Rechtssache C-210/09

Scott SA und Kimberly Clark SAS, ehemals Kimberly Clark SNC

gegen

Ville d’Orléans

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour administrative d’appel de Nantes)

„Staatliche Beihilfe – Verordnung (EG) Nr. 659/1999 – Art. 14 Abs. 3 – Rückforderung der Beihilfe – Grundsatz der Effektivität – Mit einem Formfehler behaftete Rückforderungsbescheide – Aufhebung“

Leitsätze des Urteils

Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe – Anwendung des nationalen Rechts – Voraussetzungen und Grenzen

(Art. 88 EG; Verordnung Nr. 659/1999 des Rates, Art. 14 Abs. 3)

Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88] des EG-Vertrags ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung in Fällen, in denen die Beträge, die der betreffenden Beihilfe entsprechen, bereits zurückgezahlt wurden, der Aufhebung der Bescheide über die Rückforderung der rechtswidrigen staatlichen Beihilfe wegen eines Formfehlers durch den nationalen Richter nicht entgegensteht, wenn die Möglichkeit der Behebung des Formfehlers durch das nationale Recht sichergestellt ist. Die Bestimmung steht jedoch einer erneuten, selbst vorläufigen Auszahlung dieser Beträge an den Beihilfeempfänger entgegen.

Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 spiegelt nämlich die Erfordernisse des Effektivitätsgrundsatzes wider, wonach ein Mitgliedstaat, der nach einer Entscheidung der Kommission zur Rückforderung rechtswidriger Beihilfen verpflichtet ist, frei in der Wahl der Mittel ist, mit denen er dieser Verpflichtung nachkommt, vorausgesetzt, die gewählten Mittel beeinträchtigen nicht die Geltung und die Wirksamkeit des Unionsrechts.

Die Kontrolle der formellen Rechtmäßigkeit eines zur Rückforderung einer rechtswidrigen staatlichen Beihilfe erlassenen Bescheids durch den nationalen Richter und die mögliche Aufhebung dieses Bescheids mit der Begründung, die Formerfordernisse des nationalen Rechts seien nicht beachtet worden, sind bloß Ausfluss des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist. Eine solche Aufhebung könnte jedoch grundsätzlich zur Folge haben, dass der Beihilfeempfänger, der obsiegt hat, auf der Grundlage des nationalen Rechts die erneute Auszahlung des Betrags beanspruchen kann, der der bereits zurückgezahlten Beihilfe entspricht. Daher muss das nationale Recht über die erforderlichen Instrumente verfügen, um zu verhindern, dass die Aufhebung eines Rückforderungsbescheids automatisch zur sofortigen Rückzahlung des Betrags führt, den der Zahlungspflichtige entrichtet hat, um diesem Bescheid nachzukommen. Die zuständige Behörde muss den Formfehler, mit dem dieser Bescheid behaftet ist, somit beheben können, ohne die Beträge, die der Empfänger der rechtswidrigen Beihilfe in Befolgung des Bescheids zurückgezahlt hat, auch nur vorläufig wieder an diesen auszahlen zu müssen.

(vgl. Randnrn. 20-21, 25-27, 33 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

20. Mai 2010(*)

„Staatliche Beihilfe – Verordnung (EG) Nr. 659/1999 – Art. 14 Abs. 3 – Rückforderung der Beihilfe – Grundsatz der Effektivität – Mit einem Formfehler behaftete Rückforderungsbescheide – Aufhebung“

In der Rechtssache C‑210/09

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Cour administrative d’appel de Nantes (Frankreich) mit Entscheidung vom 29. Dezember 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juni 2009, in dem Verfahren

Scott SA,

Kimberly Clark SAS, ehemals Kimberly Clark SNC,

gegen

Ville d’Orléans

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Scott SA und der Kimberly Clark SAS, ehemals Kimberly Clark SNC, vertreten durch R. Sermier, avocat,

–        der Stadt Orléans, vertreten durch A. Lyon-Caen, avocat,

–        der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Stromsky und L. Flynn als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88] des EG-Vertrags (ABl. L 83, S. 1).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Scott SA (im Folgenden: Scott) und der Kimberly Clark SAS, ehemals Kimberly Clark SNC (im Folgenden: Kimberly Clark), einerseits und der Stadt Orléans andererseits über die Rechtmäßigkeit der Bescheide, mit denen die Stadt Orléans eine für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärte Beihilfe zurückgefordert hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Der 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 659/1999 lautet:

„Bei rechtswidrigen Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbar sind, muss wirksamer Wettbewerb wiederhergestellt werden. Dazu ist es notwendig, die betreffende Beihilfe einschließlich Zinsen unverzüglich zurückzufordern. Die Rückforderung hat nach den Verfahrensvorschriften des nationalen Rechts zu erfolgen. Die Anwendung dieser Verfahren sollte jedoch die Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs durch Verhinderung der sofortigen und tatsächlichen Vollstreckung der Kommissionsentscheidung nicht erschweren. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, sollten die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirksamkeit der Kommissionsentscheidung treffen.“

4        In Art. 14 („Rückforderung von Beihilfen“) der Verordnung heißt es:

„(1)      In Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet die Kommission, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern … Die Kommission verlangt nicht die Rückforderung der Beihilfe, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verstoßen würde.

(3)      Unbeschadet einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel [242 EG] erfolgt die Rückforderung unverzüglich und nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats, sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird. Zu diesem Zweck unternehmen die betreffenden Mitgliedstaaten im Fall eines Verfahrens vor nationalen Gerichten unbeschadet des Gemeinschaftsrechts alle in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte einschließlich vorläufiger Maßnahmen.“

 Nationales Recht

5        Art. 4 des Gesetzes Nr. 2000-321 vom 12. April 2000 über die Rechte der Bürger im Verkehr mit den Behörden (JORF vom 13. April 2000, S. 5646) sieht vor:

„Im Verkehr mit einer der in Art. 1 genannten Verwaltungsbehörden hat jede Person einen Anspruch darauf, den Vornamen, den Familiennamen, die Funktion und die Dienstanschrift des Beamten zu erfahren, der mit der Prüfung ihres Antrags oder der Behandlung der sie betreffenden Angelegenheit betraut ist; diese Angaben müssen in den Schreiben enthalten sein, die an sie gerichtet sind. Wenn Gründe der öffentlichen Sicherheit oder der persönlichen Sicherheit es rechtfertigen, wird die Anonymität des Beamten gewahrt.

Jede von einer der in Art. 1 genannten Verwaltungsbehörden getroffene Entscheidung muss neben der Unterschrift ihres Verfassers auch die leserliche Angabe seines Vornamens, seines Familiennamens und seiner Funktion enthalten.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

6        Im Jahr 1987 verkauften die Stadt Orléans und das Departement Loiret ein im Industriegebiet La Saussaye in Orléans gelegenes Gelände zu Vorzugsbedingungen an die Gesellschaft Bouton Brochard Scott, deren Rechtsnachfolgerin Scott ist, deren Anteile von Kimberly Clark gehalten werden. Darüber hinaus verpflichteten sich die Stadt Orléans und das Departement Loiret, die Abwassergebühren nach einem Vorzugstarif zu berechnen.

7        Am 12. Juli 2000 erließ die Kommission die Entscheidung 2002/14/EG betreffend die von Frankreich zugunsten von Scott Paper SA/Kimberly-Clark gewährte staatliche Beihilfe (ABl. 2002, L 12, S. 1), mit der die staatliche Beihilfe in Form des Vorzugspreises für ein Grundstück und eines Vorzugstarifs für die Abwasserentsorgung für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wurde. In Art. 2 dieser Entscheidung heißt es:

„(1)      Frankreich ergreift alle erforderlichen Maßnahmen, um von dem Begünstigten die im Artikel 1 genannte und ihm bereits rechtswidrig zur Verfügung gestellte Beihilfe zurückzufordern.

(2)      Die Rückforderung erfolgt unverzüglich nach nationalem Verfahrensrecht, soweit die Verfahren die sofortige Durchführung dieser Entscheidung tatsächlich ermöglichen. ...“

8        Scott und das Departement Loiret reichten Klagen gegen die Entscheidung 2002/14 ein, die nur die Rückforderung der in Form des Vorzugspreises für das fragliche Grundstück gewährten Beihilfe betrafen. Soweit sich diese Entscheidung auf die in Form eines Vorzugstarifs für die Abwasserentsorgung gewährte staatliche Beihilfe bezieht, um die es in der vorliegenden Rechtssache allein geht, sind gegen sie also keine Klagen vor den Gerichten der Europäischen Union anhängig.

9        Am 5. Dezember 2001 erließ die Stadt Orléans zur Rückforderung der Beihilfe, die in Form eines Vorzugstarifs für die Abwasserentsorgung gewährt worden war, die drei Rückforderungsbescheide, die Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits sind (im Folgenden: streitige Rückforderungsbescheide). Diese sind mit dem Stempel des Bürgermeisteramts, einer Unterschrift und dem Zusatz „in Vertretung des Bürgermeisters“ versehen, bezeichnen aber weder den Vertretungsbereich des unterzeichnenden Vertreters noch dessen Familiennamen und Vornamen.

10      Scott und Kimberly Clark erhoben gegen die streitigen Rückforderungsbescheide Klage beim Tribunal administratif d’Orléans.

11      Da derartige Klagen nach nationalem Recht, nämlich Art. L. 1617-5 Nr. 1 Abs. 2 des Code général des collectivités territoriales, automatisch aufschiebende Wirkung haben, wurde die Vollstreckbarkeit dieser Rückforderungsbescheide ausgesetzt, und die Bescheide wurden zunächst nicht vollstreckt.

12      In der Zwischenzeit wurde die Französische Republik mit Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2006, Kommission/Frankreich (C‑232/05, Slg. 2006, I‑10071), wegen Verstoßes gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 249 Abs. 4 EG sowie aus den Art. 2 und 3 der Entscheidung 2002/14 verurteilt. Der Gerichtshof hat in Randnr. 53 dieses Urteils insbesondere festgestellt, dass ein Verfahren, in dem Klagen, die gegen Zahlungsbescheide erhoben werden, mit denen die zu Unrecht erhaltene Beihilfe zurückgefordert wird, aufschiebende Wirkung haben, kein Verfahren ist, das die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 erfüllt, und die Vorschrift, die eine solche aufschiebende Wirkung vorsieht, daher hätte unangewandt bleiben müssen.

13      Am 9. Januar 2007 wies das Tribunal administratif d’Orléans die Klagen von Scott und Kimberly Clark ab. Die Unternehmen zahlten daher am 7. Februar 2007 den Hauptbetrag der Beihilfe zurück, die sie zu Unrecht erhalten hatten.

14      Am 8. März 2007 legten Scott und Kimberly Clark Berufung gegen dieses Urteil bei der Cour administrative d’appel de Nantes ein und beriefen sich hierzu u. a. auf einen Verstoß gegen Art. 4 des Gesetzes Nr. 2000-321. Sie machten geltend, die Bestimmungen des Abs. 2 dieser Vorschrift seien missachtet worden, da auf den streitigen Rückforderungsbescheiden der Familien- und der Vorname des Unterzeichners nicht angegeben seien.

15      Am 8. Dezember 2008 zahlten Scott und Kimberly Clark die Zinsen der Beihilfe zurück, die sie für den Zeitraum 1990 bis 1. Juni 2008 erhalten hatten, und entrichteten am 24. März 2009 die Zinsen der Beihilfe für die Zeit vom 1. Juni bis 8. Dezember 2008.

16      Das vorlegende Gericht hat festgestellt, dass die streitigen Rückforderungsbescheide gegen die Formvorschriften des Art. 4 des Gesetzes Nr. 2000-321 verstoßen. Da dieser Verstoß nach seiner Meinung zur Aufhebung der Bescheide führen kann, hat es Bedenken, ob eine solche Aufhebung wegen eines Formfehlers mit den Bestimmungen des Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 vereinbar ist.

17      Die Cour administrative d’appel de Nantes hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist die mögliche Aufhebung der Bescheide über die Rückforderung der Beihilfen, die die Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 12. Juli 2000 als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt hat, durch ein französisches Verwaltungsgericht wegen Verstoßes gegen gesetzliche Formvorschriften in Anbetracht der Möglichkeit der zuständigen Verwaltungsbehörde, den Formfehler, unter dem die Entscheidungen leiden, zu beheben, geeignet, die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung 2002/14 unter Missachtung von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 zu hindern?

 Zur Vorlagefrage

18      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 dahin auszulegen ist, dass er einer Aufhebung von Bescheiden über die Rückforderung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden staatlichen Beihilfe wegen eines Formfehlers durch den nationalen Richter in Anbetracht der Möglichkeit der zuständigen Behörde zur Behebung des Fehlers in diesen Bescheiden entgegensteht.

19      Im Ausgangsverfahren wurden die Rückforderungsbescheide zur Durchführung der Entscheidung 2002/14 erlassen. Die Entscheidung verpflichtet in Art. 2 Frankreich nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um von den begünstigten Unternehmen die ihnen rechtswidrig zur Verfügung gestellte Beihilfe zurückzufordern, und stellt klar, dass die Rückforderung unverzüglich nach nationalem Verfahrensrecht erfolgen muss, soweit die Verfahren die sofortige Durchführung dieser Entscheidung tatsächlich ermöglichen.

20      Wie der Gerichtshof in Randnr. 49 seines Urteils Kommission/Frankreich festgestellt hat, spiegelt Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 die Erfordernisse des in der Rechtsprechung bereits früher aufgestellten Effektivitätsgrundsatzes wider (vgl. Urteile vom 2. Februar 1989, Kommission/Deutschland, 94/87, Slg. 1989, 175, Randnr. 12, vom 20. März 1997, Alcan Deutschland, C‑24/95, Slg. 1997, I-1591, Randnr. 24, und vom 12. Dezember 2002, Kommission/Deutschland, C‑209/00, Slg. 2002, I‑11695, Randnrn. 32 bis 34). Diese Rechtsprechung ist somit für die Anwendung der genannten Bestimmung bedeutsam.

21      Nach diesem Effektivitätsgrundsatz, wie er für den Bereich der staatlichen Beihilfen durch eine ständige Rechtsprechung konkretisiert worden ist, ist ein Mitgliedstaat, der nach einer Entscheidung der Kommission zur Rückforderung rechtswidriger Beihilfen verpflichtet ist, frei in der Wahl der Mittel, mit denen er dieser Verpflichtung nachkommt, vorausgesetzt, die gewählten Mittel beeinträchtigen nicht die Geltung und die Wirksamkeit des Unionsrechts (vgl. in diesem Sinne Urteile Alcan Deutschland, Randnr. 24, vom 12. Dezember 2002, Kommission/Deutschland, Randnr. 34, und vom 7. Juli 2009, Kommission/Griechenland, C‑369/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 67).

22      Ein Mitgliedstaat genügt dieser Verpflichtung zur Rückforderung nur dann, wenn die von ihm ergriffenen Maßnahmen geeignet sind, die normalen Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen, die durch die Gewährung der rechtswidrigen Beihilfe, deren Rückforderung durch eine Entscheidung der Kommission angeordnet wird, verfälscht wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2002, Kommission/Deutschland, Randnr. 35).

23      Im vorliegenden Fall wird mit Art. 4 des Gesetzes Nr. 2000-321, wie die französische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, der Zweck verfolgt, die Transparenz der Verwaltung durch die Aufhebung der Anonymität im Verkehr der Bürger mit den Verwaltungsbehörden zu stärken und die Überprüfung zu ermöglichen, ob die Verwaltungsentscheidung von einer zuständigen Behörde getroffen wurde. Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass die streitigen Rückforderungsbescheide gegen die Bestimmungen des genannten Art. 4 verstießen und aus diesem Grund aufgehoben werden müssten.

24      Es ist daher zu prüfen, ob sich die Anwendung dieser nationalen Bestimmungen unter Berücksichtigung des allgemeinen Zusammenhangs des nationalen Rechts, in den sie sich einfügen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Dezember 1995, Peterbroeck, C‑312/93, Slg. 1995, I‑4599, Randnr. 14, sowie van Schijndel und van Veen, C‑430/93 und C‑431/93, Slg. 1995, I‑4705, Randnr. 19, und vom 7. Juni 2007, van der Weerd u. a., C‑222/05 bis C‑225/05, Slg. 2007, I‑4233, Randnr. 33), als mit dem in Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 aufgestellten Erfordernis einer sofortigen und tatsächlichen Rückforderung der Beihilfe vereinbar erweist, wie es im Licht der Erkenntnisse aus der in den Randnrn. 21 und 22 dieses Urteils genannten Rechtsprechung ausgelegt worden ist.

25      Hierzu ist einleitend darauf hinzuweisen, dass die Kontrolle der formellen Rechtmäßigkeit eines zur Rückforderung einer rechtswidrigen staatlichen Beihilfe erlassenen Bescheids durch den nationalen Richter und die mögliche Aufhebung dieses Bescheids mit der Begründung, die Erfordernisse des Art. 4 des Gesetzes Nr. 2000-321 seien nicht beachtet worden, bloß Ausfluss des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes sind, der nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist (vgl. Urteil vom 13. März 2007, Unibet, C‑432/05, Slg. 2007, I-2271, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Auch wenn die Aufhebung eines Rückforderungsbescheids als solche nicht zu beanstanden ist, könnte sie jedoch grundsätzlich zur Folge haben, dass der Beihilfeempfänger, der obsiegt hat, auf der Grundlage des nationalen Rechts die erneute Auszahlung des Betrags beanspruchen kann, der der bereits zurückgezahlten Beihilfe entspricht. Daher ist diese mögliche Folge im Hinblick auf die Verpflichtungen aus Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 zu beurteilen.

27      Bereits aus dem Wortlaut der Vorlagefrage selbst ergibt sich, dass die zuständige Behörde, die die streitigen Rückforderungsbescheide erlassen hat, befugt ist, den Formfehler, mit dem diese behaftet sind, zu beheben; diese Befugnis lässt den Schluss zu, dass die Aufhebung der streitigen Rückforderungsbescheide nicht notwendigerweise dazu führt, dass den betroffenen Unternehmen die Beträge wieder zurückgezahlt werden, die sie in Befolgung dieser Bescheide entrichtet haben. Zudem haben die französische Regierung und die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht, dass das französische Recht über die erforderlichen Instrumente verfüge, um zu verhindern, dass die Aufhebung eines Rückforderungsbescheids automatisch zur sofortigen Rückzahlung des Betrags führe, den der Zahlungspflichtige entrichtet habe, um diesem Bescheid nachzukommen. Daher könne die zuständige Behörde den Formfehler, mit dem die Bescheide behaftet seien, beheben, ohne die Beträge, die die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens in Befolgung der Bescheide zurückgezahlt hätten, auch nur vorläufig wieder an diese auszahlen zu müssen.

28      Was die Anwendung dieser Instrumente durch die zuständige Behörde oder den nationalen Richter betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die betreffenden Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung Nr. 659/1999 im Fall eines Verfahrens vor nationalen Gerichten alle in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte einschließlich vorläufiger Maßnahmen unternehmen müssen, um die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung zu gewährleisten.

29      Daher sind die zuständige Behörde und das nationale Gericht nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 insbesondere verpflichtet, die volle Wirksamkeit der Entscheidung zu gewährleisten, mit der die Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe angeordnet wurde, und ein Ergebnis herbeizuführen, das mit dem Zweck, der mit dieser Entscheidung verfolgt wird, in Einklang steht, nämlich zu gewährleisten, dass dem Beihilfeempfänger nicht – auch nicht vorläufig – die Mittel zur Verfügung stehen, die der bereits zurückgezahlten Beihilfe entsprechen.

30      Erfolgt die Berichtigung der streitigen Rückforderungsbescheide nach nationalem Recht unter Umständen, die gewährleisten, dass die bereits zurückgezahlte Beihilfe im Fall der Aufhebung der Bescheide durch das vorlegende Gericht auch nicht vorläufig wieder an die Beihilfeempfänger ausgezahlt wird, hätte diese Aufhebung keine wirklichen Auswirkungen auf die Durchführung der Entscheidung 2002/14. Den Beihilfeempfängern stünden nämlich nicht einmal vorläufig die Beträge zur Verfügung, die der von ihnen bereits zurückgezahlten Beihilfe entsprechen, so dass ihnen kein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil durch die erneute Auszahlung dieser Beträge zufließen kann. Unter diesen Umständen stünde die bloße Aufhebung der streitigen Rückforderungsbescheide der sofortigen und tatsächlichen Vollstreckung dieser Entscheidung, wie sie in Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 verlangt wird, nicht entgegen.

31      Sollte die Aufhebung der streitigen Rückforderungsbescheide jedoch auch nur vorläufig dazu führen, dass die von den Beihilfeempfängern bereits zurückgezahlte Beihilfe wieder ausgezahlt wird, würden die Beihilfeempfänger erneut über die Beträge verfügen, die aus der mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar erklärten Beihilfe stammen, und daraus einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil ziehen. Damit wäre die sofortige und dauerhafte Wiederherstellung der früheren Lage gefährdet und der unzulässige Wettbewerbsvorteil zugunsten der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens wiederhergestellt.

32      Eine solche Folge wäre mit der Entscheidung 2002/14, mit der die Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe angeordnet wird, und den Verpflichtungen, die sich gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 daraus ergeben, unvereinbar.

33      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung in Fällen, in denen die Beträge, die der betreffenden Beihilfe entsprechen, bereits zurückgezahlt wurden, der Aufhebung der Bescheide über die Rückforderung der rechtswidrigen staatlichen Beihilfe wegen eines Formfehlers durch den nationalen Richter nicht entgegensteht, wenn die Möglichkeit der Behebung des Formfehlers durch das nationale Recht sichergestellt ist. Die Bestimmung steht jedoch einer erneuten, selbst vorläufigen Auszahlung dieser Beträge an den Beihilfeempfänger entgegen.

 Kosten

34      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88] des EG-Vertrags ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung in Fällen, in denen die Beträge, die der betreffenden Beihilfe entsprechen, bereits zurückgezahlt wurden, der Aufhebung der Bescheide über die Rückforderung der rechtswidrigen staatlichen Beihilfe wegen eines Formfehlers durch den nationalen Richter nicht entgegensteht, wenn die Möglichkeit der Behebung des Formfehlers durch das nationale Recht sichergestellt ist. Die Bestimmung steht jedoch einer erneuten, selbst vorläufigen Auszahlung dieser Beträge an den Beihilfeempfänger entgegen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.