Rechtssache C-535/07

Europäische Kommission

gegen

Republik Österreich

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinien 79/409/EWG und 92/43/EWG – Erhaltung der wildlebenden Vogelarten – Fehlerhafte Ausweisung und unzureichender rechtlicher Schutz der besonderen Schutzgebiete“

Leitsätze des Urteils

1.        Vertragsverletzungsklage – Prüfung der Begründetheit durch den Gerichtshof – Maßgebende Lage – Lage bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist

(Art. 226 EG)

2.        Umwelt – Erhaltung der wildlebenden Vogelarten – Richtlinie 79/409 – Auswahl und Abgrenzung der besonderen Schutzgebiete

(Richtlinie 79/409 des Rates, Art. 4 Abs. 1 und 2)

3.        Vertragsverletzungsklage – Streitgegenstand – Bestimmung während des Vorverfahrens – Zusammenhängende und detaillierte Darstellung der Rügen – Fehlen – Unzulässigkeit

(Art. 226 EG)

4.        Vertragsverletzungsklage – Vorprozessuales Verfahren – Mit Gründen versehene Stellungnahme – Inhalt

(Art. 226 EG)

5.        Umwelt – Erhaltung der wildlebenden Vogelarten – Richtlinie 79/409 – Besondere Schutzmaßnahmen – Verpflichtungen der Mitgliedstaaten

(Richtlinie 79/409 des Rates, Art. 4 Abs. 1 und 2, und Richtlinie 92/43 des Rates, Art. 6 Abs. 2 und 7)

1.        Im Rahmen einer Klage nach Art. 226 EG ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Situation zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist befand, und später eingetretene Veränderungen können vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden.

(vgl. Randnr. 22)

2.        Da sich die rechtlichen Regelungen der Richtlinie 79/409 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten und der Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen voneinander unterscheiden, kann sich ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 79/409 nicht dadurch entziehen, dass er sich auf andere als die darin vorgesehenen Maßnahmen beruft. Überdies kann der Umstand, dass in einem Gebiet, in Bezug auf welches einen Mitgliedstaat eine Verpflichtung zur Ausweisung nach dieser Richtlinie trifft, keine Verschlechterung eingetreten ist, nicht die den Mitgliedstaaten auferlegte Verpflichtung in Frage stellen, Gebiete zu besonderen Schutzgebieten zu erklären.

(vgl. Randnr. 24)

3.        Der Streitgegenstand wird bei einer Vertragsverletzungsklage durch die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission bestimmt, so dass die Klage auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt sein muss wie diese Stellungnahme. Das von der Kommission an den Mitgliedstaat gerichtete Aufforderungsschreiben sowie ihre mit Gründen versehene Stellungnahme grenzen den Streitgegenstand ab, so dass dieser nicht mehr erweitert werden kann. Denn die Möglichkeit zur Äußerung stellt für den betreffenden Mitgliedstaat auch dann, wenn er meint, davon nicht Gebrauch machen zu sollen, eine vom Vertrag gewollte wesentliche Garantie dar, deren Beachtung ein substanzielles Formerfordernis für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens zur Feststellung einer Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ist. Die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klage der Kommission müssen daher auf dieselben Rügen gestützt werden wie das Aufforderungsschreiben, mit dem das Vorverfahren eingeleitet wird. Ist dies nicht der Fall, kann dieser Fehler nicht dadurch als beseitigt angesehen werden, dass sich der beklagte Mitgliedstaat zu der mit Gründen versehenen Stellungnahme geäußert hat.

Die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klage müssen eine zusammenhängende und genaue Darstellung der Rügen enthalten, damit der Mitgliedstaat und der Gerichtshof die Tragweite des gerügten Verstoßes gegen das Unionsrecht richtig erfassen können, was notwendig ist, damit der betreffende Staat sich gebührend verteidigen und der Gerichtshof überprüfen kann, ob die behauptete Vertragsverletzung vorliegt.

(vgl. Randnrn. 40-42)

4.        Die mit Gründen versehene Stellungnahme muss zwar eine zusammenhängende und detaillierte Darlegung der Gründe enthalten, aus denen die Kommission zu der Überzeugung gelangt ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen eine ihm nach dem Vertrag obliegende Verpflichtung verstoßen hat, doch ist die Kommission nicht verpflichtet, in dieser Stellungnahme die Maßnahmen anzugeben, die eine Abstellung des behaupteten Verstoßes ermöglichen würden. Ebenso wenig ist die Kommission verpflichtet, solche Maßnahmen in ihrer Klageschrift anzugeben.

(vgl. Randnr. 50)

5.        Der Genauigkeit der Umsetzung kommt bei der Richtlinie 79/409 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten zwar insofern besondere Bedeutung zu, als die Verwaltung des gemeinsamen Erbes den Mitgliedstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet anvertraut ist, doch kann sie diese jedenfalls nicht verpflichten, die Ge- und Verbote aus Art. 4 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie und aus Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen in den Rechtsakt aufzunehmen, der für das jeweilige besondere Schutzgebiet (BSG) die geschützten Arten und Lebensräume sowie die Erhaltungsziele festlegt.

In Bezug auf diese Verpflichtungen hat der Erlass positiver Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung des Zustands eines BSG keinen systematischen Charakter, sondern hängt von der konkreten Lage im betreffenden BSG ab.

Zwar erfordert z. B. der Schutz der BSG vor den Tätigkeiten Einzelner, dass diese präventiv daran gehindert werden, Tätigkeiten nachzugehen, die möglicherweise schädlich sind; zur Verwirklichung dieses Ziels erscheint es jedoch weder notwendig, für jedes BSG spezielle Verbote zu erlassen, noch, dies für jede einzelne Art zu tun.

Zur Bestimmung der in jedem BSG geschützten Arten und Lebensräume ist festzustellen, dass die Bestimmung der Arten, die die Ausweisung des betreffenden BSG gerechtfertigt haben, ebenso wie die Abgrenzung eines BSG unbestreitbare Verbindlichkeit aufweisen muss. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass das aus Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 79/409 sowie aus Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 der Richtlinie 92/43 resultierende Schutzziel nicht vollständig erreicht würde.

In Bezug auf die Erhaltungsziele bedeutet der rechtliche Schutzstatus, mit dem die BSG ausgestattet sein müssen, nicht, dass diese Ziele für jede Art gesondert angegeben werden müssen. Außerdem kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass die Erhaltungsziele in dem Rechtsakt enthalten sein müssen, der auch die geschützten Arten und Lebensräume eines bestimmten BSG betrifft.

Zum rechtlichen Schutzstatus der an ein bestehendes, durch nationale oder regionale Maßnahmen geschütztes Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiet anknüpfenden BSG sieht Art. 4 der Richtlinie 79/409 eine Regelung vor, die gerade die in Anhang I aufgezählten Arten und die Zugvogelarten unter verstärkten Schutz stellt. Darin besteht die Besonderheit der Schutzregelung, mit der die BSG ausgestattet werden müssen, gegenüber der weniger strengen allgemeinen Schutzregelung, die Art. 3 dieser Richtlinie für alle von ihr erfassten Vogelarten vorsieht. Daraus folgt jedoch nicht, dass nur eine rechtliche Regelung, die für jedes BSG speziell ausgestaltet und geschaffen wurde, ein derartiges Gebiet wirksam schützen könnte.

(vgl. Randnrn. 61-66)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

14. Oktober 2010(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinien 79/409/EWG und 92/43/EWG – Erhaltung der wildlebenden Vogelarten – Fehlerhafte Ausweisung und unzureichender rechtlicher Schutz der besonderen Schutzgebiete“

In der Rechtssache C‑535/07

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 30. November 2007,

Europäische Kommission, vertreten durch R. Sauer und D. Recchia als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl, E. Pürgy und K. Drechsel als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer, J.‑C. Bonichot, in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, des Richters L. Bay Larsen (Berichterstatter) und der Richterin C. Toader,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2009,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 25. Februar 2010

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 103, S. 1, im Folgenden: Vogelschutzrichtlinie) und aus Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, im Folgenden: Habitatrichtlinie) verstoßen hat, indem sie

–        die für die Erhaltung von Vogelarten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete in Österreich nicht korrekt nach ornithologischen Kriterien als besondere Schutzgebiete (im Folgenden: BSG) nach Art. 4 Abs. 1 bzw. 2 der Vogelschutzrichtlinie ausgewiesen („Hanság“ im Bundesland Burgenland) bzw. abgegrenzt hat („Niedere Tauern“ im Bundesland Steiermark) und

–        einen Teil der bisher ausgewiesenen BSG nicht mit einem den Anforderungen nach Art. 4 Abs. 1 bzw. 2 der Vogelschutzrichtlinie bzw. Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 der Habitatrichtlinie Rechnung tragenden rechtlichen Schutz ausgestattet hat.

2        Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 26. Mai 2008 ist die Bundesrepublik Deutschland als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Republik Österreich zugelassen worden.

 Rechtlicher Rahmen

 Die Vogelschutzrichtlinie

3        Art. 2 der Vogelschutzrichtlinie lautet: „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Bestände aller unter Artikel 1 fallenden Vogelarten auf einem Stand zu halten oder auf einen Stand zu bringen, der insbesondere den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht, wobei den wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernissen Rechnung getragen wird.“

4        Art. 3 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der in Art. 2 der Richtlinie genannten Erfordernisse die erforderlichen Maßnahmen treffen, um für alle wildlebenden Vogelarten, die im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, auf das der EG-Vertrag Anwendung findet, heimisch sind, eine ausreichende Vielfalt und eine ausreichende Flächengröße der Lebensräume zu erhalten oder wiederherzustellen. Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a umfassen die Maßnahmen zur Erhaltung und Wiederherstellung der Lebensstätten und Lebensräume insbesondere die Einrichtung von Schutzgebieten.

5        Art. 4 Abs. 1, 2 und 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie lautet:

„(1)      Auf die in Anhang I aufgeführten Arten sind besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen.

In diesem Zusammenhang ist Folgendes zu berücksichtigen:

a)      vom Aussterben bedrohte Arten,

b)      gegen bestimmte Veränderungen ihrer Lebensräume empfindliche Arten,

c)      Arten, die wegen ihres geringen Bestands oder ihrer beschränkten örtlichen Verbreitung als selten gelten,

d)      andere Arten, die aufgrund des spezifischen Charakters ihres Lebensraums einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen.

Bei den Bewertungen werden Tendenzen und Schwankungen der Bestände der Vogelarten berücksichtigt.

Die Mitgliedstaaten erklären insbesondere die für die Erhaltung dieser Arten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu [BSG], wobei die Erfordernisse des Schutzes dieser Arten in dem geografischen Meeres‑ und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, zu berücksichtigen sind.

(2)      Die Mitgliedstaaten treffen unter Berücksichtigung der Schutzerfordernisse in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, entsprechende Maßnahmen für die nicht in Anhang I aufgeführten, regelmäßig auftretenden Zugvogelarten hinsichtlich ihrer Vermehrungs-, Mauser- und Überwinterungsgebiete sowie der Rastplätze in ihren Wanderungsgebieten. Zu diesem Zweck messen die Mitgliedstaaten dem Schutz der Feuchtgebiete und ganz besonders der international bedeutsamen Feuchtgebiete besondere Bedeutung bei.

(4)      Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel, sofern sich diese auf die Zielsetzungen dieses Artikels erheblich auswirken, in den [in den] Absätzen 1 und 2 genannten Schutzgebieten zu vermeiden.“

 Die Habitatrichtlinie

6        Art. 3 Abs. 1 der Habitatrichtlinie sieht die Errichtung eines kohärenten europäischen ökologischen Netzes besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung „Natura 2000“ vor, das auch die von den Mitgliedstaaten aufgrund der Vogelschutzrichtlinie ausgewiesenen BSG umfasst.

7        Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie hat folgenden Wortlaut:

„Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.“

8        Art. 7 der Habitatrichtlinie bestimmt: „Was die nach Artikel 4 Absatz 1 der [Vogelschutzrichtlinie] zu [BSG] erklärten oder nach Artikel 4 Absatz 2 derselben Richtlinie als solche anerkannten Gebiete anbelangt, so treten die Verpflichtungen nach Artikel 6 Absätze 2, 3 und 4 der vorliegenden Richtlinie ab dem Datum für die Anwendung der vorliegenden Richtlinie bzw. danach ab dem Datum, zu dem das betreffende Gebiet von einem Mitgliedstaat entsprechend der [Vogelschutzrichtlinie] zum [BSG] erklärt oder als solches anerkannt wird, an die Stelle der Pflichten, die sich aus Artikel 4 Absatz 4 Satz 1 der [Vogelschutzrichtlinie] ergeben.“

 Vorverfahren

9        Am 23. Oktober 2001 richtete die Kommission ein Aufforderungsschreiben an die Republik Österreich, in dem sie darauf hinwies, dass diese nicht die zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu BSG erklärt habe, insbesondere was die Ausweisung des Gebiets Hanság und die Abgrenzung des Gebiets Niedere Tauern betreffe. Außerdem sei Österreich den Anforderungen der Vogelschutzrichtlinie zur Sicherstellung eines rechtlichen Schutzes der BSG in diesem Mitgliedstaat noch nicht vollständig nachgekommen.

10      In Beantwortung dieses Aufforderungsschreibens übermittelte die Republik Österreich der Kommission u. a. eine Aufstellung der verschiedenen Vogelschutzgebiete unter Angabe ihres rechtlichen Schutzstatus. Dabei wies sie auf die vollständige oder teilweise Ausweisung einiger BSG als Nationalpark, Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet, Naturdenkmal oder Ruhegebiet und zugleich auf bestehende Gesetze oder Verordnungen hin, die in verschiedenen Bundesländern im Zusammenhang mit dem Naturschutz erlassen worden seien.

11      In der Folge richtete die Kommission am 18. Oktober 2004 ein ergänzendes Aufforderungsschreiben an die Republik Österreich, das an die Stelle des ersten Aufforderungsschreibens trat und in dem sie darauf hinwies, dass die Ausweisung und Abgrenzung der BSG weiterhin nicht korrekt seien und dass spezielle rechtliche Schutzmaßnahmen für diese Gebiete fehlten. Insbesondere sei das Gebiet Hanság noch immer nicht zum BSG erklärt worden, und eine Erweiterung des Gebiets Niedere Tauern sei noch nicht erfolgt. Außerdem würden die österreichischen Vogelschutzgebiete hauptsächlich durch Verordnungen relativ älteren Datums und in einigen Fällen gar nicht rechtlich geschützt. Bei den meisten Schutzinstrumenten sei der spezielle Erhaltungs- und Schutzzweck im Hinblick auf die zu erhaltenden und zu schützenden Vogelarten nicht ersichtlich. Hierfür sei selbst bei einem mittels Eingriffsverboten und Erhaltungsgeboten grundsätzlich hinreichenden Schutzniveau zumindest eine klarstellende Behandlung speziell des Vogelschutzes erforderlich.

12      Mit Schreiben vom 21. Dezember 2004 übermittelte die Republik Österreich ihre Stellungnahme, worin sie u. a. Ausführungen zum rechtlichen Schutzstatus der betreffenden Gebiete in allgemeiner Form und bundesländerspezifisch machte. In letzterer Hinsicht könne es nicht darauf ankommen, dass im jeweiligen als Schutzinstrument fungierenden Rechtsakt explizit Erhaltungs- oder Schutzziele angeführt würden.

13      Da die Kommission die Stellungnahme der Republik Österreich nicht als ausreichend ansah, richtete sie am 15. Dezember 2006 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an diesen Mitgliedstaat und forderte ihn darin auf, seinen Verpflichtungen innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Stellungnahme nachzukommen. Darin heißt es, die Republik Österreich habe hinsichtlich der Gebiete Hanság und Niedere Tauern ihre Verpflichtungen nicht erfüllt. Zum rechtlichen Schutzstatus der betroffenen geschützten Gebiete wurde ausgeführt, dass im Allgemeinen, d. h. einschließlich der Fälle, in denen ein BSG auf einem bereits bestehenden Naturschutzgebiet mit rechtlich strengerem nationalen bzw. regionalen Schutz aufbaue, eine Aufnahme der Erhaltungsziele, sowohl betreffend die Vogelarten und die speziellen Anforderungen an deren Schutz als auch die Wiederherstellung ihrer Lebensräume, zusammen mit den entsprechenden Maßnahmen und Auflagen einen zentralen Bestandteil der Schutzgebietsverordnungen ausmachen müsse. Für eine Vielzahl von BSG gebe es aber noch keine spezielle Regelung zur Sicherstellung des besonderen Schutzes der betroffenen Vogelwelt.

14      Da die Stellungnahme der Republik Österreich zu der erwähnten mit Gründen versehenen Stellungnahme die Kommission nicht zu überzeugen vermochte, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

 Zur Klage

 Zur ersten Rüge: Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie wegen nicht erfolgter Ausweisung des Gebiets Hanság als BSG und nicht korrekter Abgrenzung des BSG Niedere Tauern

15      Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie verpflichtet sind, die für die Erhaltung der in Anhang I dieser Richtlinie aufgeführten Arten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu BSG zu erklären, und dass sie nach Art. 4 Abs. 2 auch die Vermehrungs-, Mauser- und Überwinterungsgebiete der in dem genannten Anhang nicht aufgeführten, regelmäßig auftretenden Zugvogelarten sowie deren Rastplätze in den Wanderungsgebieten zu BSG erklären müssen (Urteil vom 6. März 2003, Kommission/Finnland, C‑240/00, Slg. 2003, I‑2187, Randnr. 16).

 Zur nicht erfolgten Ausweisung des Gebiets Hanság als BSG

–       Vorbringen der Parteien

16      Die Kommission bringt in erster Linie vor, die Republik Österreich sei ihrer Verpflichtung, das Gebiet Hanság im Einklang mit den Vorgaben der Vogelschutzrichtlinie auszuweisen, nicht nachgekommen. Dieses Gebiet sei nämlich als geeignetstes Gebiet für den Schutz einiger Vogelarten wie insbesondere der Großtrappe (Otis tarda), der Wiesenweihe (Circus pygargus) und der Sumpfohreule (Asio flammeus) ermittelt worden.

17      Die Republik Österreich entgegnet, das Gebiet Hanság könne derzeit nicht mehr als geeignetstes Gebiet für die Erhaltung der von der Kommission angeführten Arten angesehen werden. Andere Gebiete seien für diese Arten wichtiger geworden. Gleichwohl räumt die Republik Österreich ein, dass eine Ausdehnung der Grenzen dieses Gebiets, von dem ein Großteil bereits wegen seiner Ausweisung als Natura‑2000-Gebiet dem Schutzregime des Art. 6 Abs. 2 bis 4 der Habitatrichtlinie unterliege, aus fachlicher Sicht gerechtfertigt sei. Da dieses Natura‑2000-Gebiet und die Bestände der dort vorkommenden Vogelarten bereits der durch diese Bestimmungen geschaffenen Schutzregelung unterstellt worden seien, bringe eine Verzögerung insoweit keine Gefahr mit sich. Außerdem sei im Gebiet Hanság keine Verschlechterung eingetreten. Zuletzt sei dieses Gebiet durch eine Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 3. Juni 2008, die der Kommission mitgeteilt worden sei, in Anwendung der Vogelschutzrichtlinie zum „Europaschutzgebiet Waasen-Hanság“ erklärt worden.

18      Folglich liege ein Verstoß gegen die Vogelschutzrichtlinie jedenfalls nicht mehr vor, so dass in diesem Punkt eine Klagerücknahme gerechtfertigt wäre.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

19      Festzustellen ist, dass die Republik Österreich im Vorverfahren anerkannt hat, dass das Gebiet Hanság zum BSG erklärt werden muss, und die Kommission von ihrem Vorhaben, die Ausweisung dieses Gebiets vorzunehmen, in Kenntnis gesetzt hat.

20      Außerdem steht außer Streit, dass das Gebiet Hanság nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist durch Verordnung der Burgenländischen Landesregierung in Anwendung der Vogelschutzrichtlinie zum „Europaschutzgebiet“ erklärt wurde.

21      Es erscheint daher nicht bestreitbar, dass das Gebiet Hanság zu den für die Erhaltung der betroffenen Arten, die in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführt sind und auf die sich deren Art. 4 Abs. 1 bezieht, geeignetsten Gebieten gehört und dass es infolgedessen nach dieser Richtlinie zum BSG erklärt werden musste.

22      Da das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Situation zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist befand, und später eingetretene Veränderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden können (vgl. u. a. Urteil vom 11. Januar 2007, Kommission/Irland, C‑183/05, Slg. 2007, I‑137, Randnr. 17), ist die Rüge, dass das Gebiet Hanság unter Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie nicht zum BSG erklärt worden sei, begründet, denn die in Randnr. 20 des vorliegenden Urteils erwähnte Erklärung zum Schutzgebiet ist erst nach Ablauf der genannten Frist erfolgt.

23      An der in der vorstehenden Randnummer getroffenen Feststellung ändert auch der Umstand nichts, dass die Republik Österreich nun vor dem Gerichtshof, ohne im Übrigen ihr dahin gehendes Vorbringen ausreichend zu untermauern, geltend macht, das Gebiet Hanság sei, verglichen mit einem anderen Gebiet, nicht mehr als das geeignetste Gebiet für die Erhaltung der Großtrappe, der Wiesenweihe und der Sumpfohreule anzusehen.

24      Diese Feststellung wird ebenso wenig durch die Tatsache – ihren Nachweis unterstellt – in Frage gestellt, dass das genannte Gebiet zum einen bereits zu einem erheblichen Teil durch die Habitatrichtlinie im Rahmen des Netzwerks Natura 2000 geschützt wurde und zum anderen keine Verschlechterung erfahren hat. Da sich nämlich zum einen die rechtlichen Regelungen der Vogelschutz- und der Habitatrichtlinie voneinander unterscheiden, kann sich ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie nicht dadurch entziehen, dass er sich auf andere als die darin vorgesehenen Maßnahmen beruft (Urteil vom 28. Juni 2007, Kommission/Spanien, C‑235/04, Slg. 2007, I‑5415, Randnr. 79). Zum anderen kann der Umstand, dass in dem betreffenden Gebiet keine Verschlechterung eingetreten ist, nicht die den Mitgliedstaaten auferlegte Verpflichtung in Frage stellen, Gebiete zu BSG zu erklären (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2007, Kommission/Irland, C‑418/04, Slg. 2007, I‑10947, Randnr. 38).

 Zur nicht korrekten Abgrenzung des BSG Niedere Tauern

–       Vorbringen der Parteien

25      Die Kommission stellt fest, dass das BSG Niedere Tauern, das im Jahr 1999 eine Fläche von 137 742 Hektar umfasst habe, im Mai 2001 auf etwa 87 000 Hektar verkleinert worden sei, und macht geltend, dass die Abgrenzung dieses Gebiets im Hinblick auf die in Art. 4 Abs. 1 bzw. 2 der Vogelschutzrichtlinie für die dort genannten Vogelarten vorgesehenen Schutzanforderungen unzureichend sei. Im vorliegenden Fall seien insbesondere Arten wie der Mornellregenpfeifer (Charadrius morinellus), das Auerhuhn (Tetrao urogallus), der Rauhfußkauz (Aegolius funereus), der Sperlingskauz (Glaucidium passerinum), der Schwarzspecht (Dryocopus martius), der Dreizehenspecht (Picoides tridactylus), der Grauspecht (Picus canus) und das Haselhuhn (Bonasa bonasia) betroffen.

26      Die Republik Österreich habe nach wie vor nicht wissenschaftlich belegt, dass die ursprüngliche Abgrenzung des Gebiets Niedere Tauern im technischen Sinn als verfehlt anzusehen sei.

27      Die Republik Österreich führt aus, das Bundesland Steiermark habe zum Schutz des Mornellregenpfeifers das BSG Niedere Tauern im Laufe des Jahres 2008 ausgedehnt. Im Übrigen könnten mit dieser auf wissenschaftlichen Studien beruhenden Ausdehnung die in Art. 4 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie aufgestellten Bedingungen erfüllt werden, da die für die Erhaltung der betreffenden Vogelarten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu BSG erklärt worden seien.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

28      Es ist darauf hinzuweisen, dass das BSG Niedere Tauern, dessen Fläche zunächst von 137 742 Hektar auf etwa 87 000 Hektar verkleinert worden war, im Laufe des Jahres 2008 wieder auf 101 880 Hektar erweitert wurde, d. h. nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist und somit nach dem Zeitpunkt, anhand dessen, wie in Randnr. 22 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die von der Kommission gerügte Vertragsverletzung zu beurteilen ist.

29      Wie die Republik Österreich selbst einräumt, erfolgte diese Ausdehnung aufgrund der Notwendigkeit, einen angemessenen Schutz für den Mornellregenpfeifer, eine in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie angeführte Art, sicherzustellen.

30      Deshalb bedarf es jedenfalls lediglich der Feststellung, dass die Fläche des betreffenden BSG bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist gemessen an den in Art. 4 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie vorgesehenen Schutzanforderungen unzureichend war.

31      Folglich greift die erste Rüge, soweit sie den Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie betrifft, durch.

 Zur zweiten Rüge: Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 bzw. 2 der Vogelschutzrichtlinie und gegen Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 der Habitatrichtlinie wegen des unzureichenden rechtlichen Schutzes eines Teils der bereits ausgewiesenen BSG

 Zur Zulässigkeit

–       Vorbringen der Parteien

32      Die Republik Österreich trägt vor, die Kommission habe zum einen den Klagegegenstand erweitert und zum anderen nicht ausreichend nachgewiesen, dass konkrete Versäumnisse in Bezug auf bestimmte Schutzgebiete vorlägen.

33      Zum ersten Gesichtspunkt macht die Republik Österreich geltend, dass die Klage im Gegensatz zu der mit Gründen versehenen Stellungnahme, die nicht die „Verordnungen“ zu den bereits ausgewiesenen „Europaschutzgebieten“ betroffen habe, auch auf vermeintliche, mit diesen Verordnungen im Zusammenhang stehende Verstöße gegen die in Rede stehenden Richtlinien Bezug nehme. Außerdem bezögen sich die Vorwürfe in der mit Gründen versehenen Stellungnahme zusammenfassend auf die Nichteinhaltung der Verpflichtungen, für jedes BSG Erhaltungsziele festzulegen, Schutzziele durch verbindliche Maßnahmen sicherzustellen sowie verbindliche und publizitätswirksame Karten herzustellen. Demgegenüber seien die inhaltlichen Anforderungen an den rechtlichen Status der BSG in der Klage wesentlich dahin erweitert worden, dass die Verordnungen zu den BSG nach Ansicht der Kommission gebiets- und schutzgutbezogene Ge- und Verbote sowie konkrete Maßnahmen zur Sicherstellung der Beachtung der einschlägigen Bestimmungen der Vogelschutz- und der Habitatrichtlinie enthalten müssten.

34      Als Beispiel führt die Republik Österreich u. a. an, dass die Rüge, die von den Bundesländern Steiermark und Niederösterreich erlassene Regelung für Europaschutzgebiete genüge nicht den unionsrechtlichen Anforderungen, nicht dem Vorbringen der Kommission in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme entspreche. Außerdem habe die Kommission in Bezug auf das Bundesland Salzburg im ergänzenden Aufforderungsschreiben nicht darauf hingewiesen, dass der rechtliche Status der BSG dieses Bundeslandes nicht ausreiche, und habe – im Übrigen erstmals in der mit Gründen versehenen Stellungnahme – nur das Gebiet Salzachauen als BSG mit unzureichendem rechtlichem Schutzstatus genannt.

35      Zum zweiten Gesichtspunkt bringt die Republik Österreich vor, weder die mit Gründen versehene Stellungnahme noch die Klageschrift gäben Aufschluss darüber, welche Mängel die Kommission geltend mache und welche BSG betroffen seien. Folglich sei die Republik Österreich nicht in der Lage, sich wirksam zu verteidigen. Außerdem sei sie, da Inhalt und Umfang der Maßnahmen, die erforderlich seien, um den Verpflichtungen aus der Vogelschutz- und der Habitatrichtlinie nachzukommen, nicht feststünden, auf unbestimmte Zeit der Gefahr eines Verfahrens zur Feststellung eines Verstoßes gegen die Verpflichtungen ausgesetzt, die sich aus einem Urteil ergäben, in dem die den Gegenstand der vorliegenden Klage bildende Vertragsverletzung festgestellt werde.

36      So erläutere die Kommission zunächst in Bezug auf das Bundesland Burgenland nicht, in welchen Gebieten kein adäquater Schutzstatus bestehe. Ferner beschränke sich die Kommission darauf, den rechtlichen Schutz der Gebiete des Bundeslandes Oberösterreich als nicht ausreichend zu qualifizieren. Schließlich ziehe die Kommission in Bezug auf das Bundesland Tirol das Beispiel des Gebiets Tiroler Lechtal heran, um alle zum Schutz der Natura‑2000-Gebiete Tirols erlassenen Bestimmungen als allgemeine Regelungen, die keinen ausreichenden Schutzstatus begründeten, einzustufen.

37      Zum ersten Punkt entgegnet die Kommission, die Klage und die mit Gründen versehene Stellungnahme seien im Wesentlichen identisch, was die Rüge betreffend den unzureichenden Schutzstatus eines Teils der bereits ausgewiesenen BSG anlange. Daher seien die bestehenden Europaschutzgebietsverordnungen nicht außer Streit gestellt worden. Im Übrigen seien die Ge- und Verbote hinsichtlich der BSG in jedem Fall für die Republik Österreich verbindlich. Folglich könne das Argument, das Vorbringen in der mit Gründen versehenen Stellungnahme umfasse nicht speziell die Rüge des unzureichenden Schutzniveaus in den Bundesländern Steiermark und Niederösterreich, nur verworfen werden. Schließlich treffe es zwar zu, dass die Rechtslage im Bundesland Salzburg nicht im ergänzenden Aufforderungsschreiben erwähnt werde; dies berechtige die Republik Österreich aber nicht zu der Schlussfolgerung, dass der exemplarisch für den Schutzstatus der BSG im Burgenland erhobene Vorwurf nicht auch für die Regelungen des Bundeslandes Salzburg und insbesondere für das Gebiet Salzachauen gelte.

38      Zum zweiten Punkt trägt die Kommission vor, die mit Gründen versehene Stellungnahme sei weiter gehend dahin zu verstehen, dass das zu erreichende Schutzniveau qualitativ durch bestimmte Anforderungen beschrieben worden sei, womit für die Republik Österreich erkennbar gewesen sei, für welche BSG und in welcher Form weiterer Umsetzungsbedarf bestanden habe. Dies werde in der Klageschrift für die betroffenen Bundesländer und BSG weiter präzisiert, ohne dass hierdurch jedoch der Streitgegenstand verändert werde. Der Republik Österreich sei insoweit eine Verteidigung ohne Weiteres möglich gewesen, und sie habe hiervon im Übrigen umfassend Gebrauch gemacht.

39      Schließlich lasse die Klageschrift keinen Zweifel daran, dass bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist für kein BSG der Bundesländer Burgenland und Oberösterreich ein adäquater Schutzstatus bestanden habe und dass es sich um Gebiete handele, für die keine speziellen Schutz- und Erhaltungsziele festgelegt worden seien. Das Fehlen spezieller, auf die Situation einzelner Vogelarten ausgerichteter Schutz- und Erhaltungsziele gelte auch für das Gebiet Tiroler Lechtal. Überdies sei der Schutzstatus in den elf von den Tiroler Behörden ausgewiesenen Natura‑2000-Gebieten unzureichend.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

40      Es ist darauf hinzuweisen, dass der Streitgegenstand bei einer Vertragsverletzungsklage durch die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission bestimmt wird, so dass die Klage auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt sein muss wie diese Stellungnahme (vgl. Urteil vom 9. November 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑236/05, Slg. 2006, I‑10819, Randnr. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Außerdem grenzen nach ständiger Rechtsprechung das von der Kommission an den Mitgliedstaat gerichtete Aufforderungsschreiben sowie ihre mit Gründen versehene Stellungnahme den Streitgegenstand ab, so dass dieser nicht mehr erweitert werden kann. Denn die Möglichkeit zur Äußerung stellt für den betreffenden Mitgliedstaat auch dann, wenn er meint, davon nicht Gebrauch machen zu sollen, eine vom Vertrag gewollte wesentliche Garantie dar, deren Beachtung ein substanzielles Formerfordernis für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens zur Feststellung einer Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ist. Die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klage der Kommission müssen daher auf dieselben Rügen gestützt werden wie das Aufforderungsschreiben, mit dem das Vorverfahren eingeleitet wird. Ist dies nicht der Fall, kann dieser Fehler nicht dadurch als beseitigt angesehen werden, dass sich der beklagte Mitgliedstaat zu der mit Gründen versehenen Stellungnahme geäußert hat (vgl. Urteil vom 18. Dezember 2007, Kommission/Spanien, C‑186/06, Slg. 2007, I‑12093, Randnr. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Überdies müssen die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klage eine zusammenhängende und genaue Darstellung der Rügen enthalten, damit der Mitgliedstaat und der Gerichtshof die Tragweite des gerügten Verstoßes gegen das Unionsrecht richtig erfassen können, was notwendig ist, damit der betreffende Staat sich gebührend verteidigen und der Gerichtshof überprüfen kann, ob die behauptete Vertragsverletzung vorliegt (vgl. Urteil vom 18. Dezember 2007, Kommission/Spanien, Randnr. 18).

 Zur Erweiterung des Klagegegenstands

43      Erstens ist festzustellen, dass die mit Gründen versehene Stellungnahme, auch wenn es darin heißt, dass eine große Zahl von BSG noch immer über keine spezifische Regelung zum Schutz der betroffenen Vogelfauna verfüge, die in Österreich im Allgemeinen in Form einer „Europaschutzgebietsverordnung“ erlassen werde, ihrem Wortlaut nach nicht ausschließt, dass die BSG, für die eine „Europaschutzgebietsverordnung“ besteht, von dieser Stellungnahme mit erfasst werden. Hierzu ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Republik Österreich der Kommission auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme hin mitteilte, das Vogelschutzgebiet „Flachwasserbiotop Neudenstein“ sei 2005 mit Verordnung der Kärntner Landesregierung vom 23. Mai 2005 (LGBl. Nr. 47/2005) zum Europaschutzgebiet erklärt worden.

44      Zweitens ist festzustellen, dass die Klageschrift der Kommission, soweit darin die Ansicht vertreten wird, die Verordnungen zu den BSG müssten gebiets- und schutzgutbezogene Ge- und Verbote sowie konkrete Maßnahmen zur Sicherstellung der Beachtung der einschlägigen Bestimmungen der Vogelschutz- und der Habitatrichtlinie enthalten, im Wesentlichen den Wortlaut der mit Gründen versehenen Stellungnahme übernimmt. Denn darin heißt es, dass „im Allgemeinen … eine Aufnahme der Erhaltungsziele, d. h. Vogelarten und deren spezifische Schutz- und Wiederherstellungsanforderungen, zusammen mit den erforderlichen Maßnahmen und Auflagen für das Gebiet einen zentralen Bestandteil der Schutzgebietsverordnungen auszumachen“ habe.

45      Drittens ist die Rüge, die von den Bundesländern Steiermark und Niederösterreich erlassenen Europaschutzgebietsverordnungen genügten nicht den unionsrechtlichen Anforderungen, nicht in der mit Gründen versehenen Stellungnahme enthalten und daher für unzulässig zu erklären.

46      Zur Rüge des unzureichenden rechtlichen Schutzstatus der BSG des Bundeslandes Salzburg und insbesondere des Gebiets Salzachauen steht außer Streit, dass das ergänzende Aufforderungsschreiben mit keinem Wort die Lage in diesem Bundesland und insbesondere nicht die Lage in dem genannten Gebiet erwähnte. Folglich ist die Klage auch insoweit unzulässig, als sie den rechtlichen Schutzstatus der BSG des Bundeslandes Salzburg betrifft.

47      Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Klage unzulässig ist, soweit sie sich auf die rechtliche Schutzregelung der BSG der Bundesländer Salzburg, Steiermark und Niederösterreich bezieht.

 Zur mangelnden Konkretisierung und Kohärenz

48      Fest steht, dass die Kommission der Republik Österreich vorwirft, einen Teil der bereits ausgewiesenen BSG nicht mit einem den unionsrechtlichen Anforderungen entsprechenden rechtlichen Schutz ausgestattet zu haben. Zur Untermauerung dieser Rüge trägt sie vor, welche Mängel die in Österreich bestehende rechtliche Schutzregelung für BSG ihres Erachtens aufweist. Dabei legt die Kommission ihre Rüge allgemein dar und nimmt auf die in den verschiedenen Bundesländern dieses Mitgliedstaats bestehende Lage Bezug.

49      Die auf diese Weise vorgebrachte Rüge erscheint somit weder unkonkret noch inkohärent.

50      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die mit Gründen versehene Stellungnahme zwar eine zusammenhängende und detaillierte Darlegung der Gründe enthalten muss, aus denen die Kommission zu der Überzeugung gelangt ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen eine ihm nach dem Vertrag obliegende Verpflichtung verstoßen hat, doch ist die Kommission nicht verpflichtet, in dieser Stellungnahme die Maßnahmen anzugeben, die eine Abstellung des behaupteten Verstoßes ermöglichen würden (vgl. Urteil vom 2. Juni 2005, Kommission/Griechenland, C‑394/02, Slg. 2005, I‑4713, Randnr. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ebenso wenig ist die Kommission verpflichtet, solche Maßnahmen in ihrer Klageschrift anzugeben.

51      Die geltend gemachte Unzulänglichkeit der Beweise für die Unangemessenheit der Regelung zum Schutz der BSG in den Bundesländern Burgenland, Oberösterreich und Tirol ist im Rahmen der Begründetheit zu prüfen.

52      Folglich ist die Vertragsverletzungsklage innerhalb der in Randnr. 47 des vorliegenden Urteils genannten Grenzen für zulässig zu erachten.

 Zur Begründetheit

–       Vorbringen der Parteien

53      Die Kommission bringt vor, ein Teil der bereits in Österreich ausgewiesenen BSG sei nicht mit einem den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 bzw. 2 der Vogelschutzrichtlinie und Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie in Verbindung mit Art. 7 dieser Richtlinie entsprechenden rechtlichen Schutz ausgestattet. Hierzu macht sie geltend, die sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Ge- und Verbote, die nicht nur BSG- und schutzgutbezogen, sondern auch verbindlich sein und in ausreichender Weise öffentlich bekannt gemacht werden müssten, sollten in demselben verbindlichen Rechtsakt enthalten sein, der für das jeweilige BSG die geschützten Arten und Lebensräume sowie Erhaltungsziele festlege. Somit sei im Allgemeinen der rechtliche Schutzstatus der BSG in den Fällen nicht ausreichend, in denen die Ausweisung eines BSG an ein bestehendes, durch nationale oder regionale Maßnahmen geschütztes Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiet anknüpfe.

54      Die Republik Österreich entgegnet zunächst, die Auffassung der Kommission, wonach Ge- und Verbote in Bezug auf die verschiedenen Vogelarten verbindlich sein und in ausreichender Weise öffentlich bekannt gemacht werden müssten, sei in dieser Allgemeinheit überschießend. Ferner gebe es keine Regel, die vorschreibe, dass diese Ge- und Verbote in demselben verbindlichen Rechtsakt enthalten sein müssten, der für das jeweilige BSG die geschützten Arten und Lebensräume sowie Erhaltungsziele festlege. Außerdem entbehre das Vorbringen, wonach die Erhaltungsziele im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie in einem solchen Rechtsakt enthalten sein sollten, jeder Grundlage. Schließlich gingen aufgrund der Tatsache, dass sich der Schutz der Naturschutzgebiete in der Regel auf alle Tier- und Pflanzenarten samt deren Lebensräumen und auf das Landschaftsbild erstrecke, die Eingriffsverbote weiter als bei „Europaschutzgebieten“, die im Allgemeinen dem Schutz genau bezeichneter Arten und Lebensräume dienten.

55      In ihrem Streithilfeschriftsatz macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, die Vogelschutz- und die Habitatrichtlinie verlangten nicht, dass die Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen in spezifischen, d. h. gebiets- und schutzgutbezogenen Ge- und Verboten bestünden. Selbst wenn die Mitgliedstaaten zum Erlass solcher Ge- und Verbote verpflichtet wären, enthielten diese Richtlinien keinerlei Vorgaben für eine bestimmte Konkretisierungsstufe. Ebenso wenig seien die Mitgliedstaaten nach den genannten Richtlinien verpflichtet, „Erhaltungsziele“ mit verbindlichem Charakter festzulegen, geschweige denn, diese Festlegung in dem Rechtsakt zu treffen, der auch die Schutzgüter und die spezifischen einzuhaltenden Ge- und Verbote normiere.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

56      Nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie die Mitgliedstaaten dazu, ein BSG mit einem rechtlichen Schutzstatus auszustatten, der geeignet ist, u. a. das Überleben und die Vermehrung der in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Vogelarten sowie die Vermehrung, die Mauser und die Überwinterung der nicht in diesem Anhang aufgeführten, regelmäßig auftretenden Zugvogelarten sicherzustellen (vgl. Urteile vom 18. März 1999, Kommission/Frankreich, C‑166/97, Slg. 1999, I‑1719, Randnr. 21, vom 13. Dezember 2007, Kommission/Irland, Randnr. 153, und vom 11. Dezember 2008, Kommission/Griechenland, C‑293/07, Randnr. 22).

57      Ferner steht fest, dass Art. 4 der Vogelschutzrichtlinie eine Regelung vorsieht, die gerade die in Anhang I aufgezählten Arten und die Zugvogelarten unter verstärkten Schutz stellt, was durch die Tatsache gerechtfertigt ist, dass es sich um die am meisten bedrohten Arten bzw. um Arten handelt, die ein gemeinsames Erbe der Europäischen Union darstellen (Urteile vom 11. Juli 1996, Royal Society for the Protection of Birds, C‑44/95, Slg. 1996, I‑3805, Randnr. 23, vom 13. Dezember 2007, Kommission/Irland, Randnr. 46, und vom 11. Dezember 2008, Kommission/Griechenland, Randnr. 23).

58      Nach Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie, dessen Verpflichtungen, was die besonderen Schutzgebiete anbelangt, an die Stelle jener treten, die sich aus Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie ergeben, muss der rechtliche Schutzstatus der BSG auch gewährleisten, dass dort die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie erhebliche Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, vermieden werden (vgl. Urteil vom 27. Februar 2003, Kommission/Belgien, C‑415/01, Slg. 2003, I‑2081, Randnr. 16, und vom 11. Dezember 2008, Kommission/Griechenland, Randnr. 24).

59      Außerdem darf sich der Schutz der BSG nicht auf die Abwehr externer, vom Menschen verursachter Beeinträchtigungen und Störungen beschränken, sondern muss je nach Sachlage auch positive Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung des Gebietszustands einschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2007, Kommission/Irland, Randnr. 154).

60      Nach Art. 249 Abs. 3 EG, jetzt Art. 288 Abs. 3 AEUV, ist die Richtlinie zwar für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Folglich kann die Republik Österreich ebenso wie jeder andere Mitgliedstaat die Form und die Mittel für die Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie wählen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2007, Kommission/Irland, Randnr. 157).

61      Der Genauigkeit der Umsetzung kommt bei der Vogelschutzrichtlinie zwar insofern besondere Bedeutung zu, als die Verwaltung des gemeinsamen Erbes den Mitgliedstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet anvertraut ist (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2007, Kommission/Irland, Randnrn. 64 und 159), doch kann sie diese jedenfalls nicht verpflichten, die Ge- und Verbote aus Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie und aus Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie in den Rechtsakt aufzunehmen, der für das jeweilige BSG die geschützten Arten und Lebensräume sowie die Erhaltungsziele festlegt.

62      In Bezug auf diese Verpflichtungen, die nach dem Vorbringen der Kommission positiver Art und auf bestimmte BSG und bestimmte Arten bezogen sein müssen, geht aus Randnr. 59 des vorliegenden Urteils sowie aus Randnr. 34 des Urteils vom 20. Oktober 2005, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑6/04, Slg. 2005, I‑9017), hervor, dass der Erlass positiver Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung des Zustands eines BSG keinen systematischen Charakter hat, sondern von der konkreten Lage im betreffenden BSG abhängt.

63      Was die Verbote betrifft, die nach dem Vorbringen BSG- und artenspezifisch sein sollen, erfordert zwar z. B. der Schutz der BSG vor den Tätigkeiten Einzelner, dass diese präventiv daran gehindert werden, Tätigkeiten nachzugehen, die möglicherweise schädlich sind (Urteil vom 13. Dezember 2007, Kommission/Irland, Randnr. 208); zur Verwirklichung dieses Ziels erscheint es jedoch weder notwendig, für jedes BSG spezielle Verbote zu erlassen, noch, wie aus Randnr. 20 des Urteils vom 7. Dezember 2000, Kommission/Frankreich (C‑374/98, Slg. 2000, I‑10799), hervorgeht, dies für jede einzelne Art zu tun.

64      Zur Bestimmung der in jedem BSG geschützten Arten und Lebensräume ist festzustellen, dass die Bestimmung der Arten, die die Ausweisung des betreffenden BSG gerechtfertigt haben, ebenso wie die Abgrenzung eines BSG (vgl. Urteil Kommission/Belgien, Randnr. 22) unbestreitbare Verbindlichkeit aufweisen muss. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass das aus Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie sowie aus Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 der Habitatrichtlinie resultierende Schutzziel nicht vollständig erreicht würde.

65      In Bezug auf die Erhaltungsziele geht aus den Randnrn. 20 und 21 des Urteils vom 7. Dezember 2000, Kommission/Frankreich, hervor, dass der rechtliche Schutzstatus, mit dem die BSG ausgestattet sein müssen, nicht bedeutet, dass diese Ziele für jede Art gesondert angegeben werden müssen. Außerdem kann im Hinblick auf die Ausführungen in den Randnrn. 60 und 61 des vorliegenden Urteils jedenfalls nicht angenommen werden, dass die Erhaltungsziele in dem Rechtsakt enthalten sein müssen, der auch die geschützten Arten und Lebensräume eines bestimmten BSG betrifft.

66      Zu dem Vorbringen, der rechtliche Schutzstatus der an ein bestehendes, durch nationale oder regionale Maßnahmen geschütztes Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiet anknüpfenden BSG sei unzureichend, ist festzustellen, dass Art. 4 der Vogelschutzrichtlinie, wie in Randnr. 57 des vorliegenden Urteils ausgeführt, eine Regelung vorsieht, die gerade die in Anhang I aufgezählten Arten und die Zugvogelarten unter verstärkten Schutz stellt. Darin besteht die Besonderheit der Schutzregelung, mit der die BSG ausgestattet werden müssen, gegenüber der weniger strengen allgemeinen Schutzregelung, die Art. 3 der Vogelschutzrichtlinie für alle von ihr erfassten Vogelarten vorsieht (vgl. in diesem Sinne Urteil Royal Society for the Protection of Birds, Randnrn. 19 und 24). Daraus folgt jedoch nicht, dass nur eine rechtliche Regelung, die für jedes BSG speziell ausgestaltet und geschaffen wurde, ein derartiges Gebiet wirksam schützen könnte.

67      Nach alledem ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die Begründetheit der Rüge, der beklagte Mitgliedstaat habe allgemein gegen die Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 bzw. 2 der Vogelschutzrichtlinie und aus Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 der Habitatrichtlinie verstoßen, nicht erwiesen ist.

68      Daher ist die Begründetheit der Vertragsverletzungsklage anhand der Regelung, die in den verschiedenen Bundesländern bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzten Frist galt, innerhalb der in Randnr. 47 des vorliegenden Urteils umrissenen Grenzen zu prüfen.

 Zum Bundesland Burgenland

–       Vorbringen der Parteien

69      Die Kommission trägt vor, da die Natura‑2000-Gebiete nicht in Europaschutzgebiete umgewandelt und nicht mit dem damit verbundenen rechtlichen Status ausgestattet worden seien, bestehe für die BSG des Bundeslandes Burgenland kein adäquater Schutzstatus.

70      Die Republik Österreich nennt einige Gebiete, für die sich die Verordnungen, mit denen sie als Europaschutzgebiete ausgewiesen würden, in Ausarbeitung befänden. Nur das Gebiet Auwiesen Zickenbachtal sei durch eine Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 23. März 2008 als „Europaschutzgebiet Auwiesen Zickenbachtal“ ausgewiesen worden.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

71      Sowohl aus dem Parteivorbringen als auch aus dem Schreiben der Republik Österreich an die Kommission vom 20. Februar 2007, mit dem sie auf die mit Gründen versehene Stellungnahme antwortet, geht hervor, dass bei Ablauf der darin gesetzten Frist im Bundesland Burgenland kein BSG ausgewiesen worden war. Die zweite Rüge bezieht sich aber nach den Angaben in den Klageanträgen nur auf bereits ausgewiesene BSG.

72      Folglich ist diese Rüge, soweit sie die Lage in diesem Bundesland betrifft, im Übrigen gegenstandslos und somit zu verwerfen.

 Zum Bundesland Wien

–       Vorbringen der Parteien

73      Die Kommission macht geltend, die vier erst am 17. Oktober 2007 ausgewiesenen BSG dieses Bundeslandes seien nicht mit einem Rechtsstatus ausgestattet, der ihnen ausreichenden Schutz biete.

74      Die Republik Österreich entgegnet, diese BSG würden in einer Weise geschützt, die den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 bzw. 2 der Vogelschutzrichtlinie sowie der Art. 6 Abs. 2 und 7 der Habitatrichtlinie entspreche.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

75      Die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Gebiete waren bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist unstreitig nicht als BSG ausgewiesen.

76      Unter diesen Umständen ist die zweite Rüge, soweit sie die Lage im Bundesland Wien betrifft, aus dem in Randnr. 71 des vorliegenden Urteils genannten Grund ebenfalls zu verwerfen.

 Zum Bundesland Kärnten

–       Vorbringen der Parteien

77      Nach Auffassung der Kommission kann der Rechtsstatus des Europavogelschutzgebiets Flachwasserbiotop Neudenstein, des einzigen BSG, das vor Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist ausgewiesen wurde, nicht als ausreichender Schutz für dieses Gebiet erachtet werden, weil die innerstaatliche Regelung weder spezifische Maßnahmen und Erhaltungsziele in Bezug auf die konkret betroffenen Vogelarten noch eine kartografische Darstellung dieses BSG vorsehe.

78      Die Republik Österreich beschränkt sich darauf, die Existenz dieses BSG zu bestätigen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

79      Insoweit ist festzustellen, dass nach § 2 der Verordnung der Kärntner Landesregierung vom 23. Mai 2005, die das genannte BSG betrifft, eine ergänzende Festlegung von Geboten, Verboten, Bewilligungsvorbehalten und Erhaltungsmaßnahmen für das Europaschutzgebiet Flachwasserbiotop Neudenstein nicht erforderlich ist, da mit den Schutzbestimmungen, wie sie in § 2 der Verordnung der Kärntner Landesregierung vom 8. November 1994 (LGBl. Nr. 92/1994) festgelegt wurden, ein ausreichender Schutz gewährleistet ist.

80      Außerdem sieht § 3 der Verordnung vom 23. Mai 2005 vor, dass sie der Bewahrung, Entwicklung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der in ihrer Anlage aufgelisteten Schutzgüter dient.

81      In diesem Kontext ist die Rüge der Kommission in Anbetracht der Erwägungen in Randnr. 65 des vorliegenden Urteils und mangels jeglichen Beweises dafür, dass die Verwirklichung der Ziele in Bezug auf die Erhaltung der von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie erfassten Vogelarten, zu denen die im Anhang dieser Verordnung aufgeführten Arten gehören, im vorliegenden Fall detailliertere als die von der Kärntner Landesregierung erlassenen Bestimmungen erfordern würde, in diesem Punkt zu verwerfen.

82      Zu der Rüge, dass eine kartografische Darstellung dieses BSG fehle, ist festzustellen, dass eine solche Darstellung zwar eine klare Abgrenzung eines Gebiets liefern kann, doch ist sie, wie die Generalanwältin in Nr. 84 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, nicht die einzige mögliche und verlässliche Form der Abgrenzung eines Gebiets.

83      Daher ist die Rüge der Kommission auch in diesem Punkt zu verwerfen.

84      Somit ist die zweite Rüge zu verwerfen, soweit sie die Lage im Bundesland Kärnten betrifft.

 Zum Bundesland Oberösterreich

–       Vorbringen der Parteien

85      Die Kommission trägt vor, die in den elf bekannt gegebenen BSG dieses Bundeslandes bestehende Schutzregelung sei unzureichend. Zum einen gebe es keine Regelung für die BSG Maltsch, Wiesengebiete im Freiwald, Pfeifer Anger, Oberes Donautal und Untere Traun. Zum anderen biete die für die BSG Traun-Donau-Auen, Ettenau, Frankinger Moos, Dachstein, Unterer Inn und Nationalpark Kalkalpen geltende Regelung keinen adäquaten Schutz.

86      Für die BSG Ettenau, Traun-Donau-Auen und Frankinger Moos gebe es allgemeine Naturschutzverordnungen, die in den beiden letztgenannten Fällen nur die gestatteten Eingriffe regelten. Die BSG Dachstein, Unterer Inn und Nationalpark Kalkalpen fielen hingegen unter spezielle Europaschutzgebietsverordnungen, die im Wesentlichen nur ein allgemeines Eingriffsverbot vorsähen.

87      Die Republik Österreich führt aus, die fehlenden Verordnungen würden gerade von der Oberösterreichischen Landesregierung ausgearbeitet. Sie weist jedoch die These der Kommission, allen BSG dieses Bundeslandes fehle es an einem ausreichenden Schutzstatus, zurück. So seien die derzeit als Naturschutzgebiete geschützten BSG nach § 25 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 2001 (LGBl. Nr. 129/2001) mit einem absoluten Schutz ausgestattet, der über die Anforderungen der Vogelschutzrichtlinie hinausgehe. Ferner führt die Republik Österreich als Beispiele für ein BSG, das einen ausreichenden Schutzstatus genieße, die BSG Dachstein und Nationalpark Kalkalpen an, wobei sie eine Reihe von innerstaatlichen Bestimmungen nennt, die speziell auf die Erhaltung von Vögeln abzielten.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

88      Hinsichtlich der BSG Maltsch, Wiesengebiete im Freiwald, Pfeifer Anger, Oberes Donautal und Untere Traun ist offenbar keine einschlägige Regelung der Kommission mitgeteilt oder im Verfahren vor dem Gerichtshof angegeben worden. Daher ist die Rüge der Kommission, die für diese BSG geltende Regelung sei unzureichend, begründet.

89      Zur rechtlichen Regelung der anderen BSG ist festzustellen, dass die Kommission, da sie nicht dargetan hat, dass eine solche Regelung unter Berücksichtigung der konkreten Lage jedes Gebiets im Hinblick auf die einschlägigen Anforderungen der Vogelschutz- und der Habitatrichtlinie nicht ausreicht, mit ihrem Vorbringen, das somit nicht hinreichend substantiiert ist, den Beweis für die Begründetheit ihrer Rüge nicht erbracht hat, so dass die Rüge in diesem Punkt zu verwerfen ist.

90      Folglich greift die zweite Rüge, sofern sie sich auf die Lage im Bundesland Oberösterreich bezieht, nicht durch, soweit sie die BSG Maltsch, Wiesengebiete im Freiwald, Pfeifer Anger, Oberes Donautal und Untere Traun betrifft.

 Zum Bundesland Vorarlberg

–       Vorbringen der Parteien

91      Die Kommission macht geltend, die in diesem Bundesland bestehende Regelung sehe für die BSG weder spezielle Schutz- und Erhaltungsziele noch konkrete Maßnahmen, geschweige denn Ge- oder Verbote vor. Insbesondere in Bezug auf das BSG Klostertaler Bergwälder weist die Kommission auf den unzureichenden Schutz hin, mit dem der von der Vorarlberger Landesregierung erlassene Waldfachplan dieses Gebiet ausstatte. Das BSG Verwall werde speziell durch eine – jedoch nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist erlassene – Verordnung der Landesregierung geschützt, die Gebote, Verbote und Bestimmungen zum Schutz und zur Erhaltung des Gebiets sowie der dort vorkommenden geschützten Arten enthalte.

92      Die Republik Österreich entgegnet, die BSG Rheindelta, Lauteracher Ried, Bangser Ried und Matschels fielen unter Schutzgebietsverordnungen, mit denen Maßnahmen und Nutzungen untersagt würden, die die natürlichen Lebensräume der Arten, denen diese Gebiete gewidmet seien, beeinträchtigten oder erhebliche Störungen dieser Arten mit sich brächten. Für das BSG Klostertaler Bergwälder sei im Auftrag der Behörden ein verbindlicher Waldfachplan ausgearbeitet worden, um die Erhaltungsmaßnahmen umzusetzen, die zur Bewahrung eines günstigen Erhaltungszustands für die in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführten Vogelarten, die in dem Gebiet vorkämen, erforderlich seien.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

93      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Vorarlberger Landesregierung nach § 13 Abs. 2 der Naturschutzverordnung (LGBl. Nr. 36/2003) für die erfassten Gebiete, soweit notwendig, Pflege-, Entwicklungs- und Erhaltungsmaßnahmen mittels Managementplänen oder sonstigen Vereinbarungen oder durch Bescheid oder Verordnung festzulegen hat, die den ökologischen Erfordernissen insbesondere der in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie genannten Vogelarten entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.

94      § 14 dieser Verordnung sieht ausdrücklich ein Verschlechterungsverbot vor, während ihr § 15 bestimmt, dass eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist und gegebenenfalls eine Bewilligungspflicht nach Maßgabe der Erhaltungsziele besteht, die sich aus den Anforderungen für einen günstigen Erhaltungszustand der im Anhang bezeichneten, für die Ausweisung des Gebiets maßgeblichen natürlichen Lebensräume und Arten ergeben.

95      In Bezug auf die BSG Rheindelta, Lauteracher Ried, Bangser Ried, Matschels und Klostertaler Bergwälder kommen noch die von der Republik Österreich angegebenen Maßnahmen hinzu, auf die in Randnr. 92 des vorliegenden Urteils Bezug genommen wird.

96      In einem solchen Kontext ist die Rüge der Kommission insbesondere in Anbetracht der Erwägungen in Randnr. 65 des vorliegenden Urteils und mangels jeglichen Beweises dafür, dass die Verwirklichung der Ziele in Bezug auf die Erhaltung der von Art. 4 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie erfassten Vogelarten im vorliegenden Fall detailliertere als die von der Vorarlberger Landesregierung erlassenen Bestimmungen erfordert, zurückzuweisen, soweit sie die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten BSG betrifft.

97      Das BSG Verwall war im Unterschied zu den in Randnr. 95 des vorliegenden Urteils genannten BSG bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist offenbar nicht mit einem besonderen rechtlichen Schutz ausgestattet. Da außerdem die Vorarlberger Landesregierung kurz nach Ablauf dieser Frist eine Verordnung erließ, mit der eine Reihe spezieller Schutzmaßnahmen eingeführt wurde, ist für diesen Fall davon auszugehen, dass das BSG bis zum Erlass dieser Maßnahmen nicht ausreichend geschützt war. Daher ist die Klage insoweit begründet.

98      Folglich greift die zweite Rüge, soweit sie die Lage im Bundesland Vorarlberg betrifft, in Bezug auf das BSG Verwall durch.

 Zum Bundesland Tirol

–       Vorbringen der Parteien

99      Nach Auffassung der Kommission begründet die in diesem Bundesland bestehende allgemeine Regelung keinen ausreichenden Schutzstatus für die dortigen BSG. Die Tiroler Landesregierung habe zwar eine Verordnung mit einer Liste von elf Natura‑2000-Gebieten erlassen, doch würden in diesem Rechtsakt weder die geschützten Vogelarten noch die Schutz- und Erhaltungsziele oder die wesentlichen Verhaltensanforderungen angeführt. Mangels spezieller Erhaltungsziele trete an deren Stelle gemäß § 14 Abs. 11 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997 in der Fassung vom 12. Mai 2004 (LGBl. Nr. 50/2004, im Folgenden: TNSchG) allgemein der Schutz der in den Standarddatenblättern enthaltenen Lebensräume und Vögel. Insbesondere sei der Schutzstatus des BSG Tiroler Lechtal nicht ausreichend.

100    Die Republik Österreich führt aus, die Umsetzung der Vogelschutz- und der Habitatrichtlinie sei in ein bereits entwickeltes Schutzsystem integriert worden, das u. a. Naturschutzgebiete, Nationalparks, Landschaftsschutzgebiete, Ruhegebiete und geschützte Landschaftsteile umfasse. Diese Umsetzung habe darin bestanden, die Vorgaben der Richtlinien in die in den Schutzgebieten bestehenden Regelungen aufzunehmen und diese Regelungen zu ergänzen. In diesen Schutzgebieten gälten eine Reihe von Geboten, Verboten und Bewilligungssystemen.

101    Auf der Grundlage eines im Dezember 2004 verabschiedeten Konzepts würden alle BSG des Bundeslandes Tirol einer koordinierten Betreuung unterstellt, um für die einzelnen Gebiete ihre jeweiligen Schutzziele zu verwirklichen und u. a. die Erhaltung der in jedem betroffenen Gebiet vorkommenden Vogelarten nachhaltig zu sichern. Die in § 14 TNSchG vorgesehene Übergangsregelung stelle bis zur Festlegung der Erhaltungsziele durch eine spezielle Verordnung einen ausreichenden Schutz der BSG sicher.

102    Der beklagte Mitgliedstaat stellt ausführlich die für das BSG Tiroler Lechtal geltende Schutzregelung dar und trägt vor, sie sei gemessen an der Vogelschutz- und der Habitatrichtlinie ausreichend.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

103    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Erhaltungsziele gemäß § 3 Abs. 9 Z 9 TNSchG definiert werden als Erhaltung und Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der in Anhang I und in Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie genannten Vogelarten einschließlich ihrer Lebensräume, die in einem Europäischen Vogelschutzgebiet vorkommen.

104    Nach § 14 Abs. 3 TNSchG hat die Tiroler Landesregierung durch Verordnung die Erhaltungsziele für jedes Natura‑2000-Gebiet und erforderlichenfalls die zur Erreichung eines günstigen Erhaltungszustands notwendigen Regelungen und Erhaltungsmaßnahmen festzulegen.

105    § 14 Abs. 11 TNSchG sieht in Bezug auf den Übergangszeitraum bis zum Erlass dieser Verordnungen vor, dass an die Stelle der Erhaltungsziele der Schutz der in den Standarddatenblättern enthaltenen Lebensräume und der wildlebenden Pflanzen- und Tierarten bzw. Vögel tritt.

106    Dieses Datenblatt, das die Entscheidung 97/266/EG der Kommission vom 18. Dezember 1996 über das Formular für die Übermittlung von Informationen zu den im Rahmen von Natura 2000 vorgeschlagenen Gebieten (ABl. 1997, L 107, S. 1) vorsieht und das unstreitig nach der einschlägigen Regelung des Bundeslandes Tirol veröffentlicht wurde und außenwirksam ist, nennt die Vogelarten, mit denen die Ausweisung des betreffenden Gebiets als BSG begründet wurde. Außerdem enthält es u. a. eine Beschreibung des Gebiets, einen Überblick über seine Güte und Bedeutung insbesondere im Hinblick auf die Erhaltungsziele der Vogelschutzrichtlinie sowie eine Bewertung dieses Gebiets für jede der betroffenen Arten.

107    Ferner ist unstreitig, dass in jedem BSG dieses Bundeslandes zahlreiche Gebote, Verbote und Bewilligungsverfahren gelten, die in jedem von ihnen zu den allgemeinen Bewilligungspflichten und gesetzlichen Verboten hinzutreten.

108    So geht z. B. aus der Akte hervor, dass in Naturschutzgebieten die Errichtung, Aufstellung oder Anbringung von Anlagen, der Neubau, der Ausbau und die Verlegung von Straßen und Wegen, Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke, die Vornahme von Neuaufforstungen, die Durchführung von Außenlandungen und Außenabflügen, jede erhebliche Lärmentwicklung, das Düngen sowie die Verwendung von Giftstoffen und Kraftfahrzeugen grundsätzlich verboten sind. In den BSG kommt sogar noch ein allgemeines Zutrittsverbot zu diesen Verboten hinzu.

109    Aufgrund dessen kann nicht als erwiesen erachtet werden, dass das im Bundesland Tirol geltende System zum Schutz der BSG gemessen an Art. 4 Abs. 1 bzw. 2 der Vogelschutzrichtlinie und an Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 der Habitatrichtlinie unzureichend ist.

110    Dies gilt insbesondere für das BSG Tiroler Lechtal, das auch Schutz als Nationalpark genießt und von dem ein Teil, nämlich das Tiroler Lech, als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde.

111    Die Schlussfolgerungen in den beiden vorstehenden Randnummern werden auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Tiroler Landesregierung nach § 14 Abs. 3 TNSchG durch Verordnung die Erhaltungsziele für jedes Natura‑2000-Gebiet festzulegen hat. Auch wenn nämlich ein solches System verbesserungsfähig ist, erscheint das in diesem Bundesland bereits bestehende System gleichwohl, gemessen an den Erhaltungsanforderungen, nicht unzureichend.

112    Folglich ist die zweite Rüge, soweit sie die Lage im Bundesland Tirol betrifft, zu verwerfen.

113    In Bezug auf die BSG, bei denen im vorliegenden Fall festgestellt wurde, dass sie, gemessen an den Anforderungen, die sich aus den einschlägigen Bestimmungen der Vogelschutz- und der Habitatrichtlinie ergeben, nicht mit einem ausreichenden rechtlichen Schutzstatus ausgestattet sind, verfügt der Gerichtshof über keine Informationen, die ihm die Feststellung ermöglichen würden, ob die Arten, aufgrund deren diese BSG ausgewiesen wurden, sowohl unter Abs. 1 als auch unter Abs. 2 von Art. 4 der Vogelschutzrichtlinie fallen oder nur unter einen dieser Absätze.

114    Somit ist insoweit auf Art. 4 der Vogelschutzrichtlinie Bezug zu nehmen.

115    Nach alledem ist festzustellen, dass die Republik Österreich dadurch,

–        dass sie es unterlassen hat, im Einklang mit Art. 4 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie das Gebiet Hanság im Bundesland Burgenland korrekt nach ornithologischen Kriterien als BSG auszuweisen und das BSG Niedere Tauern im Bundesland Steiermark korrekt nach ornithologischen Kriterien abzugrenzen, und

–        dass sie es unterlassen hat, die BSG Maltsch, Wiesengebiete im Freiwald, Pfeifer Anger, Oberes Donautal und Untere Traun im Bundesland Oberösterreich sowie das BSG Verwall im Bundesland Vorarlberg mit einem den Anforderungen von Art. 4 der Vogelschutzrichtlinie und Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 der Habitatrichtlinie entsprechenden rechtlichen Schutz auszustatten,

gegen ihre Verpflichtungen aus diesen Bestimmungen verstoßen hat.

 Kosten

116    Nach Art. 69 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da im vorliegenden Fall die Kommission und die Republik Österreich teils obsiegt haben und teils unterlegen sind, sind jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

117    Nach Art. 69 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung trägt die Bundesrepublik Deutschland, die dem vorliegenden Rechtsstreit als Streithelferin beigetreten ist, ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Republik Österreich hat dadurch,

–        dass sie es unterlassen hat, im Einklang mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten das Gebiet Hanság im Bundesland Burgenland korrekt nach ornithologischen Kriterien als besonderes Schutzgebiet auszuweisen und das besondere Schutzgebiet Niedere Tauern im Bundesland Steiermark korrekt nach ornithologischen Kriterien abzugrenzen, und

–        dass sie es unterlassen hat, die besonderen Schutzgebiete Maltsch, Wiesengebiete im Freiwald, Pfeifer Anger, Oberes Donautal und Untere Traun im Bundesland Oberösterreich sowie das besondere Schutzgebiet Verwall im Bundesland Vorarlberg mit einem den Anforderungen von Art. 4 der Richtlinie 79/409 und Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen entsprechenden rechtlichen Schutz auszustatten,

gegen ihre Verpflichtungen aus diesen Bestimmungen verstoßen.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Europäische Kommission, die Republik Österreich und die Bundesrepublik Deutschland tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.