Schlüsselwörter
Leitsätze

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1. Freier Kapitalverkehr – Beschränkungen für Immobiliengeschäfte

(Art. 56 EG)

2. Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Grenzen – Offensichtlich unerhebliche Fragen und hypothetische Fragen, die in einem eine zweckdienliche Antwort ausschließenden Zusammenhang gestellt werden

(Art. 86 Abs. 2 EG und 234 EG)

3. Vorabentscheidungsverfahren – Zulässigkeit – Ohne hinreichende Angaben zum tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang gestellte Fragen

(Art. 234 EG; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 23)

Leitsätze

1. Art. 56 EG ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die die Ausübung grenzüberschreitender Tätigkeiten durch zugelassene Einrichtungen auf dem Gebiet des Wohnungswesens von der Einholung einer vorherigen behördlichen Genehmigung abhängig machen, sofern diese Rechtsvorschriften nicht auf objektiven, nicht diskriminierenden im Voraus bekannten Kriterien beruhen, die geeignet sind, der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden hinreichende Grenzen zu setzen, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

Die Verpflichtung dieser Einrichtungen, für Investitionen in Immobilien in anderen Mitgliedstaaten als dem, in dem sie ihren Sitz haben, eine vorherige Genehmigung des zuständigen Ministers einzuholen, stellt nämlich eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar.

Gewiss können Erfordernisse im Zusammenhang mit der Sozialwohnungspolitik eines Mitgliedstaats und ihrer Finanzierbarkeit zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen und daher die in Rede stehende Beschränkung rechtfertigen. Solche Erwägungen können durch bestimmte Besonderheiten, die die Lage auf dem innerstaatlichen Markt kennzeichnen, wie ein struktureller Mangel an Wohnraum und eine besonders hohe Bevölkerungsdichte, nur noch an Bedeutung gewinnen.

Insoweit kann ein System vorheriger Genehmigungen in bestimmten Fällen gewiss erforderlich sein und in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen, wenn diese nicht durch weniger stark einschränkende Maßnahmen, namentlich ein geeignetes System der Anmeldung, erreicht werden können. Doch könnte sich herausstellen, dass eine vorherige Kontrolle durch die zuständige Verwaltung eher sicherzustellen geeignet ist, dass die Mittel der zugelassenen Einrichtungen vorrangig der Befriedigung des Wohnraumbedarfs bestimmter Bevölkerungsgruppen in dem betreffenden Mitgliedstaat dienen, während ein System der nachträglichen Überprüfung insbesondere dann zu spät zu greifen drohte, wenn bereits erhebliche Ausgaben getätigt wurden und nur schwer zurückgefordert werden könnten.

Soll ein System vorheriger behördlicher Genehmigungen trotz des Eingriffs in eine Grundfreiheit gerechtfertigt sein, muss es jedoch auf objektiven, nicht diskriminierenden im Voraus bekannten Kriterien beruhen, damit der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden hinreichende Grenzen gesetzt werden. Dies ist nicht der Fall, wenn die in Rede stehenden innerstaatlichen Bestimmungen die Erteilung der vorherigen Genehmigung durch den zuständigen Minister von einer einzigen Voraussetzung abhängig machen, nämlich der, dass das geplante Vorhaben im Interesse des Sozialwohnungswesens in dem betreffenden Mitgliedstaat verwirklicht werden muss, und wenn die Frage, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, im Einzelfall geprüft wird, ohne dass die Rahmenbedingungen hierfür durch Rechtsvorschriften festgelegt sind und ohne dass weitere spezifische und objektive Kriterien vorliegen, anhand deren die betroffenen Einrichtungen im Voraus erkennen können, unter welchen Umständen ihr Genehmigungsantrag Erfolg haben wird, und anhand deren die Gerichte, die eventuell mit einer gegen die Versagung einer Genehmigung gerichteten Klage befasst sind, in vollem Umfang die ihnen übertragene richterliche Kontrolle ausüben können.

(vgl. Randnrn. 24, 30, 33-35, 37, 39 und Tenor)

2. Nach der Verteilung der Zuständigkeiten im Vorabentscheidungsverfahren ist es allein Sache des nationalen Gerichts, den Gegenstand der Fragen festzulegen, die es dem Gerichtshof vorlegen möchte, doch in Ausnahmefällen obliegt es diesem, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er vom nationalen Gericht angerufen wird. Dies ist u. a. der Fall, wenn das dem Gerichtshof vorgelegte Problem rein hypothetischer Natur ist oder wenn die Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht. So ist die Zuständigkeit des Gerichtshofs nicht gegeben, wenn die Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, um deren Auslegung er ersucht wird, offensichtlich nicht anwendbar ist.

Insoweit ist Art. 86 Abs. 2 EG auf einen Fall, in dem es weder um die Übertragung besonderer oder ausschließlicher Rechte auf eine zugelassene Einrichtung auf dem Gebiet des Wohnungswesens noch um die Einstufung ihrer Tätigkeiten als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse geht, sondern lediglich um die Rechtmäßigkeit einer dieser Einrichtung auferlegten Beschränkung in Gestalt der Verpflichtung, sich einem Verwaltungsverfahren der vorherigen Genehmigung zu unterwerfen, nicht anwendbar.

(vgl. Randnrn. 42-43, 46-47)

3. Eine dem nationalen Gericht dienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist nur möglich, wenn dieses den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in dem sich seine Fragen stellen, darlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen. Darüber hinaus ist von Bedeutung, dass das nationale Gericht die genauen Gründe angibt, aus denen ihm die Auslegung des Gemeinschaftsrechts fraglich und die Vorlage von Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof erforderlich erscheint. In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, dass das nationale Gericht ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Gemeinschaftsbestimmungen, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Ausgangsrechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt. Die Angaben in den Vorlageentscheidungen sollen nämlich nicht nur dem Gerichtshof sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs Erklärungen einzureichen. Der Gerichtshof hat darauf zu achten, dass diese Möglichkeit gewahrt wird; dabei ist zu berücksichtigen, dass den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden. Zudem sind genaue Angaben namentlich zum tatsächlichen und rechtlichen Kontext des Ausgangsverfahrens ganz besonders im Bereich des Wettbewerbs erforderlich, der durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet ist.

Demnach ist die Frage eines vorlegenden Gerichts unzulässig, die auf der Annahme beruht, dass die Gewährung einer staatlichen Beihilfe vorliegen könnte, wenn weder die Vorlageentscheidung noch die Stellungnahmen der Parteien des Ausgangsverfahrens Angaben enthalten, anhand deren sich gegebenenfalls feststellen ließe, dass eine solche Vergünstigung tatsächlich gewährt worden wäre, und es im Ausgangsverfahren nicht um die Voraussetzungen geht, unter denen eine solche Beihilfe gewährt worden wäre oder gewährt werden könnte, sondern lediglich um eine völlig andere und hiervon unabhängige Frage.

(vgl. Randnrn. 49-55)