Rechtssache T‑461/07

Visa Europe Ltd und

Visa International Service

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für die Erbringung von Acquiring-Dienstleistungen für Kredit‑ bzw. Chargekarten – Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Einschränkung des Wettbewerbs – Potenzieller Wettbewerber – Geldbußen – Mildernde Umstände – Angemessene Dauer – Rechtssicherheit – Verteidigungsrechte“

Leitsätze des Urteils

1.      Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 21; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst. c)

2.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Mitteilung der Beschwerdepunkte – Notwendiger Inhalt – Wahrung der Verteidigungsrechte – Unternehmen, denen Gelegenheit gegeben wird, zu den von der Kommission angeführten Tatsachen, Rügen und Umständen Stellung zu nehmen

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 27 Abs. 1)

3.      Wettbewerb – Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt – Berücksichtigung des gegenwärtigen und des potenziellen Wettbewerbs

(Art. 81 Abs. 1 und 3 EG)

4.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Entscheidung, die eine komplexe wirtschaftliche oder technische Beurteilung erfordert – Gerichtliche Nachprüfung – Umfang

(Art. 81 Abs. 1 EG)

5.      Wettbewerb – Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Begriff

(Art. 81 Abs. 1 EG)

6.      Wettbewerb – Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Einstufung eines Unternehmens als potenzieller Wettbewerber – Kriterien – Wesentlicher Gesichtspunkt – Fähigkeit des Unternehmens, sich den relevanten Markt zu erschließen

(Art. 81 Abs. 1 EG)

7.      Wettbewerb – Kartelle – Beweis – Beurteilung des Beweiswerts eines Dokuments – Kriterium – Glaubhaftigkeit der Beweismittel

(Art. 81 Abs. 1 EG)

8.      Wettbewerb – Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Einstufung eines Unternehmens als potenzieller Wettbewerber – Fähigkeit einer schnellen Erschließung des relevanten Marktes – Begriff der schnellen Erschließung

(Art. 81 Abs. 1 EG; Mitteilung 2001/C 3/02 der Kommission)

9.      Wettbewerb – Geldbußen – Im Rahmen der Verordnung Nr. 17 angemeldete und unter einen Bußgelderlass fallende Vereinbarung – Unwirksamwerden der Anmeldung und Wegfall des Bußgelderlasses ab dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1/2003

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Art. 15 Abs. 5, und Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 34 Abs. 1)

10.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Ermessensspielraum der Kommission – Anpassung des Niveaus der Geldbußen

(Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23)

11.    Wettbewerb – Geldbußen – Ermessen der Kommission – Beurteilung anhand des individuellen Verhaltens des Unternehmens

(Art. 81 Abs. 1 EG)

12.    Wettbewerb – Geldbußen – Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden – Begründungspflicht – Umfang – Angabe der Beurteilungsgesichtspunkte, die es der Kommission ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermessen

(Art. 253 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

13.    Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Schutz des berechtigten Vertrauens – Begriff – „Zu-Verstehen-Geben“ der Kommission – Nichteinbeziehung

14.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Verpflichtungen der Kommission – Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer – Nichtigerklärung der Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, wegen überlanger Verfahrensdauer – Voraussetzung – Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41 Abs. 1; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 25)

15.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Leitlinien der Kommission – Mildernde Umstände

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

16.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Beurteilungskriterien – Auswirkung auf den Markt – Umfang des räumlichen Marktes

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

17.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände – Ermessen der Kommission, eine Gesamtwürdigung vorzunehmen

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Abschnitt 3)

1.      Nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Für die Zulässigkeit einer Klage ist erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen sie beruht, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst ergeben. Zwar kann ihr Text zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen, die nach den oben genannten Vorschriften in der Klageschrift enthalten sein müssen.

Außerdem ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis‑ und Hilfsfunktion.

Ein gemeinsames Sachverständigengutachten, das der Klageschrift in Anlage beigefügt ist und auf das sich die Klägerinnen im Rahmen ihrer Beanstandung der Entscheidung der Kommission beziehen, kann vom Gericht nur insoweit berücksichtigt werden, als es die von den Klägerinnen in ihren Schriftsätzen selbst ausdrücklich angeführten Klagegründe oder Argumente untermauert oder ergänzt und als genau bestimmt werden kann, welches die darin enthaltenen Gesichtspunkte sind, die diese Klagegründe oder Argumente untermauern oder ergänzen.

(vgl. Randnrn. 50-51, 53)

2.      Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens in Wettbewerbssachen müssen die Beschwerdepunkte in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, sei es auch nur in gedrängter Form, so klar abgefasst sein, dass die Betroffenen tatsächlich erkennen können, welches Verhalten ihnen die Kommission zur Last legt. In einem Verfahren, das zu Sanktionen führen kann, erfordert es die Wahrung der Verteidigungsrechte nämlich, den betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen bereits im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen, Rügen und Umstände in sachdienlicher Weise Stellung zu nehmen. Diesem Erfordernis ist Genüge getan, wenn die Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird, den Betroffenen keine anderen Zuwiderhandlungen als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten zur Last legt und nur Tatsachen berücksichtigt, zu denen die Betroffenen Stellung nehmen konnten.

Außerdem können sich die betreffenden Unternehmen, um eine Verletzung der Verteidigungsrechte bezüglich der in der angefochtenen Entscheidung übernommenen Beschwerdepunkte geltend zu machen, nicht darauf beschränken, nur das Bestehen von Unterschieden zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung geltend zu machen, ohne deutlich und konkret darzulegen, warum jeder einzelne dieser Unterschiede im jeweiligen Fall einen neuen Beschwerdepunkt darstellt, zu dem sie nicht haben Stellung nehmen können. Wenn sich die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte auf bestimmte Merkmale des Marktes, insbesondere auf seine erhebliche Konzentration, gestützt hat, um zu folgern, dass der Wettbewerb auf dem Markt beschränkt sei, und wenn sie in Erwiderung auf die Stellungnahme der Klägerinnen in ihrer Entscheidung ausgeführt hat, dass sie den Wettbewerb auf dem Markt nicht für nicht wirksam halte und es Raum für mehr Wettbewerb gebe, so hat sie weder einen neuen Beschwerdepunkt aufgeworfen noch sich auf einen neuen tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt, sondern nur ihre Analyse unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Klägerinnen ergänzt. Diese Entwicklung in der Begründung der angefochtenen Entscheidung gegenüber der ursprünglich in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Begründung ist daher keineswegs eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen, sondern zeigt im Gegenteil, dass diese ihren Standpunkt zu dem von der Kommission zugrunde gelegten Beschwerdepunkt geltend machen konnten.

(vgl. Randnrn. 56, 58-62)

3.      Die Beurteilung einer Vereinbarung, eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung oder einer abgestimmten Verhaltensweise gemäß Art. 81 Abs. 1 EG hat den konkreten Rahmen zu berücksichtigen, in dem diese ihre Wirkungen entfalten, insbesondere den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in dem die betroffenen Unternehmen tätig sind, die Art der betroffenen Erzeugnisse oder Dienstleistungen und die tatsächlichen Bedingungen der Funktion und der Struktur des relevanten Marktes, sofern es sich nicht um eine Vereinbarung handelt, die offenkundige Beschränkungen des Wettbewerbs umfasst, wie die Festsetzung von Preisen, die Aufteilung des Marktes oder die Kontrolle des Absatzes. In letzterem Fall nämlich können solche Beschränkungen nur im Rahmen von Art. 81 Abs. 3 EG gegen ihre angeblich wettbewerbsfördernden Wirkungen zum Zweck der Gewährung einer Freistellung von dem Verbot in Art. 81 Abs. 1 abgewogen werden.

Die Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten Markt stützt sich nicht nur auf den gegenwärtigen Wettbewerb, den sich die bereits auf dem betreffenden Markt tätigen Unternehmen liefern, sondern auch auf den potenziellen Wettbewerb, damit ermittelt werden kann, ob unter Berücksichtigung der Struktur des Marktes sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontextes seiner Funktionsweise tatsächliche und konkrete Möglichkeiten bestehen, dass die betroffenen Unternehmen untereinander in Wettbewerb stehen oder dass ein neuer Wettbewerber auf dem relevanten Markt auftreten und den eingesessenen Unternehmen Konkurrenz machen kann.

Außerdem ist für die Beurteilung der Frage, ob eine Vereinbarung, ein Beschluss einer Unternehmensvereinigung oder eine abgestimmte Verhaltensweise wegen der dadurch bewirkten Wettbewerbsstörungen als verboten anzusehen ist, der Wettbewerb zu betrachten, wie er ohne die Vereinbarung, den Beschluss oder die Verhaltensweise bestehen würde.

(vgl. Randnrn. 67-69, 81, 125, 130)

4.      Der Unionsrichter nimmt zwar grundsätzlich eine umfassende Prüfung der Frage vor, ob die Tatbestandsmerkmale des Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt sind, seine Überprüfung der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission muss sich aber darauf beschränken, ob die Verfahrensregeln und die Vorschriften über die Begründung eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler und kein Ermessensmissbrauch vorliegen. Die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums der Kommission bedeutet jedoch nicht, dass der Unionsrichter eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission unterlassen muss. Er muss nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen.

Da die Struktur des Marktes für die Erbringung von Acquiring-Dienstleistungen für Kredit- bzw. Chargekarten an Händler trotz der von der Kommission für den Zugang eines neuen Marktbeteiligten als günstig erachteten Faktoren den Eintritt eines Finanzinstituts in den fraglichen Markt über eine Fronting-Vereinbarung, die es von vornherein gegenüber seinen auf diesem Markt eingesessenen Hauptwettbewerbern benachteiligen würde, wenig plausibel macht, ist das Ergebnis der Kommission, mit dem die Annahme eines solchen Markteintritts verworfen wird, mit den Überlegungen im Zusammenhang mit der Schwierigkeit, einen Fronting-Partner zu finden, und mit den Erwägungen betreffend die durch Fronting-Vereinbarungen verursachten zusätzlichen Komplikationen und Kosten hinreichend begründet und umfasst nicht die Anwendung eines falschen rechtlichen Kriteriums.

(vgl. Randnrn. 70, 110-111)

5.      Der Umstand, dass die Kommission den Wettbewerb auf dem fraglichen Markt als nicht „nicht wirksam“ anerkannt hat, hindert sie nicht an der Ahndung eines Verhaltens, das den Ausschluss eines potenziellen Wettbewerbers von diesem Markt bewirkt. Da Art. 81 EG wie die übrigen Wettbewerbsregeln des Vertrags nicht nur die Interessen der Wettbewerber oder Verbraucher, sondern auch die Marktstruktur und damit den Wettbewerb als solchen schützen soll, ist die Kommission zum einen berechtigt, sich auf den hohen Konzentrationsgrad des relevanten Marktes zu stützen. Zum anderen kann die Untersuchung der Auswirkungen eines Verhaltens auf den potenziellen Wettbewerb nicht von der Prüfung des auf dem fraglichen Markt aktuell herrschenden Grads an Wettbewerb abhängig gemacht werden. Dies stünde in Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung, nach der sich die Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten Markt nicht nur auf den gegenwärtigen Wettbewerb, den sich die bereits auf dem fraglichen Markt tätigen Unternehmen liefern, sondern auch auf den potenziellen Wettbewerb stützen muss.

(vgl. Randnrn. 121-131)

6.      Hinsichtlich der rechtlichen Kriterien für die Prüfung, ob ein Unternehmen ein potenzieller Wettbewerber auf dem fraglichen Markt ist, hat die Kommission zu untersuchen, ob, wenn diesem Unternehmen gegenüber eine auf der Grundlage des Art. 81 Abs. 1 EG in Frage gestellte Regel nicht angewandt würde, tatsächliche und konkrete Möglichkeiten bestünden, dass es in besagten Markt eintreten und den dort eingesessenen Unternehmen Konkurrenz machen kann. Ein solcher Nachweis darf nicht auf einer bloßen Annahme beruhen, sondern muss durch tatsächliche Gegebenheiten oder eine Untersuchung der Strukturen des relevanten Marktes gestützt werden. So kann ein Unternehmen nicht als potenzieller Wettbewerber eingestuft werden, wenn sein Markteintritt nicht mit einer lebensfähigen wirtschaftlichen Strategie einhergeht. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass zwar die Markterschließungsabsicht eines Unternehmens für die Prüfung, ob es als potenzieller Wettbewerber auf dem betreffenden Markt angesehen werden kann, gegebenenfalls von Bedeutung ist, dass aber der wesentliche Gesichtspunkt, auf dem eine solche Einstufung beruhen muss, in der Markterschließungsfähigkeit des Unternehmens besteht.

(vgl. Randnrn. 166-168)

7.      Was die Beweiskraft von Dokumenten bei der Feststellung eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln betrifft, so gilt im Unionsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, und das alleinige Kriterium für die Beurteilung von Beweismitteln ist ihre Glaubhaftigkeit. Zur Beurteilung der Beweiskraft eines Beweises ist daher an erster Stelle die Wahrscheinlichkeit der damit vermittelten Information zu prüfen. Dabei ist namentlich zu berücksichtigen, woher das Dokument stammt, unter welchen Umständen es erstellt worden ist, an wen es gerichtet ist und ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubwürdig erscheint.

(vgl. Randnr. 182)

8.      Die Kommission begeht mit der Einstufung eines Wirtschaftsteilnehmers als potenzieller Wettbewerber keinen Rechtsfehler, soweit zum einen ihre Würdigung in Bezug auf die Markterschließungsfähigkeit dieses Wirtschaftsteilnehmers nicht in Abrede gestellt wird und zum anderen das Szenario eines Eintritts des Letztgenannten in den fraglichen Markt nicht rein theoretisch ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Kommission in offenem Widerspruch zu der Definition in den Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 [EG] auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, in denen von einer Jahresfrist die Rede ist, keine Einschätzung zu der Frist gegeben hat, innerhalb deren sich dieser Wirtschaftsteilnehmer den fraglichen Markt hätte erschließen können. Diese Definition in Fn. 9 der genannten Leitlinien zeigt nämlich, dass der wesentliche Gesichtspunkt darin besteht, dass der potenzielle Markteintritt so schnell erfolgen können muss, dass er die Marktbeteiligten diszipliniert, wobei die Jahresfrist nur als Richtwert genannt wird.

(vgl. Randnrn. 187-189)

9.      Die Möglichkeit für die Kommission, eine Geldbuße wegen einer im Rahmen der Verordnung Nr. 17, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] angemeldeten Vereinbarung zu verhängen, ergibt sich aus Art. 34 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln, der klarstellt, dass die Anmeldungen mit Anwendbarkeit dieser Verordnung unwirksam werden. Daraus folgt zwangsläufig, dass der Erlass der Geldbuße für die nach Art. 15 Abs. 5 der Verordnung Nr. 17 angemeldeten Vereinbarungen mit dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1/2003 endet. Die Kommission ist daher jedenfalls berechtigt, gegen die Klägerinnen eine Geldbuße wegen der Fortsetzung des streitigen Verhaltens nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1/2003 zu verhängen.

(vgl. Randnr. 211)

10.    Die Kommission verfügt bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen, da diese ein Instrument der Wettbewerbspolitik darstellen, über einen Ermessensspielraum. Sie kann durch den Umstand, dass sie in der Vergangenheit bei Bewirkungen einer Wettbewerbsbeschränkung keine Geldbußen verhängt haben mag, nicht an der Verhängung einer Geldbuße gehindert sein, wenn diese erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln verlangt im Gegenteil, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann.

(vgl. Randnrn. 212-213)

11.    Die Kommission entscheidet im besonderen Rahmen jeder einzelnen Sache in Ausübung ihres Ermessens darüber, ob es angebracht ist, eine Geldbuße zu verhängen, um die festgestellte Zuwiderhandlung zu ahnden und die Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts zu wahren. Selbst wenn die Kommission in der Vergangenheit in ähnlichen Sachen zu Unrecht keine Geldbußen gegen Unternehmen verhängt hätte, liefe ein Vorbringen, mit dem sich wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln zur Verantwortung gezogene Unternehmen letztlich auf einen zugunsten eines anderen begangenen Rechtsverstoß berufen, jedenfalls dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit zuwider.

(vgl. Randnrn. 218-219)

12.    Die Kommission kommt bei der Festsetzung von Geldbußen wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts ihrer Begründungspflicht nach, wenn sie in ihrer Entscheidung die Beurteilungskriterien angibt, anhand deren sie die Schwere und die Dauer der begangenen Zuwiderhandlung ermessen konnte; sie ist nicht verpflichtet, darin eingehendere Ausführungen oder Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbuße zu machen. Solche Kriterien betreffend die Schwere und die Dauer des den Klägerinnen zur Last gelegten Verhaltens lassen, wenngleich sie in erster Linie die Festsetzung der Höhe der Geldbuße betreffen, auch nachvollziehen, weshalb die Kommission die Verhängung einer Geldbuße für angebracht hielt.

(vgl. Randnrn. 221, 288)

13.    In einem Verfahren nach Art. 81 EG betreffend die Feststellung einer Zuwiderhandlung kann sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes jeder berufen, bei dem die Verwaltung begründete Erwartungen geweckt hat, wobei eine Verletzung dieses Grundsatzes nur dann geltend gemacht werden kann, wenn die Verwaltung präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite gegeben hat. „Aussagen, die so zu verstehen waren“, dass die Kommission einen bestimmten Fall nicht als Sache ansehe, in der sie eine Geldbuße verhängen werde, können nicht als solche Zusicherungen eingestuft werden.

(vgl. Randnrn. 223-224)

14.    Die Einhaltung einer angemessenen Frist bei der Abwicklung der Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, dessen Wahrung gerichtlich zu sichern ist. Dieser Grundsatz hat in Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Eingang gefunden. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz kann zur Nichtigerklärung der Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen Art. 81 EG festgestellt wird, führen, wenn er die Fähigkeit der betroffenen Unternehmen, ihren Standpunkt zu verteidigen, berührt und damit ihre Verteidigungsrechte beeinträchtigt hat. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn zum einen die Klägerinnen nicht geltend machen, dass die Dauer des Verwaltungsverfahrens ihre Verteidigungsrechte beeinträchtigt habe, und zum anderen der Zeitraum zwischen der Beendigung der Zuwiderhandlung und der angefochtenen Entscheidung, mit der die Geldbuße verhängt wurde, kürzer ist als die Verjährungsfristen des Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003. Angesichts einer vollständigen Regelung, die im Einzelnen die Fristen festlegt, innerhalb deren die Kommission ohne Verstoß gegen das grundlegende Gebot der Rechtssicherheit Geldbußen gegen Unternehmen festsetzen kann, gegen die Verfahren nach den Wettbewerbsvorschriften anhängig sind, ist nämlich kein Raum für Überlegungen im Zusammenhang mit der Verpflichtung der Kommission, ihre Befugnis zur Verhängung von Geldbußen innerhalb eines angemessenen Zeitraums auszuüben.

(vgl. Randnrn. 231-234, 238, 298)

15.    Bei der Festsetzung des Betrags einer wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verhängten Geldbuße kann die Kommission von Regeln, die sie sich gegeben hat, nicht abweichen. Insbesondere kommt es, wenn die Kommission Leitlinien erlässt, die unter Beachtung des Vertrags die Kriterien präzisieren sollen, die sie bei der Ausübung ihres Ermessens in diesem Bereich heranzuziehen beabsichtigt, zu einer Selbstbeschränkung dieses Ermessens, da sich die Kommission an die Regelhinweise, die sie für sich selbst festgelegt hat, halten muss.

Für die Feststellung, ob die Kommission den Klägerinnen den mildernden Umstand des Bestehens berechtigter Zweifel an der Rechtswidrigkeit des geahndeten Verhaltens hätte zubilligen müssen, wenn die Geldbuße nicht auf den gesamten Zuwiderhandlungszeitraum, sondern erst auf die Zeit ab der Mitteilung der Beschwerdepunkte bezogen wurde, ist zu berücksichtigen, dass die Kommission ab dem Zeitpunkt dieser Mitteilung Einwände gegen das streitige Verhalten geäußert und die Gründe, weshalb sie darin einen Verstoß gegen Art. 81 EG sah, dargelegt hat. Ab diesem Zeitpunkt können die Klägerinnen daher nicht mehr behaupten, ihnen sei ein Verstoß gegen Art. 81 EG nicht bewusst gewesen.

(vgl. Randnrn. 246, 250-252, 297)

16.    In Wettbewerbssachen ist die Schwere einer Zuwiderhandlung unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Faktoren zu bestimmen, zu denen die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören und hinsichtlich deren die Kommission über ein Ermessen verfügt. Bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes sind seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen.

(vgl. Randnrn. 266, 268)

17.    In Wettbewerbssachen ist die Angemessenheit einer etwaigen Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände im Sinne von Abschnitt 3 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu beurteilen. Da sich aus diesen Leitlinien nichts dafür ergibt, dass die in Betracht kommenden mildernden Umstände zwingend berücksichtigt werden müssten, ist festzustellen, dass der Kommission ein gewisses Ermessen verbleibt, um über den Umfang einer etwaigen Herabsetzung der Geldbußen wegen mildernder Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu entscheiden.

(vgl. Randnr. 303)







URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

14. April 2011(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für die Erbringung von Acquiring-Dienstleistungen für Kredit‑ bzw. Chargekarten – Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Einschränkung des Wettbewerbs – Potenzieller Wettbewerber – Geldbußen – Mildernde Umstände – Angemessene Dauer – Rechtssicherheit – Verteidigungsrechte“

In der Rechtssache T‑461/07

Visa Europe Ltd mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich),

Visa International Service mit Sitz in Wilmington, Delaware (Vereinigte Staaten),

Prozessbevollmächtigte: zunächst S. Morris, QC, H. Davies und A. Howard, Barristers, V. Davies und H. Masters, Solicitors, dann S. Morris und P. Scott, Solicitor, A. Howard, V. Davies und C. Thomas, Solicitor,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch F. Arbault, N. Khan und V. Bottka, dann durch N. Khan und V. Bottka als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C (2007) 4471 final der Kommission vom 3. Oktober 2007 in einem Verfahren nach Art. 81 EG und Art. 53 EWR‑Abkommen (COMP/D1/37860 – Morgan Stanley/Visa International und Visa Europe), hilfsweise, Aufhebung oder Herabsetzung der damit gegen die Klägerinnen festgesetzten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richter V. Vadapalas und M. Prek (Berichterstatter),

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2010

folgendes

Urteil

 Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

1        Visa International Service ist eine in den Vereinigten Staaten eingetragene juristische Person mit Gewinnerzielungsabsicht, deren Anteile von den ihr angegliederten Finanzinstituten gehalten werden (im Folgenden: Visa International). Visa International verwaltet und koordiniert das gleichnamige internationale Kartenzahlungsnetz (im Folgenden: Visa-System), wozu u. a. die Festlegung der Netzregeln und die Erbringung von Autorisierungs‑ und Clearingdienstleistungen gegenüber den Mitgliedsinstituten gehören. Die Ausgabe von Visa‑Karten und der Abschluss von Acquiring‑Verträgen mit Händlern über die Akzeptanz dieser Karten sind Sache der angegliederten Finanzinstitute.

2        Morgan Stanley (ehemals Morgan Stanley Dean Witter & Co., im Folgenden: Morgan Stanley) ist ein in den Vereinigten Staaten eingetragenes Finanzinstitut, dem dort während des gesamten Verwaltungsverfahrens das mit den Discover-Karten funktionierende Netz Discover Card/Novus (im Folgenden: Discover-System) gehörte.

3        Am 23. Februar 1999 gründete Morgan Stanley eine Tochtergesellschaft namens Morgan Stanley Bank International Ltd im Vereinigten Königreich.

4        Am 22. März 2000 wurde Morgan Stanley davon unterrichtet, dass sie nicht für eine Regionalmitgliedschaft „Europäische Union“ bei Visa International in Betracht komme.

5        Am 12. April 2000 reichte Morgan Stanley eine Beschwerde nach Art. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) ein und beanstandete einen Verstoß gegen die Art. 81 EG und 82 EG, der darin liege, dass ihr die Regionalmitgliedschaft „Europäische Union“ bei Visa International verwehrt werde. Gleichzeitig erhob sie wegen desselben Verhaltens Klage beim High Court of Justice (England & Wales). Das Verfahren darüber wurde bis zum Abschluss des Verfahrens vor der Europäischen Kommission ausgesetzt.

6        Die Beschwerde von Morgan Stanley bezog sich auf die Anwendung der Regel 2.12 b der Satzung von Visa International (im Folgenden: streitige Regel), deren verschiedene Fassungen der Kommission mitgeteilt wurden, ihr gegenüber. Seit dem 4. Dezember 1989 lautet die streitige Regel: „Sofern nach geltendem Recht zulässig, verweigert das Board (einschließlich der regionalen Boards und der Gruppenmitglieder) jedem Antragsteller, der vom Board als Wettbewerber der Gesellschaft erachtet wird, die Mitgliedschaft.“

7        Bis zum 1. Juli 2004 war die Entscheidungsbefugnis für den Regionalbereich „Europäische Union“ von Visa International – der außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Island, Liechtenstein, Norwegen, die Schweiz, die Türkei und Israel umfasst – dem regionalen Board von Visa International für die Europäische Union übertragen. Seit dem 1. Juli 2004 wird diese Befugnis nunmehr von der Visa Europe Ltd (im Folgenden: Visa Europe) ausgeübt, deren regionales Board für die Regelung aller Angelegenheiten innerhalb des Regionalbereichs „Europäische Union“ ausschließlich zuständig und insbesondere zur Entscheidung über die Bewilligung oder Ablehnung eines Antrags auf Mitgliedschaft bei Visa Europe befugt ist. Seit Oktober 2004 findet sich die streitige Regel in Klausel 5 Abs. 3 der Mitgliedschaftsregularien von Visa Europe.

8        Am 2. August 2004 richtete die Kommission wegen Verstoßes gegen Art. 81 EG eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an Visa International und an Visa Europe (im Folgenden: Klägerinnen). Am 3. Dezember 2004 übermittelten die Klägerinnen schriftliche Stellungnahmen zu den von der Kommission aufgeworfenen Beschwerdepunkten. Bei dieser Gelegenheit ersuchten sie um eine Anhörung, verzichteten darauf aber am 5. April 2005.

9        Am 1. und 2. September, 19. November und 17. Dezember 2004 sowie am 12. Januar 2007 hatten die Klägerinnen Zugang zu den Akten der Kommission.

10      Am 15. Oktober 2004 übermittelte die Kommission Morgan Stanley eine nicht vertrauliche Fassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Am 22. Oktober 2004 reichte Morgan Stanley ihre schriftliche Stellungnahme dazu ein. Darauf erwiderten die Klägerinnen am 23. Februar 2005.

11      Am 23. Dezember 2004 richtete die Kommission ein erstes Schreiben mit einer Schilderung des in Rede stehenden Sachverhalts an die Klägerinnen, das diese mit Schreiben vom 14. Januar und 23. Februar 2005 beantworteten.

12      Am 6. Juli 2006 richtete die Kommission ein zweites Schreiben mit einer Schilderung des in Rede stehenden Sachverhalts (im Folgenden: zweites Sachverhaltsschreiben) an die Klägerinnen, das diese mit Schreiben vom 22. September 2006 beantworteten.

13      Am 21. September 2006 trafen die Klägerinnen eine Vereinbarung mit Morgan Stanley, mit der Letzterer die Mitgliedschaft bei Visa Europe zuerkannt wurde und in der die Rücknahme sowohl der Beschwerde bei der Kommission als auch der Klage beim High Court of Justice vorgesehen war.

14      Am 22. September 2006 wurde Morgan Stanley als Mitglied bei Visa Europe aufgenommen, und sie zog ihre Beschwerde bei der Kommission zurück. Die Kommission war jedoch der Ansicht, sie habe weiterhin ein legitimes Interesse am Erlass einer Entscheidung zur Ahndung des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Klägerinnen.

 Angefochtene Entscheidung

15      Am 3. Oktober 2007 erließ die Kommission die Entscheidung C (2007) 4471 final in einem Verfahren nach Art. 81 EG und Art. 53 EWR‑Abkommen (COMP/D1/37860 – Morgan Stanley/Visa International und Visa Europe) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), deren wesentlicher Inhalt nachstehend wiedergegeben wird.

A –  Definition des relevanten Marktes

16      Nach Ansicht der Kommission lassen sich die im Rahmen eines Zahlungskartennetzes erbrachten Dienstleistungen in drei verschiedene Gruppen aufteilen:

–        die von einem Zahlungskartennetz gegenüber Finanzinstituten erbrachten Dienstleistungen, bei denen die verschiedenen Zahlungskartennetze miteinander in Wettbewerb stünden;

–        die Dienstleistungen, die von den Zahlungskarten ausgebenden Banken gegenüber den Inhabern dieser Karten erbracht würden;

–        die gegenüber den Händlern erbrachten Acquiring-Dienstleistungen.

17      Daraus leitete die Kommission drei getrennte Märkte ab: einen vorgelagerten Markt für Netzdienstleistungen, auf dem die Kartennetze Dienstleistungen für verschiedene Finanzinstitute erbrächten; einen ersten nachgelagerten Markt, auf dem die Zahlungskartenausgeber bei der Kartenausgabe und der Erbringung damit zusammenhängender Dienstleistungen an die Kunden miteinander in Wettbewerb stünden (im Folgenden: Ausgabemarkt); einen zweiten nachgelagerten Markt, auf dem die Händlerbanken beim Abschluss von Verträgen mit den Händlern über alle für die Akzeptanz der Karten erforderlichen Dienstleistungen miteinander in Wettbewerb stünden (im Folgenden: Acquiring-Markt).

18      Trotz des Hinweises darauf, dass die streitige Regel wettbewerbsbeschränkende Wirkungen auf den beiden nachgelagerten Märkten haben könne, stellte die Kommission ausdrücklich nur auf den Acquiring-Markt ab, auf dem diese Wirkungen der Regel am spürbarsten gewesen seien.

19      Sie definierte den relevanten Markt daher als denjenigen für die Erbringung von Acquiring-Dienstleistungen für Kredit‑ bzw. Chargekarten an Händler im Vereinigten Königreich (im Folgenden: relevanter Markt oder fraglicher Markt).

B –  Beanstandetes Verhalten

20      Im 25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung betonte die Kommission, dass den Klägerinnen nicht die streitige Regel an sich, sondern deren Anwendung auf Morgan Stanley zur Last gelegt werde (im Folgenden: streitiges Verhalten).

C –  Anwendung von Art. 81 EG

21      Ihre Schlussfolgerung, dass das streitige Verhalten in den Anwendungsbereich von Art. 81 Abs. 1 EG falle, stützte die Kommission erstens darauf, dass die Regeln und Regularien, die den Funktionsrahmen des Visa-Systems festlegten (einschließlich der Satzung von Visa International und der Mitgliedschaftsregularien von Visa Europe mit der streitigen Regel), sowie der Beschluss, sie auf ein Unternehmen anzuwenden, entweder als Vereinbarungen zwischen Unternehmen oder als Beschlüsse einer Unternehmensvereinigung betrachtet werden könnten. Sie legte zugrunde, dass zum einen die Klägerinnen und ihre jeweiligen Mitglieder wirtschaftliche Tätigkeiten ausübten und somit Unternehmen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG seien und dass zum anderen die Klägerinnen „Mitgliedsorganisationen“ (membership organisations) seien.

22      Zweitens war sie der Ansicht, das streitige Verhalten habe insoweit wettbewerbswidrige Wirkungen erzeugt, als die Verweigerung der Mitgliedschaft im Regionalbereich „Europäische Union“ von Visa International und später bei Visa Europe (im Folgenden zusammen: Visa) gegenüber Morgan Stanley zur Folge gehabt habe, dass ein potenzieller Wettbewerber daran gehindert worden sei, sich einen Markt zu erschließen, der durch einen hohen Grad an Konzentration gekennzeichnet sei und auf dem es mehr Raum für Wettbewerb – dessen Wirksamkeit nicht bestritten werde – gebe.

23      Die Kommission stellte dazu fest, dass die Verweigerung der Visa‑Mitgliedschaft gegenüber Morgan Stanley diese nicht nur am Händlergeschäft mit Visa-Karten gehindert, sondern sie ganz allgemein aus dem gesamten Acquiring-Markt einschließlich des Marktes für Geschäfte mit MasterCard-Karten ausgeschlossen habe. Sie berief sich darauf, dass die Händler Verträge über die Akzeptanz der im Vereinigten Königreich am weitesten verbreiteten Karten, Visa und MasterCard, mit ein und derselben Händlerbank schließen wollten.

24      In der angefochtenen Entscheidung prüfte die Kommission die von den Klägerinnen angesprochene Möglichkeit für Morgan Stanley, in den Acquiring-Markt über den Abschluss einer „Fronting-Vereinbarung“ (Schnittstellen-Vereinbarung) mit einem Visa angegliederten Finanzinstitut einzutreten. Unter Fronting-Vereinbarung verstand sie im Wesentlichen den Sachverhalt, dass das Visa-Mitglied, der Fronting-Partner, sein Acquiring-Geschäft eingestellt habe und als bloße Schnittstelle zwischen Visa und einem externen Acquiring-Dienstleister, auch als De-facto-Acquiring-Dienstleister bezeichnet, fungiere, der die Verantwortung für fast alle Bereiche der Acquiring-Dienstleistungen übernehme und das Risiko in Bezug auf den Einkommensfluss des Händlers trage. Sie schloss daraus, dass der Abschluss einer Fronting-Vereinbarung für eine internationale Bank wie Morgan Stanley kein wirksames Instrument zur Erschließung des relevanten Marktes sei.

25      In Erwiderung auf die verschiedenen von den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren zur Rechtfertigung des streitigen Verhaltens vorgebrachten Argumente führte sie aus, es sei nicht realistisch, davon auszugehen, dass Morgan Stanley ihr Discover-System auf die Union ausweiten und so mit Visa in Wettbewerb treten könne, wenn sie erst einmal auf diesem Markt tätig geworden sei. Auch könne die Aufnahmeverweigerung gegenüber Morgan Stanley nicht mit dem Bemühen gerechtfertigt werden, ein etwaiges „Trittbrettfahren“ (free‑riding) eines unmittelbaren Wettbewerbers von Visa zu verhindern, der so an vertrauliche Informationen gelangen könne. Die Kommission stellte in diesem Zusammenhang fest, dass manchen Visa-Mitgliedern ein Kredit- oder Chargekartensystem gehöre, das in unmittelbarem Wettbewerb mit Visa stehe, und dass die streitige Regel auf sie nicht angewandt worden sei.

26      Die Anwendbarkeit von Art. 81 Abs. 3 EG auf den vorliegenden Fall wurde von der Kommission verneint.

27      Schließlich war die Kommission der Ansicht, dass sie trotz der Beendigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Klägerinnen durch die Aufnahme von Morgan Stanley bei Visa am 22. September 2006 weiterhin ein legitimes Interesse am Erlass einer Entscheidung zur Ahndung dieser Zuwiderhandlung habe.

D –  Berechnung der Geldbuße

28      Obwohl die Kommission der Ansicht ist, dass die Zuwiderhandlung am 22. März 2000 begonnen und sechs Jahre und sechs Monate gedauert habe, ging sie bei der Berechnung der Geldbuße von einem kürzeren Zeitraum aus, nämlich dem von der Mitteilung der Beschwerdepunkte am 2. August 2004 bis zur Aufnahme von Morgan Stanley bei Visa am 22. September 2006. Sie hielt die Zuwiderhandlung für schwer und sah weder erschwerende noch mildernde Umstände als gegeben an.

29      Die Art. 1 und 2 des verfügenden Teils der angefochtenen Entscheidung lauten:

„Artikel 1

[Visa International] und [Visa Europe] haben vom 22. März 2000 bis zum 22. September 2006 bzw. vom 1. Juli 2004 (Gründungsdatum) bis zum 22. September 2006 gegen Artikel 81 EG und Artikel 53 EWR-Abkommen verstoßen, indem sie [Morgan Stanley] von der Mitgliedschaft bei Visa Europe ausgeschlossen haben.

Artikel 2

Wegen des in Artikel 1 genannten Verstoßes wird gegen [Visa International] und [Visa Europe] eine Geldbuße in Höhe von 10 200 000 Euro verhängt, für die sie gesamtschuldnerisch haften.“

 Verfahren

30      Mit am 19. Dezember 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

31      Mit am 24. Juli 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem besonderen Schriftsatz haben die Klägerinnen zum einen gemäß Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, vorab über die Zulässigkeit bestimmter Argumente und Beweise zu entscheiden, und zum anderen prozessleitende Maßnahmen nach Art. 64 § 4 der Verfahrensordnung vorgeschlagen.

32      Mit am 18. September 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Kommission ihre Stellungnahme zu den Anträgen der Klägerinnen eingereicht.

33      Mit Beschluss vom 14. Dezember 2009 hat das Gericht (Fünfte Kammer) die Entscheidung über den Antrag der Klägerinnen gemäß Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung dem Endurteil vorbehalten.

34      Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichts ist die Besetzung der Fünften Kammer des Gerichts für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens geändert worden.

35      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Fünfte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung schriftliche Fragen an die Kommission gerichtet. Diese hat darauf innerhalb der gesetzten Frist geantwortet.

36      Die Parteien haben in der Sitzung vom 20. Mai 2010 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

 Anträge der Parteien

37      Die Klägerinnen beantragen,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, Art. 2 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        wiederum hilfsweise, die verhängte Geldbuße in dem erforderlichen Maß herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

38      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

A –  Zum Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

39      Die Klägerinnen stützen diesen Antrag auf drei Gründe.

40      Mit dem ersten und dem dritten Klagegrund wenden sie sich gegen die Analyse der Kommission, der zufolge das streitige Verhalten wettbewerbsbeschränkende Wirkungen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erzeugt habe.

41      Mit dem zweiten Klagegrund wird eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen gerügt, die darin bestehe, dass das rechtliche Kriterium, das die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zur Beurteilung der beschränkenden Wirkungen des streitigen Verhaltens angewandt habe, ein anderes sei als das im Verwaltungsverfahren erörterte.

1.     Vorfragen

a)     Zur Zulässigkeit bestimmter Argumente und eines Dokuments

42      Die Klägerinnen tragen in ihren Schriftsätzen und in dem gemäß Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung eingereichten besonderen Schriftsatz vom 24. Juli 2009 vor, dass sich die Kommission sowohl in der angefochtenen Entscheidung als auch in ihren Schriftsätzen auf Argumente und ein Dokument stütze, zu denen sie sich im Verwaltungsverfahren nicht hätten äußern können. Es handele sich zum einen um Argumente zum Bestehen einer Strategie von Morgan Stanley, die auf dem Händlergeschäft mit den von ihr ausgegebenen Karten gründe (im Folgenden: Händlergeschäftstrategie „on-us“), und zum anderen um Anhang 57 des zweiten Sachverhaltsschreibens, der eine Darstellung von Morgan Stanley für die Anhörung enthalte.

43      Die Argumente im Zusammenhang mit dem Bestehen der Händlergeschäftstrategie „on-us“ seien von der Kommission im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht worden.

44      Zu Anhang 57 des zweiten Sachverhaltsschreibens machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, er sei ihnen nicht ausreichend zur Kenntnis gebracht worden, da im Text des Schreibens selbst an keiner Stelle darauf verwiesen werde.

45      Die Kommission ist der Ansicht, sie habe sich sowohl in der angefochtenen Entscheidung als auch in ihren Schriftsätzen zulässigerweise auf diese Argumente und dieses Dokument stützen können.

46      Das Gericht wird die Zulässigkeit dieser Argumente und dieses Dokuments bei der Prüfung der verschiedenen Klagegründe, auf die sie sich beziehen, beurteilen.

b)     Zur Zulässigkeit einer Anlage zur Klageschrift

47      Die Kommission stellt die Zulässigkeit von Anlage A5 zur Klageschrift in Abrede, die ein gemeinsames Gutachten verschiedener Sachverständiger (im Folgenden: Gemeinsames Sachverständigengutachten) enthält.

48      Nach Ansicht der Kommission machen die Klägerinnen mit dem Gemeinsamen Sachverständigengutachten in der Klageschrift nicht enthaltene Argumente geltend, was der bloßen Beweis‑ und Hilfsfunktion der Anhänge zuwiderlaufe.

49      Die Klägerinnen halten die Gründe und Argumente, die mit dem Gemeinsamen Sachverständigengutachten unterstützt werden sollen, für in der Klageschrift hinreichend ausgeführt, so dass Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung Genüge getan sei.

50      Nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Für die Zulässigkeit einer Klage ist es nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen sie beruht, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst ergeben. Zwar kann ihr Text zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen, die nach den oben genannten Vorschriften in der Klageschrift enthalten sein müssen. Außerdem ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis‑ und Hilfsfunktion (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, Slg. 2007, II‑3601, Randnr. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Hier sind zwar die verschiedenen Klagegründe und Argumente, zu deren Untermauerung auf das Gemeinsame Sachverständigengutachten verwiesen wird, im Text der Klageschrift selbst eindeutig identifizierbar. So beziehen sich die Klägerinnen auf dieses Dokument im Rahmen ihrer Beanstandung der Analyse der Kommission, dass auf dem fraglichen Markt Raum für mehr Wettbewerb gewesen sei, um zu bestreiten, dass in der Vergangenheit der Eintritt eines Finanzinstituts in den fraglichen Markt von relevanter Wirkung für den Wettbewerb gewesen wäre, und um der Beschreibung der Kommission entgegenzutreten, nach der Morgan Stanley ein leistungsfähiger, wichtiger und erfahrener Marktteilnehmer sei.

52      Es ist jedoch festzustellen, dass das Gemeinsame Sachverständigengutachten mehr als die bloße Beweis- und Hilfsfunktion hat, die den Anhängen zukommt. Seine Lektüre zeigt, dass es nicht nur ausdrücklich im Text der Klageschrift angesprochene tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte untermauert oder ergänzt, sondern neue Argumente einführt.

53      Demzufolge wird das Gericht die Anlage A5 zur Klageschrift nur insoweit berücksichtigen, als sie die von den Klägerinnen in ihren Schriftsätzen selbst ausdrücklich angeführten Klagegründe oder Argumente untermauert oder ergänzt und als genau bestimmt werden kann, welches die darin enthaltenen Gesichtspunkte sind, die diese Klagegründe oder Argumente untermauern oder ergänzen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 50 angeführt, Randnr. 99).

2.     Zum zweiten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen

a)     Vorbringen der Parteien

54      Die Klägerinnen beanstanden, die Kommission habe ihre Analyse während des Verwaltungsverfahrens geändert, ohne dass sie Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hätten, worin ein Verstoß gegen ihre Verteidigungsrechte liege, der zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung führen müsse. In den Randnrn. 198 bis 200 der Mitteilung der Beschwerdepunkte und in den Randnrn. 5 bis 9 des zweiten Sachverhaltsschreibens habe die Kommission das Bestehen spürbarer Auswirkungen auf den Wettbewerb mit dem begrenzten Ausmaß des Wettbewerbs auf dem Acquiring-Markt begründet. Im 200. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung habe sie jedoch erstmals erklärt, dass sie den Wettbewerb auf diesem Markt nicht für unwirksam halte. Die Klägerinnen schließen daraus, dass die Analyse der Kommission auf einem erstmals in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Kriterium beruhe, nach dem, obwohl es auf dem Acquiring-Markt im Vereinigten Königreich wirksamen Wettbewerb gebe, Raum für noch mehr Wettbewerb sei.

55      Die Kommission hält eine Verletzung des Rechts der Klägerinnen auf Gehör nicht für gegeben.

b)     Würdigung durch das Gericht

56      Nach der Rechtsprechung müssen die Beschwerdepunkte in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, sei es auch nur in gedrängter Form, so klar abgefasst sein, dass die Betroffenen tatsächlich erkennen können, welches Verhalten ihnen die Kommission zur Last legt (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Mo och Domsjö/Kommission, T‑352/94, Slg. 1998, II‑1989, Randnr. 63). In einem Verfahren, das zu Sanktionen wie der hier in Rede stehenden führen kann, erfordert es die Wahrung der Verteidigungsrechte nämlich, den betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen bereits im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen, Rügen und Umstände in sachdienlicher Weise Stellung zu nehmen (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Randnr. 553). Diesem Erfordernis ist Genüge getan, wenn die Entscheidung den Betroffenen keine anderen Zuwiderhandlungen als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten zur Last legt und nur Tatsachen berücksichtigt, zu denen die Betroffenen Stellung nehmen konnten. Daher darf die Kommission nur Beschwerdepunkte berücksichtigen, zu denen die Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung hatten (Urteil des Gerichts vom 23. Februar 1994, CB und Europay/Kommission, T‑39/92 und T‑40/92, Slg. 1994, II‑49, Randnr. 47).

57      Nach ständiger Rechtsprechung braucht auch die Entscheidung nicht notwendig ein genaues Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein. Die Kommission muss nämlich in der Lage sein, in ihrer Entscheidung die Antworten der betroffenen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu berücksichtigen. Sie muss insoweit nicht nur die Möglichkeit haben, das Vorbringen der betroffenen Unternehmen zuzulassen oder zurückzuweisen, sondern auch, die von den Unternehmen vorgebrachten Tatsachen eigenständig zu prüfen, sei es um bestimmte Beschwerdepunkte fallen zu lassen, die sich als nicht ausreichend begründet erwiesen haben, sei es um ihre Argumente, auf die sie die aufrechterhaltenen Beschwerdepunkte stützt, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht neu zu ordnen oder zu ergänzen. Nur wenn die endgültige Entscheidung den betroffenen Unternehmen andere Zuwiderhandlungen als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten zur Last legt oder andere Tatsachen berücksichtigt, ist daher eine Verletzung der Verteidigungsrechte festzustellen. Dies ist nicht der Fall, wenn sich die angeblichen Unterschiede zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der endgültigen Entscheidung nicht auf andere Verhaltensweisen als die beziehen, zu denen sich die betroffenen Unternehmen bereits geäußert hatten und bezüglich deren von einem neuen Beschwerdepunkt keine Rede sein kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98, T‑212/98 bis T‑214/98, Slg. 2003, II‑3275, Randnr. 191 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Außerdem können sich die betreffenden Unternehmen, um eine Verletzung der Verteidigungsrechte bezüglich der in der angefochtenen Entscheidung übernommenen Beschwerdepunkte geltend zu machen, nicht darauf beschränken, nur das Bestehen von Unterschieden zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung geltend zu machen, ohne deutlich und konkret darzulegen, warum jeder einzelne dieser Unterschiede im jeweiligen Fall einen neuen Beschwerdepunkt darstellt, zu dem sie nicht haben Stellung nehmen können. Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich anhand der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu prüfen, ob eine Verletzung der Verteidigungsrechte vorliegt, da dies im Wesentlichen von den Rügen abhängt, die die Kommission bei der Feststellung der den betroffenen Unternehmen zur Last gelegten Zuwiderhandlung erhoben hat (vgl. Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnr. 192 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      In den Randnrn. 198 bis 200 der Mitteilung der Beschwerdepunkte stützte sich die Kommission auf bestimmte Merkmale des Marktes, insbesondere auf seine erhebliche Konzentration, um zu folgern, dass der Wettbewerb auf dem Markt beschränkt sei, vor allem in Bezug auf das Geschäft mit kleinen und mittleren Händlern.

60      In ihrer Stellungnahme vom 3. Dezember 2004 traten die Klägerinnen dieser Analyse der Kommission entgegen und beriefen sich insbesondere auf den Preisrückgang bei den Händlergebühren bzw. auf die Leichtigkeit für die Händler, den Acquiring-Dienstleister zu wechseln. Die Aussage der Kommission im 200. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass sie den Wettbewerb auf dem Markt nicht für „nicht wirksam“ halte und dass es Raum für mehr Wettbewerb gebe, erfolgte in Erwiderung auf diese Stellungnahme.

61      Die Kommission wirft im 200. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung keinen neuen Beschwerdepunkt gegenüber den Klägerinnen auf und stützt sich auch nicht auf einen neuen tatsächlichen Gesichtspunkt. Sie ergänzt nur ihre Analyse unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Klägerinnen, wie es ihr auch nach der oben in den Randnrn. 56 und 57 angeführten Rechtsprechung obliegt.

62      Diese Entwicklung in der Begründung der angefochtenen Entscheidung gegenüber der ursprünglich in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Begründung ist daher keineswegs eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen, sondern zeigt im Gegenteil, dass diese ihren Standpunkt zu dem von der Kommission zugrunde gelegten Beschwerdepunkt geltend machen konnten, der darauf beruhte, dass das streitige Verhalten in Anbetracht des auf dem fraglichen Markt bestehenden Wettbewerbsniveaus wettbewerbsbeschränkende Wirkungen gehabt habe.

63      Dass sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung auf die Möglichkeit einer Steigerung des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt gestützt hat, stellt daher keine Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen dar.

64      Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

3.     Zum ersten und zum dritten Klagegrund: kein wettbewerbsbeschränkender Charakter des streitigen Verhaltens

65      Die Klägerinnen stellen die durch die Kommission vorgenommene Beurteilung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen des streitigen Verhaltens im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG in Abrede. Mit ihrem ersten Klagegrund bestreiten sie, dass das streitige Verhalten zur Folge gehabt habe, dass der fragliche Markt für Morgan Stanley abgeschottet worden sei. Im Rahmen ihres dritten Klagegrundes richten sie ihre Beanstandungen gegen die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der Auswirkungen auf den Wettbewerb, die eine Präsenz von Morgan Stanley auf diesem Markt hätte haben können.

66      Vor der Prüfung der Begründetheit dieser beiden Klagegründe ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen im Rahmen dieser Klage nicht die im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente wiederholen, wonach sich die Anwendung der streitigen Regel auf Morgan Stanley mit der Konkurrenz für Visa durch das Discover-System erkläre, und damit nicht die in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Beurteilungen der Kommission in Frage stellen, mit denen eine objektive Rechtfertigung des streitigen Verhaltens verneint wird.

67      Nach ständiger Rechtsprechung hat die Beurteilung einer Vereinbarung, eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung oder einer abgestimmten Verhaltensweise gemäß Art. 81 Abs. 1 EG den konkreten Rahmen zu berücksichtigen, in dem diese ihre Wirkungen entfalten, insbesondere den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in dem die betroffenen Unternehmen tätig sind, die Art der betroffenen Erzeugnisse oder Dienstleistungen und die tatsächlichen Bedingungen der Funktion und der Struktur des relevanten Marktes, sofern es sich nicht um eine Vereinbarung handelt, die offenkundige Beschränkungen des Wettbewerbs umfasst, wie die Festsetzung von Preisen, die Aufteilung des Marktes oder die Kontrolle des Absatzes. In letzterem Fall nämlich können solche Beschränkungen nur im Rahmen von Art. 81 Abs. 3 EG gegen ihre angeblich wettbewerbsfördernden Wirkungen zum Zweck der Gewährung einer Freistellung von dem Verbot in Art. 81 Abs. 1 abgewogen werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 15. September 1998, European Night Services u. a./Kommission, T‑374/94, T‑375/94, T‑384/94 und T‑388/94, Slg. 1998, II‑3141, Randnr. 136 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Die Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten Markt stützt sich nicht nur auf den gegenwärtigen Wettbewerb, den sich die bereits auf dem betreffenden Markt tätigen Unternehmen liefern, sondern auch auf den potenziellen Wettbewerb, damit ermittelt werden kann, ob unter Berücksichtigung der Struktur des Marktes sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontextes seiner Funktionsweise tatsächliche und konkrete Möglichkeiten bestehen, dass die betroffenen Unternehmen untereinander in Wettbewerb stehen oder dass ein neuer Wettbewerber auf dem relevanten Markt auftreten und den eingesessenen Unternehmen Konkurrenz machen kann (Urteil European Night Services u. a./Kommission, oben in Randnr. 67 angeführt, Randnr. 137).

69      Außerdem ist für die Beurteilung der Frage, ob eine Vereinbarung, ein Beschluss einer Unternehmensvereinigung oder eine abgestimmte Verhaltensweise wegen der dadurch bewirkten Wettbewerbsstörungen als verboten anzusehen ist, der Wettbewerb zu betrachten, wie er ohne die Vereinbarung, den Beschluss oder die Verhaltensweise bestehen würde (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 28. Mai 1998, Deere/Kommission, C‑7/95 P, Slg. 1998, I‑3111, Randnr. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Zum Umfang der richterlichen Kontrolle der Beurteilung durch die Kommission ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung der Unionsrichter zwar grundsätzlich eine umfassende Prüfung der Frage vornimmt, ob die Tatbestandsmerkmale des Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt sind, sich aber seine Überprüfung der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission darauf beschränken muss, ob die Verfahrensregeln und die Vorschriften über die Begründung eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (vgl. Urteil Deere/Kommission, oben in Randnr. 69 angeführt, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums der Kommission bedeutet jedoch nicht, dass der Unionsrichter eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission unterlassen muss. Er muss nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 50 angeführt, Randnr. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Die Begründetheit der zwei von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegründe ist im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

a)     Zum ersten Klagegrund: keine Berücksichtigung der Möglichkeit für Morgan Stanley, sich den fraglichen Markt über eine Fronting-Vereinbarung zu erschließen, durch die Kommission

 Vorbringen der Parteien

72      Der vorliegende Klagegrund wird von den Klägerinnen in zwei Teilen vorgebracht.

73      Im Rahmen eines ersten Teils machen die Klägerinnen geltend, der Argumentation der Kommission hafte ein Rechtsfehler an, weil sie ein falsches rechtliches Kriterium angewandt habe, indem sie die Möglichkeit eines Markteintritts von Morgan Stanley über eine Fronting-Vereinbarung mit der Begründung verworfen habe, dass eine solche Vereinbarung zum einen einer Bank wie Morgan Stanley in der Praxis keinen effizienten Markteintritt gewährleiste und zum anderen für Morgan Stanley kein Ersatz für das Acquiring-Geschäft im eigenen Namen sei.

74      Mit dem zweiten Teil machen die Klägerinnen geltend, die verschiedenen von der Kommission vorgebrachten Begründungen wiesen tatsächliche Fehler und Beurteilungsfehler auf. So sei die Kommission als Erstes zu Unrecht der Ansicht gewesen, dass Fronting‑Vereinbarungen von internationalen Großbanken nicht genutzt würden.

75      Als Zweites sei das Vorbringen falsch, dass eine Fronting-Vereinbarung Morgan Stanley nicht erlaubt hätte, eine auf der Zusammenführung des Acquiring‑ und des Ausgabegeschäfts beruhende Strategie zu verfolgen. Außerdem sei dieses Vorbringen, soweit es sich auf eine Händlergeschäftstrategie „on-us“ beziehe, für unzulässig zu erklären, da es erstmals in der angefochtenen Entscheidung erwähnt und den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren nicht zur Kenntnis gebracht worden sei.

76      Als Drittes sei die Kommission zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass Morgan Stanley einen Fronting-Partner schwer hätte finden können. Die Kommission habe erstens ohne Grund die auf dem Acquiring-Markt tätigen Großbanken ausgeschlossen, zweitens die Möglichkeiten unterschätzt, einen Fronting-Partner unter den nicht auf diesem Markt tätigen Visa-Mitgliedern zu finden, und drittens die Möglichkeit für Morgan Stanley außer Acht gelassen, eine Fronting-Vereinbarung mit einer ausländischen Bank zu schließen.

77      Als Viertes sei die Behauptung falsch, dass Fronting-Vereinbarungen zu zusätzlichen Kosten und Komplikationen führten. Insbesondere sei Kapitel 2.10 der regionalen Geschäftsbestimmungen von Visa Europe, auf das die Kommission in der angefochtenen Entscheidung Bezug nehme, nicht auf Fronting-Vereinbarungen anwendbar. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Visa-Mitglieder auch Kundenwerbungskosten hätten. Nach der Zeugenaussage eines der Geschäftsführer eines Datenverarbeitungsunternehmens seien Fronting‑Vereinbarungen nicht weniger effizient als das unmittelbare Händlergeschäft als Visa-Mitglied, sondern wiesen im Gegenteil Vorteile für den De-facto-Acquiring-Dienstleister auf. Schließlich habe die Kommission zu Unrecht mit der Begründung, dass Morgan Stanley auch Mitglied des MasterCard-Kartenzahlungsnetzes (im Folgenden: MasterCard-System) sei, das Bestehen „weiterer Ineffizienzen“ beim Abschluss einer Fronting-Vereinbarung hervorgehoben.

78      Die Kommission hält diesen Klagegrund für unbegründet.

 Würdigung durch das Gericht

79      Der vorliegende Klagegrund impliziert die Prüfung, ob und unter welchen Umständen die Kommission aus der Möglichkeit für Morgan Stanley, eine Fronting-Vereinbarung mit einem Visa-Mitglied zu schließen, hätte ableiten müssen, dass das streitige Verhalten keine Abschottung des fraglichen Marktes gegenüber Morgan Stanley bewirkte.

80      Vorab ist festzustellen, dass zwischen den Parteien Einvernehmen über die im 110. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung vorgenommene und nachstehend wiedergegebene Beschreibung von Fronting‑Vereinbarungen herrscht:

„… Fälle, in denen sich Banken praktisch aus dem Acquiring-Geschäft zurückgezogen haben und … nur als Schnittstelle (im Englischen auch als ‚front‘ bezeichnet) zwischen Visa und MasterCard auf der einen und einem externen Dienstleister auf der anderen Seite [fungieren]. In diesen Fällen übernimmt der externe Dienstleister die Verantwortung für praktisch alle Bereiche der Acquiring-Dienstleistungen und trägt das Risiko in Bezug auf den Einkommensfluss des Händlers. Im Hinblick auf die Einhaltung der systemeigenen Regeln werden die Händlerverträge im Allgemeinen zwischen drei Parteien abgeschlossen: dem Händler, dem externen Dienstleister und der Mitgliedsbank. Derartige Vereinbarungen zwischen einer Visa- bzw. MasterCard-Mitgliedsbank und einem bankfremden externen Dienstleister werden bisweilen als ‚Fronting-Vereinbarungen‘ bezeichnet.“

81      Wie oben in Randnr. 67 ausgeführt, hat die Beurteilung einer Vereinbarung, eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung oder einer abgestimmten Verhaltensweise gemäß Art. 81 Abs. 1 EG den konkreten Rahmen zu berücksichtigen, in dem diese ihre Wirkungen entfalten, insbesondere den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in dem die betroffenen Unternehmen tätig sind, die Art der betroffenen Erzeugnisse oder Dienstleistungen und die tatsächlichen Bedingungen der Funktion und der Struktur des relevanten Marktes.

82      Der Umstand, dass nach den Visa-System-Regeln das Händlergeschäft den Mitgliedern vorbehalten ist, stellt zwar einen Teil des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs dar, in dem das streitige Verhalten zu beurteilen ist. Es sind jedoch auch die übrigen Gegebenheiten zu berücksichtigen, nach denen sich die Möglichkeiten des Zugangs zu dem fraglichen Markt richten (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 28. Februar 1991, Delimitis, C‑234/89, Slg. 1991, I‑935, Randnr. 20).

83      Insoweit ist das Bestehen einer Möglichkeit für Visa nicht angegliederte Wirtschaftsteilnehmer, sich den fraglichen Markt dank des Abschlusses einer Fronting-Vereinbarung mit einem Visa-Mitglied zu erschließen, ein Bestandteil des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, der gegebenenfalls hätte berücksichtigt werden müssen, falls dieser Gesichtspunkt für Morgan Stanley eine tatsächliche und konkrete Möglichkeit dargestellt hätte, in den fraglichen Markt einzutreten und den eingesessenen Unternehmen Konkurrenz zu machen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil Delimitis, oben in Randnr. 82 angeführt, Randnr. 21).

84      Für die Prüfung, ob der Abschluss einer Fronting-Vereinbarung mit einem Visa-Mitglied für Morgan Stanley eine tatsächliche und konkrete Möglichkeit war, in den fraglichen Markt einzutreten und den eingesessenen Unternehmen Konkurrenz zu machen, sind die Wettbewerbsbedingungen auf dem fraglichen Markt zu berücksichtigen.

85      Daraus folgt zwangsläufig, dass eine in Anbetracht dieser Bedingungen unrealistische oder rein theoretische Möglichkeit, sich den fraglichen Markt zu erschließen, keine Berücksichtigung finden kann.

86      Im Rahmen des ersten, auf einen Rechtsfehler der Kommission gestützten Teils des Klagegrundes richten die Klägerinnen ihre Beanstandungen gegen folgende Formulierung der Kommission im 121. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung:

„… Unternehmen, die erwägen, in den Acquiring-Markt für Kredit- und Charge-Karten einzutreten, [können] eine solche Acquiring-Tätigkeit zwar theoretisch über Fronting-Vereinbarungen ausüben …, eine solche Vereinbarung [gewährleistet] aber in der Praxis einer Bank wie Morgan Stanley keinen effizienten Markteintritt … und [stellt] keinen Ersatz für das Acquiring-Geschäft im eigenen Namen dar …“

87      Aus diesem Erwägungsgrund allein kann kein Rechtsfehler der Kommission wegen der Anwendung eines falschen rechtlichen Kriteriums abgeleitet werden, denn ein solcher Fehler kann sich nur bei einer Prüfung der Begründung des Ergebnisses der Kommission erweisen, deren Stichhaltigkeit im Rahmen des zweiten Teils des Klagegrundes in Abrede gestellt wird. 

88      Die beiden Teile des vorliegenden Klagegrundes werden daher gemeinsam geprüft.

89      In der angefochtenen Entscheidung stützte sich die Kommission auf vier Begründungen, und zwar erstens darauf, dass die internationalen Großbanken keinen Gebrauch von Fronting-Vereinbarungen machten, zweitens auf die Unmöglichkeit für Morgan Stanley, eine auf der Zusammenführung des Acquiring‑ und des Ausgabegeschäfts beruhende Strategie über eine Fronting-Vereinbarung zu verfolgen, drittens auf die Schwierigkeit für Morgan Stanley, einen Fronting-Partner zu finden, und viertens auf die zusätzlichen Komplikationen und Kosten dieses Geschäftsmodells.

90      Hier genügt es, die Begründetheit der Ausführungen zu prüfen, mit denen die Kommission die Schwierigkeit für Morgan Stanley, einen Fronting-Partner zu finden, begründete.

91      Aus den in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Beispielen für Fronting-Vereinbarungen, aber auch aus denen, die von den Klägerinnen vorgelegt worden sind, ergibt sich, dass solche Vereinbarungen im Wesentlichen mit bereits auf dem Acquiring-Markt tätigen De-facto-Acquiring-Dienstleistern – Finanzinstituten oder Datenverarbeitungsunternehmen – geschlossen wurden und deshalb nicht den Eintritt eines neuen Wettbewerbers in den fraglichen Markt ermöglichten, sondern eher die Wettbewerbsstellung der bereits vorhandenen Marktteilnehmer stärkten.

92      Die einzigen Beispiele für einen Eintritt eines neuen Wettbewerbers in den fraglichen Markt über den Abschluss einer Fronting-Vereinbarung betreffen Datenverarbeitungsunternehmen mit engen Geschäftsbeziehungen zu dem als Fronting-Partner auftretenden Visa-Mitglied. Die Lage von Morgan Stanley ist aber aufgrund ihrer Eigenschaft als Finanzinstitut und damit Wettbewerber der Visa-Mitglieder auf anderen Märkten als dem Acquiring-Markt nicht mit der Lage von nicht im Bankgeschäft tätigen Datenverarbeitungsunternehmen vergleichbar.

93      Unter diesen Umständen ist es im Wesentlichen theoretisch und spekulativ, wenn die Klägerinnen behaupten, dass Morgan Stanley als nicht auf dem fraglichen Markt tätiges Finanzinstitut einen Fronting-Partner unter den Großbanken finden könne, die sich gegebenenfalls aus dem fraglichen Markt zurückziehen könnten, unter den nicht auf diesem Markt tätigen Visa-Mitgliedern oder unter den Visa angegliederten ausländischen Banken, die das Bankgeschäft im Vereinigten Königreich aufnehmen wollten.

94      Die Kommission ging damit zu Recht davon aus, dass es für Morgan Stanley schwierig gewesen wäre, einen Fronting-Partner zu finden. Diese Feststellung allein rechtfertigte es, dass die Kommission einen Eintritt von Morgan Stanley in den fraglichen Markt über eine Fronting-Vereinbarung verwarf.

95      Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Stichhaltigkeit des Ergebnisses der Kommission durch die darauf gestützte Begründung bestärkt wird, dass das Acquiring-Geschäft im Rahmen einer Fronting-Vereinbarung komplizierter und kostspieliger sei als für ein Visa-Mitglied.

96      Was an erster Stelle die größere Kompliziertheit des Acquiring-Geschäfts im Rahmen einer Fronting-Vereinbarung betrifft, ist die im 117. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung zu berücksichtigen, dass die Händlerverträge bei einer Fronting-Vereinbarung im Allgemeinen zwischen drei Parteien, nämlich unter Einbeziehung des Fronting-Partners, abgeschlossen werden. Die Klägerinnen stellen zwar den genauen Inhalt der Pflichten des De-facto-Acquiring-Dienstleisters bei diesem Vertragstyp in Abrede, bestreiten aber nicht die Dreiecksnatur dieser Verträge.

97      Die Kommission war auch im 118. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen der Ansicht, dass den Fronting-Partner Pflichten gegenüber Visa träfen, die ebenfalls Zwänge für den De-facto-Acquiring-Dienstleister mit sich brächten.

98      Die Klägerinnen stellen den Umfang dieser Pflichten unter Hinweis darauf in Abrede, dass das Kapitel der Geschäftsbestimmungen von Visa Europe, auf das sich die Kommission stütze, auf die De-facto-Acquiring-Dienstleister nicht anwendbar sei.

99      Festzustellen ist, dass die Klägerinnen zum einen nicht die genauen Regeln dargelegt haben, nach denen sich die jeweiligen Pflichten des Fronting-Partners und des De-facto-Acquiring-Dienstleisters richten; das ihrer Erwiderung beigefügte Formular ist insoweit unzureichend.

100    Zum anderen bestreiten die Klägerinnen nicht, dass der Fronting-Partner als Schnittstelle zwischen Visa und dem De-facto-Acquiring-Dienstleister fungiert. Aus dieser Schnittstellenfunktion kann aber vernünftigerweise auf das Bestehen von Pflichten sowohl für den Fronting-Partner als auch für den De-facto-Acquiring-Dienstleister geschlossen werden, die es nicht gibt, wenn ein Visa-Mitglied auf dem Acquiring-Markt unmittelbar tätig wird.

101    Die Kommission konnte folglich zu Recht zu dem Ergebnis gelangen, dass das Acquiring-Geschäft im Rahmen einer Fronting-Vereinbarung komplizierter sei als das Händlergeschäft für ein Visa-Mitglied, wobei die Erheblichkeit und Stichhaltigkeit ihrer Einschätzung, dass der Abschluss einer Fronting-Vereinbarung wegen der Mitgliedschaft von Morgan Stanley im MasterCard-System zu „weiteren Ineffizienzen“ führe, dahingestellt bleiben kann.

102    An zweiter Stelle bezog sich die Kommission hinsichtlich der Zusatzkosten des über eine Fronting-Vereinbarung betriebenen Acquiring-Geschäfts darauf, dass der De-facto-Acquiring-Dienstleister nicht nur seinen Fronting-Partner für den Ankauf des Acquiring-Portfolios bezahlen müsse, sondern auch Gebühren zu entrichten habe.

103    Die Klägerinnen bestreiten dies mit der Begründung, dass ein unmittelbar auf dem Acquiring-Markt tätiges Visa-Mitglied ebenfalls Ausgaben habe, namentlich für die Kundenwerbung. Die Gebühren, die der De-facto-Acquiring-Dienstleister seinem Fronting-Partner zahle, seien somit die Gegenleistung insbesondere für dessen Kundenvermittlung.

104    Diese Argumentation kann die Stichhaltigkeit der Analyse der Kommission nicht in Frage stellen. Auch wenn nämlich ein Teil der gezahlten Gebühren tatsächlich Kosten entsprechen kann, die ein unmittelbar auf dem Acquiring-Markt tätiges Visa-Mitglied in jedem Fall gehabt hätte, konnte die Kommission doch vernünftigerweise davon ausgehen, dass die Zahlungen an den Fronting-Partner auch ein Entgelt für die erbrachten Schnittstellendienstleistungen sind und zumindest teilweise Kosten ausmachen, die für ein unmittelbar auf dem Acquiring-Markt tätiges Visa-Mitglied nicht anfallen.

105    Somit hat die Kommission das Acquiring-Geschäft über eine Fronting-Vereinbarung ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler für komplizierter und kostspieliger gehalten als das Händlergeschäft für ein Visa-Mitglied.

106    Wie oben in Randnr. 84 ausgeführt, sind die Folgen solcher Erwägungen für die Behauptung der Klägerinnen, dass Morgan Stanley in den fraglichen Markt über eine Fronting-Vereinbarung hätte eintreten können, in Ansehung der Wettbewerbsbedingungen auf dem genannten Markt zu prüfen.

107    Die Kommission sah zwei für den Marktzugang eines neuen Beteiligten günstige Faktoren gegeben, nämlich die Möglichkeit, Wettbewerb über andere Variable als den Preis, insbesondere die Dienstleistungsqualität, auszuüben, und das Bestehen einfacher und kostengünstiger Verfahren zum Wechsel des Acquiring-Dienstleisters für die Händler.

108    Die Kommission stellte jedoch in der angefochtenen Entscheidung auch fest, dass die Struktur des fraglichen Marktes durch einen hohen Konzentrationsgrad gekennzeichnet sei, ohne dass die Klägerinnen dem widersprochen hätten. So ergibt sich aus den Erwägungsgründen 166 bis 168 der angefochtenen Entscheidung, dass nach den der Kommission vorliegenden Informationen im Jahr 2003 die beiden wichtigsten Acquiring-Dienstleister 61 % und die vier größten Acquiring-Dienstleister 90 % des Acquiring-Marktes ausmachten und dass sich vier Acquiring-Dienstleister den Rest des Marktes teilten. Die Kommission hob im 169. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auch eine Konsolidierungstendenz auf diesem Markt hervor und verwies dafür darauf, dass mehrere mittelgroße Acquiring-Dienstleister ihr Acquiring-Geschäft an einige wenige Finanzinstitute und Datenverarbeitungsunternehmen abgegeben oder diese damit beauftragt hätten.

109    Auch wurde in der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass der letzte Eintritt in den fraglichen Markt auf das Jahr 1996 zurückgehe und dass keines der von der Kommission befragten Finanzinstitute eine Markterschließung beabsichtige.

110    Somit ist festzustellen, dass die Struktur des Acquiring-Marktes trotz der von der Kommission für den Zugang eines neuen Marktbeteiligten als günstig erachteten Faktoren den Eintritt von Morgan Stanley in den fraglichen Markt über eine Fronting-Vereinbarung, die sie von vornherein gegenüber ihren auf diesem Markt eingesessenen Hauptwettbewerbern benachteiligen würde, wenig plausibel macht.

111    Nach alledem ist das Ergebnis der Kommission, mit dem die Annahme eines Markteintritts von Morgan Stanley über eine Fronting-Vereinbarung verworfen wird, mit den Überlegungen im Zusammenhang mit der Schwierigkeit, einen Fronting-Partner zu finden, und darüber hinaus noch mit den Erwägungen betreffend die durch Fronting-Vereinbarungen verursachten zusätzlichen Komplikationen und Kosten hinreichend begründet. Die Kommission hat somit entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kein falsches rechtliches Kriterium angewandt.

112    Daher sind die weiteren Beanstandungen nicht zu prüfen, die sich gegen die von der Kommission gegebene Begründung richten, dass die internationalen Großbanken keinen Gebrauch von Fronting-Vereinbarungen machten und es unmöglich sei, eine auf der Zusammenführung des Acquiring- und des Ausgabegeschäfts beruhende Strategie zu verfolgen. Die Behauptung der Klägerinnen, dass das Vorbringen der Kommission im Zusammenhang mit der angeblichen Absicht von Morgan Stanley, eine Händlergeschäftstrategie „on-us“ zu verfolgen, unzulässig sei, kann somit dahingestellt bleiben.

113    Der erste Klagegrund ist mithin zurückzuweisen.

b)     Zum dritten Klagegrund: Auswirkungen einer Präsenz von Morgan Stanley auf dem fraglichen Markt auf den Wettbewerb

114    Im Rahmen dieses Klagegrundes rügen die Klägerinnen, die Kommission habe erstens bei der Bewertung der Auswirkungen des streitigen Verhaltens auf den Wettbewerb ein wirtschaftlich und rechtlich falsches Kriterium angewandt, und sie habe zweitens den auf dem fraglichen Markt herrschenden Grad an Wettbewerb unterschätzt. Sie beanstanden auch die Analyse der Kommission hinsichtlich der Auswirkungen, die ein Eintritt von Morgan Stanley in den fraglichen Markt hätte haben können.

 Zum ersten Teil des Klagegrundes: Anwendung eines wirtschaftlich und rechtlich falschen Kriteriums

–       Vorbringen der Parteien

115    Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie ein wirtschaftlich und rechtlich falsches Kriterium, nämlich das des „Raums für mehr Wettbewerb“ auf dem fraglichen Markt, angewandt, gleichzeitig aber die Wirksamkeit dieses Wettbewerbs eingeräumt habe.

116    Unter Wettbewerb im Sinne der Art. 3 Abs. 1 Buchst. g EG und 81 EG sei ein wirksamer Wettbewerb zu verstehen. Somit sei es kein Ziel des Vertrags, einen Wettbewerb auf einem höheren Niveau als dem der Wirksamkeit sicherzustellen, und die Kommission habe, indem sie die Verweigerung der Mitgliedschaft gegenüber Morgan Stanley aus diesem Grund geahndet habe, ein falsches Kriterium angewandt.

117    Unter Bezugnahme auf das Gemeinsame Sachverständigengutachten machen die Klägerinnen geltend, der Wettbewerb sei schon seiner Natur nach ein dynamischer Prozess, der unabhängig von seinem Wirksamkeitsgrad stets eine Steigerung erfahren könne. Die Ansicht der Kommission laufe somit darauf hinaus, dass es niemals wirksamen Wettbewerb auf einem Markt geben könne.

118    Die Behauptung der Kommission in ihrer Klagebeantwortung, dass die Verhinderung eines Markteintritts immer als wettbewerbswidrig angesehen worden sei, werde mit keiner Fundstelle in der Rechtsprechung belegt. Sie sei auch gleichbedeutend damit, den Klägerinnen vorzuwerfen, dass das streitige Verhalten eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt habe, während die angefochtene Entscheidung auf die Wirkungen der Verweigerung der Mitgliedschaft gegenüber Morgan Stanley gestützt sei. Schließlich stehe diese Sichtweise in völligem Widerspruch zu der Rechtsprechung, indem sie impliziere, dass es eine Beschränkung unabhängig von dem Grad an Wettbewerb auf dem fraglichen Markt geben könne. Sie stehe auch in Widerspruch zu bestimmten von der Kommission veröffentlichten Dokumenten, insbesondere ihren Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 [EG] (ABl. 2004, C 101, S. 97). So ergebe sich aus deren Fn. 31, dass es der Standpunkt der Kommission selbst sei, dass Art. 81 EG den Wettbewerb auf dem Markt zum Vorteil der Verbraucher schützen solle.

119    Die Klägerinnen wenden sich gegen das Vorbringen in der Klagebeantwortung, nach dem sich der Markteintritt eines neuen Konkurrenten auf den Wettbewerb in manchen Untersektoren des fraglichen Marktes in größerem Umfang auswirken könne, als das Gesamtbild des Acquiring-Marktes erahnen lasse. Dieses Vorbringen finde sich zwar in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, sei aber von der Kommission, nachdem es von den Klägerinnen zurückgewiesen worden sei, in der angefochtenen Entscheidung nicht wieder aufgegriffen worden.

120    Die Kommission weist das Vorbringen der Klägerinnen zurück.

–       Würdigung durch das Gericht

121    Die Klägerinnen stützen sich für ihr Vorbringen, dass ein Rechtsfehler vorliege, im Wesentlichen darauf, dass die Kommission einerseits im 200. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich nicht behaupte, dass der Wettbewerb auf dem fraglichen Markt „nicht wirksam“ sei, andererseits aber in den Erwägungsgründen 187 und 200 der angefochtenen Entscheidung davon spreche, dass es „Raum für mehr Wettbewerb“ auf dem fraglichen Markt gebe. Die Bezugnahme der Klägerinnen auf das Gemeinsame Sachverständigengutachten wird dabei nur in den oben in Randnr. 53 genannten Grenzen zu berücksichtigen sein.

122    Bei der Prüfung der Begründetheit dieses Vorbringens sind sämtliche Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung zu berücksichtigen, die der Untersuchung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen des streitigen Verhaltens im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG gewidmet sind.

123    Dabei ergibt sich, dass sich die Kommission auf mehrere Gesichtspunkte stützte, die zum einen den auf dem fraglichen Markt herrschenden Grad an aktuellem Wettbewerb und zum anderen den potenziellen Wettbewerb betreffen. Zum ersten Aspekt vertrat sie, wie bereits oben in den Randnrn. 108 und 109 ausgeführt, die Ansicht, dass die Struktur des fraglichen Marktes durch einen hohen Konzentrationsgrad gekennzeichnet sei und Konsolidierungstendenzen aufweise. Zum potenziellen Wettbewerb war sie in den Erwägungsgründen 169 bis 174 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen der Auffassung, dass sich dieser auf große internationale Banken oder Datenverarbeitungsunternehmen beschränke, die die erforderliche Größenordnung erreichen könnten, um mit den aktuellen Acquiring-Dienstleistern in Wettbewerb treten zu können. Sie stellte fest, dass Morgan Stanley der einzige potenzielle Marktneuling sei, der seine Absicht zum Ausdruck gebracht habe, in diesen Markt einzutreten.

124    Diese Analyse weist nicht den von den Klägerinnen behaupteten Rechtsfehler auf.

125    Zum einen nämlich stützt sich nach der oben in Randnr. 68 angeführten Rechtsprechung die Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten Markt nicht nur auf den gegenwärtigen Wettbewerb, den sich die bereits auf dem fraglichen Markt tätigen Unternehmen liefern, sondern auch auf den potenziellen Wettbewerb.

126    Zum anderen folgt aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch, dass Art. 81 EG wie die übrigen Wettbewerbsregeln des Vertrags nicht nur dazu bestimmt ist, die Interessen der Wettbewerber oder Verbraucher zu schützen, sondern auch die Struktur des Marktes und damit den Wettbewerb als solchen (Urteile des Gerichtshofs vom 4. Juni 2009, T‑Mobile Netherlands u. a., C‑8/08, Slg. 2009, I‑4529, Randnr. 38, und vom 6. Oktober 2009, GlaxoSmithKline Services u. a./Kommission, C‑501/06 P, C‑513/06 P, C‑515/06 P und C‑519/06 P, Slg. 2009, I‑9291, Randnr. 63).

127    Demzufolge richtete sich die Kommission, als sie ihre Beurteilung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen des streitigen Verhaltens auf den von Morgan Stanley ausgehenden potenziellen Wettbewerb und auf die Struktur des fraglichen Marktes stützte, an einer zutreffenden Auslegung von Art. 81 Abs. 1 EG aus und beging somit nicht den von den Klägerinnen behaupteten Rechtsfehler.

128    Was außerdem konkret den 200. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung betrifft, wird darin, wie bereits oben in den Randnrn. 60 bis 62 ausgeführt, von der Kommission nur in Erwiderung auf das Vorbringen der Klägerinnen im Verwaltungsverfahren zugestanden, dass auf dem fraglichen Markt ein gewisser Grad an Wettbewerb zwischen den Beteiligten herrscht.

129    Dieses Zugeständnis steht jedoch der Annahme nicht entgegen, dass das streitige Verhalten die von der Kommission erkannten wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen hervorrufen konnte.

130    Erstens liefe, folgte man dem Vorbringen der Klägerinnen, dies darauf hinaus, die Untersuchung der Auswirkungen des streitigen Verhaltens auf den potenziellen Wettbewerb von der Prüfung des auf dem fraglichen Markt aktuell herrschenden Grads an Wettbewerb abhängig zu machen. Dies stünde in Widerspruch zu der oben in Randnr. 68 angeführten Rechtsprechung, nach der sich die Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten Markt nicht nur auf den gegenwärtigen Wettbewerb, den sich die bereits auf dem fraglichen Markt tätigen Unternehmen liefern, sondern auch auf den potenziellen Wettbewerb stützen muss.

131    Zweitens konnte die Kommission in Anbetracht der Merkmale des fraglichen Marktes zu Recht die Auffassung vertreten, dass der Eintritt eines Marktneulings den Wettbewerb auf einem durch einen hohen Konzentrationsgrad gekennzeichneten Markt hätte erhöhen können. Folglich haftet der Formulierung „Raum für mehr Wettbewerb“ in den Erwägungsgründen 187 und 200 der angefochtenen Entscheidung nicht der von den Klägerinnen behauptete Fehler an.

132    Der erste Teil des Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des Klagegrundes: falsche Analyse des auf dem fraglichen Markt herrschenden Grads an Wettbewerb

–       Vorbringen der Parteien

133    Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Kommission habe offenkundig die Intensität des tatsächlich auf dem Acquiring-Markt herrschenden Wettbewerbs unterschätzt. Sie werfen ihr im Wesentlichen vor, dass sie die von ihr berücksichtigten Anhaltspunkte, mit denen sie überwiegend einverstanden seien, falsch gewürdigt und inkohärente Schlussfolgerungen daraus gezogen habe. Eine zutreffende Analyse dieser Anhaltspunkte hätte die Kommission zu dem Ergebnis führen müssen, dass auf dem Acquiring-Markt intensiver Wettbewerb geherrscht habe.

134    Als Erstes habe sich die Kommission zu Unrecht auf die Zahl der Akteure auf dem fraglichen Markt und auf dessen Konsolidierungstendenz gestützt, da solche Indikatoren für sich allein genommen für die Beurteilung des Wettbewerbsniveaus auf dem Markt nicht ausschlaggebend seien. Die Kommission hätte ihre Analyse nach Ansicht der Klägerinnen vielmehr auf die Wettbewerbsindikatoren der Markteintrittsmöglichkeit, der Entwicklung der Marktanteile, der Entwicklung der von den Händlern an die Händlerbanken gezahlten Gebühren, des nichttariflichen Wettbewerbs und der Wechsel der Händler von einem Acquiring-Dienstleister zu einem anderen stützen müssen.

135    An zweiter Stelle werfen die Klägerinnen der Kommission vor, sie habe nicht alle Schlussfolgerungen aus den ihr vorgelegten Beweisen gezogen.

136    Erstens habe die Kommission beispielsweise den Markteintritt von De-facto-Acquiring-Dienstleistern – weil sie schlicht ihren Fronting-Partner auf dem Markt ersetzt hätten – als Beitrag zu einer stärkeren Marktkonsolidierung angesehen, gleichzeitig aber eingeräumt, dass diese neuen Marktbeteiligten zur Verbesserung der Acquiring‑Dienstleistungen und zur Verringerung von deren Kosten beitragen könnten. Aus der angefochtenen Entscheidung selbst ergebe sich insoweit, dass manche De-facto-Acquiring-Dienstleister Allianzen mit Banken ohne Ausgabegeschäft oder mit ausländischen Banken eingegangen seien.

137    Zweitens habe die Kommission, obwohl sie eingeräumt habe, dass manche ausländischen Banken in den Acquiring-Markt im Vereinigten Königreich eingetreten seien, dieses Phänomen zu Unrecht unter Verweis darauf außer Acht gelassen, dass es sich um eine „Nischenerscheinung“ handele, während sich aus den ihr vorliegenden Beweisen ergebe, dass der Anteil der grenzüberschreitenden Acquiring-Dienstleister am Gesamtumsatz zwischen 2002 und 2004 um die Hälfte gestiegen sei. Außerdem habe sich die Kommission im Wesentlichen auf die Analyse des von den grenzüberschreitenden Acquiring-Dienstleistern ausgehenden aktuellen Wettbewerbs beschränkt und damit die durch diese verkörperte potenzielle Konkurrenz unberücksichtigt gelassen.

138    Drittens habe die Kommission anerkannt, dass der fragliche Markt durch einfache und kostengünstige Verfahren für einen Wechsel des Acquiring-Dienstleisters gekennzeichnet sei, woraus sie die Schlussfolgerung hätte ziehen müssen, dass diese leichte Wechselmöglichkeit zu einem intensiven Wettbewerb zwischen den bereits auf diesem Markt tätigen Unternehmen führe.

139    An dritter Stelle beanstanden die Klägerinnen, die Kommission habe sich auf die Erfahrung gestützt, die bei dem letzten Eintritt einer Bank in den fraglichen Markt im Jahr 1996 gemacht worden sei, ohne sich über das damals herrschende Wettbewerbsniveau kundig zu machen. Aus dem Gemeinsamen Sachverständigengutachten ergebe sich aber, dass der Wettbewerb auf dem damaligen Markt nicht so wirksam gewesen sei, was dieser Erfahrung jegliche Relevanz nehme.

140    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet, weshalb es zurückzuweisen sei.

–       Würdigung durch das Gericht

141    Die Klägerinnen sind im Wesentlichen der Ansicht, die Kommission habe sowohl den auf dem fraglichen Markt herrschenden Grad an aktuellem Wettbewerb als auch den potenziellen Wettbewerb unterschätzt. Sie halten es auch nicht für gerechtfertigt, dass die Kommission die Auswirkungen des letzten Eintritts in den fraglichen Markt im Jahr 1996 auf den Wettbewerb berücksichtigte.

142    An erster Stelle ist zu dem aktuellen Wettbewerb auf dem fraglichen Markt festzustellen, dass es gerechtfertigt war, dass die Kommission ihre Analyse auf die Zahl der auf diesem Markt tätigen Beteiligten und auf dessen Konsolidierungstendenz stützte, denn solche mit der Struktur des fraglichen Marktes zusammenhängenden Gesichtspunkte sind in Anbetracht der oben in Randnr. 126 angeführten Rechtsprechung besonders relevant.

143    Was genauer die Auswirkungen auf den Wettbewerb betrifft, die die Präsenz mehrerer De-facto-Acquiring-Dienstleister auf dem fraglichen Markt haben konnte, war die Kommission im 115. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung der Ansicht, dass ein De-facto-Acquiring-Dienstleister in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle eine auf dem Acquiring-Markt tätige Bank ersetzt habe. Sie betonte im 169. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen auch, dass die Präsenz der als De-facto-Acquiring-Dienstleister handelnden Großbanken und Datenverarbeitungsunternehmen insoweit zu einer Marktkonsolidierung beitrage, als sie dazu tendierten, die Tätigkeit von kleineren Acquiring-Dienstleistern zu übernehmen, die sich aus dem Markt zurückziehen wollten.

144    Diese Analyse erscheint nicht offenkundig falsch, und die Beanstandungen, die die Klägerinnen dagegen erheben, überzeugen nicht. So steht der Umstand, dass die fraglichen De-facto-Acquiring-Dienstleister zur Verbesserung der Acquiring‑Dienstleistungen und zur Verringerung von deren Kosten beitragen können mögen, nicht in Widerspruch zu dem auf die Struktur des fraglichen Marktes gestützten Ansatz der Kommission.

145    Zu den von den Klägerinnen angeführten Beispielen von De-facto-Acquiring-Dienstleistern, die Allianzen mit Banken ohne Ausgabegeschäft oder mit ausländischen Banken eingegangen seien, ist festzustellen, dass diese Vereinbarungen im Allgemeinen nicht zum Eintritt eines Neulings in den fraglichen Markt führten, sondern die Stellung der darauf bereits tätigen Acquiring-Dienstleister stärkten.

146    Dazu, dass die Kommission das Bestehen einfacher und kostengünstiger Verfahren für einen Wechsel des Acquiring-Dienstleisters einräumte, genügt der Hinweis, dass sie, wie oben in den Randnrn. 129 bis 131 ausgeführt, durchaus das Bestehen von Wettbewerb zwischen den Beteiligten auf dem fraglichen Markt anerkennen und gleichzeitig zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass der Ausschluss eines potenziellen Wettbewerbers wettbewerbsbeschränkende Wirkungen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG gehabt habe.

147    An zweiter Stelle ist zu dem potenziellen Wettbewerb auf dem fraglichen Markt darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 169 bis 174 der angefochtenen Entscheidung aus dem hohen Konzentrationsgrad und der auf dem fraglichen Markt beobachteten Konsolidierung die Schlussfolgerung zog, dass potenzieller Wettbewerb nur von großen internationalen Banken oder Datenverarbeitungsunternehmen herrühren könne, die die erforderliche Größenordnung erreichen könnten, um mit den aktuellen Acquiring-Dienstleistern in Wettbewerb treten zu können. Sie berücksichtigte insbesondere, dass ein rentables Acquiring-Geschäft für die Unternehmen ein großes Geschäftsvolumen und Größenvorteile voraussetze. In diesem Zusammenhang betonte sie, dass im Acquiring-Geschäft ein hoher Transaktionsumsatz wichtig sei, da die Haupteinkünfte der Acquiring-Dienstleister, nämlich die den Händlern in Rechnung gestellten Gebühren, in Form eines Prozentsatzes des Wertes der getätigten Transaktionen berechnet würden.

148    Gestützt auf eine von den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren vorgelegte Liste hielt sie außer Morgan Stanley neun im Vereinigten Königreich ansässige Finanzinstitute für potenzielle Wettbewerber. Dieser Ansicht der Kommission treten die Klägerinnen nicht ausdrücklich entgegen.

149    Die Beanstandungen der Klägerinnen beziehen sich nämlich auf die Nichtberücksichtigung des potenziellen Wettbewerbs durch die grenzüberschreitenden Acquiring-Dienstleister. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass trotz des von den Klägerinnen in Bezug genommenen Zuwachses seitens der grenzüberschreitenden Acquiring-Dienstleister zwischen 2002 und 2004 den Erwägungsgründen 65 bis 68 der angefochtenen Entscheidung, deren Inhalt nicht bestritten wird, zu entnehmen ist, dass die Händleranbindung durch die wichtigsten grenzüberschreitenden Acquiring-Dienstleister im Jahr 2004 nur 0,3 % aller Mitgliedshändler ausmachte. In Anbetracht dieser Zahl war die Kommission zu Recht der Ansicht, dass die Wettbewerbsbedingungen im Verhältnis der verschiedenen nationalen Acquiring-Märkte in Europa zueinander nicht so homogen seien, dass das grenzüberschreitende Acquiring-Geschäft Wettbewerbsdruck auf die Beteiligten des fraglichen Marktes ausüben könne, und dass die Bewertung des potenziellen Wettbewerbs deshalb innerhalb des Kreises der Marktbeteiligten im Vereinigten Königreich zu geschehen habe.

150    An dritter Stelle genügt zu der Beanstandung, dass die Kommission den letzten Eintritt einer Bank in den relevanten Markt im Jahr 1996 berücksichtigt habe, der Hinweis, dass der Ansatz der Kommission, die Wettbewerbswirkungen des zuletzt erfolgten Eintritts in den fraglichen Markt zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung zu untersuchen, nicht auf fehlerhafte Erwägungen zurückgeht.

151    Außerdem ergibt sich aus dem 181. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass dieser Markteintritt im Kontext eines Preisrückgangs stattfand, der durch den Eintritt der betreffenden Bank beschleunigt wurde. Es besteht also eine nicht zu leugnende Ähnlichkeit mit der Marktlage während des relevanten Zeitraums, die ebenfalls durch einen Rückgang der den Händlern in Rechnung gestellten Preise gekennzeichnet war. Ein solches Beispiel dient daher dem Nachweis, dass ein Preisrückgang auf dem Bezugsmarkt, der durch den Wettbewerb zwischen den dort aktuell tätigen Unternehmen bedingt ist, nicht die Auswirkungen mindert, die der Eintritt eines Marktneulings auf den Wettbewerb haben könnte. In Anbetracht der Fallumstände war dieses Beispiel somit von besonderer Relevanz.

152    Der zweite Teil des Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil des Klagegrundes: unzureichende und fehlerhafte Analyse der Auswirkungen der Verweigerung der Mitgliedschaft gegenüber Morgan Stanley auf den Wettbewerb

–       Vorbringen der Parteien

153    Nach Ansicht der Klägerinnen hat die Kommission gegen ihre Verpflichtung zu einer vergleichenden Prüfung der Wettbewerbslage auf dem fraglichen Markt ohne Beteiligung von Morgan Stanley und der Lage, wie sie sich bei einer Aufnahme von Morgan Stanley bei Visa vor September 2006 dargestellt hätte, verstoßen.

154    Im Rahmen einer ersten Rüge werfen die Klägerinnen der Kommission einen Rechtsfehler vor, der darin liege, dass sie nicht die Kriterien aus dem Urteil European Night Services u. a./Kommission (oben in Randnr. 67 angeführt) auf die Markteintrittsmöglichkeiten von Morgan Stanley angewandt habe, weil sie sich mit deren erklärter Absicht, sich den Acquiring-Markt im Vereinigten Königreich zu erschließen, begnügt habe.

155    Die Klägerinnen stellen die von der Kommission vorgenommene Analyse der Eintrittsmöglichkeiten von Morgan Stanley in den Acquiring-Markt im Vereinigten Königreich der in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Analyse in Bezug auf den potenziellen Eintritt des Discover-Systems in den europäischen Markt für Zahlungskartensysteme gegenüber, für die sich die Kommission auf das Fehlen von Anhaltspunkten wie der Ankündigung einer offiziellen Einführung bezogen habe, die die Umsetzung einer Markteintrittsstrategie belegen könnten. Darin sehen sie eine konsequente Anwendung der Kriterien aus dem in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Urteil des Gerichts vom 3. April 2003, BaByliss/Kommission (T‑114/02, Slg. 2003, II‑1279). Sie werfen der Kommission vor, dieselben Kriterien bei der Feststellung, ob Morgan Stanley ein potenzieller Neuling auf dem Acquiring-Markt im Vereinigten Königreich gewesen sei, außer Acht gelassen zu haben.

156    Der theoretische Charakter der Analyse der Kommission sei auch nicht mit ihren Leitlinien für vertikale Beschränkungen (ABl. 2000, C 291, S. 1) vereinbar.

157    Im Rahmen einer zweiten Rüge beanstanden die Klägerinnen, die Kommission habe allein auf der Grundlage einer angeblich „feststehenden Absicht“ von Morgan Stanley, die mit keinem unabhängigen Beweis belegt worden sei, als Postulat zugrunde gelegt, dass sich Morgan Stanley, wenn sie erst einmal Visa-Mitglied geworden wäre, den Acquiring-Markt erschlossen hätte. Ihrer Ansicht nach wollte Morgan Stanley Visa nicht beitreten, um, wie von der Kommission behauptet, eine besondere, das Acquiring-Geschäft einbeziehende Strategie umzusetzen, sondern sei allein an der Möglichkeit interessiert gewesen, Visa-Karten auszugeben. Sie wenden sich insoweit gegen die Auslegung der Beschwerde von Morgan Stanley durch die Kommission.

158    Die erklärte Absicht von Morgan Stanley, sich den Acquiring-Markt zu erschließen, sei nach Einreichung der Beschwerde in einem internen Dokument ohne Beweiskraft, dem Händlergeschäftstrategieplan Europa aus dem Juni 2002, zu Tage getreten. Auch sei das zweite Dokument, auf das sich die Kommission stütze, der Umsetzungsplan von Morgan Stanley, Bestandteil von Anhang 57 des zweiten Sachverhaltsschreibens und müsse aus den oben in den Randnrn. 42 und 44 wiedergegebenen Gründen für unzulässig erklärt werden. Jedenfalls habe es keine Beweiskraft. Ferner habe die Kommission zu Unrecht außer Acht gelassen, dass Morgan Stanley nach ihrem Visa-Beitritt keine Anstrengungen zur Erschließung des Acquiring-Marktes unternommen, sondern sich allein auf die Ausgabe von Visa-Karten konzentriert habe, die ihr eigentliches Ziel gewesen sei.

159    Im Rahmen ihrer dritten Rüge werfen die Klägerinnen der Kommission vor, die möglichen Auswirkungen eines Markteintritts von Morgan Stanley auf den auf dem fraglichen Markt herrschenden Wettbewerb nicht selbst eingehend geprüft zu haben. Die Schlussfolgerungen der Kommission zu den positiven Folgen, die der Markteintritt von Morgan Stanley angeblich für den Wettbewerb gehabt hätte, seien nur nicht belegte Behauptungen.

160    Insbesondere wäre Morgan Stanley nach Ansicht der Klägerinnen in Anbetracht der Marktmerkmale nicht in der Lage gewesen, der Qualität und dem Preis der bereits auf dem fraglichen Markt angebotenen Dienstleistungen einen Mehrwert hinzuzufügen. Die Klägerinnen wenden sich auch gegen die verschiedenen Gesichtspunkte, anhand deren die Kommission Morgan Stanley als „effizienten, großen und erfahrenen Acquiring-Dienstleister“ eingestuft habe. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, unterschiede sie das jedenfalls nicht im Geringsten von den bereits auf dem fraglichen Markt tätigen Acquiring-Dienstleistern. Keiner der von der Kommission vorgebrachten Gesichtspunkte zeige irgendeine Überlegenheit von Morgan Stanley im Vergleich zu den bereits vorhandenen Acquiring-Dienstleistern.

161    Nach Auffassung der Kommission sind diese Rügen zurückzuweisen.

–       Würdigung durch das Gericht

162    Die erste Rüge der Klägerinnen, wonach die Kommission bei der Beurteilung der Möglichkeit eines Eintritts von Morgan Stanley in den fraglichen Markt ein rechtlich falsches Kriterium angewandt habe, richtet sich im Kern gegen den Nachweis der Eigenschaft von Morgan Stanley als potenzieller Wettbewerber durch die Kommission.

163    Die Beanstandungen der Klägerinnen gründen im Wesentlichen darauf, dass sich die Kommission mit der erklärten Absicht von Morgan Stanley, sich den fraglichen Markt zu erschließen, begnügt habe.

164    Die Klägerinnen beziehen sich auch auf die von der Kommission in ihren Leitlinien für vertikale Beschränkungen gegebene Definition eines „potenziellen Lieferanten“. Daraus ergebe sich, dass die rein theoretische Möglichkeit eines Marktzutritts nicht ausreiche und dass der Markteintritt innerhalb eines Jahres möglich sein müsse.

165    An erster Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Markterschließungsabsicht von Morgan Stanley nicht der einzige Gesichtspunkt ist, auf den sich die Kommission stützte, als sie auf die Eigenschaft von Morgan Stanley als potenzieller Wettbewerber schloss. Der angefochtenen Entscheidung und insbesondere ihren Erwägungsgründen 190 bis 198 ist nämlich zu entnehmen, dass die Kommission zu dieser Schlussfolgerung im Wesentlichen gestützt auf zwei Begründungen gelangte, die sich zwar auf die Markterschließungsabsicht von Morgan Stanley beziehen, aber auch ihre Markterschließungsfähigkeit. Zu diesem zweiten Gesichtspunkt stellte sie fest, dass Morgan Stanley über eine langjährige Erfahrung im Händlergeschäft verfüge. Sie verwies auch über die von Morgan Stanley in ihrer Eigenschaft als Mitglied des MasterCard-Systems erworbene Erfahrung mit den für ein Vierparteiengeflecht typischen Regeln und Verfahren. Auf dieser Grundlage gelangte sie im 198. Erwägungsgrund zu folgender Schlussfolgerung:

„… Morgan Stanley [zählt] angesichts des … Konsolidierungsprozesses auf den Acquiring-Märkten zu den wenigen großen internationalen Banken, die als potenzielle effiziente Acquiring-Banken im gesamteuropäischen Rahmen eingestuft werden können. Sie ist daran interessiert, im Vereinigten Königreich und in anderen EWR-Staaten in das inländische Acquiring-Geschäft ebenso einzutreten wie in das grenzüberschreitende Acquiring-Geschäft, von dem sie ohne Visa-Mitgliedschaft ebenfalls ausgeschlossen war.“

166    An zweiter Stelle ergibt sich in Bezug auf die rechtlichen Kriterien für die Prüfung, ob Morgan Stanley ein potenzieller Wettbewerber auf dem fraglichen Markt war, aus der oben in den Randnrn. 68 und 69 angeführten Rechtsprechung, dass die Kommission zu prüfen hatte, ob ohne die Anwendung der streitigen Regel gegenüber Morgan Stanley tatsächliche und konkrete Möglichkeiten bestanden hätten, dass diese in den Acquiring-Markt im Vereinigten Königreich eintreten und den dort eingesessenen Unternehmen Konkurrenz machen konnte.

167    Ferner folgt aus der Rechtsprechung, dass ein solcher Nachweis nicht auf einer bloßen Annahme beruhen darf, sondern durch tatsächliche Gegebenheiten oder eine Untersuchung der Strukturen des relevanten Marktes gestützt werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil European Night Services u. a./Kommission, oben in Randnr. 67 angeführt, Randnrn. 142 bis 145). So kann ein Unternehmen nicht als potenzieller Wettbewerber eingestuft werden, wenn sein Markteintritt nicht mit einer lebensfähigen wirtschaftlichen Strategie einhergeht (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichts vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, Slg. 2006, II‑1931, Randnrn. 123 bis 125).

168    Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass zwar die Markterschließungsabsicht eines Unternehmens für die Prüfung, ob es als potenzieller Wettbewerber auf dem betreffenden Markt angesehen werden kann, gegebenenfalls von Bedeutung ist, dass aber der wesentliche Gesichtspunkt, auf dem eine solche Einstufung beruhen muss, in der Markterschließungsfähigkeit des Unternehmens besteht.

169    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Beschränkung des potenziellen Wettbewerbs, den das bloße Vorhandensein eines marktfremden Unternehmens darstellen kann, nicht von dem Nachweis abhängen kann, dass dieses Unternehmen eine kurzfristige Markterschließung beabsichtigt. Das Unternehmen kann nämlich allein durch sein Vorhandensein einen Wettbewerbsdruck auf die aktuell auf dem betreffenden Markt tätigen Unternehmen auslösen, der in der Gefahr des Markteintritts eines neuen Wettbewerbers im Fall einer Steigerung der Marktanziehungskraft besteht.

170    Zu der Frage, ob auch die von der Kommission in ihren Leitlinien für vertikale Beschränkungen entwickelten Kriterien zu berücksichtigen sind, ist festzustellen, dass der Verweis der Klägerinnen auf die Definition des „potenziellen Lieferanten“ in diesen Leitlinien in Anbetracht der Fallumstände nicht einschlägig erscheint. Vielmehr ist eine Bezugnahme auf die in den Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 [EG] auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (ABl. 2001, C 3, S. 2, im Folgenden: Leitlinien zu Vereinbarungen über Zusammenarbeit) enthaltene und übrigens im Wesentlichen entsprechende Definition des „potenziellen Wettbewerbers“ geboten.

171    In Fn. 9 der Leitlinien zu Vereinbarungen über Zusammenarbeit heißt es nämlich: „Ein Unternehmen wird als potenzieller Wettbewerber angesehen, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass es ohne die Vereinbarung die notwendigen zusätzlichen Investitionen und andere erforderliche Umstellungskosten auf sich nehmen könnte und wahrscheinlich auch würde, um als Reaktion auf eine geringfügige, aber dauerhafte Heraufsetzung der relativen Preise gegebenenfalls in den Markt einzutreten. Dieser Einschätzung müssen realistische Erwägungen zugrunde liegen; die rein theoretische Möglichkeit eines Marktzutritts reicht hierzu nicht aus … Ein Marktzutritt muss so schnell erfolgen, dass diese Drohung das Verhalten der Marktteilnehmer diszipliniert. Dies bedeutet in der Regel, dass der Eintritt innerhalb einer kurzen Frist erfolgen muss“. Die Kommission nennt insoweit eine Frist von einem Jahr, führt dazu aber aus: „In Einzelfällen können jedoch auch längere Zeiträume berücksichtigt werden. Zur Ermittlung des jeweiligen Zeitraums können die Fristen herangezogen werden, die von den in dem betreffenden Markt tätigen Unternehmen benötigt werden, um ihre Kapazitäten entsprechend anzupassen.“

172    Mit dieser Definition werden die Kriterien aufgegriffen und ausgeführt, die aus der oben in den Randnrn. 166 und 167 angeführten Rechtsprechung hervorgegangen sind. Daher kann sie, weil kein Widerspruch zu der einschlägigen Rechtsprechung ersichtlich ist, für die Überprüfung herangezogen werden, ob die Kommission Morgan Stanley zu Recht als potenziellen Wettbewerber ansah.

173    An dritter Stelle ist hinsichtlich der Anwendung dieser Kriterien auf den vorliegenden Fall darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen, wie sie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt haben, nicht die Würdigung der Kommission in Bezug auf die Markterschließungsfähigkeit von Morgan Stanley in Abrede stellen.

174    So richten sich ihre Beanstandungen, indem sie im Wesentlichen auf die angeblich fehlende Markterschließungsabsicht von Morgan Stanley gestützt sind, hauptsächlich gegen Würdigungen, die aus den oben in den Randnrn. 166 bis 169 angeführten Gründen nicht der wesentliche Gesichtspunkt sein können, anhand dessen die Begründetheit der Einstufung von Morgan Stanley als potenzieller Wettbewerber beurteilt werden kann.

175    Jedenfalls kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie die Möglichkeit eines Eintritts von Morgan Stanley in den fraglichen Markt ohne das streitige Verhalten berücksichtigte.

176    So erscheint erstens die Beanstandung, die von den Klägerinnen darauf gestützt wird, dass Morgan Stanley keine konkrete Maßnahme ergriffen habe, um in den Markt einzutreten, in Anbetracht der Fallumstände nicht begründet.

177    Zum einen können, da die Visa-Mitgliedschaft eine notwendige Voraussetzung für den Eintritt in den Acquiring-Markt war, aus dem Unterbleiben einer Maßnahme wie der Umsetzung einer Markteintrittsstrategie durch Morgan Stanley vor ihrem Visa-Beitritt am 22. September 2006 keine Schlüsse gezogen werden. Dazu genügt, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Kriterien des von den Klägerinnen in Bezug genommenen Urteils BaByliss/Kommission (oben in Randnr. 155 angeführt) von der Kommission missachtet wurden, die Feststellung, dass die Umstände des vorliegenden Falles anders geartet sind als die jenem Urteil zugrunde liegenden.

178    Zum anderen ist zu dem Umstand, dass Morgan Stanley nichts unternahm, um sich nach ihrem Visa-Beitritt den Acquiring-Markt zu erschließen, darauf hinzuweisen, dass ihr die Visa-Mitgliedschaft später als sechs Jahre nach ihrem Beitrittsantrag gewährt wurde. Dieser Umstand gibt daher keinerlei Aufschluss über die mögliche Absicht oder Verhaltensweise von Morgan Stanley im Fall einer früheren Gewährung der Visa-Mitgliedschaft.

179    Zweitens bezog sich zwar Morgan Stanley in der Beschwerde an die Kommission am 12. April 2000 nicht ausdrücklich auf den Acquiring-Markt, doch verweisen mindestens zwei von Morgan Stanley stammende Dokumente auf den fraglichen Markt.

180    Zum einen betonte Morgan Stanley in ihrer Klage beim High Court of Justice am 27. September 2000, dass die Anwendung der streitigen Regel sie an der Erschließung des Acquiring-Marktes im Vereinigten Königreich gehindert habe.

181    Zum anderen stellte Morgan Stanley im Juni 2002 einen Händlergeschäftstrategieplan auf. Dieser wurde zwar den Klägerinnen nur in einer nicht vertraulichen Fassung mit zahlreichen unkenntlich gemachten Stellen übermittelt. Dennoch gehen aus diesem den Klägerinnen übermittelten Dokument verschiedene Gesichtspunkte betreffend die Analyse des Acquiring-Marktes im Vereinigten Königreich und in den anderen EWR-Vertragsstaaten hervor. Es lässt auch erkennen, was die Markteintrittsstrategie von Morgan Stanley hätte sein können.

182    Zur Beweiskraft dieser beiden Dokumente ist darauf hinzuweisen, dass im Unionsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt und dass das alleinige Kriterium für die Beurteilung von Beweismitteln ihre Glaubhaftigkeit ist (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Mannesmannröhren-Werke/Kommission, T‑44/00, Slg. 2004, II‑2223, Randnr. 84). Zur Beurteilung der Beweiskraft eines Beweises ist daher an erster Stelle die Wahrscheinlichkeit der damit vermittelten Information zu prüfen. Dabei ist namentlich zu berücksichtigen, woher das Dokument stammt, unter welchen Umständen es erstellt worden ist, an wen es gerichtet ist und ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubwürdig erscheint (Urteile des Gerichts Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 1838, und vom 27. September 2006, Dresdner Bank u. a./Kommission, T‑44/02 OP, T‑54/02 OP und T‑56/02 OP, T‑60/02 OP und T‑61/02 OP, Slg. 2006, II‑3567, Randnr. 121).

183    Die beiden in Rede stehenden Dokumente stammen zwar von Morgan Stanley und entstanden während des Verwaltungsverfahrens, was sich auf ihre Beweiskraft auswirkt.

184    In Anbetracht der Fallumstände und da, wie oben in Randnr. 177 ausgeführt, die Visa-Mitgliedschaft eine notwendige Voraussetzung für den Eintritt in den Acquiring-Markt war, konnte sich die Kommission jedoch nicht auf beweiskräftigere Anhaltspunkte wie die Umsetzung einer Markteintrittsstrategie stützen.

185    Außerdem wird die Glaubhaftigkeit dieser Beweise durch den von der Kommission hervorgehobenen Umstand verstärkt, dass Morgan Stanley Erfahrung im Händlergeschäft auf anderen Märkten besaß.

186    Daher war ein etwaiger Eintritt von Morgan Stanley in den fraglichen Markt nicht rein theoretisch, sondern vielmehr wahrscheinlich. Die Kommission konnte somit den Aussagen von Morgan Stanley zu Recht die Absicht entnehmen, sich den fraglichen Markt zu erschließen.

187    Da nach alledem zum einen die Würdigung der Kommission in Bezug auf die Markterschließungsfähigkeit von Morgan Stanley nicht in Abrede gestellt wird und zum anderen das Szenario eines Eintritts von Morgan Stanley in den fraglichen Markt nicht rein theoretisch war, beging die Kommission mit ihrer Einstufung von Morgan Stanley als potenziellen Wettbewerber keinen Rechtsfehler. Die erste Rüge ist deshalb zurückzuweisen.

188    Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Kommission in offenem Widerspruch zu der Definition in den Leitlinien zu Vereinbarungen über Zusammenarbeit, in denen von einer Jahresfrist die Rede ist, keine Einschätzung zu der Frist gab, innerhalb deren sich Morgan Stanley den fraglichen Markt hätte erschließen können.

189    Diese oben in Randnr. 171 wiedergegebene Definition zeigt nämlich, dass der wesentliche Gesichtspunkt darin besteht, dass der potenzielle Markteintritt so schnell erfolgen können muss, dass er die Marktbeteiligten diszipliniert, wobei die Jahresfrist nur als Richtwert genannt wird.

190    Die Kommission sah im 186. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung aber günstige Faktoren für den Marktzugang eines neuen Beteiligten gegeben, zu denen das Bestehen einfacher und kostengünstiger Verfahren zum Wechsel des Acquiring-Dienstleisters für die Händler zähle. Dieser Gesichtspunkt, der im Übrigen von den Klägerinnen, die sich für ihr Vorbringen darauf berufen, nicht bestritten wird, zeigt zusammen mit den Gesichtspunkten, an denen die Kommission die in den Erwägungsgründen 193 bis 198 der angefochtenen Entscheidung bejahte Markterschließungsfähigkeit von Morgan Stanley festmacht und zu denen deren langjährige Erfahrung im Händlergeschäft gehört, dass der fragliche Markteintritt rasch genug im Sinne der Definition eines potenziellen Wettbewerbers hätte erfolgen können, die von der Kommission in den Leitlinien zu Vereinbarungen über Zusammenarbeit gegeben wird. Die Analyse der Kommission steht daher nicht nur mit der oben in den Randnrn. 166 und 167 angeführten Rechtsprechung in Einklang, sondern auch mit ihren eigenen Kriterien, wie sie in den Leitlinien zu Vereinbarungen über Zusammenarbeit ausgeführt sind.

191    Die zweite Rüge der Klägerinnen, wonach die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass Morgan Stanley in den fraglichen Markt eingetreten wäre, ist aus den oben in den Randnrn. 175 bis 186 dargestellten Gründen zurückzuweisen, ohne dass die Frage geklärt zu werden braucht, ob der in Anhang 57 des zweiten Sachverhaltsschreibens enthaltene Umsetzungsplan von Morgan Stanley ein zulässiger Beweis war.

192    Auch die dritte Rüge der Klägerinnen, mit der beanstandet wird, dass die Kommission die möglichen Auswirkungen eines Eintritts von Morgan Stanley in den fraglichen Markt nicht eingehend geprüft habe, kann keinen Erfolg haben.

193    Erstens ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen ihre Sichtweise wiederholen, nach der die Untersuchung der Auswirkungen des streitigen Verhaltens auf den potenziellen Wettbewerb von der Prüfung des auf dem Markt aktuell herrschenden Grads an Wettbewerb abhängig sein soll. Wie aber oben in Randnr. 130 bereits ausgeführt worden ist, kann dem nicht gefolgt werden.

194    Zweitens beruht jedenfalls das Vorbringen der Klägerinnen im Rahmen dieser Rüge auf einem sachlich falschen Postulat, nämlich dem Bestehen eines hohen Grads an Wettbewerb auf dem fraglichen Markt. Wie bei der Befassung mit dem ersten Teil des vorliegenden Klagegrundes ausgeführt, steht der Umstand, dass zwischen den aktuellen Marktbeteiligten ein gewisser Grad an Wettbewerb herrscht, nicht den Feststellungen der Kommission zu dem hohen Konzentrationsniveau auf dem fraglichen Markt entgegen.

195    Da es sich aber um einen Markt mit sehr wenigen Wettbewerbern handelte, konnte die Kommission zu Recht die Schlussfolgerung ziehen, dass sich der Eintritt eines Marktneulings allein aufgrund dieses Umstands günstig auf die Wettbewerbslage ausgewirkt hätte, ohne dass ihr der Nachweis irgendeiner Überlegenheit des Marktneulings im Vergleich zu den bereits vorhandenen Marktbeteiligten oblag.

196    Die Erörterung im Zusammenhang mit den relativen Fähigkeiten von Morgan Stanley im Vergleich zu den auf dem fraglichen Markt vorhandenen Beteiligten geht deshalb ins Leere, weil die Klägerinnen nicht die Markterschließungsfähigkeit von Morgan Stanley bestreiten. Das Vorbringen der Klägerinnen, mit dem sie die Erfahrung und die Befähigungen von Morgan Stanley in Abrede stellen, braucht daher nicht geprüft zu werden.

197    Daher sind die dritte Rüge und somit der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

198    Nach alledem ist der Antrag auf Nichtigerklärung zurückzuweisen.

B –  Zum Antrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße

199    Nach Ansicht der Klägerinnen haften der Verhängung einer Geldbuße im vorliegenden Fall Rechts‑ und Beurteilungsfehler an, und sie begehren die Aufhebung der ihnen auferlegten Geldbuße. Hilfsweise beantragen sie eine Herabsetzung der ausgesprochenen Geldbuße der Höhe nach.

1.     Zum vierten Klagegrund: Rechts- und Beurteilungsfehler in Bezug auf die Verhängung einer Geldbuße

200    Dieser Klagegrund besteht aus drei Teilen, mit denen erstens ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und gegen das Gebot der Rechtssicherheit sowie ein Begründungsfehler gerügt werden, zweitens ein Verstoß gegen die Obliegenheit, die angefochtene Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist zu erlassen, und drittens die Nichtberücksichtigung der in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des streitigen Verhaltens bestehenden Ungewissheit.

a)     Zum ersten Teil des Klagegrundes: Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Gebot der Rechtssicherheit sowie Begründungsfehler

 Vorbringen der Parteien

201    Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, ihnen eine Geldbuße auferlegt zu haben, obwohl ihr die streitige Regel nach der Verordnung Nr. 17 bekannt gegeben worden sei. Sie heben zunächst hervor, das von der Kommission als Ausgangspunkt für die Berechnung der Geldbuße gewählte Datum sei nicht dasjenige, an dem die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) in Kraft getreten sei, sondern das Datum des Eingangs der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Die Kommission selbst erkenne so das Bestehen einer berechtigten Erwartung an, dass sie bis zu diesem Datum von einer Geldbuße verschont bleiben würden. Ferner handele es sich um die einzige Sache, in der die Kommission eine Geldbuße nach der Verordnung Nr. 1/2003 in Bezug auf eine angemeldete Vereinbarung verhängt habe.

202    Außerdem hätten die mit der Sache betrauten Beamten mehrfach zu verstehen gegeben, dass dies kein Fall sei, in dem eine Geldbuße verhängt werde.

203    Die Klägerinnen vergleichen die Verhängung einer Geldbuße gegen sie mit dem Standpunkt der Kommission in den beiden ihrer Ansicht nach vergleichbaren Sachen MasterCard (Sache COMP/34.579, im Folgenden: Sache MasterCard) und Groupement des cartes bancaires (Sache COMP/38.606, im Folgenden: Sache GCB). Sie machen geltend, die Kommission habe dort keine Geldbuße verhängt, weil die fraglichen Maßnahmen nach der Verordnung Nr. 17 angemeldet gewesen seien. Zur Sache GCB weisen die Klägerinnen im Wesentlichen darauf hin, dass sie schwerwiegender gewesen sei als die vorliegende Sache, da es zum einen nicht nur um die Bewirkung, sondern auch um die Bezweckung einer Wettbewerbsbeschränkung gegangen sei und zum anderen die fragliche Maßnahme ihre Wirkungen noch bis zum Erlass der Entscheidung der Kommission entfaltet habe.

204    Die von der Kommission in ihrer Klagebeantwortung hervorgehobenen Unterschiede werden von den Klägerinnen in Abrede gestellt.

205    An erster Stelle halten die Klägerinnen den Unterschied, dass in der Sache MasterCard die Möglichkeit einer Geldbuße in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt worden sei, für unmaßgeblich. Worauf es ankomme, sei der Grund, aus dem die Kommission in der Sache MasterCard von der Mitteilung der Beschwerdepunkte an einen anderen Standpunkt eingenommen habe, nach dem sie eine Geldbuße allein deshalb nicht habe verhängen müssen, weil eine Anmeldung vorgelegen habe.

206    An zweiter Stelle bestreiten die Klägerinnen, dass das streitige Verhalten nicht angemeldet worden sei. Zunächst ergebe sich aus der angefochtenen Entscheidung selbst und insbesondere aus ihrer Fn. 312, dass die Anwendung der streitigen Regel auf Morgan Stanley angemeldet worden sei und dass es dieser Umstand sei, der einen Erlass der Geldbuße bis zur Mitteilung der Beschwerdepunkte gerechtfertigt habe. Auch hätten sie dies während des gesamten Verwaltungsverfahrens vertreten, ohne dass die Kommission dem je widersprochen hätte. Schließlich hätten sie jedenfalls im Jahr 1990 nicht nur die streitige Regel selbst angemeldet, sondern auch mitgeteilt, dass sie Morgan Stanley als Wettbewerber eingestuft hätten. Seitdem hätten die bei der Kommission angemeldeten verschiedenen Fassungen der Geschäftsbestimmungen von Visa sämtlich darauf hingewiesen, dass Morgan Stanley als Visa-Konkurrent angesehen werde. Im Übrigen sei die Kommission schon im Juli oder August 2000 in Beantwortung eines Auskunftsersuchens über die Gründe unterrichtet worden, aus denen Morgan Stanley die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft nicht erfüllt habe.

207    An dritter Stelle bringen die Klägerinnen in Bezug auf den Vergleich mit der Sache GCB vor, da die Wirkungen der fraglichen Maßnahme trotz deren Einstellung fortgedauert hätten, könne die Einstellung nicht die unterschiedliche Behandlung zu ihren Lasten rechtfertigen. Außerdem sei in der Sache MasterCard die streitige Maßnahme nicht eingestellt worden, und doch sei keine Geldbuße verhängt worden.

208    Nach alledem liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und gegen das Gebot der Rechtssicherheit vor. Da die Kommission in der angefochtenen Entscheidung keinerlei Erklärung zu diesem Punkt gegeben habe, sei auch die Begründungspflicht verletzt.

209    Die Kommission weist das Vorbringen der Klägerinnen zurück.

 Würdigung durch das Gericht

210    Als Erstes ist zur Rüge eines Verstoßes gegen das Gebot der Rechtssicherheit darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen der Klägerinnen selbst dann keinen Erfolg haben kann, wenn man zugesteht, dass das streitige Verhalten und nicht nur die streitige Regel als Gegenstand einer Anmeldung angesehen werden könnte.

211    Erstens ergibt sich die Möglichkeit für die Kommission, eine Geldbuße wegen einer im Rahmen der Verordnung Nr. 17 angemeldeten Vereinbarung zu verhängen, aus Art. 34 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, der klarstellt, dass die Anmeldungen mit Anwendbarkeit dieser Verordnung unwirksam werden. Daraus folgt zwangsläufig, dass der Erlass der Geldbuße für die nach Art. 15 Abs. 5 der Verordnung Nr. 17 angemeldeten Vereinbarungen mit dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1/2003 endet. Die Kommission ist daher jedenfalls berechtigt, gegen die Klägerinnen eine Geldbuße wegen der Fortsetzung des streitigen Verhaltens nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1/2003 zu verhängen. Sie ist dem aber nachgekommen, indem sie als Ausgangspunkt für die Festsetzung der Geldbuße das nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1/2003 am 1. Mai 2004 liegende Datum der Mitteilung der Beschwerdepunkte, den 2. August 2004, heranzog.

212    Zweitens verfügt die Kommission über einen Ermessensspielraum bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen, da diese ein Instrument der Wettbewerbspolitik darstellen (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995, Martinelli/Kommission, T‑150/89, Slg. 1995, II‑1165, Randnr. 59). Dieser Ermessensspielraum erstreckt sich zwangsläufig auf die Frage, ob es angebracht ist, eine Geldbuße zu verhängen oder nicht (Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1997, SCK und FNK/Kommission, T‑213/95 und T‑18/96, Slg. 1997, II‑1739, Randnr. 239).

213    Drittens kann die Kommission konkret durch den Umstand, dass sie in der Vergangenheit bei Bewirkungen einer Wettbewerbsbeschränkung keine Geldbußen verhängt haben mag, nicht an der Verhängung einer Geldbuße gehindert sein, wenn diese erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln verlangt im Gegenteil, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 169 und die dort angeführte Rechtsprechung).

214    Viertens waren die Klägerinnen schließlich seit der Mitteilung der Beschwerdepunkte davon informiert, dass die Kommission die Verhängung einer Geldbuße beabsichtigte.

215    Die Kommission hat deshalb mit der Verhängung einer Geldbuße gegen die Klägerinnen in dieser Sache nicht gegen das Gebot der Rechtssicherheit verstoßen.

216    Was als Zweites die Rüge eines angeblichen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz betrifft, machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, die Kommission hätte ihnen gegenüber den gleichen Ansatz verfolgen müssen, der in den Sachen MasterCard und GCB gewählt worden sei.

217    Nach ständiger Rechtsprechung verbietet zwar der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung, dass vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 15. April 2005, Belgien/Kommission, C‑110/03, Slg. 2005, I‑2801, Randnr. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

218    Die Kommission entscheidet jedoch im besonderen Rahmen jeder einzelnen Sache in Ausübung ihres Ermessens darüber, ob es angebracht ist, eine Geldbuße zu verhängen, um die festgestellte Zuwiderhandlung zu ahnden und die Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts zu wahren (Urteil SCK und FNK/Kommission, oben in Randnr. 212 angeführt, Randnr. 239).

219    Selbst wenn jedenfalls die Kommission in den Sachen MasterCard und GCB zu Unrecht keine Geldbußen verhängt hätte, würden sich die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen letztlich auf einen zugunsten eines anderen begangenen Rechtsverstoß berufen, was dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit zuwiderliefe (vgl. Urteil des Gerichts vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T‑120/04, Slg. 2006, II‑4441, Randnr. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

220    Die Rüge eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist daher zurückzuweisen.

221    Was als Drittes die Rüge einer Verletzung der Begründungspflicht anbelangt, kommt die Kommission nach ständiger Rechtsprechung bei der Festsetzung von Geldbußen im Rahmen des Wettbewerbsrechts ihrer Begründungspflicht nach, wenn sie in ihrer Entscheidung die Beurteilungskriterien angibt, anhand deren sie die Schwere und die Dauer der begangenen Zuwiderhandlung ermessen konnte; sie ist nicht verpflichtet, darin eingehendere Ausführungen oder Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbuße zu machen (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, SGL Carbon/Kommission, T‑68/04, Slg. 2008, II‑2511, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Solche Kriterien betreffend die Schwere und die Dauer des den Klägerinnen zur Last gelegten Verhaltens lassen, wenngleich sie in erster Linie die Festsetzung der Höhe der Geldbuße betreffen, auch nachvollziehen, weshalb die Kommission die Verhängung einer Geldbuße für angebracht hielt. Da die angefochtene Entscheidung in ihren Erwägungsgründen 350 bis 370 die erforderlichen Beurteilungskriterien enthält, ist diese Rüge mithin zurückzuweisen.

222    Als Viertes ist schließlich, was die Bezugnahmen der Klägerinnen auf die angeblichen Aussagen der Kommissionsbeamten betrifft, den Schriftsätzen der Klägerinnen nicht zu entnehmen, dass ihrer Ansicht nach solche Aussagen irgendein berechtigtes Vertrauen in das Absehen von einer Geldbuße hätten entstehen lassen. Selbst wenn man ihr Vorbringen so verstehen wollte, sind jedenfalls die Voraussetzungen dafür, dass sie sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen könnten, nicht erfüllt.

223    Nach ständiger Rechtsprechung kann sich auf diesen Grundsatz jeder berufen, bei dem die Verwaltung begründete Erwartungen geweckt hat, wobei eine Verletzung des Grundsatzes nur dann geltend gemacht werden kann, wenn die Verwaltung präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite gegeben hat (vgl. Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Randnr. 152 und die dort angeführte Rechtsprechung).

224    Die von den Klägerinnen in Bezug genommenen Aussagen können aber nicht als präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen eingestuft werden, was die Klägerinnen selbst einzuräumen scheinen, wenn sie sich in ihren Schriftsätzen auf Aussagen beziehen, „die so zu verstehen waren“, dass die Kommission diesen Fall nicht als Sache ansehe, in der sie eine Geldbuße verhängen werde.

225    Nach alledem ist der erste Teil dieses Klagegrundes zurückzuweisen.

b)     Zum zweiten Teil des Klagegrundes: Verstoß gegen die Obliegenheit, die angefochtene Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist zu erlassen

 Vorbringen der Parteien

226    Nach Ansicht der Klägerinnen ist die Dauer des Verwaltungsverfahrens von mehr als sieben Jahren unentschuldbar und hat ihnen erheblichen Schaden zugefügt, was die Aufhebung der Geldbuße rechtfertige. Ohne eine solche Verspätung hätte die Kommission die Entscheidung nach der Verordnung Nr. 17 erlassen, so dass keine Geldbuße verhängt worden wäre. Nach Art. 15 Abs. 6 der Verordnung Nr. 17 könne eine Geldbuße wegen einer angemeldeten Vereinbarung nur dann verhängt werden, wenn eine förmliche Entscheidung über die Aufhebung der Ahndungsverschonung ergangen sei. Die Kommission habe aber trotz des ausdrücklichen Ersuchens von Morgan Stanley in diesem Sinne keine solche Entscheidung erlassen.

227    Außerdem sei die Beachtung einer angemessenen Frist bei der Abwicklung der Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dessen Missachtung einen Aufhebungsgrund darstellen könne, wenn die Fähigkeit des betroffenen Unternehmens, sich zu verteidigen, berührt worden sei.

228    Bei der Prüfung, ob das Verfahren anomal lang gewesen sei, müsse seine Gesamtdauer betrachtet werden. Die Klägerinnen verweisen insofern auf den zeitlichen Ablauf der Sache und machen geltend, dieser lasse Verzögerungen durch die Kommission erkennen. Insbesondere habe die Kommission in den ersten drei Jahren nach Einreichung der Beschwerde nur zwei Auskunftsersuchen an sie gerichtet, und an die Händler sei gar kein Auskunftsersuchen ergangen.

229    Die Dauer des Verwaltungsverfahrens in dieser Sache sei umso mehr zu beanstanden, als Morgan Stanley selbst ein rasches Handeln der Kommission begehrt habe und ein Parallelverfahren vor Gericht im Vereinigten Königreich ausgesetzt worden sei, weshalb eine vorrangige Behandlung der Sache geboten gewesen sei.

230    Die Kommission bestreitet eine übermäßige und ungerechtfertigte Verzögerung ihrerseits in Anbetracht der Kompliziertheit der Sache. Jedenfalls komme es allein darauf an, dass sie die Verjährungsfrist des Art. 25 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 beachtet habe.

 Würdigung durch das Gericht

231    Die Einhaltung einer angemessenen Frist bei der Abwicklung der Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, dessen Wahrung gerichtlich zu sichern ist (Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, Slg. 2006, I‑8725, Randnr. 35). Dieser Grundsatz hat in Art. 41 Abs. 1 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) Eingang gefunden.

232    Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz kann zur Nichtigerklärung der Entscheidung führen, wenn er die Fähigkeit der betroffenen Unternehmen, ihren Standpunkt zu verteidigen, berührt und damit ihre Verteidigungsrechte beeinträchtigt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, oben in Randnr. 231 angeführt, Randnrn. 42 und 43).

233    Die Klägerinnen machen hier jedoch nicht geltend, dass die Dauer des Verwaltungsverfahrens ihre Verteidigungsrechte beeinträchtigt habe.

234    Unter diesen Umständen ist auf die ständige Rechtsprechung zur Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs‑ und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs‑ und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 319, S. 1) hinzuweisen, die für die gemäß der Verordnung Nr. 17 verhängten Geldbußen galt. Nach dieser Rechtsprechung war angesichts einer vollständigen Regelung, die im Einzelnen die Fristen festlegte, innerhalb deren die Kommission ohne Verstoß gegen das grundlegende Gebot der Rechtssicherheit Geldbußen gegen Unternehmen festsetzen konnte, gegen die Verfahren nach den Wettbewerbsvorschriften anhängig waren, für Überlegungen im Zusammenhang mit der Verpflichtung der Kommission, ihre Befugnis zur Verhängung von Geldbußen innerhalb eines angemessenen Zeitraums auszuüben, kein Raum (vgl. Urteil des Gerichts vom 1. Juli 2008, Compagnie maritime belge/Kommission, T‑276/04, Slg. 2008, II‑1277, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

235    Die Verjährungsvorschriften der Verordnung Nr. 1/2003 finden sich in ihrem Art. 25, der die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 2988/74 aufgreift, auf deren Grundlage die in der vorstehenden Randnr. 234 angeführte Rechtsprechung erging.

236    So sieht Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1/2003 vor, dass die Befugnis der Kommission, Geldbußen auszusprechen, einer Verjährungsfrist von fünf Jahren unterliegt. Nach Art. 25 Abs. 2 dieser Verordnung beginnt die Verjährung mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung begangen worden ist, oder bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung beendet ist. Die Verjährung kann jedoch gemäß Art. 25 Abs. 3, 4 und 6 unterbrochen werden oder ruhen. Nach Art. 25 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 beginnt nach jeder Unterbrechung die Verjährung von neuem; sie tritt jedoch spätestens mit dem Tag ein, an dem die doppelte Verjährungsfrist verstrichen ist, ohne dass die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt hat.

237    Die Rechtsprechung zur Verordnung Nr. 2988/74 findet daher auch auf die gemäß der Verordnung Nr. 1/2003 verhängten Geldbußen Anwendung.

238    Im vorliegenden Fall ist die in Rede stehende Zuwiderhandlung eine dauernde und endete mit der Aufnahme von Morgan Stanley bei Visa am 22. September 2006. Der Zeitraum zwischen der Beendigung der Zuwiderhandlung und der angefochtenen Entscheidung, mit der die Geldbuße verhängt wurde, ist somit erheblich kürzer als die Verjährungsfristen des Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003.

239    Der zweite Teil dieses Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

c)     Zum dritten Teil des Klagegrundes: Nichtberücksichtigung der in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des streitigen Verhaltens bestehenden Ungewissheit

 Vorbringen der Parteien

240    Die Klägerinnen beanstanden, die Kommission habe die hier anwendbaren Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998), nicht beachtet. Danach sei das Bestehen „berechtigter Zweifel des Unternehmens an der Rechtswidrigkeit seines wettbewerbswidrigen Verhaltens“ ein mildernder Umstand, der eine Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße rechtfertige. Der in der Sache COMP/38.096 (im Folgenden: Sache Clearstream) verfolgte Ansatz zeige im Wesentlichen, dass die Kommission unter Umständen, in denen eine wirkliche Rechtsunsicherheit herrsche, ob das streitige Verhalten eine Zuwiderhandlung sei, keine Geldbuße verhängen müsse. Die von der Kommission selbst eingeräumte Komplexität der vorliegenden Sache hätte sie hier zu einer identischen Vorgehensweise veranlassen müssen.

241    Erstens gebe es nämlich weder eine Entscheidungspraxis der Kommission noch Gemeinschaftsrechtsprechung zu der hier in Rede stehenden Frage, und der einzige Präzedenzfall sei ein Urteil eines Gerichts der Vereinigten Staaten. Nach Ansicht der Klägerinnen mussten sie folglich für die Prüfung, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen sie berechtigt gewesen seien, den Mitgliedschaftsantrag von Morgan Stanley abzulehnen, die bestehende Gemeinschaftsrechtsprechung entsprechend auslegen. Ihre intensive Auseinandersetzung mit der Kommission über die Anwendbarkeit von Art. 81 Abs. 1 und 3 EG zeuge von dieser Schwierigkeit.

242    Zweitens machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, der Umstand, dass es hier um die Bewirkung einer Wettbewerbsbeschränkung gehe, kompliziere die Sache noch und führe damit zu zusätzlicher Rechtsunsicherheit. Die Kommission selbst habe sich angesichts der Neuheit und Komplexität der Sache Schwierigkeiten gegenübergesehen. Die Klägerinnen verweisen insoweit auf ihr Vorbringen im Rahmen ihres Antrags auf Nichtigerklärung, nach dem die Kommission ihre Beurteilung des auf dem fraglichen Markt herrschenden Wettbewerbs geändert habe. Auch habe die Kommission erst auf der Stufe des zweiten Sachverhaltsschreibens die Frage angesprochen, ob Morgan Stanley über eine Fronting-Vereinbarung in den fraglichen Markt hätte eintreten können.

243    Ohne die grundsätzliche Befugnis zur Verhängung einer Geldbuße wegen eines Verhaltens, das die Bewirkung einer Wettbewerbsbeschränkung darstelle, abzustreiten, weisen die Klägerinnen darauf hin, dass die Kommission doch nie eine Geldbuße in einer Sache verhängt habe, in der kein wettbewerbswidriger Zweck festgestellt worden sei.

244    Drittens hätten die Kommissionsbeamten gegenüber den Klägerinnen geäußert, dass es nicht so sehr auf die Anwendung der streitigen Regel gegenüber Morgan Stanley, sondern auf diese Regel selbst ankomme, in dem Sinne, dass sie nicht transparent oder objektiv genug sei. Deshalb habe eine tatsächliche Ungewissheit hinsichtlich der Natur des betreffenden Beschwerdepunkts bestanden.

245    Die Kommission erkennt keine wirklichen und stichhaltigen Gründe, aus denen die Klägerinnen hätten glauben können, dass ihre Verweigerung der Mitgliedschaft gegenüber Morgan Stanley kein Gemeinschaftsrechtsverstoß gewesen sei.

 Würdigung durch das Gericht

246    Nach ständiger Rechtsprechung kann die Kommission von Regeln, die sie sich gegeben hat, nicht abweichen (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, T‑7/89, Slg. 1991, II‑1711, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insbesondere kommt es, wenn die Kommission Leitlinien erlässt, die unter Beachtung des Vertrags die Kriterien präzisieren sollen, die sie bei der Ausübung ihres Ermessens heranzuziehen beabsichtigt, zu einer Selbstbeschränkung dieses Ermessens, da sie sich an die Regelhinweise, die sie für sich selbst festgelegt hat, halten muss (Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1996, AIUFFASS und AKT/Kommission, T‑380/94, Slg. 1996, II‑2169, Randnr. 57, vom 30. April 1998, Vlaams Gewest/Kommission, T‑214/95, Slg. 1998, II‑717, Randnr. 89, und vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, T‑224/00, Slg. 2003, II‑2597, Randnr. 267).

247    Aus den Erwägungsgründen 350 bis 370 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Kommission darin die in den Leitlinien von 1998 dargelegte Methode anwandte, um den Betrag der der den Klägerinnen auferlegten Geldbuße zu berechnen.

248    Abschnitt 3 der Leitlinien von 1998 sieht eine Anpassung des Grundbetrags der Geldbuße nach Maßgabe bestimmter mildernder Umstände vor, zu denen das Bestehen berechtigter Zweifel des Unternehmens an der Rechtswidrigkeit des fraglichen Verhaltens gehört.

249    Die Klägerinnen sind hier der Auffassung, dass in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des streitigen Verhaltens solche Ungewissheit geherrscht habe, dass die Anwendung der Leitlinien von 1998 die Kommission zum Absehen von einer Geldbuße hätte veranlassen müssen.

250    Um festzustellen, ob die Kommission den Klägerinnen den mildernden Umstand des Bestehens berechtigter Zweifel zubilligen und gegebenenfalls gar, wie sie im Rahmen dieses Klagegrundes begehren, von einer Geldbuße hätte absehen müssen, ist zu prüfen, ob den Klägerinnen vernünftigerweise hätte bewusst sein müssen, dass sie gegen Art. 81 EG verstießen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T‑259/02 bis T‑264/02 und T‑271/02, Slg. 2006, II‑5169, Randnr. 503).

251    Die Geldbuße wurde nicht auf den gesamten Zuwiderhandlungszeitraum bezogen, sondern erst auf die Zeit ab der Mitteilung der Beschwerdepunkte.

252    Darin äußerte die Kommission aber Einwände gegen das streitige Verhalten und legte die Gründe dar, weshalb sie darin einen Verstoß gegen Art. 81 EG sah. Ab diesem Datum können die Klägerinnen daher nicht mehr behaupten, ihnen sei ein Verstoß gegen Art. 81 EG nicht bewusst gewesen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 2003, British Airways/Kommission, T‑219/99, Slg. 2003, II‑5917, Randnr. 314).

253    Insoweit besteht ein erheblicher Unterschied zu der von den Klägerinnen angeführten Sache Clearstream, in der die streitigen Verhaltensweisen schon vor dem Ergehen der Mitteilung der Beschwerdepunkte eingestellt worden waren.

254    Das Vorbringen der Klägerinnen im Zusammenhang mit dem angeblichen Fehlen einer Entscheidungspraxis oder der Komplexität der Sache geht deshalb insoweit ins Leere, als es jedenfalls nur das Bestehen berechtigter Zweifel vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte, also für einen bei der Berechnung der Höhe der Geldbuße nicht berücksichtigten Zeitraum, dartun könnte.

255    Schließlich ist nicht von Bedeutung, dass bestimmte Argumente, die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung vorgebracht werden, wie die Ineffizienz eines Zugangs zu dem fraglichen Markt über eine Fronting-Vereinbarung nicht in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten waren. Die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Informationen reichten nämlich an sich dafür aus, dass die Klägerinnen keine berechtigten Zweifel an der Rechtswidrigkeit des streitigen Verhaltens hegen konnten.

256    Daher sind der dritte Teil und somit der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2.     Zum fünften Klagegrund: Rechts- und Beurteilungsfehler in Bezug auf die Berechnung der Höhe der verhängten Geldbuße

257    Im Rahmen dieses Klagegrundes wenden sich die Klägerinnen gegen die Beurteilungen der Kommission betreffend erstens die Ermittlung des Ausgangsbetrags der Geldbuße, zweitens die Nichtberücksichtigung mildernder Umstände und drittens die Dauer der Zuwiderhandlung.

a)     Zum ersten Teil des Klagegrundes: Ermittlung des Ausgangsbetrags der Geldbuße

258    Die Klägerinnen beanstanden die Einstufung der Zuwiderhandlung als „schwer“ und, hilfsweise, die Wahl eines Ausgangsbetrags von 8,5 Millionen Euro.

 Zur Art der Zuwiderhandlung

–       Vorbringen der Parteien

259    Nach Ansicht der Klägerinnen hätte die ihnen zur Last gelegte Zuwiderhandlung in Ansehung der Leitlinien von 1998 als „minder schwer“ eingestuft werden müssen. Selbst wenn man unterstelle, dass sie für den Markt Folgen gehabt habe, hätten diese nicht die ihnen von der Kommission beigemessene wirtschaftliche Auswirkung gehabt, da sie nur einen Wirtschaftsteilnehmer auf einem sehr spezifischen Markt und in nur einem Mitgliedstaat betroffen habe.

260    Auch wenn für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 81 EG eine potenzielle Auswirkung reiche, müsse die Kommission, was die Berechnung der Höhe der Geldbuße angehe, eine tatsächliche Auswirkung auf den Markt beweisen. Die Kommission gebe hier zu, dass sie die tatsächliche Auswirkung nicht quantifiziert, sondern nur aus den Feststellungen zu der Zuwiderhandlung hergeleitet habe.

261    Die Kommission ist der Ansicht, sie habe bei der Einstufung der Zuwiderhandlung keinen Fehler begangen.

–       Würdigung durch das Gericht

262    Die Kommission stützte sich in der angefochtenen Entscheidung bei der Einstufung der fraglichen Zuwiderhandlung als „schwer“ auf mehrere Gesichtspunkte.

263    Zunächst führte sie in den Erwägungsgründen 358 und 359 der angefochtenen Entscheidung aus, dass Morgan Stanley daran gehindert worden sei, Acquiring-Dienstleistungen für Kredit- und Chargekarten im Allgemeinen und nicht nur für die Visa-Karten anzubieten.

264    Sodann war sie der Ansicht, dass sich die Zuwiderhandlung tatsächlich auf den Wettbewerb ausgewirkt habe. Im 357. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung räumte sie ein, dass sich die tatsächlichen Auswirkungen nicht genau bewerten ließen, leitete aber aus der Umsetzung des streitigen Verhaltens her, dass „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass es zu umfassenden Auswirkungen auf dem Markt kam“. Im 360. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung verwies sie auch auf die verschiedenen Gesichtspunkte, die ihrer Feststellung der Zuwiderhandlung zugrunde lagen.

265    Schließlich bezog sie sich im 362. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf den Umstand, dass die Zuwiderhandlung das Vereinigte Königreich betroffen habe, bei dem es sich um einen wichtigen Zahlungskartenmarkt handele.

266    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Schwere einer Zuwiderhandlung unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Faktoren zu ermitteln, zu denen die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören und hinsichtlich deren die Kommission über ein Ermessen verfügt (Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, T‑69/04, Slg. 2008, II‑2567, Randnr. 153 und die dort angeführte Rechtsprechung).

267    Wie bereits oben in Randnr. 247 ausgeführt, wandte die Kommission die in den Leitlinien von 1998 dargelegte Methode an, um den Betrag der den Klägerinnen auferlegten Geldbuße zu berechnen.

268    Nach Abschnitt 1 A Abs. 1 der Leitlinien von 1998 sind bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen.

269    Der in den Leitlinien von 1998 enthaltenen Beschreibung der minder schweren und der schweren Verstöße ist zu entnehmen, dass sie sich im Wesentlichen durch ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb und die räumliche Erstreckung ihrer Folgen unterscheiden. Schwere Verstöße werden nämlich beschrieben als „in den meisten Fällen … horizontale oder vertikale Beschränkungen der gleichen Art wie in dem … Fall [der minder schweren Verstöße], die jedoch entschlossener angewandt werden, deren Auswirkungen auf den Markt umfassender sind und die in einem größeren Teil des Gemeinsamen Marktes zum Tragen kommen können“. Die Beschreibung der „minder schweren“ Verstöße stellt auf die „begrenzten Auswirkungen auf den Markt [ab], die zwar einen wesentlichen, jedoch relativ engen Teil des Gemeinschaftsmarkts betreffen“.

270    An erster Stelle beanstanden die Klägerinnen in Bezug auf die Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt, die Kommission habe das Vorliegen von Auswirkungen nicht nachgewiesen. Sie könnten auch allenfalls nur begrenzt sein.

271    Nach ständiger Rechtsprechung muss sich die Kommission bei der Beurteilung der konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf den Markt auf den Wettbewerb beziehen, der normalerweise ohne eine Zuwiderhandlung geherrscht hätte (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Carbone‑Lorraine/Kommission, T‑73/04, Slg. 2008, II‑2661, Randnr. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

272    Im 357. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung betonte die Kommission:

„Auch wenn sich die tatsächlichen Auswirkungen auf den Markt nicht genau bewerten lassen, ist festzustellen, dass die Ausschlussentscheidung umgesetzt wurde, so dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass es zu umfassenden Auswirkungen auf den Markt kam.“

273    Es trifft zu, dass die automatische Herstellung eines Kausalzusammenhangs zwischen der Umsetzung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens und dem Vorliegen von Auswirkungen irrig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Prym und Prym Consumer/Kommission, T‑30/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 109 und 110).

274    Aus den Erwägungsgründen 358 bis 360 der angefochtenen Entscheidung ergibt sich jedoch, dass sich die Kommission insoweit auch auf zwei weitere Erwägungen stützte, die sich zum einen darauf beziehen, dass das streitige Verhalten Morgan Stanley daran gehindert habe, Acquiring-Dienstleistungen für alle Karten und nicht nur für die Visa-Karten anzubieten, und zum anderen auf die positiven Wirkungen, die die Präsenz von Morgan Stanley auf dem fraglichen Markt hätte haben können.

275    Die Klägerinnen bestreiten aber erstens nicht, dass das streitige Verhalten durchaus bewirkte, dass Morgan Stanley daran gehindert war, Acquiring-Dienstleistungen für alle Karten und nicht nur für die Visa-Karten anzubieten.

276    Zweitens ist im Rahmen der Prüfung der Anträge auf Nichtigerklärung befunden worden, dass die von der Kommission in Bezug auf die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen des streitigen Verhaltens vorgenommenen Beurteilungen des Grades an aktuellem Wettbewerb und des potenziellen Wettbewerbs, der Eigenschaft von Morgan Stanley als potenzieller Wettbewerber und der Absicht Letzterer, sich den fraglichen Markt zu erschließen, keine Rechtsfehler aufweisen.

277    Dazu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 174. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervorhob, dass sie alle als potenzielle Wettbewerber ausgemachten Finanzinstitute dazu befragt habe, ob sie einen Eintritt in den fraglichen Markt in Betracht zögen, und dass sie zu dem Ergebnis gelangte, dass Morgan Stanley der einzige potenzielle Wettbewerber gewesen sei, der seine Markterschließungsabsicht zum Ausdruck gebracht habe.

278    In der Schlussfolgerung auf der Grundlage dieser Gesichtspunkte, dass das streitige Verhalten erhebliche Auswirkungen auf den Markt gehabt habe, liegt daher kein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission.

279    An zweiter Stelle sind die Klägerinnen, was die Prüfung der räumlichen Erstreckung der Wirkungen des streitigen Verhaltens durch die Kommission betrifft, der Ansicht, dass diese die Zuwiderhandlung als „minder schwer“ hätte einstufen müssen, weil das Verhalten nur den Markt des Vereinigten Königreichs betroffen habe.

280    Nach ständiger Rechtsprechung bildet ein geografischer Markt von nationalem Ausmaß einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes (vgl. Urteil des Gerichts vom 27. Juli 2005, Brasserie nationale u. a./Kommission, T‑49/02 bis T‑51/02, Slg. 2005, II‑3033, Randnr. 176 und die dort angeführte Rechtsprechung).

281    Im 362. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung bezog sich die Kommission darauf, dass „es sich beim Vereinigten Königreich um einen wichtigen Zahlungskartenmarkt handelt“. In Anbetracht der im Übrigen von den Klägerinnen nicht bestrittenen wirtschaftlichen Bedeutung dieses Marktes konnte die Kommission aber zu Recht die Ansicht vertreten, dass der fragliche Markt einem „größeren Teil des Gemeinsamen Marktes“ im Sinne der Leitlinien von 1998 gleichkomme.

282    Nach alledem sind die Rügen der Klägerinnen betreffend die Art der Zuwiderhandlung zurückzuweisen.

 Zum Ausgangsbetrag der Geldbuße

–       Vorbringen der Parteien

283    Die Klägerinnen halten den von der Kommission zugrunde gelegten Ausgangsbetrag von 8,5 Millionen Euro für unverhältnismäßig und nicht hinreichend begründet. So hätte die Kommission einen Ausgangsbetrag festsetzen müssen, der im unteren Teil der in den Leitlinien von 1998 für schwere Verstöße vorgesehenen Skala angesiedelt sei, wenn man die Auswirkungen der Zuwiderhandlung, den Umstand, dass es sich um eine Bewirkung einer Wettbewerbsbeschränkung handele, und die Kommissionspraxis auf dem Gebiet der Festsetzung von Geldbußen berücksichtige. Die Kommission dürfe zwar von ihrer früheren Praxis auf dem Gebiet der Festsetzung von Geldbußen abweichen, müsse aber die Leitlinien von 1998 anwenden und objektiv berechtigte Gründe für die Bezifferung des Betrags nennen.

284    In ihrer Erwiderung bringen die Klägerinnen vor, die Tatsache, dass die Kommission in mehreren älteren Entscheidungen ähnliche Ausgangsbeträge angewandt habe, zeige die Unverhältnismäßigkeit des hier in Rede stehenden Betrags, da die Verhaltensweisen, um die es in jenen Entscheidungen gegangen sei, sehr viel schwerere Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht dargestellt hätten.

285    Die Kommission hält den Ausgangsbetrag nicht für unverhältnismäßig und die angefochtene Entscheidung für rechtlich hinreichend begründet.

–       Würdigung durch das Gericht

286    Als Erstes ist die Rüge eines Begründungsfehlers zurückzuweisen, der darin zu sehen sei, dass die Kommission nicht die Gründe angegeben habe, weshalb sie den Ausgangsbetrag der den Klägerinnen auferlegten Geldbuße auf 8,5 Millionen Euro festgesetzt habe.

287    Die angefochtene Entscheidung enthält zwar keine ausdrückliche Begründung zur Festsetzung des Ausgangsbetrags, da sich die Kommission im 353. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung mit einem Verweis auf die Gründe begnügt, aus denen sie die Zuwiderhandlung als schwer einstufte.

288    Die Kommission musste jedoch keine Erklärung zu diesem Punkt geben. Wie nämlich bereits oben in Randnr. 221 ausgeführt, kommt sie nach ständiger Rechtsprechung bei der Festsetzung von Geldbußen wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts ihrer Begründungspflicht nach, wenn sie in ihrer Entscheidung – ohne verpflichtet zu sein, darin eingehendere Ausführungen zu machen – die Beurteilungskriterien angibt, anhand deren sie die Schwere und die Dauer der begangenen Zuwiderhandlung bemessen konnte.

289    Die Kommission musste deshalb nicht die Gründe erläutern, weshalb sie den Ausgangsbetrag der Geldbuße gerade auf 8,5 Millionen Euro festsetzte. Die angefochtene Entscheidung weist daher insoweit keinen Begründungsmangel auf.

290    An zweiter Stelle ist zur angeblichen Unverhältnismäßigkeit des Ausgangsbetrags daran zu erinnern, dass die Leitlinien von 1998 für als „schwer“ eingestufte Verstöße einen Ausgangsbetrag von zwischen 1 und 20 Millionen Euro vorsehen.

291    Abschnitt 1 A Abs. 3, 4 und 5 der Leitlinien von 1998 stellt dazu klar:

„Innerhalb dieser einzelnen Kategorien und insbesondere bei den als schwer und besonders schwer eingestuften ermöglicht die Skala der festzusetzenden Geldbußen eine differenzierte Behandlung der Unternehmen gemäß der Art des begangenen Verstoßes.

Es wird auch nötig sein, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber und den Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet.

Darüber hinaus könnte auch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind.“

292    Da die Klägerinnen die Rechtmäßigkeit der Leitlinien von 1998 nicht in Abrede stellen, ist die Verhältnismäßigkeit des von der Kommission festgesetzten Ausgangsbetrags somit im Licht der in der vorstehenden Randnr. 291 genannten Kriterien zu prüfen.

293    Angesichts zum einen der wirtschaftlichen Bedeutung der Klägerinnen und zum anderen der Notwendigkeit, eine abschreckende Wirkung der Geldbuße zu wahren, erscheint aber ein Betrag von 8,5 Millionen Euro, der in der unteren Hälfte der von den Leitlinien von 1998 für die schweren Zuwiderhandlungen ins Auge gefassten Spanne angesiedelt ist, nicht offenkundig unverhältnismäßig.

294    Der erste Teil des Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

b)     Zum zweiten Teil des Klagegrundes: mildernde Umstände

 Vorbringen der Parteien

295    Die Klägerinnen machen geltend, die Ungewissheit in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des streitigen Verhaltens hätte zumindest als mildernder Umstand eingestuft werden müssen. Aus diesem Grund hätte die Kommission auch keine Erhöhung wegen der Dauer der Zuwiderhandlung anwenden dürfen. Außerdem sei von ihr nicht berücksichtigt worden, dass sie zum einen eine Änderung der streitigen Regel vorgeschlagen und auch vorgenommen und zum anderen während des Verwaltungsverfahrens eine Vereinbarung mit Morgan Stanley geschlossen hätten. Schließlich hätte zumindest die schleppende Behandlung der Sache durch die Kommission eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt.

296    Die Kommission ist der Ansicht, sie habe zu Recht keinen mildernden Umstand angenommen. Insbesondere weist sie den Vorwurf zurück, dass es zu einer Änderung der streitigen Regel gekommen sei, denn es handele sich nur um eine Hinzufügung von Bewertungskriterien, die jedenfalls auf Morgan Stanley nicht angewandt worden seien.

 Würdigung durch das Gericht

297    Als Erstes ist aus den oben in den Randnrn. 250 bis 255 dargestellten Gründen die Rüge zurückzuweisen, dass die Ungewissheit in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des streitigen Verhaltens als mildernder Umstand hätte berücksichtigt werden müssen. Es ist nämlich zu beachten, dass die Kommission die Geldbuße auf der Grundlage eines Zeitraums berechnete, der mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte begann. Zu diesem Zeitpunkt konnten die Klägerinnen aber keine berechtigten Zweifel mehr an der Rechtswidrigkeit des streitigen Verhaltens hegen.

298    Als Zweites kann die Rüge, dass die schleppende Behandlung der Sache durch die Kommission ebenfalls eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt hätte, aus den oben in den Randnrn. 231 bis 238 erläuterten Gründen keinen Erfolg haben, denn der Zeitraum zwischen der Beendigung der Zuwiderhandlung und der angefochtenen Entscheidung ist kürzer als die Verjährungsfrist des Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003.

299    Als Drittes ist zu dem Verweis auf die mit Morgan Stanley geschlossene Vereinbarung und auf die Aufnahme von Morgan Stanley bei Visa festzustellen, dass die Klägerinnen damit die ihnen vorgeworfene Zuwiderhandlung mehrere Jahre nach dem Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens durch die Kommission beendeten. Die Kommission gestand ihnen deshalb zu Recht keine Herabsetzung der Geldbuße aus diesem Grund zu.

300    Als Viertes machen die Klägerinnen auch zu Unrecht geltend, die Kommission hätte berücksichtigen müssen, dass sie die streitige Regel während des Verwaltungsverfahrens geändert hätten.

301    Zwar änderten sie die streitige Regel am 24. Mai 2006. Diese Änderung könnte als Reaktion auf eine der Beanstandungen angesehen werden, die die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte an sie gerichtet hatte, in deren Randnrn. 247 und 248 darauf hingewiesen wurde, dass die Formulierung der streitigen Regel in Anbetracht insbesondere der mangelnden Objektivität und Genauigkeit des darin enthaltenen „Wettbewerber“-Begriffs die Gefahr einer diskriminierenden Anwendung berge. Zudem ist festzustellen, dass die nach dieser Änderung der streitigen Regel erlassene angefochtene Entscheidung diese Beanstandung nicht aufgreift.

302    Die Kommission musste jedoch keineswegs diese Änderung der streitigen Regel als mildernden Umstand werten und den Klägerinnen eine Herabsetzung der Geldbuße zugestehen.

303    Die Angemessenheit einer etwaigen Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände im Sinne von Abschnitt 3 der Leitlinien von 1998 ist nämlich unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu beurteilen. Da sich aus den Leitlinien nichts dafür ergibt, dass die in Betracht kommenden mildernden Umstände zwingend berücksichtigt werden müssten, ist festzustellen, dass der Kommission ein gewisses Ermessen verbleibt, um über den Umfang einer etwaigen Herabsetzung der Geldbußen wegen mildernder Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu entscheiden (Urteil Mannesmannröhren-Werke/Kommission, oben in Randnr. 182 angeführt, Randnr. 275).

304    Da aber das streitige Verhalten, wie von den Klägerinnen selbst eingeräumt, nicht so sehr die streitige Regel selbst, sondern ihre Anwendung auf Morgan Stanley betraf und die Aufnahmeverweigerung noch mehr als zwei Jahre nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte fortdauerte, war die Kommission berechtigt, die Änderung der streitigen Regel durch die Klägerinnen nicht zu berücksichtigen, zumal diese erst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium des Verwaltungsverfahrens erfolgte.

305    Der zweite Teil des Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

c)     Zum dritten Teil des Klagegrundes: Dauer der Zuwiderhandlung

 Vorbringen der Parteien

306    Die Klägerinnen wenden sich gegen die Bestimmung des Anfangs‑ und des Endzeitpunkts der Zuwiderhandlung durch die Kommission. Ihrer Ansicht nach dauerte die Zuwiderhandlung höchstens sieben Monate zwischen August 2005 und Februar 2006. Die Kommission hätte deshalb keine Erhöhung wegen der Dauer vornehmen dürfen.

307    Als Erstes habe die Zuwiderhandlung nicht vor August 2005 begonnen. Ein Eintritt in den fraglichen Markt setze die Annahme einer konkreten Umsetzungsstrategie voraus. Da zum einen der erste Beweis für eine Umsetzungsstrategie vom 20. Mai 2005 datiere und zum anderen die tatsächliche Verwirklichung einer solchen Strategie in der Regel mindestens drei Monate in Anspruch nehme, hätte sich Morgan Stanley den fraglichen Markt nicht vor August 2005 erschließen können.

308    Die Kommission sei somit zu Unrecht der Ansicht gewesen, dass der Beginn der Zuwiderhandlung auf die am 22. März 2000 geschehene Marktabschottung zurückgehe. Auch habe Morgan Stanley nicht seit 1998 beabsichtigt, in den Acquiring-Markt einzutreten. Die angeblichen Beweise für eine solche Absicht beträfen in Wirklichkeit nur den Kartenausgabemarkt. Außerdem bemängeln die Klägerinnen, dass die Kommission nicht die von ihnen vorgelegten Beweise geprüft habe, obwohl diese das Fehlen einer Absicht von Morgan Stanley, sich den fraglichen Markt zu erschließen, belegten.

309    Als Zweites müsse die Kommission, da sie sich bei der Bestimmung der Dauer der Zuwiderhandlung auf die angeblich feststehende Absicht von Morgan Stanley, in das Acquiring-Geschäft einzusteigen, stütze, das Bestehen einer solchen Absicht für die gesamte Zuwiderhandlungsdauer beweisen. In der angefochtenen Entscheidung werde aber nicht der geringste Beweis für diese Absicht für den Zeitraum von Mai 2005 bis einschließlich 22. September 2006 genannt. Die Kommission habe deshalb gegen ihre Verpflichtungen, wie sie im Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994, Dunlop Slazenger/Kommission (T‑43/92, Slg. 1994, II‑441, Randnrn. 79 und 80), ausgeführt worden seien, verstoßen. Jedenfalls hätte sie davon ausgehen müssen, dass die Zuwiderhandlung im Februar 2006 mit dem Beginn der Verhandlungen zur Aufnahme von Morgan Stanley geendet habe, da Letztere bei dieser Gelegenheit keinerlei Absicht zur Erschließung des Acquiring-Marktes gezeigt habe.

310    Die Erwiderung der Kommission, dass schon die bloße Visa-Mitgliedschaft zum Händlergeschäft berechtige, beruhe auf falschen Erwägungen. Die wesentliche Frage sei die, ob Morgan Stanley beabsichtigt habe, sich den fraglichen Markt zu erschließen, oder nicht. Dass Morgan Stanley bei den Aufnahmeverhandlungen nicht auf die entsprechenden Fragen der Klägerinnen habe eingehen wollen, sei daher ein durchaus maßgeblicher Gesichtspunkt. Außerdem sei Morgan Stanley nach ihrer Aufnahme nicht in den fraglichen Markt eingetreten.

311    Die Kommission sieht keinen Fehler ihrerseits bei der Bestimmung des Anfangs‑ und des Endzeitpunkts der Zuwiderhandlung.

 Würdigung durch das Gericht

312    Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die Dauer der Zuwiderhandlung sei falsch bestimmt worden, da Morgan Stanley nicht während des gesamten von der Kommission zugrunde gelegten Zeitraums die Absicht gehabt habe, sich den fraglichen Markt zu erschließen. Außerdem habe die Kommission nicht die dem Markteintritt innewohnenden Vorlaufzeiten abgezogen.

313    Wie jedoch im Rahmen der Prüfung der Anträge auf Nichtigerklärung befunden worden ist, hielt die Kommission Morgan Stanley zu Recht für einen potenziellen Wettbewerber auf dem fraglichen Markt. Das streitige Verhalten erzeugte daher gegenüber Letzterer wettbewerbsbeschränkende Wirkungen, solange der Marktausschluss andauerte. Die Kommission sah somit zu Recht eine Zuwiderhandlung gleicher Dauer wie die Verweigerung der Visa-Mitgliedschaft gegenüber Morgan Stanley gegeben. Da diese Verweigerung vom 22. März 2000 bis zur Aufnahme von Morgan Stanley am 22. September 2006 anhielt, gab es mithin sehr wohl einen dauernden Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht zwischen diesen beiden Daten. Die Kommission beging deshalb keinen Fehler bei der Bestimmung des Anfangs- und des Endzeitpunkts der Zuwiderhandlung.

314    Demnach besteht kein Zweifel an der genauen Dauer der Zuwiderhandlung. Insofern unterscheidet sich die vorliegende Sache von der, die dem Urteil Dunlop Slazenger/Kommission (oben in Randnr. 309 angeführt, Randnrn. 79 und 80), auf das sich die Klägerinnen berufen, zugrunde lag.

315    Demgemäß sind der dritte Teil und somit der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

316    Nach alledem sind sämtliche Klageanträge zurückzuweisen.

 Kosten

317    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Visa Europe Ltd und Visa International Service tragen die Kosten.

Jaeger

Vadapalas

Prek

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. April 2011.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

Angefochtene Entscheidung

A –  Definition des relevanten Marktes

B –  Beanstandetes Verhalten

C –  Anwendung von Art. 81 EG

D –  Berechnung der Geldbuße

Verfahren

Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

A –  Zum Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

1.  Vorfragen

a)  Zur Zulässigkeit bestimmter Argumente und eines Dokuments

b)  Zur Zulässigkeit einer Anlage zur Klageschrift

2.  Zum zweiten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

3.  Zum ersten und zum dritten Klagegrund: kein wettbewerbsbeschränkender Charakter des streitigen Verhaltens

a)  Zum ersten Klagegrund: keine Berücksichtigung der Möglichkeit für Morgan Stanley, sich den fraglichen Markt über eine Fronting-Vereinbarung zu erschließen, durch die Kommission

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

b)  Zum dritten Klagegrund: Auswirkungen einer Präsenz von Morgan Stanley auf dem fraglichen Markt auf den Wettbewerb

Zum ersten Teil des Klagegrundes: Anwendung eines wirtschaftlich und rechtlich falschen Kriteriums

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Teil des Klagegrundes: falsche Analyse des auf dem fraglichen Markt herrschenden Grads an Wettbewerb

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Zum dritten Teil des Klagegrundes: unzureichende und fehlerhafte Analyse der Auswirkungen der Verweigerung der Mitgliedschaft gegenüber Morgan Stanley auf den Wettbewerb

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

B –  Zum Antrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße

1.  Zum vierten Klagegrund: Rechts- und Beurteilungsfehler in Bezug auf die Verhängung einer Geldbuße

a)  Zum ersten Teil des Klagegrundes: Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Gebot der Rechtssicherheit sowie Begründungsfehler

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

b)  Zum zweiten Teil des Klagegrundes: Verstoß gegen die Obliegenheit, die angefochtene Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist zu erlassen

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

c)  Zum dritten Teil des Klagegrundes: Nichtberücksichtigung der in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des streitigen Verhaltens bestehenden Ungewissheit

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

2.  Zum fünften Klagegrund: Rechts- und Beurteilungsfehler in Bezug auf die Berechnung der Höhe der verhängten Geldbuße

a)  Zum ersten Teil des Klagegrundes: Ermittlung des Ausgangsbetrags der Geldbuße

Zur Art der Zuwiderhandlung

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Zum Ausgangsbetrag der Geldbuße

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

b)  Zum zweiten Teil des Klagegrundes: mildernde Umstände

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

c)  Zum dritten Teil des Klagegrundes: Dauer der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.