Freier Kapitalverkehr – Beschränkungen – Schenkungsteuer
(Art. 56 EG und 58 EG)
Art. 56 EG in Verbindung mit Art. 58 EG ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die hinsichtlich der Berechnung der Schenkungsteuer vorsieht, dass der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage im Fall der Schenkung eines im Inland belegenen Grundstücks dann, wenn Schenker und Schenkungsempfänger zur Zeit der Ausführung der Schenkung ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz im erstgenannten Mitgliedstaat gehabt hätte.
Da nämlich die betreffende nationale Regelung die Anwendung eines Freibetrags auf die Steuerbemessungsgrundlage für die betreffende Immobilie vom Wohnsitz des Schenkers und des Schenkungsempfängers zum Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung abhängig macht, stellt die höhere Besteuerung der Schenkung unter Gebietsfremden eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar.
Eine solche unterschiedliche Behandlung lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass sie sich auf objektiv unterschiedliche Situationen beziehe. Wenn eine nationale Regelung für die Zwecke der Besteuerung einer im Wege der Schenkung erworbenen Immobilie, die in dem betreffenden Mitgliedstaat belegen ist, gebietsfremde Schenkungsempfänger, die diese Immobilie von einem gebietsfremden Schenker erhalten haben, einerseits und gebietsfremde oder gebietsansässige Schenkungsempfänger, die eine solche Immobilie von einem gebietsansässigen Schenker erhalten haben, sowie gebietsansässige Schenkungsempfänger, die diese Immobilie von einem gebietsfremden Schenker erhalten haben, andererseits auf die gleiche Stufe stellt, kann sie diese Schenkungsempfänger im Rahmen dieser Besteuerung hinsichtlich der Anwendung eines Freibetrags auf die Steuerbemessungsgrundlage für die betreffende Immobilie nicht unterschiedlich behandeln, ohne gegen die Vorgaben des Unionsrechts zu verstoßen. Denn zwischen diesen beiden Personengruppen besteht im Hinblick auf die Modalitäten und die Voraussetzungen für die Erhebung der Schenkungsteuer kein Unterschied in der objektiven Situation, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte.
Im Übrigen kann sich der Mitgliedstaat, in dem die Immobilie, die Gegenstand der Schenkung ist, belegen ist, zur Rechtfertigung einer sich aus seiner eigenen Regelung ergebenden Beschränkung des freien Kapitalverkehrs nicht auf die – unabhängig von seinem Willen bestehende – Möglichkeit für den Schenkungsempfänger berufen, in den Genuss eines vergleichbaren Freibetrags zu kommen, der von einem anderen Mitgliedstaat, wie dem des Wohnsitzes von Schenker und Schenkungsempfänger zum Zeitpunkt der Schenkung, gewährt wird und der ganz oder teilweise den Schaden ausgleichen könnte, der dem Schenkungsempfänger durch den geminderten Freibetrag entstanden ist, der bei der Berechnung der Schenkungsteuer im erstgenannten Mitgliedstaat angewandt worden ist. Dies gilt umso mehr, wenn der Mitgliedstaat, in dem der Schenker und der Schenkungsempfänger wohnen, einen geringeren Freibetrag anwendet als denjenigen, den der Mitgliedstaat, in dem die den Gegenstand der Schenkung bildende Immobilie belegen ist, gewährt, oder den Wert der Immobilie höher ansetzt als der letztgenannte Staat.
Außerdem kann die Gefahr einer Umgehung der erbschaftsteuerlichen Regelungen durch die gleichzeitig Vornahme mehrerer Schenkungen oder die Übertragung des gesamten Vermögens einer Person auf eine andere durch mehrere aufeinanderfolgende Schenkungen im Laufe der Zeit eine Begrenzung des von der Bemessungsgrundlage abzuziehenden Freibetrags nicht rechtfertigen, wenn diese Gefahr als rein hypothetisch erscheint. Was die Möglichkeit späterer Schenkungen angeht, hat der Mitgliedstaat, in dem die den Gegenstand einer Schenkung bildende Immobilie belegen ist, zwar das Recht, sicherzustellen, dass die für Erbschaften geltenden Steuervorschriften nicht durch in mehrere Teile aufgespaltene Schenkungen zwischen denselben Personen umgangen werden; die Gefahr einer Umgehung bei Schenkungen, bei denen die Beteiligten nicht in dem betreffenden Mitgliedstaat wohnen, besteht jedoch in gleichem Maße bei Schenkungen, an denen ein Gebietsansässiger beteiligt ist. Wenn die nationale Regelung zur Verhinderung solcher aufgespaltener Schenkungen bei Schenkungen, an denen ein Gebietsansässiger beteiligt ist, nicht vorsieht, dass der geminderte Freibetrag zur Anwendung kommt, sondern dass allenfalls der für solche Schenkungen vorgesehene unverminderte Freibetrag nur einmal von der Bemessungsgrundlage, die sich aus der Zusammenrechnung der betreffenden Schenkungen ergibt, abgezogen wird, kann die für den Fall der Vornahme der Schenkung unter Gebietsfremden vorgesehene Anwendung eines geminderten Freibetrags kein geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels sein, eine solche Umgehung zu verhindern.
Die betreffende Regelung lässt sich auch nicht mit der Notwendigkeit rechtfertigen, die Kohärenz der nationalen Steuerregelung zu bewahren, sofern der steuerliche Vorteil, der sich in dem Mitgliedstaat, in dem die den Gegenstand einer Schenkung bildende Immobilie belegen ist, daraus ergibt, dass ein unverminderter Freibetrag von der Bemessungsgrundlage abgezogen wird, wenn an dieser Schenkung mindestens eine Person mit Wohnsitz im Inland beteiligt ist, in diesem Staat durch keine bestimmte steuerliche Belastung im Rahmen der Schenkungsteuer ausgeglichen wird.
(vgl. Randnrn. 28, 35, 38, 42, 44, 46, 48-51, 54-56 und Tenor)