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Leitsätze

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Gemeinschaftsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Absolute Nichtigkeitsgründe

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 51 Abs. 1 Buchst. b)

Leitsätze

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Anmelder im Sinne von Art. 51 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke bösgläubig ist, ist das nationale Gericht gehalten, alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die dem von ihm zu entscheidenden Fall eigen sind und zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke vorliegen, insbesondere

– die Tatsache, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter in mindestens einem Mitgliedstaat ein gleiches oder ähnliches Zeichen für eine gleiche oder mit dem angemeldeten Zeichen verwechselbar ähnliche Ware verwendet,

– die Absicht des Anmelders, diesen Dritten an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern, sowie

– den Grad des rechtlichen Schutzes, den das Zeichen des Dritten und das angemeldete Zeichen genießen.

Eine Vermutung dahin, dass der Anmelder von der Verwendung eines gleichen oder ähnlichen Zeichens für eine gleiche oder mit dem angemeldeten Zeichen verwechselbar ähnliche Ware Kenntnis hatte, kann sich u. a. aus einer allgemeinen Kenntnis davon ergeben, dass eine derartige Verwendung in dem betreffenden Wirtschaftssektor besteht, wobei sich diese Kenntnis u. a. aus der Dauer einer derartigen Verwendung herleiten lässt. Denn je länger diese Verwendung zurückreicht, umso wahrscheinlicher ist es, dass der Anmelder zum Zeitpunkt der Anmeldung davon Kenntnis hatte. Diese Vermutung allein genügt jedoch noch nicht für die Bejahung der Bösgläubigkeit des Anmelders.

41 Die Absicht des Anmelders zum Zeitpunkt der Anmeldung ist ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das anhand der objektiven Fallumstände bestimmt werden muss. Die Absicht, einen Dritten an der Vermarktung einer Ware zu hindern, kann unter bestimmten Umständen für die Bösgläubigkeit des Antragstellers kennzeichnend sein, u. a. wenn dieser nicht die Absicht hat, das Zeichen zu benutzen, sondern allein den Marktzutritt eines Dritten verhindern möchte.

Dass ein Dritter seit langem ein Zeichen für eine gleiche oder mit der angemeldeten Marke verwechselbar ähnliche Ware verwendet und dass dieses Zeichen in einem gewissen Grad rechtlichen Schutz genießt, ist einer der erheblichen Faktoren für die Beurteilung der Frage, ob der Anmelder bösgläubig war. In einem solchen Fall könnte nämlich der Anmelder in den Genuss der von der Gemeinschaftsmarke verliehenen Rechte gelangen, nur um gegenüber einem Mitbewerber, der ein Zeichen verwendet, das bereits aus eigener Kraft einen gewissen Grad rechtlichen Schutzes erlangt hat, unlauteren Wettbewerb zu betreiben. Gleichwohl lässt sich nicht ausschließen, dass sogar unter derartigen Umständen und insbesondere dann, wenn mehrere Hersteller auf dem Markt gleiche oder ähnliche Zeichen für gleiche oder mit dem angemeldeten Zeichen verwechselbar ähnliche Waren verwenden, der Anmelder mit der Eintragung dieses Zeichens ein berechtigtes Ziel verfolgt. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Anmelder zum Zeitpunkt der Anmeldung weiß, dass ein Dritter, der erst seit kurzer Zeit auf dem Markt tätig ist, versucht, Nutzen aus dem genannten Zeichen zu ziehen, indem er dessen Aufmachung kopiert, was den Anmelder dazu veranlasst, das Zeichen eintragen zu lassen, um die Verwendung dieser Aufmachung zu verhindern.

Außerdem kann auch die Art der angemeldeten Marke für die Beurteilung der Bösgläubigkeit des Antragstellers erheblich sein. In dem Fall nämlich, dass das betreffende Zeichen in der Gesamtform und ‑aufmachung einer Ware besteht, ließe sich die Bösgläubigkeit des Antragstellers leichter bejahen, wenn die Wahlfreiheit der Mitbewerber hinsichtlich Form und Aufmachung einer Ware aufgrund technischer oder kommerzieller Erwägungen so beschränkt ist, dass der Markeninhaber seine Mitbewerber nicht nur daran hindern kann, ein gleiches oder ähnliches Zeichen zu verwenden, sondern auch daran, vergleichbare Waren zu vermarkten.

Überdies kann für die Beurteilung der Bösgläubigkeit des Antragstellers der Bekanntheitsgrad berücksichtigt werden, der einem Zeichen zum Zeitpunkt seiner Anmeldung als Gemeinschaftsmarke zukommt. Ein solcher Bekanntheitsgrad kann nämlich gerade das Interesse des Anmelders rechtfertigen, einen weiter reichenden rechtlichen Schutz seines Zeichens sicherzustellen.

(vgl. Randnrn. 39-44, 46-52 und Tenor)