente der Parteien

VI – Rechtliche Würdigung

A – Die wesentlichen Fragestellungen der Rechtssache

B – Unionsrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Natur und der Höhe des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub

1. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub in der Unionsrechtsordnung

a) Unionsrechtliche Grundlagen

b) Umsetzungskompetenz der Mitgliedstaaten

2. Verhältnis der Richtlinie 2000/79 zu den Arbeitszeitrichtlinien und Übertragbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze

3. Die Rechtsprechungsgrundsätze zum Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub

a) Zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Urlaubszeitraum

b) Schlussfolgerung: Keine unzulässige Orientierung am Mindestbedarf

4. Kompetenz der Mitgliedstaaten zur Berechnung des Urlaubsentgelts

5. Zwischenergebnis

C – Vorgehen bei komplexen Gehaltsstrukturen

1. Allgemeines

2. Unionsrechtliche Vorgaben und verbliebene Kompetenzen der Mitgliedstaaten bei der Regelung der Einzelheiten des Urlaubsentgelts

3. Zusammensetzung des Urlaubsentgelts

a) Materielle Komponente des Begriffs „gewöhnliches Arbeitsentgelt“

i) Der unionsrechtliche Entgeltbegriff

ii) Das Grundgehalt als wesentlicher Teil des Entgelts

iii) Einordnung der Zuschläge als Teil des Entgelts

b) Zeitliche Komponente des „gewöhnlichen Arbeitsentgelts“

c) Verbot der Diskriminierung

4. Zwischenergebnis

VII – Ergebnis

I –    Einleitung

1.        Im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV stellt der Supreme Court des Vereinigten Königreichs (im Folgenden: vorlegendes Gericht) dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen betreffend die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung(2) und Klausel 3 der Europäischen Vereinbarung über die Arbeitszeitorganisation für das fliegende Personal der Zivilluftfahrt, geschlossen von der Vereinigung Europäischer Fluggesellschaften (AEA), der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF), der European Cockpit Association (ECA), der European Regions Airline Association (ERA) und der International Air Carrier Association (IACA) (im Folgenden: Europäische Vereinbarung), die der Richtlinie 2000/79/EG des Rates vom 27. November 2000(3) zwecks ihrer Durchführung beigefügt ist.

2.        Das Vorabentscheidungsersuchen hat seinen Ursprung in einem Rechtsstreit zwischen Frau Williams sowie anderen angestellten Piloten des Luftfahrtunternehmens British Airways und ihrem Arbeitgeber um die Frage, wie das für Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs zu zahlende Entgelt genau zu berechnen ist. Dabei bereiten sowohl die spezifischen Bestimmungen des Luftfahrtsektors, die den Sicherheitsinteressen im Luftverkehr Rechnung tragen und daher als zwingend anzusehen sind, als auch die komplex gegliederte, aus unterschiedlichen Prämien und Zuschlägen bestehende Gehaltsstruktur in dieser Branche bei der Ausarbeitung einer Lösung gewisse Schwierigkeiten. Die Rechtsfragen, die dem Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt werden, betreffen sowohl das Kompetenzgefüge der Union und ihrer Mitgliedstaaten als auch die unionsrechtlichen Vorgaben, die die Sozialpartner beachten müssen, wenn sie bestimmte Sozialrechte – in diesem Fall das Recht auf bezahlten Jahresurlaub – zum Gegenstand verbindlicher Vereinbarungen im Sinne von Art. 139 EG bzw. dem heute geltenden Art. 155 AEUV machen.

II – Normativer Rahmen

A –    Unionsrecht(4)

3.        Art. 139 EG, die Vorgängerbestimmung zu Art. 155 AEUV, ermöglichte den Erlass von Richtlinien zwecks Durchführung der zwischen den Sozialpartnern abgeschlossenen Vereinbarungen:

„(1)      Der Dialog zwischen den Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene kann, falls sie es wünschen, zur Herstellung vertraglicher Beziehungen einschließlich des Abschlusses von Vereinbarungen führen.

(2)      Die Durchführung der auf Gemeinschaftsebene geschlossenen Vereinbarungen erfolgt entweder nach den jeweiligen Verfahren und Gepflogenheiten der Sozialpartner und der Mitgliedstaaten oder – in den durch Artikel 137 erfassten Bereichen – auf gemeinsamen Antrag der Unterzeichnerparteien durch einen Beschluss des Rates auf Vorschlag der Kommission.

Der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit, sofern nicht die betreffende Vereinbarung eine oder mehrere Bestimmungen betreffend einen der Bereiche enthält, für die nach Artikel 137 Absatz 2 Einstimmigkeit erforderlich ist. In diesem Fall beschließt der Rat einstimmig.“

4.        Die Richtlinie 2003/88 ist am 2. August 2004 an die Stelle der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung(5) getreten. Wie die Vorgängerrichtlinie bezweckt sie die Festlegung bestimmter Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung. Ihr unverändert übernommener Art. 7 besagt Folgendes:

„Jahresurlaub

(1)      Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

(2)      Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“

5.        Art. 17 der Richtlinie 2003/88 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten von bestimmten Vorschriften abweichen können. Art. 7 gehört nicht zu den Vorschriften, von denen die Richtlinie 2003/88 eine Abweichung zulässt.

6.        Die Richtlinie 2000/79 setzt die Europäische Vereinbarung um, deren Klausel 3 wie folgt lautet:

„(1)      Das fliegende Personal der Zivilluftfahrt hat Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von mindestens vier Wochen; die Voraussetzungen für diesen Anspruch und für die Gewährung des Jahresurlaubs sind durch die nationalen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten geregelt.

(2)      Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“

B –    Nationales Recht

7.        Das Vereinigte Königreich erließ die Arbeitszeitverordnung für die Zivilluftfahrt 2004 (Working Time Regulations 2004(6), im Folgenden: Arbeitszeitverordnung), um seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/79 nachzukommen.

8.        § 4 der Arbeitszeitverordnung bestimmt Folgendes:

„(1)      Mitglieder einer Flugbesatzung haben Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von mindestens vier Wochen oder bei einer Beschäftigungsdauer von weniger als einem Jahr auf einen entsprechenden Anteil der vier Wochen.

(2)      Der Urlaub, auf den die Mitglieder einer Flugbesatzung nach dieser Verordnung Anspruch haben,

(a)      kann in Abschnitten genommen werden;

(b)      darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Mitglieds der Flugbesatzung nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“

9.        § 9 der Arbeitszeitverordnung verpflichtet den Arbeitgeber sicherzustellen, dass

„pro Monat

a)      keine von ihm angestellte Person während ihrer Arbeitszeit als Mitglied einer Flugbesatzung arbeiten darf, wenn die Gesamtheit der Flugzeiten des Betreffenden innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten, der mit Ende des Monats endet, der dem zu beurteilenden Monat vorausgeht, mehr als 900 Stunden beträgt; und

b)      kein von ihm angestelltes Mitglied einer Flugbesatzung innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten, der mit dem Ende des Monats endet, der dem zu beurteilenden Monat vorausgeht, eine Gesamtarbeitszeit von mehr als 2 000 Stunden hat.“

10.      Es gibt keine Bestimmung in der Arbeitszeitverordnung, die die Natur und die Höhe des Urlaubsentgelts vor Wahrnehmung des Jahresurlaubs festlegt.

III – Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11.      Kläger des Ausgangsverfahrens sind Piloten, die bei British Airways plc angestellt sind. Ihre Arbeitsbedingungen werden von der British Air Line Pilots Association (BALPA) mit British Airways ausgehandelt. Die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen sind in einem Memorandum of Agreement (im Folgenden: MOA) vom 1. April 2005 enthalten.

12.      Nach dem MOA in Verbindung mit den tarifvertraglich vereinbarten Bestimmungen über die monatlichen Flugzeiten besteht das Arbeitsentgelt der Piloten aus drei Bestandteilen. Der erste Bestandteil ist ein fester Jahresbetrag. Der zweite und der dritte Bestandteil sind Zuschläge, deren Höhe sich nach den geflogenen Zeiten („Flying Pay Supplement“ [Zuschlag für geflogene Zeiten] oder „FPS“, ein Betrag von 10 GBP je planmäßiger Flugstunde) und der Dauer der Abwesenheit vom Standort („Time Away from Base Allowance“ [Ausgleichszahlung für Abwesenheitszeiten] oder „TAFB“, ein Betrag von 2,73 GBP je Stunde) richtet. Der FPS ist in vollem Umfang Arbeitsentgelt und zu versteuern. Bei der TAFB gelten 82 % der Zeit als Aufwandsentschädigung, so dass lediglich 18 % als Arbeitsentgelt gelten und zu versteuern sind.

13.      Die Dauer der von einem Piloten geflogenen Zeit ist abhängig von der Flugstrecke und dem Flugplan. Sie beträgt gemäß den Angaben des vorlegenden Gerichts normalerweise 15 Tage pro Monat.

14.      Nach dem MOA beruht das Entgelt für den Jahresurlaub ausschließlich auf dem ersten Bestandteil des Arbeitsentgelts, dem festen Jahresbetrag. Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen allerdings geltend, dass sie aufgrund des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts Anspruch auf wöchentliche Zahlungen auf der Basis aller drei Bestandteile des Arbeitsentgelts hätten.

15.      Sowohl das Employment Tribunal als auch das Employment Appeal Tribunal gaben den Klägern Recht. Der Court of Appeal schloss sich hingegen der Rechtsauffassung von British Airways an und gab dem von ihr eingelegten Rechtsmittel statt.

16.      Der Supreme Court ist der Ansicht, dass, obwohl die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs dahin gehend verstanden werden könne, dass die Richtlinie 2000/79 zur Zahlung eines „gewöhnlichen“ oder „vergleichbaren“ Entgelts verpflichte, der Begriff des „bezahlten Jahresurlaubs“, nicht zuletzt aufgrund der besonderen Umstände des Ausgangsverfahrens, als weiterhin klärungsbedürftig angesehen werden müsse. Darüber hinaus bestünden offene Fragen hinsichtlich des Ermessensspielraums für die nationale Gesetzgebung und/oder Praxis, „Bedingungen für den Anspruch auf solchen Urlaub und dessen Gewährung festzulegen“. Nach Auffassung des Supreme Court kann daher in einem Fall wie dem vorliegenden nicht gesagt werden, dass keine Zweifel an der Rechtslage bestehen.

17.      Aus diesem Grund hat der Supreme Court beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      (1)   Inwieweit, wenn überhaupt, bestimmen oder regeln

a)      Art. 7 der Richtlinie 93/104/EG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und

b)      Klausel 3 der der Richtlinie 2000/79/EG als Anhang beigefügten Europäischen Vereinbarung über die Arbeitszeitorganisation für das fliegende Personal der Zivilluftfahrt

Voraussetzungen in Bezug auf Natur und/oder Höhe des Entgelts, das für Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs zu zahlen ist, und

(2)      in welchem Umfang, wenn überhaupt, können die Mitgliedstaaten im Einklang mit diesen Rechtsvorschriften festlegen, wie dieses Entgelt zu berechnen ist?

2.      Genügt es insbesondere, dass das Urlaubsentgelt, das nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten und/oder Tarifverträgen und/oder individuellen Verträgen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlt wird, so bemessen ist, dass es den Arbeitnehmer in die Lage versetzt und ihn dazu motiviert, den Jahresurlaub zu nehmen und im wahrsten Sinne des Wortes zu genießen; dass es also so bemessen ist, dass keine ernsthafte Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer seinen Jahresurlaub nicht antritt?

3.      Oder ist es erforderlich, dass das Urlaubsentgelt entweder a) genau mit dem „gewöhnlichen“ Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers übereinstimmt oder b) im Wesentlichen mit dem „gewöhnlichen“ Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers vergleichbar ist?

Falls die Fragen 3 a oder 3 b zu bejahen sind, ergeben sich als weitere Fragen:

4.      Handelt es sich bei dem maßgeblichen Arbeits- oder vergleichbaren Entgelt

a)      um das Entgelt, das der Arbeitnehmer während des jeweiligen Urlaubs verdient hätte, wenn er anstelle des Urlaubs gearbeitet hätte, oder

b)      um das Entgelt, das er während eines anderen Zeitraums – und wenn ja, welchen Zeitraums – verdient hat, in dem er gearbeitet hat?

5.      Wie ist ein solches „gewöhnliches“ oder „vergleichbares“ Arbeitsentgelt zu berechnen,

a)      wenn auf das Entgelt, das der Arbeitnehmer für einen Zeitraum erhält, in dem er arbeitet, ein Zuschlag gezahlt wird, wenn und soweit er einer besonderen Tätigkeit nachgeht,

b)      wenn eine jährliche oder sonstige Höchstgrenze für den Umfang oder den Zeitraum besteht, in dem der Arbeitnehmer einer solchen Tätigkeit nachgehen kann, und diese Höchstgrenze bereits ganz oder beinahe überschritten ist, wenn der Jahresurlaub angetreten wird, so dass es dem Arbeitnehmer tatsächlich nicht gestattet gewesen wäre, dieser Tätigkeit nachzugehen, wenn er anstelle des Urlaubs gearbeitet hätte?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

18.      Die Vorlageentscheidung mit Datum vom 24. März 2010 ist am 2. April 2010 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

19.      Schriftliche Erklärungen haben die Parteien des Ausgangsverfahrens, die dänische Regierung sowie die Europäische Kommission innerhalb der in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs genannten Frist eingereicht.

20.      In der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2011 sind die Prozessbevollmächtigten der Parteien des Ausgangsverfahrens, der dänischen Regierung sowie der Kommission erschienen, um Ausführungen zu machen.

V –    Wesentliche Argumente der Parteien

21.      Die Kläger des Ausgangsverfahrens und die Kommission schlagen vor, auf das Vorabentscheidungsersuchen zu antworten, dass nach den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts das gewöhnliche Entgelt eines Arbeitnehmers während des Zeitraums, in dem dieser seinen Jahresurlaub nimmt, weitergezahlt werden müsse. Die Mitgliedstaaten seien zwar im Rahmen der Ergreifung der notwendigen praktischen Maßnahmen befugt, u. a. die Methode zu bestimmen, mit der der bezahlte Jahresurlaub berechnet werde. Allerdings müsse diese Methode den Arbeitnehmern gestatten, ihr gewöhnliches Gehalt für die Dauer ihres Jahresurlaubs weiter zu beziehen.

22.      Bei der Berechnung des gewöhnlichen Entgelts muss nach Ansicht der Kläger des Ausgangsverfahrens ein repräsentativer Zeitraum zugrunde gelegt werden. Dieser Zeitraum werde in der Regel ein der tatsächlichen Inanspruchnahme des Jahresurlaubs vorgelagerter Zeitraum sein. Gleichwohl könne ausnahmsweise ein anderer Zeitraum berücksichtigt werden, um die Weiterzahlung des gewöhnlichen Entgelts sicherzustellen. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass das „gewöhnliche Entgelt“ das durchschnittliche wöchentliche Gehalt innerhalb eines repräsentativen Referenzzeitrahmens widerspiegeln müsse.

23.      Die Zuschläge, die der Arbeitnehmer infolge der Ausübung einer besonderen Tätigkeit erhält und die Bestandteil des gewöhnlichen Entgelts des Arbeitnehmers sind, müssen nach Ansicht der Kläger des Ausgangsverfahrens ebenfalls während des Zeitraums des Jahresurlaubs weitergezahlt werden. Die Kommission weist insoweit darauf hin, dass bei der Berechnung des Urlaubsentgelts alle allgemeinen Beschränkungen berücksichtigt werden müssen.

24.      Die Beklagte des Ausgangsverfahrens schlägt vor, auf das Vorabentscheidungsersuchen zu antworten, dass das Unionsrecht keine Anforderungen hinsichtlich der Natur und der Höhe der im Zeitraum des Jahresurlaub vorzunehmenden Zahlungen aufstellt. Vorsorglich macht sie geltend, dass das Unionsrecht allein verlange, dass die Höhe des Urlaubsentgelts vertraglich festgelegt werde. Jedenfalls müsse das Urlaubsentgelt hinreichend hoch sein, damit die Arbeitnehmer nicht davon abgeschreckt werden, ihr Recht auf Jahresurlaub in Anspruch zu nehmen.

25.      Nach Ansicht der Beklagten des Ausgangsverfahrens reiche es aus, wenn aufgrund der rechtlichen Vorgaben, der Gepflogenheiten und der vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die erfolgte Bezahlung dem Arbeitnehmer ermögliche, seinen Jahresurlaub zu nehmen und zu genießen, so dass keine erhebliche Gefahr bestehe, dass er dies nicht tue. Daher müsse das Urlaubsentgelt nicht notwendigerweise genau dem gewöhnlichen Gehalt des Arbeitnehmers entsprechen und auch nicht mit Letzterem vergleichbar sein.

26.      Die dänische Regierung schlägt vor, das Vorabentscheidungsersuchen dahin gehend zu beantworten, dass das Unionsrecht den Arbeitnehmern das Recht auf einen bezahlten Jahresurlaub von mindestens vier Wochen sowie die Zahlung eines Betrags während dieses Zeitraums, die ihrem gewöhnlichen Gehalt entspricht, gemäß den Bedingungen, die in der Gesetzgebung bzw. der Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten vorgesehen sind, gewährleistet.

27.      Daraus folge, dass die Richtlinie 2003/88 Verhandlungen der Tarifparteien darüber, welche Zuschläge als Teil des Urlaubsentgelts anzusehen sind, nicht entgegenstehe, sofern das Urlaubsentgelt nicht so niedrig angesetzt werde, dass der Arbeitnehmer sich daran gehindert sehe, sein Recht auf bezahlten Jahresurlaub in Anspruch zu nehmen.

VI – Rechtliche Würdigung

A –    Die wesentlichen Fragestellungen der Rechtssache

28.      Die vorliegende Rechtssache bietet dem Gerichtshof die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zum Recht jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub fortzuentwickeln. Zugleich eignet sie sich dazu, diese Rechtsprechung auf andere Tätigkeitsbereiche, für die die Union speziellere, den Bedürfnissen des jeweiligen Arbeitssektors Rechnung tragende Regelungen geschaffen hat, im Interesse einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts zu erweitern.

29.      Die detailliert formulierten Fragen des vorlegenden Gerichts lassen sich im Wesentlichen in drei große Themenkomplexe gliedern, die sich allerdings teilweise überschneiden. Zunächst wird die Frage hinsichtlich der Kompetenz der Union bzw. ihrer Mitgliedstaaten aufgeworfen, den Begriff „bezahlter Jahresurlaub“ rechtlich zu definieren sowie die Methode zur Berechnung des Urlaubsentgelts festzulegen. Weiter wird um Aufschluss darüber gebeten, in welchem quantitativen Verhältnis das Urlaubsentgelt zum gewöhnlichen Arbeitsentgelt nach Maßgabe des Unionsrechts stehen muss. Schließlich wird gefragt, inwiefern Zuschläge, die dem Arbeitnehmer laut Tarifvertrag für besondere Tätigkeiten zustehen, aber auch etwaige Beschränkungen der Arbeitszeit, auf die sich die Sozialpartner tarifvertraglich geeinigt haben, auch bei der Bemessung des Urlaubsentgelts berücksichtigt werden müssen.

30.      Im Interesse der Übersichtlichkeit sind die Vorlagefragen neu zu ordnen und im Rahmen einer umfassenden Untersuchung der jeweiligen Themenkomplexe zu beantworten. Als Erstes werde ich mich der Frage widmen, inwiefern das Unionsrecht Vorgaben zur Regelung der Natur und der Höhe des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub enthält und welche Regelungskompetenzen noch den Mitgliedstaaten verbleiben. Dabei werde ich die Frage klären, wie das Urlaubsentgelt im Verhältnis zum gewöhnlichen Arbeitsentgelt im Regelfall bemessen sein muss. Schließlich werde ich mich der Frage zuwenden, wie in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden zu verfahren ist, in der das Arbeitsentgelt eine komplexe Struktur aufweist.

B –    Unionsrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Natur und der Höhe des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub

1.      Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub in der Unionsrechtsordnung

a)      Unionsrechtliche Grundlagen

31.      Wie ich bereits in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Schultz-Hoff dargelegt habe(7), stellt die Tatsache, dass der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub Aufnahme in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union(8) gefunden hat, die qualifizierteste und endgültige Bestätigung für dessen Grundrechtscharakter dar. Art. 31 Abs. 2 der Charta bestimmt, dass „[j]ede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer … das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub [hat]“(9). Hatte die Charta ursprünglich insofern vornehmlich deklaratorischen Charakter, als sie als Ausdruck der Selbstverpflichtung der Union zur Achtung der Grundrechte zu verstehen war, so hat diese Bestimmung mit dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV endgültig primärrechtlichen Rang innerhalb der Unionsrechtsordnung erlangt(10). Dies hat zur Folge, dass Rechtsakte, die die Organe der Union auf diesem Gebiet erlassen, aufgrund der in Art. 51 Abs. 1 der Charta angeordneten Grundrechtsbindung nunmehr am Maßstab dieser Bestimmung zu messen sind. Ebenfalls von nun an daran gebunden sind die Mitgliedstaaten, soweit sie Unionsrecht durchführen(11).

32.      Der Unionsgesetzgeber bedient sich zur legislativen Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub des Rechtsinstruments der Richtlinie. Die zentralen Bestimmungen, die diesen Anspruch auf Unionsebene regeln und deren Auslegung das vorlegende Gericht begehrt, finden sich in Art. 7 der Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, der den Wortlaut von Art. 7 der Vorgängerrichtlinie 93/104 unverändert übernommen hat und dem der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung den gleichen normativen Gehalt zuweist(12). Danach treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Eine Regelung betreffend die Höhe des Urlaubsentgelts ist darin jedoch ebenso wenig ausdrücklich enthalten wie in der Richtlinie 2000/79.

33.      Die beiden zuvor genannten Richtlinien sehen jeweils in ihrem Art. 14 die Möglichkeit für den Unionsgesetzgeber vor, spezifischere Vorschriften für bestimmte Beschäftigungen oder berufliche Tätigkeiten zu erlassen, die gemäß einer gesetzlichen Vorrangregelung die Bestimmungen der Arbeitszeitrichtlinien verdrängen. Unter diese Kategorie fällt, wie aus Klausel 1 Abs. 2 der Europäischen Vereinbarung ausdrücklich hervorgeht, auch die Richtlinie 2000/79, die insoweit spezifischere Vorschriften im Hinblick auf die Arbeitszeitorganisation für das Flugpersonal im Zivilluftverkehr enthält. Die Union hat diesen Rechtsakt zwecks Durchführung der Europäischen Vereinbarung und in Ausübung der Regelungskompetenzen, die ihr Art. 139 Abs. 2 EG (Art. 155 Abs. 2 AEUV) einräumt, erlassen. Durch ihre Einbeziehung ist die Europäische Vereinbarung integraler Bestandteil der Richtlinie 2000/79 geworden(13). Wie jede Richtlinie ist auch Letztere der Auslegungskompetenz des Gerichtshofs unterworfen(14), so dass das Auslegungsersuchen des vorlegenden Gerichts auch in Bezug auf Klausel 3 der Europäischen Vereinbarung zulässig ist.

b)      Umsetzungskompetenz der Mitgliedstaaten

34.      Nicht der Auslegungskompetenz des Gerichtshofs unterworfen sind hingegen die nationalen Bestimmungen, die die Mitgliedstaaten in Umsetzung der oben genannten Richtlinien erlassen haben. Der Rückgriff auf die Handlungsform der Richtlinie gestattet den Mitgliedstaaten, das Recht auf bezahlten Jahresurlaub in ihren jeweiligen Rechtsordnungen gesetzlich näher auszugestalten. Diese Kompetenz wird ihnen nicht nur in Art. 249 Abs. 3 EG (Art. 288 Abs. 2 AEUV), wonach den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel zur Erreichung des verbindlichen Regelungsziels überlassen wird, sondern ausdrücklich auch in den einzelnen Richtlinien zuerkannt.

35.      Hinzu kommt, dass der Unionsgesetzgeber, der bei der Ausübung seiner Regelungsbefugnisse an den Grundsatz der Subsidiarität gebunden ist, sich laut Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 sowie Klausel 3 der Europäischen Vereinbarung in Verbindung mit dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/79(15) auf die Regelung einzelner wesentlicher Aspekte wie die Mindestdauer des Jahresurlaubs beschränkt hat, während er in Bezug auf die Bedingungen für dessen Inanspruchnahme und Gewährung, wie oben ausgeführt, auf die „einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder einzelstaatlichen Gepflogenheiten“ verwiesen hat. Dieser Ansatz steht, wie der Gerichtshof im Urteil Vereinigtes Königreich/Rat(16) festgestellt hat, auch im Einklang mit dem Regelungsauftrag aus der Ermächtigungsgrundlage im Vertrag, die den Unionsgesetzgeber allein zum Erlass von Mindestvorschriften ermächtigt hat, um durch Harmonisierung zur Hebung des Niveaus der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer, die in erster Linie den Mitgliedstaaten obliegt, beizutragen.

36.      Den Mitgliedstaaten kommt, wie der Gerichtshof in jenem Urteil festgestellt hat, bei der Verwirklichung dieses Rechts eine maßgebliche Rolle zu, da ihnen in Erfüllung des Umsetzungsauftrags des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 die Pflicht obliegt, die notwendigen innerstaatlichen Durchführungsmodalitäten festzulegen(17). Dies schließt die Festlegung der Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub ein, wobei es den Mitgliedstaaten freisteht, die konkreten Umstände zu bezeichnen, unter denen die Arbeitnehmer von diesem Recht, das ihnen für die Gesamtheit der zurückgelegten Beschäftigungszeiten zusteht, Gebrauch machen können(18).

37.      Die in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 enthaltene Verweisung auf die nationalen Rechtsvorschriften ermöglicht den Mitgliedstaaten insbesondere, einen rechtlichen Rahmen festzulegen, der organisatorische und verfahrensmäßige Aspekte bei der Inanspruchnahme von Urlaub regelt, wie z. B. die Planung der Urlaubszeiten, die eventuelle Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber vorher mitzuteilen, wann er seinen Urlaub nehmen will, das Erfordernis der Ableistung einer Mindestarbeitszeit, bevor der Urlaub genommen werden kann, die Kriterien für die anteilsmäßige Berechnung des Jahresurlaubsanspruchs, wenn das Arbeitsverhältnis weniger als ein Jahr andauert, usw.(19) Es handelt sich dabei aber immer um Maßnahmen zur Bestimmung der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung des Urlaubsanspruchs, die als solche von der Richtlinie 2003/88 zugelassen sind.

38.      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof wiederholt angemahnt hat, dass die Mitgliedstaaten bei der Wahrnehmung ihrer Ausgestaltungskompetenzen stets die Grenzen beachten müssen, die ihnen das Unionsrecht setzt(20). Er hat im Wege der Auslegung diese Grenzen aufgezeigt und präzisiert(21). Außerdem lassen sich seiner Rechtsprechung einzelne hilfreiche Anhaltspunkte darauf entnehmen, wie das Urlaubsentgelt bemessen sein muss, damit der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht seiner Funktion beraubt wird. Es empfiehlt sich daher, diese Rechtsprechung zu analysieren und etwaige Grundsätze, die für die Beantwortung der Vorlagefragen nützlich sein könnten, herauszuarbeiten.

2.      Verhältnis der Richtlinie 2000/79 zu den Arbeitszeitrichtlinien und Übertragbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze

39.      Eine Frage, die allerdings vorab geklärt werden muss, ist, inwiefern die Rechtsprechungsgrundsätze, die der Gerichtshof bisher im Zuge der Auslegung von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinien entwickelt hat – auf die ich im Rahmen meiner späteren Ausführungen eingehen werde –, auch auf Klausel 3 der Europäischen Vereinbarung übertragbar sind. Diese Frage ist von besonderer Relevanz, zumal der Gerichtshof, wie bereits erklärt, maßgeblich zur Ermittlung der normativen Tragweite dieses Rechts beigetragen hat. Die Auslegung, die diese Richtlinienbestimmung in der Rechtsprechung gefunden hat, ermöglicht es zugleich, den Umfang der vom Unionsgesetzgeber wahrgenommenen Regelungskompetenzen bezüglich der Berechnung des Urlaubsentgelts zu erschließen. Um das Ergebnis meiner Untersuchung vorwegzunehmen: Aus meiner Sicht sprechen der Wortlaut, der Sinn und Zweck sowie die Entstehungsgeschichte dieser Regelungen dafür.

40.      Zunächst einmal ist festzustellen, dass trotz des Umstands, dass sie auf verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen im Vertrag beruhen, der Sinn und Zweck sowohl der Arbeitszeitrichtlinien als auch der Richtlinie 2000/79 darin besteht, die Arbeitszeit zu gestalten, indem ihr zum Wohl der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer bestimmte Grenzen gesetzt werden. Dies ergibt sich beispielsweise aus dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/79 sowie aus dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88. Zudem ist der Wortlaut von Klausel 3 nahezu identisch mit dem des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinien. Wenn die Unterzeichnerparteien der Europäischen Vereinbarung Klausel 3 eine andere Bedeutung hätten zuweisen wollen, hätten sie sicherlich eine andere Terminologie als in den Arbeitszeitrichtlinien gewählt.

41.      Aus der Entstehungsgeschichte der Europäischen Vereinbarung(22) geht ferner hervor, dass die Bedeutung des Begriffs „bezahlter Jahresurlaub“ in Klausel 3 dazu bestimmt war, inhaltlich dem der Richtlinie 93/104 zu entsprechen. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission für eine Arbeitszeitrichtlinie sah vor, dass ihr Anwendungsbereich sich auf alle Wirtschaftssektoren und Tätigkeitsfelder erstrecken sollte. Der Rat entschied hingegen, bestimmte Tätigkeitsbereiche vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen, allerdings nicht, weil er etwa der Auffassung war, dass die Gesundheit und die Sicherheit in diesen Bereichen hinreichend geschützt wären, sondern weil er sich der Tatsache bewusst war, dass die in diesen Tätigkeitsfeldern beschäftigten Arbeitnehmer in der Regel weitab von zu Hause arbeiten müssen, so dass er den Erlass von spezifischeren Vorschriften für notwendig hielt. In ihrem „Weißbuch zu den Sektoren und Tätigkeitsbereichen, die von der Arbeitszeitrichtlinie ausgeschlossen sind“ schlug die Kommission u. a. einen differenzierten Ansatz vor, dem zufolge für jeden Tätigkeitsbereich eigene Regelungen in Bezug auf Arbeitszeit und Ruhezeiten für mobile Arbeitnehmer erlassen würden(23). Nach einer Auswertung der Reaktionen der Sozialpartner beschloss die Kommission, diesen Ansatz vorzuschlagen, der sich letzten Endes in der Unionsrechtsetzung niederschlug(24). Gemäß diesem differenzierten Ansatz sollte die Europäische Vereinbarung ausschließlich für das mobile Personal der Zivilluftfahrt gelten und dabei in Klausel 3 das in Art. 7 der Richtlinie 93/104 vorgesehene Recht auf bezahlten Jahresurlaub unverändert übernehmen. Aus dem Richtlinienvorschlag der Kommission(25) geht schließlich hervor, dass die Europäische Vereinbarung für das fliegende Personal der Zivilluftfahrt u. a. dazu bestimmt war, den in Ziffer 8 der Gemeinschaftscharta der Grundrechte der Arbeitnehmer gewährleisteten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub umzusetzen. Die Entstehungsgeschichte der Richtlinie 2000/79 belegt somit, dass es die Absicht des Unionsgesetzgebers war, die bereits geltenden Bestimmungen betreffend diesen Anspruch auf die mobilen Arbeitnehmer der Zivilluftfahrt auszuweiten, ohne den Wesensgehalt dieses Rechts zu verändern.

42.      Die Entstehungsgeschichte der Richtlinie 2003/88 bestätigt ebenfalls, dass die Bestimmungen, die den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub regeln, dazu bestimmt waren, auch auf mobile Arbeitnehmer, einschließlich solche der Zivilluftfahrt, Anwendung zu finden. Die Richtlinie 93/104 wurde nämlich später durch die Richtlinie 2000/34 geändert, wobei die Ausnahmen, die bis dahin entsprechend dem vorgeschlagenen differenzierten Ansatz für das Transportwesen bestanden (von den Regelungen für Seeleute abgesehen), abgeschafft wurden. Infolgedessen sind die Bestimmungen betreffend den Jahresurlaub auf mobile Arbeitnehmer in den ausgeschlossenen Sektoren und Tätigkeitsbereichen ausgedehnt worden, wie aus dem neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/34(26) unmissverständlich hervorgeht. Hingegen sind die Bestimmungen über Arbeitszeit und Ruhezeiten auf selbige laut dem zehnten Erwägungsgrund(27) lediglich angepasst worden. Darüber hinaus stellt Art. 2 der Richtlinie 2000/79 klar, dass die Durchführung dieser Richtlinie unter keinen Umständen ein hinreichender Grund zur Rechtfertigung einer Senkung des allgemeinen Schutzniveaus für Arbeitnehmer in den von dieser Richtlinie abgedeckten Bereichen ist. Mit anderen Worten, diese Bestimmung verbietet den Mitgliedstaaten, hinter ein Schutzniveau zurückzufallen, das bereits durch die Richtlinie 93/104 in ihrer durch die Richtlinie 2000/34 geänderten Fassung erreicht worden ist. Dies entspricht genau der Aussage im 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/79(28).

43.      Aus alledem folgt, dass einer Übertragung der Rechtsprechungsgrundsätze, die der Gerichtshof bisher im Zuge der Auslegung von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinien entwickelt hat, auf Klausel 3 der Europäischen Vereinbarung nichts entgegensteht.

3.      Die Rechtsprechungsgrundsätze zum Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub

a)      Zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Urlaubszeitraum

44.      Die Bedeutung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs bereits seit Langem anerkannt. Nach ständiger Rechtsprechung ist er als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen, von dem nicht abgewichen werden darf und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den in der Richtlinie 93/104 bzw. der Nachfolgerichtlinie 2003/88 selbst ausdrücklich gezogenen Grenzen umsetzen dürfen(29). Mit der gesetzlichen Verankerung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub auf der Ebene des Sekundärrechts wollte der Unionsgesetzgeber gewährleisten, dass ein Arbeitnehmer in allen Mitgliedstaaten über eine tatsächliche Ruhezeit verfügt, „damit ein wirksamer Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit sichergestellt wird“(30). Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub ist es, dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen(31).

45.      Was das spezifische und für die Zwecke des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens relevante Recht des Arbeitnehmers auf Zahlung des Urlaubsentgelts angeht, ist, wie bereits erwähnt, festzustellen, dass weder die Arbeitszeitrichtlinien noch die Richtlinie 2000/79 Bestimmungen enthalten, die ausdrücklich die Höhe des zu zahlenden Urlaubsentgelts bzw. die Methode ihrer Berechnung festlegen. Allerdings liefert eine Analyse der Rechtsprechung des Gerichtshofs wichtige Anhaltspunkte darüber, welche unionsrechtlichen Anforderungen das Urlaubsentgelt erfüllen muss.

46.      Dazu ist zunächst auf das Urteil Robinson-Steele zu verweisen, in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass die Arbeitzeitrichtlinien den Anspruch auf Jahresurlaub und denjenigen auf Zahlung des Urlaubsentgelts als „die zwei Teile eines einzigen Anspruchs“ behandeln(32). Aus dieser Aussage lässt sich bereits folgende erste wichtige rechtliche Schlussfolgerung ziehen: Da beide Ansprüche nach Auffassung des Gerichtshofs als untrennbar voneinander anzusehen sind, sind Abweichungen vom Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts bei der Umsetzung des Unionsrechts auf mitgliedstaatlicher Ebene ebenso wenig gestattet, sofern die Arbeitszeitrichtlinien dies nicht ausdrücklich vorsehen. Dazu ist festzustellen, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88 nicht zu den Vorschriften gehört, von denen diese Richtlinie ausdrücklich Abweichungen zulässt. Angesichts der Tatsache, dass ein Abweichen von dieser Vorschrift zulasten des Arbeitnehmers weder auf gesetzlichem noch auf vertraglichem Wege gestattet ist, ist der Auffassung der dänischen Regierung(33) grundsätzlich darin zuzustimmen, dass der unionsrechtliche Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts zwingenden Charakter hat(34). Darüber hinaus ist zu beachten, dass dieser als besonders bedeutsam angesehene Grundsatz des Sozialrechts der Union nach der Rechtsprechung auch nicht restriktiv ausgelegt werden darf(35).

47.      Nach Auffassung des Gerichtshofs soll durch das Erfordernis der Zahlung dieses Urlaubsentgelts der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs „in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist“. Die weiteren Feststellungen des Gerichtshofs hinsichtlich der Höhe des Urlaubsentgelts sind meines Erachtens hinreichend klar, hat er doch in Randnr. 50 des Urteils Robinson-Steele ausdrücklich festgestellt, dass der in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/104 enthaltene Begriff des „bezahlten Jahresurlaubs“ bedeutet, dass „das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne der Richtlinie weiterzugewähren ist“. Restzweifel bei der Deutung dieses Satzes dürften ferner durch die anschließende klarstellende Aussage („mit anderen Worten“) ausgeräumt werden, wonach „der Arbeitnehmer für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten [muss]“. Diese Aussage ist dahin gehend zu verstehen, dass das Urlaubsentgelt der Höhe nach dem gewöhnlichen Arbeitsentgelt genau entsprechen muss.

48.      Zwar ist dem vorlegenden Gericht darin zuzustimmen, dass der Streitgegenstand in der Rechtssache Robinson-Steele sich von dem der vorliegenden unterscheidet, ging es in jener Rechtssache doch im Wesentlichen um die Vereinbarkeit mit Unionsrecht einer bestimmten Praxis, die darin bestand, das Entgelt für den Mindestjahresurlaub in Form von Teilbeträgen über das entsprechende Arbeitsjahr verteilt, und zwar zusammen mit dem Entgelt für geleistete Arbeit und nicht etwa als Entgelt für einen bestimmten Zeitabschnitt, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich Urlaub nahm, auszuzahlen. Gleichwohl sind die Erwägungen, die der Gerichtshof in Randnr. 50 jenes Urteils seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, allgemein gefasst und beziehen sich keineswegs allein auf die besonderen Umstände, die jener Rechtssache zugrunde lagen. Sie beanspruchen vielmehr allgemeine Geltung und müssen dementsprechend auch bei der Beantwortung der Vorlagefragen berücksichtigt werden. Die Allgemeingültigkeit dieser Erwägungen zeigt sich daran, dass der Gerichtshof sie in Randnr. 58 des Urteils Schultz-Hoff in einem anderen Zusammenhang wiederaufgegriffen hat, und zwar bei der Frage, wie die in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 vorgesehene Vergütung zu berechnen ist, auf die ein Arbeitnehmer Anspruch hat, der aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage war, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses auszuüben. Darin bestätigt der Gerichtshof seine Auslegung, wonach „das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs weiterzugewähren ist“ und „der Arbeitnehmer das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten muss“.

49.      Ferner liefern sowohl eine systematische als auch eine grammatikalische Auslegung Argumente für diese Rechtsauffassung. Dazu ist eine Gegenüberstellung der Richtlinie 2003/88 bzw. der Richtlinie 2000/79 mit anderen Rechtsakten der Union, deren Bestimmungen eine abgewandelte Form der Entgeltfortzahlung im Urlaubsfall vorsehen, erforderlich. Die Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz(36) sieht zum Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen vor Risiken gegen ihre Sicherheit oder Gesundheit sowie vor möglichen Auswirkungen auf Schwangerschaft oder Stillzeit neben einer Umgestaltung der Arbeitsbedingungen und einem Arbeitsplatzwechsel auch die Beurlaubung der Arbeitnehmerin vor, wobei gemäß Art. 11 Nr. 1 der Richtlinie „die mit dem Arbeitsvertrag verbundenen Rechte der Arbeitnehmerinnen, einschließlich der Fortzahlung eines Arbeitsentgelts und/oder des Anspruchs auf eine angemessene Sozialleistung, entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten gewährleistet sein [müssen]“. Diese Bestimmung weist eine Besonderheit auf, auf die der Gerichtshof zuletzt in den Urteilen vom 1. Juli 2010 in den Rechtssachen Parviainen(37) und Gassmayr(38) zutreffend hingewiesen hat. Darin hat der Gerichtshof auf den Umstand aufmerksam gemacht, dass diese Richtlinienbestimmung in den meisten der zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie vorliegenden Sprachfassungen lediglich die Fortzahlung „eines“ Arbeitsentgelts und nicht „des“ Arbeitsentgelts vorsieht(39). Aus der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung sowie aus anderen Anhaltspunkten hat der Gerichtshof die Schlussfolgerung gezogen, dass eine schwangere Arbeitnehmerin, der gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie vorübergehend ein anderer Arbeitsplatz als der, auf dem sie vor ihrer Schwangerschaft beschäftigt war, zugewiesen wird, nach Art. 11 Nr. 1 der Richtlinie keinen Anspruch auf das Entgelt hat, das vor diesem Arbeitsplatzwechsel durchschnittlich gezahlt worden war(40). Eine vergleichbare Rechtslage besteht in Bezug auf Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 bzw. Klausel 3 der Europäischen Vereinbarung indes nicht. Der Wortlaut dieser Bestimmungen ist insofern eindeutig, als nach allen Sprachfassungen der Jahresurlaub schlicht „bezahlt“(41) sein muss, was für eine Kontinuität im Sinne einer Fortzahlung des „gewöhnlichen“ Arbeitsentgelts entsprechend der Rechtsprechung spricht.

50.      Ein weiterer Beleg für die hier vertretene Auffassung ergibt sich schließlich aus den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), denen laut dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88 hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung zu tragen ist. Im Rahmen der IAO als Sonderorganisation der Vereinten Nationen ist das Recht auf bezahlten Mindestjahresurlaub bisher Gegenstand zweier multilateraler Abkommen gewesen, wobei das am 30. Juni 1973 in Kraft getretene Abkommen Nr. 132(42) das bis dahin geltende Abkommen Nr. 52(43) geändert hat. Sie enthalten zwingende Vorgaben an die Abkommensstaaten im Hinblick auf die Verwirklichung dieses sozialen Grundrechts in ihren nationalen Rechtsordnungen. Das Übereinkommen Nr. 132, dessen Relevanz für die Auslegung der Richtlinie 2003/88 der Gerichtshof zuletzt im Urteil Schultz-Hoff ausdrücklich bestätigt hat(44), besagt in Art. 7 Abs. 1, dass jede Person, die den in diesem Übereinkommen vorgesehenen Urlaub nimmt, für die ganze Urlaubsdauer „mindestens ihr normales oder durchschnittliches Entgelt“ zu erhalten hat.

51.      Angesichts der vorstehenden Erwägungen scheint mir die in Randnr. 29 der Vorlageentscheidung geäußerte Vermutung des vorlegenden Gerichts, der Gerichtshof könnte im Urteil Schultz-Hoff mit der Verwendung des Wortes „vergleichbar“(45) – bezogen auf die Lage, in die der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs durch das Erfordernis der Zahlung des Urlaubsentgelts versetzt werden muss – etwas anderes gemeint haben, unter Umständen auch die Möglichkeit, dass Abzüge vom gewöhnlichen Arbeitsentgelt zulässigerweise gemacht würden, wohl auf einem falschen Verständnis der Rechtsprechung zu beruhen. Zudem entsprechen die Ausführungen des Gerichtshofs in jenem Urteil voll und ganz meinen Darlegungen in der Rechtssache Stringer u. a.(46), wonach die Ersatzvergütung, die ein Arbeitnehmer erhält, der Höhe nach seinem üblichen Gehalt „gleichwertig“ sein muss. Ungeachtet der abweichenden Wortwahl geht es letztlich um dasselbe, nämlich darum, im Wege einer teleologischen Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinien sicherzustellen, dass die Richtlinienziele nicht durch eine unsachgemäße Umsetzung vereitelt werden. Es gilt dabei insbesondere sicherzustellen, dass dem Arbeitnehmer keine Nachteile daraus entstehen, dass er sich zur Wahrnehmung seines Rechts auf Jahresurlaub entschließt. Zu ebenjenen Nachteilen gehören in erster Linie etwaige finanzielle Einbußen, die ihn je nach Ausgangssituation davon abhalten würden.

52.      Nach alledem ist festzustellen, dass das Unionsrecht in der Auslegung durch den Gerichtshof hinreichend klare Vorgaben dafür enthält, wie das Urlaubsentgelt bemessen sein muss. Danach muss das Urlaubsentgelt jedenfalls der Höhe nach dem Arbeitsentgelt entsprechen.

b)      Schlussfolgerung: Keine unzulässige Orientierung am Mindestbedarf

53.      Durch die Weitergewährung des Arbeitsentgelts für die Dauer des Jahresurlaubs soll letztlich die Erholungsfunktion des Jahresurlaubs effektiv geschützt werden. Die an Sinn und Zweck der Arbeitszeitrichtlinien angelehnte Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinien, wie sie in die Rechtsprechung des Gerichtshofs Eingang gefunden hat, verbietet es jedenfalls, eine am Minimum des Lebensunterhalts orientierte Berechnung des Urlaubsentgelts vorzunehmen. Es wäre mit dieser Rechtsprechung unvereinbar, wenn, wie von der Beklagten des Ausgangsverfahrens vorgeschlagen(47), als Referenzbetrag für die Berechnung des Urlaubsentgelts allein jener Betrag zugrunde gelegt würde, der gerade noch hoch genug wäre, um den Arbeitnehmer nicht an der Inanspruchnahme seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu hindern. Denn zum einen wäre eine solche Maßnahme keine „Weitergewährung des Arbeitsentgelts“ für die Dauer des Jahresurlaubs. Die vorgeschlagene Auslegung würde vielmehr bedeuten, die vom Gerichtshof aufgestellten Anforderungen an ein richtlinienkonformes Urlaubsentgelt nachträglich umzuschreiben, und zwar zulasten der Arbeitnehmer. Zum anderen würde eine entsprechende Auslegung dazu führen, einen Rechtszustand für die Arbeitnehmer zu schaffen, der weder den Erfordernissen einer unionsweiten Mindestharmonisierung noch dem Gebot der Rechtssicherheit genügte.

54.      Mindestharmonisierung, wie sie auch die Europäische Vereinbarung gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/79 für den Bereich der Luftfahrt anstrebt, bedeutet nämlich nicht, dass das Tätigwerden der Union auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beschränkt wird. Es handelt sich also keineswegs um eine Minimalharmonisierung. Ziel ist es nicht, das in einem Mitgliedstaat geltende niedrigste Schutzniveau unionsweit festzuschreiben, sondern eine Formulierung des für die jeweilige Unionspolitik unabdingbaren Basisschutzes(48). Alles andere wäre unvereinbar mit der in Art. 136 EG festgeschriebenen Zielsetzung, „die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern“, um dadurch „auf dem Wege des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen“ sowie „einen angemessenen sozialen Schutz zu gewähren“. Eine Bestimmung, die Mindeststandards für die Sicherheit und die Gesundheit von Arbeitnehmern aufstellt, muss objektiv und klar gefasst sein, damit ihre effektive und einheitliche Umsetzung auf dem gesamten Gebiet der Union sichergestellt wird. Ein etwaiges Kriterium der „finanziellen Verkraftbarkeit“ des Jahresurlaubs, wie die Beklagte des Ausgangsverfahrens im Endeffekt vorschlägt, wäre nicht praktikabel, zumal dessen Anwendung – wie die Kläger des Ausgangsverfahrens zutreffend bemerken(49) – von der jeweiligen Situation, insbesondere den finanziellen Belastungen jedes einzelnen Arbeitnehmers, abhängen würde. Die Anwendung eines solchen unbestimmten Kriteriums würde letztlich den Anspruch auf Jahresurlaub untergraben.

4.      Kompetenz der Mitgliedstaaten zur Berechnung des Urlaubsentgelts

55.      Die Bestimmung der Methode für die Berechnung der Urlaubsentgelts fällt mangels ausdrücklicher Vorgaben in den Arbeitszeitrichtlinien bzw. in der Richtlinie 2000/79 wiederum in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, denen, wie bereits dargelegt, die Pflicht obliegt, die notwendigen innerstaatlichen Durchführungsmodalitäten festzulegen. Zu einer entsprechenden Schlussfolgerung ist der Gerichtshof im Urteil Schultz-Hoff(50) im Zusammenhang mit der ebenso wenig unionsrechtlich geregelten Frage gekommen, wie die finanzielle Vergütung, die gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Stelle der Mindestzeit oder der Mindestzeiten bezahlten Jahresurlaubs tritt, zu berechnen ist. Es gelten insofern die „einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten“, auf die die Richtlinien verweisen. Dabei haben die Mitgliedstaaten darauf zu achten, dass die nationalen Anwendungsmodalitäten die sich aus dem Unionsrecht selbst ergebenden Grenzen, einschließlich der Rechtsprechungsgrundsätze, auf die ich im Rahmen meiner Ausführungen eingegangen bin, beachten.

5.      Zwischenergebnis

56.      Die Vorlagefrage 1 des vorlegenden Gerichts, die insofern allgemein gefasst ist, als sie grundsätzliche Aspekte des Rechts auf Zahlung des Urlaubsentgelts zum Gegenstand hat, sehe ich durch meine eingehenden Ausführungen sowohl zum Umfang der vom Unionsgesetzgeber wahrgenommenen und den Mitgliedstaaten verbliebenen Regelungskompetenzen als auch zu den unionsrechtlichen Vorgaben, die den Arbeitszeitrichtlinien, der Richtlinie 2000/79 und der Rechtsprechung des Gerichtshofs entnommen werden können, beantwortet.

57.      Die etwas konkreter formulierten Vorlagefragen 2 und 3 sind dahin gehend zu beantworten, dass das Urlaubsentgelt grundsätzlich so bemessen sein muss, dass es mit dem „gewöhnlichen“ Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers übereinstimmt. Eine finanzielle Vergütung, die als Urlaubsentgelt gewährt wird, genügt jedenfalls den unionsrechtlichen Vorgaben nicht, wenn diese gerade noch so bemessen ist, dass keine ernsthafte Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer seinen Jahresurlaub nicht antritt.

C –    Vorgehen bei komplexen Gehaltsstrukturen

1.      Allgemeines

58.      Der Grundsatz, wonach das Urlaubsentgelt so bemessen sein muss, dass es mit dem „gewöhnlichen“ Arbeitsentgelt übereinstimmt, bedarf gewiss einer Anpassung an solche Fallgestaltungen, in denen die Höhe des Arbeitsentgelts gerade nicht konstant ist, da sie, bedingt durch einzelne, von den Tarifparteien als relevant erachtete Faktoren, von einem Zeitraum zum anderen variieren kann. Solche Faktoren können entweder an die berufliche Stellung eines Arbeitnehmers innerhalb des Unternehmens oder an bestimmte von ihm erbrachte Leistungen anknüpfen. Zu letzterer Kategorie gehören Zuschläge in Form von besonderen Entgelten und Aufwandsentschädigungen.

59.      Die Vorlagefragen 4 und 5 laufen letztlich darauf hinaus, vom Gerichtshof feststellen zu lassen, was in einer Fallkonstellation wie der des Ausgangsverfahrens unter einem „gewöhnlichen Arbeitsentgelt“ im Urlaubszeitraum zu verstehen ist. Dabei ist festzustellen, dass dieser Begriff eine zeitliche und eine materielle Komponente hat. Beide Vorlagefragen nehmen auf diese Komponenten Bezug. Mit der Vorlagefrage 4 wird um Auskunft darüber ersucht, ob als relevanter Zeitraum der tatsächliche Zeitraum, d. h. derjenige, während dessen sich der Arbeitnehmer im Urlaub befand, oder ein anderer Zeitraum zugrunde gelegt werden soll. Mit der Vorlagefrage 5 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf Auszahlung eines Zuschlags hätte, wenn und soweit er einer besonderen Tätigkeit nachgegangen wäre. Falls dies zu bejahen sein sollte, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob gegebenenfalls Höchstgrenzen für den Umfang oder den Zeitraum solcher Tätigkeiten bei der Berechnung des Urlaubsentgelts mitberücksichtigt werden müssen.

2.      Unionsrechtliche Vorgaben und verbliebene Kompetenzen der Mitgliedstaaten bei der Regelung der Einzelheiten des Urlaubsentgelts

60.      Einer abschließenden Beurteilung dessen, was unter einem „gewöhnlichen Arbeitsentgelt“ im Sinne der Rechtsprechung zu verstehen ist, steht nicht zuletzt die Knappheit der Regelungen der Union in diesem Bereich entgegen, die einer Auslegung durch den Gerichtshof zwangsläufig Grenzen setzt.

61.      Die dänische Regierung weist zur Begründung des Fehlens einer Regelungskompetenz der Union und damit auch einer Auslegungsbefugnis des Gerichtshofs auf Art. 137 Abs. 5 EG hin, wonach dieser Artikel u. a. ausdrücklich nicht für das „Arbeitsentgelt“ gilt. Allerdings sehe ich hier nicht das eigentliche Hindernis, denn wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung wiederholt erklärt hat(51), ist zu bedenken, dass diese Vertragsbestimmung eng ausgelegt werden muss, damit die Tragweite der Abs. 1 bis 4 nicht ungebührlich beeinträchtigt wird oder die mit Art. 136 EG verfolgten Ziele nicht in Frage gestellt werden. Diese Vertragsbestimmung darf daher nicht so ausgelegt werden, dass ihr Anwendungsbereich sich auf alle Fragen erstreckt, die mit dem Arbeitsentgelt in irgendeinem Zusammenhang stehen. Wie der Gerichtshof im Urteil Impact unter Verweis auf das Urteil Del Cerro Alonso(52) erklärt hat, muss diese Ausnahmeregelung vielmehr so verstanden werden, dass sie sich auf Maßnahmen wie eine Vereinheitlichung einzelner oder aller Bestandteile und/oder der Höhe der Löhne und Gehälter oder die Einführung eines gemeinschaftlichen Mindestlohns bezieht, mit denen das Unionsrecht unmittelbar in die Festsetzung der Arbeitsentgelte innerhalb der Union eingreifen würde(53). Dementsprechend ist die Festlegung der Höhe der verschiedenen Bestandteile des Arbeitsentgelts eines Arbeitnehmers der Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers entzogen und unbestreitbar Sache der zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten, wobei diese Stellen gleichwohl gehalten sind, bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit in Bereichen, in denen die Union nicht zuständig ist, das Unionsrecht zu beachten(54).

62.      Dies sagt jedoch nichts darüber aus, ob der Unionsgesetzgeber im Fall von komplexen Gehaltsstrukturen zur Regelung der Höhe des Urlaubsentgelts befugt ist. Wie Generalanwältin Kokott in jener Rechtssache nämlich zutreffend erklärt hat, hindert diese Ausnahmeregelung die Union nicht daran, Regelungen mit finanziellen Auswirkungen zu treffen, etwa in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (Art. 137 Abs. 1 Buchst. b EG) oder im Hinblick auf die Verbesserung der Arbeitsumwelt zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer (Art. 137 Abs. 1 Buchst. a EG). Sie hindert den Unionsgesetzgeber nicht daran, Vorgaben für das nationale Arbeitsrecht zu machen, die zu einem Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub führen, wie in Art. 7 der Richtlinie 2003/88 geschehen(55). Gleiches gilt für die nahezu identischen Bestimmungen in Klausel 3 der Europäischen Vereinbarung, die der Richtlinie 2000/79 beigefügt ist, zumal die Ausnahmeklausel des Art. 137 Abs. 5 EG ebenso die Rechtsgrundlage dieser Richtlinie in Art. 139 EG erfasst(56). Mit anderen Worten, der Unionsgesetzgeber besitzt nicht nur eine Kompetenz für die Regelung der in den Richtlinien 2003/88 und 2000/79 enthaltenen Gegenstände, sondern wäre darüber hinaus rechtlich gesehen grundsätzlich befugt gewesen, detailliertere Vorschriften bezüglich der Natur und der Höhe des Urlaubsentgelts zu erlassen.

63.      Der Unionsgesetzgeber hat aber davon abgesehen, in den oben genannten Bestimmungen festzulegen, wie das Urlaubsentgelt im Einzelnen zusammengesetzt sein muss. Stattdessen hat er auf die einzelstaatlichen „Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten“ verwiesen. Der Wille des Unionsgesetzgebers, den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern einen weiten Ausgestaltungsspielraum einzuräumen, kommt im zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/79 zum Ausdruck, wonach „das angemessene Instrument für die Durchführung der Vereinbarung eine Richtlinie im Sinne von Art. 249 des Vertrags [ist]“. Für den Bereich der Luftfahrt erfolgt eine zusätzliche Verweisung auf das nationale Recht insofern, als laut dem zwölften Erwägungsgrund den Mitgliedstaaten die Freiheit gelassen wird, „die in der Vereinbarung verwendeten Begriffe, die dort nicht eigens definiert sind, in Übereinstimmung mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten zu bestimmen, wie es auch bei den übrigen sozialpolitischen Richtlinien der Fall ist, die ähnliche Begriffe verwenden. Allerdings müssen die Begriffsbestimmungen mit der Vereinbarung kompatibel sein“. Art. 3 der Richtlinie 2000/79 verpflichtet zudem die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass „die Sozialpartner im Wege von Vereinbarungen die notwendigen Vorkehrungen getroffen haben“.

64.      Auf diesem Wege wird auf Unionsebene im Grunde ein ähnlicher Ansatz verfolgt wie bei der Umsetzung des IAO-Übereinkommens Nr. 132, das auch keine spezifischen Bestimmungen zur Berechnung des Urlaubsentgelts enthält und stattdessen den Unterzeichnerstaaten einen weiten Ausgestaltungsspielraum einräumt(57). So schreibt dessen Art. 1 vor, dass „die Bestimmungen dieses Übereinkommens durch die innerstaatliche Gesetzgebung durchzuführen [sind], soweit ihre Durchführung nicht durch Gesamtarbeitsverträge, Schiedssprüche, gerichtliche Entscheidungen, amtliche Verfahren zur Lohnfestsetzung oder auf irgendeine andere, den innerstaatlichen Gepflogenheiten entsprechende Art und Weise erfolgt, die unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse jedes Landes geeignet erscheint“.

65.      Ein solcher Ansatz entspricht sowohl dem Subsidiaritätsgrundsatz als auch der Notwendigkeit, die Tarifautonomie der Sozialpartner bei Lohnverhandlungen zu beachten. Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, dass das Recht auf Kollektivverhandlungen und die diesem Recht innewohnende Tarifautonomie in der Unionsrechtsordnung geschützte Grundrechte darstellen(58). Das Recht auf Kollektivverhandlungen wird sowohl in unterschiedlichen internationalen Rechtsakten, bei denen die Mitgliedstaaten mitgewirkt haben oder denen sie beigetreten sind – wie der am 18. Oktober 1961 in Turin unterzeichneten Europäischen Sozialcharta(59), die überdies ausdrücklich in Art. 136 EG erwähnt wird –, als auch in Rechtsakten anerkannt, die die Mitgliedstaaten auf Gemeinschaftsebene oder im Rahmen der Europäischen Union erarbeitet haben, wie der anlässlich der Tagung des Europäischen Rates in Straßburg am 9. Dezember 1989 angenommenen und ebenfalls in Art. 136 EG erwähnten Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer(60) und der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union(61).

66.      Ein solcher Ansatz entspricht zudem den Erfordernissen der Praxis, zumal es sich als überaus schwierig erweist, einheitliche Regelungen für alle Branchen zu erlassen(62). Die Ausführungen der Parteien des Ausgangsverfahrens zeigen gerade, auf welche Flexibilität der Luftfahrtsektor angewiesen ist. Es müssen Regelungen geschaffen werden, die den Besonderheiten jeder Branche Rechnung tragen und von den Sozialpartnern akzeptiert werden. Der Gerichtshof muss diese Zurückhaltung des Unionsgesetzgebers auch bei der Auslegung des Unionsrechts berücksichtigen. Andererseits ist zu bedenken, dass der mitgliedstaatliche Gestaltungsspielraum, wie bereits erwähnt(63), nicht unbegrenzt ist. Die Umsetzungsakte müssen sich vielmehr in einen unionsrechtlichen Rahmen fügen.

67.      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass es in Ermangelung entgegenstehender unionsrechtlicher Vorgaben den Mitgliedstaaten grundsätzlich freisteht, nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen arbeitsrechtlichen Vorschriften zu gestatten, dass das Arbeitsentgelt in ein Basisgehalt und mehrere Zuschläge, die der Arbeitnehmer in Abhängigkeit von seinen Leistungen erhält, aufgespaltet wird.

3.      Zusammensetzung des Urlaubsentgelts

a)      Materielle Komponente des Begriffs „gewöhnliches Arbeitsentgelt“

68.      Was die materielle Komponente des Begriffs „gewöhnliches Arbeitsentgelt“ im Fall einer komplexen Gehaltsstruktur angeht, die Gegenstand der Vorlagefrage 5 ist, bin ich der Ansicht, dass aus dem zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/79 nicht ohne Weiteres eine ausschließliche Kompetenz der Mitgliedstaaten bzw. der Sozialpartner abgeleitet werden kann, im Einzelnen zu bestimmen, welche Beträge als Teil des „Urlaubsentgelts“ angesehen werden sollen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Begriff des „Urlaubsentgelts“ an den Begriff des „Arbeitsentgelts“ anknüpft, müsste dieses dementsprechend auch grundsätzlich unverkürzt während des Urlaubszeitraums weitergezahlt werden. Letzterer Begriff ist in erheblichem Maße unionsrechtlich geprägt.

i)      Der unionsrechtliche Entgeltbegriff

69.      Zwar enthalten weder die Arbeitszeitrichtlinien noch die Richtlinie 2000/79 eine Definition des Begriffs „Arbeitsentgelt“, doch sieht das Unionsrecht eine hinreichend klare Definition in Art. 141 Abs. 2 EG vor, auf die der Gerichtshof ebenfalls bei der Auslegung von Richtlinien zurückgegriffen hat, die – wie auch die Richtlinie 93/104 selbst, um die es hier u. a. geht – auf der Ermächtigungsgrundlage des Art. 118a EG-Vertrag(64) erlassen wurde. Diese Definition entspricht darüber hinaus den Standards des internationalen Arbeitsrechts, ist sie doch entstehungsgeschichtlich an Art. 1 Buchst. a des IAO-Übereinkommens Nr. 100(65) angelehnt(66). Ein Rückgriff auf die Begriffe des Primärrechts erscheint mir vor diesem Hintergrund auch im vorliegenden Fall bei der Auslegung der Richtlinie 2000/79 möglich.

70.      Es ist also der Frage nachzugehen, welche Vergütungen gemäß dieser Definition als Bestandteile des Arbeitsentgelts angesehen werden müssten.

71.      Unter Entgelt im Sinne von Art. 141 Abs. 2 EG sind nach der Legaldefinition „die üblichen Grund‑ oder Mindestlöhne und ‑gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt“. Dabei ist es gleichgültig, ob die Leistung aufgrund des Arbeitsvertrags, einer Rechtsvorschrift oder freiwillig erbracht wird(67). Diese Bestimmung ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs tendenziell ausweitend gedeutet worden(68). Aus diesem Grund kann der Entgeltbegriff in Art. 141 Abs. 2 EG unter Umständen weit über einen nationalen Entgeltbegriff hinausgehen(69). Der Entgeltcharakter jeder Vergütung ist im Wege einer individuellen Betrachtung zu ermitteln.

72.      Bevor ich jedoch die einzelnen streitgegenständlichen Gehaltsbestandteile auf ihren Entgeltcharakter hin untersuche, möchte ich kurz auf die Notwendigkeit hinweisen, an der bisherigen weiten Auslegung des unionsrechtlichen Entgeltbegriffs festzuhalten. Denn gerade in Fallgestaltungen wie der vorliegenden, in denen das Gehalt sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzt, birgt eine zu enge Auslegung die Gefahr, dem Arbeitgeber einen Anreiz zu geben, einzelne Bestandteile als nicht zum Entgelt gehörend zu deklarieren und/oder das Gehalt sogar weiter aufzusplittern, um so wenig an Urlaubsentgelt wie möglich zu zahlen. Eine solche Praxis würde aber dazu führen, dass der Arbeitnehmer von der Inanspruchnahme des bezahlten Jahresurlaubs abgeschreckt und damit der Erholungszweck vereitelt würde. Auf diese Gefahr weisen die Kläger des Ausgangsverfahrens meines Erachtens zu Recht hin(70).

ii)    Das Grundgehalt als wesentlicher Teil des Entgelts

73.      Angesichts des eindeutigen Wortlauts ist jedenfalls von dieser Bestimmung jede Vergütung erfasst, die ein Arbeitnehmer als „Grundgehalt“ erhält. Dies hat der Gerichtshof zuletzt im Urteil Parviainen im Fall einer Flugbegleiterin, die in dem Luftfahrtunternehmen die Funktionen einer Kabinenchefin ausübte, ausdrücklich bestätigt. Der Gerichtshof befasste sich in jener Rechtssache mit der Frage, ob eine schwangere Arbeitnehmerin, die gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 92/85 aus Gesundheits- und Sicherheitsgründen vorübergehend auf einem anderen Arbeitsplatz beschäftigt wird, während dieser Beschäftigung über das ihr aus dem Vertrag oder aus dem Beschäftigungsverhältnis zustehende Grundgehalt hinaus den Anspruch auf die Bestandteile ihres Entgelts oder auf die Zulagen behält, die an ihre leitende Position, an die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit und an ihre beruflichen Qualifikationen anknüpften. Der Gerichtshof bejahte dies, wobei er das Grundgehalt der Klägerin von vornherein als vom Entgeltbegriff des Art. 141 EG erfasst ansah(71). In die Kategorie eines Grundgehalts fällt auch der feste Betrag, der nach dem MOA in Verbindung mit den tarifvertraglich vereinbarten Bestimmungen über die monatlichen Flugzeiten jedem Piloten auf jeden Fall zusteht. Die Höhe dieses Gehalts ist genau festgelegt und richtet sich nach bestimmten Faktoren wie dem Rang des Piloten sowie der Flugzeugflotte, der der jeweilige Pilot angehört. Demzufolge gehört dieser feste, unabänderliche Bestandteil jedes Pilotengehalts auf jeden Fall zum „gewöhnlichen Arbeitsentgelt“, das gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs dem Arbeitnehmer während des Urlaubszeitraums weitergezahlt werden muss.

iii) Einordnung der Zuschläge als Teil des Entgelts

74.      Etwas schwieriger zu beurteilen ist hingegen die Frage, ob die hier in Rede stehenden Zuschläge vom Entgeltbegriff im Sinne von Art. 141 Abs. 2 EG miterfasst sind. Den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge kommen nämlich zusätzlich zum Grundgehalt zwei weitere Gehaltsbestandteile hinzu, die sich hinsichtlich ihrer Funktion und ihrer Besteuerung unterscheiden. Die Höhe der Zuschläge bestimmt sich nach den geflogenen Zeiten (FPS) und der Dauer der Abwesenheit vom Standort (TAFB). Der FPS wird nach nationalem Recht in vollem Umfang als Arbeitsentgelt angesehen und dementsprechend versteuert. Bei der TAFB gelten 82 % der Zeit als Aufwandsentschädigung, so dass lediglich 18 % als Arbeitsentgelt gelten und zu versteuern sind.

75.      Ungeachtet ihrer nationalrechtlichen Einordnung könnten derartige Zuschläge aus der Sicht des Unionsrechts möglicherweise als „sonstige Vergütungen“ im Sinne der oben genannten Legaldefinition angesehen werden. Dies ist im Folgenden zu prüfen. Stellt man auf die Funktion des Arbeitsentgelts als Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit ab, müsste als „sonstige Vergütung“ jede geldwerte Leistung zu verstehen sein, die in einem weit verstandenen Sinne eine solche Gegenleistung ist und nicht ausschließlich aus anderen Gründen (z.B. Erhöhung der Produktivität, Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsklimas, Förderung der Gesundheit) erfolgt(72).

76.      Vorab ist es aber erforderlich, den Prüfungsgegenstand entsprechend der Erheblichkeit der Vorlagefragen für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits einzugrenzen. Aus den Akten(73) geht jedenfalls hervor, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens Anspruch auf Auszahlung des FPS sowie des zu versteuernden Anteils der TAFB erheben, der nach nationalem Recht als Bestandteil des Arbeitsentgelts eingestuft wird. Auch das Vorbringen der Kläger des Ausgangsverfahrens lässt diese Schlussfolgerung zu, zumal sie in ihren schriftlichen Erklärungen im Verfahren vor dem Gerichtshof(74) sich ausschließlich auf ebendiese Gehaltsbestandteile beziehen. Die Fragen des vorlegenden Gerichts müssen daher dahin gehend verstanden werden, dass nur im Hinblick auf den FPS sowie den zu versteuernden Anteil der TAFB um Auskunft gebeten wird, ob bei der Berechnung des Urlaubsentgelts neben dem Grundgehalt auch die Zuschläge berücksichtigt werden sollten. Demzufolge braucht die nachfolgende Prüfung mangels Entscheidungserheblichkeit nicht auf jenen Anteil der TAFB ausgeweitet zu werden, der als Aufwandsentschädigung gilt.

77.      Grundsätzlich erfasst der weite Entgeltbegriff des Art. 141 Abs. 2 EG neben dem als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit zu leistenden eigentlichen Arbeitsentgelt auch sämtliche Nebenbestandteile wie Prämien, Zuschläge und Zulagen, vom Arbeitgeber gewährte Vergünstigungen oder Gratifikationen(75). Vom Gerichtshof als Entgelt im Sinne dieser Bestimmung sind jedenfalls Lohnzulagen anerkannt worden, die sich am Kriterium der Flexibilität orientieren, d. h. solche Zulagen, die die Bereitschaft des Arbeitnehmers, zu unterschiedlichen Zeiten zu arbeiten, entlohnen(76). Folgerichtig ist in der Rechtsprechung sowohl eine Zulage aufgrund ungünstiger Arbeitszeiten(77) als auch eine Vergütung für Mehrarbeit(78) sowie für Überstunden wegen der Teilnahme an Schulungsveranstaltungen, deren Dauer über die individuelle Arbeitszeit hinausging(79), ebenfalls als von dieser Definition erfasst angesehen worden. Dieser Logik folgend müssten auch Überstundenzuschläge, Feiertagszuschläge, Schichtzuschläge und vergleichbare Leistungen unter diese Kategorie fallen(80).

78.      Die Ähnlichkeit der hier nicht abschließend genannten Vergütungen mit den streitgegenständlichen Zuschlägen liegt auf der Hand, knüpfen sie doch letztlich alle an die Bereitschaft des Piloten an, seine Zeit so lange zur Verrichtung einer Arbeit zur Verfügung zu stellen, wie der Arbeitgeber dies für notwendig erachtet. Ein Unterschied zwischen den beiden streitgegenständlichen Arten von Zuschlägen besteht indes insofern, als der FPS eine unmittelbare Gegenleistung für eine typische Pilotentätigkeit darstellt – nämlich das Fliegen eines Luftfahrzeugs –, während die TAFB eher den Charakter einer Entschädigung für die notwendigerweise mit dem Reisen verbundene Entfernung vom gewöhnlichen Standort des Piloten hat. Dass der eventuelle Entschädigungscharakter einer Vergütung einer Einordnung als Entgelt im Sinne von Art. 141 Abs. 2 EG nicht ohne Weiteres entgegensteht, zeigt bereits die Tatsache, dass nach der Rechtsprechung sogar gesetzlich vorgeschriebene Entlassungsentschädigungen(81) unter diesen Begriff fallen. Im Vergleich zu derartigen Vergütungen ist der Entschädigungscharakter der TAFB – jedenfalls sofern es um den hier relevanten nicht zu versteuernden Anteil geht – allerdings deutlich weniger ausgeprägt. Hingewiesen werden muss in diesem Zusammenhang ferner darauf, dass anders als der nicht zu versteuernde Anteil der TAFB dieser Anteil keine Aufwandsentschädigung ist, sondern bereits nach den Wertungen des nationalen Rechts als Entgelt gilt. Diese Einordnung ist meines Erachtens zutreffend, zumal es sich bei Letzterem um eine mittelbare Vergütung für die verrichtete Tätigkeit handelt, die kompensatorischen Charakter hat und einer Zulage aufgrund ungünstiger Arbeitszeiten vergleichbar ist. Ungeachtet dessen handelt es sich bei beiden Zuschlägen um geldwerte Leistungen, die der Arbeitgeber bewusst im Hinblick auf eine bestimmte Tätigkeit des Piloten erbringt, so dass der Entgeltcharakter beider Zulagen nicht in Frage gestellt werden kann.

79.      Es handelt sich somit bei diesen Zuschlägen um „sonstige Vergütungen“, die der Arbeitnehmer laut Art. 141 Abs. 2 EG aufgrund seines Arbeitsverhältnisses erhält. Demnach gehören auch diese Gehaltsbestandteile zum „gewöhnlichen Arbeitsentgelt“, das gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs dem Arbeitnehmer während des Urlaubs weitergezahlt werden muss. Deshalb hat ein Arbeitnehmer auch für die Zeit des Jahresurlaubs grundsätzlich Anspruch auf die ihm üblicherweise zustehenden Zuschläge.

80.      Der Umstand, dass der Arbeitnehmer sein Recht auf Jahresurlaub wahrnimmt, kann kein rechtlich zulässiger Grund dafür sein, den unionsrechtlichen Entgeltbegriff ausnahmsweise so einschränkend auszulegen, dass die während dieser Zeit anfallenden Zuschläge nicht dazu gehören. Dies würde sonst bedeuten, den Arbeitnehmer finanziell anders zu behandeln, je nachdem, ob er arbeitet oder ob er sich im Urlaub befindet, was aber, wie bereits ausführlich dargelegt, im Widerspruch zur Rechtsprechung stünde.

81.      Die Anerkennung eines Anspruchs dem Grunde nach auf die üblichen Zuschläge bedeutet allerdings nicht zwingend, dass der Arbeitnehmer einen unverminderten Anspruch auf alle erdenklichen Zuschläge hätte. Meiner Meinung nach hat der Gerichtshof diesem Anspruch insofern eine Grenze gesetzt, als die Rechtsprechung auch dahin gehend verstanden werden kann, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf nicht mehr als sein „gewöhnliches Arbeitsentgelt“ haben soll. Welche Folgen diese Auslegung hat, werde ich nunmehr erläutern.

b)      Zeitliche Komponente des „gewöhnlichen Arbeitsentgelts“

82.      Wie eingangs angedeutet, hat der Begriff des „gewöhnlichen Arbeitsentgelts“ auch eine zeitliche Komponente. Als „gewöhnlich“ kann nach dem natürlichen Wortsinn nur etwas bezeichnet werden, das über einen bestimmten Zeitraum hinweg Bestand hatte und später als Bezug für einen Vergleich herangezogen werden kann. Dieser Ausdruck impliziert, wie die Kommission(82) und die Kläger des Ausgangsverfahrens(83) zutreffend erklären, im Wesentlichen die Nivellierung eines an sich in regelmäßigen Zeitabständen fluktuierenden Arbeitsentgelts auf die Höhe eines Durchschnittsverdiensts. Zur Ermittlung eines „gewöhnlichen Arbeitsentgelts“ bedarf es, wie von den Verfahrensbeteiligten zutreffend erkannt, notwendigerweise eines hinreichend repräsentativen Referenzzeitraums, wobei im Ausgangsfall mehrere alternative Zeiträume in Frage kommen. Entweder stellt man auf den konkreten Zeitraum ab, in dem der Arbeitnehmer im Urlaub war, und errechnet einen hypothetischen Durchschnittsverdienst oder man stellt auf einen früheren Zeitraum ab, in dem der Arbeitnehmer ununterbrochen tätig war, und errechnet einen Durchschnittsverdienst. Beide Möglichkeiten sind in der Vorlagefrage 4 angesprochen. Ebenso denkbar wäre es aber, ein einheitliches Urlaubsentgelt für die einzelnen Kategorien von Piloten zu berechnen. Indes erscheint keiner der in Frage kommenden Ansätze in praktischer Hinsicht vorzugswürdig, weisen doch beide sowohl Vor‑ als auch Nachteile auf. So hat der erste Ansatz beispielsweise den Nachteil, dass es nicht immer möglich sein wird, mit Sicherheit zu bestimmen, welche Aufgaben der sich im Urlaub befindliche Pilot im fraglichen Zeitraum voraussichtlich erledigt hätte, sofern man je nach Ausgangslage davon ausgehen darf, dass die betreffende Aufgabe grundsätzlich auch von jedem anderen Piloten hätte erledigt werden können(84). Der zweite Ansatz dürfte wiederum im Fall von Neueinstellungen Schwierigkeiten bereiten, da es gerade keinen realen Referenzzeitraum gibt, den man heranziehen könnte(85). Dessen ungeachtet dürften der erste und der zweite Ansatz in der Praxis, worauf die Kläger des Ausgangsverfahrens(86) hinweisen, bereits zu keinem nennenswerten quantitativen Unterschied zwischen den errechneten Beträgen führen.

83.      Bei näherer Betrachtung der aufgeworfenen Problematik wird deutlich, dass die von den Parteien des Ausgangsverfahrens ausführlich erörterten Vor‑ und Nachteile jedes Ansatzes überwiegend die praktische Seite der Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub betreffen. Mit anderen Worten, sie haben eigentlich die Frage zum Gegenstand, welcher Ansatz zweckmäßiger ist, um den unionsrechtlich gewährleisteten Anspruch effektiv umzusetzen. Der Gerichtshof ist im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens jedoch aufgerufen, durch Auslegung zu ermitteln, welche rechtlich verbindlichen Vorgaben das Unionsrecht an das nationale Umsetzungsrecht aufstellt(87), und im Rahmen einer richterlichen Zusammenarbeit zu den ihm vom nationalen Gericht vorgelegten Rechtsfragen Stellung zu nehmen. Vor diesem Hintergrund müsste der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache feststellen, dass das Unionsrecht, wie auch die Beklagte des Ausgangsverfahrens zutreffend bemerkt(88), keinen bestimmten Ansatz vorschreibt.

84.      Mangels detaillierter Vorgaben auf der Ebene des Unionsrechts ist davon auszugehen, dass die Kompetenz zur Festlegung des in Frage kommenden Referenzzeitraums sowie zur Berechnung des entsprechenden durchschnittlichen Entgelts auf der Ebene der Mitgliedstaaten angesiedelt ist, wobei gemäß Klausel 3 der Europäischen Vereinbarung bzw. Art. 7 der Richtlinie 2003/88 „die nationalen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten“ hier maßgeblich sind. Nach Maßgabe der jeweiligen Rechtsordnung obliegt es dem nationalen Gesetzgeber, die notwendigen Durchführungsbestimmungen zu erlassen, bzw. den Sozialpartnern, tarifvertragliche Regelungen zu treffen, die die Bedingungen dafür schaffen, dass dieses durchschnittliche Entgelt gezahlt werden kann.

85.      Entsprechendes gilt für das internationale Arbeitsrecht, aus dem wichtige Grundsätze hätten abgeleitet werden können. Der Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 des IAO-Übereinkommens Nr. 132 legt als Grundsatz zwar die Ermittlung eines Durchschnittsverdiensts nahe, schreibt diese Bestimmung doch ausdrücklich vor, dass jede Person, die den in diesem Übereinkommen vorgesehenen Urlaub nimmt, für die ganze Urlaubsdauer mindestens ihr normales oder durchschnittliches Entgelt zu erhalten hat. Diese Alternative zielt offensichtlich darauf ab, spezifischen Arbeitsverhältnissen Rechnung zu tragen, in denen die Arbeitnehmer kein normales Entgelt beziehen. Dagegen sagt sie nichts darüber aus, wie dieses durchschnittliche Entgelt zu berechnen und vor allem welcher Referenzzeitraum der Berechnung zugrunde zu legen ist. Stattdessen verweist sie auf die Zuständigkeit in den einzelnen Staaten, indem sie erklärt, dass „dieses Entgelt in jedem Land auf eine von der zuständigen Stelle oder durch geeignete Verfahren zu bestimmende Weise zu berechnen [ist]“.

c)      Verbot der Diskriminierung

86.      Aus dem hier vertretenen Verständnis der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach der Anspruch des Arbeitnehmers nicht über sein „gewöhnliches Arbeitsentgelt“ hinausgehen soll, folgt zum einen das Erfordernis der Nivellierung und der Berechnung eines Durchschnittsverdiensts. Dies bedeutet wiederum, dass eine automatische Kumulierung des Grundgehalts und aller Zuschläge ausscheidet, sofern Letztere nicht üblicherweise gewährt werden. Insofern ist dem Vorbringen der dänischen Regierung(89), wonach die Miteinberechnung dieser Zuschläge in den Durchschnittsbetrag nur dann zwingend ist, wenn diese Entgeltbestandteile systematischen Charakter aufweisen, ausdrücklich zuzustimmen.

87.      Darüber hinaus impliziert dieser Begriff im Wesentlichen, dass der Arbeitnehmer, der Urlaub nimmt, finanziell nicht anders behandelt werden darf, als wenn er arbeiten würde. Damit sind angesichts des Regelungszwecks des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zwar in erster Linie finanzielle Benachteiligungen des Arbeitnehmers gemeint. Das heißt aber nicht, dass der Arbeitnehmer, der Urlaub nimmt, finanziell besser gestellt werden sollte als die anderen. Die Gewährung eines „gewöhnlichen Arbeitsentgelts“ bedeutet nämlich, dass die üblichen Beschränkungen grundsätzlich ebenfalls Anwendung finden sollten. Dies gilt entsprechend für jährliche oder sonstige Höchstgrenzen für den Umfang oder den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer einer bestimmten, mit der Gewährung eines Zuschlags entlohnten Tätigkeit nachgehen kann. Diese Höchstgrenzen müssten sich entsprechend in der Berechnung des Urlaubsentgelts niederschlagen.

4.      Zwischenergebnis

88.      Die Vorlagefrage 4 ist dahin gehend zu beantworten, dass der Arbeitnehmer in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der die Höhe des Arbeitsentgelts variiert, Anspruch auf ein Urlaubsentgelt hat, das seinem Durchschnittsverdienst entspricht. Die Berechnung dieses durchschnittlichen Arbeitsentgelts muss auf der Basis eines hinreichend repräsentativen Referenzzeitraums erfolgen.

89.      Auf die Vorlagefrage 5 ist zu antworten, dass bei der Berechnung dieses durchschnittlichen Arbeitsentgelts sowohl solche Zuschläge, die dem Arbeitnehmer üblicherweise als Teil des Entgelts zustehen, als auch solche Beschränkungen für jährliche oder sonstige Höchstgrenzen für den Umfang oder den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer einer bestimmten, mit der Gewährung eines Zuschlags entlohnten Tätigkeit nachgehen kann, berücksichtigt werden müssen.

VII – Ergebnis

90.      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Supreme Court gestellten Vorlagefragen wie folgt zu antworten:

1.         Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Klausel 3 der Europäischen Vereinbarung über die Arbeitszeitorganisation für das fliegende Personal der Zivilluftfahrt, geschlossen von der Vereinigung Europäischer Fluggesellschaften (AEA), der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF), der European Cockpit Association (ECA), der European Regions Airline Association (ERA) und der International Air Carrier Association (IACA), die der Richtlinie 2007/79/EG des Rates vom 27. November 2000 beigefügt ist, sind dahin gehend auszulegen, dass die Berechnung des Urlaubsentgelts nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten zu erfolgen hat.

2.         Dabei muss das Urlaubsentgelt grundsätzlich so bemessen sein, dass es mit dem gewöhnlichen Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers übereinstimmt. Eine finanzielle Vergütung, die als Urlaubsentgelt gewährt wird, genügt jedenfalls den unionsrechtlichen Vorgaben nicht, wenn diese gerade noch so bemessen ist, dass keine ernsthafte Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer seinen Jahresurlaub nicht antritt.

3.         In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der die Höhe des Arbeitsentgelts variiert, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Urlaubsentgelt, das seinem Durchschnittsverdienst entspricht. Die Berechnung dieses durchschnittlichen Arbeitsentgelts muss auf der Basis eines hinreichend repräsentativen Referenzzeitraums erfolgen.

4.         Bei der Berechnung dieses durchschnittlichen Arbeitsentgelts müssen sowohl solche Zuschläge, die dem Arbeitnehmer üblicherweise als Teil des Entgelts zustehen, als auch solche Beschränkungen für jährliche oder sonstige Höchstgrenzen für den Umfang oder den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer einer bestimmten, mit der Gewährung eines Zuschlags entlohnten Tätigkeit nachgehen kann, berücksichtigt werden.


1 – Originalsprache der Schlussanträge: Deutsch
Verfahrenssprache: Englisch


2 – ABl. L 299, S. 9.


3 – Richtlinie 2000/79/EG des Rates vom 27. November 2000 über die Durchführung der von der Vereinigung Europäischer Fluggesellschaften (AEA), der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF), der European Cockpit Association (ECA), der European Regions Airline Association (ERA) und der International Air Carrier Association (IACA) geschlossenen Europäischen Vereinbarung über die Arbeitszeitorganisation für das fliegende Personal der Zivilluftfahrt (ABl. L 302, S. 57).


4 – In Anlehnung an die im EUV und im AEUV verwendeten Bezeichnungen wird der Begriff „Unionsrecht“ als Gesamtbegriff für Gemeinschaftsrecht und Unionsrecht verwendet. Soweit es im Folgenden auf einzelne primärrechtliche Bestimmungen ankommt, werden die ratione temporis geltenden Vorschriften angeführt.


5 – ABl. L 307, S. 18.


6 – SI 2004 Nr. 756.


7 – Schlussanträge vom 24. Januar 2008, Schultz-Hoff (C‑350/06, Urteil vom 20. Januar 2009, Slg. 2009, I‑179, Nr. 38).


8 – ABl. 2007, C 303, S. 1.


9 – Diese Bestimmung wird in den Erläuterungen zur Charta (ABl. 2007, C 303, S. 17) auf die Richtlinie 93/104, auf Art. 2 der Europäischen Sozialcharta vom Jahr 1961 und auf Nr. 8 der Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer vom Dezember 1989 gestützt.


10 – Vgl. Urteil vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci (C‑555/07, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 22).


11 – Vgl. Jarass, H. D., Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Kommentar, München 2010, Art. 31 Randnr. 3, S. 277, und Art. 51 Randnr. 6, S. 413.


12 – Vgl. Urteil vom 10. September 2009, Vicente Pereda (C‑277/08, Slg. 2009, I‑8405, Randnr. 18).


13 – Vgl. Urteile vom 15. April 2008, Impact (C-268/06, Slg. 2008, I-2483, Randnr. 58), vom 23. April 2009, Angelidaki u.a. (C-378/07 bis C-380/07, Slg. 2009, I-3071, Randnr. 195), und vom 16. Juli 2009, Gómez-Limón (C-537/07, Slg. 2009, I-6525, Randnr. 34). Egger, J., „Rechtswirkungen von Rahmenvereinbarungen im Sozialbereich“, Neueste Entwicklungen im Zusammenspiel von Europarecht und nationalem Recht der Mitgliedstaaten (hrsg. von Waldemar Hummer), Wien 2010, S. 223, weist darauf hin, dass den Vereinbarungen selbst noch keine normative Wirkung zukommt. Erst durch den Ratsbeschluss wird die Rahmenvereinbarung unmittelbar in sekundäres Unionsrecht transformiert und unterliegt der Auslegung durch den Gerichtshof.


14 – Vgl. Rebhahn, R., EU-Kommentar (hrsg. von Jürgen Schwarze), 2. Aufl., Baden-Baden 2009, Art. 139 EG, Randnrn. 4 und 10, S. 1378 f., der darauf hinweist, dass die Durchführung einer Sozialpartnervereinbarung durch einen Beschluss des Rates zu einem Rechtsakt der Europäischen Union führe. Zuständig für die Auslegung der Richtlinie und der in sie aufgenommenen Vereinbarung sei der Gerichtshof.


15 – Der elfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/79 bestätigt die Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes wie folgt: „Angesichts der starken Integration des Luftfahrtsektors und der dort herrschenden Wettbewerbsbedingungen können die Ziele dieser Richtlinie – nämlich Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer – von den Mitgliedstaaten nicht in ausreichendem Maße verwirklicht werden, weswegen nach dem Subsidiaritätsprinzip des Artikels 5 des Vertrags eine Gemeinschaftsmaßnahme erforderlich ist. Diese Richtlinie geht nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.“


16 – Vgl. Urteil vom 12. November 1996, Vereinigtes Königreich/Rat (C‑84/94, Slg. 1996, I‑5755, Randnr. 47).


17 – Ebd. (Randnr. 47) und Urteil vom 16. März 2006, Robinson-Steele (C‑131/04 und C-257/04, Slg. 2006, I-2531, Randnr. 57).


18 – Urteil vom 26. Juni 2001, BECTU (C‑173/99, Slg. 2001, I‑4881, Randnr. 53).


19 – So die Ausführungen der Kommission in der Rechtssache BECTU, die Generalanwalt Tizzano dort in seinen Schlussanträgen (Nr. 34) aufgegriffen hat.


20 – Vgl. Urteile BECTU (oben in Fn. 18 angeführt, Randnr. 53) und Schultz-Hoff u. a. (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 46), in denen der Gerichtshof anerkannt hat, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Voraussetzung für die Ausübung und die Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub festzustellen, er aber klargestellt hat, dass die Mitgliedstaaten die Entstehung dieses sich unmittelbar aus der Richtlinie 93/104 bzw. 2003/88 ergebenen Anspruchs nicht von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen können.


21 – Vgl. zum Einfluss der Rechtsprechung auf die Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie Nowak, T., „The Working Time Directive and The European Court of Justice“, Maastricht Journal of European and Comparative Law, Band 15 (2008), Nr. 4, S. 447.


22 – Vgl. Weißbuch zu den Sektoren und Tätigkeitsbereichen, die von der Arbeitszeitrichtlinie ausgeschlossen sind, KOM(97) 334 endg., Randnrn. 11 bis 13.


23 – Ebd., Randnr. 74.


24 – Vgl. Barnard, C., EC Employment Law, 2. Aufl., Oxford 2002, S. 403.


25 – Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die von der Vereinigung Europäischer Fluggesellschaften (AEA), der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF), der European Cockpit Association (ECA), der European Regions Airline Association (ERA) und der International Air Carrier Association (IACA) geschlossenen Europäischen Vereinbarung über die Arbeitszeitorganisation für das fliegende Personal der Zivilluftfahrt, KOM(2000) 382 endg.


26 – Der neunte Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/34 lautet: „Die bestehenden Bestimmungen betreffend Jahresurlaub und Gesundheitsuntersuchungen für Nacht- und Schichtarbeit sollten auf mobile Arbeitnehmer in den ausgeschlossenen Sektoren und Tätigkeitsbereichen ausgedehnt werden.“ In diesem Sinne Rofes i Pujol, M. I., „Comentario de la jurisprudencia del Tribunal de Justicia de las Comunidades Europeas“, Cuadernos Europeos de Deusto, 2009, Nr. 41, S. 165.


27 – Der zehnte Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/34 lautet: „Die bestehenden Bestimmungen über Arbeitszeit und Ruhezeiten müssen für mobile Arbeitnehmer in den ausgeschlossenen Sektoren und Tätigkeitsbereichen angepasst werden.“


28 – Der 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/79 lautet: „Die Durchführung dieser Richtlinie darf nicht als Rechtfertigung für Rückschritte hinter den bereits in den einzelnen Mitgliedstaaten erreichten Stand dienen.“


29 – Vgl. Urteile BECTU (oben in Fn. 18 angeführt, Randnr. 43), vom 18. März 2004, Merino Gómez (C‑342/01, Slg. 2004, I‑2605, Randnr. 29), und Robinson-Steele u. a. (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 48); zur Richtlinie 2003/88 vgl. Urteile Schultz-Hoff u. a. (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 22), Vicente Pereda (oben in Fn. 12 angeführt, Randnr. 18) und vom 22. April 2010, Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols (C‑486/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 28).


30 – Vgl. Urteile BECTU (oben in Fn. 18 angeführt, Randnr. 44), Merino Gómez (oben in Fn. 29 angeführt, Randnr. 30), Schultz-Hoff u. a. (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 23) und Vicente Pereda (oben in Fn. 12 angeführt, Randnr. 21).


31 – Vgl. Urteile Schultz-Hoff u. a. (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 25) und Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols (oben in Fn. 29 angeführt, Randnr. 30).


32 – Urteil Robinson-Steele u. a. (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 58).


33 – Vgl. Randnr. 16 der schriftlichen Erklärungen der dänischen Regierung.


34 – Eine Auslegung von Art. 12 des ILO-Übereinkommens Nr. 132 führt ebenfalls zu dieser Schlussfolgerung. Diese Bestimmung besagt nämlich, dass jede Vereinbarung über die Abdingung des Anspruchs auf den in Art. 3 Abs. 3 dieses Übereinkommens vorgeschriebenen bezahlten Mindestjahresurlaub oder über den Verzicht auf diesen Urlaub gegen Entschädigung oder auf irgendeine andere Art je nach den Verhältnissen des betreffenden Landes als nichtig zu gelten hat oder zu verbieten ist. Ähnlich auch Blanpain, R., „The Holidays With Pay Convention of the ILO (N° 132): a Commentary“, The International Journal of Comparative Labour Law and Industrial Relations, Band 16/4, 2000, S. 364.


35 – Urteil Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols (oben in Fn. 29 angeführt, Randnr. 29).


36 – ABl. L 348, S. 1.


37 – Urteil vom 1. Juli 2010, Parviainen (C‑471/08, Slg. 2010, I‑0000).


38 – Urteil vom 1. Juli 2010, Gassmayr (C 194/08, Slg. 2010, I 0000).


39 – Urteil Parviainen (Randnr. 50) und Urteil Gassmayr (Randnr. 61).


40 – Urteil Parviainen (oben in Fn. 37 angeführt, Randnr. 62).


41 – Vgl. beispielsweise die deutsche („bezahlt“), die französische („payé“), die dänische („med løn“), die spanische („retribuidas“), die portugiesische („remuneradas“), die slowenische („plačanega“), die italienische („retribuite“), die schwedische („betald“) und die niederländische („betaald“) Sprachfassung.


42 – Übereinkommen Nr. 132 über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung vom Jahr 1970), angenommen von der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation am 24. Juni 1970, in Kraft getreten am 30. Juni 1973.


43 – Übereinkommen Nr. 52 über den bezahlten Jahresurlaub, angenommen von der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation am 24. Juni 1936, in Kraft getreten am 22. September 1939. Dieses Übereinkommen ist mit dem Übereinkommen Nr. 132 neu gefasst worden, bleibt selbst aber weiterhin zur Ratifikation offen.


44 – Urteil Schultz-Hoff u. a. (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 38). Vgl. die Diskussion im Schrifttum über die Bedeutung, die den IAO-Übereinkommen in der Unionsrechtsordnung zukommt. Korda, M./Pennings, F., „The legal character of international social security standards“, European Journal of Social Security, Band 10 (2008), Nr. 2, S. 132, nach deren Ansicht die Europäische Union nicht die Kompetenz hat, rechtlich verbindliche Standards der sozialen Sicherheit zu schaffen. Aus diesem Grund seien die im Rahmen der IAO und des Europarats unterzeichneten Übereinkommen von zentraler Bedeutung für die Entwicklung von internationalen Standards der sozialen Sicherheit. Bercusson, B., „The European Court of Justice, Labour Law and ILO Standards“, 50 Jahre EU – 50 Jahre Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Arbeits- und Sozialrecht, Baden-Baden 2008, S. 58 f., befürwortet eine aktivere Rolle des Gerichtshofs bei der Konstitutionalisierung des europäischen Sozialmodells, der bei der Auslegung des Primär- und Sekundärrechts der Union die Standards der IAO berücksichtigen solle. Murray, J., „The Working Time Directive and Future Prospects for ILO Rules on Working Time“, Transnational Labour Regulation – The ILO and EC compared, S. 175, meint, dass zwischen der Arbeitszeitrichtlinie und dem Recht der IAO eine große Konvergenz bestehe, was Gegenstand und Zweck der Regelungen angehe.


45 – Urteil Schultz-Hoff u. a. (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 60).


46 – Vgl. meine Schlussanträge in den Rechtssachen C‑350/06 und C‑520/06 (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 38).


47 – Vgl. Randnrn. 41, 43 und 76 der schriftlichen Erklärungen der Beklagten des Ausgangsverfahrens.


48 – Vgl. Leible/Streinz, EUV/EGV, München 2003, Art. 95, Randnr. 44, S. 1248.


49 – Vgl. Randnr. 74 der schriftlichen Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens.


50 – Urteil Schultz-Hoff u. a. (oben in Fn. 7 angeführt, Randnrn. 57 bis 62).


51 – Vgl. Urteil vom 15. April 2008, Impact (oben in Fn. 13 angeführt, Randnr. 125).


52 – Urteil vom 13. September 2007, Del Cerro Alonso (C‑307/05, Slg. 2007, I‑7109).


53 – Urteil Impact (oben in Fn. 13 angeführt, Randnr. 124).


54 – Ebd. (Randnr. 129).


55 – Vgl. Nr. 175 der Schlussanträge von Generalanwältin Kokott vom 9. Januar 2008, Impact (Urteil oben in Fn. 13 angeführt).


56 – In diesem Sinne Rebhahn, R., a. a. O. (Fn. 14), Art. 137, Randnr. 56, S. 1363.


57 – Laut Böhnert, S., Das Recht der ILO und sein Einfluss auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, Baden-Baden 2002, S. 100, bedienen sich die Übereinkommen der IAO sogenannter „Flexibilitätsklauseln“. Darunter versteht man verschiedene Maßnahmen, u. a. die Verwendung weiter Begriffe und die Überlassung eines weiten Ermessens bei der Umsetzung der Verpflichtungen bzw. bei Fixierung der zu erreichenden Ziele.


58 – Vgl. meine Schlussanträge vom 14. April 2010, Kommission/Deutschland (C‑271/08, Urteil vom 5. Juli 2010, Slg. 2010, I‑0000, Nr. 77).


59 – Art. 6 der Europäischen Sozialcharta, wortgleich übernommen in Art. 6 der revidierten Europäischen Sozialcharta, die am 3. Mai 1996 in Straßburg unterzeichnet wurde, verpflichtet die Vertragsparteien, um die wirksame Ausübung des Rechts auf Kollektivverhandlungen zu gewährleisten, u. a. zur Förderung von gemeinsamen Beratungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie zur Förderung von Verfahren für freiwillige Verhandlungen zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberorganisationen einerseits und Arbeitnehmerorganisationen andererseits, soweit dies notwendig und zweckmäßig ist, mit dem Ziel, die Beschäftigungsbedingungen durch Gesamtarbeitsverträge zu regeln.


60 – Laut Nr. 12 der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer haben die Arbeitgeber und Arbeitgebervereinigungen einerseits und die Arbeitnehmervereinigungen andererseits das Recht, unter den Bedingungen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten Tarifverträge auszuhandeln und zu schließen.


61 – Gemäß Art. 28 der Charta der Grundrechte haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber oder ihre jeweiligen Organisationen nach dem Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten das Recht, Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszuhandeln und zu schließen sowie bei Interessenkonflikten kollektive Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen, einschließlich Streiks, zu ergreifen.


62 – Siehe bereits meine Darstellung in Nr. 42 dieser Schlussanträge der differenzierten Regelungsmethode, die der Unionsgesetzgeber angewandt hat und die letztlich zum Erlass der Richtlinie 2000/79 für den spezifischen Bereich der Zivilluftfahrt geführt hat.


63 – Siehe Nrn. 38, 45, 53, 54 und 55 dieser Schlussanträge.


64 – Urteil vom 8. September 2005, McKenna (C‑191/03, Slg. 2005, I‑7631, Randnr. 29).


65 – Art. 1 Buchst. a des IAO-Übereinkommens Nr. 100 lautet wie folgt: „Der Ausdruck ‚Entgelt‘ umfasst den üblichen Lohn, den Grund‑ oder Mindestlohn oder das übliche Gehalt, das Grund‑ oder Mindestgehalt sowie alle zusätzlichen Vergütungen, die der Arbeitgeber auf Grund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar oder unmittelbar in bar oder in Sachleistungen zu zahlen hat“.


66 – Vgl. Krebber, S., EUV/EGV – Kommentar (hrsg. von Christian Calliess/Matthias Ruffert), 3. Aufl., München 2007, Art. 141, Randnr. 23, S. 1629.


67 – Urteil McKenna (oben in Fn. 64 angeführt, Randnr. 29).


68 – Vgl. Eichenhofer, E., EUV/EGV – Kommentar, München 2003, Art. 141 EG, Randnr. 10, S. 1530.


69 – Vgl. Rebhahn, R., a. a. O. (Fn. 14), Art. 141 EG, Randnr. 10, S. 1386.


70 – Vgl. Randnr. 73 der schriftlichen Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens.


71 – Urteil Parviainen (oben in Fn. 37 angeführt, Randnrn. 49 und 50).


72 – Vgl. Krebber, S., a. a. O. (Fn. 66), Randnr. 25, S. 1630.


73 – Vgl. Urteil des Employment Tribunal vom 11. Mai 2007, Mrs S A Williams and others/British Airways Plc (Case Number: 3314875/2006), Randnrn. 27 und 29, S. 8 (Anhang 2 des Schriftsatzes der Beklagten des Ausgangsverfahrens), und die Sachverhaltszusammenfassung des Supreme Court („Agreed Statement of Facts and Issues in the Supreme Court of the United Kingdom“), Randnr. 8, S. 3 (Anhang 1 der schriftlichen Erklärungen der Beklagten des Ausgangsverfahrens).


74 – Vgl. Randnr. 11 der schriftlichen Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens.


75 – Fuchs, M./Marhold, F., Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl., Wien 2006, 123.


76 – Vgl. Urteil vom 17. Oktober 1989, Danfoss (109/88, Slg. 1989, 3199, Randnr. 3).


77 – Vgl. Urteil vom 30. März 2000, Jämställdhetsombudsmannen (C‑236/98, Slg. 2000, I‑2189, Randnrn. 39 ff.).


78 – Vgl. Urteil vom 6. Dezember 2007, Voß (C‑300/06, Slg. 2007, I‑10573, Randnrn. 12 ff.).


79 – Vgl. Urteile vom 4. Juni 1992, Bötel (C‑360/90, Slg. 1992, I‑3589, Randnr. 13), und vom 6. Februar 1996, Lewark (C‑457/93, Slg. 1996, I‑243, Randnr. 23).


80 – Vgl. Krebber, S., a. a. O. (Fn. 66), Randnr. 28, S. 1631.


81 – Vgl. Urteil vom 9. Februar 1999, Seymour-Smith (C‑167/97, Slg. 1999, I‑623, Randnr. 28).


82 – Vgl. Randnr. 27 der schriftlichen Erklärungen der Kommission.


83 – Vgl. Randnrn. 55 und 100 der schriftlichen Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens.


84 – Vgl. Randnrn. 42 und 74 der schriftlichen Erklärungen der Beklagten des Ausgangsverfahrens.


85 – Ebd., Randnr. 42.


86 – Ebd., Randnr. 102.


87 – Durch die Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts wird nämlich erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinne und mit welcher Bedeutung diese Bestimmung ab ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre (vgl. Urteile vom 27. März 1980, Denkavit italiana, 61/79, Slg. 1980, 1205, Randnr. 16, vom 10. Februar 2000, Deutsche Telekom, C‑50/96, Slg. 2000, I‑743, Randnr. 43, und vom 13. Januar 2004, Kühne & Heitz, C‑453/00, Slg. 2004, I‑837, Randnr. 21).


88 – Vgl. Randnr. 42 der schriftlichen Erklärungen der Beklagten des Ausgangsverfahrens.


89 – Vgl. Randnr. 20 der schriftlichen Erklärungen der dänischen Regierung.