Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1. Rechtsangleichung – Insider-Geschäfte – Verbot

(Richtlinie 2003/6 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 Abs. 1)

2. Rechtsangleichung – Insider-Geschäfte – Verbot

(Richtlinie 2003/6 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 1 Abs. 1; Richtlinie 2003/124 der Kommission, Art. 1 Abs. 2)

3. Rechtsangleichung – Insider-Geschäfte – Verbot

(Richtlinie 2003/6 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 14 Abs. 1)

Leitsätze

1. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) ist dahin auszulegen, dass die Tatsache, dass eine unter Unterabs. 2 dieser Bestimmung fallende Person, die über eine Insider-Information verfügt, für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Information bezieht, erwirbt oder veräußert oder dies versucht, vorbehaltlich der Wahrung der Verteidigungsrechte und insbesondere des Rechts, diese Vermutung widerlegen zu können, eine „Nutzung [dieser Information]“ im Sinne dieser Bestimmung durch die genannte Person impliziert. Die Frage, ob diese Person gegen das Verbot von Insider-Geschäften verstoßen hat, ist im Licht der Zielsetzung der Richtlinie zu prüfen, die darin besteht, die Integrität der Finanzmärkte zu schützen und das Vertrauen der Investoren zu stärken, das insbesondere auf der Gewissheit beruht, dass sie einander gleichgestellt und gegen die unrechtmäßige Verwendung einer Insider-Information geschützt sind.

Diese Bestimmung definiert Insider-Geschäfte somit in objektiver Weise, ohne dass in ihre Definition der sie tragende Vorsatz ausdrücklich einbezogen worden wäre, um durch diese Definition eine einheitliche Harmonisierung des Rechts der Mitgliedstaaten zu erreichen. Die Erfüllung der darin festgelegten Tatbestandsmerkmale des Geschäfts erlaubt es folglich, zu vermuten, dass der Urheber dieses Geschäfts mit Vorsatz gehandelt hat. Diese Vermutung kann indessen nicht die Grundrechte und insbesondere den Grundsatz der Unschuldsvermutung beeinträchtigen, der u. a. in Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten niedergelegt ist.

(vgl. Randnrn. 35, 38-39, 62, Tenor 1)

2. Die Eignung einer Information, den Kurs der Finanzinstrumente, auf die sie sich bezieht, spürbar zu beeinflussen, ist eines der kennzeichnenden Merkmale des in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) definierten Begriffs der Insider-Information, wobei nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6 betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation mit diesem Begriff eine Information gemeint ist, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde. Der Zielsetzung der Richtlinie 2003/6 gemäß ist diese Eignung, die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, in erster Linie anhand des Inhalts der fraglichen Information und des Kontexts zu beurteilen, in den sie sich einfügt. Um festzustellen, ob eine Information eine Insider-Information ist, braucht daher nicht geprüft zu werden, ob ihr Bekanntwerden den Kurs der von ihr betroffenen Finanzinstrumente tatsächlich spürbar beeinflusst hat.

(vgl. Randnrn. 67-69)

3. Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) ist dahin auszulegen, dass der aus einem Insider-Geschäft resultierende Vermögensvorteil ein relevanter Gesichtspunkt für die Zumessung einer wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktion sein kann. Die Methode für die Berechnung dieses Vermögensvorteils und insbesondere der dafür zugrunde zu legende Zeitpunkt oder Zeitraum richten sich nach dem nationalen Recht.

Hat ein Mitgliedstaat neben den in dieser Bestimmung genannten im Verwaltungsverfahren zu erlassenden Sanktionen die Möglichkeit vorgesehen, eine Geldstrafe zu verhängen, sind bei der Beurteilung, ob die im Verwaltungsverfahren zu erlassende Sanktion wirksam, verhältnismäßig und abschreckend ist, nicht die Möglichkeit und/oder die Höhe einer etwaigen späteren strafrechtlichen Sanktion zu berücksichtigen. Die Beurteilung der Frage, ob gemäß der Richtlinie 2003/6 im Verwaltungsverfahren zu erlassende Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind, kann nämlich nicht von einer hypothetischen späteren strafrechtlichen Sanktion abhängen.

(vgl. Randnrn. 76-77, Tenor 2-3)