Rechtssache C-221/09

AJD Tuna Ltd

gegen

Direttur tal-Agrikoltura u s-Sajd

und

Avukat Generali

(Vorabentscheidungsersuchen des Prim'Awla tal-Qorti Ċivili)

„Verordnung (EG) Nr. 530/2008 – Gültigkeit – Gemeinsame Fischereipolitik – Erhaltung der Ressourcen – Wiederauffüllung der Bestände von Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer“

Leitsätze des Urteils

1.        Fischerei – Erhaltung der Meeresschätze – Der Kommission durch Art. 7 der Verordnung Nr. 2371/2002 verliehene Befugnis zum Erlass von Sofortmaßnahmen zur Erhaltung – Keine Verpflichtung, die Stellungnahmen der Wirtschaftsbeteiligten einzuholen, die von diesen Maßnahmen betroffen sein können

(Art. 288 AEUV; Verordnung Nr. 2371/2002 des Rates, Art. 7 Abs. 1)

2.        Fischerei – Erhaltung der Meeresschätze – Maßnahmen mit dem Ziel, dem drohenden Zusammenbruch der Bestände von Rotem Thun im Ostatlantik zu begegnen – Ungleichbehandlung Spaniens gegenüber anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf den Zeitpunkt für das Inkrafttreten dieser Maßnahmen

(Verordnung Nr. 2371/2002 des Rates, Art. 7 Abs. 1; Verordnung Nr. 530/2008 der Kommission)

1.        Die Gültigkeit von Art. 7 Abs. 2 der Grundverordnung Nr. 2371/2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik wird im Hinblick auf den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes nicht dadurch berührt, dass diese Bestimmung nicht vorsieht, dass im Verfahren zum Erlass von Sofortmaßnahmen nach Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung die Stellungnahmen der Wirtschaftsbeteiligten eingeholt werden, die von diesen Maßnahmen betroffen sein können.

Art. 7 Abs. 1 der Verordnung ermächtigt die Kommission, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn die Erhaltung von lebenden aquatischen Ressourcen oder des marinen Ökosystems infolge von Fischereitätigkeiten ernsthaft gefährdet ist. Die getroffenen Maßnahmen berühren daher die Wirtschaftsbeteiligten in der Fischwirtschaft in einem bestimmten Gebiet und in Bezug auf eine bestimmte lebende Art. Die Sofortmaßnahme wird somit nicht nach Maßgabe der Interessen der Wirtschaftsbeteiligten erlassen, sondern allein zu dem Zweck, die lebenden aquatischen Ressourcen und das marine Ökosystem zu erhalten. Die auf der Grundlage dieses Art. 7 Abs. 1 erlassenen Verordnungen gelten somit für objektiv bestimmte Situationen und erzeugen Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen. Sie stellen daher Verordnungen im Sinne von Art. 288 AEUV dar und werden als solche nicht von Art. 41 der Charta der Grundrechte erfasst, der u. a. das Recht einer jeden Person verbürgt, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird.

(vgl. Randnrn. 49-56)

2.        Die auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 der Grundverordnung Nr. 2371/2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik erlassene Verordnung Nr. 530/2008 über Sofortmaßnahmen für Ringwadenfischer, die im Atlantik östlich von 45 °W und im Mittelmeer Fischerei auf Roten Thun betreiben, ist ungültig, soweit mit ihr, die den Erlass von Sofortmaßnahmen zum Gegenstand hat mit dem Ziel, dem drohenden Zusammenbruch der Bestände von Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer zu begegnen, der Zeitpunkt für das Inkrafttreten dieser Maßnahmen auf den 16. Juni 2008 festgelegt, für die Ringwadenfischer, die die spanische Flagge führen oder in diesem Mitgliedstaat registriert sind, jedoch auf den 23. Juni 2008 verschoben und somit gegenüber den Ringwadenfischern, die die maltesische, die griechische, die französische, die italienische oder die zyprische Flagge führen oder in einem dieser Mitgliedstaaten registriert sind, eine Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit eingeführt wurde, ohne dass diese objektiv gerechtfertigt wäre.

(vgl. Randnr. 113, Tenor 3)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

17. März 2011(*)

„Verordnung (EG) Nr. 530/2008 – Gültigkeit – Gemeinsame Fischereipolitik – Erhaltung der Ressourcen – Wiederauffüllung der Bestände von Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer“

In der Rechtssache C‑221/09

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Prim’Awla tal-Qorti Ċivili (Malta) mit Entscheidung vom 4. Juni 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Juni 2009, in dem Verfahren

AJD Tuna Ltd

gegen

Direttur tal-Agrikoltura u s-Sajd,

Avukat Generali

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas und A. Ó Caoimh sowie der Richterin P. Lindh (Berichterstatterin),

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der AJD Tuna Ltd, vertreten durch J. Refalo und R. Mastroianni, avukati,

–        der maltesischen Regierung, vertreten durch S. Camilleri als Bevollmächtigten im Beistand von A. Buhagiar, avukat,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch I. Chalkias und S. Papaïoannou als Bevollmächtigte,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Arena, avvocato dello Stato,

–        des Rates der Europäischen Union, vertreten durch M. Sims, G. Kimberley, A. Westerhof Löfflerova und M. Sammut als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Banks, E. Depasquale und D. Nardi als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 7. September 2010

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit und Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 530/2008 der Kommission vom 12. Juni 2008 über Sofortmaßnahmen für Ringwadenfischer, die im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer Fischerei auf Roten Thun betreiben (ABl. L 155, S. 9, im Folgenden: Verordnung), sowie die Gültigkeit von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik (ABl. L 358, S. 59, im Folgenden: Grundverordnung).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der AJD Tuna Ltd (im Folgenden: AJD Tuna) auf der einen und dem Direttur tal-Agrikoltura u s‑Sajd (Direktor für Landwirtschaft und Fischerei) sowie dem Avukat Generali auf der anderen Seite wegen einer Entscheidung, mit der dieser Direktor AJD Tuna den Erwerb oder die Einfuhr von Rotem Thun nach Malta für ihre Mast- und Aufzuchttätigkeiten verboten hatte; Gegenstand dieser Entscheidung war die Durchführung der Verordnung.

 Rechtlicher Rahmen

 Die Grundverordnung

3        Mit der Grundverordnung wird die Gemeinsame Fischereipolitik in Bezug auf die Erhaltung, Bewirtschaftung und Nutzung der Fischereiressourcen festgelegt.

4        Art. 2 („Ziele“) dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Die Gemeinsame Fischereipolitik gewährleistet die Nutzung lebender aquatischer Ressourcen unter nachhaltigen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Bedingungen.

Die Gemeinschaft wendet hierzu den Vorsorgeansatz an, indem sie Maßnahmen ergreift, die die lebenden aquatischen Ressourcen schützen und erhalten, ihre nachhaltige Nutzung sichern und die Auswirkungen der Fischerei auf die marinen Ökosysteme auf ein Mindestmaß begrenzen sollen. Sie setzt sich für die progressive Anwendung eines ökosystemorientierten Ansatzes bei der Bestandsbewirtschaftung ein. Sie bemüht sich, ihren Beitrag zu effizienten Fischereitätigkeiten innerhalb einer rentablen und wettbewerbsfähigen Fischwirtschaft und Aquakultur zu leisten, die den von der Fischerei Abhängigen einen angemessenen Lebensstandard garantieren und den Verbraucherinteressen Rechnung tragen.

(2)      Die Gemeinsame Fischereipolitik wird von den folgenden Grundsätzen der verantwortungsvollen Verwaltung geleitet:

a)      klare Abgrenzung der Zuständigkeiten auf Gemeinschaftsebene, nationaler und lokaler Ebene;

b)      einen Entscheidungsprozess, der sich auf solide wissenschaftliche Gutachten gründet und rechtzeitig Ergebnisse erbringt;

c)      breite Beteiligung aller Akteure auf allen Stufen vom Entwurf der Politik bis zu ihrer Umsetzung;

d)      Kohärenz mit anderen Bereichen der Gemeinschaftspolitik, insbesondere der Umwelt-, Sozial-, Regional-, Entwicklungs-, Gesundheits- und Verbraucherschutzpolitik.“

5        Art. 5 („Wiederauffüllungspläne“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      Der Rat erlässt Wiederauffüllungspläne vorrangig für Fischereien, die Bestände nutzen, die sich außerhalb sicherer biologischer Grenzen befinden.

(2)      Das Ziel der Wiederauffüllungspläne besteht darin, die Erholung der Bestände bis zum Erreichen eines Zustands innerhalb sicherer biologischer Grenzen sicherzustellen.

…“

6        Art. 7 („Sofortmaßnahmen der Kommission“) dieser Verordnung lautet:

„(1)      Ist die Erhaltung von lebenden aquatischen Ressourcen oder des marinen Ökosystems infolge von Fischereitätigkeiten nachweislich ernsthaft gefährdet und sofortiges Handeln erforderlich, so kann die Kommission auf begründeten Antrag eines Mitgliedstaats oder von sich aus Sofortmaßnahmen mit einer Laufzeit von höchstens sechs Monaten beschließen. Die Kommission kann die Sofortmaßnahmen mit einem erneuten Beschluss um höchstens sechs Monate verlängern.

(2)      Der Mitgliedstaat übermittelt seinen Antrag gleichzeitig der Kommission, den übrigen Mitgliedstaaten und den zuständigen regionalen Beratungsgremien. Diese können der Kommission ihre schriftliche Stellungnahme binnen fünf Arbeitstagen nach Eingang des Antrags zustellen.

(3)      Die Sofortmaßnahmen gelten unmittelbar. Sie werden den betroffenen Mitgliedstaaten mitgeteilt und im Amtsblatt veröffentlicht.

…“

7        Art. 20 („Aufteilung der Fangmöglichkeiten“) der Grundverordnung bestimmt:

„(1)      Der Rat entscheidet mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission über die Fang- und/oder Aufwandsbeschränkungen und über die Aufteilung der Fangmöglichkeiten auf die Mitgliedstaaten sowie über die mit diesen Beschränkungen zusammenhängenden Bedingungen. Die Fangmöglichkeiten werden in einer Weise auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt, die jedem Mitgliedstaat eine relative Stabilität für jeden Bestand bzw. jede Fischerei garantiert.

(2)      Legt die Gemeinschaft neue Fangmöglichkeiten fest, so entscheidet der Rat unter Berücksichtigung der Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten über die Aufteilung dieser Möglichkeiten.

(3)      Jeder Mitgliedstaat beschließt im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht für die Schiffe unter seiner Flagge das Verfahren zur Aufteilung der ihm zugeteilten Fangmöglichkeiten. Er teilt der Kommission dieses Verfahren mit.

(4)      Der Rat legt die Fangmöglichkeiten fest, die Drittländern in Gemeinschaftsgewässern eingeräumt werden, und teilt jedem Drittland die entsprechenden Möglichkeiten zu.

(5)      Die Mitgliedstaaten können, nach entsprechender Unterrichtung der Kommission, die ihnen zugewiesenen Fangmöglichkeiten ganz oder teilweise tauschen.“

8        Art. 26 („Aufgaben der Kommission“) dieser Verordnung sieht vor:

„…

(2)      Gibt es Beweise dafür, dass die Bestandserhaltungs-, Überwachungs-, Inspektions- oder Durchsetzungsvorschriften im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik nicht eingehalten werden und dass dies, wenn nicht sofort gehandelt wird, zu einer ernsthaften Bedrohung für die Erhaltung der lebenden aquatischen Ressourcen oder für die wirksame Umsetzung der Kontroll- und Sanktionsregelung der Gemeinschaft werden kann, so informiert die Kommission schriftlich den betreffenden Mitgliedstaat über ihre Erkenntnis und setzt ihm eine Frist von mindestens fünfzehn Arbeitstagen, um die Einhaltung der Vorschriften nachzuweisen und sich zu äußern. Die Kommission berücksichtigt die Bemerkungen der Mitgliedstaaten bei allen Maßnahmen, die sie gegebenenfalls gemäß Absatz 3 durchführt.

(3)      Besteht die offensichtliche Gefahr, dass die Fischereitätigkeit in einem bestimmten geografischen Gebiet die Erhaltung der lebenden aquatischen Ressourcen ernsthaft gefährden könnte, so kann die Kommission vorbeugende Maßnahmen treffen.

Diese Maßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu der Gefahr einer ernsthaften Bedrohung der Erhaltung der lebenden aquatischen Ressourcen stehen.

Ihre Geltungsdauer beträgt höchstens drei Wochen. Sie können durch einen nach dem Verfahren gemäß Artikel 30 Absatz 2 gefassten Beschluss auf höchstens sechs Monate verlängert werden, sofern dies für die Erhaltung der lebenden aquatischen Ressourcen erforderlich ist.

Die Maßnahmen werden unverzüglich aufgehoben, wenn die Kommission zu der Auffassung gelangt, dass die Gefahr nicht mehr besteht.

(4)      Wenn die Quote, die Zuteilung oder der zur Verfügung stehende Anteil eines Mitgliedstaats als ausgeschöpft gilt, kann die Kommission auf der Grundlage der vorhandenen Informationen die Fischereitätigkeiten sofort beenden.

…“

 Die Sonderregelung für die Fischerei auf Roten Thun

 Internationale Vorschriften

9        Die am 14. Mai 1966 in Rio de Janeiro (Brasilien) unterzeichnete und am 21. März 1969 in Kraft getretene Internationale Konvention zur Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik (im Folgenden: Konvention) soll in erster Linie die Erhaltung und optimale Bewirtschaftung der Thunfischressourcen des Atlantischen Ozeans und der angrenzenden Meere gewährleisten. Dieses Ziel ist durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Vertragschließenden Parteien zu erreichen, um die Thunfischbestände auf einem Niveau zu erhalten, das eine gleichbleibende optimale Nutzung zu Ernährungs- und anderen Zwecken ermöglicht.

10      Zu diesem Zweck vereinbarten die Vertragschließenden Parteien, eine Kommission mit der Bezeichnung Internationale Kommission zur Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik (im Folgenden: ICCAT) zu bilden, deren Aufgabe darin besteht, die Zielsetzung der Konvention in die Tat umzusetzen.

11      Mit dem Beschluss 86/238/EWG des Rates vom 9. Juni 1986 (ABl. L 162, S. 33) wurde der Beitritt der Europäischen Union zur Konvention in der Fassung des Protokolls im Anhang der am 10. Juli 1984 in Paris unterzeichneten Schlussakte der Konferenz der Bevollmächtigten der Vertragsparteien der Konvention genehmigt; der Beitritt wurde am 14. November 1997 wirksam. Gemäß Art. XIV Abs. 6 der Konvention in der Fassung dieses Protokolls gingen in diesem Zeitpunkt die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten, die bereits Vertragsparteien der Konvention waren, auf die Union über. Demzufolge trat diese innerhalb der ICCAT an die Stelle der Mitgliedstaaten.

12      Bei ihrer jährlichen Sitzung im November 2006 verabschiedete die ICCAT die Empfehlung 06-05 zur Aufstellung eines Fünfzehnjahresplans zur Wiederauffüllung für Roten Thun (Thunnus thynnus) im Ostatlantik und im Mittelmeer.

13      Für den Wiederaufbau der Bestände sieht dieser Plan eine schrittweise Verringerung der zulässigen Gesamtfangmengen (TAC) von 2007 bis 2010, Einschränkungen der Fangmöglichkeiten in bestimmten Gebieten und während bestimmter Zeiträume, neue Mindestgrößen für Roten Thun, Maßnahmen für die Sport- und Freizeitfischerei sowie Kontrollmaßnahmen und die Anwendung der gemeinsamen internationalen Inspektionsregelung der ICCAT zur Sicherstellung der Wirksamkeit des Plans vor.

 Unionsrecht

14      Der Rat erließ gemäß Art. 5 der Grundverordnung die Verordnung (EG) Nr. 1559/2007 vom 17. Dezember 2007 zur Aufstellung eines mehrjährigen Wiederauffüllungsplans für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 520/2007 (ABl. L 340, S. 8).

15      Ziel der Verordnung Nr. 1559/2007 ist nach ihrem Art. 1 die Festlegung der allgemeinen Bestimmungen für die Durchführung eines mehrjährigen Wiederauffüllungsplans für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer.

16      Der dritte und der fünfte Erwägungsgrund dieser Verordnung lauten:

„(3)      Für den Wiederaufbau der Bestände [von Rotem Thun] sieht der Wiederauffüllungsplan der ICCAT eine schrittweise Verringerung der zulässigen Gesamtfangmengen (TAC) von 2007 bis 2010, Einschränkungen der Fangmöglichkeiten in bestimmten Gebieten und während bestimmter Zeiträume … vor.

(5)      Der Wiederauffüllungsplan der ICCAT muss daher gemäß Artikel 5 der [Grundverordnung] durch eine Verordnung zur Aufstellung eines Wiederauffüllungsplans dauerhaft umgesetzt werden …“

17      Nach Art. 3 der Verordnung Nr. 1559/2007 setzte die ICCAT die TAC für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer wie folgt fest: 28 500 Tonnen im Jahr 2008, 27 500 Tonnen im Jahr 2009 und 25 500 Tonnen im Jahr 2010.

18      In Art. 4 dieser Verordnung heißt es:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Fischereiaufwand seiner Schiffe und Tonnare den Fangmöglichkeiten für Roten Thun entspricht, die ihm im Ostatlantik und im Mittelmeer zur Verfügung stehen.

(2)      Jeder Mitgliedstaat erstellt einen jährlichen Fangplan für die Schiffe und Tonnare, die im Ostatlantik und im Mittelmeer Roten Thun fischen. …

(3)      Der jährliche Fangplan bezeichnet

a)      unter anderem die Schiffe mit einer Länge von mehr als 24 m, die in die Listen nach Artikel 12 aufgenommen wurden, sowie die ihnen zugeteilte individuelle Quote;

b)      in Bezug auf Schiffe mit einer Länge von weniger als 24 m und Tonnare mindestens die den Erzeugerorganisationen oder Gruppen von Schiffen, die mit ähnlichem Fanggerät fischen, zugeteilte Quote.

…“

19      Nach Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ist der Fang von Rotem Thun mit Ringwadenfängern im Ostatlantik und im Mittelmeer in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember verboten.

20      Art. 12 Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor, dass „[j]eder Mitgliedstaat … der Kommission bis zum 31. Januar 2008 auf elektronischem Wege die Liste der Fischereifahrzeuge unter seiner Flagge [übermittelt], die aufgrund einer speziellen Fangerlaubnis berechtigt sind, im Ostatlantik und im Mittelmeer gezielt Roten Thun zu fischen“.

21      Der Rat erließ gemäß Art. 20 der Grundverordnung die Verordnung (EG) Nr. 41/2007 des Rates vom 21. Dezember 2006 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten und begleitender Fangbedingungen für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Gemeinschaftsgewässern sowie für Gemeinschaftsschiffe in Gewässern mit Fangbeschränkungen (ABl. 2007, L 15, S. 1) sowie die Verordnung (EG) Nr. 40/2008 des Rates vom 16. Januar 2008 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten und begleitenden Fangbedingungen für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Gemeinschaftsgewässern sowie für Gemeinschaftsschiffe in Gewässern mit Fangbeschränkungen (ABl. L 19, S. 1).

22      Mit diesen Verordnungen legte der Rat die TAC für die einzelnen Fischereien fest und teilte die Fangmöglichkeiten nach Quoten auf die Mitgliedstaaten auf.

23      Dem jeweiligen Anhang ID dieser Verordnungen ist zu entnehmen, dass die TAC für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer im Rahmen der ICCAT festgesetzt wurde. Die TAC für dieses Gebiet und diese Fischart wurde auf 29 500 Tonnen im Jahr 2007 und 28 500 Tonnen im Jahr 2008 festgelegt. Von dieser Menge wurden 9 397,70 Tonnen im Jahr 2007 und 16 210,75 Tonnen im Jahr 2008 der Gemeinschaft zugewiesen und praktisch vollständig auf die Republik Malta, die Hellenische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Zypern und die Portugiesische Republik aufgeteilt, wobei die übrigen Mitgliedstaaten zusammen nur über eine Quote von 30 Tonnen im Jahr 2007 und 60 Tonnen im Jahr 2008 verfügten.

24      Die Aufteilung auf die Mitgliedstaaten nach der Verordnung Nr. 40/2008 wurde später durch die Verordnung (EG) Nr. 446/2008 der Kommission vom 22. Mai 2008 zur Änderung bestimmter Quoten für Roten Thun für 2008 gemäß Artikel 21 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 des Rates zur Einführung einer Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik (ABl. L 134, S. 11) geändert.

 Die Verordnung

25      Die Kommission erließ die Verordnung auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 der Grundverordnung.

26      Die Erwägungsgründe 1 bis 4, 6 bis 8 und 10 der Verordnung haben folgenden Wortlaut:

„(1)      In der Verordnung … Nr. 40/2008 … ist festgelegt, in welcher Menge Gemeinschaftsschiffe 2008 im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer Roten Thun fischen dürfen.

(2)      Mit der Verordnung … Nr. 446/2008 … wurden die Mengen von Rotem Thun geändert, die Gemeinschaftsschiffe 2008 im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer fischen dürfen.

(3)      Gemäß der Verordnung … Nr. 1559/2007 … müssen die Mitgliedstaaten der Kommission die individuellen Quoten mitteilen, die sie den Schiffen mit einer Länge von mehr als 24 m zugeteilt haben.

(4)      Die Gemeinsame Fischereipolitik ist darauf ausgerichtet, die Lebensfähigkeit des Fischereisektors durch eine nachhaltige Nutzung der lebenden aquatischen Ressourcen auf der Grundlage des Vorsorgeansatzes zu gewährleisten.

(6)      Die verfügbaren Daten und die Daten, die von den Inspektoren der Kommission bei ihren Inspektionsreisen in den betroffenen Mitgliedstaaten erhoben wurden, zeigen, dass die Fangmöglichkeiten, die Ringwadenfischern, die die Flagge Griechenlands, Frankreichs, Italiens, Zyperns oder Maltas führen oder in einem dieser Mitgliedstaaten registriert sind, für Roten Thun im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer zugeteilt wurden, am 16. Juni 2008 als ausgeschöpft gelten und dass die Fangmöglichkeiten, die Ringwadenfischern, die die Flagge Spaniens führen oder in diesem Mitgliedstaat registriert sind, für denselben Bestand zugeteilt wurden, am 23. Juni 2008 als ausgeschöpft gelten.

(7)      Nach Ansicht [der ICCAT] sind die Überkapazitäten der Fangflotten der Hauptgrund, der zum Zusammenbruch der Bestände von Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer führen könnte. Durch diese Überkapazitäten besteht ein hohes Risiko, dass Roter Thun über die erlaubten Mengen hinaus gefangen wird. Außerdem ist die tägliche Fangkapazität eines einzigen Ringwadenfischers so groß, dass die zulässige Fangmenge sehr schnell erreicht bzw. überschritten werden kann. Daher würde jede Überfischung durch diese Flotte die Erhaltung des Bestandes von Rotem Thun ernsthaft gefährden.

(8)      Die Kommission hat genau überwacht, ob die betroffenen Mitgliedstaaten bei der Fischerei auf Roten Thun im Fischwirtschaftsjahr 2008 alle Anforderungen der einschlägigen Gemeinschaftsbestimmungen eingehalten haben. Nach den ihr vorliegenden Informationen und nach den von ihren Inspektoren erhobenen Daten ist es den betroffenen Mitgliedstaaten nicht gelungen, die vollständige Einhaltung aller Vorschriften der Verordnung … Nr. 1559/2007 zu gewährleisten.

(10)      Um die Wirksamkeit dieser Maßnahmen zu verstärken und die ernsthafte Bedrohung für die Erhaltung des Bestands von Rotem Thun abzuwenden, sollte es den Wirtschaftsbeteiligten in der Gemeinschaft außerdem untersagt werden, Roten Thun, der von Ringwadenfischern im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer gefangen wurde, zur Anlandung, zur Hälterung zum Zweck der Mast oder Aufzucht oder zur Umladung in Gemeinschaftsgewässern oder -häfen zu akzeptieren“.

27      Die Art. 1 bis 3 dieser Verordnung bestimmen:

„Artikel 1

Ab 16. Juni 2008 ist die Fischerei auf Roten Thun durch Ringwadenfischer, die die Flagge Griechenlands, Frankreichs, Italiens, Zyperns oder Maltas führen oder in einem dieser Mitgliedstaaten registriert sind, im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer verboten.

Ab diesem Zeitpunkt ist es ebenfalls verboten, von Ringwadenfischern gefangenen Roten Thun an Bord zu halten, zum Zweck der Mast oder Aufzucht zu hältern, umzuladen, zu transferieren oder anzulanden.

Artikel 2

Ab 23. Juni 2008 ist die Fischerei auf Roten Thun durch Ringwadenfischer, die die Flagge Spaniens führen oder in diesem Mitgliedstaat registriert sind, im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer verboten.

Ab diesem Zeitpunkt ist es ebenfalls verboten, von Ringwadenfischern gefangenen Roten Thun an Bord zu halten, zum Zweck der Mast oder Aufzucht zu hältern, umzuladen, zu transferieren oder anzulanden.

Artikel 3

(1)      Vorbehaltlich des Absatzes 2 dürfen Wirtschaftsbeteiligte aus der Gemeinschaft ab 16. Juni 2008 Roten Thun, der von Ringwadenfischern im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer gefangen wurde, nicht zur Anlandung, zur Hälterung zum Zweck der Mast oder Aufzucht oder zur Umladung in Gemeinschaftsgewässern oder -häfen akzeptieren.

(2)      Bis 23. Juni 2008 ist es erlaubt, Roten Thun, der von Ringwadenfischern, die die Flagge Spaniens führen oder in diesem Mitgliedstaat registriert sind, im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer gefangen wurde, anzulanden, zum Zweck der Mast oder Aufzucht zu hältern und in Gemeinschaftsgewässern oder ‑häfen umzuladen.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

28      AJD Tuna, eine in Malta ansässige Gesellschaft, betreibt im Wesentlichen die Aufzucht und Mast von im Mittelmeer lebend gefangenem Rotem Thun zum Zweck des Verkaufs an Händler. Sie besitzt zwei Fischzuchten zur Aufzucht. Die Kapazität der ersten beläuft sich auf höchstens 2 500 Tonnen, die der zweiten auf 800 Tonnen.

29      Im Anschluss an den Erlass der Verordnung untersagte der Direttur tal-Agrikoltura u s-Sajd AJD Tuna den Erwerb und die Einfuhr von Rotem Thun nach Malta für ihre Tätigkeiten.

30      Da AJD Tuna der Ansicht war, dass sie die ihr ihrer Meinung nach zustehenden Thunfischmengen nicht erwerben könne, befasste sie das Prim’Awla tal-Qorti Ċivili, um Ersatz des Schadens zu erlangen, der ihr aufgrund dieses Verbots, das missbräuchlich, rechtswidrig und unangemessen sei, entstanden sein soll.

31      Nach Angaben des vorlegenden Gerichts macht AJD Tuna geltend, ihr sei von der ICCAT der Erwerb von 3 200 Tonnen Rotem Thun im Jahr 2008 für ihre Tätigkeiten genehmigt worden und dementsprechend habe sie vor Beginn der Fangsaison diese Menge von französischen und italienischen Fischern gekauft. Das Verbot des Erwerbs und der Einfuhr nach Malta werde nicht nur auf in Unionsgewässern gefangenen Roten Thun, sondern auch auf solchen angewandt, der außerhalb dieser Gewässer gefangen worden sei. Deshalb sei es AJD Tuna nicht möglich gewesen, die Menge an Rotem Thun zu erwerben, mit der sie ihre Fischzuchten habe bestücken dürfen.

32      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts hängt daher die Entscheidung des Rechtsstreits von der Gültigkeit der Verordnung ab.

33      Unter diesen Umständen hat das Prim’Awla tal-Qorti Ċivili beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist die Verordnung ungültig, weil sie insoweit gegen Art. 253 EG verstößt, als sie den Erlass der in den Art. 1, 2 und 3 der Verordnung festgelegten Sofortmaßnahmen unzureichend begründet und die diesen Maßnahmen zugrunde liegenden Überlegungen nicht klar genug erkennen lässt?

2.      Ist die Verordnung ungültig, weil sie insoweit gegen Art. 7 Abs. 1 der Grundverordnung des Rates verstößt, als in ihren Erwägungsgründen nicht angemessen dargetan wird, dass i) die Erhaltung von lebenden aquatischen Ressourcen oder des marinen Ökosystems infolge von Fischereitätigkeiten ernsthaft gefährdet ist und ii) sofortiges Handeln erforderlich ist?

3.      Ist die Verordnung ungültig, weil die erlassenen Maßnahmen den auf Art. 1 der Verordnung Nr. 446/2008 und Art. 2 der Grundverordnung gegründeten berechtigten Erwartungen der Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft wie der Klägerin den Boden entziehen?

4.      Ist Art. 3 der Verordnung ungültig, weil er insoweit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, als er zur Folge hat, dass i) kein Wirtschaftsbeteiligter aus der Gemeinschaft die Tätigkeit der Anlandung oder der Hälterung von Thunfisch zum Zweck der Mast oder Aufzucht ausüben kann, und zwar auch dann nicht, wenn der Thunfisch zuvor und völlig im Einklang mit dieser Verordnung gefangen wurde, und ii) kein Wirtschaftsbeteiligter aus der Gemeinschaft diese Tätigkeiten in Bezug auf Thunfisch ausüben kann, der von Fischern gefangen wurde, die nicht die Flagge eines der in Art. 1 der Verordnung genannten Mitgliedstaaten führen, und zwar auch dann nicht, wenn dieser Thunfisch im Einklang mit den von der ICCAT festgelegten Quoten gefangen wurde?

5.      Ist die Verordnung ungültig, weil sie insoweit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, als die Kommission nicht dargetan hat, dass die von ihr zu erlassende Maßnahme zur Wiederauffüllung des Thunfischbestands beitragen wird?

6.      Ist die Verordnung ungültig, weil die erlassenen Maßnahmen insoweit unangemessen sind und eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 12 EG beinhalten, als die Verordnung zwischen Ringwadenfischern, die die Flagge Spaniens führen, und solchen, die die Flagge Griechenlands, Frankreichs, Italiens, Zyperns oder Maltas führen, und zwischen diesen sechs Mitgliedstaaten und den anderen Mitgliedstaaten unterscheidet?

7.      Ist die Verordnung ungültig, weil die Grundsätze des gerichtlichen Rechtsschutzes, wie sie durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt werden, insoweit nicht gewahrt wurden, als weder den Betroffenen noch den Mitgliedstaaten Gelegenheit gegeben wurde, vor Erlass der Entscheidung schriftlich Stellung zu nehmen?

8.      Ist die Verordnung ungültig, weil der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens (audi alteram partem) als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts insoweit nicht gewahrt wurde, als weder den Betroffenen noch den Mitgliedstaaten Gelegenheit gegeben wurde, vor Erlass der Entscheidung schriftlich Stellung zu nehmen?

9.      Ist Art. 7 Abs. 2 der Grundverordnung ungültig, weil der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens (audi alteram partem) als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts und/oder die Grundsätze des gerichtlichen Rechtsschutzes, wie sie durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt werden, nicht gewahrt wurden, und ist die Verordnung ungültig, weil sie auf die Grundverordnung gestützt wurde?

10.      Sollte der Gerichtshof entscheiden, dass die Verordnung gültig ist: Ist diese Verordnung dahin auszulegen, dass die mit Art. 3 der Verordnung erlassenen Maßnahmen es Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft auch untersagen, Roten Thun, der von Ringwadenfischern, die die Flagge eines Drittstaats führen, im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer gefangen wurde, zur Anlandung, zur Hälterung zum Zweck der Mast oder Aufzucht oder zur Umladung in Gemeinschaftsgewässern oder -häfen zu akzeptieren?

 Zum Antrag auf Durchführung von Beweiserhebungen und/oder auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

34      Mit Schriftsatz, der am 19. Oktober 2010 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat die Kommission beantragt, der Gerichtshof möge nach den Art. 60 und 61 seiner Verfahrensordnung Beweiserhebungen und/oder die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnen.

35      Mit Schriftsatz, der am 27. Oktober 2010 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat der Rat mitgeteilt, dass er den Antrag der Kommission unterstütze.

36      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof gemäß Art. 61 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auf Antrag der Parteien die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnen kann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht (vgl. u. a. Urteile vom 26. Juni 2008, Burda, C‑284/06, Slg. 2008, I‑4571, Randnr. 37, und vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, Slg. 2009, I‑7633, Randnr. 31).

37      Zur Begründung ihres Antrags erhebt die Kommission eine Reihe von Rügen zum Ablauf der mündlichen Verhandlung, die es ihrer Ansicht nach rechtfertigen, dass der Gerichtshof Beweiserhebungen vornimmt und/oder die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnet, um zu klären, welche Fakten die Grundlage der Verordnung bilden.

38      Zunächst einmal habe sich der Vertreter der AJD Tuna – obwohl die Verfahrenssprache Maltesisch sei – in italienischer Sprache geäußert, was vom Gerichtshof zugelassen worden sei, ohne dass der Rat und die Kommission hiervon in Kenntnis gesetzt worden seien.

39      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 29 § 2 Buchst. c Unterabs. 2 der Verfahrensordnung auf begründeten Antrag einer Partei des Ausgangsrechtsstreits nach Anhörung der Gegenpartei des Ausgangsrechtsstreits und des Generalanwalts die Verwendung einer anderen der in Art. 29 § 1 genannten Sprachen in der mündlichen Verhandlung zugelassen werden kann.

40      Mit Schreiben, das am 11. Februar 2010 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat AJD Tuna beantragt, ihr zu gestatten, sich der englischen oder der italienischen Sprache zu bedienen. Mit Beschluss vom 14. April 2010 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichtshofs nach Anhörung der übrigen Parteien des Ausgangsrechtsstreits und des Generalanwalts AJD Tuna gestattet, sich der italienischen Sprache zu bedienen. Da der Rat und die Kommission keine Parteien des Ausgangsrechtsstreits sind, mussten sie hiervon nicht unterrichtet werden.

41      Die Kommission trägt weiter vor, in der mündlichen Verhandlung sei es einem ihrer Bevollmächtigten, Herrn Depasquale, nicht ermöglicht worden, Fragen des Gerichtshofs in englischer Sprache zu beantworten, obwohl der Kommission für ihre Bevollmächtigten gestattet worden sei, Fragen des Gerichtshofs in dieser Sprache zu beantworten.

42      Mit von Frau Banks und den Herren Depasquale und Nardi unterzeichnetem Schreiben, das am 19. April 2010 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat die Kommission beantragt, Frau Banks und Herrn Nardi zu gestatten, Fragen des Gerichtshofs in englischer Sprache zu beantworten. Der Präsident der Zweiten Kammer hat diesem Antrag am 26. April 2010 stattgegeben.

43      Nachdem der Antrag der Kommission nur für Frau Banks und Herrn Nardi gestellt worden war, konnte die Möglichkeit, Fragen des Gerichtshofs in englischer Sprache zu beantworten, nicht für Herrn Depasquale gelten, auch wenn dies in einer allgemeinen Formulierung gestattet worden war.

44      Da zudem – wie die Kommission angibt – Maltesisch die Muttersprache von Herrn Depasquale ist, konnte er Fragen des Gerichtshofs problemlos in dieser Sprache beantworten.

45      Zur Kritik am Inhalt der Schlussanträge der Generalanwältin ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 252 Abs. 2 AEUV der Generalanwalt die Aufgabe hat, öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen zu stellen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Hierbei kann er ein Vorabentscheidungsersuchen gegebenenfalls in einem weiteren Kontext prüfen als in den vom vorlegenden Gericht oder den Parteien des Ausgangsverfahrens genau vorgegebenen Grenzen. Die Schlussanträge des Generalanwalts oder ihre Begründung binden den Gerichtshof nicht (vgl. Urteil vom 11. November 2010, Hogan Lovells International, C‑229/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 26).

46      Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass er im vorliegenden Fall über alle erforderlichen Angaben verfügt, um die Fragen des vorlegenden Gerichts beantworten zu können.

47      Der Antrag auf Durchführung von Beweiserhebungen und auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist daher zurückzuweisen.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur siebten und zur neunten Frage

48      Mit diesen Fragen, die zusammen und vor den übrigen Fragen zu prüfen sind, fragt das vorlegende Gericht nach der Gültigkeit der Verordnung sowie nach der Gültigkeit von Art. 7 der Grundverordnung, auf deren Grundlage die Verordnung erlassen wurde. Konkret möchte dieses Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 2 der Grundverordnung deshalb ungültig ist, weil er nicht vorsieht, dass den Mitgliedstaaten und den Betroffenen Gelegenheit gegeben wird, gegenüber der Kommission Stellung zu nehmen, wenn diese beabsichtigt, von sich aus in Art. 7 Abs. 1 der Grundverordnung vorgesehene Sofortmaßnahmen zu erlassen, was einen Verstoß gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und gegen die in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) niedergelegten Grundsätze darstelle.

49      Art. 41 der Charta, dessen Verletzung AJD Tuna geltend macht, verbürgt u. a. das Recht einer jeden Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird. Demnach ist diese Bestimmung nicht auf das Verfahren zur Ausarbeitung allgemein geltender Rechtsakte gerichtet.

50      Nach der Definition in Art. 288 AEUV ist eine Verordnung eine Handlung mit allgemeiner Geltung, die in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt.

51      Verordnungen und Entscheidungen sind danach voneinander abzugrenzen, ob die betreffende Handlung allgemeine Geltung hat oder nicht (vgl. u. a. Beschluss vom 12. Juli 1993, Gibraltar und Gibraltar Development/Rat, C‑168/93, Slg. 1993, I‑4009, Randnr. 11). Eine Handlung ist eine allgemeine Regelung, wenn sie für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen erzeugt (vgl. u. a. Urteil vom 6. Oktober 1982, Alusuisse Italia/Rat und Kommission, 307/81, Slg. 1982, 3463, Randnr. 9).

52      Art. 7 Abs. 1 der Grundverordnung ermächtigt die Kommission, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn die Erhaltung von lebenden aquatischen Ressourcen oder des marinen Ökosystems infolge von Fischereitätigkeiten ernsthaft gefährdet ist. Die getroffenen Maßnahmen berühren daher die Wirtschaftsbeteiligten in der Fischwirtschaft in einem bestimmten Gebiet und in Bezug auf eine bestimmte lebende Art. Die Sofortmaßnahme wird somit nicht nach Maßgabe der Interessen der Wirtschaftsbeteiligten erlassen, sondern allein zu dem Zweck, die lebenden aquatischen Ressourcen und das marine Ökosystem zu erhalten. Die auf der Grundlage dieses Art. 7 Abs. 1 erlassenen Verordnungen gelten für objektiv bestimmte Situationen und erzeugen Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen im Sinne der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung.

53      Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass Art. 7 Abs. 2 der Grundverordnung nicht deshalb ungültig ist, weil er nicht vorsieht, dass im Verfahren zum Erlass von Sofortmaßnahmen nach Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung die Stellungnahmen der Wirtschaftsbeteiligten eingeholt werden, die von diesen Maßnahmen betroffen sein können.

54      Darüber hinaus bekräftigt Art. 47 der Charta, wonach jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht hat, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt (vgl. Urteile vom 13. März 2007, Unibet, C‑432/05, Slg. 2007, I‑2271, Randnr. 37, und vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, Slg. 2008, I‑6351, Randnr. 335).

55      Da das vorlegende Gericht den Gerichtshof nicht zu der etwaigen Nichtbeachtung des Rechts, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, befragt, sondern zum Fehlen der Gelegenheit für die Betroffenen und die Mitgliedstaaten, schriftlich Stellung zu nehmen, bevor die Kommission Sofortmaßnahmen nach Art. 7 Abs. 1 der Grundverordnung erlässt, ist Art. 47 der Charta nicht anwendbar.

56      Auf die siebte und die neunte Frage ist daher zu antworten, dass die Prüfung der vorgelegten Fragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnung oder die von Art. 7 Abs. 2 der Grundverordnung im Hinblick auf den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes berühren könnte.

 Zur ersten und zur zweiten Frage

57      Mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung der Begründungspflicht nach Art. 296 Abs. 2 AEUV genügt und insbesondere, ob in dieser Begründung die Voraussetzungen, unter denen die Kommission auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 der Grundverordnung handeln kann, hinreichend dargetan sind.

58      Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 Abs. 2 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 12. Dezember 2002, Belgien/Kommission, C‑5/01, Slg. 2002, I‑11991, Randnr. 68, vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission, C‑501/00, Slg. 2004, I‑6717, Randnr. 73, und vom 5. März 2009, Frankreich/Rat, C‑479/07, Randnr. 49).

59      Ferner hängt nach ständiger Rechtsprechung der Umfang der Begründungspflicht von der Rechtsnatur der betreffenden Maßnahme ab; bei generellen Rechtsakten kann sich die Begründung darauf beschränken, die Gesamtlage anzugeben, die zum Erlass der Maßnahme geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihr erreicht werden sollen. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof insbesondere festgestellt, dass es, wenn der angefochtene Rechtsakt den von dem Gemeinschaftsorgan verfolgten Zweck in seinen wesentlichen Zügen erkennen lässt, zu weit ginge, eine besondere Begründung für die einzelnen technischen Entscheidungen zu verlangen (vgl. u. a. Urteile vom 7. November 2000, Luxemburg/Parlament und Rat, C‑168/98, Slg. 2000, I‑9131, Randnr. 62, vom 9. September 2003, Kik/HABM, C‑361/01 P, Slg. 2003, I‑8283, Randnr. 102, und vom 9. September 2004, Spanien/Kommission, C‑304/01, Slg. 2004, I‑7655, Randnr. 51).

60      Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass es sich bei der Begründungspflicht nach Art. 296 Abs. 2 AEUV um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. September 2002, Spanien/Kommission, C‑113/00, Slg. 2002, I‑7601, Randnr. 47, und Frankreich/Rat, Randnr. 50).

61      Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist zu prüfen, ob die Verordnung den in Art. 296 Abs. 2 AEUV aufgestellten Anforderungen an die Begründung genügt.

62      Die Verordnung wurde auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 der Grundverordnung erlassen. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung kann die Kommission u. a. von sich aus unter drei Voraussetzungen Sofortmaßnahmen ergreifen. Zunächst muss die Erhaltung von lebenden aquatischen Ressourcen oder des marinen Ökosystems nachweislich ernsthaft gefährdet sein. Ferner muss diese Gefährdung auf Fischereitätigkeiten zurückzuführen sein. Schließlich muss sofortiges Handeln erforderlich sein, um dieser Gefährdung zu begegnen.

63      Was die Begründung für das Vorliegen einer ernsthaften Bedrohung für die Erhaltung des Bestands von Rotem Thun betrifft, wird in den Erwägungsgründen 1, 2 und 3 der Verordnung darauf hingewiesen, welche Bedeutung für Roten Thun festgelegte TAC im Rahmen des mehrjährigen Wiederauffüllungsplans für diesen Fisch besitzen. Im Übrigen geht aus dem sechsten Erwägungsgrund dieser Verordnung hervor, dass die von den Inspektoren der Kommission erhobenen Daten zeigen, dass die den Ringwadenfischern zugeteilten Fangmöglichkeiten vor dem regulären Ablauf des Fischwirtschaftsjahrs hätten ausgeschöpft sein können. Folglich hat die Kommission der Verpflichtung zur Begründung der Verordnung in Bezug auf das Vorliegen einer ernsthaften Bedrohung für die Erhaltung des Bestands von Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer genügt.

64      Hinsichtlich der Begründung, dass die Bedrohung für die Erhaltung dieses Bestands auf die Fischereitätigkeiten der Ringwadenfischer sowie auf die anschließende Anlandung dieser Fische bei den Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft zurückzuführen sei, ergibt sich zum einen aus dem siebten Erwägungsgrund der Verordnung, dass nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses der ICCAT die Überkapazitäten dieser Schiffe der Hauptgrund sind, der zum Zusammenbruch der Bestände von Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer führen könnte.

65      Zum anderen geht aus dem achten Erwägungsgrund der Verordnung hervor, dass nach den der Kommission vorliegenden Informationen die Mitgliedstaaten nicht alle Anforderungen der Vorschriften der Verordnung Nr. 1559/2007 eingehalten haben, deren Ziel im Wiederaufbau der Bestände von Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer besteht.

66      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Einhaltung der den Mitgliedstaaten aufgrund der Unionsvorschriften obliegenden Verpflichtungen sich als zwingend erweist, um den Schutz der Fanggründe, die Erhaltung der biologischen Meeresschätze und ihre Nutzung auf einer dauerhaften Basis unter angemessenen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen zu gewährleisten (vgl. in Bezug auf die Nichteinhaltung der Quotenregelung in den Fischwirtschaftsjahren 1991 bis 1996 Urteil vom 25. April 2002, Kommission/Frankreich, C‑418/00 und C‑419/00, Slg. 2002, I‑3969, Randnr. 57).

67      Diese Erwägungen zeigen, dass die Begründung der Verordnung in hinreichendem Maß erkennen lässt, dass die ernsthafte Bedrohung für die Erhaltung der Bestände von Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer auf die Fischereitätigkeit der Ringwadenfischer sowie auf die anschließende Anlandung dieser Fische bei den Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft zurückzuführen ist.

68      Was schließlich die Dringlichkeit angeht, mit der diese Maßnahmen zu ergreifen waren, wird im vierten Erwägungsgrund der Verordnung darauf hingewiesen, dass die Gemeinsame Fischereipolitik darauf ausgerichtet ist, die Lebensfähigkeit des Fischereisektors durch eine nachhaltige Nutzung der lebenden aquatischen Ressourcen auf der Grundlage des Vorsorgeansatzes zu gewährleisten. Dieser Hinweis auf das von der Union verfolgte Ziel und die Feststellung einer drohenden Überschreitung der den Ringwadenfischern zugeteilten Fangquoten jedenfalls vor dem regulären Ablauf des Fischwirtschaftsjahrs stellen eine hinreichende Begründung für die Dringlichkeit dar, in deren Rahmen die Kommission nach dem Vorsorgeansatz handeln musste.

69      Auf die erste und die zweite Frage ist daher zu antworten, dass die Prüfung der vorgelegten Fragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnung im Hinblick auf das Begründungserfordernis nach Art. 296 Abs. 2 AEUV berühren könnte.

 Zur dritten Frage

70      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung deshalb ungültig ist, weil die darin vorgesehenen Maßnahmen den berechtigten Erwartungen der Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft, die sie auf die Festlegung der Fangquoten für Roten Thun insbesondere durch die Verordnung Nr. 446/2008 gegründet hatten, den Boden entziehen.

71      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Recht auf Vertrauensschutz jedem Einzelnen zusteht, wenn sich herausstellt, dass die Gemeinschaftsverwaltung bei ihm begründete Erwartungen geweckt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. März 1987, Van den Bergh en Jurgens und Van Dijk Food Products [Lopik]/EWG, 265/85, Slg. 1987, 1155, Randnr. 44, und vom 15. Juli 2004, Di Lenardo und Dilexport, C‑37/02 und C‑38/02, Slg. 2004, I‑6911, Randnr. 70).

72      Präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung Zusicherungen dar, die solche Erwartungen wecken können (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2010, Kahla Thüringen Porzellan/Kommission, C‑537/08 P, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 63). Dagegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gegeben hat (vgl. Urteile vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission, C‑182/03 und C‑217/03, Slg. 2006, I‑5479, Randnr. 147, und vom 25. Oktober 2007, Komninou u. a./Kommission, C‑167/06 P, Randnr. 63).

73      Ist ferner ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage, den Erlass einer Gemeinschaftsmaßnahme, die seine Interessen berühren kann, vorherzusehen, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf den genannten Grundsatz berufen (vgl. Urteile Van de Bergh en Jurgens und Van Dijk Food Products [Lopik]/EWG, Randnr. 44, und Belgien und Forum 187/Kommission, Randnr. 147).

74      Wie die Kommission zu Recht geltend macht, haben die Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft von ihr keine Zusicherung erhalten, dass sie mit der gesamten Menge von Rotem Thun beliefert würden, für die sie mit den Fischern Verträge geschlossen hatten.

75      Im Übrigen ist die Möglichkeit, Maßnahmen zu erlassen, die eine Beendigung des Fischwirtschaftsjahrs vor dem regulären Datum bewirken, u. a. in den Art. 7 Abs. 1 und 26 Abs. 4 der Grundverordnung vorgesehen. Die Wirtschaftsteilnehmer aus der Gemeinschaft, deren Tätigkeit im Erwerb von Rotem Thun für Mast- und Aufzuchtzwecke besteht, können sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn sie sind in der Lage, vorherzusehen, dass solche Maßnahmen erlassen werden können.

76      Auf die dritte Frage ist daher zu antworten, dass die Prüfung der vorgelegten Frage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnung im Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes beeinträchtigen könnte.

 Zur vierten und zur fünften Frage

77      Mit diesen Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung deshalb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, weil sie vorsieht, dass den Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft ab einem bestimmten Zeitpunkt untersagt ist, Roten Thun zur Anlandung oder zur Hälterung zum Zweck der Mast oder Aufzucht zu akzeptieren, und zwar selbst dann, wenn er vor diesem Zeitpunkt oder mit Schiffen unter der Flagge eines Drittstaats gefangen wurde. Das vorlegende Gericht möchte ferner wissen, ob die mit der Verordnung erlassenen Maßnahmen geeignet sind, das Ziel des Wiederaufbaus der Bestände von Rotem Thun zu erreichen.

78      Was den Zeitpunkt für den Fang des von dem Verbot der Anlandung betroffenen Roten Thuns betrifft, ist festzustellen, dass ausweislich des zehnten Erwägungsgrundes der Verordnung das den Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft auferlegte Verbot, Roten Thun, der von Ringwadenfischern im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer gefangen wurde, zur Anlandung, zur Hälterung zum Zweck der Mast oder Aufzucht oder zur Umladung in Gemeinschaftsgewässern oder -häfen zu akzeptieren, verhängt wurde, um die Wirksamkeit des Fangverbots zu verstärken, und daher nur eine Begleitmaßnahme ist. Dementsprechend ist Art. 3 der Verordnung im Licht der Art. 1 und 2 dieser Verordnung dahin auszulegen, dass das den Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft auferlegte Verbot nicht den Roten Thun betrifft, der – unabhängig vom Zeitpunkt seiner Anlandung – vor dem 16. Juni 2008 bzw. vor dem 23. Juni 2008, je nach Flagge des Ringwadenfischers, gefangen wurde.

79      Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, verlangt, dass die von einer unionsrechtlichen Bestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Dezember 2004, Swedish Match, C‑210/03, Slg. 2004, I‑11893, Randnr. 47, und vom 7. Juli 2009, S.P.C.M. u. a., C‑558/07, Slg. 2009, I‑5783, Randnr. 41).

80      Nach ständiger Rechtsprechung verfügt der Unionsgesetzgeber in diesem Bereich der Agrarpolitik einschließlich dem der Fischereipolitik über ein weites Ermessen, das seiner politischen Verantwortung, die ihm die Art. 40 AEUV bis 43 AEUV übertragen, entspricht. Folglich hat sich die richterliche Kontrolle auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob die betreffende Maßnahme nicht mit einem offensichtlichen Irrtum oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist oder ob die betreffende Behörde die Grenzen ihres Ermessens nicht offensichtlich überschritten hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 2001, Jippes u. a., C‑189/01, Slg. 2001, I‑5689, Randnr. 80, vom 9. September 2004, Spanien/Kommission, Randnr. 23, und vom 23. März 2006, Unitymark und North Sea Fishermen’s Organisation, C‑535/03, Slg. 2006, I‑2689, Randnr. 55).

81      Was die gerichtliche Kontrolle der Beachtung dieses Grundsatzes betrifft, so kann aufgrund des weiten Ermessens, über das der Unionsgesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik einschließlich dem der Fischereipolitik verfügt, die Rechtmäßigkeit einer in diesem Bereich erlassenen Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein, wenn diese Maßnahme zur Erreichung des Ziels, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Unitymark und North Sea Fishermen’s Organisation, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Der Gerichtshof hat daher zu prüfen, ob das den Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft auferlegte Verbot, Roten Thun, der seit dem 16. bzw. dem 23. Juni 2008 von Ringwadenfischern im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer gefangen wurde, zur Anlandung, zur Hälterung zum Zweck der Mast oder Aufzucht oder zur Umladung in Gemeinschaftsgewässern oder -häfen zu akzeptieren, nicht offensichtlich ungeeignet war.

83      Mit dem Erlass der Verordnung Nr. 1559/2007 verfolgte der Rat den Zweck, den von der ICCAT empfohlenen Wiederauffüllungsplan für Roten Thun umzusetzen. Diese Wiederauffüllung muss, wie im dritten Erwägungsgrund dieser Verordnung ausgeführt ist, durch eine schrittweise Verringerung der TAC erfolgen. Diese TAC, deren Umfang in Art. 3 dieser Verordnung genannt ist, werden zwischen der Union und den übrigen ICCAT‑Vertragsparteien aufgeteilt. Die Einhaltung der den Mitgliedstaaten zugeteilten Quoten ist daher für die Verwirklichung des Ziels des Wiederaufbaus der Bestände von Rotem Thun erforderlich. Daher ist das Fangverbot, das die Kommission in der Verordnung mit der Begründung erlassen hat, die Erschöpfung der Quoten stehe unmittelbar bevor, nicht offensichtlich ungeeignet.

84      Auch das den Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft auferlegte Verbot, Roten Thun, der seit dem 16. bzw. dem 23. Juni 2008 von Ringwadenfischern gleich welcher Flagge gefangen wurde, zur Anlandung, zur Hälterung zum Zweck der Mast oder Aufzucht oder zur Umladung in Gemeinschaftsgewässern oder ‑häfen zu akzeptieren, ist nicht offensichtlich ungeeignet, da es ebenfalls ermöglicht, das Ziel der Einhaltung der TAC zu erreichen, deren Verringerung im Lauf der Zeit ermöglichen wird, die Bestände von Rotem Thun wiederaufzufüllen.

85      Auf die vierte und die fünfte Frage ist daher zu antworten, dass die Prüfung der vorgelegten Fragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beeinträchtigen könnte.

 Zur sechsten Frage

86      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung deshalb ungültig ist, weil sie zum einen zwischen Ringwadenfischern, die die spanische Flagge führen oder in diesem Mitgliedstaat registriert sind (im Folgenden: spanische Ringwadenfischer), und solchen, die die maltesische, die griechische, die französische, die italienische oder die zyprische Flagge führen oder in einem dieser Mitgliedstaaten registriert sind (im Folgenden: andere Ringwadenfischer), und zum anderen zwischen diesen sechs Mitgliedstaaten und den übrigen Mitgliedstaaten unterscheidet und somit unter Verstoß gegen Art. 12 EG eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit einführt.

87      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung nur die Ringwadenfischer betraf, die Fischerei auf Roten Thun betreiben, nicht aber die Fischerei auf Roten Thun mit anderen – namentlich handwerklichen – Fangmethoden.

88      Die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung erfordert, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt (vgl. u. a. Urteile vom 17. Oktober 1995, Fishermen’s Organisations u. a., C‑44/94, Slg. 1995, I‑3115, Randnr. 46, vom 30. März 2006, Spanien/Rat, C‑87/03 und C‑100/03, Slg. 2006, I‑2915, Randnr. 48, und vom 8. November 2007, Spanien/Rat, C‑141/05, Slg. 2007, I‑9485, Randnr. 40).

89      Vorab ist festzustellen, dass sich die von der Verordnung nicht erfassten Mitgliedstaaten in einer anderen Lage befanden als die übrigen Mitgliedstaaten. Im Jahr 2008 war es nämlich keinem Ringwadenfischer, der die Flagge eines der in der Verordnung nicht genannten Mitgliedstaaten führte, nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1559/2007 gestattet worden, Fischerei auf Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer zu betreiben.

90      Was die von der Verordnung erfassten Mitgliedstaaten betrifft, hat die Kommission den spanischen Ringwadenfischern bis zum 23. Juni 2008 gestattet, Fischerei auf Roten Thun im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer zu betreiben, Roten Thun an Bord zu halten, zum Zweck der Mast oder Aufzucht zu hältern, umzuladen, zu transferieren oder anzulanden, während diese Tätigkeiten den anderen Ringwadenfischern seit dem 16. Juni 2008 verboten waren.

91      Mit derselben Verordnung hat die Kommission den Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft gestattet, von spanischen Ringwadenfischern bis zum 23. Juni 2008 in diesem Gebiet gefangenen Roten Thun zur Anlandung, zur Hälterung zum Zweck der Mast oder Aufzucht oder zur Umladung zu akzeptieren, während diese Tätigkeiten in Bezug auf den von den anderen Ringwadenfischern seit dem 16. Juni 2008 gefangenen Roten Thun verboten waren.

92      Durch die Verordnung wurden somit diese beiden Kategorien von Schiffen danach unterschiedlich behandelt, welche Flagge sie führten oder in welchem Staat sie registriert waren, und die Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft danach, ob sie einen Vertrag mit den spanischen Ringwadenfischern geschlossen hatten oder nicht. Es ist zu prüfen, ob es objektive Gründe gab, die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen.

93      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Merkmale unterschiedlicher Sachverhalte und deren Vergleichbarkeit u. a. im Licht des Ziels und des Zwecks der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen sind (vgl. entsprechend Urteile vom 16. Oktober 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, Slg. 2008, I‑9895, Randnr. 26, und vom 18. November 2010, Kleist, C‑356/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 34).

94      Die Verordnung wurde auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 der Grundverordnung erlassen. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung kann – wie in Randnr. 62 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist – die Kommission u. a. von sich aus unter drei Voraussetzungen Sofortmaßnahmen ergreifen. Zunächst muss die Erhaltung von lebenden aquatischen Ressourcen oder des marinen Ökosystems nachweislich ernsthaft gefährdet sein. Ferner muss diese Gefährdung auf Fischereitätigkeiten zurückzuführen sein. Schließlich muss sofortiges Handeln erforderlich sein, um dieser Gefährdung zu begegnen. Zu diesem letztgenannten Punkt heißt es in Art. 7 Abs. 3 der Grundverordnung, dass diese Sofortmaßnahmen unmittelbar gelten.

95      Somit zeigt sich, dass die Kommission, wenn sie auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 der Grundverordnung handelt, gemäß Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung „den Vorsorgeansatz [anwendet], indem sie Maßnahmen ergreift, die die lebenden aquatischen Ressourcen schützen und erhalten“, was nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ein geeignetes Mittel ist, um die von der Gemeinsamen Fischereipolitik gesetzten Ziele zu erreichen.

96      Bei der Umsetzung von Maßnahmen, die auf der Grundlage von Art. 7 der Grundverordnung erlassen werden, kann auch eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein, wenn sie ermöglicht, die Ziele der Erhaltung von lebenden aquatischen Ressourcen oder des Schutzes des marinen Ökosystems eher zu erreichen.

97      In Bezug auf die Verordnung war die Kommission der Auffassung, dass eine ernsthafte Bedrohung für die Erhaltung der Bestände von Rotem Thun in dem von dieser Verordnung erfassten marinen Gebiet vorgelegen habe und dass diese Bedrohung auf die Fischereitätigkeiten der Ringwadenfischer zurückzuführen gewesen sei. Aus dem siebten Erwägungsgrund dieser Verordnung geht nämlich zum einen hervor, dass die Flotten der Ringwadenfischer Überkapazitäten aufweisen, und zum anderen, dass die Fangkapazität eines jeden Ringwadenfischers so groß ist, dass die TAC hätte sehr schnell erreicht bzw. überschritten werden können.

98      Zur Rechtfertigung des für die spanischen Ringwadenfischer abweichenden Zeitpunkts für das Inkrafttreten des Verbots hat die Kommission vorgetragen, dass für diese Schiffe vor dem 23. Juni 2008 keine Gefahr des Überschreitens der ihnen zugeteilten Fangquote bestanden habe, während diese Gefahr bei den anderen Ringwadenfischern unter Berücksichtigung ihrer großen Anzahl seit dem 16. Juni 2008 gegeben gewesen sei.

99      So hatte die Kommission – wie sie zu Recht geltend gemacht hat – die Tätigkeiten der Fischerei auf Roten Thun nicht auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 4 der Grundverordnung beendet, da eine solche Maßnahme voraussetzt, dass die einem Mitgliedstaat zugeteilte Quote erschöpft ist, was hier nicht der Fall war. Das angestrebte Ziel bestand lediglich darin, eine Art der Fischerei, nämlich die Ringwadenfischerei zu beenden, obwohl die den Mitgliedstaaten zugeteilte Quote noch nicht erreicht war.

100    In Ansehung der dem Gerichtshof gegebenen Erläuterungen ist nicht erkennbar, dass es nach Maßgabe ihrer Flagge oder des Mitgliedstaats, in dem sie registriert sind, hinsichtlich ihrer Kapazität zum Fang von Rotem Thun und ihres Einflusses auf die Erschöpfung der Bestände von diesem Fisch objektive Unterschiede zwischen den Ringwadenfischern gibt. Es ist nicht dargetan oder auch nur behauptet worden, dass sich die spanischen Ringwadenfischer in diesem Punkt von den anderen von der Verordnung erfassten Ringwadenfischern unterschieden hätten.

101    Obwohl die Kommission angibt, sie habe die Verbotsmaßnahmen nicht wegen der Gefahr der Erschöpfung der den Mitgliedstaaten zugeteilten Quoten erlassen, ist daher festzustellen, dass der Aufschub des Inkrafttretens der Verbotsmaßnahmen für die spanischen Ringwadenfischer bis zum 23. Juni 2008 nur auf die Gefahr der Erschöpfung der wenn auch nur diesen Ringwadenfischern zugeteilten Quoten gestützt ist. Die sich aus diesem Aufschub ergebende Ungleichbehandlung scheint daher ausschließlich auf das Verhältnis zwischen der Anzahl dieser Ringwadenfischer und der ihnen zugewiesenen Quote für den Fang von Rotem Thun gestützt zu sein.

102    Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Kommission, während ihr Handeln darauf gerichtet war, den Zusammenbruch der Bestände von Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer abzuwenden, und sie die Ringwadenfischer anders behandelte als andere Fischfangschiffe oder ‑geräte und, wie in Randnr. 97 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, auf deren Kapazität, die Bestände von Rotem Thun zu erschöpfen, abstellte, das Inkrafttreten der Verbotsmaßnahmen für die spanischen Ringwadenfischer bis zum 23. Juni 2008 aufschob und sich dabei lediglich auf deren theoretische Kapazität zur Erreichung ihrer Fangquote, nicht aber auf ihre tatsächliche Kapazität zum Fang von Rotem Thun stützte.

103    Wie nämlich die Generalanwältin in Nr. 125 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist aus den schriftlichen Erklärungen der Kommission ersichtlich, dass die Quote jedes Mitgliedstaats auf die Zahl der Schiffe, die dessen Flagge führen oder in diesem Staat registriert sind, aufgeteilt wird. Im Jahr 2008 verteilten sich die 131 zum Fang von Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer berechtigten Ringwadenfischer wie folgt: ein zyprischer, vier maltesische, sechs spanische, 16 griechische, 36 französische und 68 italienische. Die individuelle Quote für Schiffe mit einer Länge von mehr als 24 m lag für die französischen Ringwadenfischer bei 110 bis 120 Tonnen, für die italienischen Ringwadenfischer bei 52 Tonnen und für die spanischen Ringwadenfischer bei zwischen 251 und 352 Tonnen.

104    Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung ferner erläutert, die spanischen Ringwadenfischer würden im Wesentlichen im Gebiet der Balearen fischen und ihr Fischwirtschaftsjahr eine Woche später als das der anderen Ringwadenfischer beginnen. Sie hat ihr Vorbringen allerdings lediglich durch das Dokument in Anlage 6 zu ihren schriftlichen Erklärungen untermauert. Diesem Schriftstück ist jedoch zum einen zu entnehmen, dass die spanischen Ringwadenfischer mindestens seit dem 27. Mai 2008 Roten Thun im Gebiet der Balearen gefangen haben, und zum anderen, dass französische Ringwadenfischer im gleichen Zeitraum und im gleichen Gebiet gefischt haben, so dass die Lage der spanischen Ringwadenfischer mithin nicht einzigartig war.

105    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1559/2007 die Fischerei auf Roten Thun durch Ringwadenfischer im Ostatlantik und im Mittelmeer zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember verbietet, ohne dass für die spanischen Ringwadenfischer aufgrund des späteren Beginns ihres Fischwirtschaftsjahrs eine Ausnahme vorgesehen wäre.

106    Nach alledem ist nicht erwiesen, dass die spanischen Ringwadenfischer sich in einer objektiv anderen Lage befanden als die anderen von der Verordnung erfassten Ringwadenfischer, die es gerechtfertigt hätte, das Inkrafttreten der Verbotsmaßnahmen zum besseren Schutz der Bestände von Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer für sie bis zum 23. Juni 2008 aufzuschieben.

107    Daher hat die Kommission, als sie auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 der Grundverordnung mit dem Ziel handelte, die aufgrund der Tätigkeit der Ringwadenfischer bestehende Gefahr des Zusammenbruchs der Bestände von Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer zu beseitigen, das Inkrafttreten der Maßnahmen des Verbots der Fischerei nur für die spanischen Ringwadenfischer bis zum 23. Juni 2008 aufgeschoben, ohne dass diese zusätzliche Frist im Hinblick auf das angestrebte Ziel objektiv gerechtfertigt wäre.

108    Mit diesem Vorgehen hat die Kommission die spanischen Ringwadenfischer und die anderen Ringwadenfischer unterschiedlich behandelt, ohne dass diese Ungleichbehandlung objektiv gerechtfertigt wäre. Folglich berührt dieser Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz die Gültigkeit der Verordnung, soweit den spanischen Ringwadenfischern gestattet wurde, Roten Thun nach dem 16. Juni 2008 zu fischen sowie ihn nach diesem Zeitpunkt an Bord zu halten, zum Zweck der Mast oder Aufzucht zu hältern, umzuladen, zu transferieren und anzulanden.

109    Was die Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft betrifft, hatten diejenigen, die von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung erfasst sind, mit den spanischen Ringwadenfischern Kaufverträge über Roten Thun geschlossen und konnten von diesen Ringwadenfischern zwischen dem 16. Juni 2008 und dem 23. Juni 2008 gefangenen Roten Thun zur Anlandung, zur Hälterung zum Zweck der Mast oder Aufzucht oder zur Umladung akzeptieren.

110    Demgegenüber mussten die von Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung erfassten Wirtschaftsbeteiligten, die wie AJD Tuna solche Verträge mit anderen Ringwadenfischern geschlossen hatten, in Bezug auf von diesen Ringwadenfischern seit dem 16. Juni 2008 gefangenen Roten Thun auf solche Geschäfte verzichten. Diese beiden Kategorien von Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft wurden unterschiedlich behandelt, und diese Ungleichbehandlung ist die unmittelbare Konsequenz aus der ungerechtfertigten Ungleichbehandlung zugunsten der spanischen Ringwadenfischer.

111    Dass die Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft, die Verträge mit spanischen Ringwadenfischern geschlossen hatten, die Möglichkeit hatten, von diesen Ringwadenfischern zwischen dem 16. Juni 2008 und dem 23. Juni 2008 gefangenen Roten Thun zur Anlandung, zur Hälterung zum Zweck der Mast oder Aufzucht oder zur Umladung zu akzeptieren, ist nämlich nicht gerechtfertigt, da sich diese Wirtschaftsbeteiligten in einer Lage befinden, die der der übrigen Wirtschaftsbeteiligten objektiv gleichwertig ist.

112    Dieser Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz berührt die Gültigkeit der Verordnung, soweit die Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft, die mit den spanischen Ringwadenfischern Kaufverträge über Roten Thun geschlossen hatten, in Bezug auf seit dem 16. Juni 2008 gefangenen Roten Thun aufgrund der Fangerlaubnis, über die diese Ringwadenfischer nach diesem Zeitpunkt verfügten, ihre Geschäfte fortsetzen konnten.

113    Auf die sechste Frage ist daher zu antworten, dass die Verordnung ungültig ist, soweit die mit ihr auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 der Grundverordnung erlassenen Verbote für die spanischen Ringwadenfischer und die Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft, die mit ihnen Verträge geschlossen hatten, am 23. Juni 2008 wirksam wurden, während diese Verbote für die übrigen Ringwadenfischer und die Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft, die mit ihnen Verträge geschlossen hatten, am 16. Juni 2008 wirksam wurden, ohne dass diese Ungleichbehandlung objektiv gerechtfertigt wäre.

114    In Anbetracht der Antwort auf die sechste Frage ist die zehnte Vorlagefrage nicht gesondert zu beantworten.

 Kosten

115    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Prüfung der vorgelegten Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 530/2008 der Kommission vom 12. Juni 2008 über Sofortmaßnahmen für Ringwadenfischer, die im Atlantik östlich von 45° W und im Mittelmeer Fischerei auf Roten Thun betreiben, oder die von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik im Hinblick auf den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes berühren könnte.

2.      Die Prüfung der vorgelegten Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 530/2008 im Hinblick auf das Begründungserfordernis nach Art. 296 Abs. 2 AEUV, den Grundsatz des Vertrauensschutzes und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berühren könnte.

3.      Die Verordnung Nr. 530/2008 ist ungültig, soweit die mit ihr auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2371/2002 erlassenen Verbote für die Ringwadenfischer, die die spanische Flagge führen oder in diesem Mitgliedstaat registriert sind, und die Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft, die mit ihnen Verträge geschlossen haben, am 23. Juni 2008 wirksam wurden, während diese Verbote für die Ringwadenfischer, die die maltesische, die griechische, die französische, die italienische oder die zyprische Flagge führen oder in einem dieser Mitgliedstaaten registriert sind, und die Wirtschaftsbeteiligten aus der Gemeinschaft, die mit ihnen Verträge geschlossen haben, am 16. Juni 2008 wirksam wurden, ohne dass diese Ungleichbehandlung objektiv gerechtfertigt wäre.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Maltesisch.