URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

13. November 2008(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Elektronische Kommunikation – Netze und Dienste – Richtlinie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie) – Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 – Nicht ordnungsgemäße Umsetzung“

In der Rechtssache C‑227/07

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 8. Mai 2007,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Shotter und K. Mojzesowicz als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Polen, vertreten zunächst durch E. Ośniecka‑Tamecka und T. Nowakowski, dann durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter K. Schiemann, P. Kūris (Berichterstatter) und L. Bay Larsen sowie der Richterin C. Toader,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juni 2008

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) (ABl. L 108, S. 7, im Folgenden: Zugangsrichtlinie) verstoßen hat, dass sie diese Richtlinie, insbesondere deren Art. 4 Abs. 1, der die Verpflichtung zum Verhandeln über eine Zusammenschaltung betrifft, und Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1, der die Befugnis der nationalen Regulierungsbehörde vorsieht, gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie einen angemessenen Zugang und eine geeignete Zusammenschaltung sowie die Interoperabilität der Dienste zu fördern und gegebenenfalls zu gewährleisten, nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

2        Der sechste Erwägungsgrund der Zugangsrichtlinie lautet:

„Auf Märkten, auf denen manche Unternehmen weiterhin eine deutlich stärkere Verhandlungsposition einnehmen als andere und einige Unternehmen zur Erbringung ihrer Dienste auf die von anderen bereitgestellten Infrastrukturen angewiesen sind, empfiehlt es sich, einen Rahmen von Regeln zu erstellen, um das wirksame Funktionieren des Marktes zu gewährleisten. Die nationalen Regulierungsbehörden sollten befugt sein, den Zugang, die Zusammenschaltung und die Interoperabilität von Diensten im Interesse der Nutzer zu angemessenen Bedingungen sicherzustellen, falls dies auf dem Verhandlungsweg nicht erreicht wird. Sie können insbesondere die Gewährleistung des End‑zu‑End‑Verbunds dadurch sicherstellen, dass den Unternehmen, die den Zugang zu den Endnutzern kontrollieren, ausgewogene Verpflichtungen auferlegt werden. Die Kontrolle der Zugangswege kann den Besitz oder die Kontrolle der (festen oder mobilen) physischen Verbindung zu dem Endnutzer und/oder die Fähigkeit implizieren, die nationale Nummer oder die nationalen Nummern, die für den Zugang zu dem jeweiligen Netzendpunkt des Endnutzers erforderlich sind, zu ändern oder zu entziehen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn Netzbetreiber die Auswahl für die Endnutzer beim Zugang zu Internetportalen und ‑diensten in unzumutbarer Weise beschränken.“

3        Im vierzehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie wird erläutert:

„In der Richtlinie 97/33/EG wurde eine Reihe von Verpflichtungen für Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht festgelegt: Transparenz, Gleichbehandlung, getrennte Buchführung, Gewährung des Zugangs und Preiskontrolle, einschließlich Kostenorientierung. Diese Reihe möglicher Verpflichtungen sollte als Möglichkeit beibehalten, gleichzeitig aber auch als Obergrenze der Auflagen für Unternehmen festgeschrieben werden, um eine Überregulierung zu vermeiden. In Ausnahmefällen kann es zur Einhaltung internationaler Verpflichtungen oder des Gemeinschaftsrechts zweckmäßig sein, allen Marktteilnehmern Verpflichtungen in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung aufzuerlegen, wie dies gegenwärtig bei den Zugangsberechtigungssystemen für Digitalfernsehdienste der Fall ist.“

4        Der neunzehnte Erwägungsgrund dieser Richtlinie lautet:

„Die Verpflichtung zur Gewährung des Infrastrukturzugangs kann ein angemessenes Mittel zur Belebung des Wettbewerbs sein, doch müssen die nationalen Regulierungsbehörden die Rechte eines Infrastruktureigentümers zur kommerziellen Nutzung seines Eigentums für eigene Zwecke und die Rechte anderer Diensteanbieter auf Zugang zu Einrichtungen, die sie zum Erbringen konkurrierender Dienste benötigen, gegeneinander abwiegen. Wird Betreibern die Verpflichtung auferlegt, angemessenen Anträgen auf Zugang zu Bestandteilen des Netzes und der zugehörigen Infrastruktur bzw. auf Nutzung derselben stattzugeben, so sollten diese Anträge nur aufgrund objektiver Kriterien wie etwa technische Machbarkeit oder die notwendige Aufrechterhaltung der Netzintegrität abgelehnt werden. Wenn der Zugang verweigert wird, kann die beschwerte Partei das in den Artikeln 20 und 21 der Richtlinie 2002/21/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33, im Folgenden: Rahmenrichtlinie)] genannte Streitbeilegungsverfahren in Anspruch nehmen. Von einem Betreiber, der verpflichtet ist, angeordneten Zugang zu gewähren, kann nicht verlangt werden, Arten des Zugangs bereitzustellen, deren Bereitstellung nicht in seiner Befugnis liegt. Die den Wettbewerb kurzfristig belebende Verpflichtung zur Gewährung des Zugangs sollte nicht dazu führen, dass die Anreize für Wettbewerber zur Investition in Alternativeinrichtungen, die langfristig einen stärkeren Wettbewerb sichern, entfallen. Die Kommission hat eine Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich [ABl. 1998, C 265, S. 2] veröffentlicht, in der diese Fragen behandelt werden. Die nationalen Regulierungsbehörden können im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht dem Betreiber und/oder den Nutznießern von angeordnetem Zugang technische oder betriebsbezogene Bedingungen auferlegen. Insbesondere die Vorgabe technischer Vorschriften sollte mit der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft [ABl. L 204, S. 37, geändert durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998, ABl. L 217, S. 18] im Einklang stehen.“

5        Art. 2 der Richtlinie enthält u. a. folgende Begriffsbestimmungen:

„…

a)      ‚Zugang‘: die ausschließliche oder nicht ausschließliche Bereitstellung von Einrichtungen und/oder Diensten für ein anderes Unternehmen unter bestimmten Bedingungen, zur Erbringung elektronischer Kommunikationsdienste. Darunter fallen unter anderem: Zugang zu Netzkomponenten und zugehörigen Einrichtungen, wozu auch der feste oder nicht feste Anschluss von Einrichtungen gehören kann (dies beinhaltet insbesondere den Zugang zum Teilnehmeranschluss sowie zu Einrichtungen und Diensten, die erforderlich sind, um Dienste über den Teilnehmeranschluss zu erbringen); Zugang zu physischen Infrastrukturen wie Gebäuden, Leitungen und Masten; Zugang zu einschlägigen Softwaresystemen, einschließlich Systemen für die Betriebsunterstützung; Zugang zur Nummernumsetzung oder zu Systemen, die eine gleichwertige Funktion bieten; Zugang zu Fest- und Mobilfunknetzen, insbesondere um Roaming zu ermöglichen; Zugang zu Zugangsberechtigungssystemen für Digitalfernsehdienste und Zugang zu Diensten für virtuelle Netze.

b)      ‚Zusammenschaltung‘: die physische und logische Verbindung öffentlicher Kommunikationsnetze, die von demselben oder einem anderen Unternehmen genutzt werden, um Nutzern eines Unternehmens die Kommunikation mit Nutzern desselben oder eines anderen Unternehmens oder den Zugang zu den von einem anderen Unternehmen angebotenen Diensten zu ermöglichen. Dienste können von den beteiligten Parteien erbracht werden oder von anderen Parteien, die Zugang zum Netz haben. Zusammenschaltung ist ein Sonderfall des Zugangs und wird zwischen Betreibern öffentlicher Netze hergestellt.

…“

6        Art. 4 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie lautet:

„Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze sind berechtigt und auf Antrag von hierzu befugten Unternehmen verpflichtet, über die Zusammenschaltung zwecks Erbringung der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste zu verhandeln, um die gemeinschaftsweite Bereitstellung von Diensten sowie deren Interoperabilität zu gewährleisten. Die Betreiber bieten den Unternehmen den Zugang und die Zusammenschaltung zu Bedingungen an, die mit den von der nationalen Regulierungsbehörde gemäß den Artikeln 5, 6, 7 und 8 auferlegten Verpflichtungen in Einklang stehen.“

7        Art. 5 der Richtlinie, der die Befugnisse und Zuständigkeiten der nationalen Regulierungsbehörden in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung festlegt, bestimmt:

„(1)      Die nationalen Regulierungsbehörden fördern und garantieren gegebenenfalls entsprechend dieser Richtlinie bei ihren Maßnahmen zur Verwirklichung der in Artikel 8 der [Rahmenrichtlinie] festgelegten Ziele einen angemessenen Zugang und eine geeignete Zusammenschaltung sowie die Interoperabilität der Dienste und nehmen ihre Zuständigkeit in einer Weise wahr, die Effizienz fördert, den Wettbewerb stimuliert und den Endnutzern größtmöglichen Nutzen bringt.

Unbeschadet etwaiger Maßnahmen gemäß Artikel 8 in Bezug auf Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht können die nationalen Regulierungsbehörden insbesondere folgende Maßnahmen treffen:

a)      In dem zur Gewährleistung des End‑zu‑End‑Verbunds von Diensten erforderlichen Umfang können sie den Unternehmen, die den Zugang zu den Endnutzern kontrollieren, Verpflichtungen auferlegen, wozu in begründeten Fällen auch die Verpflichtung gehören kann, ihre Netze zusammenzuschalten, sofern dies noch nicht geschehen ist;

b)      in dem zur Gewährleistung des Zugangs der Endnutzer zu vom Mitgliedstaat festgelegten digitalen Rundfunk- und Fernsehdiensten erforderlichen Umfang können sie die Betreiber dazu verpflichten, zu fairen, ausgewogenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen den Zugang zu den in Anhang I Teil II aufgeführten anderen Einrichtungen zu gewähren.

(2)      Wenn die nationalen Regulierungsbehörden gemäß Artikel 12 einem Betreiber die Verpflichtung auferlegen, den Zugang bereitzustellen, so können sie unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts technische oder betriebliche Bedingungen festlegen, die von dem Betreiber und/oder den Nutznießern der Zugangsgewährung erfüllt werden müssen, soweit dies erforderlich ist, um den normalen Betrieb des Netzes sicherzustellen. Bedingungen, die die Anwendung bestimmter technischer Normen oder Spezifikationen betreffen, müssen Artikel 17 der [Rahmenrichtlinie] entsprechen.

(3)      Die gemäß den Absätzen 1 und 2 auferlegten Verpflichtungen und Bedingungen müssen objektiv, transparent, verhältnismäßig und nichtdiskriminierend sein; für ihre Anwendung gelten die Verfahren der Artikel 6 und 7 der [Rahmenrichtlinie].

(4)      In Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die nationale Regulierungsbehörde befugt ist, in begründeten Fällen aus eigener Initiative oder, falls keine Übereinkunft zwischen Unternehmen besteht, auf Ersuchen einer der beteiligten Parteien tätig zu werden, um entsprechend der vorliegenden Richtlinie und den Verfahren der Artikel 6 und 7 sowie der Artikel 20 und 21 der [Rahmenrichtlinie] die Beachtung der in Artikel 8 derselben Richtlinie aufgeführten politischen Ziele zu gewährleisten.“

8        Die Art. 6 und 7 der Zugangsrichtlinie, die in deren Kapitel III („Verpflichtungen für Betreiber und Verfahren der Marktprüfung“) enthalten sind, beziehen sich zum einen auf Zugangsberechtigungssysteme für Zuschauer und Hörer digitaler Fernseh- und Rundfunkdienste und zum anderen auf die Notwendigkeit der Überprüfung früherer Verpflichtungen in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung.

9        Art. 8 Abs. 2 und 3 der Zugangsrichtlinie bestimmt:

„(2)      Wird ein Betreiber aufgrund einer Marktanalyse nach Artikel 16 der [Rahmenrichtlinie] als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuft, so erlegt die nationale Regulierungsbehörde diesem im erforderlichen Umfang die in den Artikeln 9 bis 13 der vorliegenden Richtlinie genannten Verpflichtungen auf.

(3)      Unbeschadet

–        der Artikel 5 Absätze 1 und 2 und des Artikels 6,

–        der Artikel 12 und 13 der [Rahmenrichtlinie], der Bedingung 7 in Teil B des Anhangs der Richtlinie 2002/20/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste] (Genehmigungsrichtlinie) [ABl. L 108, S. 21], die gemäß Artikel 6 Absatz 1 jener Richtlinie angewandt wird, sowie der Artikel 27, 28 und 30 der Richtlinie 2002/22/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten] (Universaldienstrichtlinie) [ABl. L 108, S. 51, im Folgenden: Universaldienstrichtlinie] oder der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation [ABl. 1998, L 24, S. 1], die Verpflichtungen für Unternehmen enthalten, mit Ausnahme jener, die als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurden, oder

–        der Notwendigkeit der Einhaltung internationaler Verpflichtungen,

erlegen die nationalen Regulierungsbehörden Betreibern, die nicht gemäß Absatz 2 eingestuft wurden, die in den Artikeln 9 bis 13 genannten Verpflichtungen nicht auf.

…“

10      Art. 12 der Zugangsrichtlinie („Verpflichtungen in Bezug auf den Zugang zu bestimmten Netzeinrichtungen und deren Nutzung“) bestimmt:

„(1)      Die nationalen Regulierungsbehörden können gemäß Artikel 8 Betreiber dazu verpflichten, berechtigten Anträgen auf Zugang zu bestimmten Netzkomponenten und zugehörigen Einrichtungen und auf deren Nutzung stattzugeben, unter anderem wenn die nationale Regulierungsbehörde der Auffassung ist, dass die Verweigerung des Zugangs oder unangemessene Bedingungen mit ähnlicher Wirkung die Entwicklung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten Marktes auf Endverbraucherebene behindern oder den Interessen der Endnutzer zuwiderlaufen würden.

Betreibern darf unter anderem Folgendes auferlegt werden:

b)      mit Unternehmen, die einen Antrag auf Zugang stellen, nach Treu und Glauben zu verhandeln;

(2)      Wenn die nationalen Regulierungsbehörden prüfen, ob die Verpflichtungen nach Absatz 1 aufzuerlegen sind, insbesondere bei der Beurteilung der Frage, ob derartige Verpflichtungen in einem angemessenen Verhältnis zu den Zielen gemäß Artikel 8 der [Rahmenrichtlinie] stehen, tragen sie insbesondere den folgenden Faktoren Rechnung:

a)      technische und wirtschaftliche Tragfähigkeit der Nutzung oder Installation konkurrierender Einrichtungen angesichts des Tempos der Marktentwicklung, wobei die Art und der Typ der Zusammenschaltung und des Zugangs berücksichtigt werden;

b)      Möglichkeit der Gewährung des vorgeschlagenen Zugangs angesichts der verfügbaren Kapazität;

c)      Anfangsinvestition des Eigentümers der Einrichtung unter Berücksichtigung der Investitionsrisiken;

d)      Notwendigkeit zur langfristigen Sicherung des Wettbewerbs;

e)      gegebenenfalls gewerbliche Schutzrechte oder Rechte an geistigem Eigentum;

f)      Bereitstellung europaweiter Dienste.“

11      Art. 8 der Rahmenrichtlinie setzt die politischen Ziele und regulatorischen Grundsätze fest, die die nationalen Regulierungsbehörden einzuhalten haben.

 Nationales Recht

12      Art. 1 des Telekommunikationsgesetzes (Prawo Telekomunikacyjne) vom 16. Juli 2004 (Dz. U. 2004, Nr. 171, Position 1800, im Folgenden: Telekommunikationsgesetz) regelt die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen und die Zurverfügungstellung von Telekommunikationsnetzen oder damit zusammenhängender Anwendungen (im Folgenden: Telekommunikationstätigkeit).

13      Art. 1 Abs. 2 des Telekommunikationsgesetzes bestimmt:

„Zweck des Gesetzes ist die Schaffung der Voraussetzungen,

1.      für die Förderung eines lauteren und effektiven Wettbewerbs im Bereich der Telekommunikationsdienste;

2.      für die Entwicklung und Nutzung moderner Telekommunikationsinfrastrukturen;

3.      für die Gewährleistung der Ordnung bei der Nutzung der Nummerierung, der Funkfrequenzen und der Möglichkeiten der Satelliten;

4.      um den Nutzern größtmögliche Vorteile in Bezug auf die Vielfalt, den Preis und die Qualität der Telekommunikationsdienstleistungen zu gewährleisten;

5.      um die technologische Neutralität zu gewährleisten.

…“

14      Art. 26 des Telekommunikationsgesetzes lautet:

„1.      Auf Antrag eines Telekommunikationsunternehmens oder einer Einrichtung im Sinne von Art. 4 Nrn. 1, 2, 4, 5, 7 und 8 ist der Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes verpflichtet, über eine Zugangsvereinbarung zwecks Erbringung der öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstleistungen und Gewährleistung der Interoperabilität der Dienstleistungen zu verhandeln.

2.      Bei der Verhandlung über die Zugangsvereinbarungen haben die Telekommunikationsunternehmen die ihnen auferlegten Verpflichtungen zu beachten.

3.      Die im Rahmen der Verhandlungen gewonnenen Informationen dürfen nur bestimmungsgemäß verwendet werden und unterliegen einer Geheimhaltungspflicht, sofern nichts anderes bestimmt ist.

4.      Sofern nichts anderes bestimmt ist, gelten die Bestimmungen des vorliegenden Kapitels betreffend die Telekommunikationsunternehmen für die Einrichtungen im Sinne von Art. 4 Nrn. 1, 2, 4, 5, 7 und 8.

5.      Ein Betreiber eines Mitgliedstaats, der Zugang zu einem Telekommunikationsnetz beantragt, ist nicht zur Registrierung im Sinne von Art. 10 verpflichtet, wenn er im polnischen Hoheitsgebiet keine Telekommunikationstätigkeit ausübt.“

15      Art. 27 des Telekommunikationsgesetzes bestimmt:

„1.      Der Präsident des Urząd Komunikacji Elektronicznej (UKE) [Büro für elektronische Kommunikation] kann von Amts wegen oder auf schriftlichen Antrag eines jeden an den Verhandlungen über den Abschluss einer Zugangsvereinbarung Beteiligten durch Erlass eine Frist für den Abschluss der Verhandlungen setzen, die 90 Tage nach Einreichung eines Antrags auf Abschluss einer solchen Vereinbarung nicht übersteigen darf.

2.      Werden die Verhandlungen nicht aufgenommen oder wird der Zugang durch die Einrichtung, die verpflichtet ist, ihn zu gewähren, verweigert oder wird nicht innerhalb der Frist nach Abs. 1 eine Vereinbarung geschlossen, kann jeder Beteiligte beim Präsidenten des UKE den Erlass einer Entscheidung über die streitigen Fragen beantragen oder die Bedingungen für die Zusammenarbeit beantragen.

3.      Dem Antrag nach Abs. 2 sind der Entwurf der Zugangsvereinbarung, eine Darstellung der Standpunkte der Beteiligten an der im Gesetz vorgesehenen Maßnahme und die zwischen den Beteiligten streitigen Vertragsbestimmungen beizufügen.

4.      Auf Ersuchen des Präsidenten des UKE haben die Beteiligten ihm binnen 14 Tagen ihre jeweiligen Standpunkte zu den Streitpunkten sowie die für die Prüfung des Antrags erforderlichen Unterlagen vorzulegen.“

16      Art. 28 dieses Gesetzes lautet:

„1.      Der Präsident des UKE erlässt seine Entscheidung über den Zugang binnen 90 Tagen ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags nach Art. 27 Abs. 2 unter Berücksichtigung der folgenden Kriterien:

1.      des Interesses der Nutzer der Telekommunikationsnetze;

2.      der den Telekommunikationsunternehmen auferlegten Verpflichtungen;

3.      der Förderung moderner Telekommunikationsdienstleistungen;

4.      der Natur der bestehenden streitigen Fragen und der praktischen Möglichkeit, die von den Telekommunikationsunternehmen, die an den Verhandlungen beteiligt sind, vorgeschlagenen Lösungen oder solche, die Alternativlösungen darstellen können, in Anbetracht der technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte des Zugangs umzusetzen;

5.      der Gewährleistung:

a)      der Vollständigkeit des Netzes und der Interoperabilität der Dienste,

b)      nichtdiskriminierender Zugangsbedingungen,

c)      der Entwicklung des Wettbewerbs auf dem Markt der Telekommunikationsdienstleistungen;

6.      der Marktmacht der Telekommunikationsunternehmen, deren Netze zusammengeschaltet werden;

7.      des öffentlichen Interesses einschließlich des Umweltschutzes;

8.      der Kontinuität der Universaldienste.

2.      Der Präsident des UKE erlässt die Entscheidung über den Zugang für die Einrichtungen im Sinne von Art. 4 Nrn. 1, 2, 4, 5, 7 und 8 binnen 60 Tagen ab dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags nach Art. 27 Abs. 2 unter Berücksichtigung der in Abs. 1 Nrn. 1 bis 4, 5 Buchst. a und c und 6 bis 8 genannten Kriterien, der Verteidigung, der Sicherheit des Staates, der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung sowie des besonderen Charakters der diesen Einrichtungen übertragenen Aufgaben.

3.      Die Entscheidung über den Zugang im Rahmen der Zusammenschaltung der Netze kann die [zwingenden und je nach Art des zusammengeschalteten Netzes unterschiedlichen] Bestimmungen enthalten.

4.      Die Entscheidung über den Zugang ersetzt den Teil der Zugangsvereinbarung, der von dieser Entscheidung erfasst wird.

5.      Schließen die Beteiligten eine Zugangsvereinbarung, so erlöschen die Bestimmungen der Zugangsentscheidung, auf die sich dieser Vertrag bezieht, von Rechts wegen.

6.      Die Zugangsentscheidung kann auf Antrag aller Beteiligten oder von Amts wegen vom Präsidenten des UKE geändert werden, wenn dies durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, den Schutz der Interessen der Endnutzer, eines wirksamen Wettbewerbs oder der Interoperabilität der Dienste zu gewährleisten.

7.      Finanzielle Forderungen wegen Nichterfüllung oder Schlechterfüllung der Verpflichtungen aus der Zugangsentscheidung können vor Gericht geltend gemacht werden.

8.      Der Präsident des UKE erlässt die Entscheidung über den Zugang, die alle Bestimmungen enthält, die notwendig sind, um den Zugang zu gewährleisten, wenn es sich bei einem der Beteiligten um ein Telekommunikationsunternehmen handelt, dem eine Verpflichtung [insbesondere nach Art. 45] auferlegt worden ist.“

17      Art. 29 des Gesetzes lautet:

„Der Präsident des UKE kann von Amts wegen über die Änderung einer Zugangsvereinbarung entscheiden oder die Beteiligten verpflichten, diese zu ändern, wenn dies durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, den Schutz der Interessen der Endverbraucher, einen wirksamen Wettbewerb oder die Interoperabilität der Dienste zu gewährleisten.“

18      Art. 30 des Telekommunikationsgesetzes sieht vor, dass „[d]ie Art. 26 bis 28 ... entsprechend für die Änderung der Zugangsvereinbarungen [gelten]“.

19      Art. 45 dieses Gesetzes bestimmt:

„Unter Berücksichtigung der Angemessenheit einer Verpflichtung im Hinblick auf das festgestellte Problem, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die in Art. 1 Abs. 2 erwähnten Ziele sowie unter Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 3 kann der Präsident des UKE eine Entscheidung erlassen, mit der einem Telekommunikationsunternehmen, das den Zugang zum Endnutzer kontrolliert, die Regulierungsverpflichtungen auferlegt werden, die notwendig sind, um den Endnutzern dieses Unternehmens die Kommunikation mit den Nutzern eines anderen Telekommunikationsunternehmens einschließlich der Zusammenschaltungsverpflichtung zu gewährleisten.“

20      Art. 136 dieses Gesetzes bestimmt:

„1.      Der Präsident des UKE kann zur Gewährleistung des Zugangs der Endnutzer zu den Diensten der digitalen Rundfunk- und Fernsehübertragung eine Entscheidung erlassen, mit der den Telekommunikationsunternehmen eine Verpflichtung zur Gewährung des Zugangs zu folgenden zugehörigen Anwendungen auferlegt wird:

1.      Softwareinterface,

2.      elektronischer Programmführer.

2.      Die Bestimmungen über das Anhörungs- und Konsolidierungsverfahren gelten für die Entscheidung nach Abs. 1.

3.      Der Präsident des UKE erlässt die Entscheidung nach Abs. 1 unter Zugrundelegung des Gleichheitssatzes und des Diskriminierungsverbots.“

 Vorverfahren

21      Mit Mahnschreiben vom 21. März 2005 unterrichtete die Kommission die Republik Polen von ihren Bedenken hinsichtlich der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie in nationales Recht. Die Republik Polen antwortete mit Schreiben vom 20. Mai 2005.

22      Am 4. Juli 2006 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, mit der sie die Republik Polen aufforderte, die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten ab deren Zustellung nachzukommen. Die polnischen Behörden antworteten auf diese Stellungnahme am 4. September 2006. Da die Kommission diese Antwort für unbefriedigend hielt, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

 Klage

 Zur ersten Rüge: Unvereinbarkeit von Art. 26 des Telekommunikationsgesetzes mit Art. 4 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

23      Im Rahmen ihrer ersten Rüge macht die Kommission geltend, dass die in Art. 4 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie vorgesehene Verhandlungspflicht allen Betreibern öffentlicher Telekommunikationsnetze obliege und die Zusammenschaltung der Netze betreffe. Die Zusammenschaltung stelle einen Sonderfall des Zugangs dar, der zwischen den verschiedenen Betreibern öffentlicher Netze hergestellt werde, und betreffe keine andere Form des Zugangs. Die nationale Regulierungsbehörde werde nur unter außergewöhnlichen Umständen tätig.

24      Aus den Erwägungsgründen 6 und 14 sowie aus Art. 8 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 und Art. 12 der Zugangsrichtlinie gehe hervor, dass erstens anhand einer Beurteilung der Lage zu bestimmen sei, ob der betreffende Markt einer Ex‑ante‑Regulierung unterliege und in welchem Umfang auf diesem Markt Wettbewerb bestehe. Zweitens müssten die nationalen Regulierungsbehörden eine Gesamtschau vornehmen und prüfen, wie sich die Pflicht zur Zugangsgewährung langfristig auf diesen Markt auswirke. Drittens müsse die nationale Regulierungsbehörde nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie ausdrücklich dazu ermächtigt werden, allen Wirtschaftsteilnehmern einschließlich derjenigen, die nicht über beträchtliche Marktmacht verfügten, die Verpflichtung zum Verhandeln über den Zugang zu den Telekommunikationsnetzen aufzuerlegen. Viertens sei eine der Grundlagen des gemeinschaftlichen Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation der Grundsatz, dass die nationale Regulierungsbehörde nur in den Fällen tätig werde, in denen die Mechanismen des freien Marktes nicht funktionierten oder nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen führten.

25      Art. 26 Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes sehe jedoch letztlich eine allgemeine Verpflichtung vor, Vereinbarungen über den Zugang zu den Telekommunikationsnetzen nach Treu und Glauben auszuhandeln.

26      Die gesetzliche Auferlegung einer solchen Verpflichtung bedeute nicht nur, dass die Regulierungsbehörde nicht zu prüfen brauche, ob die Verpflichtung den Zugang zu den Telekommunikationsnetzen fördere, sondern auch, dass die Behörde die Interessen des Betreibers des betreffenden Netzes und die der Unternehmen, die Zugang zu diesem Netz verlangten, nicht gegeneinander abwäge und nicht die Auswirkung dieser Verpflichtung auf einen bestimmten Markt ermittle. Die Behörde müsse auch nicht angeben, ob die in Art. 5 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt seien.

27      Ferner gehe die Republik Polen von zwei irrigen Annahmen aus, nämlich erstens, dass die Zugangsrichtlinie der Regulierungsbehörde erlaube, ohne Rücksicht auf die konkrete Lage jedem Betreiber eines Telekommunikationsnetzes die Verpflichtung aufzuerlegen, über den Zugang zu diesem Netz zu verhandeln, und zweitens, dass die Verhandlungen die Betreiber von Telekommunikationsnetzen nur gering belasteten und sich nicht auf deren Investitionsentscheidungen und damit die Wettbewerbsbedingungen auswirkten.

28      Schließlich werde der Grundsatz der Rechtssicherheit durch die im polnischen Gesetz gewählte Lösung besser umgesetzt als durch die Zugangsrichtlinie, und die Richtlinie sehe außerdem kein Recht vor, die Aufnahme von Verhandlungen zu verlangen, sondern räume der nationalen Regulierungsbehörde nur die Befugnis ein, nach Untersuchung des Marktes den Betreibern von Telekommunikationsnetzen, die über eine beträchtliche Marktmacht verfügten, oder in bestimmten Fällen jedem Betreiber eine Verhandlungspflicht aufzuerlegen.

29      Die Republik Polen bestreitet die Stichhaltigkeit dieser ersten Rüge. Sie macht geltend, eine teleologische und funktionelle Auslegung der Zugangsrichtlinie führe zu dem Ergebnis, dass Art. 26 des Telekommunikationsgesetzes dadurch, dass er die Verpflichtung zur Aufnahme von Verhandlungen nicht nur für die Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen, sondern auch für den Zugang zu diesen Netzen vorsehe, nicht gegen Art. 4 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie verstoße.

30      Erstens stelle es eine Form der Förderung des Zugangs zu den Telekommunikationsnetzen dar, wenn einem Betreiber eines Telekommunikationsnetzes die Verpflichtung auferlegt werde, Verhandlungen mit dem Unternehmen aufzunehmen, das Zugang zu diesem Netz verlange. Auf diese Weise könne die bestmögliche Nutzung der bestehenden Infrastrukturen durch alle Beteiligten erreicht werden.

31      Ferner führten die Lösung, die darin bestehe, den nationalen Behörden die Befugnis einzuräumen, einen solchen Netzbetreiber auf Antrag eines Unternehmens, das Zugang zu dem betreffenden Netz wünsche, zur Aufnahme von Verhandlungen zu verpflichten, und die von der Republik Polen gewählte Lösung, wonach diesem Unternehmen das Recht zuerkannt werde, die Aufnahme von Verhandlungen zu verlangen, zu gleichen Ergebnissen für diesen Wirtschaftsteilnehmer.

32      Zweitens ist die Republik Polen der Ansicht, dass ihre Lösung am besten den Grundsatz der Rechtssicherheit umsetze, denn die Wirtschaftsteilnehmer könnten genau den Umfang der Verpflichtungen kennen, die ihnen nach dem Telekommunikationsgesetz oblägen.

33      Ferner ergebe sich aus dem sechsten Erwägungsgrund und Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie, dass jedes Unternehmen de facto berechtigt sei, vom Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes Verhandlungen über den Zugang zu diesem Netz zu verlangen, und sich bei Fehlschlagen dieser Verhandlungen an die Regulierungsbehörde wenden könne. Daher könne die Entscheidung der Regulierungsbehörde, mit der der betreffende Betreiber verpflichtet werde, Verhandlungen aufzunehmen, als deklaratorische Entscheidung betrachtet werden, die das Bestehen einer entsprechenden Verpflichtung dieses Betreibers und somit das entsprechende Recht des einen Zugang begehrenden Unternehmens feststelle. Somit seien dieses Recht und die spiegelbildliche Verpflichtung, die mit ihm für die Betreiber eingeführt werde, durch den von dieser Richtlinie verfolgten Zweck vollauf gerechtfertigt.

34      Obwohl das Telekommunikationsgesetz seit drei Jahren in Kraft sei, hätten weder die Betreiber noch die Entwicklung des Wettbewerbs unter unerwünschten Folgen dieses Gesetzes gelitten.

 Würdigung durch den Gerichtshof

35      Wie vorab festzustellen ist, räumt die Republik Polen ein, dass Art. 26 Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes eine allgemeine Rechtsvorschrift ist, die jedem Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes die Verpflichtung auferlegt, auf Antrag eines Unternehmens, das einen Zugang zu diesem Netz wünscht, nach Treu und Glauben über die Vereinbarung eines solchen Zugangs zu verhandeln, wobei die Verhandlungen sich nicht nur auf Zusammenschaltungsvereinbarungen, sondern auch auf Vereinbarungen über den Zugang zu diesem Netz erstrecken.

36      Die Verhandlungen, zu denen ein Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze nach Art. 4 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie auf Antrag von hierzu befugten Unternehmen verpflichtet ist, bezieht sich auf die Zusammenschaltung, die gemäß der Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie „ein Sonderfall des Zugangs [ist] und … zwischen Betreibern öffentlicher Netze hergestellt [wird]“. Im Gegensatz zu Art. 26 des Telekommunikationsgesetzes betrifft diese Verpflichtung somit keine anderen Formen des Zugangs zu den Netzen, wie sie in Art. 2 Buchst. a der Zugangsrichtlinie definiert werden und wie sie im Telekommunikationsgesetz vorgesehen sind.

37      Ferner erlaubt Art. 4 Abs. 1 Satz 2 der Zugangsrichtlinie den Betreibern, anderen Unternehmen den Zugang und die Zusammenschaltung zu Bedingungen anzubieten, die mit den von der nationalen Regulierungsbehörde auferlegten Verpflichtungen in Einklang stehen. Zu diesen gehören die Verpflichtungen, die diese Behörde gemäß Art. 8 Abs. 2 der Zugangsrichtlinie aufgrund einer Marktanalyse einem Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt auferlegen kann.

38      Aus Art. 8 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Zugangsrichtlinie ergibt sich, dass die Verpflichtung, mit Unternehmen nach Treu und Glauben über eine Vereinbarung zu verhandeln, von der nationalen Regulierungsbehörde Betreibern mit beträchtlicher Marktmacht aufgrund einer Analyse dieses Marktes auferlegt werden kann.

39      Wie der Generalanwalt in Nr. 62 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gibt es in Art. 26 des Telekommunikationsgesetzes keine Regelungsdualität im Hinblick auf die Marktmacht der Unternehmen. Die Bestimmung führt vielmehr zu einer Gleichbehandlung aller Betreiber, ohne dass der nationalen Regulierungsbehörde die Möglichkeit eingeräumt wird, vor einem Tätigwerden oder während der Prüfung des Antrags des Unternehmens, das Zugang zu einem Telekommunikationsnetz begehrt, die konkreten Umstände zu berücksichtigen.

40      Die im Telekommunikationsgesetz vorgesehene Verpflichtung, die Zugangsvereinbarungen nach Treu und Glauben auszuhandeln, hat nämlich zur Folge, dass diese Verpflichtung auferlegt wird, ohne dass zuvor der Grad des tatsächlichen Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt festgestellt worden ist. Dieses Gesetz erlaubt es auch nicht, diese Verpflichtung aufzuheben oder zu ändern, wenn sich der Wettbewerb auf diesem Markt verstärkt.

41      Ferner müssen die Maßnahmen der nationalen Regulierungsbehörde gemäß dem 19. Erwägungsgrund der Zugangsrichtlinie zwar den Wettbewerb beleben, doch müssen sie auch die Rechte eines Infrastruktureigentümers zur kommerziellen Nutzung seines Eigentums für eigene Zwecke und die Rechte anderer Diensteanbieter auf Zugang zu Einrichtungen, die sie zum Erbringen konkurrierender Dienste benötigen, gegeneinander abwägen.

42      Zudem werden die Maßnahmen der nationalen Regulierungsbehörde gemäß Art. 12 Abs. 2 der Zugangsrichtlinie durch die Notwendigkeit begrenzt, den in dieser Bestimmung aufgeführten Faktoren Rechnung zu tragen, wozu auch gehört, dass der Wettbewerb langfristig zu sichern ist und geprüft werden muss, ob die Verpflichtungen, die diese Behörde für den Zugang zu bestimmten Netzkomponenten und ihre Nutzung aufzuerlegen beabsichtigt, in einem angemessenen Verhältnis zu den Zielen gemäß Art. 8 der Rahmenrichtlinie stehen.

43      Das Telekommunikationsgesetz erlaubt keine Bewertung der Situation anhand der in Art. 12 Abs. 2 aufgeführten Faktoren, da es kein Tätigwerden der nationalen Regulierungsbehörde vor der Auferlegung der Verpflichtung zur Aushandlung von Zugangsvereinbarungen vorsieht.

44      Somit hat die Republik Polen Art. 4 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt, indem sie den öffentlichen Betreibern von Telekommunikationsnetzen eine allgemeine Pflicht zur Aushandlung von Vereinbarungen über den Zugang zum Telekommunikationsnetz auferlegt.

45      Dieses Ergebnis wird nicht durch das Argument der Republik Polen in Frage gestellt, dass eine dynamischere und teleologische Auslegung dieser Richtlinie eine schnellere Entwicklung der Technologien erlaube.

46      Die nationale Regulierungsbehörde wird nämlich nur tätig, um ein wirksames Funktionieren des Marktes zu gewährleisten. Zu diesem Zweck soll die Behörde nach Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 der Zugangsrichtlinie die Effizienz fördern, den Wettbewerb stimulieren und für den größtmöglichen Nutzen für die Endnutzer sorgen.

47      Zum Argument der Republik Polen, dass das Telekommunikationsgesetz zu einer stärkeren Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtssicherheit führe, genügt die Feststellung, dass dieser Grundsatz keinesfalls Abweichungen von den in der Zugangsrichtlinie vorgesehenen Bestimmungen erlaubt.

48      Nach alledem ist die erste Rüge begründet.

49      Daher ist festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Zugangsrichtlinie verstoßen hat, dass sie deren Art. 4 Abs. 1 nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.

 Zur zweiten Rüge: Unvereinbarkeit des Telekommunikationsgesetzes mit Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie

 Vorbringen der Parteien

50      Mit ihrer zweiten Rüge macht die Kommission geltend, dass die Art. 26 bis 30 des Telekommunikationsgesetzes keine ordnungsgemäße Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie gewährleisteten. Aus den Art. 26 bis 30 sowie den Art. 45 und 136 des Telekommunikationsgesetzes gehe hervor, dass die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze verpflichtet seien, über den Zugang zu diesen Netzen zu verhandeln, dass der Präsident der nationalen Regulierungsbehörde eine Frist für den Abschluss solcher Verhandlungen festsetzen könne und dass er, wenn die Beteiligten nicht zu einer Einigung gelangten, auf Antrag eines der Beteiligten eine Entscheidung über die Gewährung des Zugangs erlassen könne, die die Zugangsvereinbarung in den Punkten, auf die sich die Entscheidung erstrecke, ersetze, und auf diese Weise den Unternehmen unabhängig von ihrer Marktstellung Verpflichtungen auferlegen könne.

51      Dazu führt die Kommission aus, dass erstens Art. 5 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie nicht durch eine allgemeine Rechtsvorschrift umgesetzt werden könne, denn diese Bestimmung verlange, dass die Regulierungsbehörde nur in bestimmten Fällen zum Tätigwerden ermächtigt werde. Diese Ermächtigung sei durch die Bezugnahme auf die in Art. 8 der Rahmenrichtlinie festgelegten Ziele und durch die Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie begrenzt. Art. 5 Abs. 1 sei keine bloße Programmbestimmung, sondern gebe an, zu welchen Entscheidungen die nationalen Regulierungsbehörden zu ermächtigen seien. Er stelle eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz in Art. 8 der Zugangsrichtlinie dar, die eng ausgelegt werden müsse.

52      Zweitens macht sie geltend, Art. 5 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie erlaube es nicht ohne Weiteres, allen Unternehmen Regulierungsverpflichtungen aufzuerlegen, sondern nur denjenigen, die über beträchtliche Marktmacht verfügten, oder, unabhängig von dieser Voraussetzung, in den in Art. 8 Abs. 3 dieser Richtlinie aufgeführten Fällen. Die in den Art. 9 bis 13 der Richtlinie erwähnten Verpflichtungen könnten nicht auf der Grundlage des in Art. 5 Abs. 4 beschriebenen Verfahrens auferlegt werden.

53      Drittens sei die Befugnis der nationalen Regulierungsbehörde nach Art. 5 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie nicht vom Vorliegen eines Rechtsstreits zwischen Unternehmen abhängig.

54      Die Republik Polen widerspricht dieser Rüge. Erstens macht sie geltend, die beiden Vorschriften in Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie, wonach die nationale Regulierungsbehörde zum einen den Zugang zu den Netzen, die Zusammenschaltung und die Interoperabilität der Dienste fördern und zum anderen diese erforderlichenfalls gewährleisten müsse, seien sehr allgemeiner Natur und stellten Programmnormen dar. Solche Bestimmungen seien für die Mitgliedstaaten nur in Bezug auf das zu erreichende Ziel verbindlich, dessen Verwirklichung sie im Rahmen ihrer Politik des Zugangs zu den Telekommunikationsnetzen zu gewährleisten verpflichtet seien.

55      Diese Auslegung werde durch den allgemeinen Aufbau der Zugangsrichtlinie bestätigt, da Art. 5 in Kapitel II („Allgemeine Bestimmungen“) der Richtlinie stehe.

56      Ferner seien die in Art. 8 der Rahmenrichtlinie aufgeführten Ziele allgemein umschrieben, so dass die Bezugnahme auf sie den nationalen Regulierungsbehörden ein weites Ermessen einräume. Im Übrigen würde selbst eine genaue Definition der Ziele der Tätigkeit der Behörden die auf dem Markt operierenden Unternehmen nicht in die Lage versetzen, die ihnen obliegenden Verpflichtungen vorherzusehen. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlange jedoch, dass Rechtsvorschriften klar und genau seien.

57      Die allgemeinen Regulierungsbefugnisse würden ebenfalls nicht durch die in Art. 5 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie festgelegten Kriterien beschränkt, die die gemäß Art. 5 Abs. 1 und 2 der Richtlinie auferlegten Verpflichtungen und Anforderungen beträfen.

58      Die Republik Polen schließt daraus, dass Art. 5 nicht in der Weise wörtlich umgesetzt werden könne, dass die nationale Regulierungsbehörde allgemein zur Förderung und Gewährleistung des Zugangs zu Telekommunikationsnetzen ermächtigt werde.

59      Zweitens verweist die Republik Polen darauf, dass sich die vorliegende Rüge nur auf die Unvereinbarkeit des polnischen Rechts mit Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 und nicht mit Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 der Zugangsrichtlinie beziehe.

60      Ferner berücksichtige die Kommission nicht, dass Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 zwei Vorschriften enthalte. Die erste, die eine allgemeine Verpflichtung zur Förderung des Zugangs, der Zusammenschaltung und der Interoperabilität der Dienste in jedem Fall, unabhängig von den Umständen, begründe – weshalb die nationale Regulierungsbehörde ständig tätig sein müsse –, werde durch Kapitel II des Telekommunikationsgesetzes umgesetzt. Die zweite Vorschrift beziehe sich auf die Verpflichtung, den Zugang zum Netz zu gewährleisten, die in den Art. 28 und 29 dieses Gesetzes geregelt sei.

 Würdigung durch den Gerichtshof

61      Mit ihrer zweiten Rüge begehrt die Kommission die Feststellung, dass Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie, wonach die nationale Regulierungsbehörde zu ermächtigen ist, zur Stützung der Ziele des Art. 8 der Rahmenrichtlinie punktuell tätig zu werden, durch das Telekommunikationsgesetz nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sei.

62      Erstens ist daran zu erinnern, dass die Regulierungsaufgaben der nationalen Regulierungsbehörde in den Art. 8 bis 13 der Rahmenrichtlinie festgelegt sind. Nach Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die nationalen Regulierungsbehörden bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben alle angezeigten Maßnahmen treffen, die den in den Abs. 2 bis 4 dieses Artikels vorgegebenen Zielen dienen.

63      Ferner hat der Gerichtshof Art. 8 dahin ausgelegt, dass er den Mitgliedstaaten vorschreibt, dafür zu sorgen, dass die nationalen Regulierungsbehörden alle angezeigten Maßnahmen treffen, die der Förderung des Wettbewerbs bei der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsdienste dienen, wobei sie gewährleisten, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen oder ‑beschränkungen im Bereich der elektronischen Kommunikation gibt, und verbleibende Hindernisse für die Erbringung dieser Dienste auf europäischer Ebene abbauen (Urteil vom 31. Januar 2008, Centro Europa 7, C‑380/05, Slg. 2008, I‑349, Randnr. 81).

64      Zweitens betrifft Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie die Befugnisse und Zuständigkeiten der nationalen Regulierungsbehörden in Bezug auf den Zugang und die Zusammenschaltung. Er sieht vor, dass diese Behörden zur Verwirklichung der in Art. 8 der Rahmenrichtlinie festgelegten Ziele einen angemessenen Zugang und eine geeignete Zusammenschaltung sowie die Interoperabilität der Dienste garantieren und die Effizienz fördern, den Wettbewerb stimulieren und für größtmöglichen Nutzen für die Endnutzer sorgen.

65      Somit sieht Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie nur eine allgemeine Ermächtigung der nationalen Regulierungsbehörden zur Verwirklichung der Ziele des Art. 8 der Rahmenrichtlinie im besonderen Rahmen des Zugangs und der Zusammenschaltung vor.

66      Drittens räumen, wie der Generalanwalt in Nr. 83 seiner Schlussanträge ausführt, die Art. 26 bis 30 des Telekommunikationsgesetzes der nationalen Regulierungsbehörde weitgehende Interventionsmöglichkeiten ein.

67      Viertens ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens die Kommission das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachweisen muss. Sie muss dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, anhand deren er das Vorliegen dieser Vertragsverletzung prüfen kann (Urteil vom 10. Januar 2008, Kommission/Finnland, C-387/06, Randnr. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Da die Kommission sich auf das Vorbringen beschränkt hat, dass Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie nicht durch eine allgemeine Rechtsvorschrift umgesetzt werden könne, sondern nur durch eine Bestimmung, die angebe, zu welchen Entscheidungen die nationale Regulierungsbehörde ermächtigt sei, und nicht dargetan hat, dass die betreffenden Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes die Ziele der Rahmenrichtlinie nicht verwirklichten, hat sie nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass diese Bestimmungen keine ordnungsgemäße Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie sind.

69      Daher ist die zweite Rüge zurückzuweisen.

 Kosten

70      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 69 § 3 Abs. 1 kann der Gerichtshof jedoch die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund vorliegt. Da sowohl die Kommission als auch die Republik Polen mit ihrem Vorbringen teilweise unterlegen sind, haben sie ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Republik Polen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) verstoßen, dass sie Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und die Republik Polen tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Polnisch.