Schlußanträge des Generalanwalts

Schlußanträge des Generalanwalts

1. Die in dieser Vorabentscheidungssache vorgelegte Frage betrifft die Vereinbarkeit des mit einer Gemeinschaftsrichtlinie eingeführten Systems des Handels mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase mit dem Gleichheitsgrundsatz und erfordert komplexe tatsächliche Würdigungen. Es mag paradox erscheinen, dass eine solche technische Frage auf ein überaus wichtiges Urteil zu den Beziehungen zwischen nationalem Verfassungsrecht und Gemeinschaftsrecht zurückgeht. Rund zwanzig Jahre nach der Verkündung des Urteils Nicolo(2) durch eben das vorlegende Gericht, das den Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber nationalem Recht festlegte, stellt nämlich das Urteil Arcelor der Assemblée du contentieux des Conseil d’État vom 8. Februar 2007 das Verhältnis zwischen der französischen Verfassung und dem Gemeinschaftsrecht sowie die Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und der französischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, wenn diese mit einer Beanstandung der Verfassungsmäßigkeit einer Gemeinschaftsrichtlinie befasst ist, grundsätzlich klar. Das scheinbare Paradoxon hängt also damit zusammen, dass, wie wir sehen werden, die Infragestellung der Gültigkeit der Richtlinie unter dem Gesichtspunkt des gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes daraus entstanden ist, dass deren Verfassungsmäßigkeit bestritten wurde. Die vorliegende Rechtssache gibt nun dem Gerichtshof Gelegenheit, seinerseits die Natur des Verhältnisses zwischen nationalen Verfassungen und Gemeinschaftsrecht zu klären. Er wird somit bestimmte Sorgen über einen möglichen Konflikt zerstreuen können, die, wie wir sehen werden, angesichts der gemeinsamen Verfassungsgrundlagen, auf denen die nationalen Rechtsordnungen und die der Gemeinschaft beruhen, völlig unbegründet sind.

2. Aber auch die Vorabentscheidungsfrage selbst ist nicht ohne Bedeutung. Sie betrifft die Rechtmäßigkeit eines Gesetzestextes, der einen der wichtigsten Grundsteine der Umweltschutzpolitik der Gemeinschaft darstellt. Mit ihr wird der Gerichtshof ersucht, sich zu den ihrer Natur nach dialektischen Beziehungen zwischen der Praxis gesetzgeberischer Experimente und den normativen Erfordernissen der Gleichbehandlung zu äußern.

I – Rechtlicher Rahmen

3. Das in der vorliegenden Rechtssache betroffene Gesetz wurde im Hinblick auf die Erfüllung der Verpflichtungen durch die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten erlassen, die aufgrund des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über den Klimawandel (im Folgenden: Protokoll von Kyoto) eingegangen worden sind. Dieses am 11. Dezember 1997 unterzeichnete Protokoll will sämtliche Treibhausgase für den Zeitraum 2008–2012 im Vergleich zum Stand von 1990 um mindestens 5 % verringern. Es wurde von der Gemeinschaft mit Beschluss vom 25. April 2002 genehmigt und enthält die Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten, ihre Treibhausgasemissionen für den Zeitraum 2008–2012 im Vergleich zum Stand von 1990 um 8 % zu verringern; diese Verpflichtungen wurden von der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten zur gemeinsamen Erfüllung übernommen.

4. Gemeinschaft und Mitgliedstaaten haben, ohne das Inkrafttreten des Protokolls von Kyoto am 16. Februar 2005 abzuwarten, beschlossen, den eingegangenen Verpflichtungen vorzeitig nachzukommen. Hierzu haben das Europäische Parlament und der Rat am 13. Oktober 2003 auf der Grundlage des Art. 175 Abs. 1 EG die Richtlinie 2003/87/EG(3) erlassen, die am 25. Oktober 2003 in Kraft getreten ist und bis zum 1. Januar 2005 umzusetzen war.

5. Mit der Richtlinie 2003/87 wird ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft (im Folgenden: Gemeinschaftssystem) geschaffen, um auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise auf eine Verringerung von Treibhausgasemissionen hinzuwirken. In einer ersten Phase von 2005 bis 2007 erfasst die Richtlinie gemäß ihrem Art. 4 lediglich eines der in ihrem Anhang II angeführten Treibhausgase, nämlich Kohlendioxid (CO 2 ), und nur Emissionen bei den in Anhang I genannten Tätigkeiten. Das durch sie geschaffene Quotentauschsystem gilt daher in dieser ersten Phase nur für Tätigkeiten in der Energiewirtschaft, für die Eisenmetallherstellung und -verarbeitung (Guss, Stahl), die mineralverarbeitende Industrie (Zement, Glas, Keramik) und die Erzeugung von Zellstoff, Papier und Pappe. Allerdings ist in Art. 30 der Richtlinie 2003/87 eine Überprüfung im Hinblick auf eine eventuelle Änderung ihres Anhangs I dahin vorgesehen, dass andere Tätigkeiten und Emissionen anderer Treibhausgase aufgenommen werden.

6. Gemäß Art. 4 der Richtlinie 2003/87 muss jeder Betreiber einer Anlage, die eine der in Anhang I dieser Richtlinie genannten Tätigkeiten mit CO 2 -Emissionen durchführt, über eine Genehmigung der zuständigen Behörde verfügen, die nur erteilt wird, wenn der Betreiber in der Lage ist, die CO 2 -Emissionen zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten. Die Gesamtzahl der Zertifikate, die den Betreibern von in Anhang I aufgeführten Anlagen von jedem Mitgliedstaat zugeteilt werden, wird anhand eines nationalen Zuteilungsplans festgelegt. Dieser legt für den ersten Zeitraum von drei Jahren und die folgenden Fünfjahreszeiträume nicht nur die Gesamtanzahl der Zertifikate, die der Mitgliedstaat für den betreffenden Zeitraum zuzuteilen gedenkt, sondern auch die Kriterien fest, die er der Zuteilung zugrunde legen möchte.

7. Art. 10 der Richtlinie sieht für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung vor, für den ersten Zeitraum mindestens 95 % der Zertifikate und für den zweiten Zeitraum mindestens 90 % der Zertifikate kostenlos zuzuteilen. Gemäß Art. 12 schließlich können Zertifikate zwischen Personen innerhalb der Gemeinschaft und zwischen Personen innerhalb der Gemeinschaft und Personen in Drittstaaten übertragen werden.

8. Die Umsetzung der Richtlinie 2003/87 in das französische Recht erfolgte durch eine Ordonnance vom 15. April 2004 „portant création d’un système d’échange de quotas d’émission de gaz à effet de serre“ (Ordonnance zur Schaffung eines Systems für den Handel mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase), deren Durchführungsbestimmungen in einem Dekret des Conseil d’État festzulegen waren. Auf dieser Grundlage wurde das Dekret Nr. 2004‑832 vom 19. August 2004 erlassen.

II – Das Ausgangsverfahren und die Vorabentscheidungsfrage

9. Die Gesellschaft Arcelor und andere eisen- und stahlerzeugende oder ‑verarbeitende Unternehmen beantragten am 12. Juli 2005 beim Präsidenten, beim Premierminister, beim Minister für Ökologie und nachhaltige Entwicklung und beim Staatssekretär für Industrie die Aufhebung des Art. 1 des Dekrets Nr. 2004-832 vom 19. August 2004, soweit dieses Dekret dort als auf Anlagen des Stahlsektors anwendbar erklärt wird. Da dieser Antrag erfolglos blieb, erhoben sie am 15. November 2005 beim Conseil d’État Nichtigkeitsklage gegen die stillschweigende Ablehnung ihrer Anträge und beantragten, den zuständigen Verwaltungsbehörden aufzugeben, die beantragte Aufhebung vorzunehmen. Zur Stützung ihrer Klagen beriefen sie sich auf die Verletzung mehrerer Grundsätze mit Verfassungsrang wie das Eigentumsrecht, die Unternehmensfreiheit und den Gleichheitsgrundsatz.

10. Der Conseil d’État weist in seiner Vorlageentscheidung darauf hin, dass Art. 1 des Dekrets, wenn er die Unternehmen des Stahlsektors dem System des Handels mit Treibhausgasemissionen unterstelle, damit nur den Inhalt der Richtlinie 2003/87 wortwörtlich aufnehme. Anhang I, der die Liste der Tätigkeiten enthalte, für die die Richtlinie gelte, erwähne insbesondere bei den Kohlendioxidemissionen die Tätigkeiten der „Eisenmetallerzeugung und ‑verarbeitung“, d. h. „Röst- und Sinteranlagen für Metallerz (einschließlich Sulfiderz)“ sowie „Anlagen für die Herstellung von Roheisen oder Stahl (Primär- oder Sekundärschmelzbetrieb), einschließlich Stranggießen, mit einer Kapazität über 2,5 Tonnen pro Stunde“. In gleicher Weise bestimme Art. 1 des Dekrets vom 19. August 2004, dass „das vorliegende Dekret auf für den Umweltschutz klassifizierte Anlagen anwendbar [ist], die zur Herstellung oder Verarbeitung von Eisenmetallen, zur Energieerzeugung oder zur Herstellung von Mineralien, Papier oder Zellstoff bestimmt sind und die die im Anhang des Dekrets festgelegten Kriterien in Bezug auf den Ausstoß von Kohlendioxid in die Atmosphäre erfüllen“; weiter seien gemäß Punkt II‑A des Anhangs des Dekrets im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Herstellung und Verarbeitung von Eisenmetallen „Röst- oder Sinteranlagen für Metallerz einschließlich Sulfiderze“ und „Anlagen für die Herstellung von Roheisen oder Stahl (Primär- oder Sekundärschmelzung) einschließlich Stranggießen mit einer Kapazität von mehr als 2,5 Tonnen pro Stunde“ erfasst. Wie der Conseil d’État zu Recht feststellt, war die Übernahme des Inhalts der Richtlinie von dieser selbst vorgegeben, die somit einem Mitgliedstaat die Möglichkeit nimmt, in Anhang I genannte Tätigkeiten vom Geltungsbereich des Systems für den Handel mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase auszuschließen.

11. Die Verfassungsmäßigkeit des Dekrets in Zweifel zu ziehen, würde daher mittelbar die Vereinbarkeit der Richtlinie selbst mit der französischen Verfassung in Frage stellen. Der Conseil d’État verweist zu diesem Punkt zunächst auf den Vorrang der Verfassung in der nationalen Rechtsordnung, hebt indessen hervor, dass sich aus der Billigung der in Art. 88‑1 der französischen Verfassung vom 4. Oktober 1958 verankerten Mitwirkung der Französischen Republik am Aufbau Europas durch die verfassungsgebende Versammlung „eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinien“ ergebe, die grundsätzlich nicht behindert werden dürfe. Somit könne der Conseil d’État die Beachtung von Grundsätzen und Bestimmungen mit Verfassungsrang nur bei fehlender Gleichwertigkeit der Schutzbestimmungen überprüfen, d. h., wenn es keine Regel oder keinen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts gebe, deren Anwendung in ihrer gegenwärtigen Auslegung durch die Gemeinschaftsrichter nach ihrer Natur und Reichweite die beanspruchte effektive Einhaltung der Bestimmung oder des Grundsatzes der Verfassung gewährleiste. Liege hingegen Gleichwertigkeit des Schutzes vor, habe das nationale Gericht eine „Verlagerung“(4) des Widerspruchs zwischen der Gemeinschaftsnorm und der nationalen Verfassungsnorm in den Bereich des Gemeinschaftsrechts vorzunehmen: Der Klagegrund der Verletzung von Bestimmungen und Grundsätzen mit Verfassungsrang wird umqualifiziert, so dass die Beanstandung der Verfassungsmäßigkeit der Richtlinie zu einer Anfechtung ihrer Gültigkeit im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht wird und die Würdigung der Begründetheit dieser Anfechtung bei ernsthaften Schwierigkeiten an den Gerichtshof entsprechend dem Urteil Foto‑Frost(5) verwiesen wird.

12. Bei der Anwendung des so entwickelten Kontrollrasters stellt der Conseil d’État zunächst fest, dass das Eigentumsrecht und die unternehmerische Freiheit auch in der Gemeinschaftsordnung mit gleicher Reichweite garantiert seien, und entscheidet dann, dass die streitige Richtlinie diese Rechte nicht beeinträchtige. Die Rüge der Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes, die sich aus einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte ergeben soll, weist das französische Verwaltungsgericht zurück, weil der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz im Unterschied zum Gleichheitsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts nicht verlange, dass unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden müssten(6) .

13. Damit blieb der Klagegrund der Missachtung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes durch unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte. Der Conseil d’État stellt dazu fest, dass ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts gelte, der nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung des Gerichtshofs „die effektive Einhaltung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes“ garantiere. Die Gültigkeit der Richtlinie vom 13. Oktober 2003 im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts werfe ernste Schwierigkeiten auf. Die Zweifel des vorlegenden Gerichts beruhen auf folgenden Erwägungen. Die Kunststoff- und die Aluminiumindustrie befänden sich in einer mit der Stahlindustrie vergleichbaren Lage, da sie die gleichen Treibhausgase ausstießen, deren Emission die Richtlinie vom 13. Oktober 2003 verringern solle, und stünden im Wettbewerb mit dieser, da sie Materialien herstellten, die teilweise die von der Stahlindustrie erzeugten Materialien ersetzen könnten; sie würden indessen unterschiedlich behandelt, weil sie als solche nicht unter das System für den Handel mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase fielen; das Vorliegen einer objektiven Rechtfertigung für diese unterschiedliche Behandlung sei fraglich, auch wenn bei der Entscheidung, dass die Kunststoff- und die Aluminiumindustrie als solche nicht unmittelbar unter das System fielen, ihr Anteil an der Gesamtemission von Treibhausgasen und das Erfordernis, die schrittweise Einführung einer Gesamtregelung sicherzustellen, berücksichtigt worden seien.

14. Der Conseil d’État hält es daher für angezeigt, den Gerichtshof zur Gültigkeit der Richtlinie vom 13. Oktober 2003 im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz zu befragen, soweit diese Anlagen des Stahlsektors dem System für den Handel mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase unterwirft, ohne die Aluminium- und Kunststoffindustrie in dieses System einzubeziehen.

III – Untersuchung

15. Es mag den Anschein haben, als sei der Conseil d’État, als er über die Vereinbarkeit der Richtlinie vom 13. Oktober 2003 mit der französischen Verfassung zu entscheiden hatte, mit der unerfüllbaren Aufgabe konfrontiert worden, Unvereinbares miteinander zu vereinen: Wie kann der Schutz der Verfassung in der nationalen Rechtsordnung sichergestellt werden, ohne das existenzielle Erfordernis des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts zu missachten? Diese konkurrierende Inanspruchnahme rechtlicher Souveränität ist so recht der Ausdruck des rechtlichen Pluralismus, der die Originalität des europäischen Integrationsvorgangs ausmacht. Aus der Lösung, die das vorlegende Gericht hierfür gefunden hat, ist unsere Vorlagefrage entstanden. Sie läuft keineswegs auf eine Beeinträchtigung der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts hinaus, sondern führt das vorlegende Gericht dazu, den Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsersuchens um Unterstützung dabei zu bitten, zu gewährleisten, dass die Gemeinschaftsakte die Werte und Grundsätze beachten, die auch in seiner nationalen Rechtsordnung anerkannt sind. Diese Bitte hat nichts, was uns verwundern sollte, ist doch die Union selbst auf die den Mitgliedstaaten gemeinsamen Verfassungsgrundsätze gegründet, wie Art. 6 Abs. 1 EU zu entnehmen ist. In Wirklichkeit verlangt der Conseil d’État vom Gerichtshof nicht, die Vereinbarkeit eines Gemeinschaftsakts mit bestimmten nationalen Verfassungswerten zu kontrollieren – was er im Übrigen auch gar nicht könnte –, sondern dessen Rechtmäßigkeit im Lichte entsprechender europäischer Verfassungswerte zu überprüfen. Auf diesem Weg ist das, was auf den ersten Blick unvereinbar erschien, doch miteinander vereint worden. Die Europäische Union und die nationalen Rechtsordnungen beruhen auf denselben rechtlichen Grundwerten. Während die nationalen Gerichte die Beachtung dieser Werte im Geltungsbereich ihrer Verfassungen sicherzustellen haben, steht es in der Verantwortung des Gerichtshofs, Gleiches im Rahmen der Gemeinschaftsrechtsordnung zu tun.

16. Art. 6 EU bringt die den nationalen Verfassungswerten geschuldete Achtung zum Ausdruck. Er zeigt auch die Rechtsbehelfe auf, die geeignet sind, einem wirklichen Konflikt zwischen ihnen zuvorzukommen, indem etwa die Verfassungsgrundlagen der Union in den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten verankert werden. Diese haben mit dieser Vorschrift sichergestellt, dass das Unionsrecht die Grundwerte ihrer Verfassungen nicht bedroht. Zugleich aber haben sie die Aufgabe des Schutzes dieser Werte im Bereich des Gemeinschaftsrechts dem Gerichtshof übertragen. Insoweit trifft der Conseil d’État den Punkt, wenn er von der Identität der Grundwerte seiner Verfassung und der der Gemeinschaftsrechtsordnung ausgeht. Gleichwohl ist hervorzuheben, dass diese strukturelle Kongruenz nur auf systemischer Ebene und nur auf Gemeinschaftsebene und mit Hilfe der im Vertrag vorgesehenen Mechanismen sichergestellt werden kann. Diese systemische Identität wird in Art. 6 EU herausgestellt, und sie garantiert, dass nicht gegen die nationalen Verfassungen verstoßen wird, auch wenn diese nicht mehr als Referenznormen für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsakten verwendet werden dürfen. Wäre dies anders, könnte angesichts der großen Unterschiede zwischen Inhalt und Schutzinstrumenten der nationalen Verfassungen die Anwendung von Gemeinschaftsakten in dem einen Mitgliedstaat Ausnahmen erfahren, in einem anderen nicht. Ein solches Ergebnis würde den Grundsätzen des Art. 6 EU und insbesondere dem Verständnis der Gemeinschaft als einer Rechtsgemeinschaft widersprechen. Wenn mit anderen Worten die nationalen Verfassungen herangezogen werden könnten, um eine selektive und diskriminierende Anwendung von Gemeinschaftsnormen im Gebiet der Union durchzusetzen, würde paradoxerweise die Übereinstimmung der Gemeinschaftsrechtsordnung mit den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten zerstört. Aus diesem Grund hat der Gerichtshof in der Rechtssache Internationale Handelsgesellschaft für Recht erkannt, dass „es die Gültigkeit einer Gemeinschaftshandlung oder deren Geltung in einem Mitgliedstaat nicht berühren [kann], wenn geltend gemacht wird, die Grundrechte in der ihnen von der Verfassung dieses Staates gegebenen Gestalt oder die Strukturprinzipien der nationalen Verfassung seien verletzt“(7) . Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts stellt mithin ein existenzielles Erfordernis einer Rechtsgemeinschaft dar.

17. Art. 6 EU macht deutlich, was sich bereits aus diesem existenziellen Erfordernis ergab, dass nämlich die Prüfung der Vereinbarkeit von Gemeinschaftsakten mit den Verfassungswerten und -grundsätzen der Mitgliedstaaten nur über das Gemeinschaftsrecht erfolgen kann und im Wesentlichen auf die Grundwerte beschränkt bleibt, die zu den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen gehören. Da somit das Gemeinschaftsrecht die Verfassungswerte der Mitgliedstaaten integriert hat, müssen die nationalen Verfassungen ihren Vorherrschaftsanspruch anpassen, um dem existenziellen Vorrang des Gemeinschaftsrechts gerecht zu werden. Das bedeutet nicht, dass die nationalen Gerichte bei der anstehenden Auslegung der allgemeinen Grundsätze und Grundrechte der Gemeinschaft keine Rolle spielen. Es liegt vielmehr in der Natur der Verfassungswerte der Union als gemeinsamen Verfassungswerten der Mitgliedstaaten, dass sie vom Gerichtshof im ständigen Dialog mit den nationalen Gerichten, insbesondere mit denen, die mit der authentischen Auslegung der nationalen Verfassungen befasst sind, verdeutlicht und entwickelt werden müssen. Das angemessene Instrument für diesen Dialog ist die Vorlage zur Vorabentscheidung, und in diesem Kontext muss die vorliegende Frage verstanden werden.

18. Nach Maßgabe dieser Vorbemerkungen ergibt sich, dass das vorliegende Ersuchen um Vorabentscheidung den Gerichtshof um Antwort auf zwei Fragestellungen ersucht. Die erste Fragestellung geht dahin, auf welche Punkte sich seine Kontrolle der streitigen Richtlinie erstrecken kann. Dies ist die Frage des Umfangs der Gültigkeitsprüfung. Die zweite entspricht dem eigentlichen Gegenstand der Vorabentscheidungsfrage. Dies ist die Frage der Vereinbarkeit der streitigen Richtlinie mit dem Gleichheitsgrundsatz.

A – Der Umfang der Gültigkeitsprüfung

19. Die vom vorlegenden Gericht gestellte Vorabentscheidungsfrage betrifft nur die Vereinbarkeit der Richtlinie 2003/87 mit dem Gleichheitsgrundsatz, „soweit sie Anlagen des Stahlsektors dem System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten unterwirft, ohne die Aluminium- und die Kunststoffindustrie in dieses System einzubeziehen“. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens ersuchen indessen den Gerichtshof, seine Gültigkeitsprüfung auf andere die Rechtmäßigkeit betreffende Rügen auszudehnen, die sie größtenteils bereits als Klagegründe im nationalen Gerichtsverfahren geltend gemacht hatten. Diese Rügen betreffen die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, soweit die Richtlinie auch zu einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte führen soll, sowie die Verletzung der Niederlassungsfreiheit, des Eigentumsrechts, des Rechts auf freie Ausübung gewerblicher Tätigkeiten und der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit.

20. Sind die von den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens geltend gemachten Rügen zulässig? Wie weit kann die Kontrolle der Rechtmäßigkeit durch den Gerichtshof gehen, der mit einer Vorabentscheidungsfrage zur Prüfung der Gültigkeit befasst wird?

21. Als Grundsatz gilt, dass der Bereich der Prüfung des Gerichtshofs im Rahmen einer Vorabentscheidung durch die Frage des vorlegenden Gerichts abgegrenzt wird. Weder können die Parteien die Frage inhaltlich ändern(8), noch kann der Gerichtshof einer dahin gehenden Aufforderung nachkommen(9) . Grund hierfür ist, dass Art. 234 EG eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten in einem nichtstreitigen Verfahren begründet, das keinerlei Initiative der Parteien kennt und in dessen Verlauf diese lediglich Gelegenheit haben, sich zu äußern(10) . Die gerichtliche Zusammenarbeit, die diese Vorschrift einführt, gründet sich auf eine klare Funktionstrennung zwischen dem nationalen Gericht und dem Gerichtshof, so dass nur das nationale Gericht, das mit dem Streitfall befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich das zu erlassende Urteil fällt, mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles sowohl die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der Fragen zu beurteilen hat, die es dem Gerichtshof stellt(11) . Zu diesen materiellen Gründen, die mit dem Wesen des Vorabentscheidungsverfahrens zusammenhängen, kommt ein verfahrensrechtlicher Grund hinzu, dem zufolge jede Änderung des Inhalts der Fragen die Pflicht des Gerichtshofs berühren würde, den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit zu geben, gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs (früher Art. 20) Erklärungen abzugeben, weil nach dieser Vorschrift den Beteiligten nur die Vorlagebeschlüsse übermittelt werden(12) .

22. Die Beachtung der Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts für die Festlegung des Rahmens der Vorabentscheidung schließt zwar eine gewisse Flexibilität nicht aus. Wird etwa die Vorabentscheidungsfrage offen formuliert, d. h., gibt ihre Fassung die Gründe für die Ungültigkeit nur beispielhaft wieder, so hält sich der Gerichtshof für berechtigt, eine sehr weitgehende Prüfung durchzuführen(13) . Er legt sogar bisweilen große Freiheit gegenüber der Formulierung der Vorlagefrage an den Tag und zögert gegebenenfalls nicht, sie neu zu formulieren. Manchmal wandelt er sogar eine Auslegungsfrage in eine Gültigkeitsfrage um(14) . Im Übrigen kann die Auslegung einer Gemeinschaftsmaßnahme ihn manchmal zu einer Prüfung ihrer Gültigkeit(15) oder gar zur Feststellung ihrer Ungültigkeit(16) führen.

23. Führt aber die Vorabentscheidungsfrage die Ungültigkeitsgründe an, beschränkt der Gerichtshof seine Kontrolle, ausgenommen die etwaige Prüfung von zwingend zu beachtenden Gründen(17), auf die Prüfung dieser Gründe, wobei von den Parteien des Ausgangsverfahrens angeführte Gründe, die das Gericht nicht übernommen hat, ausgeschlossen bleiben(18) . Das beruht auf dem Vertrauen, das dem vorlegenden Gericht als Gemeinschaftsgericht gebührt, und der Achtung vor der Aufgabe, die es insoweit ausübt und aus der sich ergibt, dass der Gerichtshof von der Würdigung der Rechtmäßigkeit eines Gemeinschaftsakts durch ein nationales Gericht nicht abweichen darf, solange diese nicht die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in Frage stellt(19) .

24. Daher sollte der Gerichtshof die Gründe für eine Ungültigkeit der Richtlinie 2003/87, die die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens in ihren Erklärungen angeführt haben und die sich auf die Verletzung anderer Grundsätze als den der Gleichbehandlung stützen, nicht behandeln. Deren Vorbringen, dass gegen die streitige Richtlinie eine Nichtigkeitsklage beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften anhängig sei, die auf umfassendere Klagegründe gestützt sei als der vom Conseil d’État vorgelegte Ungültigkeitsgrund, kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Den Umfang der Prüfung durch den Gerichtshof an der des Gerichts auszurichten, hieße die Eigenständigkeit der beiden Rechtswege zu verkennen, die Nichtigkeitsklage und Vorlage zur Vorabentscheidung darstellen, da die Gestaltung jedes von ihnen anhand ihres eigenen Zwecks erfolgt ist.

25. Kann nun der Gerichtshof gleichwohl die Rüge der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte prüfen, die die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sowohl vor ihm als auch beim vorlegenden Gericht erhoben haben? Zwar soll der gemeinschaftsrechtliche Gleichheitsgrundsatz in seiner von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geformten Bedeutung nicht nur die unterschiedliche Behandlung gleicher Sachverhalte, sondern auch die Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte untersagen(20) . Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Rechtsnorm, auf deren Grundlage die Klägerinnen im Ausgangsverfahren die Rüge der Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte erhoben hatten, nicht der gemeinschaftsrechtliche Gleichheitsgrundsatz war. Sie hatten sich auf den Gleichheitsgrundsatz des französischen Verfassungsrechts gestützt und daraus eine Beanstandung der internen Verfassungsmäßigkeit der Richtlinie entwickelt. Der Conseil d’État hat, da sich der französische Grundsatz der Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte nicht widersetzte, diesen Klagegrund als unwirksam zurückgewiesen und seine Begründetheit nicht geprüft. Anders gesagt zwang das Vorbringen der Klägerinnen wegen der engeren Bedeutung des nationalen Rechts der Gleichbehandlung, auf das sie sich gestützt hatten, das vorlegende Gericht nicht zu einer Entscheidung über den Konflikt zwischen der Richtlinie und dem nationalen Verfassungsrecht. Dieses Gericht brauchte daher, um die Durchführung einer Kontrolle der Übereinstimmung der Richtlinie mit der französischen Verfassung zu vermeiden, die eine Anwendung des Gemeinschaftsrechts hätte verhindern können, den Konflikt nicht durch eine Umqualifizierung des Klagegrundes der Verfassungsmäßigkeit in einen Klagegrund der Verletzung des gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes durch Überweisung der Prüfung an den Gerichtshof in den Gemeinschaftsbereich zu übertragen.

26. Das Schicksal des Klagegrundes der Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte wäre zweifelsfrei ein anderes gewesen, wenn sich die Klägerinnen auf den gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz gestützt hätten: Das vorlegende Gericht hätte seine Begründetheit geprüft und bei Zweifeln über die Gültigkeit der Richtlinie in diesem Punkt die Frage dem Gerichtshof vorgelegt. Wenn der Gerichtshof trotzdem bereit wäre, seine Prüfung auf diese Dimension des Gleichheitsgrundsatzes zu erstrecken, könnte er somit den bedauerlichen Eindruck vermitteln, eine fehlerhafte Verfahrensstrategie zu retten.

27. Umgekehrt würde das Ausbleiben einer Äußerung zu dieser Rüge letztlich darauf hinauslaufen, die Bedeutung des gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatzes an dem mit geringerer Schutzwirkung ausgestatteten entsprechenden Grundsatz des französischen Rechts auszurichten. Das würde gegen die Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts verstoßen. Meines Erachtens sollte daher der Gerichtshof auch die Rüge der Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte überprüfen. Weil im Übrigen damit die Gültigkeitskontrolle auf die Überprüfung des Grundsatzes beschränkt bliebe, der die Zweifel des vorlegenden Gerichts und dessen Vorlage ausgelöst hat, lässt sich, ohne die anerkannten Lösungen in diesem Bereich allzu sehr zu beanspruchen, die Meinung vertreten, dass die Prüfung des Gerichtshofs „im Rahmen der Vorabentscheidungsfrage“ bliebe, die ihm gestellt worden ist(21) .

B – Die Gültigkeit der Richtlinie 2003/87 unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes

28. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verlangt, dass „gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt ist“(22) .

29. Die Prüfung der Gültigkeit der streitigen Richtlinie muss sich im Hinblick auf den gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz mit den beiden Dimensionen befassen, die er nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufweist.

30. Vor dieser Prüfung sind Gegenstand und Intensität der Kontrolle der Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes, wie sie der Gerichtshof durchführt, in Erinnerung zu rufen.

31. Der Gleichheitsgrundsatz schafft eine Vermutung, wonach jede unterschiedliche Behandlung eine Diskriminierung darstellt, wenn nicht der Gesetzgeber eine annehmbare Rechtfertigung(23) anzugeben vermag, die objektiv und vernünftig sein muss(24) . In jedem Justizsystem fällt die Intensität der Kontrolle dieser Rechtfertigung und der entsprechenden unterschiedlichen Behandlung je nach Bereich und den vom Gesetzgeber verwendeten Differenzierungsmerkmalen verschieden aus(25) .

32. Verwendet der Gesetzgeber fragwürdige Klassifikationen, die etwa mit Rasse, Geschlecht, ethnischer Herkunft, politischer oder religiöser Meinung o. Ä. zusammenhängen, so fällt die Kontrolle strikt aus und kann bis zu einer strengen Prüfung der Verhältnismäßigkeit gehen. Ebenso begründet im Gemeinschaftsrecht die entschiedene Prävention bestimmter Differenzierungskriterien wie etwa der Staatsangehörigkeit (Art. 12 EG) oder der in Art. 13 EG angeführten Kriterien durch den Vertrag eine Vermutung der Diskriminierung, die auch hier eine richterliche Kontrolle auslöst, die allgemein eine strenge Kontrolle der Verhältnismäßigkeit einschließt.

33. In bestimmten Bereichen wiederum, insbesondere in der Wirtschafts- und Sozialgesetzgebung und wenn der Gesetzgeber solche fragwürdigen Klassifikationen nicht verwendet, wenn es also nur um die Gleichheit vor dem Gesetz geht, ist die Intensität der Kontrolle weniger ausgeprägt. Diese Feststellung gilt für alle nationalen Justizsysteme, auch wenn die Markierungen für diese Begrenzung der Kontrolle („reasonableness“, „rational basis“, „erreur manifeste“, „Willkürverbot“ usw.) und deren Reichweite unterschiedlich ausfallen können. Für diese geringere Kontrollintensität lassen sich drei Rechtfertigungen anführen. Erstens würden die Gerichte, da der Gleichheitsgrundsatz gegen jede Art von Regierungsmaßnahmen ohne Rücksicht auf die betroffenen Interessen oder Tätigkeiten angeführt werden kann, die wirtschaftlichen und sozialen Entscheidungen des Gesetzgebers, wenn sie stets eine vertiefte Kontrolle durchführen würden, einer zweiten Beurteilung unterziehen, was sowohl ihre Legitimität als auch ihre Fähigkeit zu gerichtsförmlicher Kontrolle in Frage stellen würde. Zweitens bedingt jede Gesetzgebungstätigkeit Entscheidungen und führt zu Umverteilungswirkungen: Grundsätzlich stellen diese Entscheidungen und Umverteilungswirkungen, auch wenn sie unweigerlich bestimmte soziale oder wirtschaftliche Gruppierungen auf Kosten anderer begünstigen, keine Diskriminierungen dar, so dass es dem politischen Prozess obliegt, diese Umverteilungswirkungen zu erörtern, zu umreißen und zu verteilen. Drittens können nur dann, wenn besondere Gruppen, die im politischen Entscheidungsprozess häufig unterrepräsentiert sind, vom Gesetz erkannt und geschützt werden, die Gerichte legitimerweise eine strengere Kontrolle der unterschiedlichen Behandlung durchführen, wie sie die Politik beschlossen hat.

34. Ähnliche Erwägungen führen auch im Gemeinschaftsrecht zur Anerkennung eines Ermessensspielraums der gesetzgebenden Gewalt und einer entsprechenden Beschränkung der richterlichen Kontrolle. Da das Treffen von Entscheidungen und der Ausgleich divergierender Interessen komplexe Beurteilungen erforderlich machen, hat der Gerichtshof insoweit einen breiten Ermessensspielraum zugestanden, sei es nun im Bereich der Landwirtschaft(26), des Sozialwesens(27), des Handels(28) oder auch des Verkehrs(29) . Er hat dies auch für den Bereich der Umweltpolitik getan, „da bestimmte in Artikel 130r EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 174 EG) genannte Ziele und Grundsätze gegeneinander abgewogen werden müssen und die Anwendung der Kriterien, die der Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen der Durchführung der Umweltpolitik zu beachten hat, komplex ist“ (30) .

35. Um das Ermessen der Organe zu berücksichtigen und nicht unter Missachtung der Gewaltenteilung dadurch auf deren politische Verantwortlichkeiten überzugreifen, dass er an die Stelle der diesen Organen vorbehaltenen Beurteilung seine eigene setzt(31), beschränkt demgem äß der Gerichtshof seine Kontrolle auf die Suche nach einem offensichtlichen Beurteilungsfehler bei den gesetzgeberischen Entscheidungen, solange keine fragwürdigen Klassifikationen im Spiel sind. Diese Beschränkung der richterlichen Kontrolle ist in den genannten Bereichen zu beobachten, einschließlich des Falles, dass die Vereinbarkeit der getroffenen Maßnahme mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts und insbesondere mit dem Gleichheitsgrundsatz zu prüfen ist(32) .

36. Diese Beschränkung der richterlichen Kontrolle kann nicht als Fehlen einer Kontrolle betrachtet werden. Befasst sich die beschränkte Kontrolle mit der Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, lässt sie sich schematisch wie folgt darstellen:

– Der Gerichtshof untersucht erstens, ob die Differenzierungen des Gesetzgebers objektiven Kriterien genügen, d. h. in Verbindung mit einem rechtlich zulässigen Ziel stehen, das die betreffende Gesetzgebungsmaßnahme verfolgt(33) ;

– der Gerichtshof – ebenfalls in dem Bestreben, Willkür zu verhindern – achtet auch auf die Wahrung der internen Kohärenz der betreffenden Gesetzgebungsmaßnahme, d. h. auf die Einhaltung der vom Gesetzgeber gewählten objektiven Kriterien und deren Gewichtung, zu der dieser sich entschlossen hat;

– schließlich prüft der Gerichtshof die Übereinstimmung zwischen der geschaffenen unterschiedlichen Behandlung und dem verfolgten Ziel und beschränkt sich unter diesem Blickwinkel häufig auf die Prüfung, ob die Maßnahme nicht offensichtlich ungeeignet ist.

37. Was ist nun ein offensichtlicher Beurteilungsfehler? Auch wenn es sich um einen Rechtsprechungsstandard handelt, dessen Konturen der Gerichtshof für jede einzelne Rechtssache bestimmt, ergibt eine systematische Betrachtung seiner Rechtsprechung, dass ein offensichtlicher Beurteilungsfehler zunächst ein deutlicher Irrtum ist. Gewiss kann, was deutlich ist, theoretisch mit „dem Enthusiasmus eines kurzsichtigen Detektivs“(34) aufgespürt oder im Gegenteil „nach Art der größten Helden der Detektivliteratur“(35) gejagt werden. Aber auch hier ergibt eine aufmerksame Betrachtung der Gemeinschaftsrechtsprechung, dass im Allgemeinen ein Irrtum, der nicht unbestreitbar ist, kein deutlicher Irrtum ist: Wenn ein Zweifel bestehen bleibt, wenn es dem Kläger nicht gelingt, zu belegen, dass die ihm vor dem Gerichtshof gegenüberstehende Behörde im Unrecht ist, oder, noch anders gewendet, wenn das Gemeinschaftsorgan die Maßnahme erlassen „konnte“ oder „durfte“(36), d. h., wenn es möglicherweise Recht hatte, wird die Klage abgewiesen. Ein offensichtlicher Fehler ist auch ein schwerer Fehler, denn ein Fehler, der einen gewissen Schweregrad erreicht, wird dadurch zu einem offensichtlichen Fehler(37) . Der Begriff des offensichtlichen Beurteilungsfehlers ist nach diesem Verständnis von dem der „reasonableness“ oder „unresaonableness“, der für die englischen Gerichte die Grenze für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Ermessensentscheidungen der Verwaltung ist, nicht weit entfernt(38) . Es ist im Übrigen gewiss kein Zufall, wenn der Gerichtshof in bestimmten Urteilen nach dem Hinweis auf die Beschränkung der ihm in diesem Bereich zustehenden Kontrolle auf einen offensichtlichen Beurteilungsfehler den Klagegrund zurückgewiesen hat, da das Gemeinschaftsorgan die beanstandete Würdigung „vernünftigerweise“ vornehmen konnte(39), weil es vom Ergebnis dieser Würdigung „vernünftigerweise … ausgehen [konnte]“(40) . Der Begriff steht auch dem der Willkür nahe, der besonders im deutschen Recht verwendet wird(41) .

38. Die Kontrolle eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers, sei sie nun Suche nach einem schweren, deutlichen Fehler, Sanktion einer vernunftwidrigen Einschätzung oder Zensur von Willkür, soll mithin nicht ergeben, dass die Maßnahme, deren Erlass komplexe Würdigungen erforderte, die bestmögliche war; eine bestimmte Fehlerspanne wird dem Gesetzgeber zugestanden, wenn nur die Schwelle der Offensichtlichkeit nicht überschritten wird.

39. Dies sind nach meinem Dafürhalten Gegenstand und Intensität der Kontrolle der Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes, wie sie der Gerichtshof im Wirtschaftsbereich(42) durchführt, und dieser Untersuchung werde ich mich nunmehr widmen, um die Vorabentscheidungsfrage zu beantworten.

1. Zur unterschiedlichen Behandlung gleicher Sachverhalte

40. Die vom französischen Conseil d’État vorgelegte Frage betrifft, wie wir gesehen haben, „die Gültigkeit der Richtlinie vom 13. Oktober 2003 im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz, soweit sie Anlagen des Stahlsektors dem System für den Handel mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase unterwirft, ohne die Aluminium- und Kunststoffindustrie in dieses System einzubeziehen“. Den Gründen der Entscheidung des vorlegenden Gerichts ist zu entnehmen, dass die Zweifel, die zu der Vorlage geführt haben, sich auf das Vorliegen einer objektiven Rechtfertigung für die mit der streitigen Richtlinie vorgenommene unterschiedliche Behandlung des Stahlsektors einerseits und des Kunststoff- und Aluminiumsektors andererseits beziehen, obwohl sich beide Sektoren in vergleichbarer Lage befinden sollen.

41. Ohne Weiteres zurückzuweisen ist der Einwand der Kommission und des Parlaments, die unterschiedliche Behandlung gleicher Sachverhalte, so sie denn nachgewiesen werden sollte, stelle keine Diskriminierung dar, weil sie für sich genommen für die Stahlindustrie keinen Nachteil im Vergleich zur Aluminium- und Kunststoffindustrie mit sich bringe. Die beiden Organe machen geltend, dass die Mitgliedstaaten weiterhin frei über die Gesamtmenge von Zertifikaten, die sie zuteilen möchten, und über die Aufteilung auf die Sektoren entscheiden könnten, so dass sie dem Stahlsektor Zertifikate für dessen gesamten Bedarf zuteilen könnten. Außerdem könnten die Mitgliedstaaten die nicht erfassten Sektoren stärker einschränkenden nationalen Maßnahmen als dem System des Handels mit Zertifikaten unterwerfen, um ihre mit dem Protokoll von Kyoto übernommenen Verpflichtungen zur Verminderung von Treibhausgasen zu erfüllen. Dieser Einwand läuft auf das Vorbringen hinaus, dass die Diskriminierung, die die Richtlinie anordne oder zulasse, durch die Politik der Mitgliedstaaten korrigiert werden könne. Das Vorliegen einer Diskriminierung ist indessen anhand des zu prüfenden Textes und der mit ihm getroffenen Regelung zu beurteilen. Dieser Einwand greift daher nicht durch.

42. Um den Gegenstand der vorgelegten Frage genau zu umreißen, ist vorab klarzustellen, dass die Prüfung, ob eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte objektiv gerechtfertigt, d. h. auf ein objektives Kriterium gestützt ist, in Wirklichkeit auf die Frage hinausläuft, ob die Unterschiedlichkeit der Behandlung durch einen Unterschied der Sachverhalte gerechtfertigt wird(43) . Sachverhalte sind nämlich nie in allen Punkten identisch, Gleichheit kann niemals bei allen Vergleichsfaktoren bestehen. Deshalb kommt der Wahl des tertium comparationis , die es dem Gemeinschaftsgesetzgeber gestattet, aus der Vielzahl von Merkmalen der zu vergleichenden Sachverhalte diejenigen auszuwählen, die sich als für die Feststellung ihrer Ähnlichkeit relevant erweisen, entscheidende Bedeutung zu. Die Rechtsprechung fordert nun, dass das gewählte Kriterium „objektiv“(44) sein, d. h. einem Bezug zu Gegenstand und Zweck der anzuwendenden Regelung aufweisen muss(45) . Mit anderen Worten muss anhand des Zwecks der fraglichen Maßnahmen bestimmt werden, ob die betroffenen Sachverhalte einander entsprechen. Da sich das Kriterium für die objektive Unterscheidung, wie das Kriterium für den Vergleich der Sachverhalte, auf das verfolgte Ziel beziehen muss, läuft folglich dessen Heranziehung zu dem Zweck, eine unterschiedliche Behandlung gleichartiger Sachverhalte zu rechtfertigen, darauf hinaus, die geltend gemachte Gleichheit der Sachverhalte als nicht erheblich im Hinblick auf das angestrebte Ziel anzusehen. Die Frage der Gültigkeit, die mit diesem Vorabentscheidungsersuchen gestellt wird, lädt den Gerichtshof mit anderen Worten zu der Prüfung ein, ob die Einbeziehung des Stahlsektors in das System des Handels mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase und die Nichteinbeziehung der Aluminium- und Kunststoffsektoren durch objektive, also durch Gegenstand und Zweck der streitigen Richtlinie bedingte Erwägungen gerechtfertigt werden.

43. Gemäß Art. 1 dieser Richtlinie soll das Gemeinschaftssystem des Handels mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase „auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise auf eine Verringerung von Treibhausgasemissionen hinwirken“. Im Hinblick auf diesen Zweck kann das Vorliegen einer Wettbewerbsbeziehung zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern zwar eine Rolle spielen, ist jedoch für sich genommen nicht als entscheidend anzusehen. Selbst wenn man mit dem vorlegenden Gericht und den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens davon ausginge, dass die Aluminium- und die Stahlindustrie miteinander im Wettbewerb stehen, würde sich daraus noch nicht ergeben, dass sie sich unabhängig von den angestrebten Zielen in vergleichbarer Lage befinden(46) und mithin im Hinblick auf das Gemeinschaftssystem des Handels mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase gleichzubehandeln sind.

44. Gleichwohl müsste eigentlich das angestrebte Ziel der Verminderung der Emission von Treibhausgasen a priori die Erfassung sämtlicher Industriesektoren mit Emissionen und damit auch der Sektoren der Nichteisenmetalle und der Chemie durch die streitige Richtlinie zur Folge haben. Die Schaffung eines Systems des Handels mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase durch die Gemeinschaft gehört indessen zu einem Versuch „step by step“, der auch „learning by doing“ genannt wird. Das mit der Richtlinie 2003/87 geschaffene System war, wie alle beteiligten Organe unterstrichen haben, weltweit das erste seiner Art. Es sollte als Beispiel nicht nur für die Akteure in der Gemeinschaft, sondern auch für Drittstaaten dienen und musste daher unbedingt seine Wirksamkeit unter Beweis stellen. Die Neuigkeit der Regelung, die Komplexität des Durchführungsmechanismus, die Mitteilung und Überprüfung der Emissionen, deren Einführung sie vorsah, ließen eine gewisse Vorsicht angezeigt erscheinen. Es galt, nicht von Anfang an ein System einzuführen, dessen Anwendungsbereich die meisten Industriesektoren und die meisten Treibhausgase erfasst hätte. Zuviel Ehrgeiz hätte zum Scheitern führen können, wie uns die Volksweisheit lehrt mit ihrem Spruch: „Wer zu viel umfasst, hält nichts fest“.

45. Tatsächlich ist es insbesondere in Bereichen, die unbekannte gesellschaftliche Risiken bergen und/oder in denen der Gesetzgeber neue Politiken initiiert, häufig klug und auch üblich geworden, vorsichtig vorzugehen und in begrenzten Bereichen mit der neuen Regelung zu experimentieren. Ebenso lassen die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten den Rückgriff auf das Gesetzgebungsexperiment zu oder ordnen ihn an(47) . Die Rechtsprechung des Gerichtshofs selbst hat die Legitimität einer gesetzgeberischen Harmonisierung in Stufen(48) insbesondere wegen der „Komplexität der Materie“(49), die zu regeln war, anerkannt und dem Gesetzgeber bei der Entscheidung über die Tunlichkeit und den Rhythmus einer stufenweisen Harmonisierung einen Beurteilungsspielraum eingeräumt(50) .

46. Es gehört nun zur eigentlichen Natur des Gesetzgebungsexperiments, dass es in ein Spannungsverhältnis zum Gleichheitsgrundsatz tritt. Schon der Gedanke des „learning by doing“ setzt nämlich die Anwendung der neuen Politik auf eine zunächst nur begrenzte Anzahl ihrer möglichen Betroffenen voraus; sie führt zu einer künstlichen Begrenzung ihres Geltungsbereichs, um vor jeder Erweiterung ihrer Regeln auf alle Wirtschaftsteilnehmer, die ihr in Anbetracht ihrer Ziele unterstellt werden könnten, ihre Wirkungen zu testen. Trotzdem kann die Anerkennung der Legitimität des gesetzgeberischen Experiments nicht jedwede Kritik aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes entschärfen. Die Diskriminierungen, zu denen ein Gesetzgebungsexperiment unweigerlich führt, lassen sich mit dem Gleichheitsgrundsatz nur unter bestimmten Voraussetzungen vereinbaren.

47. Zunächst müssen die experimentellen Maßnahmen vorübergehender Natur sein. Das ist bei der streitigen Richtlinie durchaus der Fall. Art. 30 sieht ihre Revision aufgrund „der Erfahrungen“ und der „Fortschritte bei der Überwachung der Treibhausgasemissionen“ vor, damit andere Industriesektoren und Emissionen anderer Treibhausgase in das System des Handels mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase aufgenommen werden können. Aufgrund dieser Vorschrift hat die Kommission die Einbeziehung des Luftverkehrs vorgeschlagen(51) . Sie hat vor allem angeregt, für eine Absenkung der Emissionen von Treibhausgasen um mindestens 20 % im Vergleich zum Stand von 1990 das Gemeinschaftssystem für den Handel mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase zum einen auf Emissionen von CO 2 aus der Herstellung von petrochemischen Produkten, Ammoniak und Aluminium und zum anderen auf Emissionen von N 2 O aus der Herstellung von Salpeter-, Adipin- und Glyoxalsäure sowie auf PFC‑Emissionen aus dem Aluminiumsektor auszuweiten(52) .

48. Des Weiteren muss die Abgrenzung des Geltungsbereichs der experimentellen Maßnahme objektiven Kriterien genügen. Im vorliegenden Fall muss der Ausschluss vom oder die Einbeziehung in das System des Handels mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase Erwägungen entsprechen, die im Zusammenhang mit den von der Richtlinie verfolgten Zwecken angestellt wurden. Diese soll, wie bereits erwähnt, die Emissionen von Treibhausgas möglichst kostengünstig vermindern, d. h. so, dass die Wirtschaftsentwicklung und die Beschäftigung geringstmöglich beeinträchtigt werden(53) . Deshalb hat der Gemeinschaftsgesetzgeber beschlossen, das System des Handels mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase vorrangig auf die Emissionen von Kohlendioxid anzuwenden, da CO 2 1999 mehr als 80 % der Emissionen von Treibhausgasen in der Gemeinschaft ausmachte und die Überwachung der Emissionen von Kohlendioxid Daten von guter Qualität auf konstanter Basis liefern konnte, während die Überwachung der Emissionen anderer Treibhausgase noch zu viele Probleme aufwarf(54) . Er hat ferner der streitigen Richtlinie nur die Industriesektoren mit den höchsten CO 2 -Emissionen unterstellt, denn je höher die Emissionsmengen eines Industriesektors, desto ge ringer das Gewicht der Fixkosten (Überwachung und Berichte über Emissionen, deren Überprüfung durch eine unabhängige Behörde, Ausbildung und Anstellung des notwendigen Personals für die Bewirtschaftung des Handels mit Emissionen), die das System des Handels mit Zertifikaten erzeugt und die von allen beteiligten Wirtschaftsteilnehmern zu tragen sind; für kleine Emissionsverursacher dagegen, die nur über eine begrenzte Menge von handelsfähigen Zertifikaten verfügen, sind etwaige Gewinne, die sie in einem System des Handels mit Zertifikaten erzielen können, notwendig geringer als für Unternehmen mit hohen Emissionen.

49. Das Herausheben des Gases, das am stärksten für den Treibhauseffekt „verantwortlich“ ist, und die Erfassung der Emissionsmengen dieses Gases für den jeweiligen Industriesektor sind zweifellos objektive Kriterien. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens stellen jedoch in Abrede, dass die Menge der CO 2 -Emissionen das entscheidende Kriterium gewesen sei. Sie berufen sich auf eine Statistik des europäischen Registers umweltverschmutzender Emissionen für das Jahr 2001, nach dem die CO 2 -Emissionen des Chemiesektors insgesamt 5,35 % und die des Aluminiumsektors 2 % der globalen Emissionen der Industrietätigkeiten in der Europäischen Union ausmachten, während sich die des Stahlsektors auf 5,4 %, die des Sektors Glas, Keramik und Baustoffe auf 2,7 % und des Sektors Papier und Druck auf 1 % beliefen. Diese Zahlen können indessen nicht zugrunde gelegt werden, weil sie, wie die beteiligten Organe deutlich gemacht haben, nicht zwischen unmittelbaren(55) und mittelbaren(56) Emissionen jedes der betroffenen Sektoren unterscheiden. Da die mittelbaren Emissionen der Feuerungsanlagen mit einer Feuerungswärmeleistung über 20 MW selbst über den Energiesektor erfasst sind, hat der Gesetzgeber entschieden, nur die Mengen unmittelbarer CO 2 -Emissionen der anderen Sektoren zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung der CO 2 -Emissionen zum Zeitpunkt und an dem Ort ihrer Entstehung entspricht übrigens den in Art. 174 EG verankerten Grundsätzen der Verursacherhaftung und der Bekämpfung der Umweltbeeinträchtigung an ihrem Ursprung. In dieser Hinsicht befindet sich der Stahlsektor entgegen der Darstellung der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens nach einer von allen beteiligten Organen angeführten und vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Untersuchung in der gleichen Lage wie die Aluminium- und Kunststoffsektoren: Die unmittelbaren CO 2 -Emissionen der Stahlindustrie (Stahl und Guss) betrugen 1990 174,8 Millionen Tonnen gegenüber 16,2 Millionen Tonnen für Nichteisenmetalle und 26,2 Millionen Tonnen für den Chemiesektor.

50. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens entgegnen, dass der Papier- und Zellstoffsektor erfasst worden sei, obwohl er 1990 nur 10,6 Millionen Tonnen unmittelbarer CO 2 -Emissionen verursacht habe, d. h. sehr viel weniger als der Sektor der Chemieindustrie und sogar weniger als der Sektor der Nichteisenmetalle. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat aber auch die verwaltungstechnische Machbarkeit der Einbeziehung von Industriesektoren in das System des Handels mit Zertifikaten berücksichtigt. Da das gute Funktionieren dieses Systems die Einrichtung eines komplexen Durchführungsmechanismus für jede Anlage voraussetzt, hätte die sofortige Einbeziehung von Sektoren mit einer großen Anzahl von Anlagen im Vergleich zu der von ihnen erzeugten Gesamtemissionsmenge die Gefahr mit sich gebracht, den Durchführungsmechanismus zu überlasten und damit der Qualität der Emissionsüberwachung und der Verlässlichkeit der Daten zu schaden, ohne zu einem nennenswerten Vorteil für die Umwelt zu führen. Die Anzahl chemischer Anlagen in der Gemeinschaft war aber in der Größenordnung von 34 000 Einheiten besonders hoch(57) . Der Papiersektor war demgegenüber besonders konzentriert. Diese Berücksichtigung der Verwaltungsschwierigkeiten bei der Bewirtschaftung des Handelssystems entspricht dem in Art. 1 der streitigen Richtlinie genannten Ziel einer Verringerung der Emissionen von Treibhausgasen „auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise“. Außerdem hat der Gerichtshof zugestanden, dass die Absicht, unverhältnismäßige Verwaltungskosten zu vermeiden, eine unterschiedliche Behandlung objektiv rechtfertigen kann(58) .

51. Gegen dieses Argument der verwaltungstechnischen Machbarkeit haben die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens indessen in der Sitzung eingewandt, dass für die ganz große Mehrzahl der CO 2 -Emissionen des Chemiesektors nur eine geringe Anzahl von Anlagen verantwortlich gewesen sei und dass man folglich für die Aufnahme in das System des Handels mit Zertifikaten auf die einzelne Anlage und nicht auf den gesamten Sektor hätte abstellen und die chemischen Anlagen hätte erfassen müssen, die eine bestimmte Emissionsschwelle überschritten hätten. Ein solcher Ansatz hätte jedoch zur Ungleichbehandlung großer und kleiner Anlagen innerhalb des gleichen Sektors, zwischen denen vollständiger Wettbewerb herrscht, geführt.

52. Gleichwohl rechtfertigt das Argument der Verwaltungseffizienz den Ausschluss des Aluminiumsektors weniger, weil dieser eine vergleichbare Konzentration wie der Papiersektor aufweist. Letzterer ist indessen sehr dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Die Aluminiumanlagen könnten daher, wenn sie die Kosten, die die Einbeziehung in das System des Handels mit Zertifikaten verursacht, nicht verkraften können, ohne den Verlust von Marktanteilen zu riskieren, versucht sein, ihre Produktion in Drittländer zu verlagern, die keine Kyoto-Ziele zu beachten haben. Ganz anders ist hier die Lage des Papier- und Zellstoffsektors: Das Risiko von Standortverlagerungen wird hier, wie die Kommission in der Sitzung dargelegt hat, durch den Umstand minimiert, dass sich die Anlagen nicht leicht von der Quelle ihrer Versorgung mit Rohstoffen entfernen können, und der internationale Wettbewerb ist gering, weil der Transport solcher Erzeugnisse mit schwachem Einheitswert über weite Strecken nicht rentabel ist.

53. Der Stahlsektor kennt zwar ebenfalls einen sehr lebhaften internationalen Wettbewerb, und das Risiko des Standortwechsels in Länder ohne Kyoto-Bindung ist vorhanden. Die CO 2 -Emissionen dieses Sektors sind indessen um ein Vielfaches höher als die des Aluminiumsektors, nämlich zehnmal so hoch, und rechtfertigten daher ihre sofortige Aufnahme in das System des Handels mit Zertifikaten.

54. Selbst wenn einige der Kritikpunkte, die die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz vorgebracht haben, nicht ganz unberechtigt sind und zu Recht beim vorlegenden Gericht Zweifel an der Gültigkeit der streitigen Richtlinie wecken konnten, die zu dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen geführt haben, hat es doch, wie vorstehend dargelegt, nicht den Anschein, dass bei der Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes die Wahl der Kriterien und deren Gewichtung vernunftwidrig gewesen wäre, insbesondere nicht im Kontext eines Gesetzgebungsexperiments. Das Vorbringen der beteiligten Organe zur Verteidigung der Gesetzgebungsmaßnahme ist vertretbar. Zweifellos waren auch andere Optionen denkbar; vielleicht gab es sogar eine bessere Lösung. Es ist indessen nicht Sache des Richters, dies zu entscheiden. Wenn mehrere Meinungen gleich weit von der absoluten und objektiven Wahrheit entfernt sind, welcher Richter dürfte es da auf sich nehmen, eine von ihnen auszuschließen? Wenn sich der Gerichtshof auf diesen Weg begäbe, würde er der Rechtmäßigkeitskontrolle ihre Objektivität nehmen, er müsste die wirtschaftspolitische Einschätzung des Gemeinschaftsgesetzgebers durch seine eigene ersetzen und damit unter Missachtung der Gewaltenteilung dessen politische Verantwortlichkeiten(59) an sich reißen. Aus allen diesen Gründen ist die Richtlinie nicht wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes fehlerhaft.

55. Dass der Richtlinienvorschlag vom 23. Januar 2008 vorsieht, in einer zweiten Stufe Aluminium und Chemiesektor aufzunehmen, obwohl die Menge der CO 2 -Emissionen dieser Sektoren, die Anzahl ihrer Anlagen und der Grad des internationalen Wettbewerbsdrucks auf sie sich nicht verändert haben, kann entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens diese Schlussfolgerung nicht entkräften und dartun, dass der ursprüngliche Ausschluss dieser Sektoren mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes behaftet gewesen wäre. Wie Rat und Kommission in der Sitzung dargelegt haben, kann die Bewertung der Kriterien zum Zeitpunkt der Einführung des Systems und zur Zeit der Entscheidung, Sektoren einem System zu unterstellen, das sich bewährt hat, nicht dieselbe sein. Eben dies macht sozusagen das Wesen des Vorgehens „step by step“ aus.

2. Zur Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte

56. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens machen geltend, dass der Stahlsektor sich nicht in der gleichen Lage befinde wie die anderen Industriesektoren, die in den Anwendungsbereich der streitigen Richtlinie fielen. Anders als diese sei er technisch nicht in der Lage, diese CO 2 -Emissionen in naher Zukunft zu verringern. Die Stahlanlagen seien daher gezwungen, zusätzliche Emissionszertifikate zu erwerben, obwohl sie anders als die Unternehmen der anderen Sektoren, die dem System des Handels mit Zertifikaten unterstellt seien, einem starken internationalen Wettbewerb ausgesetzt seien, was sie daran hindere, die Kosten der Zertifikate auf ihre Kunden abzuwälzen, wollten sie nicht Marktanteile verlieren. Daraus ergebe sich eine beträchtliche Senkung ihrer Gewinnspannen und damit eine Verringerung ihrer Investitionsmöglichkeiten.

57. Diesem Vorbringen der Klägerinnen ist nicht zu folgen. Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die französische Regierung in der Sitzung die Unfähigkeit der Stahlunternehmen, ihre Kohlendioxidemissionen erheblich zu verringern, bestritten und mehrere Techniken angeführt hat, die hierzu eingesetzt werden könnten. Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, dass die Stahlindustrie hierzu tatsächlich nicht in der Lage ist, hat jedoch der Gemeinschaftsgesetzgeber diese unterschiedliche Lage gebührend in Rechnung gestellt. Anhang III Punkt 3 der Richtlinie 2003/87 verpflichtet nämlich die Mitgliedstaaten, bei der Zuteilung der Zertifikate das Potenzial – auch das technische Potenzial – der unter dieses System fallenden Tätigkeiten zur Emissionsverringerung zu berücksichtigen. Im Übrigen ergibt sich aus den Äußerungen in der Sitzung, dass alle Emissionen des Arcelor-Konzerns durch unentgeltlich zugeteilte Zertifikate gedeckt waren und dass die Abschlussbilanz von Arcelor für das Jahr 2006 sogar einen Gewinn aus dem Verkauf überschüssiger Zertifikate auswies. Daher kann auch unter Berücksichtigung der Beschränkung der Kontrolle in Zusammenhang mit dem Beurteilungsspielraum des Gemeinschaftsgesetzgebers in diesem Bereich die Rüge einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte nicht durchgreifen.

IV – Ergebnis

58. Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Conseil d’État wie folgt zu antworten:

Die Prüfung der Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates berühren könnte.

(1) .

(2)  – Vgl. Conseil d’État, Ass., vom 20. Oktober 1989, Lebon S. 190.

(3)  – Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. L 275, S. 32).

(4)  – Um den glücklichen Ausdruck des Commissaire du gouvernement Matthias Guyomar in seinen Schlussanträgen in dieser Sache aufzunehmen (RFDA 2007, S. 384, insbesondere S. 394).

(5)  – Urteil vom 22. Oktober 1987 (314/85, Slg. 1987, 4199).

(6)  – Vgl. in diesem Sinne Conseil d’État, Ass., vom 28. März 1997, Société Baxter, Lebon S. 114, sowie Conseil d’État, Sect., vom 19. März 2007, Le Gac, Antrag Nr. 300467 u. a.

(7)  – Urteil vom 17. Dezember 1970, Internationale Handelsgesellschaft (11/70, Slg. 1970, 1125, Randnr. 3).

(8)  – Vgl. Urteile vom 9. Dezember 1965, Singer (44/65, Slg. 1965, 1191, 1198), und vom 17. September 1998, Kainuun Liikenne und Pohjolan Liikenne (C‑412/96, Slg. 1998, I‑5141, Randnr. 23).

(9)  – Vgl. Urteil vom 12. Februar 2004, Slob (C‑236/02, Slg. 2004, I‑1861, Randnr. 29).

(10)  – Vgl. z. B. Urteil vom 6. Juli 2000, ATB u. a. (C‑402/98, Slg. 2000, I‑5501, Randnr. 29).

(11)  – Vgl. noch kürzlich Urteile vom 26. Juni 2007, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a. (C‑305/05, Slg. 2007, I‑5305, Randnr. 18), und vom 15. April 2008, Nuova Agricast (C‑390/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 43).

(12)  – Vgl. insbesondere Urteile vom 30. Januar 1997, Wiljo (C‑178/95, Slg. 1997, I‑585, Randnr. 30), und vom 20. März 1997, Phytheron International (C‑352/95, Slg. 1997, I‑1729, Randnr. 14).

(13)  – Vgl. z. B. Urteile vom 30. November 1978, Welding (87/78, Slg. 1978, 2457), vom 7. Juli 1981, Rewe‑Handelsgesellschaft Nord und Rewe‑Markt Steffen (158/80, Slg. 1981, 1805), und vom 17. Juli 1997, Affish (C‑183/95, Slg. 1997, I‑4315).

(14)  – Vgl. z. B. Urteile vom 1. Dezember 1965, Schwarze (16/65, Slg. 1965, 1152, insbesondere 1165 und 1166), und vom 15. Oktober 1980, Roquette Frères (145/79, Slg. 1980, 2917, Randnrn. 6 und 7).

(15)  – Vgl. Urteile vom 27. September 1988, Lenoir (313/86, Slg. 1988, 5391), und vom 6. April 2000, Polo/Lauren (C‑383/98, Slg. 2000, I‑2519).

(16)  – Vgl. Urteile vom 14. Juni 1990, Weiser (C‑37/89, Slg. 1990, I‑2395), und vom 7. September 1999, De Haan (C‑61/98, Slg. 1999, I‑5003).

(17)  – Vgl. z. B. Urteil vom 18. Februar 1964, Rotterdam u. a. (73/63 und 74/63, Slg. 1964, 3, 30).

(18)  – Für Beispiele besonders entschiedener Verweigerung der Prüfung von Ungültigkeitsgründen, die von den Parteien des Ausgangsverfahrens geltend gemacht, aber vom vorlegenden Gericht nicht angesprochen wurden, vgl. die in Fn. 11 angeführten Urteile Ordre des barreaux francophones und germanophone u. a., Randnrn. 17 bis 19, und Nuova Agricast, Randnrn. 42 bis 44.

(19)  – Man vergisst nämlich allzu häufig, dass das Urteil Foto-Frost (in Fn. 5 angeführt) dem nationalen Gericht die Befugnis zugesteht, die Gültigkeit von Gemeinschaftsakten zu prüfen, da nur die Feststellung der Ungültigkeit dem Gerichtshof vorbehalten ist.

(20)  – Für einen neuerlichen Hinweis vgl. Urteil vom 23. Oktober 2007, Polen/Rat (C‑273/04, Slg. 2007, I‑8925, Randnr. 86).

(21)  – Urteil vom 28. Oktober 1982, Dorca Marina u. a. (50/82 bis 58/82, Slg. 1982, 3949, Randnr. 13).

(22)  – Urteile vom 13. Dezember 1984, Sermide (106/83, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28), vom 20. September 1988, Spanien/Rat (203/86, Slg. 1988, 4563, Randnr. 25), vom 19. März 1992, Hierl (C‑311/90, Slg. 1992, I‑2061, Randnr. 18), vom 5. Oktober 1994, Crispoltoni u. a. (C‑133/93, C‑300/93 und C‑362/93, Slg. 1994, I‑4863, Randnr. 51), vom 10. September 1996, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑222/94, Slg. 1996, I‑4025, Randnr. 34), vom 9. September 2004, Spanien/Kommission (C‑304/01, Slg. 2004, I‑7655, Randnr. 31), und Polen/Rat (in Fn. 20 angeführt, Randnr. 86).

(23)  – Vgl. Benedettelli, M. V., Il giudizio di eguaglianza nell’ordinamento giuridico delle comunità europee , Dott. A. Milani, Padua 1989, S. 20.

(24)  – Vgl. Hernu, R., Principe d’égalité et principe de non-discrimination dans la jurisprudence de la Cour de justice des Communautés européennes , LGDJ 2003, S. 427 ff.

(25)  – Vgl. in diesem Sinne mit einer Gesamtdarstellung der Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichts für diesen Bereich Somek, A., „The Deadweight of formulae: what might have been the second germanization of american equal protection review“, Journal of Constitutional Law , 1998/1999, S. 284; Sachs, M., „The Equality Rule Before the German Federal Constitutional Court“, Saint-Louis-Warsaw transatlantic Law Journal 1998, S. 139; vgl. auch aus dem Bereich der Rechtsprechung unlängst BVerfGE, 13. März 2007, 1BvF 1/05, Abs. 79 bis 82. Die Rechtsprechung des französischen Conseil constitutionnel zeigt ebenfalls eine Abstufung der richterlichen Kontrolle in den Anwendungsbereichen des Gleichheitsgrundsatzes und für die vom Gesetzgeber geschaffenen Diskriminierungstypen (vgl. Mélin-Soucramanien, F., Le principe d’égalité dans la jurisprudence du Conseil constitutionnel , Economica 1997, S. 130 bis 162).

(26)  – Vgl. Urteil vom 5. Oktober 1994, Deutschland/Rat (C‑280/93, Slg. 1994, I‑4973, Randnrn. 89 und 90).

(27)  – Vgl. Urteil vom 12. November 1996, Vereinigtes Königreich/Rat (C‑84/94, Slg. 1996, I‑5755, Randnr. 58).

(28)  – Vgl. Urteil vom 19. November 1998, Vereinigtes Königreich/Rat (C‑150/94, Slg. 1998, I‑7235, Randnr. 53).

(29)  – Vgl. Urteil vom 17. Juli 1997, SAM Schiffahrt und Stapf (C‑248/95 und C‑249/95, Slg. 1997, I‑4475).

(30)  – Urteil vom 15. Dezember 2005, Griechenland/Kommission (C‑86/03, Slg. 2005, I‑10979, Randnr. 88). Vgl. auch Urteile vom 14. Juli 1998, Safety Hi‑Tech (C‑284/95, Slg. 1998, I‑4301, Randnr. 37), und Bettati (C‑341/95, Slg. 1998, I‑4355, Randnr. 35).

(31)  – In ständiger Rechtsprechung führt der Gerichtshof nämlich den Ermessensspielraum und die damit verbundene Beschränkung seiner Kontrolle auf die aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgende Notwendigkeit zurück, die „politische Verantwortung“, die der Vertrag dem Gemeinschaftsgesetzgeber überträgt, zu achten und demnach an die Stelle der Entscheidungen, die dieser getroffen hat, nicht seine eigene zu setzen (vgl. z. B. Urteile vom 11. Juli 1989, Schräder HS Kraftfutter, 265/87, Slg. 1989, 2237, Randnr. 22, und vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, Slg. 1990, I‑4023, Randnr. 14).

(32)  – Vgl. insbesondere Urteil vom 21. Februar 1990, Wuidart u. a. (C‑267/88 bis C‑285/88, Slg. 1990, I‑435, Randnrn. 13 bis 18). Vgl. auch Urteil vom 26. März 1987, Coopérative agricole d’approvisionnement des Avirons (58/86, Slg. 1987, 1525, Randnrn. 14 bis 17), und vom 8. Juni 1989, AGPB (167/88, Slg. 1989, 1653, Randnrn. 29 bis 33).

(33)  – Vgl. Nr. 42 dieser Schlussanträge.

(34)  – Nach der hübschen Formulierung von Kornprobst, M., „L’erreur manifeste“, Recueil Dalloz , 1965, Chronique 121, insbesondere S. 124.

(35)  – Bourgois, J. P., L’erreur manifeste d’appréciation, la décision administrative, le juge et la force de l’évidence , Verlag L’Espace juridique, 1988, insbesondere S. 231.

(36)  – Vgl. z. B. Urteile vom 18. März 1975, Deuka (78/74, Slg. 1975, 421, Randnr. 9), und vom 13. Dezember 1994, SMW Winzersekt (C‑306/93, Slg. 1994, I‑5555, Randnrn. 25 bis 27).

(37)  – Vgl. die besonders erhellende Formulierung des Gerichtshofs im Urteil vom 17. Juni 1965, Italien/Kommission (32/64, Slg. 1965, 496, 509 und 510).

(38)  – Vgl. zum Begriff der „reasonableness“ oder „unreasonableness“ Mac Cormick, N., „On reasonableness“, in: C. Perelman und R. Van der Elst, Les notions à contenu variable en droit , Verlag E. Bruylant, Brüssel 1984, S. 131.

(39)  – Urteil Wuidart u. a. (in Fn. 32 angeführt, Randnrn. 16 bis 18).

(40)  – Urteil vom 10. Mai 1979, Italien/Kommission (12/78, Slg. 1979, 1731, Randnrn. 30 und 31).

(41)  – Es gibt kein besseres Beispiel für die Gleichwertigkeit dieser verschiedenen Markierungen für die Begrenzung der Kontrolle des Gleichbehandlungsgrundsatzes als die folgenden Auszüge aus der Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe: „Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss“ (BVerfGE, 23. Oktober 1951, 1, 14, 52); ein willkürliches Verhalten ist hierbei zu verstehen als „die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der gesetzlichen Maßnahme im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, deren sie Herr werden soll“ (BVerfGE, 7. Mai 1953, 2, 266, 281).

(42)  – Dem entspricht die Intensität der Kontrolle eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2003/87 am Maßstab des grundgesetzlich garantierten Gleichbehandlungsgrundsatzes durch das deutsche Bundesverfassungsgericht. Aufgrund der Feststellung, dass die besagte Richtlinie in diesem Punkt den Mitgliedstaaten einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Erfüllung der Umsetzungspflicht lasse, hat das Gericht entschieden, dass es die streitige Gesetzesvorschrift überprüfen könne, ohne die Verfassungsmäßigkeit der Richtlinie selbst ins Spiel zu bringen. Es hat dann unter Hinweis auf den weiten Gestaltungsspielraum des deutschen Gesetzgebers bezüglich der gesetzlichen Bestimmungen des Umweltschutzes seine Kontrolle unter Rückgriff auf seine ständige Rechtsprechung auf die Beachtung des Willkürverbots beschränkt (BVerfGE, 13. März 2007, 1BvF 1/05).

(43)  – Vgl. in diesem Sinne Lenaerts, K., „L’égalité de traitement en droit communautaire“, Cahiers de droit européen, 1991, S. 3, insbesondere S. 11; Barents, R., „The significance of the Non‑Discrimination Principle for the Common Agricultural Policy: between Competition and Intervention“, Mélanges H. G. Schermers , Band 2, Verlag Martinus Njhoff, 1994, S. 527, insbesondere S. 536.

(44)  – Vgl. z. B. Urteile vom 13. Juli 1978, Milac (8/78, Slg. 1978, 1721, Randnr. 18), vom 9. Juli 1985, Bozzetti (179/84, Slg. 1985, 2301, Randnr. 34), und vom 29. Juni 1995, SCAC (C‑56/94, Slg. 1995, I‑1769, Randnr. 28).

(45)  – Schon 1971 hat nämlich der Gerichtshof für den Agrarbereich entschieden, dass die Vergleichbarkeit oder Nichtvergleichbarkeit von Sachverhalten „nach den Zielen des Agrarrechts der Gemeinschaft zu beurteilen [ist]“ (Urteil vom 27. Oktober 1971, Rheinmühlen Düsseldorf, 6/71, Slg. 1971, 823, Randnr. 14). Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Capotorti in der Rechtssache Ruckdeschel u. a. (Urteil vom 19. Oktober 1977, 117/76 und 16/77, Slg. 1977, 1753, 1779).

(46)  – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. März 1987, Rau Lebensmittelwerke u. a./Kommission (279/84, 280/84, 285/84 und 286/84, Slg. 1987, 1069, Randnrn. 27 bis 34): Die Maßnahme „Weihnachtsbutter“ diskriminiert „angesichts der objektiven Unterschiede, die das rechtliche Instrumentarium und die wirtschaftlichen Bedingungen auf den betroffenen Märkten kennzeichnen“, nicht das Konkurrenzprodukt Margarine. Vgl. auch Urteil des Gerichts vom 21. Februar 1995, Campo Ebro u. a./Rat (T‑472/93, Slg. 1995, II‑421, Randnrn. 84 ff.): Eine Verordnung zur Gewährung von Beihilfen nur an Zuckererzeuger verstößt nach dem Urteil trotz des Vorliegens eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen Zucker und Isoglukose nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, da die Lage der beiden Erzeugnisse im Hinblick auf das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel, die durch die Unterhaltung von Lagerbeständen des Produkts verursachten Mehrkosten auszugleichen, nicht vergleichbar war.

(47)  – Das Recht zum normativen Experiment wird etwa seit der Verfassungsänderung vom 28. März 2003 den Gebietskörperschaften durch Art. 72 der französischen Verfassung vom 4. Oktober 1958 zugestanden.

(48)  – Vgl. Urteile vom 29. Februar 1984, Rewe‑Zentrale (37/83, Slg. 1984, 1229, Randnr. 20), vom 17. Juni 1999, Socridis (C‑166/98, Slg. 1999, I‑3791, Randnr. 26), und vom 13. Juli 2006, Sam Mc Cauley Chemists und Sadja (C‑221/05, Slg. 2006, I‑6869, Randnr. 26).

(49)  – Vgl. Urteile vom 29. Februar 1996, Skanavi und Chryssanthakopoulos (C‑193/94, Slg. 1996, I‑929, Randnr. 27), und vom 13. Mai 1997, Deutschland/Parlament und Rat (C‑233/94, Slg. 1997, I‑2405, Randnr. 43).

(50)  – Vgl. Urteil Rewe‑Zentrale (in Fn. 48 angeführt, Randnr. 20), Urteil vom 18. April 1991, Assurances du crédit/Rat und Kommission (C‑63/89, Slg. 1991, I‑1799, Randnr. 11).

(51)  – Vorschlag für eine Richtlinie vom 20. Dezember 2006, KOM(2006) 818 endg.

(52)  – Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87 vom 23. Januar 2008 zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten, KOM(2008) 16 endg.

(53)  – Vgl. den fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87.

(54)  – Vgl. Nr. 10 der Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 23. Oktober 2001, KOM(2001) 581 endg.

(55)  – D. h. den Emissionen, die den am Ort der Produktion des Erzeugnisses während des Produktionszyklus emittierten Gasen entsprechen.

(56)  – D. h. den Emissionen, die den vor dem Produktionszyklus emittierten Gasen entsprechen, z. B. die eines Elektrizitätswerks, das die Energie erzeugt, die dann bei der Produktion bestimmter Güter verbraucht wird.

(57)  – Vgl. Nr. 11 der Begründung des Richtlinienvorschlags vom 23. Oktober 2001.

(58)  – Vgl. Urteil vom 23. Februar 1983, Wagner (8/82, Slg. 1983, 371, Randnrn. 19 bis 21).

(59)  – Wohingegen die Vermeidung einer solchen Denaturierung seiner Rechtmäßigkeitsprüfung der eigentliche Grund für deren Beschränkung ist (vgl. z. B. Urteile vom 14. März 1973, Westzucker, 57/72, Slg. 1973, 321, Randnr. 14, und vom 13. Mai 1997, Deutschland/Parlament und Rat, in Fn. 49 angeführt, Randnr. 56).