Rechtsangleichung – Elektronische Kommunikationsnetze und -dienste – Rechtsrahmen – Richtlinien 2002/19, 2002/21 und 2002/22
(Richtlinien 2002/19, Art. 8 Abs. 4, 2002/21, Art. 6 bis 8 Abs. 1 und 2, 15 Abs. 3 sowie 16, und 2002/22, Art. 17 Abs. 2, des Europäischen Parlaments und des Rates)
Ein Mitgliedstaat, der Vorschriften erlässt, die das Ermessen der nationalen Regulierungsbehörde (NRB) einschränken und die in den Art. 6 und 7 der Richtlinie 2002/21 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste Konsultations- und Konsolidierungsverfahren nicht einhalten, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2002/19 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung, aus Art. 6 bis 8 Abs. 1 und 2, Art. 15 Abs. 3 und Art. 16 der Richtlinie 2002/21 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste sowie aus Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2002/22 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten.
Bei der Wahrnehmung dieser hoheitlichen Funktionen verfügen die NRB nämlich über eine weitreichende Befugnis, um die Regulierungsbedürftigkeit eines Marktes für elektronische Kommunikation in jedem Einzelfall beurteilen zu können. Nach Art. 15 der Richtlinie 2002/21, insbesondere seinem Abs. 3, haben die NRB in enger Zusammenarbeit mit der Kommission die relevanten Märkte in diesem Bereich festzulegen. Gemäß Art. 16 dieser Richtlinie führen die NRB sodann eine Analyse der so festgelegten Märkte durch und beurteilen, ob auf ihnen wirksamer Wettbewerb herrscht. Ist dies nicht der Fall, so erlegt die betreffende NRB den Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auf diesem Markt Vorabverpflichtungen auf. Diese Artikel beziehen sich auf den Bereich der elektronischen Kommunikation im Allgemeinen und schließen weder neue Märkte noch irgendeinen anderen Markt von ihrer Anwendung aus.
Eine nationale Rechtsvorschrift, aus der ausdrücklich hervorgeht, dass neue Märkte nicht reguliert werden sollen, sofern nicht bestimmte Merkmale, wie das Fehlen nachhaltigen Wettbewerbs auf dem Markt, zeigen, dass ihre Regulierung erforderlich ist, greift in die weiten Befugnisse ein, die der NRB gewährt wurden, hindert sie daran, auf den Einzelfall abgestimmte Regulierungsmaßnahmen zu ergreifen und ist daher nicht mit Art. 16 der Richtlinie 2002/21 vereinbar. Die Einschränkung des Ermessens der NRB durch eine solche Vorschrift wirkt sich zwangsläufig auf deren Befugnis zur Marktdefinition aus. Die NRB hat die relevanten Märkte nicht mehr gemäß Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2002/21 festzulegen, soweit die im Anhang der Empfehlung der Kommission über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21 für eine Vorabregulierung in Betracht kommen, aufgeführten Märkte bereits unter die in der nationalen Regelung enthaltene Definition fallen.
Zudem ergibt sich aus Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2002/19 und Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2002/22, dass die nach diesen Artikeln auferlegten Verpflichtungen der Art des aufgetretenen Problems entsprechen und im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 der Richtlinie 2002/21 angemessen und gerechtfertigt sein müssen, und dass die Förderung der in Art. 8 genannten Regulierungsziele und die Abwägung zwischen diesen Zielen bei der Definition und der Analyse eines für die Regulierung in Betracht kommenden relevanten Marktes den NRB zusteht. Eine nationale Rechtsvorschrift, die für die Untersuchung der Regulierungsbedürftigkeit eines neuen Marktes durch die NRB die vorrangige Berücksichtigung eines einzigen dieser Ziele, nämlich des Ziels der Förderung von effizienten Infrastrukturinvestitionen und der Unterstützung von Innovationen, vorschreibt, verstößt gegen Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2002/19, Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2002/21 sowie Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2002/22 und schränkt das Ermessen der NRB in einer mit diesen Richtlinien nicht vereinbaren Weise ein.
Ferner verstößt eine nationale Rechtsvorschrift, die für die Analyse der für eine Regulierung in Betracht kommenden relevanten Märkte restriktivere Voraussetzungen als die in der Richtlinie 2002/21 vorgesehenen festlegt, wie diejenige, die als Kriterium dafür, dass ein neuer Markt ausnahmsweise einer Vorabregulierung unterworfen werden kann, das Bestehen der Gefahr einer langfristigen Behinderung der Entwicklung von nachhaltigem Wettbewerb verlangt, gegen Art. 16 dieser Richtlinie.
Schließlich schränkt eine nationale Rechtsvorschrift, die einen Grundsatz der Nichtregulierung neuer Märkte aufstellt, die Befugnis der NRB ein, neue Märkte der Marktdefinition und der Marktanalyse zu unterwerfen. Dies bedeutet notwendigerweise, dass die in den Art. 6 und 7 der Richtlinie 2002/21, auf die die Art. 15 Abs. 3 und 16 Abs. 6 dieser Richtlinie für die Marktdefinition bzw. die Marktanalyse verweisen, genannten Verfahren unter bestimmten Umständen nicht eingehalten werden.
(vgl. Randnrn. 55-56, 61, 64, 66, 78, 82-83, 86, 90-91, 93-94, 98-99, 105-106, 108 und Tenor)