1. Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Art. 4 der Sechsten Richtlinie – Begriff
(Richtlinien des Rates 77/388, Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 und 2, und 2006/112, Art. 2 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1)
2. Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Befreiungen nach der Sechsten Richtlinie – Umsätze, die sich auf Wertpapiere im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 beziehen
(Richtlinien des Rates 77/388, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5, und 2006/112, Art. 135 Abs. 1 Buchst. f)
3. Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Vorsteuerabzug
(Richtlinien des Rates 77/388, Art. 17 Abs. 1 und 2, und 2006/112, Art. 168)
1. Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 95/7 geänderten Fassung sowie Art. 2 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass eine von einer Muttergesellschaft vorgenommene Veräußerung sämtlicher Aktien an einer zu 100 % gehaltenen Tochtergesellschaft sowie der verbleibenden Beteiligung der Muttergesellschaft an einer beherrschten Gesellschaft, an der sie früher zu 100 % beteiligt war, denen die Muttergesellschaft mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistungen erbracht hat, eine in den Anwendungsbereich der genannten Richtlinien fallende wirtschaftliche Tätigkeit ist.
Durch die Veräußerung sämtlicher Aktien, die eine Muttergesellschaft an einer Tochtergesellschaft und einer beherrschten Gesellschaft gehalten hat, beendet sie nämlich ihre Beteiligung an diesen Gesellschaften. Hat diese Muttergesellschaft in ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft eines Industriekonzerns in die Verwaltung dieser Tochtergesellschaft und dieser beherrschten Gesellschaft dadurch eingegriffen, dass sie ihnen entgeltlich verschiedene Dienstleistungen verwaltungsmäßiger, buchhalterischer und kaufmännischer Art erbracht hat, für die sie der Mehrwertsteuer unterlag, kann die genannte Veräußerung, die zur Umstrukturierung eines Konzerns durch die Muttergesellschaft erfolgte, als ein Vorgang betrachtet werden, der darin besteht, nachhaltig Einnahmen aus Tätigkeiten, die über den bloßen Verkauf von Wertpapieren hinausgehen, zu erzielen. Dieser Vorgang weist eine direkte Verbindung zur Organisation der Tätigkeit auf, die der Konzern ausübt, und stellt somit eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Steuerpflichtigen dar. Ein derartiger Vorgang fällt somit in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer.
Soweit jedoch die Aktienveräußerung der Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens eines Unternehmens im Sinne von Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie in der durch die Richtlinie 95/7 geänderten Fassung oder von Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 gleichgestellt werden kann und sofern der betroffene Mitgliedstaat sich für die in diesen Bestimmungen vorgesehene Befugnis entschieden hat, stellt dieser Umsatz keine der Mehrwertsteuer unterliegende wirtschaftliche Tätigkeit dar.
Der Umstand, dass die Aktienveräußerung sich in mehreren Schritten vollzieht, lässt diese Feststellungen unberührt.
(vgl. Randnrn. 32-33, 41, Tenor 1, 4)
2. Veräußert eine Muttergesellschaft sämtliche Aktien an einer zu 100 % gehaltenen Tochtergesellschaft sowie ihre verbleibende Beteiligung an einer beherrschten Gesellschaft, an der sie früher zu 100 % beteiligt war, und hat sie diesen Gesellschaften mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistungen erbracht, so ist sie gemäß Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 95/7 geänderten Fassung und Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem von der Mehrwertsteuer zu befreien.
Die Wendung „Umsätze, … die sich auf … Wertpapiere beziehen“ im Sinne dieser Vorschriften betrifft nämlich Umsätze, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen, mit Ausnahme von Dienstleistungen administrativer, materieller oder technischer Art sowie von Tätigkeiten der Finanzinformation, die nicht die rechtliche und finanzielle Lage zwischen den Parteien ändern. Da ein Verkauf von Aktien die rechtliche und finanzielle Lage der am Geschäft beteiligten Parteien ändert, fällt dieser Umsatz, soweit er in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt, unter die nach den genannten Vorschriften vorgesehene Befreiung.
Der Umstand, dass die Aktienveräußerung sich in mehreren Schritten vollzieht, lässt diese Feststellungen unberührt.
(vgl. Randnrn. 48-50, 53, Tenor 2, 4)
3. Das Recht einer Muttergesellschaft auf den Abzug der Vorsteuer auf Leistungen, die für Zwecke einer Veräußerung sämtlicher Aktien an einer zu 100 % gehaltenen Tochtergesellschaft sowie ihrer verbleibenden Beteiligung an einer beherrschten Gesellschaft, an der sie früher zu 100 % beteiligt war, erbracht wurden, besteht gemäß Art. 17 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 95/7 geänderten Fassung sowie gemäß Art. 168 der Richtlinie 2006/112, wenn zwischen den mit den Eingangsleistungen verbundenen Ausgaben und der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang besteht.
Es obliegt dem vorlegenden Gericht, unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsätze getätigt wurden, festzustellen, ob die getätigten Ausgaben Eingang in den Preis der verkauften Aktien finden können oder allein zu den Kostenelementen der auf die wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen entfallenden Umsätze gehören.
Der Umstand, dass die Aktienveräußerung sich in mehreren Schritten vollzieht, lässt diese Feststellungen unberührt.
(vgl. Randnr. 73, Tenor 3-4)