URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)
7. Juni 2011(*)
„Wettbewerb – Kartelle – Markt für Methacrylate – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Zurechenbarkeit der beanstandeten Verhaltensweise – Begründungspflicht – Grundsatz der Gleichbehandlung – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Geldbußen – Schwere der Zuwiderhandlung – Konkrete Auswirkungen auf den Markt – Abschreckungswirkung der Geldbuße – Wiederholungsfall – Grundsatz ne bis in idem – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Mildernde Umstände – Effektive Nichtanwendung der Absprachen – Zuweisung der Verantwortung für die Zahlung innerhalb einer Unternehmensgruppe – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung“
In der Rechtssache T‑217/06
Arkema France mit Sitz in Colombes (Frankreich),
Altuglas International SA mit Sitz in Puteaux (Frankreich),
Altumax Europe SAS mit Sitz in Puteaux,
Prozessbevollmächtigte: zunächst A. Winckler, S. Sorinas Jimeno und P. Geffriaud, dann S. Sorinas Jimeno und E. Jégou, avocats,
Klägerinnen,
gegen
Europäische Kommission, vertreten zunächst durch F. Arbault und V. Bottka, dann durch V. Bottka und F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigte,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K(2006) 2098 endg. der Kommission vom 31. Mai 2006 in einem Verfahren nach Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F/38.645 – Methacrylat), soweit sie die Klägerinnen betrifft, hilfsweise Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbußen, die in der Entscheidung gegen diese verhängt worden sind,
erlässt
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz sowie der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters K. O’Higgins,
Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2009
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Einleitung
1 Mit Entscheidung K(2006) 2098 endg. der Kommission vom 31. Mai 2006 in einem Verfahren nach Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) (Sache COMP/F/38.645 – Methacrylat) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hat die Kommission Arkema SA und deren beide Tochtergesellschaften Altuglas International SA (im Folgenden: Altuglas) und Altumax Europe SAS (im Folgenden: Altumax, zusammen Arkema) wegen Beteiligung an einem Kartell im Bereich der Methacrylate vom 23. Januar 1997 bis 12. September 2002 (im Folgenden: Kartell) gesamtschuldnerisch mit einer Geldbuße von 219 131 250 Euro belegt. Ihre Muttergesellschaften, Total SA und Elf Aquitaine SA, wurden als Gesamtschuldner für die Zahlung der Geldbuße in Höhe von 140,4 Mio. bzw. 181,5 Mio. Euro haftbar gemacht (Art. 2 der angefochtenen Entscheidung).
2 Arkema (früher Atofina SA) ist eine Aktiengesellschaft französischen Rechts, die drei Tätigkeitsbereiche umfasst: Vinylprodukte, Industriechemie und leistungssteigernde Erzeugnisse. Zur Zeit der in der angefochtenen Entscheidung erfassten Ereignisse war Arkema im Besitz von Elf Aquitaine, zunächst zu 97,6 %, dann nach der Übernahme der Elf-Gruppe durch Total Fina SA am 17. April 2000 zu 96,48 %. Von diesem Zeitpunkt an und für die verbleibende Zeitspanne der Zuwiderhandlung war Elf Aquitaine selbst zu 99,43 % im Besitz von Total (früher Total Fina, dann TotalFinaElf SA) (Randnrn. 265 und 266 der angefochtenen Entscheidung).
3 Arkema wurde am 18. Mai 2006 aus Anlass ihrer Börseneinführung zu Arkema France.
4 Altuglas (früher Atohaas und Atoglas SA) sowie Altumax sind die wichtigsten im Bereich der Methacrylate und insbesondere des Methyl-Polymethacrylats (im Folgenden: PMMA) tätigen Tochtergesellschaften von Arkema, die an den in der angefochtenen Entscheidung beschriebenen gemeinsamen Wettbewerbsverstößen beteiligt waren (Randnr. 259 der angefochtenen Entscheidung). Altumax war während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlung zu 100 % im Besitz von Arkema. Altuglas war seit 1998 zu 100 % im Besitz von Arkema. Vor diesem Zeitpunkt hielt Elf Atochem SA nur 50 % ihres Kapitals, war aber für die laufenden Geschäfte verantwortlich (Randnr. 263 der angefochtenen Entscheidung).
Verwaltungsverfahren
5 Das der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Verfahren wurde eingeleitet, nachdem die Degussa AG am 20. Dezember 2002 einen Antrag auf Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission vom 19. Februar 2002 über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) gestellt hatte.
6 Am 25. und 26. März 2003 nahm die Kommission insbesondere in den Geschäftsräumen von Arkema Nachprüfungen vor. Im Anschluss an diese Nachprüfungen reichte Arkema am 3. April 2003 einen Antrag auf Erlass oder Ermäßigung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit ein (Randnr. 60 der angefochtenen Entscheidung).
7 Am 17. August 2005 erließ die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich der Methacrylate und richtete sie insbesondere an Total, Elf Aquitaine, Arkema, Altuglas und Altumax (Randnr. 85 der angefochtenen Entscheidung).
8 Am 15. und 16. Dezember 2005 fand eine Anhörung statt, an der alle Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte teilnahmen (Randnr. 87 der angefochtenen Entscheidung).
9 Am 31. Mai 2006 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung.
Angefochtene Entscheidung
10 Zwei Aspekte der angefochtenen Entscheidung sind für den vorliegenden Rechtsstreit von besonderer Bedeutung: die Ermittlung ihrer Adressaten und die Bemessung der Geldbuße.
Adressaten der angefochtenen Entscheidung
11 Die Kommission ist nach der Ankündigung, es müsse festgestellt werden, welchen Unternehmen die Verantwortung für die Zuwiderhandlung zuzurechnen sei (Randnr. 245 der angefochtenen Entscheidung), davon ausgegangen, dass Altuglas, Altumax, Arkema und Elf Aquitaine gesamtschuldnerisch für die Zuwiderhandlung hafteten, die Altuglas und Altumax in der Zeit vom 23. Januar 1997 bis 12. September 2002 begangen hätten. Total sei gesamtschuldnerisch haftbar zu machen für die Zuwiderhandlung von Altuglas und Altumax in der Zeit vom 1. Mai 2000 bis 12. September 2002 (Randnr. 277 der angefochtenen Entscheidung).
12 Zur Verantwortung speziell von Elf Aquitaine ist die Kommission in Anbetracht dessen, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats von Arkema durch Elf Aquitaine ernannt worden seien, die 97,6 % und nach dem Monat April 2000 96,48 % des Gesellschaftskapitals ihrer Tochtergesellschaft im Besitz gehabt habe, davon ausgegangen, dass Elf Aquitaine einen bestimmenden Einfluss genommen und die effektive Kontrolle über das Verhalten von Arkema gehabt habe (Randnr. 265 der angefochtenen Entscheidung).
13 Zur Verantwortung von Total hat die Kommission festgestellt, dass dieses Unternehmen seit April 2000 und bis zur Beendigung der Zuwiderhandlung unmittelbar oder mittelbar das Kapital sämtlicher Betriebsunternehmen des Konzerns, darunter diejenigen, die unmittelbar an diesem Kartell beteiligt gewesen waren, beherrscht hatte. Unter diesen Umständen hat die Kommission vermutet, dass Total einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften Elf Aquitaine, Arkema, Altuglas und Altumax genommen habe, und hat an alle diese Unternehmen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet (Randnr. 267 der angefochtenen Entscheidung).
14 Arkema einerseits sowie Total und Elf Aquitaine andererseits haben getrennt Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt und insbesondere geltend gemacht, dass Arkema der alleinige Adressat der angefochtenen Entscheidung sein müsse (Randnrn. 268 und 269 dieser Entscheidung). Die Kommission hat dies zurückgewiesen und die Verantwortung der in der vorstehenden Randnummer dieses Urteils genannten fünf Unternehmen bekräftigt (Randnrn. 270 bis 277 der angefochtenen Entscheidung). Im Folgenden werden diese Unternehmen insgesamt als Total-Gruppe bezeichnet.
Bemessung der Geldbuße
15 Bei der Bemessung der Geldbuße hat die Kommission zunächst die Schwere der Zuwiderhandlung geprüft und dabei festgestellt, dass sie wegen der Natur der Zuwiderhandlung und weil diese das gesamte EWR-Gebiet erfasst habe, als ein schwerwiegender Verstoß im Sinne der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien) zu gelten habe (Randnrn. 319 bis 331 der angefochtenen Entscheidung). Sodann hat die Kommission die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen differenziert behandelt und den Total-Konzern im Hinblick auf den Umsatz von Arkema im EWR für die drei PMMA-Erzeugnisse in die erste Gruppe eingestuft. Auf dieser Grundlage hat sie für diese einen Grundbetrag von 65 Mio. Euro festgesetzt (Randnrn. 332 bis 336 der angefochtenen Entscheidung). Schließlich hat sie unter Berücksichtigung des Weltumsatzes von Total die dem Total-Konzern auferlegte Geldbuße mit dem Multiplikator 3 vervielfacht, um eine Abschreckungswirkung der Geldbuße sicherzustellen. Damit beläuft sich der Grundbetrag der Geldbuße auf 195 Mio. Euro (Randnrn. 337 bis 350 der angefochtenen Entscheidung).
16 Zweitens hat die Kommission die Dauer der Zuwiderhandlung geprüft und festgestellt, dass der Grundbetrag in Anbetracht dessen, dass Arkema fünf Jahre und sieben Monate an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, um 55 % erhöht werden müsse. Diese Erhöhung wurde auf Elf Aquitaine, Arkema, Altuglas und Altumax angewandt. Für Total, die für kürzere Zeit Inhaberin des Kapitals ihrer Tochtergesellschaften war, hat die Kommission die Geldbuße um 20 % erhöht (Randnrn. 351 bis 353 der angefochtenen Entscheidung). Somit beläuft sich der Grundbetrag der für Arkema (einschließlich Elf Aquitaine) berechneten Geldbuße auf 302,25 Mio. Euro. Total wird von diesem Betrag für 234 Mio. Euro gesamtschuldnerisch haftbar gemacht (Randnr. 345 der angefochtenen Entscheidung).
17 Drittens hat die Kommission das Vorliegen erschwerender Umstände geprüft. Für Arkema hat die Kommission im Hinblick auf die drei bereits zuvor gegen sie ergangenen Entscheidungen festgestellt, dass sie mit einer Zuwiderhandlung der gleichen Art rückfällig geworden sei, und beschlossen, den Grundbetrag der Geldbuße für Arkema um 50 % zu erhöhen. Die Kommission hat indessen klargestellt, dass Total und Elf Aquitaine keine Tatwiederholung anzulasten sei und diese Erhöhung daher nur für Arkema, Altuglas und Altumax gelte (Randnr. 369 und Fn. 250 der angefochtenen Entscheidung).
18 Viertens hat die Kommission die von der Total-Gruppe geltend gemachten mildernden Umstände zurückgewiesen.
19 Zu diesem Zeitpunkt belief sich der Betrag der Geldbuße bei Berücksichtigung erschwerender und mildernder Umstände für Arkema, Altuglas und Altumax auf 365 218 750 Euro. Für Total blieb der Betrag der Geldbuße bei 234 Mio. Euro, für Elf Aquitaine belief er sich auf 302,25 Mio. Euro (Randnr. 397 der angefochtenen Entscheidung). Gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) ist die Kommission davon ausgegangen, dass die Geldbuße 10 % des Umsatzes des betreffenden Unternehmens nicht überstieg (Randnrn. 398 und 399 der angefochtenen Entscheidung).
20 Fünftens und letztens hat die Kommission die Mitteilung über Zusammenarbeit herangezogen und gemäß deren Randnr. 23 Buchst. b erster Gedankenstrich den Betrag der Geldbuße, der sonst gegen die Total-Gruppe verhängt worden wäre, um 40 % herabgesetzt (Randnrn. 403 bis 410 der angefochtenen Entscheidung).
21 In Art. 2 Buchst. b der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission den Endbetrag der Geldbuße daher wie folgt festgesetzt:
„Arkema …, Altuglas … und Altumax … gesamtschuldnerisch: 219,13125 Mio. EUR; hiervon haftet Total SA gesamtschuldnerisch für 140,4 Mio. EUR und Elf Aquitaine SA gesamtschuldnerisch für 181,35 Mio. EUR“.
Verfahren und Anträge der Parteien
22 Mit Klageschrift, die am 10. August 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen Arkema France, Altuglas und Altumax die vorliegende Klage erhoben.
23 Infolge der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Vierten Kammer zugeteilt worden, an die die vorliegende Rechtssache deshalb verwiesen worden ist.
24 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen sowie im Rahmen prozessleitender Maßnahmen die Klägerinnen zur Beantwortung einiger Fragen und die Kommission zur Vorlage eines Schriftstücks aufzufordern. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.
25 In der Sitzung vom 15. Dezember 2009 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Am Ende dieser Sitzung ist die mündliche Verhandlung geschlossen worden.
26 Mit Beschluss vom 26. November 2010 hat das Gericht gemäß Art. 62 seiner Verfahrensordnung die mündliche Verhandlung wiedereröffnet, um die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen aufzufordern, Dokumente vorzulegen und Fragen zu beantworten. Die Parteien haben dieser Aufforderung fristgerecht Folge geleistet. Die mündliche Verhandlung ist dann am 9. März 2011 geschlossen worden.
27 Die Klägerinnen beantragen,
– Art. 3 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft;
– hilfsweise, die mit der angefochtenen Entscheidung verhängte Geldbuße aufzuheben oder herabzusetzen;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
28 Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
29 Die Klägerinnen machen im Wesentlichen acht Klagegründe geltend. Der erste Klagegrund betrifft eine Verletzung der Regeln über die Zurechnung der Praktiken einer Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft sowie des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung. Der zweite Klagegrund zielt auf tatsächliche Beurteilungsfehler der Kommission bei der Zurechnung der Zuwiderhandlung von Arkema an Total und Elf Aquitaine. Mit dem dritten Klagegrund wird die Verletzung der Begründungspflicht und des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung bei der Anwendung der Zurechnungsregeln gerügt. Der vierte Klagegrund beanstandet die Verkennung des Kriteriums der konkreten Auswirkung auf den Markt bei der Festlegung des Grundbetrags der Geldbuße auf 65 Mio. Euro. Der fünfte Klagegrund zielt auf rechtliche und tatsächliche Beurteilungsfehler bei der Erhöhung der Geldbuße wegen Tatwiederholung. Der sechste Klagegrund rügt rechtliche Beurteilungsfehler der Kommission bei der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung. Der siebte Klagegrund sieht einen tatsächlichen Beurteilungsfehler der Kommission darin, dass diese den Klägerinnen keine Ermäßigung der Geldbuße wegen der Nichtanwendung bestimmter beanstandeter Praktiken durch Arkema zugestanden habe. Mit dem achten Klagegrund werden rechtliche und tatsächliche Beurteilungsfehler der Kommission wegen ihrer Weigerung gerügt, aufgrund „anderer Faktoren“ eine Ermäßigung der Geldbuße auszusprechen. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen außerdem eine weitere Rüge vorgebracht, mit der sie der Erhöhung der Geldbuße zwecks hinreichender Abschreckung entgegentreten.
Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Regeln über die Zurechnung der Praktiken einer Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft und des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung
30 Die Klägerinnen machen geltend, der Kommission sei ein rechtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie auf die Vermutung zurückgegriffen habe, dass eine Muttergesellschaft bei Besitz des gesamten oder nahezu gesamten Kapitals einer Tochtergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf diese nehme (im Folgenden: Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme), ohne den Nachweis einer wirklichen Kontrolle zu erbringen (erster Teil dieses Klagegrundes). Damit habe sie zugleich gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoßen, weil sie für Arkema einen völlig anderen Beweisstandard herangezogen habe als für die anderen Tochtergesellschaften, die an den beanstandeten Praktiken beteiligt gewesen seien (zweiter Teil dieses Klagegrundes).
Zum ersten Teil dieses Klagegrundes: Verkennung der Regeln über die Zurechnung der Praktiken einer Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft
– Vorbringen der Parteien
31 Die Klägerinnen bringen vor, nach ständiger Rechtsprechung und nach der Entscheidungspraxis der Kommission sei, wenn das Unternehmen, das die Zuwiderhandlung begangen habe, zu einer Unternehmensgruppe gehöre, grundsätzlich nur die betreffende Tochtergesellschaft für die Zuwiderhandlung verantwortlich. Nur unter bestimmten Umständen könnten die Verhaltensweisen einer Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft zugerechnet werden. Dies sei dann der Fall, wenn die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft nehme, weil dieser bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik die Selbständigkeit fehle, oder wenn die Muttergesellschaft bei der Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft (aktiv oder wegen bloßer Kenntnis des Sachverhalts nur passiv) beteiligt gewesen sei.
32 Nach der einschlägigen Rechtsprechung lasse eine Kapitalbeteiligung von 100 % (und erst recht von 99,43 %, von 97,6 % oder 96,48 %) für sich genommen noch nicht ohne Weiteres den Schluss zu, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik ihrer Tochtergesellschaft nehme. Die Rechtsprechung habe insoweit stets zusätzliches Beweismaterial verlangt, so etwa, dass die Muttergesellschaft sich im Verwaltungsverfahren als einziger Ansprechpartner der Kommission für die Gruppe erwiesen habe, dass das Vorliegen einer effektiven Kontrolle über die Tochtergesellschaft nicht abgestritten worden sei oder dass der geringste Nachweis für die Selbständigkeit der Tochtergesellschaft ausgeblieben sei.
33 Im vorliegenden Fall nun habe die Kommission, abgesehen von der unmittelbaren oder mittelbaren Innehabung des nahezu gesamten Kapitals von Arkema durch ihre seinerzeitigen Muttergesellschaften, in der angefochtenen Entscheidung keinerlei Indiz angeführt, das belegen könne, dass Total und/oder Elf Aquitaine in dem betreffenden Zeitraum tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik von Arkema oder auf die Durchführung der beanstandeten Praktiken genommen hätten. Insbesondere sei der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführte Umstand, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats von Arkema in der Zeit der Geschehnisse von Elf Aquitaine ernannt worden seien, nur die logische Konsequenz der Mehrheitsbeteiligung an Arkema und nicht geeignet, das Vorliegen einer bestimmenden Einflussnahme auf diese zu beweisen.
34 Die Klägerinnen sind folglich der Auffassung, dass der Kommission, weil diese sich, um Total und Elf Aquitaine die in der angefochtenen Entscheidung festgehaltenen Zuwiderhandlungen zuzurechnen, auf die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme gestützt habe, die allein auf die unmittelbare oder mittelbare Innehabung des nahezu gesamten Kapitals von Arkema zurückgeführt worden sei, ein rechtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei, der die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung rechtfertige.
35 Ferner haben die Klägerinnen auf die Frage des Gerichts nach den Auswirkungen des Urteils des Gerichtshofs vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission (C‑97/08 P, Slg. 2009, I‑8237), auf den vorliegenden Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass der Sachverhalt der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, und insbesondere die Kontrolle der Muttergesellschaft über die an der Zuwiderhandlung beteiligten Tochtergesellschaften anders gewesen sei als im vorliegenden Fall. Außerdem habe sich in der angeführten Rechtssache die Beteiligung der Muttergesellschaft am Kapital ihrer Tochtergesellschaft auf 100 % belaufen, die aber im vorliegenden Fall (mit 99,43 %, 97,6 % und 96,48 %) nicht erreicht seien. Auf jeden Fall müsse, wenn das angeführte Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission dahin auszulegen sei, dass es zulasse, die Zuwiderhandlung einer Tochtergesellschaft ohne jedes weitere Erfordernis als die Kapitalbeteiligung der Muttergesellschaft zuzurechnen, diese Rechtsprechung überprüft werden, weil sie dann nämlich eine verschuldensfreie Haftung eingeführt hätte, die mit der Verordnung Nr. 1/2003 unvereinbar sei.
36 Die Kommission teilt die Auffassung der Klägerinnen, dass nur unter bestimmten Umständen die Verantwortung für das beanstandete Verhalten einer Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft zugerechnet werden könne. Eine solche Möglichkeit bestehe, wenn die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten der Tochtergesellschaft nehme. Nach ständiger Rechtsprechung sei die Kommission jedoch zu der Annahme berechtigt, dass eine Gesellschaft, die das gesamte oder nahezu gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft besitze, tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft nehme, solange sie nicht die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme durch den Beweis der Selbständigkeit der Tochtergesellschaft widerlegt habe.
– Würdigung durch das Gericht
37 Den Randnrn. 245 bis 252 und 259 bis 277 der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass die Kommission die streitige Zuwiderhandlung Total und Elf Aquitaine deshalb zugerechnet hat, weil sie zusammen mit Arkema sowie ihren Tochtergesellschaften Altuglas und Altumax, die an den gemeinsamen Wettbewerbsverstößen beteiligt waren, ein einziges Unternehmen gebildet hätten. Für diese Schlussfolgerung hat sich die Kommission auf die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführte Vermutung gestützt, dass Total und Elf Aquitaine einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften genommen hätten. Bei Elf Aquitaine war die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme darauf gegründet, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats von Elf Aquitaine ernannt wurden, sowie darauf, dass diese eine Beteiligung von 97,6 %, dann von 96,48 %, am Kapital von Arkema besaß (Randnr. 265 der angefochtenen Entscheidung). Bei Total war diese Vermutung darauf gegründet, dass Total wegen ihrer Beteiligung von 99,43 % am Kapital von Elf Aquitaine seit dem Monat April 2000 unmittelbar oder mittelbar das Kapital sämtlicher Gesellschaften der Gruppe einschließlich derjenigen, die bei dem betreffenden Kartell unmittelbar eine Rolle gespielt hatten, kontrollierte (Randnrn. 266 und 267 der angefochtenen Entscheidung). Aus der letztgenannten Randnummer ergibt sich, dass die betreffenden Gesellschaften in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eine Reihe von Argumenten vorgebracht haben, mit denen die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme widerlegt werden sollte, dass aber die Kommission diese als unzureichend betrachtet hat (vgl. insbesondere Randnrn. 272 bis 274 der angefochtenen Entscheidung).
38 Sodann ist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs in diesem Bereich zu verweisen.
39 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Wettbewerbsrecht der Union die Tätigkeit von Unternehmen betrifft und dass der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung umfasst (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40 Der Gerichtshof hat ferner klargestellt, dass in diesem Zusammenhang unter dem Begriff des Unternehmens eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen ist, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Verstößt eine solche wirtschaftliche Einheit gegen die Wettbewerbsregeln, hat sie nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union muss eindeutig einer juristischen Person zugerechnet werden, gegen die Geldbußen festgesetzt werden können, und die Mitteilung der Beschwerdepunkte muss an diese gerichtet werden. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte muss auch angegeben werden, in welcher Eigenschaft einer juristischen Person die behaupteten Tatsachen zur Last gelegt werden (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).
43 Nach ständiger Rechtsprechung kann einer Muttergesellschaft das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 Dies liegt darin begründet, dass in einem solchen Fall die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und damit ein Unternehmen in dem erwähnten Sinne bilden. Weil eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, kann die Kommission demnach eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachgewiesen werden müsste (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 59).
45 Der Gerichtshof hat ebenfalls entschieden, dass in dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft nehmen kann und zum anderen eine widerlegbare Vermutung besteht, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft nimmt (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 Unter diesen Umständen – so der Gerichtshof – genügt es, dass die Kommission nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält, um anzunehmen, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieses Tochterunternehmens nimmt. Die Kommission kann in der Folge dem Mutterunternehmen die Haftung für die Zahlung der gegen sein Tochterunternehmen verhängten Geldbuße als Gesamtschuldner zuweisen, sofern die Beweise, die vom Mutterunternehmen, dem die Widerlegung dieser Vermutung obliegt, vorgelegt werden, nicht für den Nachweis ausreichen, dass sein Tochterunternehmen auf dem Markt eigenständig auftritt (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
47 Aufgrund dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs ist festzustellen, dass die von der Kommission im vorliegenden Fall befolgte Methode der Zurechnung der streitigen Zuwiderhandlung an die Muttergesellschaften der Klägerinnen, wie sie in Randnr. 37 dieses Urteils dargestellt wurde, zutreffend ist.
48 Zum einen ist diese Zurechnung nicht, wie die Klägerinnen vorzugeben scheinen, allein auf die Struktur der Kapitalbeteiligung gestützt, sondern auch auf die Feststellung, dass die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme nicht widerlegt worden ist (vgl. insbesondere Randnrn. 272 und 274 der angefochtenen Entscheidung).
49 Zum anderen ergibt sich klar aus dieser Rechtsprechung (vgl. insbesondere oben, Randnrn. 45 und 46), dass die Struktur der Kapitalbeteiligung an einer Tochtergesellschaft ein ausreichendes Kriterium für die Begründung dieser Vermutung ist, ohne dass die Kommission gehalten wäre, zusätzliche Indizien für die tatsächliche Einflussnahme der Muttergesellschaft anzuführen, wie dies die Klägerinnen fordern.
50 Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt, dass der Sachverhalt der Rechtssache, in der das Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission (oben in Randnr. 35 angeführt) ergangen sei, und insbesondere die Kontrolle der Muttergesellschaft in dieser Rechtssache über ihre Tochtergesellschaften andere gewesen seien als im vorliegenden Fall. Insbesondere ergibt sich, obwohl solche zusätzlichen Indizien in dieser Rechtssache hätten angeführt werden können (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission, T‑112/05, Slg. 2007, II‑5049, Randnrn. 13 und 54), in aller Klarheit sowohl aus dem soeben angeführten Urteil vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission (Randnrn. 61 und 62), als auch aus dem Urteil vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 35 angeführt (Randnrn. 61 und 62), dass die Wirkung dieser Vermutung nicht vom Vorliegen solcher zusätzlichen Indizien abhängig ist.
51 Weiter ist darauf hinzuweisen, dass die vorgenannte Rechtsprechung speziell den besonderen Fall betrifft, dass „eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält“ (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 60). Im vorliegenden Fall hingegen halten Total und Elf Aquitaine nicht das gesamte Kapital ihrer jeweiligen Tochtergesellschaften.
52 Es ist indessen darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen, obwohl sie in der mündlichen Verhandlung auf diesen tatsächlichen Unterschied hingewiesen haben (vgl. Randnr. 35 dieses Urteils), nichts Besonderes vorgetragen haben, um der Anwendung der gleichen Beweisregelung bei beiden Sachverhalten entgegenzutreten, und dies, obwohl die Problematik der Anwendung der Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme auf andere Fälle als den der Innehabung des gesamten Kapitals der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft Anlass für eine schriftliche Frage des Gerichts an die Kommission und später für ein Rechtsgespräch in der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
53 Auf jeden Fall ist festzustellen, dass die Muttergesellschaft, die nahezu das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält, sich wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die zwischen den beiden Rechtssubjekten bestehen, bezüglich ihrer Möglichkeit der bestimmenden Einflussnahme auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft in einer ähnlichen Lage befindet wie der ausschließliche Anteilseigner. Folglich ist die Kommission berechtigt, bei dieser Sachlage die gleiche Beweisregelung heranzuziehen, d. h., auf die Vermutung zurückzugreifen, dass diese Muttergesellschaft ihre Macht zu einer bestimmenden Einflussnahme auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft tatsächlich gebraucht. Sicherlich ist nicht auszuschließen, dass in bestimmten Fällen Minderheitsgesellschafter gegenüber der Tochtergesellschaft über Rechte verfügen können, die ihnen gestatten, die vorgenannte Analogie in Frage zu stellen. Abgesehen davon, dass solche Rechte im Allgemeinen nicht mit ganz unbedeutenden Anteilen wie denen im vorliegenden Fall verknüpft sind, ist indessen von den Klägerinnen im vorliegenden Fall nichts dieser Art vorgebracht worden. Mithin ist die Kommission gegenüber den Muttergesellschaften der Klägerinnen zu Recht von der Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme ausgegangen.
54 Zu dem Vorbringen schließlich, die Rechtsprechung im Gefolge des Urteils vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission (oben in Randnr. 35 angeführt), bedürfe der Überprüfung, steht das Gericht auf dem Standpunkt, dass es unter den Umständen des vorliegenden Falles keiner erneuten Prüfung einer Rechtsfrage bedarf, die der Gerichtshof in einem jüngeren Urteil eindeutig entschieden hat.
55 Der erste Teil dieses Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes: Verletzung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung
– Vorbringen der Parteien
56 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe, während sie sich in ihrem Fall ausschließlich auf die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme gestützt habe, um die Zuwiderhandlung der Muttergesellschaft zuzurechnen, bei den meisten anderen Tochtergesellschaften, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet worden sei, ergänzende Indizien berücksichtigt. Sie verweisen insoweit auf die Behandlung von Degussa, ICI plc und Lucite International Ltd. durch die Kommission in der angefochtenen Entscheidung.
57 Damit habe die Kommission bei der Beweisführung eine ungerechtfertigte Diskriminierung begangen. Wenn die Kommission bei Arkema den gleichen Beweisstandard angewandt hätte wie gegenüber den anderen Unternehmen, wäre sie notwendig zu dem Schluss gelangt, dass die Zuwiderhandlung allein Arkema zugerechnet werden könne.
58 Zum Vorbringen der Kommission, die angefochtene Entscheidung erwähne die Ernennung der Mitglieder des Verwaltungsrats von Atofina durch Elf Aquitaine, verweisen die Klägerinnen darauf, dass es sich um eine schlichte logische Umsetzung der Mehrheitsbeteiligung an Arkema handele, und machen geltend, dieses Indiz weise keine Gemeinsamkeit mit den Indizien auf, die die Kommission bei Degussa berücksichtigt habe, bei der die Kommission die aktive Beteiligung der Muttergesellschaft an der Zuwiderhandlung in Rechnung gestellt habe. Auf jeden Fall gelte dieses Indiz nur für Elf Aquitaine und nicht für Total.
59 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
– Würdigung durch das Gericht
60 Der Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. der Nichtdiskriminierung verlangt bekanntlich, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 11. September 2007, Lindorfer/Rat, C‑227/04 P, Slg. 2007, I‑6767, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
61 Es ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen nicht schlüssig dargelegt haben, dass die Kommission mit der Zurechnung der streitigen Zuwiderhandlung zulasten der Adressaten der angefochtenen Entscheidung gegen diesen Grundsatz verstoßen hätte.
62 Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Lage von ICI Acrylics nicht mit derjenigen der Klägerinnen verglichen werden kann. Der angefochtenen Entscheidung ist nämlich eindeutig zu entnehmen, dass ICI Acrylics – die unmittelbar an der streitigen Zuwiderhandlung beteiligt war – eine einfache Geschäftsabteilung von ICI ohne eigene Rechtspersönlichkeit und nicht deren Tochtergesellschaft war, die dieser zu 100 % oder nahezu ganz gehört hätte (vgl. insbesondere Randnrn. 280, 287 und 288 der angefochtenen Entscheidung). Folglich hat die Kommission, soweit es ICI betrifft, nicht die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme (mit oder ohne Unterstützung durch andere Indizien) herangezogen, sondern lediglich die juristische Person ermittelt, der zum Zeitpunkt der Geschehnisse die Geschäftsabteilung angehörte, die die Zuwiderhandlung begangen hat (Randnrn. 288 und 289 der angefochtenen Entscheidung).
63 Bezüglich Degussa ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Randnr. 255 der angefochtenen Entscheidung Folgendes feststellt:
„Röhm GmbH & Co. KG (100%ige Tochter von Degussa) und Para-Chemie GmbH (100%ige Tochter von Röhm) sind unabhängige rechtliche Einheiten. Da diese beiden Unternehmen unmittelbar oder mittelbar zu 100 % im Besitz von Degussa waren … und der Aufsichtsrat von Röhm teilweise aus Mitgliedern der Geschäftsleitung von Degussa … besteht, sieht die Kommission Degussa als verantwortlich für die Zuwiderhandlungen von Röhm … und von Para-Chemie an.“
64 Zu Lucite International hat die Kommission in Nr. 294 der angefochtenen Entscheidung Folgendes ausgeführt:
„Lucite International UK Ltd ist eine ihrer 100%igen Tochtergesellschaften. Außerdem waren die Mitglieder des Verwaltungsrats von Lucite International während der Dauer der Zuwiderhandlung ebenfalls Mitglieder des Verwaltungsrats von Lucite International UK.“
65 Somit trifft es zu, dass sich die Kommission, um Degussa und Lucite International die beanstandete Verhaltensweise ihrer jeweiligen Tochtergesellschaften zuzurechnen, auf die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme infolge der Innehabung von 100 % des Kapitals der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft gestützt, zugleich aber ein ergänzendes Indiz angeführt hat, nämlich die Anwesenheit von Mitgliedern der Geschäftsleitung der Muttergesellschaft im Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft bzw. die Übereinstimmung der Mitglieder des Verwaltungsrats der beiden Gesellschaften.
66 Daraus folgt indessen nicht, dass Degussa und Lucite International sowie ihre Tochtergesellschaften eine andere Behandlung erfahren hätten als die Klägerinnen und ihre Muttergesellschaften, die als Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung anzusehen wäre.
67 Es muss nämlich unterstrichen werden, dass Degussa und Lucite International ganz wie die Muttergesellschaften der Klägerinnen ebenfalls für die beanstandete Verhaltensweise ihrer Tochtergesellschaften haftbar gemacht worden sind (Randnrn. 258 und 296 der angefochtenen Entscheidung). Nichts in dieser Entscheidung lässt aber die Annahme zu, dass die Kommission sie von dieser Haftung losgesprochen hätte, wenn sie nicht die besagten zusätzlichen Indizien hätte anführen können.
68 Insoweit ist darauf zu verweisen, dass die Kommission in den Randnrn. 245 bis 252 der angefochtenen Entscheidung die Grundsätze dargelegt hat, die sie bei der Ermittlung der Adressaten der angefochtenen Entscheidung geleitet haben. Hieraus ergibt sich eindeutig, dass sich die Kommission bei vollständiger oder nahezu vollständiger Kontrolle des Kapitals einer Tochtergesellschaft für berechtigt hielt, die fehlende Selbständigkeit dieser Tochtergesellschaft allein aufgrund der Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme festzustellen, falls diese nicht während des Verwaltungsverfahrens widerlegt worden war, und damit deren beanstandete Verhaltensweise der Muttergesellschaft mit der Begründung zuzurechnen, dass diese Teil ein und desselben Unternehmens sei (vgl. Randnrn. 247 und 248 der angefochtenen Entscheidung).
69 Mithin ist festzustellen, dass die Kommission, wie diese geltend macht, nur höchst hilfsweise auf andere Indizien als die Kapitalbeteiligung abgestellt hat, wenn diese zur Verfügung standen. Im Übrigen hat die Kommission bei der Total-Gruppe auch darauf hingewiesen, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats von Arkema von Elf Aquitaine benannt worden waren. Die Kommission hat indessen die Zurechnung der beanstandeten Verhaltensweise einer zu 100 % oder fast 100 % gehaltenen Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft nicht vom Vorliegen solcher ergänzender Indizien abhängig gemacht. Diese Auslegung wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass die angefochtene Entscheidung bei bestimmten Muttergesellschaften ausschließlich die Kapitalbeteiligung erwähnt. Das gilt im Fall von Total (Randnr. 266) und der Unternehmen der Barlo-Gruppe, nämlich Barlo Plastics Europe NV, Barlo Plastics NV und Barlo Group plc (Randnr. 301).
70 Beiläufig ist daran zu erinnern, dass die Methode, der die Kommission im vorliegenden Fall gefolgt ist, um die streitige Zuwiderhandlung den Muttergesellschaften der Klägerinnen zuzurechnen, zutreffend ist, wie bereits gezeigt wurde (vgl. Randnr. 47 dieses Urteils).
71 Folglich ist der zweite Teil dieses Klagegrundes und damit dieser Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund: Tatsächliche Beurteilungsfehler der Kommission bei der Zurechnung der Zuwiderhandlung von Arkema an Total und Elf Aquitaine
72 Die Klägerinnen bringen vor, die Kommission sei, selbst wenn man davon ausgehe, dass die Methode des Rückgriffs auf die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme ihnen gegenüber richtig sei, tatsächlich nicht berechtigt gewesen, die Zuwiderhandlung Total und Elf Aquitaine zuzurechnen. Sie hätten nämlich erstens das Fehlen jeglicher Verwicklung der Vorstandsmitglieder von Elf Aquitaine und Total in die betreffenden Praktiken und zweitens die Selbständigkeit von Arkema bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik nachgewiesen.
Zum ersten Teil dieses Klagegrundes: Verkennung der fehlenden Verwicklung der Vorstandsmitglieder von Total und Elf Aquitaine in die in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Praktiken
– Vorbringen der Parteien
73 Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission gehe in der angefochtenen Entscheidung nicht davon aus, dass die Vorstandsmitglieder von Elf Aquitaine in irgendeiner Weise in die betreffenden Praktiken verwickelt gewesen seien oder Kenntnis von den Zuwiderhandlungen gehabt hätten. Im Übrigen habe die Kommission im Lauf der Untersuchung kein Auskunftsverlangen an diese Unternehmen gerichtet oder Untersuchungen in deren Geschäftsräumen durchgeführt.
74 Der Entscheidungspraxis der Kommission sei ihrer Meinung nach zu entnehmen, dass die fehlende aktive oder passive Beteiligung der Muttergesellschaft an der Zuwiderhandlung sie bewegen könne, von der Zurechnung der Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft abzusehen, auch wenn diese die Mehrheit oder das gesamte Kapital dieser Tochtergesellschaft halte.
75 Die Klägerinnen weisen hierzu im Übrigen darauf hin, dass die Gruppe, der sie zur Zeit der Geschehnisse angehört hätten, auf der ausnahmslosen Einhaltung der Wettbewerbsregeln bestanden habe, was übrigens Arkema bewogen habe, ab Januar 2001, also einige Monate nach Übernahme der Elf-Gruppe durch Total Fina am 17. April 2000, ein Programm zur Beachtung des Wettbewerbsrechts aufzustellen. Folglich hätten Total und/oder Elf Aquitaine, wenn ihnen die wettbewerbwidrigen Praktiken, wie sie Arkema ins Werk gesetzt habe, bekannt gewesen wären, sofort ihre Einstellung angeordnet.
76 Demgemäß hätte sich die Kommission auf diesen Gesichtspunkt stützen können, um die Auffassung zu vertreten, dass diese Gesellschaften, obwohl sie in der Zeit der Zuwiderhandlung nahezu das gesamte Kapital von Arkema gehalten hätten, nicht für deren beanstandetes Verhalten auf dem PMMA-Markt verantwortlich seien.
77 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
– Würdigung durch das Gericht
78 Den Randnrn. 245 bis 252 und 259 bis 277 der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass die Kommission die streitige Zuwiderhandlung Total und Elf Aquitaine mit der Begründung zugerechnet hat, dass sie zur Zeit der Geschehnisse eine einzige Wirtschaftseinheit gebildet hätten und daher gemeinsam mit Arkema und ihren an den gemeinsamen Wettbewerbsverstößen beteiligten Tochtergesellschaften Altuglas und Altumax ein Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts gewesen seien. Die Kommission hat diese Schlussfolgerung auf die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme gestützt und festgestellt, dass diese im Verwaltungsverfahren nicht widerlegt worden sei. Wie sich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes ergibt, ist diese Methode zu Recht befolgt worden.
79 Nach der Rechtsprechung kann nämlich die Kommission, wenn eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 59). Folglich hatte die Kommission die unmittelbare Verwicklung der Vorstandsmitglieder der Muttergesellschaft oder auch nur deren Kenntnis der beanstandeten Tatsachen nicht nachzuweisen. Ebenso wenig hat das Verhalten der Kommission während des Verwaltungsverfahrens und insbesondere der Umstand, dass sie kein Auskunftsverlangen an die Muttergesellschaften gerichtet oder Untersuchungen in ihren Geschäftsräumen vorgenommen hat, Auswirkungen auf die Frage, ob sie gemeinsam mit ihrer Tochtergesellschaft ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bildeten.
80 Zur Entscheidungspraxis der Kommission, auf die sich die Klägerinnen berufen, ist festzustellen, dass selbst wenn anzunehmen wäre, dass die Kommission hierbei die Zurechnung der Zuwiderhandlung an die Muttergesellschaft von der unmittelbaren Verwicklung ihrer Vorstandsmitglieder in die Zuwiderhandlung abhängig gemacht habe, dies keinerlei Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in diesem Punkt hätte, weil im vorliegenden Fall die richtige Methode angewandt wurde. Im Übrigen stellen die Klägerinnen in ihrem Erwiderungsschriftsatz klar, dass sie nicht behaupten wollten, dass die fehlende Beteiligung einer Muttergesellschaft an der Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft für sich genommen ausreiche, um die Verantwortung der Muttergesellschaft auszuschließen, sondern nur einen Anhaltspunkt darstelle, den die Kommission zu diesem Zweck berücksichtigen könne.
81 Schließlich könnte, wie die Kommission zu Recht darlegt, die fehlende unmittelbare Verwicklung der Vorstandsmitglieder der Muttergesellschaft oder ihre fehlende Kenntnis der beanstandeten Tatsachen, selbst wenn sie bewiesen werden könnte, nicht ausreichen, um die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme zu widerlegen.
82 Der erste Teil dieses Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes: Verkennung der Anhaltspunkte für die wirkliche Selbständigkeit von Arkema bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik
– Vorbringen der Parteien
83 Die Klägerinnen machen geltend, Arkema habe während des Verwaltungsverfahrens nachgewiesen, dass ihre Geschäftspolitik während der in der angefochtenen Entscheidung festgelegten Zeitspanne nie von Elf Aquitaine oder von Total bestimmt worden sei. Mithin sei es ohne Auswirkung auf die Festlegung ihrer Geschäftspolitik geblieben, dass sie zum Zeitpunkt der Geschehnisse rechtlich eine Tochtergesellschaft von Elf Aquitaine gewesen sei und die Mitglieder ihres Verwaltungsrats von dieser benannt worden seien. Folglich sei der Kommission ein tatsächlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, indem sie die von Arkema begangene Zuwiderhandlung deren damaligen Muttergesellschaften zugerechnet habe.
84 Erstens verweisen die Klägerinnen darauf, dass sich schon aus der Struktur der Gruppe ergebe, dass weder Total noch Elf Aquitaine die Geschäftspolitik ihrer Tochtergesellschaften bestimmt hätten. Diese Unternehmen seien nämlich Holdinggesellschaften und Aktionäre mehrerer Konzerne, die in ihrem jeweiligen Aktivitätssektor selbständig tätig seien.
85 Zweitens machen die Klägerinnen geltend, Arkema habe nachgewiesen, dass sie bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik für PMMA und insbesondere ihrer Preis- und Kundenauswahlpolitik völlig selbständig gewesen sei. Arkema sei die eigentliche Muttergesellschaft des Chemiebereichs gewesen, und sie habe in Wahrheit ihren eigenen Tochtergesellschaften wie Altuglas und Altumax Anweisungen gegeben. Oberhalb von Arkema sei das Verhältnis lediglich das gewesen, wie es normalerweise zwischen einem Aktionär, der seine finanziellen Interessen wahren wolle, und einer unabhängigen Geschäftsführung, die für die Verwaltung des Chemiebereichs zuständig sei, vorherrsche. Somit habe sich die Rolle von Total und Elf Aquitaine auf die Genehmigung größerer Investitionen und, wie dies die geltenden Rechtsvorschriften verlangten, auf die Entgegennahme der Buch- und Finanzergebnisse ihrer Tochtergesellschaft beschränkt. Die Klägerinnen verweisen hierzu auf die interne Notiz „Interne Befugnisse und Zahlungsverpflichtungen“ im Anhang zur Klageschrift.
86 Die Klägerinnen unterscheiden in dieser Hinsicht zwei Zeiträume: 1992 bis 2000 und 2001 bis 2004.
87 Zum Zeitraum 1992 bis 2000 bringen sie vor, die Geschäftspolitik bei den mit PMMA zusammenhängenden Tätigkeiten von Elf Atochem sei über die Abteilung „Organische Zwischenstufen der Synthese“ (im Folgenden: DIOS) selbständig festgelegt worden. Die großen Ausrichtungen dieser Geschäftspolitik seien jedes Jahr vom allgemeinen Leitungsausschuss von Elf Atochem, der auch den Haushalt von DIOS verabschiedet habe, vorab gebilligt worden.
88 Für den Zeitraum 2001 bis 2004 sei die Geschäftspolitik bei den mit PMMA zusammenhängenden Tätigkeiten selbständig von Arkema über Atoglas (später Altuglas) bestimmt worden. Die großen Ausrichtungen dieser Geschäftspolitik seien in Form eines auf fünf Jahre angelegten Geschäftsplans jedes Jahr vom Leitungsausschuss für Chemie, dem Ausführungsorgan des Chemiebereichs, vorab gebilligt worden. Der Haushalt für die mit PMMA zusammenhängenden Tätigkeiten sei dem ausführenden Ausschuss von Total im Rahmen der Vorlage des Gesamthaushalts von Atoglas vorgelegt worden. Dieser ausführende Ausschuss werde in Investitionsfragen bei Entscheidungen über einen Betrag von mehr als 10 Mio. Euro tätig und schätze die Risiko- und Rentabilitätsstufen dieser Investitionen ein.
89 Die Klägerinnen unterstreichen namentlich, dass weder Total noch Elf Aquitaine für Tätigkeiten wie im vorliegenden Fall, die nur einen marginalen Teil ihres Umsatzes ausgemacht hätten, die Geschäftspolitik von Arkema bestimmt hätten. Sie verweisen insoweit darauf, dass sich im Jahr 2002 (dem letzten Jahr der Zuwiderhandlung) der Weltumsatz von Arkema aus dem Verkauf von PMMA auf 416 Mio. Euro belaufen habe, was 2,1 % des Gesamtumsatzes der Chemiebranche und 0,4 % des Gesamtumsatzes der Gruppe Elf Aquitaine/Total entspreche.
90 Die Klägerinnen machen im Übrigen geltend, selbst für den Fall, dass die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme gelte, müsse die Beweislast, die dem betreffenden Unternehmen obliege, auf das Fehlen einer effektiven Kontrolle der Muttergesellschaft über die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft auf dem betreffenden Markt und damit im vorliegenden Fall auf dem PMMA-Markt gerichtet sein, um ihm die Widerlegung der Vermutung zu ermöglichen. Ihres Erachtens würde ein abweichender Ansatz, bei dem der Nachweis einer vollständigen Selbständigkeit gegenüber der Muttergesellschaft und damit der Ausschluss der abstrakten Möglichkeit einer bestimmenden Einflussnahme durch die Muttergesellschaft, wenn diese 100 % des Kapitals halte, erforderlich wäre, auf eine probatio diabolica und die Einführung einer unwiderlegbaren Vermutung hinauslaufen.
91 Drittens weisen die Klägerinnen darauf hin, dass die Gesamtkontrolle von Total und Elf Aquitaine über Arkema im Widerspruch stehe zu der Kontrolle von Arkema über Altuglas und Altumax, die sowohl operationell als auch funktionell in sie integriert seien. Hervorzuheben sei ebenfalls, dass Arkema während des gesamten Verfahrens in eigenem und im Namen ihrer Tochtergesellschaften aufgetreten sei und während der Untersuchung niemals das Vorliegen einer effektiven Kontrolle über ihre Tochtergesellschaften abgestritten habe.
92 So habe zum einen Arkema auf operationeller Ebene und im Gegensatz zu Elf Aquitaine und Total, die nichts mit dem Herstellungsverfahren für Methacrylate zu tun gehabt hätten, eine Tätigkeit der Herstellung von Methylmethacrylat aufgewiesen, einem Rohstoff, der – teilweise – von ihren Tochtergesellschaften Altuglas und Altumax in kaptiver Form für die Herstellung und den Vertrieb von PMMA verwendet werde.
93 Zum anderen sei auf funktioneller Ebene die Tätigkeit in Bezug auf PMMA, auch wenn sie von den Tochtergesellschaften von Arkema (Altuglas und Altumax) wahrgenommen worden sei, stets in die Geschäftsorganisation von Arkema integriert worden, zunächst bis zum Jahr 2000 innerhalb von DIOS und dann ab 2001 über eine Geschäftseinheit speziell für PMMA. Außerdem sei in dem betreffenden Zeitraum die Mehrheit der Vorstandsmitglieder des Unternehmens Altuglas aus Vertretern der Rechts- und Finanzabteilungen von Arkema gebildet worden. Diese seien nicht nur bei Arkema, sondern auch bei Altuglas verantwortlich gewesen, die selbst keine eigenen Rechts- und Finanzabteilungen gehabt habe. Schließlich hätten die in die mit der angefochtenen Entscheidung festgestellten Praktiken verwickelten Angestellten von Altuglas allesamt einem Mitglied der Leitung von Arkema berichtet, das während der Zeit der Zuwiderhandlung Herr G. gewesen sei, der während der Zuwiderhandlung nacheinander Leiter von DIOS bis 2000 und Mitglied des Leitungsausschusses für Chemie ab 2001 gewesen sei.
94 Im Übrigen sei diese funktionelle und operationelle Integrierung von Arkema sowie von Altuglas und Altumax 2004 aus Anlass der Neuorganisation des Chemiebereichs der Totalgruppe und der Gründung von Arkema und 2006 bei der Börseneinführung von Arkema bestätigt worden.
95 Viertens unterstreichen die Klägerinnen, dass keines der im Laufe des Verfahrens aufgefundenen Schriftstücke belege, dass Arkema unmittelbar oder mittelbar irgendeine Anweisung oder Empfehlung von Elf Aquitaine oder Total zur Geschäftspolitik auf den Methacrylat-Märkten erhalten habe, obwohl Hunderte von Stücken von der Kommission am Sitz von Arkema beschlagnahmt worden seien.
96 Fünftens bringen die Klägerinnen vor, der Standpunkt der Kommission in der angefochtenen Entscheidung widerspreche ihrer eigenen früheren Praxis. In der Entscheidung K(2003) 4570 endg. der Kommission vom 10. Dezember 2003 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] und Art. 53 EWR (Sache COMP/E-2/37.857 – Organische Peroxide) (im Folgenden: Entscheidung Organische Peroxide) habe nämlich die Kommission die Verantwortung für die von Arkema begangene Zuwiderhandlung trotz der Kapitalverflechtung zwischen den beiden Unternehmen nicht Elf Aquitaine angelastet. Damit habe die Kommission eingeräumt, dass Arkema eine wirkliche Selbständigkeit bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik zukomme. Ihres Erachtens sei die Kommission, da die von der Entscheidung Organische Peroxide gedeckte Zeitspanne teilweise mit der in der angefochtenen Entscheidung erfassten übereinstimme und die wirtschaftlichen und finanziellen Verbindungen zwischen Arkema und Elf Aquitaine in den beiden Sachen genau dieselben gewesen seien, nicht berechtigt gewesen, von ihrem Standpunkt in der Sache, die zur Entscheidung Organische Peroxide geführt habe, abzugehen.
97 Im Übrigen sei die beschränkte und globale Kontrolle von Total und Elf Aquitaine über ihre Tochtergesellschaften kürzlich vom französischen Wettbewerbsrat bestätigt worden, der in einer Entscheidung über den Markt für den Vertrieb von Kraftstoffen auf Autobahnen festgestellt habe, dass Total Raffinage Distribution SA und Elf Antar France SA über hinreichende Selbständigkeit bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik verfügten.
98 Die Klägerinnen machen schließlich geltend, der Kommission seien bei der Würdigung der Natur und der Verteilung der Beweislast rechtliche Beurteilungsfehler unterlaufen. Da die von der Kommission herangezogene Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme durch keinerlei zusätzlichen Anhaltspunkt gestützt werde, der eine effektive Kontrolle der Muttergesellschaften über die Geschäftspolitik von Arkema auf dem PMMA-Markt belegen könnte, sei es für eine Umkehrung der Beweislast schon ausreichend, dass Arkema im Verwaltungsverfahren Anhaltspunkte für ihre tatsächliche Selbständigkeit auf dem Markt vorgebracht habe. Ihres Erachtens sei es daher Sache der Kommission, den Nachweis zu erbringen, dass Total und Elf Aquitaine trotz dieser Anhaltspunkte auf dem betreffenden Markt bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaften genommen hätten.
99 Die Kommission macht geltend, die von den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren vorgelegten und in der Klageschrift angeführten Schriftstücke reichten selbst zusammengenommen nicht aus, um die Selbständigkeit des Marktverhaltens von Arkema gegenüber Elf Aquitaine zu belegen und damit die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme zu widerlegen.
– Würdigung durch das Gericht
100 Vorab ist festzustellen, dass die Kommission im vorliegenden Fall entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen (vgl. oben, Randnrn. 90 und 98) nicht die Regeln über die Beweislast verkannt hat.
101 Nach der Rechtsprechung im Anschluss an das Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission (oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 61) hat die betreffende Gesellschaft, um die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme zu widerlegen, diese „durch Beweise zu entkräften“, die geeignet sind, die Selbständigkeit ihrer Tochtergesellschaft auf dem Markt zu belegen. Die Kommission hat ihrerseits diese Beweise zu prüfen, nicht aber positive Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen Einflussnahme beizubringen. Im Übrigen wäre dieser Vermutung jegliche Wirksamkeit genommen, wenn es der betreffenden Partei gestattet wäre, sie durch bloße ungesicherte Behauptungen zu widerlegen.
102 Zunächst ist aber darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte sehr wenig Konkretes zur Stützung ihrer Darlegungen zur Selbständigkeit von Arkema auf dem Markt vorgebracht haben. Insbesondere Teil III.2 dieser Antwort mit der Überschrift „Arkema hat [während der Zeitspanne der Zuwiderhandlung] bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik wirkliche Selbständigkeit genossen“ verweist auf keinerlei Dokument, das ihre Behauptungen stützen könnte. Mithin trifft die Feststellung der Kommission in Randnr. 272 der angefochtenen Entscheidung zu, dass alles, was die Klägerinnen vorgebracht hätten, bloße Behauptungen ohne ausreichende Beweise seien. Sie erlaubt, wie der vorstehenden Randnummer zu entnehmen ist, zu Recht den Schluss, dass die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme nicht widerlegt worden ist.
103 Außerdem hat entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen der in der angefochtenen Entscheidung gewählte Ansatz nichts mit einer probatio diabolica zu tun. Nach der Rechtsprechung sind nämlich bei der Prüfung der Frage, ob eine Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten selbständig bestimmt, sämtliche im Zusammenhang mit ihren wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verbindungen zur Muttergesellschaft relevanten Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die von Fall zu Fall variieren und daher nicht abschließend aufgezählt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnrn. 73 f.). Folglich war es Sache der Klägerinnen, sämtliche im Zusammenhang mit ihren wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verbindungen zur Muttergesellschaft relevanten Gesichtspunkte beizubringen, die ihrer Meinung nach für den Nachweis geeignet waren, dass sie keine wirtschaftliche Einheit bildeten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 50 angeführt, Randnr. 65). Selbst wenn die Klägerinnen nicht in der Lage gewesen sein sollten, solche Beweisstücke im vorliegenden Fall beizubringen, bedeutet dies noch nicht, dass diese Vermutung auf keinen Fall widerlegt werden könnte.
104 Im Rahmen dieser allgemeinen Erwägungen sind nunmehr die einzelnen Argumente zu prüfen, die die Klägerinnen vorgebracht haben.
105 In erster Linie stützen diese sich darauf, dass Total und Elf Aquitaine Holdinggesellschaften seien, und machen geltend, dass sich die Selbständigkeit ihrer Tochtergesellschaften aus der Gruppenstruktur selbst ergebe.
106 Zum einen ist hierzu festzustellen, dass das Vorbringen, Total und Elf Aquitaine seien Holdinggesellschaften, durch keinerlei Beweis untermauert wird.
107 Zum anderen wären diese Behauptungen, selbst wenn man unterstellt, sie träfen zu, nicht ausreichend, um auszuschließen, dass die betreffenden Muttergesellschaften einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaften genommen hätten, etwa durch Koordinierung der Finanzinvestitionen innerhalb der Gruppe. Es ist nämlich bereits entschieden worden, dass im Rahmen eines Konzerns eine Holding eine Gesellschaft ist, die die Beteiligungen an verschiedenen Gesellschaften bündeln und als deren Leitungsinstanz fungieren soll (Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, T‑69/04, Slg. 2008, II‑2567, Randnr. 63). Im vorliegenden Fall behaupten die Klägerinnen selbst, dass ihre Muttergesellschaften in die wichtigsten Entscheidungen eingegriffen hätten, die sich auf der Ebene der gesamten Gruppe hätten auswirken können. Statt die These vom Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit der Klägerinnen und ihrer Muttergesellschaften zu entkräften, bekräftigen diese Behauptungen eher, dass es deren Funktion war, eine Leitungs- und Koordinierungseinheit sicherzustellen, die sich auf das Verhalten der Tochtergesellschaften auswirken konnte.
108 Zweitens machen die Klägerinnen geltend, sie hätten nachgewiesen, dass Arkema bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik für PMMA völlig selbständig gewesen sei. Arkema sei nämlich die Muttergesellschaft für den Chemiebereich gewesen und habe ihren eigenen Tochtergesellschaften wie Altuglas und Altumax Anweisungen gegeben. Die Rolle von Total und Elf Aquitaine wiederum habe sich auf die Zulassung großer Investitionen und die Entgegennahme von Rechnungs- und Finanzdaten bezüglich der Ergebnisse ihrer Tochtergesellschaft nach den geltenden Rechtsvorschriften beschränkt. Die Erläuterungen der Kommission in der Klageerwiderung hätten dies im Übrigen nicht richtig stellen können.
109 Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Behauptungen der Klägerinnen durch keinerlei Beweismittel untermauert werden. Soweit es das Vorbringen zu Organisation und Struktur der Total-Gruppe und zu den Befugnissen der einzelnen Gesellschaften der Gruppe betrifft, hätte der konkrete Beweis grundsätzlich erbracht werden können.
110 Die Klägerinnen haben allerdings im Anhang zur Klageschrift eine interne Notiz „Interne Befugnisse und Zahlungsverpflichtungen“ vorgelegt, mit der ihr Vorbringen gestützt werden sollte, dass die Muttergesellschaft sich darauf beschränkt habe, die wichtigsten Investitionen von Arkema gutzuheißen. Dieses Dokument war aber, wie die Kommission ohne Widerspruch seitens der Klägerinnen behauptet, in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht enthalten. Im Übrigen haben die Klägerinnen auf entsprechende Fragen in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass dieses Dokument im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt worden sei. Dem Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission des Gerichtshofs, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnr. 61, ist aber zu entnehmen, dass die Kommission, wenn sie sich auf die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme stützt, in der Folge dem Mutterunternehmen als Gesamtschuldner die Haftung für die Zahlung der gegen dessen Tochterunternehmen verhängten Geldbuße zuweisen kann, sofern die Beweise, die das Mutterunternehmen, dem es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, vorlegt, nicht für den Nachweis ausreichen, dass sein Tochterunternehmen auf dem Markt eigenständig auftritt. Damit konnte die Kommission zu Recht in Randnr. 272 der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss gelangen, dass die besagten Behauptungen nicht durch stichhaltige Beweise untermauert worden seien.
111 Zum anderen wären aber diese Behauptungen, selbst wenn man sie als bewiesen ansähe, auf jeden Fall nicht ausreichend, um die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme zu widerlegen, weil sie nämlich ausschließlich die Festlegung der Geschäftspolitik für PMMA betreffen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen sind nämlich bei der Prüfung der Frage, ob eine Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten autonom bestimmt, nicht nur die Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die die Geschäftspolitik für die vom Kartell betroffenen Erzeugnisse betreffen, sondern auch sämtliche im Zusammenhang mit ihren wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verbindungen zur Muttergesellschaft relevanten Gesichtspunkte (vgl. in diesem Sinne Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission des Gerichtshofs, oben in Randnr. 35 angeführt, Randnrn. 67, 68, 73 und 74, sowie die Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in dieser Rechtssache, Slg. 2009, I‑8241).
112 Im Übrigen enthalten bestimmte Darlegungen der Klägerinnen Indizien dafür, dass sie mit ihrer Muttergesellschaft eine einzige wirtschaftliche Einheit bildeten.
113 So räumen die Klägerinnen ein, dass Total und Elf Aquitaine die großen Investitionen ihrer Tochtergesellschaft billigen mussten. Die Ausübung einer solchen Befugnis stellt aber sehr wohl ein Indiz dafür dar, dass die Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten an den Interessen der Muttergesellschaft ausrichtet (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T‑54/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 547).
114 Ferner erwähnen die Klägerinnen mehrfach das Bestehen einer Chemieabteilung von Total. Auf eine schriftliche Frage des Gerichts haben die Klägerinnen bestätigt, dass vom Monat Mai 2000 bis zum Ende der Zeitspanne der Zuwiderhandlung die Chemieabteilung nicht nur Arkema und ihre Tochtergesellschaften, sondern auch andere Unternehmen der Total-Gruppe umfasste. Nach Beendigung der Fusion zwischen Total Fina und Elf Aquitaine seien die gesamten Chemietätigkeiten der alten Gruppen funktionell gesehen unter die Leitung von Arkema (damals Atofina) gestellt worden. Diese funktionelle Neuordnung sei jedoch nicht systematisch von einer Neuordnung des Kapitals begleitet worden. Eine solche Aufteilung der Gruppe in Abteilungen, die zudem noch die Kapitalverflechtungen zwischen den Gesellschaften der Gruppe außer Acht lässt, ist aber ein starkes Indiz dafür, dass die Koordinierung der Tätigkeiten dieser Abteilungen der Muttergesellschaft als Dach der Gruppe zusteht. Eine solche Aufgabe der Muttergesellschaft schließt ihrer Natur nach die Selbständigkeit des Marktverhaltens der Tochtergesellschaft aus (vgl. in diesem Sinne Urteile Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 113 angeführt, Randnr. 549, sowie Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Randnr. 107 angeführt, Randnr. 64).
115 Das Vorbringen wiederum, die PMMA-Tätigkeiten hätten nur einen sehr geringen Teil des Gesamtumsatzes von Total und Elf Aquitaine ausgemacht, kann nicht belegen, dass die Muttergesellschaft der Tochtergesellschaft bei der Festlegung ihres Marktverhaltens völlige Selbständigkeit gelassen hätte. Im Übrigen darf die Selbständigkeit einer Tochtergesellschaft gegenüber ihrer Muttergesellschaft, wie vorstehend ausgeführt, nicht ausschließlich im Hinblick auf ihre Tätigkeit im Bereich der kartellbetroffenen Erzeugnisse beurteilt werden. Folglich müsste, selbst wenn ein solches Vorbringen erheblich wäre, die Bedeutung von Arkema für ihre Muttergesellschaften insgesamt eingeschätzt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Randnr. 107 angeführt, Randnr. 66). Die Klägerinnen haben jedoch in dieser Richtung nichts vorgebracht.
116 Drittens ist das Vorbringen, die Gesamtkontrolle von Arkema durch Total und Elf Aquitaine sei eine andere als die Kontrolle von Arkema über ihre Tochtergesellschaften Altuglas und Altumax, zurückzuweisen. Zum einen handelt es sich wiederum um eine Behauptung, die nicht durch ausreichende Beweise für die Beziehungen zwischen den betroffenen Gesellschaften untermauert wird. Zum anderen würde, selbst wenn feststünde, dass Total und Elf Aquitaine weniger enge Beziehungen zu Arkema unterhielten als diese zu ihren eigenen Tochtergesellschaften, dies nicht ausreichen, um die Selbständigkeit des Marktverhaltens von Arkema nachzuweisen.
117 Viertens ist zu dem Vorbringen, die Neuordnung der Chemieabteilung der Total-Gruppe, die Gründung von Arkema 2004 und dann ihre Börseneinführung 2006 bestätigten deren Selbständigkeit, lediglich festzustellen, dass es sich um Gesichtspunkte handelt, die zeitlich später liegen als die Zeit der Zuwiderhandlung und folglich nicht die Selbständigkeit dieser Gesellschaft während dieser Zeit belegen können. Außerdem gibt die Wendung „Neuordnung der Chemieabteilung von Total“ zu verstehen, dass Total, was diese Chemieabteilung anlangt, eine Koordinierungsfunktion wahrnahm.
118 Fünftens ist das Vorbringen, nichts in den Akten belege, dass Arkema eine Anweisung oder Empfehlung von Elf Aquitaine oder von Total zur Geschäftspolitik auf dem Markt für Methacrylate erhalten habe, für sich genommen wirkungslos, weil die Selbständigkeit von Arkema nicht ausschließlich im Hinblick auf diesen Markt zu beurteilen ist. Im Übrigen erbringt, wie bereits entschieden wurde, der Umstand, dass in den Akten nichts belegt, dass die Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft Anweisungen gegeben hätte, keinen Beweis dafür, dass solche Anweisungen tatsächlich nicht gegeben worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 113 angeführt, Randnr. 545).
119 Sechstens und letztens ist das Vorbringen zu prüfen, der Standpunkt, der in der angefochtenen Entscheidung eingenommen worden sei, stehe im Widerspruch zu der früheren Praxis der Kommission, wie sie sich aus der Entscheidung Organische Peroxide ergebe, in der sie die Zuwiderhandlung von Arkema nicht Elf Aquitaine angelastet habe.
120 Insoweit ist festzustellen, dass sich aus der von den Klägerinnen angeführten Entscheidung Organische Peroxide (Randnrn. 373 bis 393) ergibt, dass die Kommission die Problematik der Haftung der Muttergesellschaft von Arkema nicht untersucht und sich insbesondere nicht zu der Frage ihrer Selbständigkeit im Verhältnis zu ihrer Muttergesellschaft geäußert hat. Mithin kann diese Entscheidung, selbst wenn man annimmt, der Sachverhalt in dieser Sache sei ähnlich wie der in der vorliegenden Sache, nicht als eine wie immer geartete Garantie für die Art und Weise angesehen werden, in der die Kommission die Beziehungen zwischen Arkema und ihren Muttergesellschaften bewertete, ebenso wenig übrigens für das Kriterium der Zurechenbarkeit, das für diese Unternehmensgruppe zu gelten hätte.
121 Im Übrigen ist die angefochtene Entscheidung nicht die erste, in der die Kommission die Verantwortung für eine Zuwiderhandlung von Arkema Elf Aquitaine angelastet hätte. In der Entscheidung K(2004) 4876 der Kommission vom 19. Januar 2005 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] und Art. 53 EWR (Sache COMP/E-1/37.773 – AMCA, im Folgenden: Entscheidung AMCA) hatte die Kommission bereits eine solche Zurechnung zulasten von Elf Aquitaine vorgenommen, und zwar gleichfalls auf der Grundlage der Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme auf ihre Tochtergesellschaft, die nicht widerlegt worden war.
122 Auf jeden Fall ist nach der Rechtsprechung die Kommission nicht verpflichtet, systematisch zu prüfen, ob das beanstandete Verhalten einer Tochtergesellschaft ihrer Muttergesellschaft angelastet werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T‑259/02 bis T‑264/02 und T‑271/02, Slg. 2006, II‑5169, Randnrn. 330 und 331, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C‑125/07 P, C‑133/07 P, C‑135/07 P und C‑137/07 P, Slg. 2009, I‑8681, Randnr. 82). Folglich könnte, selbst wenn man davon ausginge, dass die Klägerinnen und Elf Aquitaine auch zur Zeit der in der Entscheidung Organische Peroxide beanstandeten Zuwiderhandlung ein einheitliches Unternehmen gebildet hätten, der bloße Umstand, dass die Kommission nicht die Möglichkeit erwogen haben sollte, diese Entscheidung an die Muttergesellschaft der Klägerinnen zu richten und eine Geldbuße gegen sie zu verhängen, sie nicht daran hindern, dies im Einklang mit den von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätzen der Zurechenbarkeit im vorliegenden Fall zu tun.
123 Übrigens würde, selbst wenn die Kommission verpflichtet gewesen wäre, in der Entscheidung Organische Peroxide zu bedenken, ob die betreffende Zuwiderhandlung Elf Aquitaine zugerechnet werden könnte, der Umstand, dass sie es nicht getan hat, lediglich einen Fehler in dieser Sache belegen und könnte daher von den Klägerinnen im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg ins Feld geführt werden.
124 Demgemäß ist festzuhalten, dass die von den Klägerinnen vorgebrachten Gesichtspunkte auch als Ganzes gesehen nicht ausreichen, um die Vermutung zu widerlegen, dass Total und Elf Aquitaine tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften genommen haben.
125 Somit sind der gesamte zweite Teil dieses Klagegrundes und daher der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht und des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung bei der Anwendung der Zurechnungsregeln
126 Dieser Klagegrund gliedert sich in zwei Teile.
Zum ersten Teil: Verletzung der Begründungspflicht
– Vorbringen der Parteien
127 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe, weil die angefochtene Entscheidung keine Antwort auf alle Argumente von Arkema enthalte, mit denen die Selbständigkeit ihrer Geschäftspolitik hätte belegt werden sollen, die ihr obliegende Pflicht zur Begründung verletzt. Im Übrigen könnten auch die Erklärungen, die die Kommission in der Klagebeantwortung vorgebracht habe, diesem Fehler nicht abhelfen.
128 Zum einen weisen die Klägerinnen darauf hin, dass die Kommission nicht auf das gesamte Vorbringen von Arkema eingehe, das in Randnr. 269 der angefochtenen Entscheidung zusammengefasst werde. Sie enthalte sich insbesondere einer Antwort auf das Vorbringen, dass die Benennung der Mitglieder des Verwaltungsrats von Arkema durch Elf Aquitaine nicht von Hause aus eine bestimmende Einflussnahme beweise und dass Arkema bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik völlig selbständig gewesen sei, da sich die Pflicht zur Rechnungslegung auf allgemeine Informationen beschränkt habe, die im Rahmen der normalen Funktionsweise eines Konzerns mitgeteilt worden seien und hauptsächlich Rechnungs-, Finanz- und Rechnungsprüfungsfragen betroffen hätten.
129 Zum anderen weisen die Klägerinnen darauf hin, dass die Kommission nicht auf bestimmte Argumente eingehe, die Arkema in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte dieser übermittelt habe und die in der angefochtenen Entscheidung nicht einmal zusammengefasst würden. Es gehe hierbei um die Argumente, dass die Leiter von Total und Elf Aquitaine nie an den beanstandeten Praktiken beteiligt gewesen seien und die Kontrolle seitens der Muttergesellschaften darauf beschränkt gewesen sei, die wichtigsten Investitionen zuzulassen, und im Übrigen viel zu global, um die Selbständigkeit von Arkema insbesondere bei der Festlegung der Preise einzuschränken.
130 Die Kommission sei, auch wenn sie nicht alle während des Verwaltungsverfahrens behandelten rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte erörtern müsse, doch verpflichtet, die Begründetheit aller Argumente – und zwar insgesamt – zu prüfen, die zur Widerlegung der Vermutung der bestimmenden Einflussnahme vorgebracht worden seien. Jede andere Betrachtungsweise laufe auf die Einführung einer unwiderlegbaren Vermutung hinaus.
131 Im Übrigen sei das Fehlen der Begründung im vorliegenden Fall umso abträglicher, als zum einen die Sichtweise der Kommission eine Neuerung darstelle, wie diese in Randnr. 271 der angefochtenen Entscheidung selbst anerkenne, und zum anderen die Kommission für die anderen in der angefochtenen Entscheidung bezichtigten Tochtergesellschaften zusätzliche Indizien zur Stärkung der Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme angeführt habe. Nach der Rechtsprechung werde die auf der Kommission lastende Begründungspflicht verstärkt, wenn ihre Entscheidung spürbar weiter gehe als frühere Entscheidungen (Urteil des Gerichts vom 8. November 2001, Silos, C‑228/99, Slg. 2001, I‑8401, Randnr. 28; Beschlüsse des Gerichts vom 21. Januar 2004, FNSEA u. a./Kommission, T‑245/03, Slg. 2004, II‑271, Randnr. 52, und FNCBV/Kommission, T‑217/03, Slg. 2004, II‑239, Randnr. 66).
132 Die Kommission verneint, gegen ihre Begründungspflicht verstoßen zu haben.
– Würdigung durch das Gericht
133 Zur Begründungspflicht der Kommission ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die nach Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
134 Es ist ebenfalls bereits entschieden worden, dass eine Entscheidung zur Anwendung von Art. 81 EG, wenn sie eine Mehrzahl von Adressaten betrifft und sich die Frage stellt, wem die Zuwiderhandlung zuzurechnen ist, im Hinblick auf jeden der Adressaten hinreichend begründet sein muss, insbesondere aber im Hinblick auf diejenigen, denen die Zuwiderhandlung in der Entscheidung zur Last gelegt wird (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, T‑327/94, Slg. 1994, II‑1373, Randnr. 78, und vom 27. September 2006, Akzo Nobel/Kommission, T‑330/01, Slg. 2006, II‑3389, Randnr. 93). Daraus folgt, dass die angefochtene Entscheidung, um in Bezug auf die Muttergesellschaften der Klägerinnen ausreichend begründet zu sein, eine eingehende Darstellung der Gründe enthalten musste, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, diesen Gesellschaften die Zuwiderhandlung zuzurechnen (vgl. in diesem Sinne Urteil SCA Holding/Kommission, Randnr. 80).
135 Im Übrigen müssen die Klägerinnen, soweit sich diese Zurechnung auf ihre Lage auswirkt, weil sie dieser Zurechnung im Verwaltungsverfahren entgegengetreten sind und daher ein Interesse daran haben, die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt anzugreifen, in die Lage versetzt werden, ganz wie ihre Muttergesellschaften die Rechtfertigung für den Standpunkt der Kommission zu erfahren.
136 Daraus ergibt sich, dass die Entscheidung, wenn wie im vorliegenden Fall die Kommission die Zurechnung der Zuwiderhandlung auf die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme stützt und die betreffenden Gesellschaften im Verwaltungsverfahren Gesichtspunkte vorgebracht haben, die diese Vermutung widerlegen sollen, eine ausreichende Zusammenfassung der Gründe für die Stichhaltigkeit des Standpunkts enthalten muss, dass diese Gesichtspunkte für eine Widerlegung dieser Vermutung nicht ausreichend waren.
137 Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte insbesondere dargelegt, dass Arkema während der gesamten Zeit der Zuwiderhandlung über eine wirkliche Selbständigkeit bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik verfügt habe. Zur Stützung dieses Vorbringens haben die Klägerinnen im Kern die gleichen Argumente vorgebracht, die bereits im Rahmen des zweiten Klagegrundes geprüft wurden.
138 Die Kommission hat, wie sich aus der bisherigen Begründung dieses Urteils ergibt, zu diesem Vorbringen in Randnr. 272 der angefochtenen Entscheidung wie folgt Stellung genommen: „Die übrigen Argumente [waren] bloße Behauptungen ohne Beweise, die ausgereicht hätten, die Vermutung der Verantwortlichkeit von Total und Elf Aquitaine für die Handlungen ihrer Tochtergesellschaft Arkema zu widerlegen“. Die Klägerinnen vertreten daher zu Unrecht die Auffassung, die Kommission sei nicht auf ihr in Randnr. 269 unter Buchst. c der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenes Vorbringen eingegangen, dem zufolge Arkema bei ihrer Geschäftspolitik und ihrem Marktverhalten völlig selbständig gewesen sei.
139 Im Übrigen ist zu entscheiden, dass diese Stellungnahme in Randnr. 272 der angefochtenen Entscheidung unter den Umständen des vorliegenden Falles den in der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen entspricht.
140 Die Kommission hat damit nämlich den Grund erklärt, warum sie davon ausgegangen ist, dass die von den Klägerinnen und ihren Muttergesellschaften vorgebrachten Gesichtspunkte nicht ausgereicht hätten, um die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme zu widerlegen. Die angefochtene Entscheidung hat diesen somit die erforderlichen Hinweise geliefert, die ihnen die Wahrnehmung ihrer Rechte ermöglicht haben. Die Klägerinnen haben insbesondere entweder die Richtigkeit dieser Darstellung mit der Begründung bestreiten können, dass sie ihre Behauptungen mit ausreichenden Beweisen belegt hätten, oder deren Erheblichkeit in Abrede stellen können, weil dieses Vorbringen selbst ohne entsprechende Beweise im vorliegenden Fall ausreiche, diese Vermutung zu widerlegen. Diese Begründung gewinnt erst an Profil, wenn man sie mit der den Klägerinnen bekannten Passage der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte konfrontiert, die auf keinerlei Beweisstück zur Stützung der in ihr enthaltenen Behauptungen verweist (vgl. Randnrn. 102 ff. dieses Urteils).
141 Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, worauf die Kommission zu Recht hinweist, dass sie zwar gemäß Art. 253 EG verpflichtet ist, ihre Entscheidungen zu begründen und die tatsächlichen und rechtlichen Anhaltspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme abhängt, sowie die Erwägungen zu nennen, die sie zum Erlass ihrer Entscheidung bewogen haben, dass sie jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Fragen einzugehen braucht, die von den Beteiligten während des Verwaltungsverfahrens vorgebracht wurden (Urteil des Gerichtshofs vom 10. Dezember 1985, Stichting Sigarettenindustrie u. a./Kommission, 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82, Slg. 1985, 3831, Randnr. 88, und Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991, Atochem/Kommission, T‑3/89, Slg. 1991, II‑1177, Randnr. 222). Wenn die Kommission daher auch in ihrer Entscheidung angeben muss, aus welchen Gründen sie der Auffassung ist, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte die Vermutung der bestimmenden Einflussnahme nicht widerlegen könnten, so bedeutet dies jedoch nicht, dass sie verpflichtet wäre, in jedem Fall jeden der von den betreffenden Unternehmen vorgebrachten Gesichtspunkte im Einzelnen zu erörtern. Eine globale Antwort, wie sie im vorliegenden Fall gegeben wurde, kann je nach den Umständen des Einzelfalls ausreichen, damit das Unternehmen seine Rechte sinnvoll verteidigen und das Gericht seine Kontrolle ausüben kann.
142 Nicht entscheidend ist, dass in Randnr. 269 der angefochtenen Entscheidung nicht das gesamte Vorbringen von Arkema wiedergegeben ist.
143 Zum einen stimmt das Vorbringen, dass die Kontrolle der Muttergesellschaften sich darauf beschränkt habe, die wichtigsten Investitionen gutzuheißen, und viel zu global gewesen sei, um die Selbständigkeit von Arkema insbesondere bei der Festlegung der Preise einzuschränken, mit dem anderen in Randnr. 269 unter Buchst. c der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Vorbringen überein, dass „Atofina vollständige Autonomie in ihrer Geschäftspolitik und ihrem Marktverhalten [genoss]“, auf das in Randnr. 272 der angefochtenen Entscheidung eingegangen wird. Im Übrigen ist festzustellen, dass in den Randnrn. 115 und 117 der Antwort der Klägerinnen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die dieses Argument enthielt, keinerlei Dokument zu ihrer Stützung angeführt wurde. Die Klägerinnen konnten daher verstehen, dass die Behauptung der Kommission in Randnr. 272 der angefochtenen Entscheidung zugleich eine Antwort auf dieses Vorbringen war.
144 Was das Vorbringen anlangt, die Leiter von Total und Elf Aquitaine seien niemals in die beanstandeten Praktiken verwickelt gewesen, ergibt sich zum anderen aus der Antwort der Klägerinnen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte (vgl. insbesondere Randnrn. 91 bis 105), dass sie dies in den Randnrn. 99 bis 101 nicht vorgebracht haben, um die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme zu widerlegen, sondern um zu belegen, dass „eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an den beanstandeten Praktiken Elf Aquitaine oder Total nicht vorgeworfen werden kann“. Der bisherigen Begründung dieses Urteils ist zu entnehmen, dass die Kommission sich hierauf nicht gestützt hat, um den Muttergesellschaften der Klägerinnen die streitige Zuwiderhandlung zuzurechnen. Folglich kann es keine Verletzung der Begründungspflicht darstellen, wenn sie dieses Vorbringen in der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt hat.
145 Wenn die Kommission auf das in Randnr. 269 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebene Argument, dass die Ernennung der Mitglieder des Verwaltungsrats von Arkema durch Elf Aquitaine nicht die Ausübung einer effektiven Kontrolle beweise, nicht ausdrücklich eingegangen sein soll, ist zu unterstreichen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht vorgegeben hat, dass dieser Gesichtspunkt ein ausreichender Grund sei, um den Muttergesellschaften der Klägerinnen die beanstandete Zuwiderhandlung zuzurechnen. Zwar hat die Kommission in Randnr. 264 der angefochtenen Entscheidung erwähnt, dass „[d]ie Mitglieder des Verwaltungsrats von Arkema … von Elf Aquitaine ernannt wurden …“ und dass dies zusammen mit der Kapitalverflechtung der beiden Gesellschaften die Vermutung zulasse, dass Elf Aquitaine einen bestimmenden Einfluss auf und eine effektive Kontrolle über das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft Arkema gehabt habe. Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich jedoch, wie in den Randnrn. 68 und 69 dieses Urteils ausgeführt, dass dieser Gesichtspunkt nur ganz hilfsweise Erwähnung fand und nicht ursächlich dafür war, dass die beanstandete Zuwiderhandlung den Muttergesellschaften der Klägerinnen zugerechnet wurde. Folglich hat das Fehlen einer ausdrücklichen Antwort auf dieses Vorbringen die Klägerinnen nicht daran gehindert, die Gründe für diese Zurechnung zu erfahren, und auch nicht, sie vor dem Gericht anzugreifen.
146 Im Übrigen ist zu der aus dem Wortlaut von Randnr. 271 der angefochtenen Entscheidung abgeleiteten Rüge darauf hinzuweisen, dass die Kommission dort Folgendes festgestellt hat:
„Dass die Kommission in einer früheren Sache ihre Entscheidung ausschließlich an Atofina gerichtet hat, hindert sie für sich genommen nicht, ihre Entscheidung im vorliegenden Fall sowohl an Atofina als auch Total/Elf Aquitaine zu richten. Die Kommission verfügt bei der Zurechnung der Verantwortung an eine Muttergesellschaft unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles über einen Ermessensspielraum … und wenn sie diesen bei einer früheren Entscheidung nicht genutzt hat, verpflichtet dies sie nicht, dies auch im vorliegenden Fall nicht zu tun.“
147 Es ist festzustellen, dass mit dieser Passage keineswegs eingeräumt wird, dass die Kommission im vorliegenden Fall einen neuen Standpunkt eingenommen habe, wie die Klägerinnen meinen. Die Behauptung der Kommission soll lediglich dem Vorbringen in Randnr. 268 der angefochtenen Entscheidung begegnen, in einer früheren an Arkema gerichteten Entscheidung (Organische Peroxide) habe eine solche Zurechnung ihres Verhaltens an ihre Muttergesellschaft gefehlt. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme ausschließlich aufgrund einer Kapitalverflechtung von der Kommission bereits in der Entscheidung AMCA verwendet worden ist, in der sie eine Zuwiderhandlung von Arkema Elf Aquitaine zugerechnet hatte.
148 Auf jeden Fall verlangt die von den Klägerinnen angeführte Rechtsprechung lediglich, dass die Kommission, wenn sie im Rahmen ihrer Entscheidungspraxis eine Entscheidung trifft, die spürbar weiter geht als frühere Entscheidungen, ihre Argumentation ausdrücklich darlegt. In einem solchen Fall reicht es daher nicht aus, dass sie eine pauschale Begründung gibt, vor allem nicht auf dem Hintergrund einer ständigen Entscheidungspraxis (vgl. in diesem Sinne Urteil Silos, oben in Randnr. 131 angeführt, Randnr. 28). Wie sich indessen aus der bisherigen Begründung dieses Urteils ergibt, ist die Kommission in der angefochtenen Entscheidung auf das Vorbringen von Arkema eingegangen, mit dem diese die Selbständigkeit ihrer Geschäftspolitik belegen wollte.
149 Es muss ferner ohne Bedeutung für das Ausreichen der Begründung gegenüber den Klägerinnen bleiben, dass die Kommission bei anderen von der angefochtenen Entscheidung betroffenen Tochtergesellschaften auf das Vorliegen ergänzender Indizien zur Verstärkung der Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme hingewiesen hat. Aus der bisherigen Begründung dieses Urteils ergibt sich übrigens (vgl. Randnrn. 68 und 69 dieses Urteils), dass diese ergänzenden Gesichtspunkte nur höchst hilfsweise angeführt worden sind.
150 Folglich ist der erste Teil dieses Klagegrundes zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes: Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung
– Vorbringen der Parteien
151 Die Klägerinnen verweisen darauf, dass die Kommission aufgrund der Rechtsprechung nach dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichtet sei, alle erheblichen Gesichtspunkte des einzelnen Falles mit Sorgfalt und Unparteilichkeit zu prüfen. Dieser Pflicht komme grundlegende Bedeutung in solchen Verwaltungsverfahren zu, in denen die Organe, um ihre Aufgaben erfüllen zu können, über einen Entscheidungsspielraum verfügten wie etwa in Wettbewerbssachen.
152 Im vorliegenden Fall habe die Kommission die erheblichen Gesichtspunkte des vorliegenden Falles nicht sorgfältig untersucht, weil sie sich auf eine einfache Vermutung der Beherrschung gestützt und, wie bereits dargelegt, nicht auf das Vorbringen von Arkema zur Widerlegung dieser Vermutung eingegangen sei (insbesondere zur Unerheblichkeit der Ernennung der Mitglieder des Verwaltungsrats durch Elf Aquitaine und zur geschäftlichen Selbständigkeit von Arkema); damit habe sie gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen.
153 Die Klägerinnen treten sodann dem Vorbringen der Kommission entgegen, diese Rüge stimme mit der Rüge fehlender Begründung überein. Sie unterstreichen, dass der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung sich von der Begründungspflicht unterscheide und eine andere Zielrichtung habe.
154 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
– Würdigung durch das Gericht
155 Nach ständiger Rechtsprechung hat in den Fällen, in denen der Kommission ein Ermessensspielraum eingeräumt ist, damit sie ihre Aufgaben erfüllen kann, die Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, eine umso grundlegendere Bedeutung. Zu diesen Garantien gehört insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteile des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, Slg. 1991, I‑5469, Randnr. 14, und des Gerichts vom 24. Januar 1992 La Cinq/Kommission, T‑44/90, Slg. 1992, II‑1, Randnr. 86). Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2000, Volkswagen/Kommission, T‑62/98, Slg. 2000, II‑2707, Randnr. 269).
156 Zur Stützung dieser Rüge bringen die Klägerinnen lediglich vor, die Kommission habe sich auf eine bloße Vermutung der bestimmenden Einflussnahme der Muttergesellschaften auf die Klägerinnen gestützt und sei auf das Vorbringen von Arkema zur Widerlegung dieser Vermutung, insbesondere zur Unerheblichkeit der Ernennung der Mitglieder ihres Verwaltungsrats durch Elf Aquitaine und zur geschäftlichen Selbständigkeit von Arkema, nicht eingegangen.
157 Der bisherigen Begründung dieses Urteils ist aber zunächst zu entnehmen, dass der Rückgriff auf eine solche Vermutung durchaus rechtens ist. Ferner erlaubt, wie die Prüfung des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes ergibt, die Durchsicht der entsprechenden Passagen der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung die Feststellung, dass die Kommission auf das maßgebliche Vorbringen der Klägerinnen, insbesondere auf das zur geschäftlichen Selbständigkeit von Arkema (angeführt in Randnr. 269 Buchst. c der angefochtenen Entscheidung, mit der Antwort dort in Randnr. 272), erwidert hat. Dabei ist zu unterstreichen, dass die Bündigkeit der dort gegebenen Begründung, wonach „[d]ie übrigen Argumente bloße Behauptungen ohne Beweise [sind], die für eine Widerlegung der Vermutung ausgereicht hätten“, für sich allein nicht die Feststellung einer Verletzung der Pflicht erlaubt, die maßgeblichen Gesichtspunkte, die sich aus dem Verwaltungsverfahren ergeben, sorgfältig und unparteiisch zu prüfen. Im Übrigen ergibt sich aus der bisherigen Begründung dieses Urteils (vgl. Randnrn. 102 ff. dieses Urteils), dass die in Randnr. 272 der angefochtenen Entscheidung angeführte Behauptung zutrifft, was eine sorgfältige und unparteiische Prüfung seitens der Kommission voraussetzt.
158 Zu dem weiteren Vorbringen, dass die Ernennung der Mitglieder des Verwaltungsrats von Arkema durch Elf Aquitaine für sich allein nicht die Ausübung einer Kontrolle beweise, genügt es festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nichts Gegenteiliges behauptet hat. Die bestimmende Einflussnahme auf die Klägerinnen durch ihre Muttergesellschaften ist nämlich auf der Grundlage einer Vermutung festgestellt worden, die während des Verwaltungsverfahrens nicht widerlegt worden ist. Die Ernennung der Mitglieder des Verwaltungsrats von Arkema durch Elf Aquitaine ist, wie bereits dargelegt, in diesem Zusammenhang höchst hilfsweise erwähnt worden. Unter diesen Umständen stellt es daher keine Verletzung der Pflicht zu ordnungsgemäßer Verwaltung dar, dass die Kommission auf dieses Vorbringen nicht gesondert eingegangen ist.
159 Außerdem ist zu unterstreichen, dass die Klägerinnen neben dem Wortlaut der angefochtenen Entscheidung keinen weiteren Gesichtspunkt zur Stützung ihrer Rüge vorbringen.
160 Folglich ist der zweite Teil dieses Klagegrundes und somit der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
Zum vierten Klagegrund: Verkennung des Kriteriums der konkreten Auswirkung auf den Markt bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße auf 65 Mio. Euro
Vorbringen der Parteien
161 Mit diesem Klagegrund rügen die Klägerinnen, die Kommission habe mit der Festsetzung des Grundbetrags der gegen sie verhängten Geldbuße auf 65 Mio. Euro das Kriterium der konkreten Auswirkung auf den Markt verkannt, wie es in Abschnitt 1 A Abs. 1 der Leitlinien angeführt sei.
162 Die Klägerinnen machen zunächst geltend, der Grundbetrag der Geldbuße, d. h. 65 Mio. Euro, sei überhöht, weil die Zuwiderhandlung nur eine sehr beschränkte Auswirkung auf den Markt gehabt habe.
163 Hierzu bringen sie erstens vor, entgegen der Behauptung der Kommission in Randnr. 329 der angefochtenen Entscheidung sei die Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt messbar. Diese hätte daher nach der Rechtsprechung und nach den Leitlinien bei der Ermittlung der Schwere der Zuwiderhandlung Berücksichtigung finden müssen.
164 Nach ständiger Rechtsprechung müsse nämlich die Kommission, um die konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf den Markt zu beurteilen, auf den Wettbewerb abstellen, den es normalerweise ohne die Zuwiderhandlung gegeben hätte. Dies setze mithin voraus, dass man die Entwicklung der Wettbewerbslage auf dem betreffenden Markt während der Zeit der Zuwiderhandlung kenne und diese Entwicklung mit den Daten exogener Märkte vergleichen könne.
165 Sie hätten der Kommission in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die hierzu erforderlichen Daten geliefert, nämlich eingehende Auskünfte über die Entwicklung der Preise der drei betroffenen PMMA-Produkte von 1995 bis 2003 einschließlich eines Vergleichs mit der Entwicklung der Preise ihrer Rohstoffe. Außerdem hätte die Auswirkung der Zuwiderhandlung auch anhand der Informationen über die Entwicklung der Marktanteile verschiedener Erzeuger während der Zuwiderhandlung gemessen werden können, die im Besitz der Kommission gewesen seien, wie die Abfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte zeige.
166 Zweitens wäre die Kommission, wenn sie eine Quantifizierung der Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt vorgenommen hätte, notwendig zu dem Schluss gelangt, dass diese Auswirkung beschränkt gewesen sei, und hätte dann den Grundbetrag der Geldbuße von Arkema niedriger als 65 Mio. Euro festgesetzt.
167 Die konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlung sei notwendig gering gewesen, weil die Preisentwicklung bei den betreffenden Produkten eng mit der bei den für deren Herstellung verwendeten Rohstoffen verknüpft gewesen sei, bei denen keine Zuwiderhandlung festgestellt worden sei, wie sich aus den Schemata ergebe, die Arkema in der Anlage zu ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegt habe.
168 Überdies habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung selbst anerkannt, dass die Zuwiderhandlung nur eine höchst beschränkte Auswirkung auf die betreffenden Märkte gehabt habe. So habe sie in Randnr. 106 der angefochtenen Entscheidung bei der allgemeinen Beschreibung der Durchführung der Absprachen eingeräumt, dass die vereinbarten Preiserhöhungen nicht immer hätten durchgesetzt werden können. Ebenso ergebe sich aus mehreren Randnummern, die jeweils den drei betreffenden Produkten gewidmet seien, dass die bei verschiedenen Sitzungen vereinbarten Preiserhöhungen nicht hätten durchgeführt werden können oder nur eine sehr beschränkte Wirkung gehabt hätten.
169 Im Übrigen stellen die Klägerinnen in ihrer Erwiderung auf das Vorbringen der Kommission klar, dass sie nicht bestreiten, dass die auch nur teilweise Durchführung einer Absprache ein Indiz für das Vorliegen einer konkreten Auswirkung einer solchen Absprache auf den Markt sein, und auch nicht, dass das betreffende Kartell eine bestimmte Auswirkung auf den PMMA-Markt haben könne. Sie sind jedoch der Auffassung, dass die Kommission, wenn sie diese Auswirkung quantifiziert hätte, notwendig zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass diese gering gewesen sei.
170 Zweitens machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe die Begründungspflicht verletzt sowie gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, weil sie davon ausgegangen sei, dass die konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlung bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße keine Berücksichtigung finden dürfe.
171 Die Klägerinnen unterstreichen hierzu erstens, dass die Kommission sich mit der Behauptung begnügt habe, die Auswirkungen der Zuwiderhandlung seien nicht messbar gewesen, ohne auch nur den geringsten Anhaltspunkt zur Stützung dieser Behauptung anzuführen, obwohl Arkema während des Verwaltungsverfahrens zahlreiche Gesichtspunkte zur Preisentwicklung geliefert habe.
172 Nach Auffassung der Klägerinnen hat die Kommission nachzuweisen, ob die Auswirkungen der Zuwiderhandlung messbar sind oder nicht, insbesondere wenn wie im vorliegenden Fall die Beteiligten des Verwaltungsverfahrens Anhaltspunkte für die Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf die betreffenden Märkte beibringen. Anderenfalls brauchte die Kommission nur zu behaupten, dass die Auswirkungen der Zuwiderhandlung nicht messbar seien, um sich von der Berücksichtigung dieser Auswirkung bei der Festlegung des Grundbetrags der Geldbuße freizumachen.
173 Die Klägerinnen machen zweitens geltend, die Kommission habe auch die Begründungspflicht verletzt und gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, weil sie nicht auf das Vorbringen von Arkema in deren Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eingegangen sei, mit dem habe belegt werden sollen, dass die Auswirkung der Zuwiderhandlung auf die betreffenden Märkte beschränkt gewesen sei.
174 Im Ergebnis beantragen die Klägerinnen, das Gericht solle die entsprechenden Festlegungen der angefochtenen Entscheidung für nichtig erklären und in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung wegen der beschränkten Auswirkung der Zuwiderhandlung auf die betreffenden Märkte den Grundbetrag ihrer Geldbuße niedriger festzusetzen, als es die Kommission getan habe.
175 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
Würdigung durch das Gericht
176 Nach Abschnitt 1 A Abs. 1 der Leitlinien sind „bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen“.
177 Mit dem vorliegenden Klagegrund bringen die Klägerinnen im Kern vor, dass entgegen der Behauptung der Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt messbar gewesen sei. Wenn die Kommission diese Auswirkung quantifiziert hätte, wäre sie notwendig zu dem Ergebnis gekommen, dass diese gering gewesen sei, und hätte den Grundbetrag der Geldbuße von Arkema auf weniger als 65 Mio. Euro festgesetzt. Die Klägerinnen rügen weiter, dass die Kommission auch die Begründungspflicht verletzt und gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen habe, weil sie ihre Behauptung, die Auswirkung sei nicht messbar gewesen, nicht belegt habe und nicht auf das Vorbringen von Arkema in deren Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eingegangen sei.
178 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten. Zu den Faktoren, die im Rahmen der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen berücksichtigt werden können, gehören das Verhalten jedes einzelnen Unternehmens, die Rolle, die jedes Unternehmen bei der Abstimmung der Verhaltensweisen gespielt hat, der Gewinn, den die Unternehmen aus diesen Verhaltensweisen ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betroffenen Waren sowie die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen für die Ziele der Europäischen Gemeinschaft bedeuten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 241 und 242 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, Slg. 2009, I‑7415, Randnr. 96).
179 Somit sind die Auswirkungen einer wettbewerbswidrigen Praxis für sich genommen bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der Geldbuße kein ausschlaggebendes Kriterium. Insbesondere können Gesichtspunkte, die die Intention eines Verhaltens betreffen, danach größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen, vor allem, wenn es sich, wie hier, dem Wesen nach um schwere Zuwiderhandlungen wie die Marktaufteilung handelt (vgl. Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 178 angeführt, Randnr. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).
180 Zu diesem Punkt ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung Kartelle aufgrund ihres Wesens die schwersten Geldbußen verdienen. Die Frage nach ihren möglichen konkreten Auswirkungen auf den Markt, insbesondere die Frage, inwieweit die Wettbewerbsbeschränkung zu einem höheren Marktpreis geführt hat als dem, der ohne Kartell zu erzielen gewesen wäre, ist für die Bestimmung der Höhe der Geldbußen kein entscheidendes Kriterium (Urteil des Gerichts vom 6. Mai 2009, KME Germany u. a./Kommission, T‑127/04, Slg. 2009, II‑1167, Randnr. 64). Die drei Aspekte der Bewertung der Schwere des Verstoßes haben nämlich im Rahmen der Gesamtprüfung nicht das gleiche Gewicht. Die Art der Zuwiderhandlung spielt insbesondere bei der Einstufung der Zuwiderhandlungen als „besonders schwer“ eine vorrangige Rolle (Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Carbone‑Lorraine/Kommission, T‑73/04, Slg. 2008, II‑2661, Randnr. 91).
181 Aus den Leitlinien geht, wie vom Gerichtshof entschieden, auch hervor, dass horizontale Preis- und Marktaufteilungskartelle allein aufgrund ihrer Eigenart als besonders schwere Zuwiderhandlungen eingestuft werden können, ohne dass die Kommission konkrete Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt nachweisen müsste. In diesem Fall sind die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung nur ein Kriterium neben anderen, das der Kommission, wenn es messbar ist, erlauben kann, den Grundbetrag der Geldbuße über den voraussichtlichen Mindestbetrag von 20 Mio. Euro zu erhöhen (Urteile Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 178 angeführt, Randnr. 75, und Erste Group Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 122 angeführt, Randnr. 103). Der Gerichtshof hat daher unterstrichen, dass die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung ein fakultatives Element seien, das die Kommission, wenn sie es für angebracht halte, bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigen könne (vgl. in diesem Sinne Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 178 angeführt, Randnr. 82).
182 Die Kommission ist, auch wenn sie in den Leitlinien ihre Vorgehensweise bei der Bewertung der Schwere eines Verstoßes präzisiert hat, nicht daran gehindert, die Schwere umfassend anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls einschließlich der Gesichtspunkte zu beurteilen, die in den Leitlinien nicht ausdrücklich erwähnt sind (Urteil Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, oben in Randnr. 122 angeführt, Randnr. 237).
183 Angesichts dieser Rechtsprechung kann das Vorbringen der Klägerinnen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, soweit diese die Festsetzung des Grundbetrags betrifft, nicht in Frage stellen.
184 Zum einen ergibt sich daraus nämlich, dass, selbst wenn die Auswirkungen der streitigen Zuwiderhandlung auf die Preisentwicklung, wie die Klägerinnen meinen, beschränkt gewesen sein sollten, ihre Einstufung als sehr schwere Zuwiderhandlung im Hinblick auf ihre Natur und ihre räumliche Ausdehnung (das gesamte EWR-Gebiet) weiterhin angemessen wäre. Im Übrigen ist hervorzuheben, dass die Kommission in ihrer Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung in Randnr. 331 der angefochtenen Entscheidung die Zuwiderhandlung „angesichts ihrer Natur und weil sie das gesamte EWR-Gebiet abdeckte“ als sehr schwer bezeichnet hat. Somit hat das Kriterium der konkreten Auswirkung auf den Markt bei der Einstufung der Zuwiderhandlung keine Rolle gespielt.
185 Zum anderen lässt nichts in der angefochtenen Entscheidung erkennen, dass die Kommission, wenn sie die Auswirkungen des Kartells auf den Markt für gering gehalten hätte, den Grundbetrag der Geldbuße von Arkema auf weniger als 65 Mio. Euro angesetzt hätte.
186 Insoweit hat die Kommission, auch wenn sie erklärt hat, dass das betreffende Kartell aufgrund der Durchführung der Absprachen und der Praktiken über die Preise sehr wohl Auswirkungen auf den Markt gehabt habe (vgl. Randnrn. 321 und 329 der angefochtenen Entscheidung), sofort klargestellt, dass „[i]m vorliegenden Verfahren die konkrete Auswirkung [der Zuwiderhandlung] auf den Markt nicht festzustellen war … und folglich die Kommission sich im Einklang mit den Leitlinien, denen zufolge die konkrete Auswirkung zu berücksichtigen ist, wenn sie messbar ist, nicht besonders auf eine Auswirkung im Einzelnen stützen [wird],“ (Randnr. 321) und dass „die Wirkungen [des betreffenden Kartells auf den Markt] nicht genau messbar sind“. Im Übrigen erwähnt ihre Schlussfolgerung zur Schwere der Zuwiderhandlung in Randnr. 331 der angefochtenen Entscheidung nicht das Kriterium der konkreten Auswirkung auf den Markt.
187 Daher ist festzustellen, dass dieser Gesichtspunkt bei der Bemessung der Geldbuße nicht berücksichtigt worden ist.
188 Im Übrigen ist zu unterstreichen, dass die Klägerinnen nicht vorgeben, die Kommission hätte aufgrund der Daten, über die sie verfügt habe, die fehlenden Auswirkungen des betreffenden Kartells auf den Markt feststellen müssen. Sie räumen ein, dass die Zuwiderhandlung gewisse Auswirkungen auf den Markt gehabt haben könnte, halten diese aber für begrenzt (vgl. Randnr. 169 dieses Urteils). Selbst wenn aber nun die Kommission für die Bemessung der Geldbuße ihre Feststellung in Rechnung gestellt hätte, dass das Kartell Auswirkungen auf den Markt gehabt habe, weist doch nichts darauf hin, dass sie diese übertrieben hätte.
189 Ebenso kann nicht behauptet werden, dass der für die Geldbuße der Klägerinnen veranschlagte Grundbetrag notwendig auf die Berücksichtigung bedeutender Auswirkungen des betreffenden Kartells auf den Markt zurückgehe, weil dieser weit höher ist als der Mindestbetrag, den die Leitlinien für sehr schwere Zuwiderhandlungen vorsehen (d. h. 20 Mio. Euro). Wie sich aus der bisherigen Urteilsbegründung ergibt, stellt nämlich die konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlung nur ein Kriterium neben anderen dar, das der Kommission, erlauben kann, den Grundbetrag der Geldbuße über diesen hinaus zu erhöhen.
190 So ist im vorliegenden Fall der Grundbetrag namentlich auf die Eigenart der Zuwiderhandlung gestützt, die anhand ihrer hauptsächlichen Merkmale, wie sie in Abschnitt 4.2 der angefochtenen Entscheidung (vgl. Randnr. 320 der angefochtenen Entscheidung) dargelegt sind, der Größe des betreffenden räumlichen Marktes, also des Gebiets des EWR (vgl. Randnr. 330 der angefochtenen Entscheidung), und der Anwendung einer differenzierten Behandlung auf diese Unternehmen, ermittelt wurde, um ihre wirkliche wirtschaftliche Durchsetzungskraft für eine wirkliche Schädigung des Wettbewerbs berücksichtigen zu können, die aufgrund der ermittelten Umsätze von PMMA-Produkten eingeschätzt wurde, wegen denen sie sich an diesem Kartell beteiligt hatten (vgl. Randnrn. 332 bis 334 der angefochtenen Entscheidung). Im letztgenannten Zusammenhang hat die Kommission auch den in Volumen und Wert ausgedrückten Gesamtumfang des Marktes für PMMA-Produkte erwähnt (vgl. Randnr. 333 der angefochtenen Entscheidung).
191 Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes rügen die Klägerinnen die Überhöhung des Grundbetrags der Geldbuße nur in Beziehung auf das Kriterium der konkreten Auswirkung auf den Markt. Wie der bisherigen Begründung des Urteils zu entnehmen, ist dieses Vorbringen für sich genommen für die Infragestellung des Grundbetrags der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße wirkungslos.
192 Daraus folgt ebenfalls, dass es nicht erheblich ist, dass die Fassung der angefochtenen Entscheidung nicht im Einzelnen erkennen lässt, weshalb die Kommission der Meinung war, dass es aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Informationen nicht möglich sei, die konkreten Auswirkungen der streitigen Zuwiderhandlung auf den Markt zu messen. Dieser Umstand hat nämlich keine Auswirkung für die Einstufung als schwere Zuwiderhandlung noch für den Grundbetrag, der bei der Geldbuße der Klägerinnen zugrunde gelegt wurde.
193 Außerdem ergibt sich aus der bisherigen Begründung des Urteils, dass das Vorbringen der Begrenztheit der Auswirkung des betreffenden Kartells auf den Markt eine Herabsetzung der Geldbuße im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung nicht rechtfertigen kann.
194 Damit ist dieser Klagegrund und der entsprechende Antrag der Klägerinnen auf Herabsetzung der Geldbuße zurückzuweisen.
Zum fünften Klagegrund: Vorliegen rechtlicher und tatsächlicher Beurteilungsfehler bei der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung
195 Mit diesem Klagegrund treten die Klägerinnen der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung entgegen und beantragen, das Gericht möge die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt für nichtig erklären, hilfsweise, die Erhöhung aus diesem Grund wesentlich herabsetzen.
196 Dieser Rechtsmittelgrund gliedert sich in drei Teile. Außerdem haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung eine zusätzliche Rüge vorgebracht, die sich gegen die in Rede stehende Erhöhung richtet.
Zum ersten Teil dieses Klagegrundes: Fehlende Berechtigung der Kommission zur Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung anhand des Umsatzes von Total, der die Zuwiderhandlung nicht zuzurechnen war
– Vorbringen der Parteien
197 Die Klägerinnen machen geltend, der Kommission sei ein rechtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, weil sie für die abschreckende Wirkung einen Multiplikationsfaktor 3 auf der Grundlage des Umsatzes von Total herangezogen habe, obwohl die Zuwiderhandlung diesem Unternehmen nicht zuzurechnen sei. Ihrer Meinung nach hätte eine Erhöhung der Geldbuße wegen der abschreckenden Wirkung, falls sie denn notwendig gewesen sei, nur auf die Größe und die Mittel von Arkema gestützt werden dürfen.
198 Die Kommission habe aber ausdrücklich anerkannt, dass ein Multiplikationsfaktor 3 in einem solchen Fall übertrieben wäre. Bei der Festlegung des Teils der allein Arkema wegen des Rückfalls zuzurechnenden Geldbuße habe die Kommission angegeben, dass sie „einen Multiplikationsfaktor 1,25“ angewandt hätte, wenn Arkema der einzige Adressat der angefochtenen Entscheidung gewesen wäre (Fn. 250 der angefochtenen Entscheidung).
199 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
– Würdigung durch das Gericht
200 Es genügt die Feststellung, dass dieser Teil des vorliegenden Klagegrundes gänzlich auf der Prämisse beruht, dass die streitige Zuwiderhandlung nicht den Muttergesellschaften von Arkema angelastet werden könne. Diese Prämisse trifft aber, wie der bisherigen Begründung des Urteils zu entnehmen ist, nicht zu.
201 Folglich ist der erste Teil dieses Klagegrundes zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes: Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung
– Vorbringen der Parteien
202 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe, selbst wenn man davon ausgehe, dass die Zuwiderhandlung Total (oder Elf Aquitaine) angelastet werden könne, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verletzt, weil sie, um den Betrag der Geldbuße von Arkema wegen der Abschreckungswirkung zu erhöhen, den Umsatz von Total berücksichtigt habe.
203 Ihres Erachtens ist die Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme, selbst wenn man sie für ausreichend halte, um die Zuwiderhandlung den Muttergesellschaften anzulasten, doch nicht ausreichend, um die Erhöhung wegen der Abschreckungswirkung auf der Grundlage des Umsatzes der Muttergesellschaften vorzunehmen. Die abschreckende Wirkung der Geldbuße müsse anhand der Umstände beurteilt werden, die geeignet seien, das Verhalten des Zuwiderhandelnden auf dem Markt zu beeinflussen, insbesondere anhand des Umfangs der Mittel, die der Tochtergesellschaft, die die Zuwiderhandlung begangen habe, zur Verfügung gestellt worden seien. Um die Erhöhung wegen der Abschreckungswirkung aufgrund des Umsatzes der gesamten Gruppe berechnen zu können, müsse die Zugehörigkeit zu einer Unternehmensgruppe durch weitere Anhaltspunkte ergänzt werden, die belegen könnten, dass die Tochtergesellschaft bei der Zuwiderhandlung effektiv die Mittel der Gruppe eingesetzt habe, weil etwa die Leiter der Muttergesellschaft an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen seien und/oder wegen des Vorliegens einer effektiven Kontrolle der Muttergesellschaft über die Tochtergesellschaft. Anderenfalls stelle die Berücksichtigung des Umsatzes der Muttergesellschaft eine unverhältnismäßige und diskriminierende Anwendung des Begriffs der abschreckenden Wirkung dar.
204 Im Übrigen sei die Kommission in ihrer Entscheidungspraxis selbst davon ausgegangen, dass die Beteiligung der Muttergesellschaft an der Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft und der Einsatz der Mittel der Gruppe bei der Begehung der Zuwiderhandlung maßgebende Kriterien für die Berücksichtigung einer abschreckenden Wirkung seien (Entscheidung 1999/60/EG der Kommission vom 21. Oktober 1998, in einem Verfahren gemäß Art. 85 EG [IV/35.691/E-4, Fernwärmetechnik-Kartell], im Folgenden: Fernwärmetechnik-Kartell).
205 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
206 Sie weist insbesondere darauf hin, dass die Notwendigkeit, einen Multiplikationsfaktor anzuwenden, sowie gegebenenfalls die Ermittlung der Eignung seiner Größe von den Gesamtmitteln dieses Unternehmens abhängig seien, da der Umfang des Unternehmens, das für die Zuwiderhandlung als verantwortlich anzusehen sei, rechtlich zur Genüge festgestellt worden sei. Diese Mittel würden durch den Gesamtumsatz des Unternehmens im Jahr vor dem Jahr des Erlasses der Entscheidung, mit der die Geldbuße verhängt worden sei, treffend widergespiegelt, so dass keine der Erwägungen der Klägerinnen Berücksichtigung finden könne.
– Würdigung durch das Gericht
207 In Randnr. 337 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission erklärt, dass in der Kategorie der sehr schweren Zuwiderhandlungen die Abstufung der Geldbußen, die verhängt werden könnten, es auch zulasse, den Betrag der Geldbußen in einer Höhe festzusetzen, die „unter Berücksichtigung der Größe und der Wirtschaftskraft jedes Unternehmens“ eine hinreichend abschreckende Wirkung sicherstelle. Bei der Ermittlung der Größe und der Wirtschaftskraft des Unternehmens, zu dem die Klägerinnen gehörten, hat die Kommission den Weltumsatz von Total im Jahr 2005 berücksichtigt, dem letzten Geschäftsjahr vor dem Jahr, in dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde (143,168 Mrd. Euro), und beschlossen, für die gegen Arkema verhängte Geldbuße einen Multiplikationsfaktor von 3 anzuwenden (vgl. insbesondere Randnrn. 338 und 349 der angefochtenen Entscheidung).
208 Mit dem ersten Teil des fünften Klagegrundes rügen die Klägerinnen diese Vorgehensweise und machen im Kern geltend, dass, um die Erhöhung wegen der Abschreckungswirkung aufgrund des Umsatzes der gesamten Gruppe berechnen zu können, die Zugehörigkeit zu einer Unternehmensgruppe durch weitere Anhaltspunkte ergänzt werden müsse, die belegen könnten, dass die Tochtergesellschaft bei der Zuwiderhandlung effektiv die Mittel der Gruppe eingesetzt habe. Folglich sei die Zurechnung der Verantwortung an die Muttergesellschaften aufgrund der nicht widerlegten Vermutung einer bestimmenden Einflussnahme auf ihre Tochtergesellschaft in dieser Hinsicht nicht ausreichend.
209 Dieses Vorbringen überzeugt nicht.
210 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Abschreckungswirkung zu den Kriterien gehört, die bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen sind. Nach ständiger Rechtsprechung sollen mit Geldbußen wegen Verstößen gegen Art. 81 EG, wie sie in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1 vorgesehen sind, rechtswidrige Handlungen der betreffenden Unternehmen geahndet und diese Unternehmen und andere Wirtschaftsteilnehmer abgeschreckt werden, künftig Verletzungen der Wettbewerbsregeln des Unionsrechts zu begehen. Daher kann die Kommission bei der Bemessung der Geldbuße u. a. die Größe und die Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2006, Showa Denko/Kommission, C‑289/04 P, Slg. 2006, I‑5859, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).
211 Außerdem geht der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Gesamtumsatz des Unternehmens eine – wenn auch nur annähernde und unvollständige – Aussage zu dessen Größe und Wirtschaftskraft erlaubt (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 178 angeführt, Randnr. 243 und die dort angeführte Rechtsprechung). So ist bereits entschieden worden, dass die Kommission bei der Bemessung der Geldbuße in einer Höhe, die eine hinreichende Abschreckungswirkung sicherstellt, den Gesamtumsatz des betreffenden Unternehmens berücksichtigen kann (Urteile des Gerichtshofs Showa Denko/Kommission, oben in Randnr. 210 angeführt, Randnrn. 15 bis 18, und vom 22. Mai 2008, Evonik Degussa/Kommission und Rat, C‑266/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 120; Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T‑220/00, Slg. 2003, II‑2473, Randnr. 96).
212 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der angefochtenen Entscheidung Total und Elf Aquitaine zusammen mit den Klägerinnen ein Unternehmen bilden, das die beanstandete Zuwiderhandlung begangen hat. Unter diesen Umständen läuft die Forderung der Klägerinnen, dass bei der Ermittlung der Höhe der Geldbuße, die eine ausreichende Abschreckungswirkung erzielen könnte, nicht die Größe und die Wirtschaftskraft, wie sie in seinem Gesamtumsatz zum Ausdruck kommen, sondern nur ein Teil seiner Ressourcen berücksichtigt werden, nämlich diejenigen, die „der Tochtergesellschaft, die die Zuwiderhandlung auf dem betreffenden Markt begangen habe, zur Verfügung gestellt worden sind“. Dieser Standpunkt ist aber nicht mit dem Ziel der Abschreckung vereinbar, das die Kommission verfolgt.
213 Das Erfordernis, eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße zu gewährleisten, sofern es nicht Grund für die Anhebung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen im Rahmen der Umsetzung einer Wettbewerbspolitik ist, verlangt nämlich, wie das Gericht bereits entschieden hat, dass die Geldbuße angepasst wird, um der gewünschten Auswirkung auf das Unternehmen, gegen das sie verhängt wird, Rechnung zu tragen, damit sie in Einklang mit den Anforderungen, die sich aus der Notwendigkeit, ihre Wirksamkeit zu gewährleisten, und der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergeben, insbesondere im Hinblick auf die Finanzkraft des betreffenden Unternehmens, weder zu niedrig noch zu hoch ausfällt (Urteile des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Randnr. 283, und vom 18. Juni 2008, Hoechst/Kommission, T‑410/03, Slg. 2008, II‑881, Randnr. 379). Folglich ist es insbesondere die Möglichkeit, dass eines der betroffenen Unternehmen die zur Zahlung seiner Geldbuße erforderlichen Mittel leichter aufbringen kann, die im Hinblick auf eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße die Anwendung eines Multiplikators rechtfertigt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs Showa Denko/Kommission, oben in Randnr. 210 angeführt, Randnr. 18, sowie die Urteile des Gerichts Degussa/Kommission, Randnr. 284, und Hoechst/Kommission, Randnr. 379).
214 Demnach kann von der Kommission nicht verlangt werden, eine zusätzliche Verbindung zwischen der Verwendung der Mittel des Unternehmens und der von ihm begangenen Zuwiderhandlung herzustellen, damit diese Mittel berücksichtigt werden können, um eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße sicherzustellen, weil es in diesem Zusammenhang auf die Größe und die Wirtschaftskraft des verantwortlichen Unternehmens selbst ankommt.
215 Zu dem Hinweis auf die Entscheidung Fernwärmetechnik-Kartell ist nur festzustellen, dass die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht als rechtlicher Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbsachen dienen kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 6. Mai 2009, Wieland-Werke/Kommission, T‑116/04, Slg. 2009, II‑1087, Randnr. 85, und die dort angeführte Rechtsprechung). Damit ist das Vorbringen zu der Aussage dieser Entscheidung schon an sich wirkungslos.
216 Folglich ist der zweite Teil dieses Klagegrundes zurückzuweisen.
Zum dritten Teil dieses Klagegrundes: Unnützer Rückgriff auf die Abschreckungswirkung der Geldbuße im vorliegenden Fall
– Vorbringen der Parteien
217 Die Klägerinnen bringen vor, dass die Geldbuße nach Maßgabe der Leitlinien in hinreichend abschreckender Höhe festgesetzt werden soll und die Kommission daher eine Geldbuße erhöhen kann, wenn sie dieses Niveau nicht erreicht. Die Notwendigkeit der Erhöhung der Geldbuße aus diesem Grund könne daher erst nach der Bemessung des Endbetrags, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der kürzlich erfolgten Verhängung von Geldbußen gegen das Unternehmen, beurteilt werden. Die Vornahme ab initio und in abstracto einer Erhöhung der Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung, ohne dabei für das beschuldigte Unternehmen geltende tatsächliche Erwägungen und insbesondere von diesem Unternehmen zuvor gezahlte Geldbußen zu berücksichtigen, verstoße gegen die Leitlinien.
218 Hierzu weisen die Klägerinnen darauf hin, dass Arkema wegen ihrer Beteiligung an Kartellen, die zumindest teilweise gleichzeitig mit den in der angefochtenen Entscheidung geahndeten Praktiken abgelaufen seien, während einer Zeitspanne von weniger als drei Jahren aufeinanderfolgende Geldbußen mit einem Gesamtbetrag von etwa 180 Mio. Euro auferlegt worden seien. Diese Geldbußen seien von der Kommission in den Entscheidungen Organische Peroxide und AMCA sowie in der Entscheidung C(2006) 1766 der Kommission vom 3. Mai 2006 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] und Art. 53 EWR (Sache COMP/F/C.38.620 – Hydrogen- und Perboratperoxid) (im Folgenden: Hydrogen- und Perboratperoxid) verhängt worden. In jeder dieser drei Entscheidungen habe die Kommission für Arkema eine Erhöhung der Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung vorgenommen und den anzuwendenden Multiplikationsfaktor nach und nach erhöht.
219 Nach Meinung der Klägerinnen hätte die Kommission davon ausgehen müssen, dass die früheren Geldbußen für die mit dem betreffenden Kartell gleichlaufenden Geschehnisse eine hinreichende Abschreckungswirkung hätten, um Arkema von neuen Zuwiderhandlungen abzuhalten, und dass es folglich unnütz sei, die Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung zusätzlich zu erhöhen.
220 Im Übrigen belege die Aufstellung eines Programms zur Beachtung des Wettbewerbsrechts durch Arkema kurz nach dem Erwerb von Elf durch Total Fina, dass sie bereits hinreichend abgeschreckt worden sei, neue Zuwiderhandlungen zu begehen.
221 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
– Würdigung durch das Gericht
222 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen über ein Ermessen verfügt, damit sie die Unternehmen dazu anhalten kann, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, SGL Carbon/Kommission, T‑68/04, Slg. 2008, II‑2511, Randnr. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).
223 Zunächst ist das Vorbringen zurückzuweisen, die Kommission habe im vorliegenden Fall ab initio die Erhöhung der Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung vorgenommen, obwohl die Notwendigkeit einer Erhöhung der Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung erst nach der Bemessung des Endbetrags der Geldbuße ermittelt werden könne.
224 Das Erfordernis, eine abschreckende Wirkung zu gewährleisten, ist nämlich, wie bereits entschieden, ein allgemeines Erfordernis, von dem sich die Kommission während der gesamten Bemessung des Bußgeldbetrags leiten lassen muss, und verlangt nicht zwingend, dass die Bemessung einen speziellen Abschnitt umfasst, der zu einer Gesamtbeurteilung aller für die Verwirklichung dieses Zwecks relevanten Umstände dient (vgl. Urteil Carbone‑Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 180 angeführt, Randnr. 131 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Klägerinnen können daher nicht verlangen, dass die Kommission erst nach Bemessung des Endbetrags der Geldbuße die abschreckende Wirkung ermittelt.
225 Außerdem bleibt festzuhalten, dass die Kommission in den Randnrn. 337 bis 350 der angefochtenen Entscheidung bei der Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung eine Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße lediglich vorgenommen hat, um deren „hinreichende Abschreckungswirkung unter Berücksichtigung der Größe und der Wirtschaftskraft jedes Unternehmens“ sicherzustellen“ (Randnr. 337 der angefochtenen Entscheidung). Diese Stufe der Bemessung der Geldbuße ergibt sich aus der Notwendigkeit, den Grundbetrag so anzupassen, dass die Geldbuße im Hinblick auf die Gesamtmittel des Unternehmens und seine Fähigkeit, die für die Bezahlung der Geldbuße erforderlichen Mittel aufzubringen, eine hinreichende Abschreckungswirkung entfaltet. Diese Stufe hat indessen nichts mit der Einschätzung ab initio der Abschreckungswirkung als solcher zu tun, wie die Klägerinnen meinen. Diese Einschätzung muss vielmehr, wie sich aus der vorstehenden Randnummer ergibt, die Kommission auf dem gesamten Weg der Berechnung der Geldbuße begleiten.
226 Zweitens ist auch das Vorbringen zurückzuweisen, die Kommission habe eine Erhöhung der Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung in abstracto vorgenommen, ohne dabei für das beschuldigte Unternehmen geltende tatsächliche Erwägungen zu berücksichtigen.
227 Dieses Argument ist sachlich unzutreffend. Die Berücksichtigung der Größe des Unternehmens, dem die Klägerinnen angehörten, in den Randnrn. 337 bis 350 der angefochtenen Entscheidung und die Erhöhung des sich hieraus ergebenden Grundbetrags stellen nämlich genau den Gesichtspunkt dar, der zur Anpassung der Geldbuße anhand für die Klägerin spezifischer Faktoren dient (vgl. in diesem Sinne Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, Randnr. 362).
228 Drittens ist das Vorbringen zu behandeln, die Kommission hätte die zuvor von Arkema gezahlten Geldbußen in dem Sinne berücksichtigen müssen, dass sie davon ausgegangen wäre, dass die drei früheren Geldbußen, die gegen sie für die mit dem betreffenden Kartell gleichlaufenden Geschehnisse verhängt worden seien, eine hinreichende Abschreckungswirkung hätten, um Arkema von neuen Zuwiderhandlungen abzuhalten, und dass es folglich unnütz sei, die Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung zusätzlich zu erhöhen.
229 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission unter Beachtung der in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 jeweils festgelegten Grenzen gegen Arkema von Rechts wegen vier gesonderte Geldbußen verhängen konnte, sofern diese vier verschiedene Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 EG begangen hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil Carbone‑Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 180 angeführt, Randnr. 56). Jede dieser Geldbußen musste auf einer Würdigung der Dauer und der Schwere der mit ihr geahndeten Zuwiderhandlung beruhen.
230 Hierzu ist festzustellen, dass die Verhängung einer Geldbuße gegen Arkema wegen verschiedener wettbewerbswidriger Tätigkeiten, die sich auf andere Produkte bezogen, nichts an der Begehung der hier vorliegenden Zuwiderhandlung ändert (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, BASF und UCB/Kommission, T‑101/05 und T‑111/05, Slg. 2007, II‑4949, Randnr. 52). Insoweit ist hervorzuheben, dass die von den Klägerinnen vertretene Lösung die Kommission daran hindern würde, eine bestimmte Geldbuße unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, die eine Würdigung der Schwere der Zuwiderhandlung gestatten, festzulegen, insbesondere aber der Notwendigkeit, eine hinreichend abschreckende Höhe dieser Geldbuße im Hinblick auf Größe und Wirtschaftskraft dieses Unternehmens sicherzustellen.
231 Im Übrigen widerspricht die von den Klägerinnen vertretene Lösung dem von der Kommission mit ihrer Geldbußenpolitik verfolgten Ziel der Abschreckung. Wie diese zu Recht dargelegt hat, würde diese Lösung zu der Paradoxie führen, dass ein Unternehmen, das seine Beteiligung an mehreren Kartellen vervielfachen würde, eine progressive Abnahme der Grenzkosten jeder Sanktion erführe.
232 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Argumentation der Klägerinnen auf der Prämisse beruht, dass die Kommission den Betrag der Geldbuße aufgrund der Wahrscheinlichkeit neuer Zuwiderhandlungen von Arkema in der Zukunft hätte festsetzen müssen, die sie anhand des Gesamtbetrags der gegen dieses Unternehmen in einer bestimmten Zeitspanne verhängten Geldbußen hätte abschätzen müssen. Eine solche Prämisse ist indessen mit dem Begriff der Abschreckung im Wettbewerbsrecht unvereinbar.
233 Insoweit ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung die Befugnis der Kommission, Geldbußen gegen Unternehmen zu verhängen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 81 Abs. 1 EG oder Art. 82 EG verstoßen, zu den Befugnissen gehört, die der Kommission eingeräumt worden sind, um sie in die Lage zu versetzen, die ihr durch das Gemeinschaftsrecht übertragene Überwachungsaufgabe zu erfüllen. Diese Aufgabe umfasst gewiss die Pflicht, einzelne Zuwiderhandlungen zu ermitteln und zu ahnden; sie beinhaltet aber auch den Auftrag, eine allgemeine Politik mit dem Ziel zu verfolgen, die im Vertrag niedergelegten Grundsätze auf das Wettbewerbsrecht anzuwenden und das Verhalten der Unternehmen in diesem Sinne zu lenken (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 105, und Urteil SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 222 angeführt, Randnr. 53).
234 Mit Geldbußen wegen Verstößen gegen Art. 81 EG, wie sie in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen sind, sollen rechtswidrige Handlungen der betreffenden Unternehmen geahndet und diese Unternehmen und andere Wirtschaftsteilnehmer vor künftigen Verletzungen der Wettbewerbsregeln des Unionsrechts abgeschreckt werden (Urteil Showa Denko/Kommission, oben in Randnr. 210 angeführt, Randnr. 16). Der Abschreckungsfaktor wird somit unter Einbeziehung einer Vielzahl von Gesichtspunkten und nicht nur der besonderen Situation des betreffenden Unternehmens ermittelt (Urteil Showa Denko/Kommission, oben in Randnr. 210 angeführt, Randnr. 23, und Urteil des Gerichts vom 30. April 2009, Nintendo und Nintendo of Europe/Kommission, T‑13/03, Slg. 2009, II‑947, Randnr. 71). Die Kommission braucht daher, wenn sie prüft, ob es erforderlich ist, die Geldbuße zur Gewährleistung ihrer abschreckenden Wirkung zu erhöhen, keineswegs eine Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer Tatwiederholung durch die fraglichen Unternehmen vorzunehmen (vgl. Nintendo und Nintendo of Europe/Kommission, Randnr. 72).
235 Folglich besteht diese Stufe der Bemessung der Geldbuße in der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße anhand objektiver Gesichtspunkte wie der Größe und der Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens und nicht anhand subjektiver Gesichtspunkte bei der Bewertung der Wahrscheinlichkeit, dass zukünftig eine neue Zuwiderhandlung begangen wird. Somit ist es unerheblich, dass die Kommission im Rahmen ihrer von den Klägerinnen angeführten Entscheidungen ihnen gegenüber Erhöhungen wegen der Abschreckungswirkung vorgenommen und dabei progressiv die herangezogenen Multiplikationsfaktoren erhöht hat.
236 Schließlich ist auch das Vorbringen zurückzuweisen, das Compliance-Programm von Arkema für das Wettbewerbsrecht zeige, dass sie bereits hinreichend von weiteren Zuwiderhandlungen abgeschreckt worden sei, weil dieser Gesichtspunkt in Zusammenhang mit der Erhöhung der Geldbuße zur Berücksichtigung der Größe und der Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens unerheblich ist. Auf jeden Fall ist bereits entschieden worden, dass die bloße Einführung eines Programms zur Einhaltung der Wettbewerbsregeln durch ein Unternehmen zweifellos keine tragfähige und sichere Garantie für die künftige dauerhafte Einhaltung dieser Regeln darstellen kann, so dass ein solches Programm die Kommission nicht zwingen kann, eine Geldbuße herabzusetzen, weil der mit ihr verfolgte Präventionszweck zumindest teilweise bereits erreicht wurde (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, Randnr. 361; vgl. auch Urteil BASF und UCB/Kommission, oben in Randnr. 230 angeführt, Randnr. 52).
237 Demzufolge ist der dritte Teil des vorliegenden Klagegrundes zurückzuweisen.
Zu der in der mündlichen Verhandlung erhobenen Rüge: Ende der Beherrschung der Klägerinnen durch Total und Elf Aquitaine zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung
– Vorbringen der Parteien
238 In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen geltend gemacht, die Kommission könne auf keinen Fall ihre Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung erhöhen, um die Größe der Total-Gruppe einzubeziehen, weil Arkema zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung nicht mehr von dieser Gruppe beherrscht worden sei. Neue Gesichtspunkte, die von der Kommission nach Beendigung des schriftlichen Verfahrens beigebracht worden seien, ließen aber die Annahme zu, dass das Vorliegen einer solchen Beherrschung zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung notwendige Voraussetzung gewesen sei, um bei Arkema eine Erhöhung wegen der Abschreckungswirkung unter Berücksichtigung der Größe der Total-Gruppe vorzunehmen.
239 Diese neuen Gesichtspunkte ergäben sich aus der Antwort der Kommission auf Fragen des Gerichts, die im Rahmen prozessleitender Verfügungen in der Rechtssache T‑206/06 gestellt worden seien, in der es um einen Antrag der Muttergesellschaften der Klägerinnen gegen die angefochtene Entscheidung gegangen sei. Die Kommission habe hier erläutert, dass sie gegenüber Arkema keine Präventivmultiplikatoren in jüngeren Entscheidungen angewandt habe (Entscheidung K [2008] 2626 endg. der Kommission vom 11. Juni 2008 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] und Art. 53 EWR [Sache COMP/38.695 – Natriumchlorat] [im Folgenden: Entscheidung Natriumchlorat] und Entscheidung K [2009) 8682 endg. der Kommission vom 11. November 2009 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] und Art. 53 EWR [Sache COMP/38589 – Wärmestabilisatoren] [im Folgenden: Wärmestabilisatoren]), weil Arkema zum Zeitpunkt dieser Entscheidungen nicht mehr zur Total-Gruppe gehört habe.
240 Die Klägerinnen unterstreichen, dass die Börseneinführung von Arkema am 18. Mai 2006 erfolgt sei und dass Arkema von diesem Zeitpunkt an, also etwa zwei Wochen vor Erlass der angefochtenen Entscheidung am 30. Mai 2006, nicht mehr von Total beherrscht worden sei.
241 Auf den Einwand der Kommission, es handele sich um neues Vorbringen, das gemäß Art. 48 der Verfahrensordnung des Gerichts unzulässig sei, entgegnen die Klägerinnen, ihr Vorbringen stütze sich auf Gründe, nämlich die Antwort der Kommission auf die Fragen des Gerichts in der Rechtssache T‑206/06 und die Entscheidungen Natriumchlorat und Wärmestabilisatoren, die erst nach Beendigung des schriftlichen Verfahrens zutage getreten seien. Auf jeden Fall solle das Gericht von Amts wegen das Vorliegen eines etwaigen Begründungsfehlers prüfen, weil die Kommission nicht angegeben habe, aus welchen Gründen es notwendig gewesen sei, eine Erhöhung ihrer Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung unter Berücksichtigung der Größe der Total-Gruppe vorzunehmen, obwohl zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung Arkema nicht mehr zu dieser Gruppe gehört habe.
242 Sodann haben die Klägerinnen in Beantwortung einer dahin gehenden Frage des Gerichts eingeräumt, dass sie im Rahmen des vorliegenden Verfahrens die Kommission nicht speziell darüber informiert hätten, dass sie seit dem 18. Mai 2006 nicht mehr von Total und Elf Aquitaine kontrolliert würden. Sie haben jedoch darauf bestanden, dass die Kommission während des Verwaltungsverfahrens über die Prozedur der Börseneinführung informiert gewesen sei, die nach einem vorher festgelegten Terminplan abgelaufen sei. Im Übrigen habe die Kommission in der Anlage zu ihrer Klagebeantwortung einen Prospekt für die Börsenzulassung vorgelegt, so dass sie nicht vorgeben könne, nicht informiert gewesen zu sein.
243 Die Kommission wendet ein, die Rüge, dass Arkema zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung nicht mehr zur Total-Gruppe gehört habe, sei neu und gemäß Art. 48 der Verfahrensordnung als unzulässig zurückzuweisen. Die Klägerinnen könnten sich nicht darauf berufen, dass diese Rüge auf einem neuen Grund beruhe, weil eben die Börseneinführung von Arkema vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung erfolgt sei, so dass diese Rüge in der Klageschrift hätte geltend gemacht werden können.
244 Auf jeden Fall sei diese Rüge als unbegründet zurückzuweisen. Zwar müssten, wenn die Kommission die Gesamtmittel eines Unternehmens berücksichtige, diese bewertet werden, um die Abschreckungswirkung am Tag der Verhängung der Geldbuße ordnungsgemäß zu erreichen (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, Randnr. 285). Nach der Rechtsprechung und nach Maßgabe der Leitlinien könne sie jedoch bei der Bemessung der Geldbuße auch dem Umstand Rechnung tragen, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügten, anhand deren sie besser erkennen könnten, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstelle und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen seien. Dieser Gesichtspunkt werde aber zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung bewertet (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, Randnrn. 289 und 290). Insbesondere bei einer Gruppe von Gesellschaften, die eine wirtschaftliche Einheit bildeten, zögen die Tochtergesellschaften Nutzen daraus, dass ihre Muttergesellschaft über solche Ressourcen verfüge.
245 Auch wenn das Kriterium der rechtlich-wirtschaftlichen Infrastrukturen in der angefochtenen Entscheidung nicht ausdrücklich erwähnt werde, bestehe sie doch darauf, dass es in den Leitlinien angeführt sei. Folglich sei dieses Kriterium in der angefochtenen Entscheidung notwendig von ihr eingesetzt worden. Auf jeden Fall handele es sich in diesem Punkt allenfalls um einen Fehler der Begründung, die aber das Gericht von Amts wegen vervollständigen und beim Betrag der Geldbuße zu demselben Ergebnis kommen könne.
246 Schließlich unterstreicht die Kommission zu den von den Klägerinnen angeführten Entscheidungen Natriumchlorat und Wärmestabilisatoren, dass diese Entscheidungen die Leitlinien für die Bemessung der gemäß Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C. 210, S. 2, im Folgenden: Neue Leitlinien) verhängten Geldbußen zur Anwendung brächten, die das Kriterium der rechtlich-wirtschaftlichen nicht mehr erwähnten. Das erkläre eine abweichende Vorgehensweise in diesen späteren Entscheidungen.
– Würdigung durch das Gericht
247 Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen in ihrer Klageschrift einen Klagegrund in drei Teilen formuliert haben, mit dem sie das Vorliegen rechtlicher und tatsächlicher Beurteilungsfehler bei der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung rügen; dieser Klagegrund wurde vorstehend geprüft. Im Übrigen haben sie ebenfalls darauf hingewiesen, dass Arkema seit ihrer Einführung an der Börse am 18. Mai 2006 eine Einheit geworden sei, die völlig unabhängig von der Total-Gruppe sei, weil ihr Kapital nicht mehr von dieser kontrolliert werde. Das Argument hingegen, mit dem die Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung mit der besonderen Begründung bekämpft werden sollte, dass die Klägerinnen zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung nicht mehr von der Total-Gruppe beherrscht worden seien, ist in den Schriftsätzen nicht ausdrücklich vorgebracht worden. Diese Argumentation gründet sich aber, wie die Kommission zu Recht bemerkt hat, auf die Annahme eines Ereignisses, das sich vor der Klageerhebung zugetragen hat und daher damals hätte geltend gemacht werden können.
248 Im vorliegenden Fall braucht indessen nicht geprüft zu werden, ob diese Argumentation ein neues und daher gemäß Art. 48 der Verfahrensordnung unzulässiges Angriffsmittel oder im Gegenteil die Erweiterung eines bereits in der Klageschrift angeführten Klagegrundes darstellt, die mit diesem in engem Zusammenhang steht, so dass sie nach dieser Vorschrift für zulässig zu erklären wäre (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten der Dritten Kammer des Gerichtshofs vom 13. November 2001, Dürbeck/Kommission, C‑430/00 P, Slg. 2001, I‑8547, Randnr. 17; Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, Slg. 2008, I‑6351, Randnr. 278, und Urteil des Gerichts vom 21. März 2002, Joynson/Kommission, T‑231/99, Slg. 2002, II‑2085, Randnr. 156).
249 Auch wenn die Klägerinnen in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich dargelegt haben, dass „eine Erhöhung des Betrags der Geldbuße [von Arkema] wegen der Abschreckungswirkung, um die Größe und Wirtschaftskraft der Gruppe Elf Aquitaine einzubeziehen, umso weniger gerechtfertigt [wäre], als das Unternehmen im Frühjahr 2006, dem vorgesehen Zeitpunkt seiner Börseneinführung, eine von der Total-Gruppe unabhängige Einheit sein wird“, haben sie nämlich, wie sie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, der Kommission gerade nicht das Ereignis mitgeteilt, dass sie ab 18. Mai 2006 nicht mehr von der Total-Gruppe kontrolliert würden. Damit ist aber die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt nicht rechtswidrig, weil sich die Kommission auf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannte tatsächliche Anhaltspunkte stützen durfte, die belegten, dass die Klägerinnen mit ihren Muttergesellschaften ein einziges Unternehmen bildeten, und die von den Betroffenen nicht ausdrücklich in Abrede gestellt worden sind.
250 Demnach ist die in der mündlichen Verhandlung erhobene Rüge auf jeden Fall unbegründet, soweit sie den Antrag auf teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung stützen soll.
251 Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen im vorliegenden Fall gemäß Art. 229 EG die Nichtigerklärung oder die Herabsetzung der gegen sie in der angefochtenen Entscheidung verhängten Geldbuße beantragt haben. Außerdem haben sie gesondert beantragt, das Gericht solle „die Erhöhung der gegen Arkema wegen der Abschreckungswirkung verhängten Geldbuße weitgehend rückgängig machen“. Somit haben sie das Gericht ersucht, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, die ihm aufgrund von Art. 229 EG gemäß Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 zusteht, auszuüben, und zwar insbesondere bezüglich der Erhöhung der Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung.
252 Wie bereits entschieden wurde, ermächtigt die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung den Gemeinschaftsrichter, den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände abzuändern und z. B. die Höhe der Geldbuße anders festzusetzen (Urteile des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, Randnr. 692; Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 178 angeführt, Randnr. 86, und des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnr. 577).
253 Demgemäß stehen unter den Umständen des vorliegenden Falls die Bestimmungen des Art. 48 der Verfahrensordnung dem nicht entgegen, dass das Gericht im Rahmen seiner unbeschränkten Nachprüfung das Vorbringen der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung berücksichtigt, um zu prüfen, ob die Erhöhung wegen der Abschreckungswirkung im Hinblick auf den angeführten tatsächlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt war (vgl. in diesem Sinne und entsprechend für Anträge in der mündlichen Verhandlung Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 252 angeführt, Randnrn. 575 und 578), zumal übrigens die Kommission die Möglichkeit gehabt hat, zu dieser Frage Stellung zu nehmen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2009, M/EMEA, C‑197/09 RX‑II, Slg. 2009, I‑12033, Randnrn. 40 bis 42 und 57 bis 58).
254 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Behauptungen der Klägerinnen, dass sie seit 18. Mai 2006 nicht mehr von Total und Elf Aquitaine kontrolliert würden, nicht bestritten hat. Dieser tatsächliche Gesichtspunkt war, wie ausgeführt, bereits in der Klageschrift enthalten. Die Richtigkeit dieser Behauptung wird übrigens durch die Aussagen der Entscheidung Wärmestabilisatoren bestätigt, die in der mündlichen Verhandlung erörtert und später von den Klägerinnen vorgelegt wurde (vgl. Randnr. 26 dieses Urteils). Dort heißt es nämlich: „[S]eit dem 18. Mai 2006 gehört Arkema France nicht mehr zur Gruppe Total/Elf Aquitaine“ (Randnr. 27), und: „[Arkema] gehört nicht mehr zum gleichen Unternehmen wie Elf Aquitaine“ (Randnr. 740).
255 Außerdem haben die Klägerinnen nach Aufforderung durch das Gericht (vgl. Randnr. 26 dieses Urteils) Beweisstücke als Beleg für ihre Behauptungen vorgelegt. Die Kommission hat diesen Beweisstücken nicht widersprochen und in ihrer Antwort auf eine Frage des Gerichts ausdrücklich eingeräumt, dass die Klägerinnen seit dem 18. Mai 2006 nicht mehr zum gleichen Unternehmen wie Total und Elf Aquitaine gehört hätten.
256 Es ist somit festzustellen, dass die Klägerinnen am Tag des Erlasses der angefochtenen Entscheidung nicht mehr zum gleichen Unternehmen wie Total und Elf Aquitaine gehörten.
257 Drittens ist die mögliche Auswirkung dieser Feststellung auf den Betrag der Geldbuße zu prüfen, zu dessen Zahlung die Klägerinnen aufgrund der angefochtenen Entscheidung verpflichtet sind.
258 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis, eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße zu gewährleisten, sofern es nicht Grund für die Anhebung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen im Rahmen der Umsetzung einer Wettbewerbspolitik ist, verlangt, dass die Geldbuße angepasst wird, um der gewünschten Auswirkung auf das Unternehmen, gegen das sie verhängt wird, Rechnung zu tragen, damit sie in Einklang mit den Anforderungen, die sich aus der Notwendigkeit, ihre Wirksamkeit zu gewährleisten, und der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergeben, insbesondere im Hinblick auf die Finanzkraft des betreffenden Unternehmens weder zu niedrig noch zu hoch ausfällt (Urteile Degussa/Kommission, Randnr. 283, und Hoechst/Kommission, Randnr. 379, beide oben in Randnr. 213 angeführt). Mithin kann es im Hinblick auf eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße die Anwendung eines Multiplikators rechtfertigen, dass das betreffende Unternehmen die zur Zahlung seiner Geldbuße erforderlichen Mittel leichter aufbringen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Showa Denko/Kommission, oben in Randnr. 210 angeführt, Randnr. 18; und die oben in Randnr. 213 angeführten Urteile Degussa/Kommission, Randnr. 284, und Hoechst/Kommission, Randnr. 379; vgl. auch Randnrn. 210 bis 213 dieses Urteils).
259 Dass Größe und Gesamtressourcen des betreffenden Unternehmens berücksichtigt werden, um eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße sicherzustellen, findet seinen Grund in der angestrebten Wirkung auf dieses Unternehmen, da die Sanktion insbesondere im Hinblick auf dessen Wirtschaftskraft nicht unerheblich sein darf (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Juni 2010, Lafarge/Kommission, C‑413/08 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 104).
260 Aus diesem Grund ist mithin entschieden worden, dass das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen darf, nur unter Berücksichtigung der Situation des Unternehmens zum Zeitpunkt der Verhängung der Geldbuße erreicht werden kann (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, Randnr. 278). Daher müssen die Gesamtressourcen eines Unternehmens, die in relativ kurzer Zeit, insbesondere zwischen der Beendigung der Zuwiderhandlung und dem Erlass der Bußgeldentscheidung, erheblich größer oder kleiner werden können, zu dem Zeitpunkt bewertet werden, zu dem die Geldbuße verhängt wird, um unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das Abschreckungsziel ordnungsgemäß zu erreichen (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, Randnrn. 285 und 288).
261 Diese Erwägungen werden übrigens von der Kommission nicht in Zweifel gezogen. Sie macht freilich geltend, dass sie bei der Bemessung der Geldbuße auch der Tatsache Rechnung tragen könne, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu erwarten sind, was zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung zu beurteilen sei.
262 Die Schwere der Zuwiderhandlungen ist bekanntlich anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten wie etwa den besonderen Umständen der Sache, ihres Kontexts und der Abschreckungswirkung der Geldbußen zu ermitteln, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 178 angeführt, Randnr. 241 und die dort angeführte Rechtsprechung).
263 Ferner ist hervorzuheben, dass bei der Bemessung der Geldbuße auf einen Betrag, der eine hinreichende Abschreckungswirkung entfaltet, zwar der Umsatz des Unternehmens berücksichtigt werden darf, der – wenn auch nur annähernd und unvollständig – etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, doch darf ihm keine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden, so dass die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße nicht das Ergebnis eines bloßen, auf den Umsatz gestützten Rechenvorgangs sein darf (vgl. in diesem Sinne Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 233 angeführt, Randnr. 121, und Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 178 angeführt, Randnr. 243, sowie Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 211 angeführt, Randnr. 120).
264 So kann die Kommission, wie sie zu Recht unterstreicht, bei der Bemessung der Geldbuße insbesondere berücksichtigen, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu erwarten sind (vgl. auch in diesem Sinne Urteil Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 211 angeführt, Randnr. 121), wie dies im Übrigen Punkt 1 A Abs. 5 der Leitlinien vorsieht.
265 Die Berücksichtigung dieses Aspekts soll Großunternehmen stärker bestrafen, da unterstellt wird, dass sie über ausreichende Kenntnisse und Strukturmittel verfügen, um die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens zu erkennen und dessen etwaige Vorteile einzuschätzen. Folglich muss sich der Umsatz, auf dessen Grundlage die Kommission die Größe der fraglichen Unternehmen und damit deren Fähigkeit bestimmt, die Art und Weise und die Folgen ihres Verhaltens zu ermitteln, auf ihre Lage zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung beziehen und nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, Randnrn. 289 und 290).
266 Im vorliegenden Fall indessen ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung keineswegs, dass sich Erwägungen zur rechtlich-wirtschaftlichen Infrastruktur auf den Multiplikationsfaktor 3 ausgewirkt hätten, wie er bei der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße angewandt worden ist.
267 Es muss nämlich herausgestellt werden, dass dieser Gesichtspunkt in den Randnrn. 337 bis 350 der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt wird, in denen die Kommission die Anwendung des Multiplikationsfaktors begründet. Die Kommission erklärt vielmehr eindeutig, dass der Betrag der Geldbußen „in einer Höhe festzulegen [ist], die bei Berücksichtigung der Größe und der Wirtschaftskraft jedes Unternehmens eine Abschreckungswirkung sicherstellt“ (Randnr. 337 der angefochtenen Entscheidung), und ein Multiplikationsfaktor anzuwenden ist, „um die Geldbuße in einer Höhe festzusetzen, die eine hinreichende Abschreckungswirkung garantiert“ (Randnr. 349 der angefochtenen Entscheidung). Ebenso weist die Kommission in Randnr. 346 der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass „die unterschiedliche Behandlung auf dem Umsatz jedes der an einem Kartell beteiligten Marktteilnehmer [beruht], was einen treffenden Hinweis auf ihr jeweiliges Gewicht während der Zuwiderhandlung ergibt, während der Multiplikationsfaktor auf dem Gesamtumsatz des Unternehmens aufbaut, der dem Bedürfnis entspricht, die Geldbuße auf ein Niveau zu bringen, das die Abschreckung sicherstellt“.
268 Mithin ist festzustellen, dass die Rechtfertigung des Multiplikationsfaktors eindeutig auf den Erwägungen in den Randnrn. 258 bis 260 beruht, also im Kern auf den angestrebten Auswirkungen der Geldbußen auf die betreffenden Unternehmen.
269 Diese Feststellung wird dadurch bestätigt, dass die für die betreffenden Unternehmen herangezogenen Multiplikationsfaktoren auf deren Gesamtumsätzen von 2005 beruhen, also dem letzten Geschäftsjahr vor Erlass der angefochtenen Entscheidung, und somit unabhängig von dem Endzeitpunkt ihrer jeweiligen Zuwiderhandlungen. So trennen im Fall ICI, bei der ein Multiplikationsfaktor von 1,5 herangezogen wurde, mehr als fünf Jahre das Ende der Zeitspanne der Zuwiderhandlung (der angefochtenen Entscheidung zufolge der 1. November 1999) vom Geschäftsjahr 2005. Andererseits enthält der untersuchte Teil der angefochtenen Entscheidung keine Angaben zur Größe dieser Unternehmen während der jeweiligen Zeitspanne ihrer Zuwiderhandlung. Total wiederum, dessen Umsatz für die Anwendung des Multiplikationsfaktors berücksichtigt wurde, hat die Kontrolle über die Gruppe erst im April 2000 übernommen, während die Zeitspanne der Zuwiderhandlung der Klägerinnen vom 23. Januar 1997 bis zum 12. September 2002 gedauert hat.
270 Der vorliegende Fall unterscheidet sich somit deutlich von der Rechtssache, in der das Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, ergangen ist, auf das sich die Kommission in der mündlichen Verhandlung berufen hat. In der Entscheidung nämlich, um die es in dieser Rechtssache ging, hat die Kommission ausdrücklich den Gesichtspunkt der rechtlich-wirtschaftlichen Infrastrukturen genannt (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, insbesondere Randnr. 275). Beiläufig ergibt sich aus diesem Urteil, dass die Notwendigkeit, zu berücksichtigen, dass die Großunternehmen über rechtlich-wirtschaftliche Infrastrukturen verfügen, bei der Erhöhung der Geldbuße einen anderen Grund hat als die Notwendigkeit, eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße sicherzustellen, und andere Ziele verfolgt (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, Randnrn. 277, 278 und 289). Damit kann nicht gesagt werden, dass es unweigerlich der Argumentation der Kommission in der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegt.
271 Ebenso ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, sie habe notwendig den Gesichtspunkt der rechtlich-wirtschaftlichen Infrastruktur berücksichtigt, weil er in den Leitlinien vorgesehen sei. Es genügt insoweit der Hinweis, dass Nr. 1 A Abs. 5 der Leitlinien nicht die systematische Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts vorsieht, sondern der Kommission nur die Möglichkeit hierzu einräumt („Allgemein kann ebenfalls berücksichtigt werden …“). Da dieser Gesichtspunkt nicht zwingend vorgeschrieben ist, ist die Kommission nicht verpflichtet, ihn in allen Fällen zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, Daiichi Pharmaceutical/Kommission, T‑26/02, Slg. 2006, II‑713, Randnr. 49).
272 Mithin müssen Größe und Wirtschaftskraft der Klägerin bei der Anwendung des Multiplikationsfaktors am Tag des Erlasses der angefochtenen Entscheidung unter Berücksichtigung des Gesamtumsatzes von Arkema zugrunde gelegt werden. Insbesondere dürfen, weil, wie soeben festgestellt, die Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte im vorliegenden Fall auf die angestrebten Auswirkungen der Geldbuße auf das betreffende Unternehmen zurückging und die Wirtschaftseinheit, die Arkema und Total verband, vor dem Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung beendet worden war, die Ressourcen des letztgenannten Unternehmens bei der Ermittlung des für Arkema geltenden Multiplikationsfaktors nicht berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend für eine Obergrenze von 10 % Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 390).
273 Im Übrigen wird diese Schlussfolgerung bei Berücksichtigung der Erwägungen in Randnr. 260 dieses Urteils nicht dadurch in Frage gestellt, dass die besagte Wirtschaftseinheit erst einige Tage vor Erlass der angefochtenen Entscheidung beendet worden ist.
274 Selbst dann, wenn der Fehler, der in der Einbeziehung des Umsatzes von Total für die Ermittlung des Multiplikationsfaktors besteht (vgl. Randnr. 249 dieses Urteils), den Klägerinnen zuzurechnen wäre, könnte dies nicht die Aufrechterhaltung des Betrags der gegen sie verhängten Geldbuße rechtfertigen, weil diese auf die Berücksichtigung eines tatsächlichen Gesichtspunkts zurückgeht, der materiell unzutreffend ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, Aristrain/Kommission, T‑156/94, Slg. 1999, II‑645, Randnr. 586, und vom 27. September 2006, Roquette Frères/Kommission, T‑322/01, Slg. 2006, II‑3137, Randnr. 293).
275 Im Übrigen ist zu unterstreichen, ohne dass das Gericht die Antwort der Kommission auf seine Fragen in der Rechtssache T‑206/06 berücksichtigen könnte, die in diesem Verfahren nicht Teil der Akten ist, dass diese Vorgehensweise sich aus der in der mündlichen Verhandlung erörterten Entscheidungspraxis der Kommission ergibt (vgl. Entscheidungen Natriumchlorat und Wärmestabilisatoren). Zum Beispiel hat die Kommission in der Entscheidung Wärmestabilisatoren erklärt, dass „der Multiplikationsfaktor [auf der Grundlage des Weltumsatzes von Elf Aquitaine] nicht auf Arkema France und CECA SA angewandt werden [konnte], weil sie nicht mehr zum gleichen Unternehmen wie Elf Aquitaine [gehörten]“ (Randnr. 740 dieser Entscheidung). Das Argument, diese Entscheidungen wendeten neue Leitlinien an und diese sähen das Kriterium der rechtlich-wirtschaftlichen Infrastrukturen nicht ausdrücklich vor, geht fehl, weil dieses Kriterium, wie soeben hervorgehoben, auch im vorliegenden Fall nicht angewandt worden ist. Der gleiche Ansatz ergibt sich im Übrigen aus der Entscheidung Hydrogen- und Perboratperoxid, die zeitgleich mit der angefochtenen Entscheidung ergangen ist und die gleichen Leitlinien anwendet; sie ist von der Kommission selbst in der mündlichen Verhandlung zum Vergleich mit der angefochtenen Entscheidung wegen der Höhe der Geldbuße herangezogen worden (vgl. zu einer anderen Gruppe von Gesellschaften Randnrn. 31 und 463 der Entscheidung Hydrogen- und Perboratperoxid).
276 Die Schlussfolgerung in Randnr. 272 dieses Urteils wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Haftung von Arkema für die Zahlung der Geldbuße, soweit sie auf der Anwendung des Multiplikationsfaktors 3 wegen des Umsatzes der Total-Gruppe beruht, mit den früheren Muttergesellschaften gesamtschuldnerisch geteilt wird Dies ändert nämlich nichts daran, dass Art. 2 Buchst. b der angefochtenen Entscheidung der Kommission völlige Freiheit lässt, die Geldbuße bis zu den dort angeführten Beträgen bei der einen oder anderen der betroffenen juristischen Personen einzuziehen. Die Kommission könnte etwa beschließen, die gesamte Geldbuße bei den Klägerinnen einzufordern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. September 2010, Trioplast Industrier/Kommission, T‑40/06, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 165).
277 Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich aber, dass die Kommission selbst davon ausgegangen ist, dass der Multiplikationsfaktor 3 bezogen auf den Umsatz von Arkema allein (nach Randnr. 14 der angefochtenen Entscheidung ungefähr 5,7 Mrd. Euro für 2005) nicht angemessen sei. In Fn. 233 zu Randnr. 349 der angefochtenen Entscheidung erklärt die Kommission nämlich, dass „bezüglich Arkema, Altuglas und Altumax ein getrennter Multiplikationsfaktor von 1,25 auf ihren Ausgangsbetrag von 65 Mio. Euro zur Anwendung [kommt], von dem ausgehend man die Erhöhung von 55 % wegen der Dauer vor der Erhöhung von 50 % für den Rückfall berechnen kann“. Es sei insoweit daran erinnert, dass die Kommission Total und Elf Aquitaine nicht als Rückfalltäter behandelt (Randnr. 369 der angefochtenen Entscheidung) und somit einen „hypothetischen“ Multiplikationsfaktor von 1,25 herangezogen hat, um sicherzugehen, dass die Erhöhung wegen Rückfalls allein auf die Bemessungsgrundlagen abstelle, die für Arkema und ihre Tochtergesellschaften zuträfen.
278 Beiläufig ist darauf hinzuweisen, dass ICI und Degussa bei Umsätzen von jeweils mehr als 8 Mrd. Euro und mehr als 11 Mrd. Euro für 2005 mit einem Multiplikationsfaktor von 1,5 bzw. von 1,75 bedacht worden sind (vgl. Randnr. 349 der angefochtenen Entscheidung). Unter diesen Umständen war der Multiplikationsfaktor 3 für Arkema nur deshalb gerechtfertigt, weil Arkema nach den Informationen, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gestützt hat, zur Total-Gruppe gehörte, die einen bei Weitem höheren Umsatz aufwies als alle anderen betroffenen Unternehmen, und daher am Tag der Verhängung der Geldbuße mit deren Ressourcen rechnen konnte. Da nunmehr klar ist, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt war, ist der Multiplikationsfaktor 3 im Vergleich zu den Faktoren, die bei den anderen Adressaten der angefochtenen Entscheidung Anwendung fanden, überhöht.
279 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Festlegung von Geldbußen gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat, wie sie von der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts entwickelt worden sind (vgl. entsprechend Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, Randnr. 77).
280 Das Gericht ist daher angesichts der Umstände des vorliegenden Falles der Auffassung, dass der Multiplikationsfaktor 3 für die Klägerinnen nicht gerechtfertigt ist. Die Folgen dieser Nachprüfung für die Bemessung der Geldbuße, für die die Klägerinnen haften, werden nachstehend untersucht.
Zum sechsten Klagegrund: Rechtliche Beurteilungsfehler der Kommission bei der Erhöhung der Geldbuße wegen Tatwiederholung
281 Dieser Klagegrund gliedert sich in zwei Teile.
Zum ersten Teil dieses Klagegrundes: Verletzung der Grundsätze der gesetzlichen Verankerung von Straftaten und Strafen und der Rechtssicherheit
282 Die Klägerinnen machen in der Klageschrift geltend, die Kommission habe die Grundsätze der gesetzlichen Verankerung von Straftaten und Strafen (nulla poena sine lege) und der Rechtssicherheit verletzt, als sie sich auf Verurteilungen von 1984, 1986 und 1994 gestützt habe, die auf Ereignisse vor mehr als 20, ja 30 Jahren vor Erlass der angefochtenen Entscheidung zurückgegangen seien. Die Vorgehensweise der Kommission bedeute nämlich, dass ein Unternehmen, das bereits bestraft worden sei, unter der ständigen Drohung der Anwendung der Rückfallbestimmungen stehe.
283 In ihrer Erwiderung haben die Klägerinnen indessen darauf hingewiesen, dass ihnen das nach Einreichung ihrer Klageschrift verkündete Urteil des Gerichtshofs vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission (C‑3/06 P, Slg. 2007, I‑1331), bekannt geworden sei und sie es „angesichts dieses Urteils nicht für sinnvoll [halten], auf die vorgenannten Argumente zurückzukommen“. Auf entsprechende Fragen im Rahmen prozessleitender Verfügungen und in der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen bestätigt, dass sie den ersten Teil des sechsten Klagegrundes fallen ließen, allerdings die Argumentation im Rahmen des zweiten Teils dieses Klagegrundes aufrechterhielten, mit dem sie eine Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rügten.
284 Nach dieser Abstandnahme bedarf es keiner weiteren Prüfung des ersten Teils dieses Klagegrundes.
Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes: Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
– Vorbringen der Parteien
285 Die Klägerinnen verweisen darauf, dass die Kommission sich in der angefochtenen Entscheidung zur Rechtfertigung der Erhöhung der Geldbuße wegen Tatwiederholung auf die Entscheidungen Organische Peroxide, AMCA sowie Hydrogen- und Perboratperoxid gestützt habe. Damit habe die Kommission Arkema viermal für dieselbe Zuwiderhandlung geahndet und damit den Grundsatz ne bis in idem verletzt.
286 Die Klägerinnen führen hierzu aus, eine Tatwiederholung (Rückfall) liege dann vor, wenn eine Person nach abschließender Verurteilung wegen einer Zuwiderhandlung unter den im Gesetz festgelegten Umständen und meist innerhalb einer bestimmten Zeitspanne eine neue begehe. Die Tatwiederholung stelle daher eine Bewährung seit der ersten Verurteilung dar. Diese Bewährung könne nicht ewig und über die zweite Verurteilung hinaus andauern. Wenn der Verurteilte trotz der Verschärfung seiner Bestrafung wegen des Rückfalls eine dritte Zuwiderhandlung begehe, dürfe eine neue Verschärfung seiner Strafe wegen Rückfalls nur aufgrund der zweiten Zuwiderhandlung erfolgen. Jede andere Auslegung laufe darauf hinaus, die Strafe für ein und dieselbe Zuwiderhandlung zweimal zu verschärfen.
287 Ihrer Meinung nach hätte die Kommission daher davon ausgehen müssen, dass die Verurteilungen aus den Jahren 1984, 1986, 1988 und 1994 bereits in der Entscheidung Organische Peroxide bei der Bemessung der Geldbuße Berücksichtigung gefunden hätten, so dass eine Tatwiederholung von Arkema in den folgenden Verfahren nicht mehr aufgrund dieser Verurteilungen vorwerfbar gewesen wäre. Die Kommission hätte hingegen eine Tatwiederholung von Arkema möglicherweise auf der Grundlage der Entscheidungen Organische Peroxide, AMCA oder Hydrogen- und Perboratperoxid feststellen können. Da aber die Zeitspanne der in der angefochtenen Entscheidung beanstandeten Zuwiderhandlung vor den Entscheidungen in diesen drei Sachen liege, komme ein Rückfall im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
288 Auf das Vorbringen der Kommission, die Heranziehung des erschwerenden Umstands der Tatwiederholung werde durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Abschreckungswirkung von Geldbußen sicherzustellen, sei zu entgegnen, dass die Kommission diesen Umstand bereits berücksichtigt habe, indem sie den Grundbetrag der Geldbuße von Arkema wegen deren Zugehörigkeit zu einem großen Konzern erhöht habe. Damit habe die Kommission mit der zweimaligen Erhöhung der Geldbuße aus demselben Grund erneut gegen den Grundsatz ne bis in idem verstoßen.
289 Außerdem habe die Kommission zugleich, weil sie eine Erhöhung der Geldbuße wegen Tatwiederholung aufgrund derselben Ahndungen in vier verschiedenen Sachen vorgenommen habe, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Das Ziel der Abschreckung, auf das sich die Erhöhung der Geldbuße richte, sei hinreichend durch die Erhöhung um 50 % in der Endscheidung Organische Peroxide und erst recht durch die neuerlichen Verschärfungen von 50 % in den Entscheidungen AMCA von 2005 sowie Hydrogen- und Perboratperoxid von 2006 sichergestellt worden. Mithin sei es nicht erforderlich gewesen, in der angefochtenen Entscheidung erneut eine ähnliche Erhöhung auszusprechen, und dies umso mehr, als sich die Sachverhalte, die den vier Entscheidungen zugrunde lägen, zeitlich deckten, so dass Arkema nicht die Möglichkeit gehabt habe, ihr Verhalten anzupassen, um den drei vorausgegangenen Ahndungen von 2003, 2005 und 2006 Rechnung zu tragen.
290 In ihrer Erwiderung unterstreichen die Klägerinnen, dass diese Erhöhung der Geldbuße von Arkema wegen Tatwiederholung, da sie auf den Entscheidungen Organische Peroxide, AMCA sowie Hydrogen- und Perboratperoxid beruhe, wie dem Vorbringen der Kommission zu entnehmen sei, offensichtlich gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Eine solche Erhöhung sei nämlich unnütz und unverhältnismäßig, wenn die Zuwiderhandlungen, die zu mehreren Entscheidungen führten, gleichzeitig erfolgt seien, so dass das Unternehmen nicht in der Lage gewesen sei, sein Verhalten anzupassen, um den früheren Ahndungen Rechnung zu tragen.
291 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
– Würdigung durch das Gericht
292 Bekanntlich verbietet es das Prinzip ne bis in idem, ein tragender Grundsatz des Unionsrechts, der auch in Art. 50 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert wurde, im Bereich des Wettbewerbsrechts, dass ein Unternehmen wegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens, für das es in einer früheren, nicht mehr anfechtbaren Entscheidung mit einer Sanktion belegt oder für nicht verantwortlich erklärt wurde, erneut verurteilt oder verfolgt wird (Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 252 angeführt, Randnr. 59). Die Anwendung des Prinzips ne bis in idem hängt von der dreifachen Voraussetzung der Identität des Sachverhalts, des Zuwiderhandelnden und des geschützten Rechtsguts ab (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 338).
293 Dazu ist festzustellen, dass dieses Prinzip in keiner Weise dadurch verletzt wird, dass die angefochtene Entscheidung auf frühere Ahndungen gestützt ist, die in den Entscheidungen Organische Peroxide, AMCA sowie Hydrogen- und Perboratperoxid mit einer Erhöhung der Geldbuße von Arkema wegen Rückfalls gerechtfertigt worden waren. Dass die Kommission nämlich in vier Entscheidungen die Feststellung einer Tatwiederholung auf die gleichen früheren Entscheidungen gestützt hat, bedeutet keineswegs, dass, wie die Klägerinnen dies sehen, die Kommission „Arkema viermal für die gleiche Zuwiderhandlung“ bestraft habe.
294 Bekanntlich gehört ein etwaiger Wiederholungsfall zu den Gesichtspunkten, die bei der Untersuchung der Schwere der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind (Urteil Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 283 angeführt, Randnr. 26). Die Berücksichtigung des Wiederholungsfalls verfolgt den Zweck, Unternehmen, die tendenziell zur Verletzung von Gemeinschaftsvorschriften neigen, zur Änderung ihres Verhaltens zu veranlassen. Die Kommission kann daher in jedem Einzelfall die Anhaltspunkte berücksichtigen, die eine solche Neigung bestätigen, einschließlich z. B. der Zeitspanne zwischen den betreffenden Verstößen (Urteil Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 283 angeführt, Randnr. 39).
295 Mit der Begehung jeder der von den Klägerinnen angeführten Zuwiderhandlungen ist aber Arkema rückfällig geworden, was die Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts im Rahmen der Untersuchung der Schwere jeder dieser Zuwiderhandlungen rechtfertigt. Insbesondere war jede dieser Zuwiderhandlungen für sich eine Wiederholung des gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Verhaltens, wie es in den Entscheidungen von 1984, 1986 und 1994 festgestellt worden war und die Neigung von Arkema belegte, nicht die erforderlichen Konsequenzen aus diesen Ahndungen zu ziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 283 angeführt, Randnr. 40).
296 Folglich bezog sich die Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Wiederholungstat im Rahmen der von den Klägerinnen angeführten Verfahren notwendig auf die Untersuchung der Schwere jeder der betreffenden Zuwiderhandlungen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen hat somit die Kommission Arkema wegen vier verschiedenen Zuwiderhandlungen geahndet, so dass die Voraussetzung der Identität des Sachverhalts (vgl. Randnr. 292 dieses Urteils) im vorliegenden Fall eindeutig nicht erfüllt ist.
297 Im Übrigen würde die von den Klägerinnen vertretene Lösung dazu führen, dass die Kommission nicht mehr berechtigt wäre, im Rahmen einer bestimmten Entscheidung einen Wiederholungsfall zu berücksichtigen, und zwar allein deshalb, weil das betroffene Unternehmen zugleich andere Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht begangen hätte. Eine solche Lösung würde aber dem Ziel widersprechen, das mit der Berücksichtigung der Wiederholungstat im Rahmen der Bemessung der Geldbuße verfolgt wird.
298 Außerdem ist das Argument zurückzuweisen, die Kommission habe gegen den Grundsatz ne bis in idem verstoßen, weil sie die Berücksichtigung des erschwerenden Umstands der Wiederholungstat mit dem Bedürfnis gerechtfertigt habe, den Geldbußen eine Abschreckungswirkung zu sichern, obwohl diese Erwägung bereits Berücksichtigung gefunden habe. Die Kommission hat nämlich bei der Bemessung der Geldbuße nur eine Reihe von tatsächlichen Erwägungen angestellt, die sie für die Bemessung der Geldbuße in einer Höhe, die eine ausreichende Abschreckungswirkung sicherstellt, als erheblich ansah, und nicht etwa die Klägerinnen zweimal für dieselbe Zuwiderhandlung geahndet (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnr. 358). Insoweit ist darauf zu verweisen, dass das Erfordernis, die Abschreckung sicherzustellen, eine allgemeine Anforderung darstellt, der die Kommission während der gesamten Bemessung der Geldbuße zu genügen hat (Urteil Carbone‑Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 180 angeführt, Randnr. 131).
299 Zudem beruht die Berücksichtigung jedes einzelnen dieser Gesichtspunkte für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes auf unterschiedlichen Gründen. So rechtfertigt sich die Berücksichtigung des Gesamtumsatzes des betreffenden Unternehmens durch die Notwendigkeit, die Geldbuße in einer Höhe festzusetzen, die abschreckend genug ist, um der Größe und Wirtschaftskraft des Unternehmens Rechnung zu tragen. Die Berücksichtigung des Rückfalls wiederum rechtfertigt sich durch ein zusätzliches Abschreckungsbedürfnis, weil drei frühere Feststellungen von Zuwiderhandlungen nicht genügt haben, um die erneute Begehung einer vierten Zuwiderhandlung zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteil Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 298 angeführt, Randnr. 359).
300 Mit der Rüge, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, scheinen die Klägerinnen zu beanstanden, dass diese die Abschreckungswirkung hätte berücksichtigen müssen, die die Erhöhungen in den Entscheidungen Organische Peroxide, AMCA sowie Hydrogen- und Perboratperoxid auf die Klägerin gehabt hätten. Es ist aber darauf zu verweisen, dass die Kommission aus den gleichen Gründen, wie sie in den Randnrn. 228 bis 235 dieses Urteils dargelegt wurden, bei ihrer Suche nach einer Abschreckungswirkung der Geldbuße nicht verpflichtet ist, Geldbußen zu berücksichtigen, die sie gegen das gleiche Unternehmen im Rahmen anderer Sachen verhängt hat. Dies gilt ebenso für Erhöhungen, die wegen einer Wiederholungstat vorgenommen worden sind. Es würde insbesondere dem Ziel der Abschreckung widersprechen, nicht zu berücksichtigen, dass das betreffende Unternehmen rückfällig geworden ist, und allein deswegen, weil es parallel zu der beanstandeten Zuwiderhandlung an anderen Verstößen beteiligt war, die ebenfalls von der Kommission geahndet worden sind.
301 Im Übrigen ist der Erhöhungssatz von 50 % unter den Umständen des vorliegenden Falles im Verhältnis zu diesem Ziel nicht als unverhältnismäßig anzusehen.
302 Schließlich ergibt sich eindeutig aus den Randnrn. 358 und 369 der angefochtenen Entscheidung, dass entgegen dem, was die Klägerinnen zu verstehen geben (vgl. Randnr. 290 dieses Urteils), die Feststellung der Wiederholungstat im vorliegenden Fall nicht auf die Entscheidungen Organische Peroxide, AMCA sowie Hydrogen- und Perboratperoxid gestützt worden ist.
303 Daher ist der zweite Teil des sechsten Klagegrundes, um den allein es noch geht, zurückzuweisen.
Zum siebten Klagegrund: Tatsächlicher Beurteilungsfehler der Kommission bei der Weigerung, den Klägerinnen infolge der „effektiven Nichtanwendung“ bestimmter Arkema vorgeworfener Praktiken eine Ermäßigung zuzugestehen
Vorbringen der Parteien
304 Die Klägerinnen bringen vor, Arkema habe während des Verwaltungsverfahrens nachgewiesen, dass sie bestimmte streitige Absprachen nur teilweise durchgeführt habe, was die Kommission übrigens in der angefochtenen Entscheidung selbst eingeräumt habe. Sie sind daher der Auffassung, dass die Kommission aufgrund der Leitlinien und nach der Rechtsprechung diesen mildernden Umstand bei der Bemessung der Geldbuße hätte berücksichtigen müssen, und ersuchen daher das Gericht, den Betrag der Geldbuße erheblich herabzusetzen, um damit der „effektiven Nichtanwendung“ bestimmter beanstandeter Praktiken seitens Arkema Rechnung zu tragen.
305 Die Klägerinnen weisen insoweit darauf hin, dass Degussa sich mehrfach über die Nichteinhaltung der zwischen den Erzeugern getroffenen Absprachen über Preiserhöhungen seitens Arkema beschwert habe, wie der Bericht über mehrere Sitzungen in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 123, 128 und 133) belege.
306 Die Klägerinnen unterstreichen zugleich, dass nach der Entscheidungspraxis der Kommission die Geldbuße wegen teilweiser Nichtanwendung beanstandeter Absprachen herabgesetzt werden könne. Sie sind daher, anders als die Kommission in ihrer Klagebeantwortung, der Meinung, dass der bloße Umstand, dass ein Unternehmen nur bestimmte beanstandete Praktiken verwirklicht habe, für sich genommen nicht die Zubilligung mildernder Umstände ausschließen könne.
307 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
Würdigung durch das Gericht
308 Nach der Rechtsprechung ist bei der Zubilligung mildernder Umstände wegen effektiver Nichtanwendung der beanstandeten Absprachen zu prüfen, ob die vorgebrachten Umstände belegen können, dass sich das betreffende Unternehmen im Zeitraum seiner Teilnahme an den unzulässigen Absprachen tatsächlich deren Durchführung entzog, indem es sich auf dem Markt wettbewerbskonform verhielt, oder dass es sich zumindest den Verpflichtungen zur Umsetzung dieses Kartells so eindeutig und nachdrücklich widersetzte, dass dadurch sogar dessen Funktionieren selbst gestört wurde (Urteile des Gerichts Daiichi Pharmaceutical/Kommission, oben in Randnr. 271 angeführt, Randnr. 113, und Carbone‑Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 180 angeführt, Randnr. 196).
309 Somit kann im vorliegenden Fall entgegen der Darlegung der Kommission in ihren Schriftsätzen der Umstand, dass die Klägerinnen eine teilweise Umsetzung bestimmter streitiger Absprachen eingeräumt haben, für sich genommen nicht die Weigerung rechtfertigen, ihnen die geltend gemachten mildernden Umstände zuzugestehen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts Daiichi Pharmaceutical/Kommission, oben in Randnr. 271 angeführt, Randnrn. 102 und 116, und Carbone‑Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 180 angeführt, Randnrn. 197 und 223). Es bleibt nämlich weiterhin zu prüfen, ob die Klägerinnen nachgewiesen haben, dass sie sich den Verpflichtungen zur Umsetzung dieses Kartells so eindeutig und nachdrücklich widersetzt haben, dass dadurch sogar dessen Funktionieren selbst gestört wurde.
310 Die Klägerinnen haben in ihrer Klageschrift ihr Klagebegehren auf drei genau bezeichnete Umstände gestützt, die belegen sollen, dass Degussa sich mehrfach über die Nichteinhaltung der zwischen den Erzeugern getroffenen Absprachen über Preiserhöhungen seitens Arkema beschwert habe.
311 Sie weisen erstens darauf hin, dass die Kommission in Randnr. 123 der angefochtenen Entscheidung festgestellt habe, dass die Sitzung, die im Sommer 1999 stattgefunden habe, das Ziel gehabt habe, „Degussa Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Marktverhaltens von [Arkema] und von ICI zurückzugeben, das erschüttert worden war, als die Preisziele [von diesen beiden Unternehmen] nicht oder nur teilweise in Angriff genommen wurden“.
312 Zweitens berufen sich die Klägerinnen auf Randnr. 128 der angefochtenen Entscheidung, in der die Kommission festgestellt hat, dass die Sitzung vom 24. Februar 2000 über Abgusskomponenten von Degussa als Reaktion auf das Verhalten von Arkema gegenüber bestimmten Kunden des Automobilsektors einberufen worden sei. In dieser Sitzung hat laut Kommission „[Degussa] mittelbar [Arkema] vorgeworfen, sie habe im Automobilsektor die Erhöhung nicht durchgezogen“.
313 Drittens verweisen die Klägerinnen auf die Fassung der Randnr. 129 der angefochtenen Entscheidung, wo auf eine Sitzung vom 27. Juni 2000 über Abgusskomponenten Bezug genommen wird, die durch den Abschluss eines langfristigen Liefervertrags zwischen Arkema und dem wichtigsten Kunden auf dem Markt zu einem niedrigeren Preis ausgelöst worden war, als den Preiszielen entsprach, die zwischen Wettbewerbern in der Sitzung von Dublin (Irland) im Oktober 1999 abgesprochen worden waren. Laut Kommission wurde es „von Degussa als schwerer Vertrauensbruch betrachtet, dass Arkema vorsätzlich davon abgesehen hatte, die Preisziele durchzusetzen“. Auch in Randnr. 133 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission einen „schweren Konflikt“ zwischen Degussa und Arkema in dieser Sitzung erwähnt.
314 Es muss indessen festgestellt werden, dass die Berufung auf diese Passagen der angefochtenen Entscheidung allein nicht für den Nachweis ausreicht, dass die in Randnr. 308 dieses Urteils genannten Voraussetzungen erfüllt wären.
315 Zunächst ist zu unterstreichen, dass die angeführten Passagen allesamt Sitzungen über Abgusskomponenten auf der Grundlage von PMMA betreffen, d. h. nur eines der drei Erzeugnisse, die Gegenstand der einheitlichen Zuwiderhandlung waren, die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgestellt worden war. Die Klägerinnen haben indessen keinen objektiven Gesichtspunkt vorgebracht, der es dem Gericht erlauben würde, die Auswirkung der Nichtbeachtung der Absprachen über dieses Erzeugnis auf das Funktionieren des besagten Kartells zu beurteilen. Nebenbei stellen die Abgusskomponenten in PMMA, wie sich aus Randnr. 5 der angefochtenen Entscheidung ergibt, nur 36 % des gesamten PMMA-Marktes dar, wenn man auf die Verteilung von Methylmethacrylat auf die drei PMMA-Erzeugnisse abstellt.
316 Insbesondere zu der Angabe in Randnr. 123 der angefochtenen Entscheidung, dass „in der Vergangenheit … die Preisziele [von Arkema und ICI] nicht oder nur teilweise verwirklicht worden sind“, ist festzustellen, dass die Klägerinnen nichts beibringen, was erlauben würde, deren konkrete Bedeutung inhaltlich oder von der Dauer her zu ermitteln.
317 Zum einen ist hervorzuheben, dass sich aus Randnr. 123 der angefochtenen Entscheidung ergibt, dass die Preisziele teilweise durchgesetzt worden sind. Die Klägerinnen erläutern aber nicht, welche Tragweite diese „teilweise Nichtanwendung“ hatte. Insbesondere bringen sie nicht vor, dass sie ein Ausmaß gehabt hätte, das sogar das Funktionieren dieses Kartells gefährdet hätte. Im Übrigen ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass in der gleichen Sitzung die Teilnehmer eine Seite dieses Kartells in Angriff genommen haben, nämlich den Austausch heikler Geschäftsinformationen (vgl. den letzten Satz der Randnr. 123 der angefochtenen Entscheidung sowie deren Randnr. 117, auf die verwiesen wird).
318 Zum anderen machen die Klägerinnen nicht klar, um welchen Zeitraum es sich handelt. Während aber die fragliche Sitzung im Sommer 1999 stattgefunden hat, hat die Zuwiderhandlung am 23. Januar 1997 begonnen (vgl. Randnr. 109 der angefochtenen Entscheidung). In der Zwischenzeit hatte Arkema an mehreren wettbewerbswidrigen Sitzungen teilgenommen, deren Darstellung in der angefochtenen Entscheidung keine Unstimmigkeiten bezüglich insbesondere des Funktionierens des Kartells verzeichnet (vgl. Randnrn. 111 bis 119 der angefochtenen Entscheidung).
319 Das Vorbringen der Klägerinnen wiederum, das auf den Randnrn. 128, 129 und 133 der angefochtenen Entscheidung beruht, bezieht sich im Wesentlichen auf einen langfristigen Liefervertrag mit einem Preisniveau unterhalb der Preisziele, die zwischen Wettbewerbern auf der Sitzung in Dublin, die im Oktober 1999 stattgefunden hatte, abgesprochen worden waren. Auch wenn die Kommission dieses Unternehmen als „Großkunden“ bezeichnet (Randnr. 129 der angefochtenen Entscheidung) und erwähnt, dass es sich um „5 000 T/jährlich“ handele (Fn. 131 der angefochtenen Entscheidung), bringen die Klägerinnen nichts Konkretes vor, was es ermöglichen würde, die Bedeutung dieses Vertrags im Vergleich mit der Zusammenarbeit zwischen den Kartellteilnehmern im Bereich der Abgusskomponenten auf der Grundlage von PMMA einzuschätzen, ganz zu schweigen von der einheitlichen Zuwiderhandlung bezüglich der drei PMMA-Erzeugnisse.
320 Im Übrigen ist zu betonen, dass es um einen Vertrag geht, der im ersten Halbjahr 2000 unterzeichnet wurde (vgl. Randnrn. 128 und 129 der angefochtenen Entscheidung) und die erst im Oktober 1999 entschiedenen Preiserhöhungen nicht berücksichtigt, während Arkema an dem Kartell vom 23. Januar 1997 bis zum 12. September 2002 beteiligt war. Ebenso ist zu unterstreichen, dass, auch wenn die Entscheidung einen „schweren Konflikt“ (Randnr. 133) und einen „schweren Vertrauensbruch“ (Randnr. 129) erwähnt, ganz eindeutig die Zusammenarbeit zwischen Atofina und den anderen Beteiligten trotz dieses Konflikts fortgesetzt wurde (vgl. insbesondere Randnrn. 131 und 134 der angefochtenen Entscheidung) und sogar in der Sitzung vom 9. Februar 2001 zu einem Informationsaustausch über die Preise führte, der genau diesen Kunden betraf (vgl. Randnr. 131 der angefochtenen Entscheidung zu der Sitzung vom 9. Februar 2001).
321 Demgemäß ist davon auszugehen, dass die von den Klägerinnen vorgebrachten Umstände allenfalls bestimmte Mängel in der Wirksamkeit des Kartells bei den Abgusskomponenten auf der Grundlage von PMMA sowie einen Fall der Nichtanwendung der abgesprochenen Preisziele im Bereich dieses Produkts auf einen Kunden durch Arkema beweisen. Im Übrigen hat die Kommission selbst eingeräumt, dass es Zeiträume gegeben habe, in denen die Kartellbeteiligten von den Absprachen abgerückt (vgl. Randnr. 329 der angefochtenen Entscheidung) und dass bestimmte Beschlüsse nicht vollständig ausgeführt worden seien (vgl. Randnr. 379 dieser Entscheidung). Berücksichtigt man indessen, dass die betreffende Zuwiderhandlung nach der angefochtenen Entscheidung einen einheitlichen Verstoß für drei Produkte darstellt, dass diese Zuwiderhandlung vom 23. Januar 1997 bis zum 12. September 2002 gedauert hat und mehrere Seiten einschließlich eines Austauschs vertraulicher Informationen über die Märkte und die Unternehmen umfasste (vgl. Randnr. 3 der angefochtenen Entscheidung), so reichen diese Umstände nicht aus, um die in Randnr. 308 dieses Urteils genannten Voraussetzungen zu erfüllen. Im Übrigen behaupten die Klägerinnen selbst nicht, die Pflichten zur Durchführung dieses Kartells so stark vernachlässigt zu haben, dass sogar das Funktionieren des Kartells gefährdet worden sei.
322 Mithin ist zum einen festzustellen, dass die Kommission die effektive Nichtanwendung der beanstandeten Absprachen zu Recht nicht als mildernden Umstand berücksichtigt hat und dass zum anderen eine Herabsetzung der Geldbuße aus diesem Grund auch im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung ebenso wenig gerechtfertigt ist.
323 Demnach sind der vorliegende Klagegrund sowie der hierauf gestützte Antrag der Klägerinnen auf Herabsetzung der Geldbuße zurückzuweisen.
Zum achten Klagegrund: Rechtliche und tatsächliche Beurteilungsfehler im Zusammenhang mit der Weigerung der Kommission, den Klägerinnen eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund „anderer Faktoren“ zu gewähren
Vorbringen der Parteien
324 Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass Arkema in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eine Herabsetzung der gegen sie zu verhängenden Geldbuße aufgrund „anderer Faktoren“ im Sinne der Leitlinien gefordert habe, um die hohen Geldbußen zu berücksichtigen, die ihr von der Kommission kürzlich auferlegt worden seien. Der Kommission seien rechtliche und tatsächliche Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie diese Herabsetzung mit der Begründung verweigert habe, dass Arkema „nichts vorgebracht [habe], was darauf hingedeutet hätte, dass sie sich in einer sehr schwierigen Lage befände“ (Randnr. 396 der angefochtenen Entscheidung).
325 Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass die Kommission in zwei kürzlich erlassenen Entscheidungen den Endbetrag der Geldbuße nach Nr. 5 Buchst. b der Leitlinien mit der Begründung herabgesetzt habe, dass das betreffende Unternehmen kurz zuvor bereits zur Zahlung hoher Geldbußen verurteilt worden sei. Es handele sich um die Entscheidung K(2002) 5083 endg. der Kommission vom 17. Dezember 2002 in einem Verfahren nach Artikel [81 EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP E-2/37.667 – Spezialgrafit) (im Folgenden: Entscheidung Spezialgrafit) und die Entscheidung K(2003) 4457 der Kommission vom 3. Dezember 2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38.359 – Elektrotechnische und mechanische Kohlenstoff- und Grafitprodukte) (im Folgenden: Entscheidung Kohlenstoff- und Grafitprodukte). Wenn die Kommission in jeder dieser Entscheidungen habe andeuten wollen, dass die Herabsetzung auch auf die Finanzlage des betreffenden Unternehmens gestützt sei, könne die Herabsetzung eigentlich nur das Ergebnis der Berücksichtigung einer kürzlich erfolgten Verurteilung zu hohen Geldbußen sein.
326 Aus eben diesen Entscheidungen ergebe sich nämlich, dass die Kommission der Meinung gewesen sei, dass die Berücksichtigung der Finanzlage eines Unternehmens, um den Betrag ihrer Geldbuße herabzusetzen, darauf hinauslaufe, den am wenigsten an die Marktbedingungen angepassten Unternehmen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu gewähren, und zu einer Diskriminierung der anderen am Verfahren beteiligten Unternehmen führen könne. Die Klägerinnen sind daher der Meinung, dass die Kommission nicht berechtigt gewesen sei, sich auf die Finanzlage des betreffenden Unternehmens, auch nicht zusammen mit anderen Faktoren, zu stützen, um so seine Geldbuße herabzusetzen.
327 Arkema sei kürzlich von der Kommission mit weiteren Geldbußen in einem Gesamtbetrag von etwa 180 Mio. Euro wegen ihrer Beteiligung an gemeinsamen Verstößen belegt worden, die zumindest teilweise gleichzeitig mit den in der angefochtenen Entscheidung geahndeten Praktiken abgelaufen seien. Es gehe um die Entscheidungen Organische Peroxide, AMCA sowie Hydrogen- und Perboratperoxid.
328 Wenn man diese Bußgeldbescheide berücksichtige, wäre es nicht notwendig gewesen, ihnen den gesamten Endbetrag der Geldbuße (in Höhe von 219,13125 Mio. Euro) aufzuerlegen, um eine effektive Abschreckung zu erzielen. Die Kommission hätte dies somit als „anderen Faktor“ berücksichtigen müssen. Folglich ersuchen die Klägerinnen das Gericht, den Betrag ihrer Geldbuße herabzusetzen, um die unlängst von Arkema gezahlten Geldbußen zu berücksichtigen.
329 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
Würdigung durch das Gericht
330 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bilden kann. Die Kommission verfügt nämlich im Bereich der Bemessung der Geldbußen über ein weites Ermessen und ist durch Beurteilungen, die sie früher ausgesprochen hat, nicht gebunden (vgl. Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission, T‑329/01, Slg. 2006, II‑3255, Randnrn. 108 bis 110 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit kann die bloße Berufung der Klägerinnen auf die Entscheidungen Spezialgrafit sowie Kohlenstoff- und Grafitprodukte als solche nicht durchgreifen, da die Kommission nicht verpflichtet war, die vorliegende Sache ebenso zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil Archer Daniels Midland/Kommission, Randnr. 111).
331 Im Übrigen ist festzustellen, dass die Kommission in diesen beiden Entscheidungen die Höhe der gegen die betreffende Gesellschaft in dieser Sache verhängte Geldbuße wegen der schweren finanziellen Schwierigkeiten in Verbindung zum einen mit einer, zum anderen mit zwei kürzlich erfolgten Verurteilungen zur Zahlung von Geldbußen für gleichzeitig begangene Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht herabgesetzt hat. Die Klägerinnen machen aber nicht geltend, dass sie sich in einer mit dieser Gesellschaft vergleichbaren Lage befänden, was insbesondere die finanzielle Gesundheit angeht (vgl. Randnrn. 556 bis 559 der Entscheidung Spezialgrafit und Randnr. 360 der Entscheidung Kohlenstoff- und Grafitprodukte).
332 Das Vorbringen wiederum, dass die Herabsetzung der Geldbuße nur auf die kürzlich erfolgten Ahndungen dieses Unternehmens hätte gestützt sein können, weil die Kommission im Hinblick auf die Rechtsprechung und die eigentümlichen Vorgaben dieser Entscheidungen nicht befugt gewesen sei, die finanzielle Lage des betreffenden Unternehmens allein oder zusammen mit anderen Gesichtspunkten zu berücksichtigen, muss, wie zu unterstreichen ist, an den eigentümlichen Vorgaben dieser Entscheidungen scheitern. Im Übrigen ist in diesem Punkt auf das Urteil Carbone‑Lorraine/Kommission (oben in Randnr. 180 angeführt, Randnrn. 311 bis 317) zu verweisen, bei dem das gleiche Argument, das einer der Adressaten der Entscheidung Kohlenstoff- und Grafitprodukte vorgebracht hatte, zurückgewiesen wurde.
333 Folglich ist der Kommission in Randnr. 396 der angefochtenen Entscheidung kein Fehler unterlaufen, als sie das Vorbringen der Klägerinnen zu dem Abschnitt „Andere Faktoren“ mit der Begründung zurückgewiesen hat, Arkema habe nichts vorgebracht, was darauf hingedeutet hätte, dass sie sich in einer sehr schwierigen Finanzlage befände.
334 Außerdem kann bei Ausübung der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung die von den Klägerinnen beantragte Herabsetzung der Geldbuße nicht in Frage kommen.
335 Allein der Umstand nämlich, dass die Klägerinnen kürzlich für zum Teil gleichzeitige Zuwiderhandlungen mit drei weiteren Geldbußen geahndet worden sind, kann eine Herabsetzung der im vorliegenden Fall verhängten Geldbuße nicht rechtfertigen. Im Übrigen würde es, wenn eine bereits erfolgte Bestrafung die Herabsetzung einer späteren Geldbuße rechtfertigen könnte, zu der Paradoxie führen, dass ein Unternehmen, das seine Beteiligung an Kartellen vervielfachen würde, eine progressive Abnahme der marginalen Kosten jeder Sanktion erführe. Das aber würde offensichtlich dem mit den Geldbußen verfolgten Ziel der Abschreckung widersprechen.
336 Die Klägerinnen bringen keinen Gesichtspunkt vor, der belegen könnte, dass die Verhängung der Geldbuße im vorliegenden Fall in Verbindung mit anderen kürzlich verhängten Geldbußen sie in eine besondere Lage gebracht hätte. Außerdem ist herauszustellen, dass mit Ausnahme der mit der Entscheidung Organische Peroxide verhängten Geldbuße die Haftung von Arkema für die Zahlung dieser Geldbußen größtenteils mit Elf Aquitaine und Total gesamtschuldnerisch geteilt wird. Auf jeden Fall bleibt der Gesamtbetrag der gegen Arkema in diesen vier Entscheidungen verhängten Geldbußen sogar noch unter der Schwelle von 10 % des in Randnr. 14 der angefochtenen Entscheidung genannten Umsatzes von Arkema im Jahr 2005, wie sie in der Verordnung Nr. 1/2003 für eine einzige Geldbuße festgelegt worden ist.
337 Folglich sind dieser Klagegrund sowie der entsprechende Antrag der Klägerinnen auf Herabsetzung der Geldbuße zurückzuweisen.
Ergebnis
338 Demgemäß ist – mit Ausnahme des auf Herabsetzung der zwecks Abschreckung erfolgten Erhöhung der Geldbuße gerichteten Klagebegehrens der Klägerinnen – die Klage insgesamt abzuweisen.
339 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen (vgl. Randnrn. 247 bis 280 dieses Urteils) ist das Gericht der Auffassung, dass im Rahmen seiner Zuständigkeit zu unbeschränkter Nachprüfung der Betrag der Geldbuße, für die die Klägerinnen zu haften haben, herabzusetzen ist, um in Ansatz zu bringen, dass sie am Tag der Verhängung der Geldbuße nicht mehr von der Total-Gruppe beherrscht wurden.
340 Bei der Neubemessung dieses Betrags hält es das Gericht für angezeigt, sich an die in der angefochtenen Entscheidung befolgte Methode anzulehnen und den bei den Klägerinnen in Randnr. 349 der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Multiplikationsfaktor 3 durch den Multiplikationsfaktor 1,25 zu ersetzen. Das Gericht ist nämlich unter den Umständen des vorliegenden Falls und bei Berücksichtigung insbesondere der Erhöhungen gegenüber den anderen Adressaten der angefochtenen Entscheidung der Auffassung, dass eine solche Erhöhung angemessen ist, um eine ausreichende Abschreckungswirkung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße sicherzustellen.
341 Insbesondere ist nicht dem Antrag der Kommission in der mündlichen Verhandlung zu entsprechen, der im Kern dahin geht, das Gericht solle dem Gesichtspunkt der rechtlich-wirtschaftlichen Strukturen des betreffenden Unternehmens zur Zeit der Zuwiderhandlung Rechnung tragen und den auf die Klägerinnen angewandten Multiplikationsfaktor 3 aufrechterhalten.
342 Es sei darauf hingewiesen, dass die Ausübung einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht dazu führen darf, dass Unternehmen, die an einer gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, bei der Ermittlung der Höhe ihrer Geldbußen ungleich behandelt werden (Urteile des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Sarrió/Kommission, C‑291/98 P, Slg. 2000, I‑9991, Randnr. 97, und vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C‑407/04 P, Slg. 2007, I‑829, Randnr. 152). Da nun dieser Gesichtspunkt bei den übrigen Adressaten der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt worden ist (vgl. Randnrn. 266 bis 271 dieses Urteils), wäre es nicht gerechtfertigt, den Betrag der den Klägerinnen zuzurechnenden Geldbuße aus diesem Grund zu erhöhen.
343 Auf jeden Fall könnte dieser Gesichtspunkt, selbst wenn er bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen wäre, nicht die Heranziehung des Multiplikationsfaktors 3 zwecks ausreichender Abschreckungswirkung der Geldbuße gegenüber den Klägerinnen rechtfertigen. Das würde nämlich zur Anwendung des gleichen Multiplikationsfaktors auf die Klägerinnen wie dem für die früheren Muttergesellschaften führen, obwohl sie sich, was die mit der Anwendung einer solchen Erhöhung verfolgten wesentlichen Ziele angeht, in offensichtlich verschiedener Lage befinden (vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, Randnr. 340).
344 Es ist im Übrigen entschieden worden, dass kein Anlass besteht, zwischen zwei Unternehmen zu differenzieren, deren Umsätze es jedenfalls rechtfertigen, sie als Großunternehmen einzustufen, die über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen sie hat (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, Randnr. 340). Im vorliegenden Fall nun hätten alle in Randnr. 349 der angefochtenen Entscheidung angeführten Unternehmen sowie übrigens auch Arkema wegen ihres eigenen Umsatzes als Großunternehmen behandelt werden können, die über rechtlich-wirtschaftliche Infrastrukturen verfügten, anhand deren sie besser hätten erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 213 angeführt, Randnr. 294). Folglich rechtfertigt sich angesichts der bei den anderen Unternehmen angewandten Multiplikationsfaktoren (1,75 bei Degussa, 1,5 bei ICI und ein „hypothetischer“ Faktor 1,25 bei Arkema) der Multiplikationsfaktor 3 nur wegen des sehr hohen Umsatzes von Total am Tag der Verhängung der Geldbuße.
345 Zu der neuen Bemessung der Geldbuße, für die die Klägerinnen einzustehen haben, ist auf den Wortlaut von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen, in dem es heißt: „Wegen der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen werden folgende Geldbußen festgesetzt: … b) Arkema …, Altuglas International … und Altumax Europe … gesamtschuldnerisch: [219,13125] Euro; hiervon haftet Total … gesamtschuldnerisch für 140,4 Mio. Euro und Elf Aquitaine … gesamtschuldnerisch für 181,35 Mio. Euro.“
346 Angesichts dieses Wortlauts und der Gründe der Entscheidung, die der Bemessung der Geldbuße gelten, ist zwischen zwei Teilen der Geldbuße zu unterscheiden.
347 Erstens wurden die Klägerinnen gesamtschuldnerisch für die Zahlung eines Betrags von 37 781 250 Euro haftbar gemacht, wobei die Haftung von Elf Aquitaine und Total sich nicht auf diesen Betrag bezog.
348 Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass es sich um den Betrag aus der Erhöhung wegen Tatwiederholung handelt, für die Elf Aquitaine und Total nicht haftbar gemacht wurden, auf den die Kommission sodann eine Ermäßigung von 40 % nach der Mitteilung über Zusammenarbeit angewandt hat. Es ist indessen darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission selbst bei der Bemessung der Erhöhung wegen Tatwiederholung auf einen „hypothetischen“ Faktor von 1,25 als ausreichende Abschreckung gestützt hat (vgl. Fn. 233 zu Randnr. 349 der angefochtenen Entscheidung). Daher haben die in den Randnrn. 247 bis 280 dieses Urteils angeführten Erwägungen keine Auswirkung auf diesen Betrag gehabt, so dass der Betrag von 37 781 250 Euro, für den die Klägerinnen unter Ausschluss ihrer früheren Muttergesellschaften einzustehen haben, unverändert bestehen bleiben muss.
349 Zweitens sind die Klägerinnen gesamtschuldnerisch mit Elf Aquitaine für die Zahlung eines Betrags von 181,35 Mio. Euro für haftbar erklärt worden, von denen Total gesamtschuldnerisch 140,4 Mio. Euro zu übernehmen hatte. Es handelt sich mithin um den Betrag der Geldbuße, der nicht auf die Berücksichtigung der Tatwiederholung zurückgeht.
350 Dieser Betrag von 181,35 Mio. Euro ergibt sich namentlich aus der Anwendung des Multiplikationsfaktors 3. Da die Anwendung dieses Faktors auf die Klägerinnen nicht gerechtfertigt ist, muss dieser Betrag für sie anhand des Multiplikationsfaktors 1,25 und nach der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung befolgten Methode neu berechnet werden.
351 Demzufolge ist die gesamtschuldnerische Haftung der Klägerinnen für diesen Teil der Geldbuße auf 75 562 500 Euro herabzusetzen.
352 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen 10 % des Gesamtumsatzes des vorherigen Geschäftsjahrs nicht überschreiten darf. Nach der Rechtsprechung kann diese Obergrenze erst, wenn sich herausstellt, dass mehrere Adressaten der Entscheidung, mit der die Geldbuße verhängt wird, das Unternehmen im Sinne der für die geahndete Zuwiderhandlung verantwortlichen wirtschaftlichen Einheit darstellen, und dies auch noch zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung gilt, anhand des Gesamtumsatzes dieses Unternehmens, d. h. aller seiner Bestandteile, berechnet werden. Wurde diese wirtschaftliche Einheit dagegen in der Zwischenzeit aufgelöst, so hat jeder Adressat der Entscheidung Anspruch auf individuelle Anwendung der fraglichen Obergrenze (Urteil Tokai Carbon u. a./Kommission, oben in Randnr. 272 angeführt, Randnr. 390).
353 Somit bleibt zu prüfen, ob die Geldbuße, zu deren Zahlung die Klägerinnen verpflichtet sind, nicht 10 % des Gesamtumsatzes von Arkema für 2005 überschreitet. Die Klägerinnen sind von nun an gesamtschuldnerisch für die Zahlung der Geldbuße bis 113 343 750 Euro haftbar (der Betrag von 37 781 250 Euro gemäß Randnr. 348 dieses Urteils zuzüglich des Betrags von 75 562 500 Euro gemäß Randnr. 351 dieses Urteils). Mithin ist festzustellen, dass dieser Betrag 10 % des Umsatzes von Arkema im Jahr 2005 nicht übersteigt, wie sich aus Randnr. 14 der angefochtenen Entscheidung ergibt. Im Übrigen gilt dies in gleicher Weise für den vor Anwendung der Ermäßigung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit festgesetzten Zwischenbetrag.
Kosten
354 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.
355 Im vorliegenden Fall ist den Anträgen der Klägerinnen zum Teil entsprochen worden. Weil indessen das Vorbringen, das zur Herabsetzung der Geldbuße geführt hat, erst in der mündlichen Verhandlung erfolgt ist, obwohl dies bereits in der Klageschrift möglich gewesen wäre (vgl. Randnr. 247 dieses Urteils), haben bei gerechter Würdigung der Umstände des Falles die Klägerinnen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission zu tragen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Geldbuße, für deren Zahlung Arkema SA (jetzt Arkema France), Altuglas International SA und Altumax Europe SAS gesamtschuldnerisch gemäß Art. 2 Buchst. b der Entscheidung K(2006) 2098 endg. der Kommission vom 31. Mai 2006 in einem Verfahren nach Art. 81 EG und Art. 53 EWR (Sache COMP/F/38.645 – Methacrylate) haften, wird auf 113 343 750 Euro herabgesetzt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Arkema France, Altuglas International und Altumax Europe tragen die Kosten.
Czúcz |
Labucka |
O’Higgins |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Juni 2011.
Unterschriften
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Einleitung
Verwaltungsverfahren
Angefochtene Entscheidung
Adressaten der angefochtenen Entscheidung
Bemessung der Geldbuße
Verfahren und Anträge der Parteien
Rechtliche Würdigung
Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Regeln über die Zurechnung der Praktiken einer Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft und des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung
Zum ersten Teil dieses Klagegrundes: Verkennung der Regeln über die Zurechnung der Praktiken einer Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft
– Vorbringen der Parteien
– Würdigung durch das Gericht
Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes: Verletzung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung
– Vorbringen der Parteien
– Würdigung durch das Gericht
Zum zweiten Klagegrund: Tatsächliche Beurteilungsfehler der Kommission bei der Zurechnung der Zuwiderhandlung von Arkema an Total und Elf Aquitaine
Zum ersten Teil dieses Klagegrundes: Verkennung der fehlenden Verwicklung der Vorstandsmitglieder von Total und Elf Aquitaine in die in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Praktiken
– Vorbringen der Parteien
– Würdigung durch das Gericht
Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes: Verkennung der Anhaltspunkte für die wirkliche Selbständigkeit von Arkema bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik
– Vorbringen der Parteien
– Würdigung durch das Gericht
Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht und des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung bei der Anwendung der Zurechnungsregeln
Zum ersten Teil: Verletzung der Begründungspflicht
– Vorbringen der Parteien
– Würdigung durch das Gericht
Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes: Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung
– Vorbringen der Parteien
– Würdigung durch das Gericht
Zum vierten Klagegrund: Verkennung des Kriteriums der konkreten Auswirkung auf den Markt bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße auf 65 Mio. Euro
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Zum fünften Klagegrund: Vorliegen rechtlicher und tatsächlicher Beurteilungsfehler bei der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung
Zum ersten Teil dieses Klagegrundes: Fehlende Berechtigung der Kommission zur Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße wegen der Abschreckungswirkung anhand des Umsatzes von Total, der die Zuwiderhandlung nicht zuzurechnen war
– Vorbringen der Parteien
– Würdigung durch das Gericht
Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes: Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung
– Vorbringen der Parteien
– Würdigung durch das Gericht
Zum dritten Teil dieses Klagegrundes: Unnützer Rückgriff auf die Abschreckungswirkung der Geldbuße im vorliegenden Fall
– Vorbringen der Parteien
– Würdigung durch das Gericht
Zu der in der mündlichen Verhandlung erhobenen Rüge: Ende der Beherrschung der Klägerinnen durch Total und Elf Aquitaine zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung
– Vorbringen der Parteien
– Würdigung durch das Gericht
Zum sechsten Klagegrund: Rechtliche Beurteilungsfehler der Kommission bei der Erhöhung der Geldbuße wegen Tatwiederholung
Zum ersten Teil dieses Klagegrundes: Verletzung der Grundsätze der gesetzlichen Verankerung von Straftaten und Strafen und der Rechtssicherheit
Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes: Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
– Vorbringen der Parteien
– Würdigung durch das Gericht
Zum siebten Klagegrund: Tatsächlicher Beurteilungsfehler der Kommission bei der Weigerung, den Klägerinnen infolge der „effektiven Nichtanwendung“ bestimmter Arkema vorgeworfener Praktiken eine Ermäßigung zuzugestehen
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Zum achten Klagegrund: Rechtliche und tatsächliche Beurteilungsfehler im Zusammenhang mit der Weigerung der Kommission, den Klägerinnen eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund „anderer Faktoren“ zu gewähren
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Ergebnis
Kosten
* Verfahrenssprache: Französisch.