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Leitsätze

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1. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Entscheidung der Kommission, mit der ohne Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird – Beteiligter im Sinne von Art. 88 Abs. 2 EG – Gewerkschaft – Voraussetzungen

(Art. 88 Abs. 2 und 3 EG und 230 Abs. 4 EG)

2. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Entscheidung der Kommission, mit der ohne Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird – Beteiligter im Sinne von Art. 88 Abs. 2 EG – Klage einer zu dem Zweck, die kollektiven Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen, gebildeten Gewerkschaft, mit der die Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsposition gegenüber anderen Gewerkschaften durch die Gewährung der Beihilfe gerügt wird

(Art. 88 Abs. 2 und 3 EG, 136 Abs. 1 EG und 230 Abs. 4 EG)

3. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Entscheidung der Kommission, mit der ohne Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird – Beteiligter im Sinne von Art. 88 Abs. 2 EG – Klage einer zu dem Zweck, die kollektiven Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen, gebildeten Gewerkschaft im Seeschifffahrtssektor – Prüfung der sozialen Aspekte

(Art. 88 Abs. 2 und 3 EG und 230 Abs. 4 EG)

Leitsätze

1. Nach Art. 230 Abs. 4 EG kann eine natürliche oder juristische Person nur dann eine Klage gegen eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung erheben, wenn diese Entscheidung sie unmittelbar und individuell betrifft. Eine andere Person als der Adressat einer Entscheidung kann nur dann geltend machen, individuell betroffen zu sein, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender tatsächlicher Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten einer derartigen Entscheidung.

In Bezug auf eine Entscheidung der Kommission im Bereich staatlicher Beihilfen im Rahmen des in Art. 88 EG vorgesehenen Verfahrens zur Kontrolle staatlicher Beihilfen ist zwischen der Vorprüfungsphase nach Art. 88 Abs. 3 EG, die nur dazu dient, der Kommission eine erste Meinungsbildung über die teilweise oder völlige Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu ermöglichen, und der in Art. 88 Abs. 2 EG geregelten Prüfungsphase zu unterscheiden. Nur in dieser Phase, die es der Kommission ermöglichen soll, sich umfassende Kenntnis von allen Gesichtspunkten des Falles zu verschaffen, sieht der Vertrag die Verpflichtung der Kommission vor, den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

Stellt die Kommission, ohne das förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten, mit einer Entscheidung auf der Grundlage von Art. 88 Abs. 3 EG fest, dass eine Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, können die Personen, denen diese Verfahrensgarantien zugutekommen, deren Beachtung nur durchsetzen, wenn sie die Möglichkeit haben, diese Entscheidung vor dem Gemeinschaftsrichter anzufechten. Deshalb erklärt dieser eine Klage auf Nichtigerklärung einer solchen Entscheidung, die von einem Beteiligten im Sinne des Art. 88 Abs. 2 EG erhoben wird, für zulässig, wenn der Kläger mit der Erhebung der Klage die Verfahrensrechte wahren möchte, die ihm nach der letztgenannten Bestimmung zustehen. Solche Beteiligte sind die durch die Gewährung einer Beihilfe eventuell in ihren Interessen verletzten Personen, Unternehmen oder Vereinigungen, d. h. insbesondere die mit den Empfängern dieser Beihilfe konkurrierenden Unternehmen und die Berufsverbände.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Gewerkschaft als „Beteiligte“ im Sinne von Art. 88 Abs. 2 EG betrachtet werden kann, wenn sie dartun kann, dass sie selbst oder ihre Mitglieder durch die Gewährung einer Beihilfe eventuell in ihren Interessen verletzt sind. Die Gewerkschaft hat jedoch rechtlich hinreichend darzutun, dass sich die Beihilfe auf ihre Situation oder die der von ihr vertretenen Mitglieder konkret auswirken könnte.

(vgl. Randnrn. 28-33)

2. Was eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission betrifft, mit der ohne Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, kann eine Gewerkschaft, die naturgemäß zu dem Zweck gebildet wurde, die kollektiven Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen, versuchen, ihre Klagebefugnis aufgrund einer möglichen durch die Gewährung der Beihilfe hervorgerufenen Beeinträchtigung ihrer Interessen wegen der Auswirkungen dieser Maßnahmen auf ihre Wettbewerbsposition gegenüber anderen Gewerkschaften nachzuweisen.

Aus dem Umstand, dass ein Vertrag wegen seiner Art, wegen seines Gegenstands und wegen der mit ihm verfolgten Ziele der Sozialpolitik vom Anwendungsbereich von Art. 81 Abs. 1 EG ausgenommen werden könnte, kann nicht abgeleitet werden, dass die Tarifverhandlungen oder die daran beteiligten Parteien auch gänzlich und automatisch von den Bestimmungen des Vertrags im Bereich der staatlichen Beihilfen ausgenommen sind oder dass eine Nichtigkeitsklage, die diese Parteien möglicherweise erheben könnten, wegen ihrer Beteiligung an diesen Verhandlungen fast automatisch als unzulässig anzusehen wäre.

Es kann die u. a. in den Art. 136 Abs. 1 EG und 138 Abs. 1 EG genannten Ziele der Sozialpolitik gefährden, von vornherein die Möglichkeit auszuschließen, dass eine Gewerkschaft ihre Beteiligteneigenschaft im Sinne von Art. 88 Abs. 2 EG dartut, indem sie sich auf ihre Rolle bei den Tarifverhandlungen und auf die Auswirkungen nationaler steuerlicher Maßnahmen, die die Kommission als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar betrachtet, auf diese Rolle beruft. Diese Schlussfolgerung wird dadurch bestärkt, dass, da die Gemeinschaft nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine soziale Zielrichtung hat, die sich aus den Bestimmungen des Vertrags über staatliche Beihilfen und über den Wettbewerb ergebenden Rechte gegebenenfalls gegen die mit der Sozialpolitik verfolgten Ziele abgewogen werden müssen, zu denen, wie aus Art. 136 Abs. 1 EG hervorgeht, insbesondere die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, um dadurch auf dem Wege des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen, ein angemessener sozialer Schutz und der soziale Dialog zählen.

(vgl. Randnrn. 46, 49, 55, 57-58)

3. Bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe im Bereich des Seeverkehrs mit dem Gemeinsamen Markt können die sozialen Belange der Leitlinien der Gemeinschaften von der Kommission im Rahmen einer Globalbeurteilung berücksichtigt werden, die eine Vielzahl verschiedenartiger Erwägungen einbezieht, die u. a. an den Wettbewerbsschutz, die Meerespolitik der Gemeinschaft, die Förderung des Seeverkehrs in der Gemeinschaft oder auch die Förderung der Beschäftigung anknüpfen.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Organisationen, die die Arbeitnehmer von beihilfebegünstigten Unternehmen vertreten, als Beteiligte im Sinne von Art. 88 Abs. 2 EG der Kommission ihre Stellungnahme zu sozialen Erwägungen vorlegen könnten, die gegebenenfalls von dieser berücksichtigt werden können, hat der Gemeinschaftsrichter die durch die fragliche Maßnahme entstandenen sozialen Fragen im Licht der Leitlinien der Gemeinschaft zu prüfen – denn diese enthalten die rechtlichen Voraussetzungen für die Beurteilung der Vereinbarkeit der streitigen staatlichen Beihilfe –, um zu entscheiden, ob die auf diese Leitlinien gestützten Argumente des Klägers hinreichen, um seine Eigenschaft als Beteiligter im Sinne von Art. 88 Abs. 2 EG festzustellen.

(vgl. Randnrn. 64, 69-70)