1. Sozialpolitik – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Richtlinie 2000/78
(Richtlinie 2000/78 des Rates, 14. Erwägungsgrund sowie Art. 1 und 3 Abs. 1 Buchst. c)
2. Sozialpolitik – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Richtlinie 2000/78
(Richtlinie 2000/78 des Rates, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und 6 Abs. 1)
3. Sozialpolitik – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Richtlinie 2000/78
(Richtlinie 2000/78 des Rates, Art. 2 Abs. 2 Buchst. b und 6 Abs. 1)
1. Die Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf soll einen allgemeinen Rahmen schaffen, der gewährleistet, dass jeder in Beschäftigung und Beruf gleichbehandelt wird, indem sie dem Betroffenen einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe – darunter auch das Alter – bietet.
Die Richtlinie 2000/78 berührt laut ihrem 14. Erwägungsgrund nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand. Dieser Erwägungsgrund beschränkt sich jedoch auf die Klarstellung, dass die Richtlinie nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten tangiert, das Alter für den Eintritt in den Ruhestand zu bestimmen, und steht in keiner Weise der Anwendung der Richtlinie auf nationale Maßnahmen entgegen, mit denen die Bedingungen geregelt werden, unter denen ein Arbeitsvertrag endet, wenn das auf diese Weise festgesetzte Ruhestandsalter erreicht wird.
Somit wirkt sich eine nationale Regelung, mit der keine zwingende Regelung zur Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen eingeführt wird, die aber die Voraussetzungen vorsieht, unter denen ein Arbeitgeber vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters abweichen und einen Arbeitnehmer mit der Begründung entlassen darf, dass dieser das Ruhestandsalter erreicht habe, auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien und allgemein auf die Ausübung der beruflichen Tätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers aus.
Überdies nimmt diese Regelung einem Arbeitnehmer, der das Rentenalter erreicht hat oder demnächst erreichen wird, auch jeden Schutz bei der Einstellung vor Diskriminierungen aus Gründen des Alters, womit die künftige Teilnahme dieser Kategorie Arbeitnehmer am aktiven Berufsleben beschränkt wird. Eine solche nationale Regelung enthält Vorschriften über die „Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts“, im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 und fällt damit in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie.
(vgl. Randnrn. 23, 25, 27-28, 30, Tenor 1)
2. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, die keine genaue Aufzählung der Ziele enthält, die eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters, welche namentlich in die Kategorie der unmittelbaren Diskriminierungen fallen, wie sie in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie definiert sind, rechtfertigen könnten. Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie besteht die Möglichkeit, Ausnahmen von diesem Grundsatz vorzusehen, jedoch nur für Maßnahmen, die durch rechtmäßige sozialpolitische Ziele wie solche aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung gerechtfertigt sind. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob eine nationale Regelung, nach der es Arbeitgebern erlaubt ist, Arbeitnehmer zu entlassen, die das Rentenalter erreicht haben, einem solchen rechtmäßigen Ziel entspricht und ob der nationale Gesetz- oder Verordnungsgeber angesichts des Wertungsspielraums, über den die Mitgliedstaaten im Bereich der Sozialpolitik verfügen, davon ausgehen darf, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
(vgl. Randnr. 52, Tenor 2)
3. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ermöglicht es den Mitgliedstaaten, im Rahmen des nationalen Rechts bestimmte Formen der Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters vorzusehen, sofern diese „objektiv und angemessen“ und durch ein rechtmäßiges Ziel, wie aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung, gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieser Ziele angemessen und erforderlich sind.
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 gestattet es den Mitgliedstaaten, Bestimmungen in ihrem nationalen Recht einzuführen, die Ungleichbehandlungen aus Gründen des Alters vorsehen, welche namentlich in die Kategorie der unmittelbaren Diskriminierungen fallen, wie sie in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie definiert sind. So ist in diesem Sinne auch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie dahin auszulegen, dass er – gemäß seinem Unterabs. 1 – „ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2“ dieser Richtlinie anzuwenden ist. Diese Befugnis ist jedoch, da sie eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen darstellt, strikt den Voraussetzungen dieses Art. 6 Abs. 1 unterworfen.
Was das Bestehen eines Unterschieds in der Anwendung der Kriterien nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 und derjenigen nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie angeht, so räumt die letztgenannte Bestimmung den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, im nationalen Recht vorzusehen, dass bestimmte Formen der Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters dann keine Diskriminierungen im Sinne dieser Richtlinie darstellen, wenn sie „objektiv und angemessen“ [in der englischen Fassung der Richtlinie: „objectively and reasonably justified“] sind. Auch wenn der Begriff „reasonably“ in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie nicht enthalten ist, kommt es nicht in Betracht, dass eine Ungleichbehandlung durch ein mit angemessenen und erforderlichen Mitteln erreichtes rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt sein kann, diese Rechtfertigung aber nicht angemessen („reasonable“) ist. Dem Umstand, dass dieses Wort nur in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 enthalten ist, ist daher keine besondere Bedeutung beizumessen. Allerdings ist zu beachten, dass die letztgenannte Bestimmung an die Mitgliedstaaten gerichtet ist und diesen trotz des weiten Ermessens, über das sie im Bereich der Sozialpolitik verfügen, die Beweislast dafür auferlegt, dass das verfolgte Ziel rechtmäßig ist, und an diesen Beweis hohe Anforderungen stellt.
(vgl. Randnrn. 61-62, 65, 67, Tenor 3)