Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1. Freier Kapitalverkehr – Bestimmungen des Vertrags – Anwendungsbereich

(Art. 56 EG und 58 EG)

2. Freier Kapitalverkehr – Beschränkungen – Steuerrecht – Einkommensteuer

(Art. 56 EG)

Leitsätze

1. Macht ein Steuerpflichtiger in einem Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen geltend, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt sind, fallen solche Spenden auch dann unter die Bestimmungen des Vertrags über den freien Kapitalverkehr, wenn es sich um Sachspenden in Form von Gegenständen des täglichen Gebrauchs handelt.

Eine nationale Steuerregelung kann nämlich auch dann unter die Art. 56 EG bis 58 EG fallen, wenn sie den Übergang eines Vermögens betrifft, das möglicherweise sowohl aus Geldbeträgen als auch aus unbeweglichen und beweglichen Vermögensgegenständen besteht. Wie die Erbschaftsteuer fällt also die steuerliche Behandlung von Geld- oder Sachspenden unter die Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr; ausgenommen sind die Fälle, die mit keinem der wesentlichen Elemente der betreffenden Transaktionen über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen.

(vgl. Randnrn. 26-27, 30, Tenor 1)

2. Art. 56 EG steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, wonach bei Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen nur Spenden an im Inland ansässige Einrichtungen von der Steuer abgezogen werden können, ohne jede Möglichkeit für den Spender, nachzuweisen, dass eine Spende an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, die nach dieser Regelung geltenden Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Vergünstigung erfüllt.

Die im Besteuerungsmitgliedstaat fehlende Abzugsfähigkeit von Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen, wenn sie in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, ist nämlich geeignet, sich negativ auf die Bereitschaft im ersten Mitgliedstaat ansässiger Steuerpflichtiger auszuwirken, an solche Einrichtungen zu spenden, da die Möglichkeit des Spendenabzugs das Verhalten des Spenders erheblich beeinflussen kann, und stellt daher eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die gemäß Art. 56 EG grundsätzlich verboten ist.

Zwar ist es einem Mitgliedstaat möglich, im Rahmen seiner Regelung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Spenden inländische und in anderen Mitgliedstaaten ansässige als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen unterschiedlich zu behandeln, wenn Letztere andere Ziele als die in seiner eigenen Regelung vorgegebenen verfolgen. Insoweit schreibt das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten nicht vor, dafür zu sorgen, dass in ihrem Herkunftsmitgliedstaat als gemeinnützig anerkannte ausländische Einrichtungen im Inland automatisch die gleiche Anerkennung erhalten. Jedoch befindet sich eine Einrichtung, die in einem Mitgliedstaat ansässig ist und die von einem anderen Mitgliedstaat aufgestellten Voraussetzungen für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt, im Hinblick auf die Gewährung von Steuervergünstigungen zur Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten durch diesen Mitgliedstaat in einer Situation, die mit derjenigen von in diesem Mitgliedstaat ansässigen als gemeinnützig anerkannten Einrichtungen vergleichbar ist.

Da ferner nichts die Finanzbehörden des Besteuerungsmitgliedstaats daran hindert, von einem Steuerpflichtigen, der die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen geltend macht, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, die Vorlage stichhaltiger Belege zu verlangen, kann sich der Besteuerungsmitgliedstaat für die Rechtfertigung einer nationalen Regelung, die es dem Steuerpflichtigen völlig verwehrt, solche Nachweise zu erbringen, nicht auf das Erfordernis, die Wirksamkeit der Steueraufsicht zu gewährleisten, berufen. In diesem Zusammenhang darf ein Mitgliedstaat, bevor er einer Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt ist, eine Steuerbefreiung gewährt, Maßnahmen anwenden, mit denen er klar und genau nachprüfen kann, ob diese Einrichtung die nach nationalem Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt, und die tatsächliche Geschäftsführung der Einrichtung kontrollieren. Dagegen reichen verwaltungstechnische Nachteile, die sich eventuell daraus ergeben könnten, dass solche Einrichtungen in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, nicht aus, um eine Weigerung der Behörden des betreffenden Staates zu rechtfertigen, diesen Einrichtungen die gleichen Steuerbefreiungen wie gleichartigen inländischen Einrichtungen zu gewähren. Gleiches gilt für einen Steuerpflichtigen, der in einem Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit einer Spende an eine Einrichtung geltend macht, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt ist.

Darüber hinaus können sich die betroffenen Finanzbehörden aufgrund der Richtlinie 77/799 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern an die Behörden eines anderen Mitgliedstaats wenden, um alle Auskünfte zu erhalten, die sich als notwendig für die ordnungsgemäße Bemessung der Steuer eines Steuerpflichtigen erweisen. Diese Richtlinie berührt jedoch in keiner Weise die Befugnis der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats des Spenders, u. a. zu prüfen, ob die in ihren Rechtsvorschriften festgelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Steuervergünstigung erfüllt sind. So muss der Mitgliedstaat des Spenders hinsichtlich einer Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt ist, nur dann eine mit der steuerlichen Behandlung von Spenden an inländische Einrichtungen identische steuerliche Behandlung gewähren, wenn diese Einrichtung die Voraussetzungen der Rechtsvorschriften des letztgenannten Mitgliedstaats für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt; dazu zählt die Verfolgung von Zielen, die mit denen übereinstimmen, die von den Steuervorschriften dieses Mitgliedstaats gefördert werden. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörden einschließlich der Gerichte, zu überprüfen, ob der Nachweis für die Einhaltung der von diesem Mitgliedstaat für die Gewährung der fraglichen Steuervergünstigung aufgestellten Voraussetzungen gemäß den Regeln des nationalen Rechts erbracht worden ist.

Schließlich kann ein Mitgliedstaat die Gewährung von Steuervergünstigungen für Spenden an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt ist, auch nicht allein deshalb versagen, weil die Finanzbehörden des ersten Mitgliedstaats bei solchen Einrichtungen nicht über die Möglichkeit verfügen, vor Ort zu überprüfen, ob die Anforderungen ihrer Steuervorschriften erfüllt sind.

Bei gemeinnützigen Einrichtungen, die ihren Sitz in einem Drittland haben, ist es grundsätzlich gerechtfertigt, dass der Besteuerungsmitgliedstaat die Gewährung einer solchen Steuervergünstigung ablehnt, wenn es sich, insbesondere wegen des Fehlens einer vertraglichen Verpflichtung des Drittlands zur Erteilung von Auskünften, als unmöglich erweist, die erforderlichen Auskünfte von diesem Land zu erhalten.

(vgl. Randnrn. 38-39, 47-48, 50, 55-56, 60-61, 63, 66, 70, 72, Tenor 2)