SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

VERICA Trstenjak

vom 2. Juni 2010(1)

Rechtssache C‑118/09

Mag. Lic. Robert Koller

(Vorabentscheidungsersuchen der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission [Österreich])

„Begriff des einzelstaatlichen Gerichts im Sinne von Art. 234 EG – Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission – Richtlinie 89/48/EWG – Freizügigkeit – Anerkennung der Berufsausbildungen – Art. 1 Buchst. a – Begriff des Diploms – Zugang zum Rechtsanwaltsberuf – Eintragung bei der Berufskammer eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, dessen Studienabschluss als gleichwertig anerkannt worden ist – Rechtsmissbrauch“





I –    Einleitung

1.        Mit diesem Vorabentscheidungsersuchen wird der Gerichtshof gemäß Art. 234 EG(2) aufgerufen, über die Auslegung der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen(3), zu entscheiden. Konkret möchte die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission (im Folgenden: OBDK) wissen, ob es in Anbetracht der Zielsetzung der Richtlinie 89/48 zulässig ist, dass ein Gemeinschaftsangehöriger, der sein gesamtes Studium in seinem Herkunftsland Österreich absolviert hat und der mittels einer Anerkennung der Gleichwertigkeit seines Studienabschlusses in Spanien ein Diplom erhalten hat, das ihm den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts in diesem Land eröffnet, die gegenseitige Anerkennung seines spanischen Studienabschlusses in Österreich nutzen kann, um diesen Beruf in seinem Herkunftsstaat auszuüben, obwohl er in Spanien nicht den in Österreich vorausgesetzten Grad an Berufserfahrung erworben hat.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Gemeinschaftsrecht

2.        Die im Ausgangsfall zeitlich anwendbare Richtlinie 89/48 regelte vor ihrer Aufhebung durch die Richtlinie 2005/36 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen(4) am 20. Oktober 2007 die gegenseitige Anerkennung zwischen den Mitgliedstaaten von Hochschuldiplomen, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen.

3.        Die erste Begründungserwägung der Richtlinie 89/48 lautet:

„Nach Artikel 3 Buchstabe c) des Vertrags stellt die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten eines der Ziele der Gemeinschaft dar. Dies bedeutet für die Angehörigen der Mitgliedstaaten insbesondere die Möglichkeit, als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat als dem auszuüben, in dem sie ihre beruflichen Qualifikationen erworben haben.“

4.        In der dritten Begründungserwägung dieser Richtlinie wird ausgeführt:

„Um rasch den Erwartungen derjenigen europäischen Bürger zu entsprechen, die Hochschuldiplome besitzen, welche eine Berufsausbildung abschließen und in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sie ihren Beruf ausüben wollen, ausgestellt wurden, ist auch eine andere Methode zur Anerkennung dieser Diplome einzuführen, die den Bürgern die Ausübung aller beruflichen Tätigkeiten, die in einem Aufnahmestaat von einer weiterführenden Bildung im Anschluss an den Sekundarabschnitt abhängig sind, erleichtert, sofern sie solche Diplome besitzen, die sie auf diese Tätigkeiten vorbereiten, die einen wenigstens dreijährigen Studiengang bescheinigen und die in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurden.“

5.        Die fünfte Begründungserwägung der Richtlinie lautet:

„Bei denjenigen Berufen, für deren Ausübung die Gemeinschaft kein Mindestniveau der notwendigen Qualifikation festgelegt hat, behalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, dieses Niveau mit dem Ziel zu bestimmen, die Qualität der in ihrem Hoheitsgebiet erbrachten Leistungen zu sichern. Sie können jedoch nicht, ohne sich über ihre Verpflichtungen nach Artikel 5 des Vertrags hinwegzusetzen, einem Angehörigen eines Mitgliedstaats vorschreiben, dass er Qualifikationen erwirbt, die sie in der Regel im Wege der schlichten Bezugnahme auf die im Rahmen ihres innerstaatlichen Bildungssystems ausgestellten Diplome bestimmen, wenn der Betreffende diese Qualifikationen bereits ganz oder teilweise in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat. Deshalb hat jeder Aufnahmestaat, in dem ein Beruf reglementiert ist, die in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Qualifikationen zu berücksichtigen und zu beurteilen, ob sie den von ihm geforderten Qualifikationen entsprechen.“

6.        Art. 1 Buchst. a, b und g der Richtlinie 89/48 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie gelten

a)       als Diplome alle Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstige Befähigungsnachweise bzw. diese Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise insgesamt,

–        die in einem Mitgliedstaat von einer nach seinen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bestimmten zuständigen Stelle ausgestellt werden,

–        aus denen hervorgeht, dass der Diplominhaber ein mindestens dreijähriges Studium oder ein dieser Dauer entsprechendes Teilzeitstudium an einer Universität oder einer Hochschule oder einer anderen Ausbildungseinrichtung mit gleichwertigem Niveau absolviert und gegebenenfalls die über das Studium hinaus erforderliche berufliche Ausbildung abgeschlossen hat, und

–        aus denen hervorgeht, dass der Zeugnisinhaber über die beruflichen Voraussetzungen verfügt, die für den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in diesem Mitgliedstaat erforderlich sind,

wenn die durch das Diplom, das Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis bescheinigte Ausbildung überwiegend in der Gemeinschaft erworben wurde oder wenn dessen Inhaber eine dreijährige Berufserfahrung hat, die von dem Mitgliedstaat bescheinigt wird, der ein Diplom, ein Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis eines Drittlands anerkannt hat.

Einem Diplom im Sinne von Unterabsatz 1 sind alle Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise bzw. diese Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise insgesamt gleichgestellt, die von einer zuständigen Stelle in einem Mitgliedstaat ausgestellt wurden, wenn sie eine in der Gemeinschaft erworbene und von einer zuständigen Stelle in diesem Mitgliedstaat als gleichwertig anerkannte Ausbildung abschließen und in diesem Mitgliedstaat in Bezug auf den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung dieselben Rechte verleihen;

b)       als Aufnahmestaat der Mitgliedstaat, in dem ein Angehöriger eines Mitgliedstaats die Ausübung eines Berufes beantragt, der dort reglementiert ist, in dem er jedoch nicht das Diplom, auf das er sich beruft, erworben oder erstmals den betreffenden Beruf ausgeübt hat;

g)       als Eignungsprüfung eine ausschließlich die beruflichen Kenntnisse des Antragstellers betreffende und von den zuständigen Stellen des Aufnahmestaats durchgeführte Prüfung, mit der die Fähigkeit des Antragstellers, in diesem Mitgliedstaat einen reglementierten Beruf auszuüben, beurteilt werden soll.

Für die Zwecke dieser Prüfung erstellen die zuständigen Stellen ein Verzeichnis der Sachgebiete, die aufgrund eines Vergleichs zwischen der in ihrem Staat verlangten Ausbildung und der bisherigen Ausbildung des Antragstellers von dem Diplom oder dem bzw. den Prüfungszeugnissen, die der Antragsteller vorlegt, nicht abgedeckt werden.

Die Eignungsprüfung muss dem Umstand Rechnung tragen, dass der Antragsteller in seinem Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat über eine berufliche Qualifikation verfügt. Sie erstreckt sich auf Sachgebiete, die aus den in dem Verzeichnis enthaltenen Sachgebieten auszuwählen sind und deren Kenntnis eine wesentliche Voraussetzung für eine Ausübung des Berufs im Aufnahmestaat ist. Diese Prüfung kann sich auch auf die Kenntnis der sich auf die betreffenden Tätigkeiten im Aufnahmestaat beziehenden berufsständischen Regeln erstrecken. Die Modalitäten der Eignungsprüfung werden von den zuständigen Stellen des Aufnahmestaats unter Wahrung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts festgelegt.

Im Aufnahmestaat wird die Rechtslage des Antragstellers, der sich dort auf die Eignungsprüfung vorbereiten will, von den zuständigen Stellen dieses Staats festgelegt.“

7.        Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/48 lautet:

„Diese Richtlinie gilt für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen.“

8.        In Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 heißt es:

„Wenn der Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung im Aufnahmestaat von dem Besitz eines Diploms abhängig gemacht wird, kann die zuständige Stelle einem Angehörigen eines Mitgliedstaats den Zugang zu diesem Beruf oder dessen Ausübung unter denselben Voraussetzungen wie bei Inländern nicht wegen mangelnder Qualifikation verweigern,

a)      wenn der Antragsteller das Diplom besitzt, das in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich ist, um Zugang zu diesem Beruf in seinem Hoheitsgebiet zu erhalten oder ihn dort auszuüben, und wenn dieses Diplom in einem Mitgliedstaat erworben wurde, …“

9.        Art. 4 der Richtlinie 89/48 bestimmt:

„(1)  Artikel 3 hindert den Aufnahmestaat nicht daran, vom Antragsteller ebenfalls zu verlangen,

a)       dass er Berufserfahrung nachweist, wenn die Ausbildungsdauer, die er gemäß Artikel 3 Buchstaben a) und b) nachweist, um mindestens ein Jahr unter der in dem Aufnahmestaat geforderten Ausbildungsdauer liegt. In diesem Fall darf die Dauer der verlangten Berufserfahrung

–        das Doppelte der fehlenden Ausbildungszeit nicht überschreiten, wenn sich diese auf ein Studium und/oder auf ein unter der Aufsicht eines Ausbilders absolviertes und mit einer Prüfung abgeschlossenes Berufspraktikum bezieht;

–        die fehlende Ausbildungszeit nicht überschreiten, wenn sich diese auf eine mit Unterstützung eines qualifizierten Berufsangehörigen erworbene Berufspraxis bezieht.

Bei Diplomen im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a) letzter Absatz bestimmt sich die Dauer der als gleichwertig anerkannten Ausbildung nach der in Artikel 1 Buchstabe a) Unterabsatz 1 definierten Ausbildung.

Bei Anwendung des vorliegenden Buchstabens ist die Berufserfahrung gemäß Artikel 3 Buchstabe b) anzurechnen.

Die Dauer der verlangten Berufserfahrung darf auf keinen Fall vier Jahre überschreiten;

b)       dass er einen höchstens dreijährigen Anpassungslehrgang absolviert oder eine Eignungsprüfung ablegt,

–        wenn seine bisherige Ausbildung gemäß Artikel 3 Buchstaben a) und b) sich auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Diplom abgedeckt werden, das in dem Aufnahmestaat vorgeschrieben ist, oder

–        wenn in dem in Artikel 3 Buchstabe a) vorgesehenen Fall der reglementierte Beruf in dem Aufnahmestaat eine oder mehrere reglementierte berufliche Tätigkeiten umfasst, die in dem Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat des Antragstellers nicht Bestandteil des betreffenden reglementierten Berufs sind, und wenn dieser Unterschied in einer besonderen Ausbildung besteht, die in dem Aufnahmestaat gefordert wird und sich auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Diplom abgedeckt werden, das der Antragsteller vorweist, oder

–        wenn in dem in Artikel 3 Buchstabe b) vorgesehenen Fall der reglementierte Beruf in dem Aufnahmestaat eine oder mehrere reglementierte berufliche Tätigkeiten umfasst, die nicht Bestandteil des vom Antragsteller in seinem Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat ausgeübten Berufs sind, und wenn dieser Unterschied in einer besonderen Ausbildung besteht, die in dem Aufnahmestaat gefordert wird und sich auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem oder den Befähigungsnachweisen abgedeckt werden, die der Antragsteller vorweist.

Wenn der Aufnahmestaat von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, muss er dem Antragsteller die Wahl zwischen dem Anpassungslehrgang und der Eignungsprüfung lassen. Abweichend von diesem Grundsatz kann der Aufnahmestaat einen Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung vorschreiben, wenn es sich um Berufe handelt, deren Ausübung eine genaue Kenntnis des nationalen Rechts erfordert und bei denen die Beratung und/oder der Beistand in Fragen des innerstaatlichen Rechts ein wesentlicher und ständiger Bestandteil der beruflichen Tätigkeit ist. Wenn der Aufnahmestaat bei anderen Berufen von der Wahlmöglichkeit des Antragstellers abweichen möchte, ist das Verfahren des Artikels 10 anzuwenden.

(2)       Jedoch kann der Aufnahmestaat von den Möglichkeiten im Sinne von Absatz 1 Buchstaben a) und b) nicht gleichzeitig Gebrauch machen.“

B –    Nationales Recht

10.      Nach Auskunft des vorlegenden Gerichts ist auf den vorliegenden Fall das Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten (EuRAG) anzuwenden.

11.      § 24(1) EuRAG bestimmt:

„(1)  Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die ein Diplom erlangt haben, aus dem hervorgeht, dass der Inhaber über die beruflichen Voraussetzungen verfügt, die für den unmittelbaren Zugang zu einem in der Anlage zu diesem Bundesgesetz angeführten Beruf erforderlich sind, sind auf Antrag in die Liste der Rechtsanwälte (§ 1 Abs. 1 der Rechtsanwaltsordnung) einzutragen, wenn sie mit Erfolg eine Eignungsprüfung abgelegt haben.

(2)       Diplome im Sinn des Abs. 1 sind Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstige Befähigungsnachweise im Sinn der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen. …“

§ 27 EuRAG legt fest:

„Über die Zulassung zur Eignungsprüfung entscheidet auf Antrag des Bewerbers der Präses der Rechtsanwaltsprüfungskommission im Einvernehmen mit der Rechtsanwaltskammer am Sitz des Oberlandesgerichts spätestens vier Monate nach Vorlage der vollständigen Unterlagen durch den Bewerber.“

12.      Darüber hinaus sind laut dem vorlegenden Gericht Bestimmungen der österreichischen Rechtsanwaltsordnung (RAO) anwendbar.

13.      §1 RAO über die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte lautet:

„(1)  Zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in [der Republik Österreich] bedarf es keiner behördlichen Ernennung, sondern lediglich der Nachweisung der Erfüllung der nachfolgenden Erfordernisse und der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte. (§§ 5 und 5a).

(2)       Diese Erfordernisse sind:

d)       die praktische Verwendung in der gesetzlichen Art und Dauer;

e)       die mit Erfolg zurückgelegte Rechtsanwaltsprüfung; …“

14.      § 2 RAO bestimmt im Hinblick auf die praktische Verwendung:

„(1)  Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung hat in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft und bei einem Rechtsanwalt zu bestehen; …

(2)       Die praktische Verwendung im Sinn des Abs. 1 hat fünf Jahre zu dauern.“

15.      Die Rechtanwaltsprüfung ist im österreichischen Rechtsanwaltsprüfungsgesetz (RAPG) geregelt, dessen § 1 lautet:

„Die Rechtsanwaltsprüfung soll die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse des Prüfungswerbers, im besonderen seine Gewandtheit bei der Einleitung und Besorgung der einem Rechtsanwalt übertragenen öffentlichen und privaten Angelegenheiten sowie seine Eignung zur Abfassung von Rechtsurkunden und Rechtsgutachten sowie zum geordneten schriftlichen und mündlichen Vortrag einer Rechts- und Sachlage nachweisen.“

III – Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16.      Herr Koller, ein österreichischer Staatsangehöriger, schloss das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Graz am 25. November 2002 mit dem Titel „Magister der Rechtswissenschaften“ ab. Mit Bescheid vom 10. November 2004 erkannte das spanische Ministerium für Bildung und Wissenschaft diesen Titel – nach Lehrgängen und Ergänzungsprüfungen an der Universität Madrid – als dem spanischen Titel „Licenciado en Derecho“ gleichwertig an und verlieh Herrn Koller das Recht, den spanischen Titel zu führen(5). Aufgrund dessen berechtigte die Rechtsanwaltskammer Madrid Herrn Koller am 14. März 2005, die Berufsbezeichnung „abogado“ zu führen.

17.      Nachdem Herr Koller den Rechtsanwaltsberuf einige Wochen in Spanien ausgeübt hatte, beantragte er am 5. April 2005 bei der Rechtsanwaltsprüfungskommission beim Oberlandesgericht Graz die Zulassung zur Eignungsprüfung nach §28 des Bundesgesetzes über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich (EuRAG). Zugleich stellte er – unter Berufung auf § 29 EuRAG – einen Antrag auf Erlassung sämtlicher Prüfungsfächer.

18.      Die Rechtsanwaltsprüfungskommission wies diese Anträge mit Bescheid vom 11. August 2005 ab. Die Berufung Herrn Kollers an die OBDK blieb erfolglos. Auf seine Beschwerde hin hob der Verfassungsgerichtshof den Bescheid am 13. März 2008 auf und gab der OBDK auf, erneut über die Zulassung von Herrn Koller zur Eignungsprüfung zu entscheiden.

19.      Die OBDK hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist die Richtlinie 89/48/EWG im Fall eines österreichischen Staatsangehörigen anzuwenden, wenn dieser

a)      in Österreich das Diplomstudium der Rechtswissenschaften erfolgreich abgeschlossen und mit Sponsionsbescheid den akademischen Grad „Magister der Rechtswissenschaften“ verliehen erhalten hat,

b)      ihm sodann mit Anerkennungsurkunde des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft des Königreichs Spanien nach Ablegung von Ergänzungsprüfungen an einer spanischen Universität, deren Ausbildungsaufwand jedoch weniger als drei Jahre in Anspruch nahm, die Berechtigung, den – dem österreichischen Titel gleichwertigen – spanischen Titel eines „Licenciado en Derecho“ zu führen, verliehen wurde und

c)       er durch Anmeldung bei der Rechtsanwaltskammer Madrid die Berechtigung zur Berufsbezeichnung „Abogado“ erworben und den Beruf eines Rechtsanwalts in Spanien tatsächlich, und zwar vor Antragstellung drei Wochen und bezogen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz durch höchstens fünf Monate ausgeübt hat.

2. Für den Fall der Bejahung der Frage zu 1:

Ist eine Auslegung des § 24 EuRAG dahin gehend, dass das Erlangen eines österreichischen rechtswissenschaftlichen Studienabschlusses sowie die nach Ablegung von Ergänzungsprüfungen an einer spanischen Universität in einem Zeitraum von weniger als drei Jahren erlangte Berechtigung, den spanischen Titel eines „Licenciado en Derecho“ zu führen, auch dann zur Zulassung zur Eignungsprüfung in Österreich gemäß § 24 Abs. 1 EuRAG ohne Nachweis der nach nationalem Recht (§ 2 Abs. 2 RAO) geforderten Praxis nicht ausreicht, wenn der Antragsteller in Spanien, ohne vergleichbares Erfordernis einer Praxis, als „Abogado“ zugelassen ist und dort den Beruf vor Antragstellung drei Wochen und bezogen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz durch höchstens fünf Monate ausgeübt hat, mit der Richtlinie 89/48/EWG vereinbar?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

20.      Der Vorlagebeschluss mit Datum vom 16. März 2009 ist am 1. April 2009 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

21.      Schriftliche Erklärungen haben der Kläger des Ausgangsverfahrens, die Regierungen des Königreichs Spanien, der Republik Österreich, der Tschechischen Republik und der Hellenischen Republik sowie die Kommission innerhalb der in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs genannten Frist eingereicht.

22.      Der Gerichtshof hat im Rahmen prozessleitender Maßnahmen eine Frage an die Verfahrensbeteiligten gerichtet, die diese beantwortet haben.

23.      Da keiner der Beteiligten die Eröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt hat, konnten nach der Generalversammlung des Gerichtshofs am 9. Februar 2010 die Schlussanträge in dieser Rechtssache ausgearbeitet werden.

V –    Wesentliches Vorbringen der Parteien

A –    Zuständigkeit des Gerichtshofs

24.      Die griechische Regierung und die Kommission sind der Ansicht, dass die OBDK alle nach der Rechtsprechung erforderlichen Eigenschaften besitze, um als Gericht im Sinne von Art. 234 EG anerkannt zu werden. Dementsprechend bejahen sie die Zuständigkeit des Gerichtshofs.

B –    Zur ersten Vorlagefrage

25.      Alle Verfahrensbeteiligten sind sich darüber einig, dass die von Herrn Koller erhaltenen Abschlüsse daraufhin untersucht werden müssen, ob sie als „Diplome“ im Sinne des Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 angesehen werden können.

26.      Die österreichische, die griechische und die tschechische Regierung weisen darauf hin, dass sich eine ähnliche Problematik im Urteil vom 29. Januar 2009 in der Rechtssache C‑311/06 (Cavallera)(6) gestellt habe, und zwar im Zusammenhang mit dem Antrag eines italienischen Staatsangehörigen auf Eintragung bei der Ingenieurkammer in seinem Heimatland, nachdem er die Gleichwertigkeit seiner Universitätsausbildung mit der spanischen Universitätsausbildung im Wege des Homologationsverfahrens habe anerkennen lassen. Nach Auffassung der österreichischen und der tschechischen Regierung sind die Schlussfolgerungen in den Randnrn. 55 ff. jenes Urteils auf den Ausgangsfall übertragbar.

27.      Die österreichische Regierung vertritt die Auffassung, dass die Homologation des akademischen Titels von Herrn Koller in Spanien und seine Eintragung bei der Anwaltskammer von Madrid keine Überprüfung der in Spanien erworbenen Qualifikationen und Berufserfahrung zuließen. Gleichwohl setze der Zugang zum Anwaltsberuf voraus, dass gerade die Erfüllung dieser Anforderungen überprüft werden müsse.

28.      Die tschechische Regierung ist der Meinung, dass die Anerkennung des Rechts, die Berufsbezeichnung „abogado“ zu tragen, nicht als „Diplom“ im Sinne des Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 betrachtet werden könne, da die Einräumung dieses Rechts lediglich an die Anerkennung des Rechts, den akademischen Titel „Licenciado en Derecho“ zu tragen, geknüpft sei, ohne dass eine zusätzliche Ausbildung, Prüfung oder Berufserfahrung erforderlich wäre.

29.      Die griechische Regierung macht ihrerseits geltend, dass die „Gleichwertigkeit“ des österreichischen Universitätsdiploms „Magister der Rechtswissenschaften“ mit dem spanischen Diplom „Licenciado en Derecho“ auf ein Verfahren zurückgehe, das zwar in der spanischen Gesetzgebung vorgesehen sei, aber sowohl dem Wortlaut als auch dem Geist von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 fremd sei. Nach Auffassung der griechischen Regierung kann zwar Spanien nicht daran gehindert werden, ein System der gegenseitigen Anerkennung von Diplomen beizubehalten, gleichwohl spalte die akademische Anerkennung in Spanien, die zwischen den akademischen Titel und die (angestrebte) Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in Österreich geschaltet sei, die Einheit des Begriffs des Diploms dadurch, dass sie einen Teil des Begriffs unter ein außerhalb der Richtlinie liegendes Verfahren fallen lasse. Im Hinblick auf die Anwendung der Richtlinie 89/48 in Österreich stelle die akademische Anerkennung, die in Spanien erfolgt sei, keines der in der allgemeinen Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome abschließend vorgesehenen gesetzlich geregelten Ausgleichsverfahren dar. Sie stelle auch keinen „formlosen“ Erwerb eines neuen Titels dar, der autonom zur Ausübung des Berufs des „abogado“ in Spanien führen könne und danach zur Ausfuhr dieses neuen Diploms nach Österreich, weil nicht einmal die Mindestvoraussetzung des dreijährigen Studiengangs nach der höheren Schulbildung erfüllt sei.

30.      Darüber hinaus bringt die griechische Regierung vor, auch für den Fall, dass die fehlende Zeit der praktischen Ausübung des Berufs mit der durch die Ausübung des Berufs in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Berufserfahrung gleichgestellt werden könnte, wie es das durch die allgemeine Regelung festgelegte Ausgleichsverfahren gebiete, fehle Herrn Koller eine entsprechende Zeit in beiden Staaten, da er als ein fünf Monate lang den Beruf in Spanien Ausübender zu behandeln ist.

31.      Die österreichische, die griechische und die tschechische Regierung schlagen daher vor, die erste Vorlagefrage zu verneinen. Vorsorglich weist die griechische Regierung darauf hin, dass die vorliegende Rechtssache sowie die Rechtssache Cavallera die Frage der Umgehung der nationalen Ausbildungssysteme aufwürfen. Sie fragt sich, ob die vorliegende Rechtssache unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs behandelt werden könne.

32.      Herr Koller, die spanische Regierung sowie die Kommission machen hingegen geltend, dass die Richtlinie 89/48 im Ausgangsfall Anwendung finde, wobei die betreffenden Berufstitel alle Voraussetzungen eines „Diploms“ im Sinne des Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 erfüllten.

33.      Erstens seien das Ministerium für Bildung und Wissenschaft und die Rechtsanwaltskammer Madrid nach spanischem Recht für die Anerkennung der Gleichwertigkeit des österreichischen Titels und die Erteilung der Berufsbezeichnung „abogado“ zuständig.

34.      Zweitens gehe aus den fraglichen Befähigungsnachweisen hervor, dass der Zeugnisinhaber „ein mindestens dreijähriges Studium … an einer Universität … absolviert“ habe. Die Kommission weist darauf hin, dass Herr Koller über den Titel „Magister der Rechtswissenschaften“ verfüge, und erklärt, dass eine über das Studium hinaus erforderliche berufliche Ausbildung nach Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 nicht erforderlich sei.

35.      Drittens bescheinigten die fraglichen Befähigungsnachweise, dass „der Zeugnisinhaber über die beruflichen Voraussetzungen verfügt, die für den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in diesem Mitgliedstaat erforderlich sind“. Die spanische Regierung stellt klar, dass die Homologation ausländischer Diplome dieselben Rechtswirkungen in Spanien erzeuge wie die Bezeichnung „Licenciado en Derecho“, nämlich den Zugang zum Anwaltsberuf. Die Kommission und Herr Koller machen hierzu gelten, dass der Begünstigte diese Möglichkeit auch genutzt habe.

36.      Darüber hinaus unterstreicht die Kommission die Tatsache, dass Herr Koller gemäß den Vorgaben des Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 sämtliche Ausbildungsabschnitte (Universitätsstudium in Österreich, Ergänzungsprüfungen in Spanien) innerhalb der Gemeinschaft absolviert habe. Herr Koller weist darauf hin, dass laut Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 89/48, wie vom Gerichtshof im Urteil vom 23. Oktober 2008 in der Rechtssache C‑274/05 (Kommission/Griechenland)(7) ausgelegt, ein Aufnahmemitgliedstaat verpflichtet sei, ein von einer Behörde eines anderen Mitgliedstaats ausgestelltes Diplom auch dann anzuerkennen, wenn mit diesem Diplom auch eine ganz oder teilweise in dem Aufnahmemitgliedstaat erworbene Ausbildung bescheinigt werde.

37.      Ferner erklären Herr Koller und die Kommission, die vorliegende Rechtssache unterscheide sich erheblich von der Rechtssache Cavallera dadurch, dass die Lage von Herrn Koller keine der Lücken aufweise, die sich in jener Rechtssache gezeigt hätten. So beruhe die Anerkennung seitens des spanischen Ministeriums für Bildung und Wissenschaft nicht auf der alleinigen Feststellung des beendeten Universitätsstudiums in Österreich. Vielmehr lägen dem Anerkennungsbescheid an der Universität Madrid absolvierte Ergänzungsprüfungen zugrunde.

38.      Nach Ansicht der Kommission setzt das Urteil Cavallera nicht voraus, dass das dreijährige Studium im Sinne des Art. 1 Buchst. a Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 89/48 in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Aufnahmestaats absolviert worden sei, sondern verlangt lediglich, dass die Qualifikationen, die durch den Titel bescheinigt werden „ganz oder teilweise im Rahmen des Bildungssystems des Mitgliedstaats, in dem der fragliche Befähigungsnachweis ausgestellt worden ist, erworben wurden“(8). Die Kommission unterstreicht dabei den Umstand, dass Herr Koller die im Annerkennungsbescheid bescheinigten Qualifikationen jedenfalls teilweise, d. h., soweit sie durch die Ergänzungsprüfungen nach den Lehrgängen belegte Kenntnisse im spanischen Recht beträfen, in Spanien erworben habe.

39.      Im Hinblick auf Sinn und Zweck der Richtlinie 89/48 kommt es nach Ansicht der Kommission darauf an, dass der Befähigungsnachweis jedenfalls zusätzliche im anderen Mitgliedstaat erworbene Qualifikationen bescheinige, die dort Zugang zum reglementierten Beruf eröffnen. Dieses Erfordernis verhindere, dass die bloße Homologation des im Aufnahmemitgliedstaat erlangten Universitätsdiploms dies bereits ermögliche. Des Weiteren macht die Kommission geltend, der Gerichtshof verlange im Urteil Cavallera nicht, dass ein Befähigungsnachweis in jedem Fall auch Berufserfahrung bescheinigen müsse. Vielmehr ergebe sich aus der Formulierung des Gerichtshofs, dass nur die kumulative Abwesenheit dieser Elemente dazu führe, den Befähigungsnachweis wegen fehlenden Bezugs zum ausstellenden Mitgliedstaat nicht als „Diplom“ im Sinne der Richtlinie 89/48 zu werten.

40.      Herr Koller bringt seinerseits vor, Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 sehe vor, dass der Nachweis von Berufserfahrung verlangt werden könne, wenn die Ausbildungsdauer um mindestens ein Jahr unter der in dem Aufnahmestaat geforderten Ausbildungsdauer liege. Dieser Nachweis kann seiner Ansicht nach von ihm nicht verlangt werden, da er ein abgeschlossenes Studium in Österreich und ein Diplom, das ein über dreijähriges Studium in Spanien belege, vorweisen könne.

C –    Zur zweiten Vorlagefrage

41.      Die Kommission erklärt, dass Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 89/48 einer innerstaatlichen Norm entgegenstehe, nach der der Inhaber eines wie in der ersten Vorlagefrage beschriebenen Diploms ohne Nachweis der nach nationalem Recht geforderten Praxis nicht zur Eignungsprüfung zuzulassen sei. Nach dieser Bestimmung könne der Aufnahmestaat einem Antragsteller den Zugang zu einem reglementierten Beruf nicht wegen mangelnder Qualifikation verweigern, wenn der Antragsteller ein Diplom im Sinne von Art. 1 der Richtlinie 89/48 besitze.

42.      Die Kommission weist darauf hin, dass die Eignungsprüfung dazu diene, festzustellen, ob der Antragsteller geeignet sei, den reglementierten Beruf im Aufnahmestaat auszuüben. Österreich könne nicht Antragsteller wegen Abweichungen ihrer Qualifikationsprofile von denen des Aufnahmestaats von der Eignungsprüfung ausschließen.

43.      Hierzu trägt die spanische Regierung vor, es könne von den Inhabern des Titels „Licenciado en Derecho“, der in Spanien den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf eröffne, nicht verlangt werden, dass sie die für die Ausübung dieses Berufs in Österreich erforderliche Praxistätigkeit absolvierten. Die spanische Regierung trägt ferner vor, eine Berufserfahrung könne nicht verlangt werden. Zudem sei der ministerielle Beschluss vom 10. November 2004 mit der Richtlinie 89/48 vereinbar und müsse dem Antragsteller gestatten, sich in Österreich dem Eignungstest zu unterziehen, ohne einen Nachweis einer Praxistätigkeit erbringen zu müssen.

44.      Die Kommission und Herr Koller kommen zu der Schlussfolgerung, dass die Richtlinie 89/48 einer nationalen Bestimmung entgegenstehe, nach der der Inhaber eines Diploms wie im Ausgangsfall ohne Nachweise der nach nationalem Recht geforderten Praxis nicht zur Eignungsprüfung zuzulassen sei.

45.      Herr Koller macht insbesondere geltend, eine Auslegung der Richtlinie 89/48 sowie des Art. 24 EuRAG, die eine Eignungsprüfung oder einen Anpassungslehrgang verlangten, sei nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Unter Verweis auf Art. 4 der Richtlinie 89/48 und die Rechtsprechung des Gerichtshofs erklärt er, ihm sei der Zugang zum Anwaltsberuf zu gestatten, ohne dass dazu jedoch eine Eignungsprüfung erforderlich wäre. Dazu bringt er vor, es bestünden keine wesentlichen Unterschiede zwischen seiner und der im Aufnahmemitgliedstaat vorgesehenen Ausbildung.

46.      Nach Ansicht von Herrn Koller lässt die zweite Vorlagefrage mittelbar darauf schließen, dass ihm Rechtsmissbrauch vorgeworfen werde. Gleichwohl habe der österreichische Verfassungsgerichtshof in seinem Fall das Vorliegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens bereits verneint. Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs könne daher weder auf das Gemeinschaftsrecht noch auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs gestützt werden. Ferner könne ihm nicht unterstellt werden, die betreffenden Vorschriften umgehen zu wollen.

VI – Rechtliche Würdigung

A –    Einleitende Ausführungen

47.      Mit dem Erlass der Richtlinie 89/48 trat eine wichtige Kehrtwende bei der Regelung der Freizügigkeit für Akademiker ein. Hatte der Gemeinschaftsgesetzgeber in den siebziger Jahren zunächst auf eine Angleichung jener nationalen Bestimmungen gesetzt, die den Zugang zu bestimmten Berufen regeln (sogenannter sektoraler bzw. vertikaler Ansatz), so beschloss er, zwecks einer Vereinfachung der gegenseitigen Anerkennung akademischer Diplome die sich nicht immer einfach gestaltende Harmonisierung einzelner Berufsfelder durch einen neuen, berufsfeldübergreifenden und damit allgemeineren Ansatz (sogenannter horizontaler Ansatz) zu ergänzen, in dessen Mittelpunkt ein neues Prinzip stand: das des gegenseitigen Vertrauens in ihre Gleichwertigkeit(9). Der Gemeinschaftsgesetzgeber ging dabei von der Grundannahme aus, dass die akademischen Studiengänge in den Mitgliedstaaten im Wesentlichen vergleichbar seien(10). Im Bewusstsein der unübersehbaren Unterschiede, die es in bestimmten Bereichen, allen voran in der Ausbildung von Juristen, gibt(11), hat der Gemeinschaftsgesetzgeber dennoch einzelne Sonderregelungen in die Richtlinie 89/48 aufgenommen, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, etwaige Vorbehalte im Hinblick auf die Gleichwertigkeit von Diplomen dadurch abzubauen, dass ihnen ausnahmsweise gestattet wird, unter vereinfachten Bedingungen die fachlichen Qualifikationen derer zu prüfen, die die Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Diplome beantragen.

48.      Im Mittelpunkt der vorliegenden Rechtssache steht ein solcher Vorbehalt Österreichs, das im Fall von Herrn Koller sowohl auf der Ablegung einer Eignungsprüfung als auch auf der Ableistung einer fünfjährigen praktischen Ausbildung besteht. Der Grund für diesen Vorbehalt liegt im Wesentlichen darin, dass offenbar eine Berufung auf die Richtlinie 89/48 mit dem Ziel vermutet wird, das österreichische Ausbildungssystem für Juristen zu umgehen, da erstens das spanische Ausbildungssystem keine vergleichbare praktische Ausbildung kennt und zweitens Herr Koller sein spanisches Diplom nicht auf der Grundlage eines nach Gemeinschaftsrecht geregelten, sondern ausschließlich im spanischen Recht vorgesehenen Homologationsverfahrens erworben hat.

49.      Im Folgenden ist zunächst die Anwendbarkeit der Richtlinie 89/48 auf den Ausgangsfall zu prüfen, wobei der Frage gesondert nachzugehen ist, ob eine rechtsmissbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht vorliegt. Anschließend ist zu untersuchen, ob der Vorbehalt Österreichs berechtigt ist und ob von Herrn Koller in Anbetracht der von ihm im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen, ganz so wie von anderen österreichischen Absolventen des juristischen Grundstudiums, auch verlangt werden kann, dass er vor Zulassung zur Rechtsanwaltsprüfung die fünfjährige sogenannte praktische Verwendung absolviert.

B –    Zuständigkeit des Gerichtshofs

50.      Zunächst ist zu prüfen, ob die OBDK ein „Gericht“ im Sinne von Art. 234 EG und der Gerichtshof somit für die Entscheidung über die Vorlagefragen zuständig ist.

51.      Art. 234 Abs. 3 EG selbst enthält keine Definition des Gerichtsbegriffs. Es gibt aber gewisse gemeinschaftsrechtliche Mindestanforderungen, die der Gerichtshof stellt. Nach ständiger Rechtsprechung stellt der Gerichtshof zur Beurteilung der rein gemeinschaftsrechtlichen Frage, ob es sich bei der vorlegenden Einrichtung um ein Gericht im Sinne von Art. 234 EG handelt, auf eine Reihe von Gesichtspunkten ab wie gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, streitiges Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen durch diese Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit(12).

52.      Die OBDK setzt sich gemäß § 59 des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1990 über das Disziplinarrecht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (DSt) aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten, aus mindestens 8 und höchstens 16 Richtern des Obersten Gerichtshofes und aus 32 Rechtsanwälten (Anwaltsrichtern) zusammen. Sie entscheidet gemäß § 63 Abs. 1 DSt in Senaten. Die (Berufs-)Richter werden gemäß §59 Abs. 2 DSt 1990 vom Bundesminister für Justiz für die Dauer von fünf Jahren ernannt. Die Anwaltsrichter werden von den Rechtsanwaltskammern für fünf Jahre gewählt. Eine vorzeitige Abberufung von Mitgliedern der OBDK ist nicht im Gesetz vorgesehen. Nach §64 Abs. 1 DSt sind die Mitglieder der OBDK an keine Weisungen gebunden. Auch sprechen keine Umstände gegen die Unabhängigkeit ihrer Mitglieder. Eine Versetzbarkeit kommt sowohl für die Anwaltsrichter als auch für die richterlichen Mitglieder der OBDK nicht in Frage. Die OBDK entscheidet in einem kontradiktorischen Verfahren, ihr steht eine umfassende Prüfungsbefugnis zu, wobei sie sowohl die Tat- und Rechtsfragen als auch die Beweiswürdigung überprüfen kann. Zudem handelt es sich bei ihr um eine ständige Einrichtung, woran auch die Tatsache nichts ändert, dass ihre Mitglieder nur für eine beschränkte Zahl von Jahren bestellt sind(13). Die OBDK wird aufgrund gesetzlicher, in der RAO und im DSt näher geregelter Grundlagen tätig.

53.      Nach meiner Ansicht besitzt dieses Organ somit alle nach der Rechtsprechung erforderlichen Eigenschaften, um als Gericht im Sinne von Art. 234 EG anerkannt zu werden. Da die Entscheidungen der OBDK gemäß den im Vorlagebeschluss enthaltenen Angaben nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, ist die OBDK darüber hinaus vorlagepflichtig nach Art. 234 Abs. 3 EG(14).

C –    Zur ersten Vorlagefrage

54.      Mit der ersten Vorlagefrage begehrt die OBDK Aufschluss darüber, ob die Richtlinie 89/48 auf den Ausgangsfall Anwendung findet. Dazu müssten der persönliche und der sachliche Anwendungsbereich dieser Richtlinie eröffnet sein.

1.      Anwendungsbereich der Richtlinie 89/48

a)      Persönlicher Anwendungsbereich

55.       Die Richtlinie 89/48 führt eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome und, genauer, der beruflichen Qualifikationen zwischen den Mitgliedstaaten ein, die auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruht. Die Richtlinie 89/48 gilt nach ihrem Art. 2 für alle „Angehörigen eines Mitgliedstaats, die … einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen“. Der Aufnahmemitgliedstaat wird in Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 als „der Mitgliedstaat, in dem ein Angehöriger eines Mitgliedstaats die Ausübung eines Berufs beantragt, der dort reglementiert ist, in dem er jedoch nicht das Diplom, auf das er sich beruft, erworben oder erstmals den betreffenden Beruf ausgeübt hat“, definiert.

56.      Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen erfüllt, da Herr Koller ein Gemeinschaftsangehöriger ist, der über ein in Spanien ausgestelltes Diplom verfügt, das ihm den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts, einem reglementierten Beruf(15) im Sinne des Art. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/48, in diesem Mitgliedstaat erlaubt und dessen Anerkennung er in Österreich, dem Aufnahmemitgliedstaat, der gleichzeitig sein Herkunftsmitgliedstaat ist, beantragt.

b)      Sachlicher Anwendungsbereich

i)      Erste und dritte Voraussetzung

57.      Für die Anwendung der Richtlinie 89/48 ist ferner erforderlich, dass der Befähigungsnachweis, auf den Herr Koller sich beruft, der in der Richtlinie 89/48 enthaltenen Definition eines „Diploms“ entspricht. Nach Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 müssen drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, damit der Befähigungsnachweis und/oder die Berufserfahrung, dessen oder deren Anerkennung beantragt wird, als Diplom betrachtet werden kann.

58.      Das Diplom muss erstens von einer zuständigen Stelle in einem Mitgliedstaat ausgestellt worden sein. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass ein „Diplom“ im Sinne des Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus einer Gesamtheit von Befähigungsnachweisen bestehen kann(16). Im vorliegenden Fall ist diese Voraussetzung erfüllt, da das Diplom „Licenciado en Derecho“, auf das sich Herr Koller im konkreten Fall beruft, vom spanischen Ministerium für Bildung und Wissenschaft ausgestellt worden ist, das nach dem spanischen Recht dazu berechtigt ist, Diplome für Absolventen des Studiengangs der Rechtswissenschaft auszustellen.

59.      Das Diplom muss zweitens bescheinigen, dass sein Inhaber „ein mindestens dreijähriges Studium oder ein dieser Dauer entsprechendes Teilzeitstudium an einer Universität oder einer Hochschule oder einer anderen Ausbildungseinrichtung mit gleichwertigem Niveau absolviert und gegebenenfalls die über das Studium hinaus erforderliche berufliche Ausbildung abgeschlossen hat“. Da die hauptsächlichen Abweichungen bei der Auslegung von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 sich auf diese Voraussetzung konzentrieren, werde ich diesen Aspekt als letzten behandeln und auf die damit verbundenen Rechtsprobleme näher eingehen.

60.      Das Diplom muss drittens Zugang zu einem Beruf im Herkunftsstaat verleihen. Das Diplom muss also in dem Staat, der es ausgestellt hat, die tatsächliche Ausübung eines Berufs erlauben. Vorbehaltlich der Verwirklichung der zweiten Voraussetzung ist dieses letztgenannte Erfordernis ebenfalls als erfüllt zu betrachten. Das spanische Diplom, das Herr Koller im Wege der Homologation seines österreichischen Diploms erlangt hat, erlaubt diesem nämlich, im Staat von dessen Ausstellung dem Beruf eines Rechtsanwalts nachzugehen. Wie die spanische Regierung in ihrem Schriftsatz ausführlich erklärt, führt die Homologation offizieller ausländischer Hochschuldiplome, die in anerkannten Einrichtungen erworben wurden, in Spanien zur Gleichstellung ihrer offiziellen Wirksamkeit zu akademischen und beruflichen Zwecken mit dem entsprechenden spanischen Diplom. Was wiederum die Wirkung des offiziellen Hochschuldiploms anbelangt, ist festzustellen, dass die spanischen Bestimmungen diesem – gemäß den Ausführungen der spanischen Regierung – eine zweifache akademische und berufliche Wirkung zuweisen, durch die sein Inhaber die ihm innewohnenden akademischen Rechte in vollem Umfang genießt und gleichzeitig uneingeschränkt zur Berufsausübung berechtigt ist.

ii)    Zweite Voraussetzung

61.      Die Schwierigkeit, die zweite Voraussetzung als erfüllt anzusehen, ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Richtlinie ausdrücklich verlangt, dass der Inhaber des Diploms, dessen Anerkennung dieser im Aufnahmestaat begehrt, zunächst einmal ein „mindestens dreijähriges Studium“ abgeschlossen haben muss.

62.      Legt man allein den Wortlaut dieser Bestimmung zugrunde, so ließe sich diese Voraussetzung auf den ersten Blick als nicht erfüllt ansehen, zumal Herr Koller seinen spanischen Studienabschluss, der ihm den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf in Spanien ermöglicht, nicht innerhalb der vorgesehenen Regelstudienzeit von vier Jahren – was den zeitlichen Anforderungen der Richtlinie 89/48 an ein Studium entsprechen würde – erworben, sondern im Rahmen eines Homologationsverfahrens erlangt hat, dessen Dauer jedenfalls weniger als drei Jahre betrug. Wie dem Vorlagebeschluss zu entnehmen ist, lagen zwischen der Verleihung des akademischen Grades eines Magisters in Graz (der sogenannten Sponsion) und der Titelanerkennung in Spanien nämlich etwa zwei Jahre(17). Folglich ist mangels genauerer Angaben davon auszugehen, dass die Dauer des Homologationsverfahrens etwa diesem Zeitraum entsprach.

63.      Übersehen würde mit einer solchen Auslegung allerdings, dass Herr Koller infolge der Homologation einen Studienabschluss erworben hat, der einem vierjährigen rechtswissenschaftlichen Studium in Spanien entspricht. Wie Herr Koller in seinem Schriftsatz dargelegt hat, musste er sich zu diesem Zweck einer Reihe von Prüfungen unterziehen, die verschiedene Rechtsgebiete umfassten. Seinen Angaben zufolge war der Stoffinhalt mit jenem der Fächer des normalen rechtswissenschaftlichen Studiums an der Universidad Autónoma de Madrid identisch(18). Der Grund für eine derart umfassende Prüfung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten im Zuge des Homologationsverfahrens sei gewesen, dass seitens des zuständigen spanischen Ministeriums gravierende Ausbildungsunterschiede zwischen dem österreichischen und dem spanischen akademischen Grad festgestellt worden seien, die es auszugleichen galt.

64.      In Anbetracht der oben genannten Feststellungen lassen sich meines Erachtens folgende wesentliche Schlussfolgerungen aus der Subsumtion unter Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 ziehen.

–       Vorliegen eines „Studiums“ im Sinne des Art. 1 Buchst. a zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 89/48

65.      Erstens stellt das Homologationsverfahren, dem sich Herr Kohler unterziehen musste, zweifellos ein „Studium an einer Universität“ im Sinne dieser Richtlinienbestimmung dar. Hierbei kommt es in erster Linie auf den Erwerb einer Zusatzqualifikation an. Wie der Gerichtshof im Urteil Kraus(19) ausgeführt hat, kann sich ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats in diesem Staat nur dann auf ein in einem anderen Staat erworbenes Diplom berufen, wenn dieses Dokument „den Besitz einer zusätzlichen [zu der im Herkunftsstaat absolvierten Ausbildung hinzukommenden] beruflichen Qualifikation [belegt] und mithin bestätigt, dass sein Inhaber für eine bestimmte Stelle geeignet ist“. In der Homologationsbescheinigung, die Herr Koller nach erfolgreichem Bestehen der Prüfungen erhalten hat, ist keineswegs ein „bloßer Formalakt“ oder eine „einfache Anerkennung“(20) seines österreichischen Studienabschlusses, wie das vorlegende Gericht in seinem Vorlagebeschluss andeutet(21), sondern vielmehr der staatlich erbrachte Nachweis einer zusätzlichen Qualifikation im spanischen Recht zu sehen. Der Sachverhalt des Ausgangsfalls unterscheidet sich insofern grundlegend von dem der Rechtssache Cavallera, auf die alle Verfahrensbeteiligten verweisen.

66.      Jener Rechtssache lag ein Antrag von Herrn Cavallera, einem italienischen Staatsangehörigen, zugrunde, der Inhaber eines von der Universität Turin ausgestellten Studienabschlusszeugnisses im Maschinenbauingenieurwesen war. Um in Italien diesen Beruf auszuüben, hätte er gemäß italienischem Recht zusätzlich ein Staatsexamen bestehen müssen. Herr Cavallera beantragte stattdessen in Spanien beim Ministerium für Bildung und Wissenschaft die Anerkennung seines italienischen Abschlusses als dem entsprechenden spanischen Abschluss gleichwertig gemäß einem allein nach nationalen Bestimmungen geregelten Homologationsverfahren, das sich von jenem Anerkennungsverfahren unterscheidet, das die Richtlinie 89/48 in spanisches Recht umsetzt. Nach erfolgter Anerkennung wurde Herr Cavallera in das Verzeichnis einer katalanischen Berufskammer für Ingenieure eingetragen. Gleichwohl arbeitete er weder außerhalb Italiens in seinem erlernten Beruf, noch absolvierte er eine zusätzliche Ausbildung in Spanien.

67.      Zu Recht ist daher der Gerichtshof im Urteil in jener Rechtssache davon ausgegangen, dass die spanische Homologation keinerlei zusätzliche Qualifikation belegte und daher nicht den Anforderungen an ein „Diplom“ im Sinne des Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 genügte(22). Zur Begründung führte der Gerichtshof aus, dass weder die Homologation noch die Eintragung in das Verzeichnis einer der katalanischen Berufskammern auf einer Überprüfung der beruflichen Qualifikationen oder Erfahrungen von Herrn Cavallera beruhten. Der Gerichtshof hat dabei die Auffassung vertreten, dass, würde man unter solchen Umständen eine Berufung auf die Richtlinie 89/48 mit dem Ziel zulassen, sich Zugang zu dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden reglementierten Beruf in Italien zu verschaffen, dies darauf hinaus liefe, denjenigen, die nur einen in diesem Mitgliedstaat ausgestellten Befähigungsnachweis erworben haben, der für sich nicht den Zugang zu diesem reglementierten Beruf eröffnet, den Zugang gleichwohl zu ermöglichen, ohne aber dass die in Spanien erworbene Homologationsbescheinigung den Erwerb einer zusätzlichen Qualifikation oder von Berufserfahrung belegt. Nach Ansicht des Gerichtshofs liefe ein solches Ergebnis dem im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 89/48 verankerten Grundsatz zuwider, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit behalten, das Mindestniveau der notwendigen Qualifikation mit dem Ziel zu bestimmen, die Qualität der in ihrem Hoheitsgebiet erbrachten Leistungen zu sichern(23).

68.      Diese Gefahr besteht indes im Ausgangsfall nicht, da die Herrn Koller verliehene Homologationsbescheinigung durchaus auf einer Überprüfung seiner in Spanien im Rahmen von Lehrgängen erworbenen beruflichen Qualifikationen beruht. Was das Verhältnis zu dem in Österreich erworbenen Diplom angeht, wäre es angesichts der nicht zu bestreitenden Unterschiede, die es zwischen dem österreichischen und dem spanischen Recht gibt, nicht sachgerecht, die in Spanien erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen lediglich als eine Ergänzung zum rechtswissenschaftlichen Studium in Österreich anzusehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich bei der Ausbildung in Spanien im Zuge des Homologationsverfahrens um ein selbständiges Studium handelt.

69.      Da der Zugang zum Anwaltsberuf in Spanien – anders als in Österreich – keinerlei Berufserfahrung voraussetzt, sondern allein auf die „akademischen Qualifikationen“ eines Absolventen abstellt, genügen Letztere, um auf die „beruflichen Qualifikationen“ des Inhabers einer solchen Bescheinigung zu schließen.

–       Vorliegen eines „mindestens dreijährigen Studiums“ im Sinne des Art. 1 Buchst. a zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 89/48

70.      Zweitens stellt der Umstand, dass das Homologationsverfahren unstreitig weniger als drei Jahre gedauert hat, der Annahme eines „mindestens dreijährigen Studiums“ gemäß Art. 1 Buchst. a zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 89/48 nicht ohne Weiteres entgegen.

71.      Denn zum einen käme in einem solchen Fall eine entsprechende Anwendung der Gleichstellungsklausel des Art. 1 Buchst. a Unterabs. 2 der Richtlinie 89/48 in Betracht. Nach dieser Richtlinienbestimmung sind einem „Diplom“ im Sinne von Unterabs. 1 alle Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise bzw. diese Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise insgesamt gleichgestellt, die von einer zuständigen Stelle in einem Mitgliedstaat ausgestellt wurden, wenn sie eine in der Gemeinschaft erworbene und von einer zuständigen Stelle in diesem Mitgliedstaat „als gleichwertig anerkannte Ausbildung abschließen und in diesem Mitgliedstaat in Bezug auf den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung dieselben Rechte verleihen“. Diese Bestimmung, die nach ihrer ursprünglichen Konzeption den sogenannten „alternativen Bildungsweg“ regelt, ist, wie der Gerichtshof im Urteil Beuttenmüller(24) erklärt hat, eingeführt worden, um „den Personen gerecht zu werden, die zwar keine dreijährige Ausbildung an einer Hochschule absolvierten, aber Befähigungsnachweise besitzen, die ihnen dieselben beruflichen Rechte verleihen“(25). Das Homologationsverfahren stellt von seinem Sinn und Zweck her, insoweit als es wie im Ausgangsfall eine Überprüfung von Kenntnissen im spanischen Recht vorsieht, in gewisser Weise einen alternativen Bildungsweg zum gewöhnlichen Hochschulstudium in Spanien dar, der zu einer Anerkennung ausländischer akademischer Grade und Berufsabschlüsse führt, indem er ihnen im Inland dieselbe Rechtswirkung wie den inländischen verleiht. Bei erfolgreichem Durchlaufen des Homologationsverfahrens wird ausländischen Juristen wie Herrn Koller der Zugang zum Rechtsanwaltsberuf, einem reglementierten Beruf, in Spanien ermöglicht.

72.      Zum anderen ist nicht einzusehen, warum Herrn Koller zum Nachteil gereichen sollte, dass er eine juristische Ausbildung, die nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts einem vierjährigen rechtswissenschaftlichen Studium in Spanien entspricht, in lediglich zwei Jahren und damit vor der Regelstudienzeit absolviert hat. Eine Nichtanerkennung der Gleichwertigkeit der Homologationsbescheinigung auf Gemeinschaftsrechtsebene hätte im Ergebnis zur Folge, dass Leistung nicht gewürdigt, sondern eher sanktioniert würde, zumal jene Antragsteller, die die erforderlichen Prüfungen innerhalb kürzerer Zeit als andere ablegen, schlechter gestellt würden. Dies ist weder sachgerecht, noch entspricht es dem heutigen Stand des Gemeinschaftsrechts, wie etwa das Urteil Kommission/Spanien(26) zeigt.

73.      Gegenstand jenes Urteils war ein Verstoß Spaniens gegen die Richtlinie 89/48, insbesondere aus ihrem Art. 3. Der Gerichtshof erkannte einen Verstoß darin, dass Spanien die Anerkennung der beruflichen Qualifikationen eines Ingenieurs, die in Italien aufgrund einer nur in Spanien erfolgten Universitätsausbildung erworben worden waren, verweigert und die Zulassung zu den Prüfungen für einen internen Aufstieg im öffentlichen Dienst bei Ingenieuren, die ihre beruflichen Qualifikationen in einem anderen Mitgliedstaat erworben haben, von der der akademischen Anerkennung dieser Qualifikationen abhängig gemacht hatte. Anzumerken ist dabei, dass es sich bei den Betroffenen um Inhaber von durch die Universität Alicante (Spanien) ausgestellten Diplomen handelte, deren Gleichwertigkeit aufgrund eines Rahmenabkommens über eine Zusammenarbeit von der Università Politecnica delle Marche (Italien) anerkannt worden war. Demzufolge war ihnen das italienische Diplom eines „ingegnere civile“ verliehen worden. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Betroffenen nach Erhalt dieses Diploms in Italien noch das Staatsexamen abgelegt hatten, das ihnen die Befähigung zur Ausübung des Ingenieurberufs in diesem Mitgliedstaat verlieh.

74.      In jenem Urteil hat der Gerichtshof zunächst darauf hingewiesen, dass der Aufnahmemitgliedstaat nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 89/48 verpflichtet ist, die von den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Bescheinigungen auf jeden Fall als Nachweis dafür anzuerkennen, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Diploms erfüllt sind(27). Anschließend hat der Gerichtshof sich gewissermaßen gegen eine Ungleichbehandlung jener Personen ausgesprochen, die ihre beruflichen Qualifikationen aufgrund einer Homologation statt durch ein reguläres Universitäts- oder Hochschulstudium erlangt haben, indem er in den Randnrn. 80 und 81 jenes Urteils Folgendes festgestellt hat:

„Auch wenn der Beruf des ‚ingeniero de caminos, canales y puertos‘ in Spanien für gewöhnlich von Inhabern eines spanischen Diploms ausgeübt wird, das nach fünf Studienjahren erworben wird, müssen folglich dem Inhaber eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Diploms, das ihn befähigt, denselben Beruf – gegebenenfalls nachdem für ihn Ausgleichsmaßnahmen angeordnet wurden – in Spanien auszuüben, dieselben Aufstiegsmöglichkeiten wie den Inhabern dieses spanischen Diploms zugestanden werden. Diese Erwägungen sind unabhängig von der Zahl der Studienjahre, die von dem Betroffenen für den Erwerb des fraglichen Diploms verlangt wurden.

Sobald nämlich ein in einem anderen Mitgliedstaat ausgestelltes Diplom gemäß der Richtlinie 89/48 – gegebenenfalls nach Anordnung von Ausgleichsmaßnahmen – anerkannt worden ist, verleiht es die gleichen beruflichen Qualifikationen wie das gleichwertige spanische Diplom. Wollte man unter diesen Umständen dem Inhaber eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Diploms allein deshalb nicht dieselben Aufstiegsmöglichkeiten wie den Inhabern des entsprechenden spanischen Diploms einräumen, weil sein Diplom nach einer kürzeren Ausbildungszeit erworben wurde, so liefe das darauf hinaus, die Inhaber eines Diploms eines anderen Mitgliedstaats allein aufgrund der Tatsache zu benachteiligen, dass sie gleichwertige Qualifikationen schneller erlangt haben.“

75.      Meines Erachtens lässt sich sowohl aus den vorstehenden Ausführungen als auch aus der oben zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs die folgende Schlussfolgerung ziehen. Zum einen kann es bei der Beurteilung der Frage, ob ein „mindestens dreijähriges Studium“ im Sinne des Art. 1 Buchst. a zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 89/48 vorliegt, nicht darauf ankommen, ob der fragliche Abschluss infolge eines regulären, mindestens drei Jahre dauernden Universitätsstudiums oder aber eines weniger als drei Jahre dauernden Homologationsverfahrens erzielt wurde. Sofern Letzteres, wie im Ausgangsfall, insoweit einem universitären Studium vergleichbar ist, als es eine Ausbildung in Form von Lehrgängen und Ergänzungsprüfungen vorsieht und der entsprechende Abschluss dieselbe Rechtswirkung im Inland entfaltet, müssen beide Arten von Abschlüssen als gleichwertig betrachtet werden.

76.      Für die Frage der Anwendbarkeit der Richtlinie 89/48 auf den Ausgangsfall, die Gegenstand der ersten Vorlagefrage ist, ist eine unter Umständen fehlende Berufserfahrung grundsätzlich unerheblich. Es ist nämlich in Erinnerung zu rufen, dass die von der Richtlinie 89/48 angeordnete gegenseitige Anerkennung der Diplome auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruht(28), so dass dem Aufnahmemitgliedstaat grundsätzlich verwehrt ist, die Gleichwertigkeit der im anderen Mitgliedstaat erworbenen Berufsqualifikation in Frage zu stellen. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs(29) die Richtlinie 89/48 im Gegensatz zu den sektorbezogenen Richtlinien nicht bezweckt, die Bedingungen für den Zugang zu den von ihr erfassten Berufen und deren Ausübung zu harmonisieren. Die Mitgliedstaaten sind daher für die Festlegung dieser Bedingungen innerhalb der vom Gemeinschaftsrecht vorgegebenen Grenzen weiterhin zuständig(30).

77.      Demzufolge ist davon auszugehen, dass es Spanien freisteht, den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf in Spanien auf der Grundlage einer Entscheidung zur Anerkennung der Gleichwertigkeit einer im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats erworbenen Ausbildung als auch auf der Grundlage eines Universitätsdiploms, mit dem seine eigenen Ausbildungen abgeschlossen werden, zu bestimmen, da die einzige Anforderung, die die Richtlinie 89/48 gemäß Art. 1 Buchst. a Unterabs. 1 stellt, darin besteht, dass aus dem Nachweis hervorgehen muss, „dass der Diplominhaber ein mindestens dreijähriges Studium … absolviert … hat und … dass der Zeugnisinhaber über die beruflichen Voraussetzungen verfügt, die für den Zugang zu einem reglementierten Beruf … in diesem Mitgliedstaat erforderlich sind“(31). Die Frage, inwieweit die Ausübung eines bestimmten Berufs eine genaue Kenntnis des nationalen Rechts erfordert, muss daher allein nach nationalem Recht entschieden werden(32). Demzufolge kann sich Österreich als Aufnahmemitgliedstaat nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Herr Koller die nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgeschriebene fünfjährige „praktische Verwendung“ nicht absolviert habe, um die Anwendbarkeit der Richtlinie 89/48 auf den Ausgangsfall in Frage zu stellen.

78.      Soweit der von Herrn Koller im Wege der Homologation erzielte Abschluss in Spanien dieselbe Rechtswirkung wie ein vierjähriges Universitätsstudium entfaltet und diesem Abschluss zusätzliche Qualifikationen im ausstellenden Mitgliedstaat, wie z.B. Ausbildung in Form von Lehrgängen und Ergänzungsprüfungen, zugrunde liegen, ist davon auszugehen, dass die zweite Voraussetzung der Definition eines „Diploms“ im Sinne des Art. 1 Buchst. a zweiter Spiegelstrich für eine Anwendbarkeit der Richtlinie 89/48 erfüllt ist.

c)      Zwischenergebnis

79.      Demnach entspricht der Befähigungsnachweis, auf den sich Herr Koller beruft, der in Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 enthaltenen Definition eines „Diploms“. Somit ist der Anwendungsbereich dieser Richtlinie eröffnet.

2.      Die Feststellung eines missbräuchlichen Verhaltens im Rahmen der allgemeinen Regelung der gegenseitigen Anerkennung von Diplomen

a)      Der gemeinschaftsrechtliche Begriff des Rechtsmissbrauchs

80.      Die grundsätzliche Anwendbarkeit einer Richtlinie darf allerdings nicht mit der Möglichkeit verwechselt werden, sich auf sie zu berufen. Sofern konkrete Anhaltspunkte für einen Fall von Rechtsmissbrauch vorliegen, sollte eine Berufungsmöglichkeit auf das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen werden(33). Wie der Gerichtshof zuletzt im Urteil Kommission/Spanien(34) in Bezug auf die Auslegung der Richtlinie 89/48 ausgeführt hat, dürfen die Angehörigen eines Mitgliedstaats nicht versuchen, sich der Anwendung ihres nationalen Rechts unter Missbrauch der durch das Gemeinschaftsrecht geschaffenen Erleichterungen zu entziehen. Im Ausgangsfall scheint das vorlegende Gericht einen solchen Verdacht auf Rechtsmissbrauch anzudeuten, wenn es in seinem Vorlagebeschluss erklärt, die Vorgehensweise von Herrn Koller verfolge den Zweck, die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in Österreich gesetzlich gebotene fünfjährige praktische Verwendung zu umgehen(35). Dies gibt Anlass dazu, einen Rechtsmissbrauch zu untersuchen.

81.      Das Gemeinschaftsrecht kennt einen Begriff des Rechtsmissbrauchs(36), der auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zurückgeht(37) und mittlerweile einen verhältnismäßig klar festgelegten Inhalt aufweist(38). Ursprünglich im Bereich der Grundfreiheiten entstanden, ist dieser Gedanke vom Gerichtshof auf andere spezifische Bereiche des Gemeinschaftsrechts übertragen und weiterentwickelt worden. Er lässt sich – stark vereinfacht – im Sinne eines Grundsatzes des Verbots missbräuchlicher Praktiken verstehen, demgemäß „die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsvorschriften nicht gestattet [ist]“(39). Nach Auffassung des Gerichtshofs setzt der Nachweis eines Missbrauchs zum einen voraus, dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände des Einzelfalls ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde. Zum anderen setzt er ein subjektives Element voraus, nämlich die Absicht, sich einen gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden(40).

82.      Zwar ist es Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer missbräuchlichen Praxis im Ausgangsverfahren erfüllt sind(41). Doch kann der Gerichtshof, wenn er auf Vorlage entscheidet, gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen, um dem nationalen Gericht eine Richtschnur für seine Auslegung zu geben(42).

b)      Betrachtung aus Sicht der Richtlinienziele

83.      Eine Beurteilung der Frage, ob tatsächlich ein Fall von Rechtsmissbrauch vorliegt, darf nicht abstrakt, ohne Berücksichtigung der Richtlinienziele erfolgen. Die mit der Richtlinie 89/48 eingeführte allgemeine Anerkennungsregelung soll es Angehörigen eines Mitgliedstaats, die befugt sind, einen reglementierten Beruf in einem Mitgliedstaat auszuüben, ermöglichen, Zugang zu diesem Beruf in anderen Mitgliedstaaten zu erhalten(43). Der Gerichtshof hat daher bereits entschieden, dass es für sich allein keine missbräuchliche Ausnutzung der mit der Richtlinie 89/48 eingeführten allgemeinen Anerkennungsregelung darstellen kann, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der einen reglementierten Beruf ausüben möchte, dafür den von ihm bevorzugten Mitgliedstaat wählt. Wie der Gerichtshof zudem festgestellt hat, folgt das Recht der Angehörigen eines Mitgliedstaats im Binnenmarkt, den Mitgliedstaat zu wählen, in dem sie ihre beruflichen Qualifikationen erwerben wollen, unmittelbar aus den vom EG-Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten(44).

84.      Einem Angehörigen eines Mitgliedstaats kann in Anbetracht dieser Rechtsprechungsgrundsätze nicht zum Vorwurf gemacht werden, nach Abschluss des Grundstudiums in seinem Heimatstaat und nach Erwerb einer Zusatzqualifikation in einem anderen Mitgliedstaat seiner Wahl die Anerkennung seines ausländischen Diploms durch seinen Heimatstaat anstreben zu wollen. Als Unionsbürger steht es ihm zu, das Recht auf Freizügigkeit in Anspruch zu nehmen und im Ausland zu studieren und/oder zu arbeiten, ohne dadurch im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Nachteile für seine akademische und/oder berufliche Laufbahn befürchten zu müssen. Dies sicherzustellen entspricht auch der in der ersten Begründungserwägung der Richtlinie 89/48 niedergelegten Zielsetzung, Hindernisse für den freien Personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu beseitigen. Auf dieses Recht kann sich der Einzelne selbstverständlich auch gegenüber seinem eigenen Heimatstaat berufen.

85.      Die oben beschriebene Fallkonstellation steht ebenfalls mit dem Ziel einer weitestgehenden Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit, wie sie die Richtlinie 89/48 laut ihrer ersten Begründungserwägung anstrebt, in Einklang, da sie zum einen der Erbringung einer Ausbildungsdienstleistung einer Einrichtung eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats dient. Die im Ausland erworbene akademische/berufliche Qualifikation kommt dabei auch dem Herkunftsstaat des Unionsbürgers zugute, sofern er auf eine bestmögliche Ausbildung seiner Staatsangehörigen Wert legt. Damit wird ein Beitrag zur Schaffung eines europäischen Arbeitsmarkts geleistet, der nur verwirklicht werden kann, wenn es einen Ausbildungsmarkt auf europäischer Ebene gibt. Zum anderen wird die Dienstleistungsfreiheit aber auch dadurch verwirklicht, dass Rechtsanwaltsdienstleistungen im Bereich des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs möglich gemacht werden(45). Diese setzen nämlich Kenntnisse des Rechts der anderen Mitgliedstaaten voraus, die am besten durch eine juristische Zusatzausbildung vor Ort erlangt werden. Die Anerkennung durch den Aufnahmestaat einer im Ausland erworbenen juristischen Qualifikation im Recht jenes Mitgliedstaats fördert dieses Ziel(46).

86.      Wie Generalanwalt Poiares Maduro in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Cavallera richtig erkannt hat(47), kann es nicht ohne Weiteres als Rechtmissbrauch gedeutet werden, wenn ein Unionsbürger einen günstigeren Zugang zu einem Beruf in einem anderen Mitgliedstaat erhalten kann als in demjenigen, in dem er sein Studium absolviert hat und diesen Umstand auch für sich nutzt. Ein Rechtsmissbrauch in der vorliegenden Fallkonstellation ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn der Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit nicht tatsächlich – etwa im Wege einer ergänzenden Ausbildung oder durch Erlangung von Berufserfahrung in einem anderen Mitgliedstaat – ausgeübt hat. Erst bei der Absolvierung einer solchen Ausbildung bzw. Erlangung von Berufserfahrung kann wirklich von einer „wirtschaftlichen und sozialen Durchdringung“(48) ausgegangen werden, wie sie das Binnenmarktziel in Art. 1 Buchst. c EG anstrebt. Da bereits festgestellt worden ist, dass Herr Koller eine berufliche Qualifikation erlangt hat, die einem „Studium“ im Sinne des Art. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich entspricht(49), liegen die Voraussetzungen für die Annahme von Rechtsmissbrauch eindeutig nicht vor.

3.      Ergebnis

87.      Auf die erste Vorlagefrage ist somit zu antworten, dass der Begriff des „Diploms“ im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 von einer Stelle eines anderen Mitgliedstaats ausgestellte Befähigungsnachweise umfasst, aus denen hervorgeht, dass der Antragsteller dort über die beruflichen Voraussetzungen für den Zugang zum reglementierten Beruf verfügt, die jedoch nicht ein mindestens dreijähriges dortiges Universitätsstudium bescheinigen, sondern auf der Anerkennung eines entsprechenden im Aufnahmemitgliedstaat erlangten Studienabschlusses basieren, sofern dieser Anerkennung zusätzliche Qualifikationen im ausstellenden Mitgliedstaat, wie z. B. Ausbildung in Form von Lehrgängen und Ergänzungsprüfungen, zugrunde liegen.

D –    Zur zweiten Vorlagefrage

88.      Mit seiner zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 89/48 einer innerstaatlichen Norm entgegensteht, nach der der Inhaber eines wie in der ersten Vorlagefrage beschriebenen Diploms ohne Nachweis der nach nationalem Recht geforderten Praxis zur Eignungsprüfung nicht zuzulassen ist.

89.      Nachdem also die Anwendbarkeit der Richtlinie 89/48 im Rahmen einer Untersuchung der ersten Vorlagefrage bejaht worden ist, gilt es im Folgenden zu prüfen, ob das nationale Recht den Vorgaben der Richtlinie entspricht. Dabei ist der Frage nachzugehen, ob Österreich, unter Abweichung vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, von Herrn Koller, der Inhaber sowohl des österreichischen Titels „Magister der Rechtswissenschaften“, als auch des spanischen Titels „Licenciado en Derecho“ sowie der Berufsbezeichnung „abogado“ ist, die Ableistung einer praktischen Ausbildungszeit als Voraussetzung für die Zulassung zur Eignungsprüfung verlangen darf.

90.      Als Rechtsgrundlage für eine solche mitgliedstaatliche Maßnahme kommt Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 in Betracht. Der Sinn dieser Richtlinienbestimmung erschließt sich dem Rechtsanwender allerdings erst nach einer Erläuterung des der Richtlinie zugrunde liegenden Mechanismus der gegenseitigen Anerkennung sowie der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs.

1.      Fehlender Automatismus im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung

91.      Zunächst einmal ist auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 89/48 zu verweisen, der den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Zusammenhang mit der Anerkennung von Diplomen konkretisiert(50), indem er anordnet, dass der Aufnahmestaat, wenn er den Zugang zu einem Beruf von dem Besitz eines Diploms abhängig macht, einem Angehörigen eines Mitgliedstaats den Zugang zu diesem Beruf nicht wegen mangelnder Qualifikation verweigern kann, wenn der Antragsteller das Diplom besitzt, das in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich ist, um in dessen Hoheitsgebiet Zugang zu diesem Beruf zu erhalten oder ihn dort auszuüben, und wenn dieses Diplom in einem Mitgliedstaat erworben wurde. Des Weiteren ist auf den bereits genannten Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 89/48 zu verweisen, der den Aufnahmestaat zur Anerkennung der dazugehörigen Bescheinigungen der Behörden anderer Mitgliedstaaten verpflichtet.

a)      Das Urteil Morgenbesser vom 13. November 2003

92.      Wie der Gerichtshof allerdings im Urteil Morgenbesser(51) klargestellt hat, verlangt die Richtlinie 89/48 keinesfalls, dass die Anerkennung eines Diploms im Aufnahmestaat rein automatisch zu erfolgen hat(52). Vielmehr hat die zuständige Behörde im Einklang mit den vom Gerichtshof in den Urteilen Vlassopoulou(53) und Fernández de Bobadilla(54) entwickelten Grundsätzen zu prüfen, ob und inwieweit die durch das in einem anderen Mitgliedstaat verliehene Diplom bescheinigten Kenntnisse und erworbenen Fähigkeiten oder die dort gewonnene Berufserfahrung sowie die in dem Mitgliedstaat, in dem der Bewerber seine Eintragung beantragt, gewonnene Erfahrung als – und sei es auch teilweise – Erfüllung der für die Aufnahme der betreffenden Tätigkeit verlangten Voraussetzungen anzusehen sind(55).

93.      Dieses Prüfungsverfahren muss es den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen, objektiv festzustellen, ob ein ausländisches Diplom seinem Inhaber die gleichen oder zumindest gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie das innerstaatliche Diplom bescheinigt. Diese Beurteilung der Gleichwertigkeit eines ausländischen Diploms muss ausschließlich danach erfolgen, welches Maß an Kenntnissen und Fähigkeiten dieses Diplom unter Berücksichtigung von Art und Dauer des Studiums und der praktischen Ausbildung, auf die es sich bezieht, bei seinem Besitzer vermuten lässt(56).

94.      Im Rahmen dieser Prüfung kann ein Mitgliedstaat objektiven Unterschieden Rechnung tragen, die sowohl hinsichtlich des im Herkunftsmitgliedstaat für den fraglichen Beruf bestehenden rechtlichen Rahmens als auch hinsichtlich des Tätigkeitsbereichs dieses Berufs vorhanden sind. Im Fall des hier relevanten Anwaltsberufs darf ein Mitgliedstaat nach Auffassung des Gerichtshofs somit eine vergleichende Prüfung der Diplome unter Berücksichtigung der festgestellten Unterschiede zwischen den betroffenen nationalen Rechtsordnungen vornehmen(57).

95.      Führt diese vergleichende Prüfung zu der Feststellung, dass die durch das ausländische Diplom bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten den nach den nationalen Rechtsvorschriften verlangten entsprechen, hat der Mitgliedstaat anzuerkennen, dass dieses Diplom die in diesen Vorschriften aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Ergibt der Vergleich hingegen, dass diese Kenntnisse und Fähigkeiten einander nur teilweise entsprechen, kann der Aufnahmemitgliedstaat von dem Betroffenen den Nachweis verlangen, dass er die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat(58). Insoweit müssen die zuständigen nationalen Behörden beurteilen, ob die im Aufnahmemitgliedstaat im Rahmen eines Studiengangs oder praktischer Erfahrung erworbenen Kenntnisse für den Nachweis des Erwerbs der fehlenden Kenntnisse ausreichen(59).

b)      Das Urteil Peśla vom 10. Dezember 2009

96.      Die Vereinbarkeit einer solchen vergleichenden Prüfung der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen beruflichen Qualifikationen mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts von Seiten der Behörden des Aufnahmestaats ist zuletzt im Urteil vom 10. Dezember 2009 in der Rechtssache C‑345/08 (Peśla) im Zusammenhang mit der Qualifizierung für den Anwaltsberuf vom Gerichtshof ausdrücklich bestätigt worden(60).

97.      Jener Rechtssache lag der Antrag von Herrn Peśla, einem polnischen Staatsangehörigen, auf Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst in Deutschland zugrunde. Herr Peśla hatte ein rechtwissenschaftliches Studium in seinem Heimatland absolviert und später im Rahmen einer deutsch-polnischen Juristenausbildung sowohl den akademischen Grad eines „Master of German and Polish Law“ als auch den akademischen Titel eines „Bachelor of German and Polish Law“ erworben. Einen Antrag auf eine Gleichwertigkeitsfeststellung lehnten die deutschen Behörden mit der Begründung ab, Kenntnisse in ausländischem Recht könnten wegen der bestehenden Unterschiede zum deutschen Recht nicht als gleichwertig anerkannt werden. Zudem wiesen die deutschen Behörden darauf hin, dass das Anforderungsniveau der von Herrn Peśla im Rahmen des Studiums zum Erwerb des „Master of German and Polish Law“ erworbenen Leistungsnachweise deutlich unter demjenigen der Aufsichtsarbeiten in der staatlichen Pflichtfachprüfung liege. Herrn Peśla wurde dennoch im Ablehnungsbescheid die Möglichkeit eröffnet, auf Antrag an einem Eignungstest teilzunehmen(61).

98.      Der Gerichtshof hat in jenem Urteil die Rechtsauffassung der deutschen Behörden im Wesentlichen bestätigt. So hat er u. a. festgestellt, dass „die Kenntnisse, die durch das in einem anderen Mitgliedstaat verliehene Diplom bescheinigt werden, und die in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Fähigkeiten oder die dort gewonnene Berufserfahrung sowie die Erfahrung, die in dem Mitgliedstaat gewonnen wurde, in dem der Bewerber seine Eintragung beantragt, am Maßstab der beruflichen Qualifikation zu prüfen sind, die in den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats verlangt wird“(62).

99.      Zu Recht hat der Gerichtshof dabei erkannt, dass es in Bezug auf den Zugang zu juristischen Berufen im Aufnahmestaat entscheidend auf die Kenntnis des Rechts dieses Mitgliedstaats ankommt. Er hat zu verstehen gegeben, dass dieses Wissen nicht ohne Weiteres durch Kenntnisse des Rechts des Herkunftsstaats ersetzt werden kann, und zwar auch nicht, wenn das Studium des Rechts in den beiden Mitgliedstaaten vom Ausbildungsniveau und vom (zeitlichen) Ausbildungsaufwand her vergleichbar ist. Zur Veranschaulichung der Absurdität der von Herrn Peśla vorgebrachten gegenteiligen Argumentation hat der Gerichtshof ausgeführt, dass diese „in ihrer äußersten Konsequenz bedeuten würde, dass ein Bewerber ohne jede Kenntnis des deutschen Rechts und der deutschen Sprache in den Vorbereitungsdienst eintreten könnte“(63).

100. Ferner hat der Gerichtshof festgestellt, dass „Art. 39 EG als solcher nicht gebietet, dass die Behörden eines Mitgliedstaats bei der Prüfung des Antrags eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats auf Zulassung zu einem praktischen Ausbildungsabschnitt, der – wie der Vorbereitungsdienst – Voraussetzung für die spätere Ausübung eines reglementierten juristischen Berufs ist, im Rahmen der nach dem Gemeinschaftsrecht verlangten Gleichwertigkeitsprüfung niedrigere Anforderungen an die juristischen Kenntnisse des Bewerbers stellen als diejenigen, die mit der Qualifikation bescheinigt werden, die in diesem Mitgliedstaat für den Zugang zu diesem praktischen Ausbildungsabschnitt verlangt wird“(64).

c)      Schlussfolgerungen

101. Aus der oben angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich für die Zwecke des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens, dass die Anerkennung eines Diploms im Aufnahmestaat keinesfalls automatisch zu erfolgen hat(65). Vielmehr ist der Aufnahmestaat befugt, die Gleichwertigkeit des ausländischen Diploms mit dem entsprechenden Abschluss im Aufnahmestaat im Rahmen eines vergleichenden Verfahrens zu überprüfen(66). Bei juristischen Abschlüssen ist grundsätzlich von der Verschiedenheit der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen auszugehen, so dass der Aufnahmestaat in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht von dem Diplominhaber eine genaue Kenntnis des Rechts des Aufnahmestaats verlangen darf(67). Vom Gemeinschaftsrecht her ist es zwar zulässig, aber nicht zwingend, im Interesse der Freizügigkeit der Arbeitnehmer niedrigere Anforderungen an die juristischen Kenntnisse des Bewerbers zu stellen als diejenigen, die mit der Qualifikation bescheinigt werden, die in diesem Mitgliedstaat für den Zugang zu diesem praktischen Ausbildungsabschnitt verlangt wird(68).

102. Der Gerichtshof hat diese Grundsätze in Auslegung der primärrechtlichen Bestimmungen der Art. 39 EG und 43 EG zur Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit von Arbeitnehmern entwickelt. Der Anwendungsvorrang des Sekundärrechts gebietet es, bei der Untersuchung der zweiten Vorlagefrage in erster Linie die Richtlinie 89/48 heranzuziehen. Gleichwohl steht dieser Umstand einer Auslegung der Richtlinie 89/48 im Licht der oben genannten Grundsätze nicht entgegen, da die Richtlinie gerade zum Zweck der Verwirklichung der Grundfreiheiten erlassen worden ist, worauf die Wahl ihrer Rechtsgrundlagen sowie ihre erste Begründungserwägung hindeuten(69).

2.      Die Rechtsgrundlage in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48

103. Die oben angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs gibt wichtige Hinweise für die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48, da diese Bestimmung jene Maßnahmen zum Gegenstand hat, die der Aufnahmestaat nach Abschluss der vergleichenden Prüfung der Qualifikationen des Antragstellers im Hinblick auf die Anerkennung des ausländischen Diploms ergreifen kann. Dazu zählt die Befugnis, vom Antragsteller unter bestimmten Bedingungen zu verlangen, dass er einen höchstens dreijährigen Anpassungslehrgang absolviert oder eine Eignungsprüfung ablegt.

104. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Unterabs. 2 der Richtlinie steht dem Antragsteller grundsätzlich ein Wahlrecht zu. Abweichend von diesem Grundsatz kann der Aufnahmestaat einen Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung vorschreiben, wenn es sich um Berufe handelt, deren Ausübung eine genaue Kenntnis des nationalen Rechts erfordert und bei denen die Beratung und/oder der Beistand in Fragen des innerstaatlichen Rechts ein wesentlicher und ständiger Bestandteil der beruflichen Tätigkeit ist. Dies trifft auf den Beruf des Rechtsanwalts, dem die Beratung und/oder der Beistand seiner Mandanten in Fragen des innerstaatlichen Rechts obliegen, zweifellos zu(70). Demnach kann Österreich die Ablegung einer Rechtsanwaltsprüfung verlangen, sofern sie der Definition einer „Eignungsprüfung“ entspricht.

a)      Rechtanwaltsprüfung als „Eignungsprüfung“ im Sinne von Art. 1 Buchst. g

105. Die in § 1 RAPG vorgesehene Rechtanwaltsprüfung entspricht der Definition der „Eignungsprüfung“ im Sinne von Art. 1 Buchst. g der Richtlinie 89/48, da sie ausschließlich die beruflichen Kenntnisse des Antragstellers betrifft. Mit ihr wird die Fähigkeit des Antragstellers geprüft, den Rechtsanwaltsberuf entsprechend den in Österreich vorgesehenen Anforderungen auszuüben. Diese Anforderungen sind in § 1 RAPG festgeschrieben, wonach der Nachweis einer „Gewandtheit bei der Einleitung und Besorgung der einem Rechtsanwalt übertragenen öffentlichen und privaten Angelegenheiten sowie seine Eignung zur Abfassung von Rechtsurkunden und Rechtsgutachten sowie zum geordneten schriftlichen und mündlichen Vortrag einer Rechts- und Sachlage“ erbracht werden muss. Als Aufnahmestaat ist Österreich gemeinschaftsrechtlich, entsprechend den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Grundsätzen, zur Festlegung dieser Anforderungen befugt(71). Art. 1 Buchst. g der Richtlinie 89/48 räumt Österreich ebenfalls die Befugnis ein, die „Modalitäten“ einer solchen „Eignungsprüfung“ festzulegen.

b)      Bedingungen, unter denen der Aufnahmestaat eine Eignungsprüfung verlangen kann

106. Aus Art. 4 Abs. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 89/48 ergibt sich, dass der Aufnahmestaat eine Eignungsprüfung verlangen darf, wenn der reglementierte Beruf in dem Aufnahmestaat eine oder mehrere reglementierte berufliche Tätigkeiten umfasst, die in dem Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat des Antragstellers nicht Bestandteil des betreffenden reglementierten Berufs sind, und wenn dieser Unterschied in einer besonderen Ausbildung besteht, die in dem Aufnahmestaat gefordert wird und sich auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Diplom abgedeckt werden, das der Antragsteller vorweist.

i)      Im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat des Antragstellers nicht vorgesehene berufliche Tätigkeit

107. Als „berufliche Tätigkeit“, die „in dem Herkunftsmitgliedstaat des Antragstellers nicht Bestandteil des betreffenden reglementierten Berufs“ ist, ist die in Österreich gemäß § 1 Abs. 2 Buchst. d RAO vorgeschriebene „praktische Verwendung“ anzusehen, die in der Rechtsanwaltsausbildung in Spanien nicht vorgesehen ist.

ii)    Wesentlicher Unterschied in der Ausbildung

108. Der wesentliche Unterschied, der nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich in einer besonderen, in dem Aufnahmestaat geforderten Ausbildung bestehen muss, ist in dem Umstand zu erblicken, dass der Zugang zum Rechtsanwaltsberuf in Österreich im Ergebnis nur jenen gestattet ist, die neben dem universitären Grundstudium die Rechtsanwaltsprüfung erfolgreich bestehen und die fünfjährige praktische Verwendung absolvieren. Dies sind nämlich gemäß § 1 Abs. 1 und 2 RAO die Voraussetzungen für eine Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte, die zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs berechtigt. In Spanien hingegen reichen dafür der Erwerb des Titels „Licenciado en Derecho“, der Abschluss des Universitätsstudiums sowie die Eintragung in einer Rechtsanwaltskammer aus. Vor dem Hintergrund, dass die Ausbildung zum Rechtsanwalt in Spanien keinerlei praktischer Erfahrung bedarf, ist dieser Unterschied als wesentlich einzustufen.

iii) Bezug auf Fächer, die nicht vom Diplom des Herkunftsstaats abgedeckt sind

109. Schließlich darf der Aufnahmestaat die Ablegung einer Eignungsprüfung nur dann verlangen, wenn dieser Unterschied sich auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem oder den Befähigungsnachweisen abgedeckt werden, die der Antragsteller vorweist.

–       Die in Spanien erworbene Qualifikation

110. Wie sowohl der Richtlinie 89/48 als auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs(72) zu entnehmen ist, müssen hier etwaige bereits vorhandene Kenntnisse des Antragstellers z.B. des Rechts des Aufnahmestaats berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang dürfte der Umstand, dass Herr Koller nicht nur ein Studium in Spanien, sondern zuvor das rechtswissenschaftliche Grundstudium in Österreich absolviert hat, eine wesentliche Rolle spielen, zumal ein „Diplom“ im Sinne des Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48, wie bereits erwähnt, aus einer Gesamtheit von Befähigungsnachweisen bestehen kann(73), sein Titel als „Magister der Rechtswissenschaften“ daher im Prinzip als ein weiterer Befähigungsnachweis angesehen werden könnte. Indes lassen die grundlegenden Unterschiede in den einzelnen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen das von Herrn Koller in Spanien absolvierte Studium grundsätzlich nicht als eine Ergänzung zum Grundstudium in Österreich, sondern als ein seinem Wesen nach grundsätzlich verschiedenes Studium erscheinen. Sie können daher nur bedingt miteinander verglichen werden. Außerdem gilt es bei der Beurteilung von Berufsqualifikationen zu bedenken, dass das Berufsbild des Rechtsanwalts von einem Mitgliedstaat zum anderen variieren kann(74). Die Aufgabe, im Einzelnen zu prüfen, welche Sachgebiete der im Aufnahmestaat verlangten Ausbildung von dem Diplom, das der Antragsteller vorlegt, nicht abgedeckt sind, obliegt letztlich aber den zuständigen Behörden des Aufnahmestaates gemäß Art. 1 Buchst. g Unterabs. 2 der Richtlinie 89/48.

–       Das Verhältnis zwischen Grundstudium und Rechtsanwaltsausbildung

111. Klarer stellt sich meines Erachtens das Verhältnis zwischen der Rechtsanwaltsausbildung und dem Grundstudium in Österreich dar. Die Rechtsanwaltsausbildung in diesem Mitgliedstaat baut von ihrem Konzept her auf dem Grundstudium auf, da das darin erworbene Rechtswissen notwendigerweise vorausgesetzt wird. Sie stellt insofern eine ergänzende Ausbildung dar, als sie darauf abzielt, dem Prüfungskandidaten den Erwerb der notwendigen beruflichen Qualifikation und Erfahrung zu ermöglichen. Anders als das rein akademische Studium der Rechtswissenschaften an einer Universität ist die Rechtsanwaltsausbildung jedoch praxisorientiert. Wie die österreichische Regierung(75) erklärt, findet diese Ausbildung, die die fünfjährige praktische Verwendung und die Anwaltsprüfung umfasst, ihre gesetzgeberische Legitimation in dem Bemühen, im Interesse der Rechtssuchenden qualitativ hochwertige anwaltliche Leistungen zu erzielen, die den Anforderungen der Praxis genügen.

112. Neben der praktischen Ausrichtung der Rechtsanwaltsausbildung in Österreich gilt es zu berücksichtigen, dass diese Ausbildung Sachgebiete umfasst, die entweder nicht oder nicht in hinreichendem Maße im Rahmen des Grundstudiums behandelt werden, wozu die Berechnung von Anwaltskosten sowie die berufsständischen Regeln für Anwälte gehören. Wie Herr Koller in seinen schriftlichen Ausführungen selbst einräumt(76), wurde das rechtsanwaltliche Kostenrecht nur teilweise in der Diplomprüfung zum Zivilverfahrensrecht sowie zum Strafprozessrecht der Universität gelehrt. Praktische Erfahrungen auf diesen Sachgebieten kann er auch nicht vorweisen. Deren Kenntnis ist aber eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Anwaltsberufs. Aus diesem Grund werden die berufsständischen Regeln in Art. 1 Buchst. g der Richtlinie 89/48 auch als zulässiger Gegenstand einer Eignungsprüfung ausdrücklich genannt. Sein Vorbringen, wonach nach mehr als vierjähriger Tätigkeit als Anwalt ihm zuzutrauen sei, sich das Kostenrecht im Selbststudium ergänzend anzueignen, vermag die Notwendigkeit einer staatlichen Überprüfung seiner Qualifikationen nicht in Frage zu stellen.

113. Abschließend ist anzumerken, dass bei der Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 89/48 die fünfte Begründungserwägung der Richtlinie 89/48 heranzuziehen ist, die besagt, dass bei denjenigen Berufen, für deren Ausübung die Gemeinschaft kein Mindestniveau der notwendigen Qualifikation festgelegt hat, die Mitgliedstaaten die Möglichkeit behalten, dieses Niveau mit dem Ziel zu bestimmen, die Qualität der in ihrem Hoheitsgebiet erbrachten Leistungen zu sichern. Angesichts der Tatsache, dass weder die Richtlinie 89/48 noch das übrige Gemeinschaftsrecht die allgemeinen Anforderungen für den Zugang zum Anwaltsberuf regeln und dass die Mitgliedstaaten infolgedessen weiterhin befugt sind, die Anforderungen und somit auch das Mindestniveau der Rechtsanwaltsausbildung selbst festzulegen, steht das Gemeinschaftsrecht einer Verpflichtung des Antragstellers zur Ableistung einer Eignungsprüfung nicht entgegen.

c)      Zwischenergebnis

114. Demnach kann sich Österreich auf die Ermächtigungsgrundlage in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 89/48 stützen, um von Herrn Koller die Ablegung einer Anwaltsprüfung zu verlangen.

3.      Verpflichtung zur Ableistung der fünfjährigen praktischen Verwendung

115. Von dieser Pflicht ist allerdings die Verpflichtung des Antragstellers zur Ableistung der fünfjährigen praktischen Verwendung zu unterscheiden.

116. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 kann mangels einer entsprechenden Ermächtigung nicht als Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung zur Ableistung einer praktischen Ausbildungszeit herangezogen werden.

117. Laut Art. 4 Abs. 1 Buchst. a kann der Aufnahmestaat zwar verlangen, dass der Antragsteller Berufserfahrung nachweist, allerdings nur, wenn die Ausbildungsdauer, die der Antragsteller gemäß Art. 3 Buchst. a nachweist, um mindestens ein Jahr unter der in dem Aufnahmestaat geforderten Ausbildungsdauer liegt. Indes gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Regelstudienzeit in Spanien derart von der Dauer des Rechtswissenschaftsstudiums in Österreich, die insoweit als Vergleichsmaßstab anzuwenden ist, abweicht. Wie bereits ausgeführt(77), muss im Ausgangsfall berücksichtigt werden, dass Herr Koller in lediglich zwei Jahren eine juristische Zusatzausbildung absolviert hat, die nach Maßgabe des spanischen Rechts einem rechtswissenschaftlichen Studium mit einer Regelstudienzeit von vier Jahren in Spanien entspricht.

118. Doch auch wenn man allein auf die etwa zweijährige Dauer des Homologationsverfahrens abstellen würde, wäre es äußerst zweifelhaft, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. a eine derart lange praktische Ausbildungszeit wie die fünfjährige praktische Verwendung in Österreich gestatten würde, zumal gemäß dem ersten Gedankenstrich die Dauer der verlangten Berufserfahrung das Doppelte der fehlenden Ausbildungszeit nicht überschreiten darf. Zudem bestimmt Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 4 eindeutig, dass die Dauer der verlangten Berufserfahrung auf keinen Fall vier Jahre überschreiten darf. Die in Österreich obligatorische fünfjährige praktische Verwendung würde somit jedenfalls den von der Richtlinie 89/48 erlaubten maximalen Zeitrahmen überschreiten.

119. Schließlich ist auf die Regelung in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/48 hinzuweisen, die ausdrücklich vorschreibt, dass der Aufnahmestaat von den Möglichkeiten im Sinne von Abs. 1 Buchst. a und b nicht gleichzeitig Gebrauch machen kann. Diese Regelung ist im Sinne eines Verbots der kumulativen Anwendung beider Ausgleichsmechanismen zu verstehen(78). Auf den Ausgangsfall übertragen bedeutet dies, dass Österreich nicht berechtigt ist, zusätzlich zur Eignungsprüfung den Nachweis von Berufserfahrung zu verlangen.

120. Folglich findet sich in der Richtlinie 89/48 keine Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung zur Ableistung der fünfjährigen praktischen Verwendung unter den konkreten Umständen des Ausgangsfalls.

4.      Ergebnis

121. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Österreich Herrn Koller zwar zur Ablegung einer Eignungsprüfung, jedoch nicht zusätzlich zur Ableistung der fünfjährigen praktischen Verwendung verpflichten darf.

122. Auf die zweite Vorlagefrage ist somit zu antworten, dass die Richtlinie 89/48 einer innerstaatlichen Norm entgegensteht, nach der der Inhaber eines wie in der ersten Vorlagefrage beschriebenen Diploms ohne Nachweis der nach nationalem Recht geforderten Praxis nicht zur Eignungsprüfung zuzulassen ist.

VII – Ergebnis

123. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission wie folgt zu antworten:

1.         Der Begriff des „Diploms“ im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 umfasst von einer Stelle eines anderen Mitgliedstaats ausgestellte Befähigungsnachweise, aus denen hervorgeht, dass der Antragsteller dort über die beruflichen Voraussetzungen für den Zugang zum reglementierten Beruf verfügt, die jedoch nicht ein mindestens dreijähriges dortiges Universitätsstudium bescheinigen, sondern auf der Anerkennung eines entsprechenden im Aufnahmemitgliedstaat erlangten Studienabschlusses basieren, sofern dieser Anerkennung zusätzliche Qualifikationen im ausstellenden Mitgliedstaat, wie z. B. Ausbildung in Form von Lehrgängen und Ergänzungsprüfungen, zugrunde liegen.

2.         Die Richtlinie 89/48 steht einer innerstaatlichen Norm entgegen, nach der der Inhaber eines wie unter 1. beschriebenen Diploms ohne Nachweis der nach nationalem Recht geforderten Praxis nicht zur Eignungsprüfung zuzulassen ist.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – Das Vorabentscheidungsverfahren ist gemäß dem Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäischen Unio und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 13. Dezember 2007 (ABl. 2007, C 306, S. 1) nunmehr in Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union geregelt.


3 – ABl. 1989, L 19, S. 16.


4 – Richtlinie 2005/36 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. 2005, L 255, S. 22). Die Richtlinie 2005/36 konsolidiert den Rechtsbestand auf dem Gebiet der Anerkennung von Berufsqualifikationen. Zusammengefasst werden drei horizontalen Richtlinien über allgemeine Regelungen und zwölf Einzelrichtlinien. Sie gilt für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats, die als Selbständige oder Unselbständige einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen als dem, in dem sie ihre Berufsqualifikationen erworben haben.


5 – Aus den Akten geht hervor, dass die Homologation auf Grundlage des Königlichen Dekrets 86/1987 vom 16. Januar 1987 (BOE vom 23. Januar 1987, mittlerweile durch das Königliche Dekret 285/2004 vom 20. Februar 2004, BOE vom 4. März 2004, ersetzt) erfolgte.


6 – Urteil vom 29. Januar 2009, Cavallera (C‑311/06, Slg. 2009, I-415).


7 – Urteil vom 23. Oktober 2008, Kommission/Griechenland (C‑274/05, Slg. 2008, I‑7969, Randnrn. 31 und 35).


8 – Urteil Cavallera (oben in Fn. 6 angeführt), Randnr. 55.


9 – Vgl. zum sekundärrechtlichen System der Koordinierungs- und Anerkennungsrichtlinien sowie zur Entstehungsgeschichte der Richtlinie 89/48 Görlitz, N., „Gemeinschaftsrechtliche Diplomanerkennungspflichten und Zugang zum deutschen Vorbereitungsdienst – Die primär- und sekundärrechtliche Verpflichtung der EU-Staaten zur Äquivalenzüberprüfung von den Ersten Staatsexamina vergleichbaren ausländischen Hochschulabschlüssen“, Europarecht, 2000, Heft 5, S. 840; Bianchi Conti, A., „Considerazioni sul riconoscimento delle qualifiche e dei titoli professionali“, La libera circolazione dei lavoratori, 1998, S. 205; Pertek, J., „La reconnaissance mutuelle des diplômes d’enseignement supérieur“, Revue trimestrielle dedroit européen, 1989, Nr. 4, S. 629, 637; Boixareu, A., „Las profesiones jurídicas en la directiva relativa a un sistema general de reconocimiento de los títulos de enseñanza superior“, Gaceta jurídica de la C.E.E., 1999, Nr. 44, S. 3, 4; Zilioli, C., „L’apertura delle frontiere intracomunitarie ai professionisti: la direttiva CEE N. 89/48“, Diritto comunitario e degli scambi internazionali, 1989, Jahrgang XXVIII, Nr. 3, S. 422, die erläutern, wie der Gemeinschaftsgesetzgeber ursprünglich auf eine Angleichung der Inhalte und Zugangsvoraussetzungen einzelner nationaler Ausbildungsgänge gesetzt hatte, um sich später von diesem Ansatz zu lösen und mit der Richtlinie 89/48 auf der Grundlage des sogenannten Vertrauensprinzips eine mitgliedstaatliche Anerkennungspflicht der nach den – insoweit nicht angeglichenen – Bestimmungen des jeweiligen Herkunftsstaats erworbenen Diplome einzuführen.


10 – In diesem Sinne Pertek, J., „La reconnaissance des diplômes, un acquis original rationalisé et développé par la directive n° 2005/36 du 7 octobre 2005“, Europe, 2006, Nr. 3, S. 7, in Bezug auf Art. 3 der Richtlinie 89/48 bzw. die Nachfolgebestimmung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie, die nach Ansicht des Autors eine widerlegbare Vermutung der Gleichwertigkeit ausländischer Diplome enthalten.


11 – Laut Visée, J.-M., „L’application de la directive 89/48/CEE (système général de reconnaissance des diplômes) aux avocats“, La reconnaissance des qualifications dans un espace européen des formations et des professions, 1998, S. 212, sollen etwa die in Art. 4 der Richtlinie 89/48 vorgesehenen Maßnahmen (Lehrgänge und Eignungsprüfungen) die teilweise substanziellen Unterschiede zwischen den Ausbildungsformen ausgleichen.


12 – Vgl. u. a. Urteile vom 17. September 1997, Dorsch Consult (C‑54/96, Slg. 1997, I‑4961, Randnr. 23), vom 31. Mai 2005, Syfait u. a. (C‑53/03, Slg. 2005, I‑4609, Randnr. 29), sowie vom 14. Juni 2007, Häupl (C‑246/05, Slg. 2007, I‑4673, Randnr. 16).


13 – Vgl. Urteil vom 4. März 1999, Hospital Ingenieure (C‑258/97, Slg. 1999, I‑1405).


14 – Zutreffend daher die Auslegung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 30. September 2003 (Geschäftszahl B614/01 ua).


15 – Vgl. zum Beruf des Rechtsanwalts als reglementiertem Beruf die Urteile vom 13. November 2003, Morgenbesser (C‑313/01, Slg. 2003, I‑13467, Randnr. 60), und vom 10. Dezember 2009, Peśla (C‑345/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 27).


16 – Urteile Cavallera (oben in Fn. 6 angeführt), Randnr. 47, vom 23. Oktober 2008, Kommission/Spanien (C‑286/06, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 55).


17 – Siehe S. 13 f. des Vorlagebeschlusses.


18 – Siehe S. 4, Randnr. 4 des Schriftsatzes des Herrn Koller.


19 – Urteil vom 31. März 1993, Kraus (C‑19/92, Slg. 1993, I‑1663, Randnr. 19).


20 – Generalanwalt Poiares Maduro hat in seinen Schlussanträgen vom 28. Februar 2008 in der Rechtssache Cavallera (C‑311/06, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Nr. 23) zutreffend festgestellt, dass Herr Cavallera in Spanien weder studiert noch gearbeitet hatte, so dass er, genauer gesagt, in diesem Staat keine Berufs- oder Hochschulausbildung erworben hatte. Zu Recht hat der Generalanwalt aus diesem Umstand geschlossen, dass das in Spanien erworbene Diplom eines Maschinenbauers auf einer „einfachen Anerkennung“ der Gleichwertigkeit der italienischen Universitäts‑/Hochschulausbildung beruhte.


21 – Siehe S. 14 des Vorlagebeschlusses.


22 – Urteil Cavallera (oben in Fn. 6 angeführt), Randnrn. 56 bis 59.


23 – Urteil Cavallera (oben in Fn. 6 angeführt), Randnr. 57.


24 – Urteil vom 29. April 2004, Beuttenmüller (C‑102/02, Slg. 2004, I‑5405).


25 – Ebd., Randnr. 42. Darin verweist der Gerichtshof auf den von der Kommission am 15. Februar 1996 vorgelegten „Bericht an das Europäische Parlament und an den Rat über den Stand der Anwendung der allgemeinen Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, erstellt nach Art. 13 der Richtlinie 89/48/EWG (KOM[1996] 46 endg.)“.


26 – Urteil Kommission/Spanien (oben in Fn. 16 angeführt).


27 – Urteil Kommission/Spanien (oben in Fn. 16 angeführt), Randnr. 61.


28 – Siehe Nr. 47 dieser Schlussanträge.


29 – Vgl. Urteil vom 7. September 2006, Price (C‑149/05, Slg. 2006, I‑7691, Randnr. 54).


30 – Der Gerichtshof hat erklärt, dass, solange es an einer Harmonisierung der Bedingungen für den Zugang zu einem Beruf fehlt, die Mitgliedstaaten festlegen können, welche Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung dieses Berufs notwendig sind, und dass sie die Vorlage eines Diploms verlangen können, mit dem diese Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigt werden. Vgl. Urteile vom 15. Oktober 1987, Heylens u. a. (222/86, Slg. 1987, 4097, Randnr. 10), vom 7. Mai 1991, Vlassopoulou (C‑340/89, Slg. 1991, I‑2357, Randnr. 9), vom 7. Mai 1992, Aguirre Borrell u. a. (C‑104/91, Slg. 1992, I‑3003, Randnr. 7), und Peśla (oben in Fn. 15 angeführt), Randnr. 34. So auch Mengozzi, P., „La direttiva del Consiglio 89/48/CEE relativa ad un sistema generale dei diplomi di istruzione superiore“, Le nuove leggi civili commentate, Jahr XIII/1990, Nr. 3-4, S. 1014.


31 – Vgl. die Schlussanträge von Generalanwalt Poiares Maduro vom 28. Februar 2008 in der Rechtssache Cavallera (C‑311/06, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Nr. 33).


32 – Vgl. Urteil Price (oben in Fn.  29 angeführt), Randnr. 54.


33 – Die Konsequenz einer rechtsmissbräuchlichen Berufung auf das Gemeinschaftsrecht ist die Versagung der Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf einen bestimmten Sachverhalt. So hat der Gerichtshof etwa in den Urteilen vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke (C‑110/99, Slg. 2000, I‑11569, Randnr. 51), und vom 11. Oktober 1977, Cremer (125/76, Slg. 1977, 1593, Randnr. 21), erklärt, dass Gemeinschaftsverordnungen bei missbräuchlichen Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern keine Anwendung finden.


34 – Urteil Kommission/Spanien (oben in Fn. 16 angeführt), Randnr. 69.


35 – Siehe S. 3 des Vorlagebeschlusses. Unabhängig davon, ob im Ausgangsfall tatsächlich ein Fall von Rechtsmissbrauch vorliegt, was nur im Wege einer objektiven rechtlichen Prüfung festgestellt werden kann, ist das vorlegende Gericht mit seinem Verdacht nicht allein. Auf das vermeintliche Risiko, Unterschiede in der Ausbildung von Juristen könnten in einen „Tourismus“ von Rechtsanwaltsanwärtern münden, weisen etwa Mannino, A., „Anerkennung von Berufsqualifikationen: Anmerkung zu EuGH, C‑313/01, 13.11.2003 – Morgenbesser“, Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht, 2004, Nr. 5, S. 282, und speziell zum vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren Goldsmith, J., „Fancy a little law qualification forum shopping?“, Law Society Gazette, erhältlich im Internet, Eintrag vom 4. August 2009, allerdings ohne ausdrücklich von Rechtsmissbrauch zu sprechen.


36 – Vgl. im Zusammenhang mit der Gefahr der missbräuchlichen Berufung auf den gemeinschaftsrechtlich in Art. 7 der Richtlinie 2003/88 anerkannten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub in Krankheitszeiten meine Schlussanträge vom 24. Januar 2008 in der Rechtssache C‑520/06, Stringer u. a., noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlich, Nr. 80. In Fn. 53 der Schlussanträge habe ich den Rechtsmissbrauch als zweckwidrige Inanspruchnahme einer Rechtsposition definiert, welche die Möglichkeit, ein bestehendes Recht auszuüben, begrenzt. Dies bedeutet, dass die Inanspruchnahme eines formal gegebenen Rechtsanspruchs durch den Grundsatz von Treu und Glauben beschränkt ist. Auch wer über ein formal einklagbares Recht verfügt, darf dieses nicht missbräuchlich ausüben. Ähnlich Creifelds, Rechtswörterbuch (hrsg. von Klaus Weber), 17. Aufl., München 2002, S. 1109, wonach die Ausübung eines subjektiven Rechts missbräuchlich ist, wenn sie zwar formell dem Gesetz entspricht, die Geltendmachung jedoch wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls treuwidrig ist.


37 – Vgl. Urteile vom 7. Februar 1979, Knoors (115/78, Slg. 1979, 399, Randnr. 25), vom 3. Oktober 1990, Bouchoucha (C‑61/89, Slg. 1990, I‑3551, Randnr. 14), vom 7. Juli 1992, Singh (C‑370/90, Slg. 1992, I‑4265, Randnr. 24), vom 12. Mai 1998, Kefalas u. a. (C‑367/96, Slg. 1998, I‑2843, Randnr. 20), vom 9. März 1999, Centros (C‑212/97, Slg. 1999, I‑1459, Randnr. 24), vom 23. März 2000, Diamantis (C‑373/97, Slg. 2000, I‑1705, Randnr. 33), vom 21. November 2002, X und Y (C‑436/00, Slg. 2002, I‑10829, Randnrn. 41 und 45), vom 30. September 2003, Inspire Art (C‑167/01, Slg. 2003, I‑10155, Randnr. 136), vom 21. Februar 2006, Halifax u. a. (C‑255/02, Slg. 2006, I‑1609, Randnr. 68), vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, Slg. 2006, I‑7995, Randnr. 35), vom 21. Februar 2008, Part Service (C‑425/06, Slg. 2008, I‑897, Randnr. 42), und vom 25. Juli 2008, Metock u. a. (C‑127/08, Slg. 2008, I-6241, Randnr. 75).


38 – So auch Generalanwalt Poiares Maduro in seinen Schlussanträgen vom 28. Februar 2008 in der Rechtssache Cavallera (oben in Fn. 20 angeführt), Nrn. 43 ff. Nach Ansicht von Baudenbacher, L. M., „Außer Spesen nicht gewesen – Die Spanienreise des italienischen Ingenieurs Cavallera“, European Law Reporter, 6/2009, S. 213 f., und „Überlegungen zum Verbot des Rechtsmissbrauchs im Europäischen Gemeinschaftsrecht“, Zeitschrift für Europarecht, internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, 2008, S. 205 f., ist es nicht auszuschließen, dass der Gerichtshof seine Rechtsprechung zum Begriff des Rechtsmissbrauchs in Zukunft weiterentwickeln und ihn sogar als allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts anerkennen wird. Die Autorin teilt die Rechtsmissbrauchsrechtsprechung in zwei Fallgruppen ein: In der ersten beruft sich ein Einzelner missbräuchlich auf das Gemeinschaftsrecht mit dem Ziel, sich der Anwendbarkeit des nationalen Rechts zu entziehen. Bei der zweiten liegt eine missbräuchliche oder gar betrügerische Ausübung von Rechten vor, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben.


39 – Vgl. Urteile Kefalas u. a. (oben in Fn. 37 angeführt), Randnr. 20, Diamantis (oben in Fn. 37 angeführt), Randnr. 33, Halifax u. a. (oben in Fn. 37 angeführt), Randnr. 68, und Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (oben in Fn. 37 angeführt), Randnr. 35.


40 – Vgl. Urteile Emsland-Stärke (oben in Fn. 33 angeführt), Randnrn. 52 und 53, und vom 21. Juli 2005, Eichsfelder Schlachtbetrieb GmbH/Hauptzollamt Hamburg-Jonas (C‑515/03, Slg. 2005, I‑7355, Randnr. 39). Vgl. ferner meine Schlussanträge vom 10. Februar 2010 in der Rechtssache C‑569/08, Internetportal, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Nr. 113.


41 – Vgl. Urteile Eichsfelder Schlachtbetrieb (oben in Fn. 40 angeführt), Randnr. 40, und Halifax u. a. (oben in Fn. 37 angeführt), Randnr. 76. Zwar hat der österreichische Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache mit der Geschäftszahl B 1098/06 vom 13. März 2008 im Verhalten von Herrn Koller keinen Fall von Rechtsmissbrauch erkennen können (siehe Punkt 2.3.8 des Urteils: „Aus den vorstehenden Ausführungen und mit Bedachtnahme darauf, dass der Beschwerdeführer den Beruf des ‚Abogado‘ [Rechtsanwaltes] ausübt, ergibt sich – wie auch aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bescheinigung der Rechtsanwaltskammer Madrid hervorgeht –, dass es völlig verfehlt ist, dem Beschwerdeführer einen Missbrauch vorzuwerfen“). Allerdings ist zu bedenken, dass es sich bei dem hier relevanten Begriff des Rechtsmissbrauchs um einen gemeinschaftsrechtlichen Begriff handelt, der spezifische Merkmale aufweist und daher gemeinschaftsautonom ausgelegt werden muss. Die Überprüfung, ob im Ausgangsfall Rechtsmissbrauch begangen wurde, hat der nationale Richter anhand der gemeinschaftlichen Kriterien vorzunehmen.


42 – Vgl. Urteile vom 17. Oktober 2002, Payroll u. a. (C‑79/01, Slg. 2002, I‑8923, Randnr. 29) und Halifax u. a. (oben in Fn. 37 angeführt), Randnrn. 76 und 77.


43 – Urteil Kommission/Spanien (oben in Fn. 16 angeführt), Randnr. 70.


44 – Ebd. Randnr. 72, und Urteil vom 4. Dezember 2008, Chatzithanasis (C‑151/07, Slg. 2008, I-9013, Randnr. 32).


45 – Vgl. Goll, U., „Anerkennung der Hochschuldiplome in Europa: Wunsch und Wirklichkeit“, Europäische Integration und globaler Wettbewerb, S. 196, dessen Ansicht nach ein Jurist aus einem anderen Mitgliedstaat, der die Eignungsprüfung im Aufnahmestaat ablegen will, sich wahrscheinlich nicht dort niederlässt, um Verkehrsfälle zu regulieren oder Bauprozesse um Einfamilienhäuser zu führen. Ihm werde es eher darum gehen, spezielle Rechtsgebiete zu bearbeiten, die im internationalen Rechtsverkehr Bedeutung haben und bei denen es zunächst auf die Kenntnis der fremden Rechtsordnung ankommt, die der Betreffende mitbringen soll.


46 – In diesem Sinne auch Kraus, D., „Diplomas and the recognition of professional qualifications in the case law of the European Court of Justice“, A true European, 2003, S. 248, dessen Ansicht nach das Recht eines Unionsbürgers, in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten, sich dort niederzulassen oder grenzüberschreitende Dienstleistungen zu erbringen, bedeutungslos wäre, wenn seine Diplome und beruflichen Qualifikationen im Ausland nicht anerkannt würden.


47 – Schlussanträge von Generalanwalt Poiares Maduro vom 28. Februar 2008 in der Rechtssache Cavallera (oben in Fn. 20 angeführt), Nr. 51.


48 – So bereits Generalanwalt Poiares Maduro in seinen Schlussanträgen vom 28. Februar 2008 in der Rechtssache Cavallera (oben in Fn. 20 angeführt), Nr. 56.


49 – Siehe Nr. 68 dieser Schlussanträge.


50 – Vgl. Pertek, J., a. a. O. (Fn. 9), S. 637, der den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens ebenfalls in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 89/48 verankert sieht.


51 – Urteil Morgenbesser (oben in Fn. 15 angeführt).


52 – Ebd., Randnr. 44.


53 – Urteil Vlassopoulou (oben in Fn. 30 angeführt).


54 – Urteil vom 8. Juli 1999, Fernández de Bobadilla (C‑234/97, Slg. 1999, I‑4773).


55 – Urteil Morgenbesser (oben in Fn. 15 angeführt), Randnr. 67.


56 – Ebd., Randnr. 68. Vgl. ferner Urteil Peśla (oben in Fn. 15 angeführt), Randnr. 39.


57 – Urteil Morgenbesser (oben in Fn. 15 angeführt), Randnr. 69.


58 – Ebd., Randnr. 70. Vgl. ferner Urteil Peśla (oben in Fn. 15 angeführt), Randnr. 40.


59 – Urteil Morgenbesser (oben in Fn. 15 angeführt), Randnr. 71. Vgl. ferner Urteil Peśla (oben in Fn. 15 angeführt), Randnr. 41.


60 – Urteil Peśla (oben in Fn. 15 angeführt), Randnr. 41.


61 – Ebd., Randnrn. 12 bis 15.


62 – Ebd., Randnr. 45, Hervorhebung nur hier.


63 – Ebd., Randnr. 46, Hervorhebung nur hier.


64 – Ebd., Randnr. 65, Hervorhebung nur hier.


65 – Siehe Nr. 92 dieser Schlussanträge. In diesem Sinne auch Mengozzi, P., a. a. O. (Fn. 30), S. 1015, Pertek, J., a. a. O. (Fn. 9), S. 638, deren Ansicht nach die Richtlinie 89/48 die gegenseitige Anerkennung von gleichwertigen Diplomen koordiniert, jedoch jeglichen Automatismus ausschließt. Ähnlich auch Kraus, D., a. a. O. (Fn. 46), S. 253, der darauf hinweist, dass weder aus dem EG-Vertrag noch aus der Richtlinie 89/48 sich eine rechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur automatischen und unbedingten Anerkennung ausländischer Diplome ergibt.


66 – Siehe Nrn. 92 bis 95 und 98 bis 100 dieser Schlussanträge.


67 – Siehe Nr. 99 dieser Schlussanträge.


68 – Siehe Nr. 100 dieser Schlussanträge.


69 – In diesem Sinne auch Görlitz, N., a. a. O. (Fn. 9), S. 845, der aus der Wahl der Rechtsgrundlagen sowie der ersten Begründungserwägung der Richtlinie 89/48 die Schlussfolgerung zieht, dass diese einen Sekundärrechtsakt darstelle, der gerade der Verwirklichung der Grundfreiheiten und hier insbesondere der Verbesserung der Freizügigkeit diene. Nach Auffassung des Autors stellt die Präambel der Richtlinie eine normative Verknüpfung zwischen den von den Grundfreiheiten und den von der Richtlinie umfassten beruflichen Tätigkeiten her. Vgl. auch Carnelutti, A., „L’Europe des professions libérales: la reconnaissance mutuelle des diplômes d’enseignement supérieur“, Revue du marché unique européen, 1991, Nr. 1, S. 35, dessen Ansicht nach die Richtlinie 89/48 ein „Handbuch“ der Rechtsprechungsgrundsätze des Gerichtshofs auf dem Gebiet der gegenseitigen Anerkennung von Diplomen ist.


70 – So auch Visée, J.‑M., a. a. O. (Fn. 11), S. 212, der Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Unterabs. 2 der Richtlinie 89/48 auf juristische Berufe, allen voran des Rechtsanwaltsberufs, für anwendbar hält. Auch Baldi, R., „La liberalizzazione della professione forense nel quadro della direttiva comunitaria 21 dicembre 1988 (89/48 CEE)“, Rivista di diritto internazionale privato e processuale, 1991, Jahrgang XXVII, Nr. 2, S. 349, hat keine Zweifel, dass diese Richtlinienbestimmung sich unmittelbar auf den Rechtsanwaltsberuf bezieht. In ihrem „Bericht an das Europäische Parlament und an den Rat über den Stand der Anwendung der allgemeinen Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, erstellt nach Art. 13 der Richtlinie 89/48/EWG (KOM[1996] 46 endg.)“, S. 25, weist die Kommission darauf hin, dass nach Auslegung der Mitgliedstaaten unter diese Bestimmung Rechtsanwälte, Richter und andere Vertreter der Rechtspflege, Beamte mit juristischer Ausbildung, Patentanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechnungsprüfer fallen.


71 – Siehe Nr. 101 dieser Schlussanträge.


72 – Urteile Morgenbesser (oben in Fn. 15 angeführt), Randnrn. 57, 62 und 67, und vom 19. Januar 2006, Colegio de Ingenieros de Caminos, Canales y Puertos/Administración del Estado (C‑330/03, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 36).


73 – Siehe Nr. 58 dieser Schlussanträge.


74 – Vgl. Carnelutti, A., a. a. O. (Fn. 69), S. 35, der auf die Unterschiede im Berufsbild des Rechtsanwalts in den einzelnen Mitgliedstaaten hinweist. Der Autor führt als Beispiel die Befugnisse eines englischen Solicitors an, der Aufgaben wahrnehmen könne, die entweder mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts in Frankreich nicht vereinbar oder anderen Berufsgruppen zuzuordnen seien (Rechtsanwalt oder Rechtsberater und Immobilienmakler).


75 – Siehe Randnr. 16, S. 6 und 7 des Schriftsatzes der österreichischen Regierung.


76 – Siehe S. 24 des Schriftsatzes von Herrn Koller.


77 – Siehe Nr. 72 dieser Schlussanträge.


78 – Vgl. Boixareu, A., a. a. O. (Fn. 9), S. 7, der darauf hinweist, dass Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/48 dem Aufnahmestaat nicht gestatte, die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und b aufgeführten Kontrollmechanismen kumulativ anzuwenden. Pertek, J., a. a. O. (Fn. 10), S. 8, geht ebenfalls von einem Verbot der kumulativen Anwendung von Ausgleichsmaßnahmen aus, allerdings im Zusammenhang mit der Nachfolgebestimmung in Art. 14 der Richtlinie 2005/36.