Rechtssache T‑236/07

Bundesrepublik Deutschland

gegen

Europäische Kommission

„EAGFL – Abteilung Garantie – Rechnungsabschluss – Haushaltsjahr 2006 – Beginn der Anwendung des Art. 32 Abs. 5 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 – Bindungswirkung einer einseitigen Protokollerklärung der Kommission zu einer Tagung des AStV“

Leitsätze des Urteils

1.      Verfahren – Klageschrift – Anträge – Änderung im Laufe des Verfahrens – Voraussetzung

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst.  d und Art. 48 § 2)

2.      Landwirtschaft – EAGFL – Rechnungsabschluss – Verordnung Nr. 1290/2005 – Zeitliche Geltung – Im Rahmen von Art. 3 der Verordnung Nr. 595/91 mitgeteilte Fälle – Bedeutung

(Verordnungen Nr. 595/91, Art. 3 und Art. 5 Abs. 2, und Nr. 1290/2005, Art. 32 und 49 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich des Rates)

3.      Gemeinschaftsrecht – Auslegung – Handlungen der Organe – Protokollerklärung – Berücksichtigung – Unzulässigkeit bei fehlender Stütze in der Handlung selbst

1.      Nach Art. 44 § 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts muss der Kläger in seiner Klageschrift seine Anträge angeben. Somit können nur die in der Klageschrift gestellten Anträge berücksichtigt werden, und die Begründetheit der Klage ist allein anhand der in der Klageschrift enthaltenen Anträge zu prüfen.

Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung lässt neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur unter der Voraussetzung zu, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des schriftlichen Verfahrens zutage getreten sind. Diese Voraussetzung gilt erst recht für jede Änderung der Anträge, so dass in Ermangelung rechtlicher oder tatsächlicher Gründe, die erst während des schriftlichen Verfahrens zutage getreten sind, nur die in der Klageschrift gestellten Anträge berücksichtigt werden können.

(vgl. Randnrn. 27-28)

2.      Die in Art. 49 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1290/2005 enthaltene Wendung „für die im Rahmen von Artikel 3 der Verordnung … Nr. 595/91 mitgeteilten Fälle“ hat eine weite Bedeutung, da sie ihrer Natur nach sämtliche Fälle umfasst, die nach Art. 3 der Verordnung Nr. 595/91 betreffend Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik mitgeteilt worden sind. Zu diesen zählen aber notwendigerweise die Fälle, die zunächst nach Art. 3 mitgeteilt wurden und dann Gegenstand einer besonderen Mitteilung nach Art. 5 Abs. 2 waren.

Vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1290/2005 war nämlich das Verfahren betreffend Unregelmäßigkeiten insbesondere durch die Art. 3 und 5 der Verordnung Nr. 595/91 geregelt. So hatten die Mitgliedstaaten nach Art. 3 der Kommission jedes Vierteljahr eine Aufstellung über die Unregelmäßigkeiten, die Gegenstand einer ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung gewesen sind, zu übermitteln. Nach Art. 5 Abs. 1 hatten sie dann die Kommission jedes Vierteljahr über die Verfahren, die infolge der nach Art. 3 mitgeteilten Unregelmäßigkeiten eingeleitet wurden, in Kenntnis zu setzen, und nach Art. 5 Abs. 2 hatten sie der Kommission in einer besonderen Mitteilung die nach ihrer Auffassung nicht wiedereinziehbaren Beträge mitzuteilen. Die Art. 3 und 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 betreffen daher nicht unterschiedliche Fälle, sondern unterschiedliche Stufen, wobei Art. 5 Abs. 2 die Unregelmäßigkeiten zum Gegenstand hat, die der Mitgliedstaat vorher im Rahmen von Art. 3 mitgeteilt hatte und bei denen er von einer Nichtwiedereinziehbarkeit ausgeht.

Im Übrigen gelten nach Art. 49 der Verordnung Nr. 1290/2005 die Bestimmungen über den Rechnungsabschluss (Art. 30 und 31) und die Unregelmäßigkeiten (Art. 32) ab 16. Oktober 2006. Es wäre daher angesichts des vom Verordnungsgeber verfolgten Ziels des Schutzes der finanziellen Interessen der Gemeinschaft nicht folgerichtig, anzunehmen, dass dieser für Unregelmäßigkeiten, die Gegenstand einer besonderen Mitteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 gewesen waren, implizit eine Sonderregelung vorsehen wollte, obwohl er die Geltung sämtlicher Bestimmungen betreffend den Rechnungsabschluss und die Unregelmäßigkeiten ab 16. Oktober 2006 vorgesehen hat.

(vgl. Randnrn. 46-47, 50)

3.      Eine beim Erlass einer Vorschrift in das Ratsprotokoll aufgenommene Erklärung kann nicht zur Auslegung einer Bestimmung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts herangezogen werden, wenn ihr Inhalt in der fraglichen Bestimmung keinen Ausdruck gefunden hat und ihm somit keine rechtliche Bedeutung zukommt. Gleiches gilt für einseitige Erklärungen eines Mitgliedstaats.

(vgl. Randnr. 65)







URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

26. Oktober 2010(*)

„EAGFL – Abteilung Garantie – Rechnungsabschluss – Haushaltsjahr 2006 – Beginn der Anwendung des Art. 32 Abs. 5 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 – Bindungswirkung einer einseitigen Protokollerklärung der Kommission zu einer Tagung des AStV“

In der Rechtssache T‑236/07

Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch M. Lumma und J. Möller, dann durch J. Möller und N. Graf Vitzthum, als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Erlbacher als Bevollmächtigten,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung 2007/327/EG der Kommission vom 27. April 2007 über den Rechnungsabschluss der Zahlstellen der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, im Haushaltsjahr 2006 finanzierten Ausgaben (ABl. L 122, S. 51)

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová sowie der Richterin K. Jürimäe und des Richters S. Soldevila Fragoso (Berichterstatter),

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2010

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

 Verordnung (EWG) Nr. 595/91

1        Die Verordnung (EWG) Nr. 595/91 des Rates vom 4. März 1991 betreffend Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 283/72 (ABl. L 67, S. 11) sieht in ihrem Art. 3 vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission in den auf das Ende jedes Vierteljahres folgenden zwei Monaten eine Aufstellung über die Unregelmäßigkeiten, die Gegenstand einer ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung gewesen sind.

Sie teilen zu diesem Zweck, soweit irgend möglich, im Einzelnen Folgendes mit:

–        gegen welche Vorschrift wurde verstoßen;

–        Art und Höhe der Ausgaben; falls keine Zahlung erfolgt ist, die Beträge, die zu Unrecht gezahlt worden wären, wenn die Unregelmäßigkeit nicht festgestellt worden wäre, mit Ausnahme von Irrtümern oder Versäumnissen der Wirtschaftsbeteiligten, die vor der Zahlung aufgedeckt wurden und keinen Anlass zu einer administrativen oder gerichtlichen Strafmaßnahme geben;

–        um welche gemeinsamen Marktorganisationen und um welches Erzeugnis oder welche Erzeugnisse bzw. welche Maßnahme handelt es sich;

–        in welchem Zeitraum oder zu welchem Zeitpunkt wurde die Unregelmäßigkeit begangen;

–        welche Praktiken wurden beim Begehen der Unregelmäßigkeit angewandt;

–        wie wurde die Unregelmäßigkeit aufgedeckt;

–        welche Dienststellen oder Einrichtungen der Mitgliedstaaten haben die Unregelmäßigkeit festgestellt;

–        welche finanziellen Auswirkungen ergeben sich und welche Möglichkeiten bestehen für die Wiedereinziehung;

–        zu welchem Zeitpunkt und aus welcher Quelle wurde die erste Angabe übermittelt, die die Unregelmäßigkeit vermuten ließ;

–        zu welchem Zeitpunkt wurde die Unregelmäßigkeit festgestellt;

–        welche Mitgliedstaaten und Drittländer sind gegebenenfalls betroffen;

–        welche natürlichen und juristischen Personen sind beteiligt, es sei denn, die entsprechende Angabe kann bei der Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten wegen der Art der betreffenden Unregelmäßigkeit nicht nützlich sein?

(2)      Liegen einige dieser Angaben, insbesondere Angaben über die beim Begehen der Unregelmäßigkeit angewandten Praktiken sowie über die Art und Weise, in der die Unregelmäßigkeit aufgedeckt wurde, nicht vor, so ergänzen die Mitgliedstaaten diese Angaben, soweit irgend möglich, bei der Übermittlung der folgenden Vierteljahresberichte an die Kommission.

(3)      Besteht nach den einzelstaatlichen Vorschriften Geheimhaltungspflicht bei der Voruntersuchung, so unterliegt die Übermittlung dieser Angaben einer Genehmigung durch das zuständige Organ der Rechtspflege.“

2        Nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 595/91 setzen die „Mitgliedstaaten … die Kommission in den auf das Ende jedes Vierteljahres folgenden zwei Monaten über die Verfahren, die infolge der nach Artikel 3 mitgeteilten Unregelmäßigkeiten eingeleitet wurden, sowie über bedeutendere Änderungen dieser Verfahren in Kenntnis“. Art. 5 Abs. 2 bestimmt: „Kann nach Auffassung eines Mitgliedstaats die vollständige Wiedereinziehung eines Betrages nicht vorgenommen oder nicht erwartet werden, so teilt er der Kommission in einer besonderen Mitteilung den nicht wiedereingezogenen Betrag und die Gründe mit, aus denen nach seiner Auffassung dieser Betrag zu Lasten der Gemeinschaft oder des Mitgliedstaats geht. Diese Mitteilungen müssen detailliert genug sein, um es der Kommission zu ermöglichen, einen Beschluss über die Anlastbarkeit der finanziellen Folgen gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 zu treffen. Dieser Beschluss ergeht nach dem Verfahren des Artikels 5 der genannten Verordnung.“

 Verordnung (EG) Nr. 1287/95

3        Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1287/95 des Rates vom 22. Mai 1995 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 125, S. 1) bestimmt:

„Artikel 5 erhält folgende Fassung:

‚Artikel 5

(2)      …

c)      …

Die Ablehnung der Finanzierung kann sich nicht auf Ausgaben beziehen, die über vierundzwanzig Monate vor dem Zeitpunkt getätigt wurden, zu dem die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat die Ergebnisse ihrer Überprüfungen schriftlich mitgeteilt hat. Diese Bestimmung gilt jedoch nicht für die finanziellen Auswirkungen

–        der Fälle von Unregelmäßigkeiten im Sinne von Artikel 8 Absatz 2,

–        …‘“

 Verordnung (EWG) Nr. 1258/1999

4        Mit der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13) in der zuletzt durch die Verordnung Nr. 1287/95 geänderten Fassung wurden die allgemeinen Regeln für die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik aufgestellt. Die Verordnung (EG) Nr. 1258/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 160, S. 103) hat die Verordnung Nr. 729/70 ersetzt und gilt für die ab 1. Januar 2000 getätigten Ausgaben.

5        Gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. b und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 729/70 sowie Art. 1 Abs. 2 Buchst. b und Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1258/1999 finanziert die Abteilung Garantie des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte die nach den Gemeinschaftsvorschriften vorgenommenen Interventionen zur Regulierung dieser Märkte.

6        Art. 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1258/1999 bestimmt:

„Die Kommission entscheidet, welche Ausgaben von der in den Artikeln 2 und 3 genannten gemeinschaftlichen Finanzierung auszuschließen sind, wenn sie feststellt, dass Ausgaben nicht in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften getätigt worden sind.

Vor jeder Entscheidung über eine Ablehnung der Finanzierung werden die Ergebnisse der Überprüfungen der Kommission sowie die Antworten des betreffenden Mitgliedstaats jeweils schriftlich übermittelt; danach bemühen sich beide Parteien, zu einem Einvernehmen über das weitere Vorgehen zu gelangen.

Wird kein Einvernehmen erzielt, so kann der Mitgliedstaat die Einleitung eines Verfahrens beantragen, um die jeweiligen Standpunkte innerhalb von vier Monaten miteinander in Einklang zu bringen; die Ergebnisse dieses Verfahrens werden in einem Bericht erfasst, der an die Kommission übermittelt und von dieser geprüft wird, bevor sie eine Finanzierung ablehnt.

Die Kommission bemisst die auszuschließenden Beträge insbesondere unter Berücksichtigung der Tragweite der festgestellten Nichtübereinstimmung. Sie trägt dabei der Art und Schwere des Verstoßes sowie dem der Gemeinschaft entstandenen finanziellen Schaden Rechnung.

Die Ablehnung der Finanzierung kann folgende Ausgaben nicht betreffen:

a)      Ausgaben gemäß Artikel 2, die über vierundzwanzig Monate vor dem Zeitpunkt getätigt wurden, zu dem die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat die Ergebnisse ihrer Überprüfungen schriftlich mitgeteilt hat,

b)      Ausgaben für eine Maßnahme oder Tätigkeit nach Artikel 3, für die die abschließende Zahlung früher als vierundzwanzig Monate vor dem Zeitpunkt getätigt wurde, zu dem die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat die Ergebnisse ihrer Überprüfungen schriftlich mitgeteilt hat.

Unterabsatz 5 gilt jedoch nicht für die finanziellen Auswirkungen

a)      der Unregelmäßigkeiten im Sinne von Artikel 8 Absatz 2,

b)      von einzelstaatlichen Beihilfen oder Verstößen, für die das Verfahren nach Artikel 88 oder nach Artikel 226 des Vertrags eingeleitet wurde.“

7        Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1258/1999 sieht vor:

„Erfolgt keine vollständige Wiedereinziehung, so trägt die Gemeinschaft die finanziellen Folgen der Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse; dies gilt nicht für Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, die den Verwaltungen oder Einrichtungen der Mitgliedstaaten anzulasten sind.

Die wiedereingezogenen Beträge fließen den zugelassenen Zahlstellen zu, die sie von den durch den Fonds finanzierten Ausgaben abziehen. Die Zinsen für wiedereingezogene oder zu spät entrichtete Beträge fließen dem Fonds zu.“

 Verordnung (EG) Nr. 1290/2005

8        Art. 32 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 209, S. 1) bestimmt: „Bei der Übermittlung der Jahresrechnungen nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer iii übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission auch eine zusammenfassende Übersicht über die infolge von Unregelmäßigkeiten eingeleiteten Wiedereinziehungsverfahren mit Aufschlüsselung der noch nicht wieder eingezogenen Beträge nach Verwaltungs- und/oder Gerichtsverfahren und dem Jahr der ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung der Unregelmäßigkeit. Die Mitgliedstaaten halten eine detaillierte Aufstellung der einzelnen Wiedereinziehungsverfahren sowie der noch nicht wieder eingezogenen Einzelbeträge zur Verfügung der Kommission.“

9        Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 lautet:

„Ist die Wiedereinziehung nicht innerhalb einer Frist von vier Jahren ab der ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung erfolgt bzw., wenn sie Gegenstand eines Verfahrens vor den nationalen Gerichten ist, innerhalb einer Frist von acht Jahren, so werden die finanziellen Folgen der Nichtwiedereinziehung zu 50 % von dem betreffenden Mitgliedstaat und zu 50 % vom Gemeinschaftshaushalt getragen.

Der betreffende Mitgliedstaat gibt die Beträge, bei denen die Wiedereinziehung nicht innerhalb der Fristen nach Unterabsatz 1 dieses Absatzes erfolgt ist, in der zusammenfassenden Übersicht nach Absatz 3 Unterabsatz 1 getrennt an.

Die Aufteilung der Finanzlast infolge der Nichtwiedereinziehung nach Unterabsatz 1 erfolgt unbeschadet der Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats, die Wiedereinziehungsverfahren nach Artikel 9 Absatz 1 dieser Verordnung fortzusetzen. Die so wieder eingezogenen Beträge werden dem EGFL nach Einbehaltung des Betrags gemäß Absatz 2 des vorliegenden Artikels zu 50 % gutgeschrieben.

Wird im Rahmen des Wiedereinziehungsverfahrens amtlich oder gerichtlich endgültig festgestellt, dass keine Unregelmäßigkeit vorliegt, so meldet der betreffende Mitgliedstaat die nach Unterabsatz 1 von ihm zu tragende finanzielle Belastung dem EGFL als Ausgabe.

Konnte die Wiedereinziehung jedoch aus Gründen, die dem betreffenden Mitgliedstaat nicht anzulasten sind, nicht innerhalb der in Unterabsatz 1 genannten Fristen erfolgen, so kann die Kommission, wenn der wieder einzuziehende Betrag 1 Mio. EUR überschreitet, auf Antrag des Mitgliedstaats die Fristen um höchstens 50 % der ursprünglichen Fristen verlängern.“

10      Art. 32 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1290/2005 bestimmt:

„In hinreichend begründeten Fällen können die Mitgliedstaaten beschließen, die Wiedereinziehung nicht fortzusetzen. Diese Entscheidung kann nur in folgenden Fällen getroffen werden:

a)      wenn die bereits aufgewendeten Kosten und die voraussichtlichen Wiedereinziehungskosten zusammen den wieder einzuziehenden Betrag überschreiten;

b)      wenn die Wiedereinziehung wegen nach dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats festgestellter Insolvenz des Schuldners oder der für die Unregelmäßigkeit rechtlich verantwortlichen Personen unmöglich ist.

Der betreffende Mitgliedstaat gibt die Beträge, bei denen er die Einstellung der Wiedereinziehungsverfahren beschlossen hat, und die Begründung seiner Entscheidung in der zusammenfassenden Übersicht gemäß Absatz 3 Unterabsatz 1 getrennt an.“

11      Art. 32 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1290/2005 bestimmt:

„Nach Durchführung des Verfahrens nach Artikel 31 Absatz 3 kann die Kommission beschließen, die zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts verbuchten Beträge in folgenden Fällen von der Finanzierung durch die Gemeinschaft auszuschließen:

a)      in Anwendung der Absätze 5 und 6 dieses Artikels, wenn sie feststellt, dass die Unregelmäßigkeiten oder die Nichtwiedereinziehung auf Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse zurückzuführen sind, für die die Verwaltung oder eine Dienststelle des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlich ist;

b)      in Anwendung von Absatz 6 dieses Artikels, wenn sie der Auffassung ist, dass die von dem betreffenden Mitgliedstaat erbrachte Begründung nicht ausreicht, um seine Entscheidung zur Einstellung des Wiedereinziehungsverfahrens zu rechtfertigen.“

12      Art. 46 der Verordnung Nr. 1290/2005 bestimmt:

„Die Verordnung … Nr. 595/91 wird wie folgt geändert:

1.      Artikel 5 Absatz 2 wird gestrichen,

2.      Artikel 7 Absatz 1 wird gestrichen.“

13      Gemäß Art. 47 Abs. 1 dieser Verordnung werden die „Verordnung Nr. 25, die Verordnung (EG) Nr. 723/97 und die Verordnung … Nr. 1258/1999 … aufgehoben“.

14      Zum Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1290/2005 heißt es schließlich in deren Art. 49 Abs. 1 bis 3:

„Diese Verordnung tritt am siebten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft [d. h. am 18. August 2005].

Sie gilt ab 1. Januar 2007, mit Ausnahme des Artikels 18 [Absätze 4 und 5, die] ab Inkrafttreten [gelten], unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 47.

Folgende Bestimmungen gelten jedoch ab 16. Oktober 2006:

–        …

–        Artikel [32] für die im Rahmen von Artikel 3 der Verordnung … Nr. 595/91 mitgeteilten Fälle, bei denen die vollständige Wiedereinziehung am 16. Oktober 2006 noch nicht erfolgt ist;

…“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

15      Am 12. Februar 2007 sandte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission gemäß Art. 32 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1290/2005 eine zusammenfassende Übersicht über die infolge von Unregelmäßigkeiten eingeleiteten Wiedereinziehungsverfahren einschließlich der Fälle nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91. Am 30. März 2007 übermittelte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland ein Dokument betreffend die Entscheidung über den Rechnungsabschluss für das Haushaltsjahr 2006, in dem sie die für ihre Berechnungen verwendete Methode erläuterte, sowie eine Tabelle mit einer Aufschlüsselung der wiedereinzuziehenden Beträge nach Zahlstellen. Danach sollte Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 auf sämtliche Unregelmäßigkeiten, die Gegenstand einer ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung gewesen waren, im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 595/91 angewandt werden. Dementsprechend lastete sie der Bundesrepublik Deutschland 50 % der Beträge für zwei Arten von Unregelmäßigkeiten an:

–        Unregelmäßigkeiten, die mehr als vier Jahre zuvor (acht Jahre im Fall der Einleitung eines Verfahrens vor den nationalen Gerichten) Gegenstand einer amtlichen Feststellung gewesen waren und die noch nicht zu einer Wiedereinziehung geführt hatten;

–        Unregelmäßigkeiten, die zu einer amtlichen Feststellung oder der Einleitung eines Verfahrens vor den nationalen Gerichten geführt hatten, die sodann mehr als vier bzw. acht Jahre später Gegenstand einer besonderen Mitteilung aufgrund von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 gewesen waren und für die die Kommission noch keine Entscheidung über eine Anlastung auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1258/1999 getroffen hatte.

16      Am 16. April 2007 erkundigte sich die Bundesrepublik Deutschland bei der Kommission nach den Berechnungsmodalitäten für den am 30. März 2007 mitgeteilten Betrag und verband dies mit dem Hinweis, dass das Saarland diese Berechnung nicht nachvollziehen könne. In ihrer Antwort-E-Mail vom 18. April 2007 legte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland die Methode für die Berechnung des vom Saarland nach Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 geschuldeten Betrags dar. Die Bundesrepublik Deutschland holte keine zusätzlichen Informationen bei der Kommission ein. In der 14. Sitzung des Ausschusses für die Agrarfonds am 20. April 2007 nahm die Kommission auf Anfragen mehrerer Mitgliedstaaten, darunter der Bundesrepublik Deutschland, weitere Klarstellungen zu dieser Berechnungsmethode vor.

17      Mit der Entscheidung 2007/327/EG vom 27. April 2007 über den Rechnungsabschluss der Zahlstellen der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, im Haushaltsjahr 2006 finanzierten Ausgaben (ABl. L 122, S. 51, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die Kommission einen Kürzungsbetrag von 22 008 515,16 Euro des an die Bundesrepublik Deutschland gezahlten Zuschusses fest.

 Verfahren und Anträge der Parteien

18      Mit Klageschrift, die am 4. Juli 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland die vorliegende Klage erhoben. Die Klagebeantwortung ist am 26. September 2007, die Erwiderung am 26. November 2007 und die Gegenerwiderung am 14. Januar 2008 eingegangen.

19      Die Bundesrepublik Deutschland beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als ihr ein Betrag von 1 750 616,27 Euro angelastet wird;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

20      Die Kommission beantragt,

–        die Klage insofern als unzulässig zurückzuweisen, als sie über den Betrag von 1 602 814,31 Euro hinausgeht;

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

 Vorbringen der Parteien

21      In ihrer Klagebeantwortung hat die Kommission vorgetragen, die Klage sei unzulässig, soweit sie über den Betrag von 1 602 814,31 Euro hinausgehe, da diese Summe dem Betrag entspreche, auf den sie Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 tatsächlich angewandt habe. Denn zum einen habe sich die Bundesrepublik Deutschland bei der Berechnung der Hälfte des Ausgangsbetrags von 3 347 636,98 Euro für die 34 von ihr für streitig gehaltenen Wiedereinziehungsfälle geirrt, die sich auf 1 673 818,49 Euro und nicht auf 1 750 616,27 Euro belaufe, und zum anderen habe sie zu Unrecht sechs Wiedereinziehungsfälle ohne Bezug zu Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 mit einem Volumen von 71 004,18 Euro einbezogen.

22      In ihrer Erwiderung hat die Bundesrepublik Deutschland vorgetragen, sie halte an ihrem Klageantrag fest. Sie wolle jedoch ihr Begehren, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, inhaltlich zum Teil abändern, um einige Rechenfehler zu korrigieren und Gesichtspunkte, die sich im schriftlichen Verfahren herausgestellt hätten, zu berücksichtigen. Erstens habe sie den Betrag, der der Hälfte des auf die 34 streitigen Unregelmäßigkeiten bezogenen Ausgangsbetrags von 3 347 636,98 Euro entspreche, falsch berechnet. Zweitens habe sie zu Unrecht sechs Fälle einbezogen, die mit einem Betrag von 71 004,18 Euro in vollem Umfang vom Gemeinschaftshaushalt finanziert worden seien. Drittens schließlich habe sie drei Fälle unberücksichtigt gelassen, die ihr mit einem hälftigen Betrag von 862 413,65 Euro angelastet worden seien. Sie wolle somit die Fälle, die sie zu Unrecht in ihre Klageschrift einbezogen habe, mit einem Teil der Fälle, die sie übersehen habe, ausgleichen.

23      Als Grund für die inhaltliche Änderung ihres Begehrens, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, führt die Bundesrepublik Deutschland an, dass für sie bei der Erstellung der Klage nicht ersichtlich gewesen sei, welche Fälle nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt gewesen seien, da die Kommission ihr zu keinem Zeitpunkt eine Aufstellung dieser Fälle übermittelt habe, und dass erst die Klagebeantwortung der Kommission es ihr ermöglicht habe, diese sachlichen Fehler zu berichtigen. Zudem habe sie vor Einreichung ihrer Klage die Kommission erfolglos darum gebeten, ihr eine Aufstellung der Fälle nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 zur Verfügung zu stellen.

24      In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland bestätigt, dass sie ihren Antrag auf Nichtigerklärung in Bezug auf die sechs in der Klageschrift genannten Fälle, die mit einem Betrag von 71 004,18 Euro in vollem Umfang vom Gemeinschaftshaushalt finanziert worden seien, zurücknehme. Dies ist in das Sitzungsprotokoll aufgenommen worden.

25      Sie hat zudem erklärt, sie habe ihren Antrag nicht geändert, vielmehr sei die Einbeziehung von drei neuen Unregelmäßigkeiten in ihren Antrag auf Nichtigerklärung als neuer Klagegrund einzuordnen, zu dessen Geltendmachung sie im Stadium der Erwiderung berechtigt sei. Die Kommission ist diesem Vorbringen entgegengetreten.

 Würdigung durch das Gericht

26      Zunächst ist über die Zulässigkeit des von der Bundesrepublik Deutschland in der Erwiderung gestellten Antrags zu befinden, d. h. des Antrags auf teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung, soweit dieser über den Betrag von 1 602 814,31 Euro hinausgeht und soweit er die drei ihr hälftig angelasteten, in der Klageschrift unberücksichtigt gebliebenen Unregelmäßigkeiten betrifft.

27      Nach Art. 44 § 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts muss der Kläger in seiner Klageschrift seine Anträge angeben. Somit können nur die in der Klageschrift gestellten Anträge berücksichtigt werden (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1965, Krawczysnki/Kommission, 83/63, Slg. 1965, 828, Randnr. 2), und die Begründetheit der Klage ist allein anhand der in der Klageschrift enthaltenen Anträge zu prüfen (Urteil des Gerichtshofs vom 25. September 1979, Kommission/Frankreich, 232/78, Slg. 1979, 2729, Randnr. 3).

28      Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung lässt neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur unter der Voraussetzung zu, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des schriftlichen Verfahrens zutage getreten sind. Nach der Rechtsprechung gilt diese Voraussetzung erst recht für jede Änderung der Anträge, so dass in Ermangelung rechtlicher oder tatsächlicher Gründe, die erst während des schriftlichen Verfahrens zutage getreten sind, nur die in der Klageschrift gestellten Anträge berücksichtigt werden können (Urteil Krawczysnki/Kommission, oben in Randnr. 27 angeführt, Randnr. 2).

29      Im vorliegenden Fall macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, für sie sei bei der Erstellung der Klage nicht ersichtlich gewesen, welche Fälle in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt gewesen seien, da die Kommission ihr zu keinem Zeitpunkt eine Aufstellung der Fälle nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 übermittelt habe, und dass erst die Klagebeantwortung der Kommission es ihr ermöglicht habe, diese sachlichen Fehler zu berichtigen.

30      Erstens ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Bundesrepublik Deutschland über die von der Kommission verwendete Berechnungsmethode bei der Anwendung von Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 genau unterrichtet war, da ihr diese, wie oben in den Randnrn. 15 und 16 ausgeführt, dreimal dargelegt worden war. Die Kommission hatte ihr nämlich am 30. März 2007, also vor Erlass der angefochtenen Entscheidung, ein Dokument betreffend die Entscheidung über den Rechnungsabschluss für das Haushaltsjahr 2006 übermittelt, in dessen Anlage 3 sie diese Methode ausführlich darlegte. Ferner legte die Kommission in ihrer Antwort an die Bundesrepublik Deutschland vom 18. April 2007 diese Methode angewandt auf das Saarland dar. Zudem nahm die Kommission in der 14. Sitzung des Ausschusses für die Agrarfonds am 20. April 2007 auf Anfragen mehrerer Mitgliedstaaten, darunter der Bundesrepublik Deutschland, weitere Klarstellungen zu dieser Berechnungsmethode vor. Schließlich ist, wie die Kommission vorgetragen hat, die angewandte Berechnungsmethode in der Klagebeantwortung nicht spezifisch erläutert worden.

31      Zweitens ist die Kommission, wie sie hervorgehoben hat, bei ihren Berechnungen von den Daten ausgegangen, die die Mitgliedstaaten ihr nach Art. 6 Buchst. f und Anhang III, Übersichten 1, 2 und 5, der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 der Kommission vom 21. Juni 2006 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 1290/2005 hinsichtlich der Zulassung der Zahlstellen und anderen Einrichtungen sowie des Rechnungsabschlusses für den EGFL und den ELER (ABl. L 171, S. 90) übermitteln müssen.

32      Die Bundesrepublik Deutschland, die somit über die Methode und die einschlägigen Daten verfügte, konnte daher grundsätzlich bei der Erstellung ihrer Klageschrift selbst feststellen, welche Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 unterliegenden Fälle von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt worden waren. Jedenfalls hat sie nicht nachgewiesen, dass die Änderung ihres Antrags auf rechtliche oder tatsächliche Gründe, die erst während des schriftlichen Verfahrens zutage getreten sind, zurückzuführen sei. Somit ist ihr Nichtigkeitsantrag unzulässig, soweit er über den Betrag von 1 602 814,31 Euro hinausgeht.

33      Schließlich ist der Vortrag der Bundesrepublik Deutschland in der mündlichen Verhandlung, sie habe ihre Anträge nicht geändert, vielmehr sei die Einbeziehung von drei neuen Unregelmäßigkeiten in ihren Antrag auf Nichtigerklärung als neuer Klagegrund einzuordnen, jedenfalls für die Frage der Zulässigkeit unerheblich, da die Klageschrift, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, nach Art. 44 § 1 Buchst. c und Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur vorgebracht werden können, wenn sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

 Zur Begründetheit

34      Die Bundesrepublik Deutschland stützt ihre Anträge auf zwei Klagegründe. Die Kommission habe erstens Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 rechtsfehlerhaft angewandt und zweitens gegen ihre einseitige Erklärung vom 4. Mai 1995 verstoßen.

 Zum ersten Klagegrund: rechtsfehlerhafte Anwendung von Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005

–       Vorbringen der Parteien

35      Die Bundesrepublik Deutschland führt aus, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie ab 16. Oktober 2006 die in Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 vorgesehene Regel angewandt habe, wonach dem Mitgliedstaat 50 % der Beträge angelastet würden, die er nicht innerhalb einer Frist von vier Jahren ab der ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung bzw., wenn die Wiedereinziehung Gegenstand eines Verfahrens vor den nationalen Gerichten sei, innerhalb einer Frist von acht Jahren wiedereingezogen habe. Nach den Art. 46 und 49 dieser Verordnung sei Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 nämlich zu diesem Zeitpunkt nur auf die in Art. 3 der Verordnung Nr. 595/91 vorgesehenen Fälle anwendbar gewesen, d. h. diejenigen, in denen die Mitgliedstaaten in den auf das Ende jedes Vierteljahrs folgenden zwei Monaten der Kommission eine Aufstellung über die Unregelmäßigkeiten, die Gegenstand einer ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung gewesen seien, übermittelt hätten und bei denen die vollständige Wiedereinziehung am 16. Oktober 2006 noch nicht erfolgt gewesen sei, und nicht auf die Fälle nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91, der die besonderen Mitteilungen betreffe, die ein Mitgliedstaat an die Kommission sende, wenn nach seiner Auffassung die vollständige Wiedereinziehung eines Betrags im Anschluss an gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 595/91 mitgeteilte Unregelmäßigkeiten nicht vorgenommen oder nicht erwartet werden könne. Anhängige Wiedereinziehungsfälle auf der Basis besonderer Mitteilungen nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 seien daher bis zum 31. Dezember 2006 nach der Regelung zu behandeln gewesen, die zum Zeitpunkt dieser Mitteilungen gegolten habe, also nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1258/1999, wonach die mit den Wiedereinziehungsfällen verbundenen Lasten in vollem Umfang vom Gemeinschaftshaushalt getragen würden, sofern der Mitgliedstaat für die unterbliebene Wiedereinziehung nicht verantwortlich sei.

36      Eine andere Auslegung, die darauf hinausliefe, dass alle, also auch die nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 besonders mitgeteilten Wiedereinziehungsfälle ab 16. Oktober 2006 in den Anwendungsbereich von Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 fielen, nähme Art. 46 dieser Verordnung, der die Streichung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 erst zum 1. Januar 2007 vorsehe, die praktische Wirksamkeit und widerspräche deshalb dem Willen des Verordnungsgebers.

37      Zudem sei ihre Auslegung der Verordnung Nr. 1290/2005 nach den Grundsätzen, die der Gerichtshof im Urteil vom 16. Oktober 2003, Irland/Kommission (C‑339/00, Slg. 2003, I‑11757, Randnr. 38), aufgestellt habe, mit Art. 47 Abs. 1 dieser Verordnung vereinbar, durch den die Verordnung Nr. 1258/1999 aufgehoben werde.

38      Ferner müsse zwischen Sachverhalten entschieden werden, für die Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 gelte, der sich auf abgeschlossene Fälle beziehe, und solchen, auf die Art. 3 dieser Verordnung anwendbar sei, der nur Fälle betreffe, bei denen die Wiedereinziehung noch andauere und allein die Kommission über die finanziellen Folgen der Nichtwiedereinziehbarkeit entscheiden könne. Die Fälle, die Gegenstand einer besonderen Mitteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 gewesen seien, seien nicht mehr wirklich offen, da sie für den Mitgliedstaat, der die Möglichkeit der Wiedereinziehung des Betrags ausgeschlossen habe, abgeschlossen seien und es allein der Kommission zukomme, über die finanziellen Folgen dieser Sachlage zu entscheiden. Anzunehmen, dass zwischen diesen beiden Fallgestaltungen keine Unterschiede bestünden, hieße, alle Fälle, die nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 gemeldet worden seien, nach Ablauf der in Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 genannten Fristen von vier bzw. acht Jahren automatisch vom Gemeinschaftshaushalt finanzieren zu lassen, was diesen Fristen jeden Sinn nähme. Es gebe auch nur wenige Fälle, die Gegenstand einer Mitteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 seien.

39      Darüber hinaus habe der Verordnungsgeber nicht an eine „Bereinigungsfunktion“ für die besondere Fallgruppe der Insolvenz des Schuldners gedacht, da in Art. 32 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 vorgesehen sei, dass in diesen Fällen die Mitgliedstaaten frei von der Wiedereinziehung Abstand nehmen könnten und der Betrag dann in voller Höhe zulasten des Gemeinschaftshaushalts gehe.

40      Schließlich habe sie in die am 12. Februar 2007 übermittelte zusammenfassende Übersicht der nach Art. 32 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1290/2005 aufgrund der Unregelmäßigkeiten eingeleiteten Wiedereinziehungsverfahren die Fälle nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 unter Beibehaltung der Kennnummern aufgenommen, die sie in der besonderen Mitteilung nach dem zuletzt genannten Artikel gehabt hätten.

41      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland entgegen und bestreitet, Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 rechtsfehlerhaft angewandt zu haben.

–       Würdigung durch das Gericht

42      Zunächst ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen dieses Klagegrundes darzutun versucht, dass die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären sei, weil die Kommission Art. 49 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1290/2005 falsch ausgelegt habe, wonach die Verordnung ab 1. Januar 2007 gilt mit Ausnahme u. a. von Art. 32, der ab 16. Oktober 2006 „für die im Rahmen von Artikel 3 der Verordnung … Nr. 595/91 mitgeteilten Fälle, bei denen die vollständige Wiedereinziehung am 16. Oktober 2006 noch nicht erfolgt ist“, gilt. Die Kommission ging nämlich davon aus, dass Art. 32 der Verordnung Nr. 1290/2005 auch für die Fälle ab 16. Oktober 2006 galt, die im Rahmen von Art. 3 der Verordnung Nr. 595/91 mitgeteilt wurden, dann Gegenstand einer besonderen Mitteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 waren, und bei denen die vollständige Wiedereinziehung am 16. Oktober 2006 noch nicht erfolgt war.

43      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 15 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1290/2005 das Wirtschaftsjahr am 16. Oktober beginnt und am darauffolgenden 15. Oktober endet, wobei die von den Mitgliedstaaten zwischen dem 1. und dem 15. Oktober getätigten Ausgaben dem Monat Oktober zugerechnet werden, während die zwischen dem 16. und dem 31. Oktober getätigten Ausgaben dem Monat November zugerechnet werden. Art. 32 der Verordnung Nr. 1290/2005 betrifft die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Wiedereinziehung von Beträgen von Begünstigten, die Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse begangen haben. Art. 32 Abs. 5 dieser Verordnung betrifft insbesondere die Sondersituationen, in denen der Mitgliedstaat die Beträge nicht innerhalb einer Frist von vier Jahren ab der ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung bzw., wenn die Wiedereinziehung Gegenstand eines Verfahrens vor den nationalen Gerichten ist, innerhalb einer Frist von acht Jahren wiedereingezogen hat. Für diese Situationen ist vorgesehen, dass „die finanziellen Folgen der Nichtwiedereinziehung zu 50 % von dem betreffenden Mitgliedstaat und zu 50 % vom Gemeinschaftshaushalt getragen [werden]“.

44      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C‑17/03, Slg. 2005, I‑4983, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 2005, Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, T‑22/02 und T‑23/02, Slg. 2005, II‑4065, Randnr. 47).

45      Im Licht dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob die in Art. 49 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1290/2005 enthaltene Wendung „für die im Rahmen von Artikel 3 der Verordnung … Nr. 595/91 mitgeteilten Fälle, bei denen die vollständige Wiedereinziehung am 16. Oktober 2006 noch nicht erfolgt ist“ so zu verstehen ist, dass sie nur die Fälle erfasst, die im Rahmen von Art. 3 der Verordnung Nr. 595/91 mitgeteilt wurden und bei denen die Wiedereinziehung am 16. Oktober 2006 noch nicht erfolgt war, oder auch jene Fälle, die im Rahmen von Art. 3 der Verordnung Nr. 595/91 mitgeteilt wurden, dann Gegenstand einer besonderen Mitteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 waren, und bei denen die Wiedereinziehung am 16. Oktober 2006 noch nicht erfolgt war.

46      Erstens zeigt sich, dass die Antwort auf diese Frage aus einer am Wortlaut des Art. 49 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1290/2005 orientierten Auslegung abgeleitet werden kann, da die Bedeutung der Wendung „für die im Rahmen von Artikel 3 der Verordnung … Nr. 595/91 mitgeteilten Fälle“ klar ist. Diese Wendung hat eine weite Bedeutung, da sie ihrer Natur nach sämtliche Fälle umfasst, die nach Art. 3 der Verordnung Nr. 595/91 mitgeteilt worden sind. Zu diesen zählen aber notwendigerweise die Fälle, die zunächst nach Art. 3 mitgeteilt wurden und dann Gegenstand einer besonderen Mitteilung nach Art. 5 Abs. 2 waren.

47      Vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1290/2005 war nämlich das Verfahren betreffend Unregelmäßigkeiten insbesondere durch die Art. 3 und 5 der Verordnung Nr. 595/91 geregelt. So hatten die Mitgliedstaaten nach Art. 3 der Kommission jedes Vierteljahr eine Aufstellung über die Unregelmäßigkeiten, die Gegenstand einer ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung gewesen sind, zu übermitteln. Nach Art. 5 Abs. 1 hatten sie dann die Kommission jedes Vierteljahr über die Verfahren, die infolge der nach Art. 3 mitgeteilten Unregelmäßigkeiten eingeleitet wurden, in Kenntnis zu setzen, und nach Art. 5 Abs. 2 hatten sie der Kommission in einer besonderen Mitteilung die nach ihrer Auffassung nicht wiedereinziehbaren Beträge mitzuteilen. Die Art. 3 und 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 betreffen daher nicht unterschiedliche Fälle, wie die Bundesrepublik Deutschland vorträgt, sondern unterschiedliche Stufen, wobei Art. 5 Abs. 2 die Unregelmäßigkeiten zum Gegenstand hat, die der Mitgliedstaat vorher im Rahmen von Art. 3 mitgeteilt hatte und bei denen er von einer Nichtwiedereinziehbarkeit ausgeht.

48      Zudem ist festzustellen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland nicht auf die vom Gerichtshof im Urteil Irland/Kommission (oben in Randnr. 37 angeführt) aufgestellten Grundsätze stützen kann, da im vorliegenden Rechtsstreit nicht dieselben Merkmale wie diejenigen vorliegen, die den Gerichtshof zu einer Auslegung der Verordnung Nr. 1258/1999, die keine Übergangsbestimmungen enthielt, veranlasst hatten. Im vorliegenden Fall enthält nämlich die Verordnung Nr. 1290/2005 eine ausführliche Regelung bezüglich ihres Inkrafttretens, ihrer Anwendung, der aufzuhebenden Vorschriften und der Übergangsmaßnahmen in Bezug auf die sonstigen den EAGFL betreffenden Bestimmungen. Insbesondere ist die Anwendung von Art. 32 ab 16. Oktober 2006 auf die im Rahmen von Art. 3 der Verordnung Nr. 595/91 mitgeteilten Fälle vorgesehen, bei denen die vollständige Wiedereinziehung noch nicht erfolgt ist.

49      Zweitens steht die in der vorstehenden Randnr. 46 angeführte Auslegung auch mit der Systematik des neuen durch die Verordnung Nr. 1290/2005 eingeführten Rechnungsabschlussverfahrens im Einklang. Im vorherigen System trug nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1258/1999 die Gemeinschaft die finanziellen Folgen der Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, sofern die Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse nicht den Verwaltungen oder Einrichtungen der Mitgliedstaaten anzulasten waren. Mit dem Erlass der Verordnung Nr. 1290/2005 wollte der Rat der Europäischen Union u. a. ein Verfahren einführen, nach dem die Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft beschließen kann, aufgrund von Unregelmäßigkeiten abgeflossene Beträge, die nicht innerhalb einer angemessenen Frist wiedereingezogen worden sind, teilweise dem betreffenden Mitgliedstaat anzulasten (Erwägungsgründe 25 und 26). Somit sieht Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 vor, dass Beträge, deren Wiedereinziehung nicht innerhalb einer Frist von vier bzw. acht Jahren ab der ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung erfolgt ist, nunmehr zu gleichen Teilen von dem betreffenden Mitgliedstaat und vom Gemeinschaftshaushalt getragen werden.

50      Insoweit ist klarzustellen, dass nach Art. 49 der Verordnung Nr. 1290/2005 die Bestimmungen über den Rechnungsabschluss (Art. 30 und 31) und die Unregelmäßigkeiten (Art. 32) ab 16. Oktober 2006 gelten. Es wäre daher angesichts des vom Verordnungsgeber verfolgten Ziels des Schutzes der finanziellen Interessen der Gemeinschaft nicht folgerichtig, anzunehmen, dass dieser für Unregelmäßigkeiten, die Gegenstand einer besonderen Mitteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 gewesen waren, implizit eine Sonderregelung vorsehen wollte, obwohl er die Geltung sämtlicher Bestimmungen betreffend den Rechnungsabschluss und die Unregelmäßigkeiten ab 16. Oktober 2006 vorgesehen hat.

51      Drittens hätte die von der Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagene Auslegung die Anwendung einer vom Verordnungsgeber aufgehobenen Bestimmung zur Folge. Nach Art. 49 berührt nämlich die Geltung der Verordnung ab 1. Januar 2007 nicht die Bestimmungen des Art. 47 betreffend Aufhebungen, u. a. die der Verordnung Nr. 1258/1999. Diese wird durch Art. 47 der Verordnung Nr. 1290/2005 mit deren Inkrafttreten, d. h. zum 18. August 2005, aufgehoben, gilt jedoch noch bis zum 15. Oktober 2006 für die Ausgaben der Mitgliedstaaten und bis zum 31. Dezember 2006 für die Ausgaben der Kommission. Dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland zufolge, die nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 besonders mitgeteilten Wiedereinziehungsfälle fielen vor dem 1. Januar 2007 nicht in den Anwendungsbereich von Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005, so dass für ihre Anlastung bis zu diesem Tag eine Entscheidung der Kommission erforderlich sei, hätte die Kommission die Regelung des Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1258/1999 anwenden müssen, obwohl diese ab 16. Oktober 2006 für die Ausgaben der Mitgliedstaaten aufgehoben war. Eine solche Auslegung widerspräche offenkundig dem Willen des Gesetzgebers.

52      Viertens ist die oben in Randnr. 46 angeführte Auslegung mit der Fortgeltung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 bis zum 31. Dezember 2006 vereinbar. Es steht nämlich fest, dass die in Art. 46 vorgesehenen Änderungen, insbesondere die Streichung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91, erst ab 1. Januar 2007 gelten. Dass der Verordnungsgeber diese Bestimmung vom 16. Oktober bis zum 31. Dezember 2006 in Kraft lassen wollte, erklärt sich damit, dass die Kommission, wie diese vorgetragen hat, unabhängig von dem Rechnungsabschlussverfahren für ihre Aufgabe der Betrugsbekämpfung zusätzliche Informationen über die besonders mitgeteilten Unregelmäßigkeiten des dritten Vierteljahrs 2006 benötigte.

53      Fünftens schließlich kann mit dem übrigen Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland nicht die oben in Randnr. 46 angeführte Auslegung von Art. 49 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1290/2005 in Zweifel gezogen werden.

54      So ist der Umstand, dass die Bundesrepublik Deutschland in die der Kommission am 12. Februar 2007 gemäß Art. 32 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1290/2005 übersandte zusammenfassende Übersicht über die infolge von Unregelmäßigkeiten eingeleiteten Wiedereinziehungsverfahren die Fälle nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 unter Beibehaltung der Kennnummern aufnahm, die sie in der besonderen Mitteilung nach dem zuletzt genannten Artikel gehabt hatten, für den vorliegenden Klagegrund unerheblich, da diese beiden Artikel nicht unterschiedliche Fälle, sondern unterschiedliche Stufen erfassen (siehe oben, Randnr. 47).

55      Auch der Umstand – sein Nachweis unterstellt –, dass es nur wenige Fälle geben soll, die Gegenstand einer Mitteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 seien, ist für die Auslegung von Art. 49 der Verordnung Nr. 1290/2005 ohne Bedeutung, da ein solches rein quantitatives Kriterium für eine Rechtsnorm nicht erheblich sein kann.

56      Zudem führt die oben in Randnr. 46 angeführte Auslegung durch die Gleichbehandlung der nach Art. 3 der Verordnung Nr. 595/91 und der dann nach Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung gemeldeten Unregelmäßigkeiten nicht dazu, dass den in Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1290/2005 vorgesehenen Fristen von vier bzw. acht Jahren der Sinn genommen würde. Nach der von der Kommission in ihrem Dokument vom 30. März 2007 über den Rechnungsabschluss 2006 (siehe oben, Randnr. 15) dargelegten Methode hat diese Auslegung eine Sanktion für die Mitgliedstaaten nur dann zur Folge, wenn sie eine besondere Mitteilung erst mehr als vier Jahre (acht Jahre im Fall eines gerichtlichen Verfahrens) nach der ersten Feststellung einer Unregelmäßigkeit übermittelt haben, was mit dem Ziel im Einklang steht, den Mitgliedstaaten einen Anreiz zu geben, die Beträge, bei denen Unregelmäßigkeiten festgestellt worden sind, binnen angemessener Frist wiedereinzuziehen.

57      Schließlich ist die oben in Randnr. 46 angeführte Auslegung mit Art. 32 Abs. 6 Buchst. b und Art. 32 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1290/2005 betreffend die Fälle der Insolvenz des Schuldners vereinbar, die in voller Höhe zulasten des Gemeinschaftshaushalts verbucht werden, sofern sie nicht auf Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse des Mitgliedstaats zurückzuführen sind und die von diesem erbrachte Begründung ausreicht, um seine Entscheidung zur Einstellung des Wiedereinziehungsverfahrens zu rechtfertigen. Der Umstand – sein Nachweis unterstellt –, dass die nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 besonders mitgeteilten Unregelmäßigkeiten bestimmte Insolvenzfälle abdeckten, genügt nicht für die Annahme, dass der Verordnungsgeber Art. 32 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 durch diese Bestimmung ersetzen wollte.

58      Nach alledem hat die Kommission bei der Auslegung von Art. 49 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1290/2005 keinen Rechtsfehler begangen, indem sie angenommen hat, dass deren Art. 32 Abs. 5 ab 16. Oktober 2006 für die Fälle galt, die im Rahmen von Art. 3 der Verordnung Nr. 595/91 mitgeteilt worden waren, dann Gegenstand einer besonderen Mitteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 waren und bei denen die Wiedereinziehung zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgt war.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die einseitige Erklärung der Kommission vom 4. Mai 1995

–       Vorbringen der Parteien

59      Die Bundesrepublik Deutschland trägt vor, die angefochtene Entscheidung verletze den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, da sie gegen die Selbstbindung verstoße, die die Kommission in einer Erklärung eingegangen sei, die dem Protokoll der Tagung des AStV vom 4. Mai 1995 beigefügt sei, mit der der Rat ersucht worden sei, auf seiner Tagung am 22. Mai 1995 den Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 729/70 anzunehmen und diese Erklärung in das Ratsprotokoll aufzunehmen. In der betreffenden Erklärung habe die Kommission zugesagt, eine Entscheidung über die Anlastung nicht wiedereingezogener Beträge innerhalb von höchstens 24 Monaten nach der Mitteilung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 zu treffen. Tatsächlich seien sechs der 34 streitigen Fälle mit einem Volumen von 280 638,03 Euro, die zur Hälfte, d. h. in Höhe von 140 319,01 Euro, ihrem Haushalt angelastet worden seien, der Kommission am 1. Januar 2002 und am 1. Januar 2003, also mehr als 24 Monate vor Erlass der angefochtenen Entscheidung, mitgeteilt worden. Die Erklärung der Kommission stelle eine rechtlich bindende Zusage dar.

60      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland entgegen.

61      In ihrer Erwiderung hat die Bundesrepublik Deutschland ihre Klageschrift dahin gehend modifiziert, dass in Wirklichkeit nur zwei der ursprünglich erwähnten sechs Fälle mit einem Volumen von 195 165,46 Euro, das hälftig, d. h. in Höhe von 97 582,73 Euro, ihrem Haushalt angelastet werde, von diesem Klagegrund erfasst würden.

–       Würdigung durch das Gericht

62      Zunächst ist klarzustellen, dass dieser zweite Klagegrund nur auf eine teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung in Höhe von 97 582,73 Euro abzielt, da sich die Parteien im Rahmen des zweiten Schriftsatzwechsels auf diesen Betrag geeinigt haben.

63      Weiter ist vorab festzustellen, dass, worüber im Übrigen Einvernehmen zwischen den Parteien besteht, die Kommission durch keine Verordnungsbestimmung verpflichtet war, innerhalb einer bestimmten Frist eine Entscheidung betreffend eine besondere Mitteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 zu erlassen. Die Prüfung des zweiten Klagegrundes gibt dem Gericht dagegen Anlass, über die Bindungswirkung der einseitigen Erklärung der Kommission zu befinden, die dem Protokoll der Tagung des AStV vom 4. Mai 1995 beigefügt ist, mit der der Rat ersucht wurde, bei seiner Tagung am 22. Mai 1995 den Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 729/70 anzunehmen und diese Erklärung in das Ratsprotokoll aufzunehmen. In dieser Erklärung zu Art. 5 Abs. 2 Buchst. c des Verordnungsvorschlags, der späteren Verordnung Nr. 1287/95, hatte die Kommission zugesagt, eine Entscheidung über die etwaige Verbuchung der von den Mitgliedstaaten nicht wiedereingezogenen Beträge innerhalb von höchstens 24 Monaten nach der besonderen Mitteilung des Mitgliedstaats gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 595/91 zu treffen.

64      Der Rat hat jedoch beim Erlass der Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 729/70 keine Bestimmung über eine solche Frist eingefügt. Art. 5 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 729/70 in der durch die Verordnung Nr. 1287/95 geänderten Fassung sieht vielmehr ausdrücklich vor, dass die Höchstfrist von 24 Monaten zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Mitgliedstaat die Ausgabe getätigt hat, und der Ablehnung der Finanzierung durch die Kommission nicht für die finanziellen Auswirkungen der Unregelmäßigkeiten im Sinne von Art. 8 Abs. 2 gilt. Diese Bestimmung wurde in die Verordnung Nr. 1258/1999, mit der die Verordnung Nr. 729/70 aufgehoben wurde, in den oben in Randnr. 6 angeführten Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 5 Buchst. a übernommen.

65      Nach ständiger Rechtsprechung kann aber eine beim Erlass einer Vorschrift in das Ratsprotokoll aufgenommene Erklärung nicht zur Auslegung einer Bestimmung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts herangezogen werden, wenn ihr Inhalt in der fraglichen Bestimmung keinen Ausdruck gefunden hat und ihm somit keine rechtliche Bedeutung zukommt (Urteile des Gerichtshofs vom 23. Februar 1988, Kommission/Italien, 429/85, Slg. 1988, 843, Randnr. 9, vom 26. Februar 1991, Antonissen, C‑292/89, Slg. 1991, I‑745, Randnr. 18, und vom 19. März 1996, Kommission/Rat, C‑25/94, Slg. 1996, I‑1469, Randnr. 38). Gleiches gilt für einseitige Erklärungen eines Mitgliedstaats (Urteil des Gerichtshofs vom 30. Januar 1985, Kommission/Dänemark, 143/83, Slg. 1985, 427, Randnr. 13).

66      In der vorliegenden Rechtssache ist nicht einmal nachgewiesen worden, dass diese Erklärung der Kommission in das Protokoll der Tagung vom 22. Mai 1995 aufgenommen wurde, bei der der Rat diese Verordnung angenommen hat. Jedenfalls kann daher eine solche Erklärung nach der angeführten Rechtsprechung erst recht nicht zur Auslegung der Verordnung Nr. 729/70 in der durch die Verordnung Nr. 1287/95 geänderten Fassung herangezogen werden.

67      Schließlich ist zu dem Vortrag der Bundesrepublik Deutschland, die Bindungswirkung dieser Erklärung der Kommission ergebe sich aus dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, festzustellen, dass dieser Grundsatz nicht in eine Verpflichtung umwandeln kann, was der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht als solche angesehen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1992, Burban/Parlament, C‑255/90 P, Slg. 1992, I‑2253, Randnr. 20).

68      Somit ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen, und die Klage ist insgesamt abzuweisen.

 Kosten

69      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

70      Da die Bundesrepublik Deutschland unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.

Pelikánová

Jürimäe

Soldevila Fragoso

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Oktober 2010.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.