Rechtssache C-260/09 P

Activision Blizzard Germany GmbH

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel — Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen — Markt für Nintendo-Videospielkonsolen und — Spielkassetten Beschränkung von Parallelimporten auf diesem Markt — Vereinbarung zwischen dem Hersteller und dem Alleinvertriebshändler — Vertriebsvertrag, der passive Verkäufe zulässt — Nachweis einer Willensübereinstimmung, wenn ein unmittelbarer Urkundenbeweis für die Beschränkung solcher Verkäufe fehlt — Anforderungen an den Nachweis einer vertikalen Vereinbarung“

Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 10. Februar 2011   I - 422

Leitsätze des Urteils

  1. Rechtsmittel – Gründe – Fehlerhafte Tatsachenwürdigung – Unzulässigkeit – Überprüfung der Tatsachen- und Beweiswürdigung durch den Gerichtshof – Ausschluss außer bei Verfälschung

    (Art. 225 EG; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58 Abs. 1)

  2. Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Nachweis für das Bestehen einer Vereinbarung

    (Art. 81 Abs. 1 EG)

  3. Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Auf die Behinderung von Paralleleinfuhren gerichtete Vereinbarung

    (Art. 81 Abs. 1 EG)

  4. Rechtsmittel – Gründe – Unzureichende Begründung – Rückgriff des Gerichts auf eine implizite Begründung – Zulässigkeit – Voraussetzungen

    (Art. 225 EG; Satzung des Gerichtshofs, Art. 36 und 53; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 81)

  1.  Aus Art. 225 EG und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs folgt, dass der Gerichtshof nicht für die Feststellung der Tatsachen zuständig und grundsätzlich nicht befugt ist, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht seine Feststellungen gestützt hat. Sind diese Beweise ordnungsgemäß erhoben und die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten worden, ist es nämlich allein Sache des Gerichts, den Wert der ihm vorgelegten Beweise zu beurteilen. Diese Beurteilung ist somit, sofern die Beweise nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt. Im Übrigen muss sich eine Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf.

    (vgl. Randnrn. 51, 53)

  2.  Für den Nachweis des Bestehens einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung im Rahmen einer vertikalen Beziehung ist grundsätzlich kein höheres Beweisniveau zu verlangen als im Rahmen einer horizontalen Beziehung. Zwar können sich Umstände, aus denen im Rahmen einer horizontalen Beziehung gegebenenfalls auf das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung zwischen Konkurrenten geschlossen werden kann, als unzureichend erweisen, um das Vorliegen einer solchen Vereinbarung im Rahmen einer vertikalen Beziehung zwischen Hersteller und Händler zu beweisen, da in einem solchen Verhältnis bestimmte Kontakte legitim sind. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Bestehen einer rechtswidrigen Vereinbarung anhand aller maßgeblichen Umstände sowie des besonderen wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts jedes Einzelfalls beurteilt werden muss. Die Frage, ob aus einem bestimmten Beweis auf den Abschluss einer gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßenden Vereinbarung geschlossen werden kann oder nicht, kann daher nicht abstrakt danach, ob es sich um eine vertikale Beziehung oder eine horizontale Beziehung handelt, und unter Isolierung dieses Gesichtspunkts vom Kontext und von den anderen maßgeblichen Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.

    (vgl. Randnrn. 71-72)

  3.  Die Feststellung, dass eine gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßende Vereinbarung zustande gekommen ist, setzt nicht in allen Fällen notwendig voraus, dass das Gericht ermittelt, dass ein System von Kontrollen und Sanktionen bestand.

    (vgl. Randnr. 77)

  4.  Die dem Gericht obliegende Begründungspflicht verlangt nicht, dass das Gericht bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandelt. Die Begründung durch das Gericht kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe für die Entscheidung des Gerichts zu erkennen, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrolle ausüben kann.

    (vgl. Randnr. 84)