5.7.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 171/19


Vorabentscheidungsersuchen des Monomeles Protodikeio Rethymnis, eingereicht am 17. April 2008 — Georgios Lagoudakis/G' Kentro Anoiktis Prostasias Ilikiomenon Dimou Rethymnis

(Rechtssache C-162/08)

(2008/C 171/32)

Verfahrenssprache: Griechisch

Vorlegendes Gericht

Monomeles Protodikeio Rethymnis

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: Georgios Lagoudakis

Beklagte: G' Kentro Anoiktis Prostasias Ilikiomenon Dimou Rethymnis

Vorlagefragen

1.

Sind Paragraf 5 und Paragraf 8 Nrn. 1 und 3 der von EGB, UNICE und CEEP geschlossenen und einen integralen Bestandteil der Richtlinie 1999/70/EG des Rates (ABl. L 175 vom 10. Juli 1999, S. 43) bildenden Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge dahin auszulegen, dass es nach Gemeinschaftsrecht nicht zulässig ist, dass ein Mitgliedstaat (mit der Begründung, dass diese Rahmenvereinbarung angewendet werde) Maßnahmen ergreift, a) wenn es in der nationalen Rechtsordnung vor dem Inkrafttreten der Richtlinie bereits eine gleichwertige gesetzliche Maßnahme im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung gibt, und b) wenn durch die zur Anwendung der Rahmenvereinbarung erlassenen Maßnahmen das allgemeine Niveau des Schutzes der befristet beschäftigten Arbeitnehmer in der nationalen Rechtsordnung gesenkt wird?

2.

Bei Bejahung der ersten Frage: Hängt die Senkung des Niveaus des Schutzes der befristet beschäftigten Arbeitnehmer in den Fällen, in denen nicht mehrere und aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge vorliegen, sondern nur ein einziger solcher Vertrag, der in Wirklichkeit jedoch die Erbringung von Leistungen durch den Arbeitnehmer zur Deckung nicht eines zeitweiligen oder außerordentlichen oder dringenden, sondern eines „feststehenden und dauernden“ Bedarfs zum Gegenstand hat, mit der Anwendung der genannten Rahmenvereinbarung und der oben genannten Richtlinie zusammen und ist demzufolge eine solche Senkung des Niveaus aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts unzulässig oder zulässig?

3.

Bei Bejahung der ersten Frage: Wenn es in der nationalen Rechtsordnung vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 1999/70/EG eine gleichwertige gesetzliche Maßnahme im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung wie den im Rahmen des Ausgangsverfahrens streitigen Art. 8 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2112/1920 gibt, stellt es dann eine unzulässige Senkung des allgemeinen Niveaus des Schutzes der befristet beschäftigten Arbeitnehmer in der nationalen Rechtsordnung im Sinne von Paragraf 8 Nrn. 1 und 3 der Rahmenvereinbarung dar, dass eine gesetzliche Maßnahme mit der Begründung, dass die Rahmenvereinbarung angewendet werde, erlassen wird, wie der im Rahmen des Ausgangsverfahrens streitige Art. 11 der Präsidialverordnung Nr. 164/2004,

a)

wenn in den Anwendungsbereich dieser gesetzlichen Maßnahme zur Durchführung der Rahmenvereinbarung nur mehrere aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse fallen und nicht eingeschlossen die Fälle von Vertragsbediensteten sind, die nicht mehrere und aufeinanderfolgende Verträge, sondern nur einen einzigen befristeten Arbeitsvertrag zur Deckung eines „feststehenden und dauernden“ Bedarfs des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer geschlossen haben, während die bereits vorhandene gleichwertige gesetzliche Maßnahme alle Fälle von befristeten Arbeitsverträgen betrifft, und zwar auch die Fälle, in denen der Arbeitnehmer einen einzigen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat, der in Wirklichkeit jedoch die Erbringung von Leistungen durch den Arbeitnehmer zur Deckung nicht eines zeitweiligen oder außerordentlichen oder dringenden, sondern eines „feststehenden und dauernden“ Bedarfs zum Gegenstand hat;

b)

wenn diese gesetzliche Maßnahme zur Anwendung der Rahmenvereinbarung als Rechtsfolge zum Schutz der befristet beschäftigten Arbeitnehmer und zur Vermeidung von Missbrauch im Sinne der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge die Qualifizierung der befristeten Arbeitsverträge als unbefristete für die Zukunft (ex nunc) vorsieht, während die bereits vorhandene gleichwertige gesetzliche Maßnahme die Qualifizierung der befristeten Arbeitsverträge als unbefristete vom Zeitpunkt ihres ursprünglichen Abschlusses an (ex tunc) vorsieht?

4.

Bei Bejahung der ersten Frage: Wenn es in der nationalen Rechtsordnung vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 1999/70/EG eine gleichwertige gesetzliche Maßnahme im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 der einen integralen Bestandteil dieser Richtlinie bildenden Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge gibt, wie den im Rahmen des Ausgangsverfahrens streitigen Art. 8 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2112/1920, stellt es dann eine unzulässige Senkung des allgemeinen Niveaus des Schutzes der befristet beschäftigten Arbeitnehmer in der nationalen Rechtsordnung im Sinne von Paragraf 8 Nrn. 1 und 3 der Rahmenvereinbarung dar, dass der griechische Gesetzgeber sich bei der Umsetzung der oben genannten Richtlinie in der griechischen Rechtsordnung dafür entschieden hat, zum einen außerhalb des Schutzbereichs des oben genannten Präsidialdekrets Nr. 164/2004 die genannten Missbrauchsfälle zu lassen, in denen der Arbeitnehmer nur einen einzigen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat, der jedoch in Wirklichkeit die Erbringung von Leistungen durch den Arbeitnehmer zur Deckung nicht eines zeitweiligen oder außerordentlichen oder dringenden, sondern eines „feststehenden und dauernden“ Bedarfs zum Gegenstand hat, und es zum anderen unterlassen hat, irgendeine entsprechende, für den Fall spezifische Maßnahme mit einer Rechtsfolge für den Schutz der Arbeitnehmer gegen diesen besonderen Missbrauchsfall zu erlassen, der über den allgemeinen Schutz hinausgeht, der im allgemeinen Arbeitsrecht der griechischen Rechtsordnung für jeden Fall der Arbeitsleistung mit einem nichtigen Vertrag unabhängig davon ständig vorgesehen ist, ob ein Missbrauch im Sinne der Rahmenvereinbarung vorliegt, und der den Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung seiner Vergütung und einer Entlassungsabfindung umfasst, ungeachtet dessen, ob er mit einem wirksamen Arbeitsvertrag gearbeitet hat oder nicht, unter Berücksichtigung dessen,

a)

dass die Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung und einer Entlassungsabfindung im nationalen Recht für jeden Fall eines Arbeitsverhältnisses vorgesehen ist und nicht speziell die Vermeidung von Missbrauch im Sinne der Rahmenvereinbarung bezweckt und

b)

dass die Anwendung der bereits vorhandenen gleichwertigen gesetzlichen Maßnahme als Rechtsfolge die Anerkennung des (einen und einzigen) befristeten Arbeitsvertrags als unbefristeter Vertrag hat?

5.

Bei Bejahung der vorstehenden Fragen: Hat das nationale Gericht bei der Auslegung seines nationalen Rechts im Einklang mit der Richtlinie 1999/70/EG die mit dieser nicht vereinbaren Vorschriften der gesetzlichen Maßnahme, die nach ihrer Begründung zur Anwendung der Rahmenvereinbarung erlassen wurde, aber zu einer Senkung des allgemeinen Niveaus des Schutzes der befristet beschäftigten Arbeitnehmer in der nationalen Rechtsordnung führt, wie die Vorschriften des Präsidialdekrets Nr. 164/2004, die stillschweigend und mittelbar, aber klar die Gewährung eines entsprechenden Schutzes in den Missbrauchsfällen ausschließen, in denen der Arbeitnehmer einen einzigen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat, der jedoch in Wirklichkeit die Erbringung von Leistungen durch den Arbeitnehmer zur Deckung nicht eines zeitweiligen oder außerordentlichen oder dringenden Bedarfs, sondern eines „feststehenden und dauernden“ Bedarfs zum Gegenstand hat, unangewendet zu lassen und an deren Stelle die Vorschriften der vor dem Inkrafttreten der Richtlinie vorhandenen gleichwertigen nationalen gesetzlichen Maßnahme, wie diejenigen des Art. 8 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2112/1920, anzuwenden?

6.

Falls das nationale Gericht als — grundsätzlich — anwendbar auf einen Rechtsstreit, der befristete Arbeit betrifft, eine Vorschrift (im vorliegenden Fall Art. 8 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 2112/1920) ansehen sollte, die eine gleichwertige gesetzliche Maßnahme im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 der einen integralen Bestandteil der Richtlinie 1999/70/EG bildenden Rahmenvereinbarung darstellt und auf deren Grundlage die Feststellung, dass der Abschluss — sei es auch nur eines — befristeten Arbeitsvertrags ohne einen mit der Natur, der Art und den Merkmalen der geleisteten Arbeit zusammenhängenden sachlichen Grund dazu führt, dass dieser Vertrag als unbefristeter Arbeitsvertrag anerkannt wird, ist dann

a)

mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar eine Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts durch das nationale Gericht, nach der einen sachlichen Grund für den Abschluss befristeter Arbeitsverträge auf jeden Fall der Umstand darstellt, dass als rechtliche Grundlage für den Abschluss dieser Verträge eine gesetzliche Vorschrift für die Beschäftigung mit befristeten Arbeitsverträgen zur Deckung eines saisonalen, regelmäßig wiederkehrenden, zeitweiligen, außerordentlichen oder zusätzlichen sozialen Bedarfs verwendet wurde (im vorliegenden Fall die Vorschriften des Gesetzes Nr. 3250/2004, FEK A`124/7.7.2004), auch wenn der gedeckte Bedarf in Wirklichkeit feststehend und dauernd ist;

b)

mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar eine Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts durch das nationale Gericht, nach der eine Vorschrift, die die Umwandlung befristeter Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor in unbefristete Arbeitsverträge verbietet, dahin auszulegen ist, dass im öffentlichen Sektor die Umwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags oder -verhältnisses in einen unbefristeten Vertrag absolut und in jedem Fall verboten ist, auch wenn dieser Vertrag missbräuchlich als befristeter Vertrag geschlossen wurde, d. h. wenn der gedeckte Bedarf in Wirklichkeit feststehend und dauernd ist, und dass dem nationalen Gericht in einem solchen Fall nicht die Möglichkeit gelassen wird, den wahren Charakter des streitigen Arbeitsrechtsverhältnisses und dessen richtige Qualifizierung als unbefristeten Vertrag festzustellen? Oder aber ist dieses Verbot allein auf die befristeten Arbeitsverträge zu beschränken, die tatsächlich zur Deckung eines zeitweiligen, unvorhergesehenen, dringenden, außerordentlichen oder eines ähnlichen besonderen Bedarfs geschlossen worden sind, und nicht auf den Fall, dass die Verträge in Wirklichkeit zur Deckung eines feststehenden und dauernden Bedarfs geschlossen worden sind?