Schlußanträge des Generalanwalts

Schlußanträge des Generalanwalts

1. Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen ersucht der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Vereinigtes Königreich) den Gerichtshof um Auslegung des Art. 28 der Richtlinie 2001/83(2), durch die ein Verfahren der gegenseitigen Anerkennung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln geschaffen wurde.

2. Der Gerichtshof wird im Wesentlichen ersucht, über den Umfang des Ermessensspielraums zu entscheiden, über den ein Mitgliedstaat verfügt, bei dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wird (im Folgenden: betroffener Mitgliedstaat), die von einem anderen Mitgliedstaat nach dem abgekürzten Verfahren des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 2001/83 erteilt wurde (im Folgenden: Referenzmitgliedstaat). In diesem Verfahren ist der Antragsteller nicht verpflichtet, mit seinem Dossier die Ergebnisse der toxikologischen und pharmakologischen Versuche oder die Ergebnisse der klinischen Versuche vorzulegen, wenn er nachweisen kann, dass das fragliche Arzneimittel „im Wesentlichen“ einem Arzneimittel „gleicht“, das bereits in der Gemeinschaft zugelassen und in dem Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wird, in den Verkehr gebracht ist(3) .

3. Die Vorabentscheidungsfragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Synthon BV(4) und der Licensing Authority of the Department of Health, der zuständigen britischen Behörde(5), die den Antrag auf gegenseitige Anerkennung der von der zuständigen dänischen Behörde erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Varox mit der Begründung abgelehnt hatte, dass es nicht im Wesentlichen dem Referenzarzneimittel gleiche.

4. In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich darlegen, weshalb ich der Auffassung bin, dass die Ablehnung eines Antrags auf gegenseitige Anerkennung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens gegen Art. 28 der Richtlinie 2001/83 verstößt und somit einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darstellen kann.

I – Der rechtliche Rahmen

A – Das Gemeinschaftsrecht

5. Die vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Fragen betreffen die Auslegung des Art. 28 der Richtlinie 2001/83. Diese Richtlinie war in Kraft, als die Klägerin am 21. November 2002 ihren zweiten Antrag auf gegenseitige Anerkennung der von der dänischen Behörde erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen stellte.(6)

6. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich allerdings, dass auch die Richtlinien 65/65/EWG(7) und 75/319/EWG(8) anwendbar sind.

7. Die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Varox wurde von der zuständigen dänischen Behörde nach dem ursprünglich in Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 geregelten abgekürzten Verfahren erteilt.

8. Des Weiteren gehe ich davon aus, dass Synthon erstmals gemäß Art. 9 der Richtlinie 75/319(9) die gegenseitige Anerkennung dieser Genehmigung bei der Licensing Authority beantragt hatte.

9. Aus Gründen der Klarheit nehme ich jedoch in diesen Schlussanträgen nur auf die anwendbaren Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 Bezug, denn die in den vorigen Randnummern genannten Bestimmungen der Richtlinien 65/65 und 75/319 wurden fast wörtlich in die Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii und Art. 28 der Richtlinie 2001/83 übernommen.

10. Diese Richtlinie setzt die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften fort, die mit den Richtlinien 65/65, 75/318/EWG(10) und 75/319 begonnen wurde, um die Hindernisse für den Handel mit Arzneimitteln im Gemeinsamen Markt zu beseitigen. Sie kodifiziert die genannten Texte in einer stärker gegliederten Gesamtregelung.

11. Nach Art. 6 Abs.1 der Richtlinie 2001/83 darf ein Arzneimittel in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde

12. Diese Genehmigung kann von den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats oder seit Inkrafttreten der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93(11) auch von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften erteilt werden.

13. Die Art. 8 bis 12 der Richtlinie 2001/83 regeln die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen.

14. Nach Art. 8 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie ist der Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen von einem in der Gemeinschaft niedergelassenen Antragsteller bei der zuständigen Behörde des betroffenen Mitgliedstaats zu stellen. Dem Antrag sind die in Art. 8 Abs. 3 dieser Richtlinie genannten Angaben und Unterlagen beizufügen. Zu diesen Unterlagen gehören nach Ziff. i die Ergebnisse der bezüglich dieses Arzneimittels durchgeführten Versuche physikalisch-chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Art, toxikologischer und pharmakologischer Art und klinischer Art. Ferner ist dem Antrag eine Kopie jeder bereits in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Arzneimittels beizufügen (Buchst. l).

15. Art. 10 der Richtlinie 2001/83 regelt die Fälle, in denen ein abgekürztes Verfahren durchgeführt werden kann.

16. Nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii Unterabs. 1 dieser Richtlinie(12) ist der Antragsteller nicht verpflichtet, die Ergebnisse der toxikologischen und pharmakologischen Versuche oder die Ergebnisse der klinischen Versuche vorzulegen, wenn er nachweisen kann, dass das Arzneimittel im Wesentlichen einem Arzneimittel gleicht, das schon seit mindestens sechs Jahren in der Gemeinschaft zugelassen und in dem Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wird, in den Verkehr gebracht ist.(13) Diese Vorschrift erfasst nicht den Fall, dass das Arzneimittel zu einem anderen therapeutischen Zweck bestimmt ist oder auf anderem Weg oder in anderer Dosis als die übrigen bereits im Handel befindlichen Arzneimittel verabreicht werden muss. In diesem Fall sind die Ergebnisse der entsprechenden Versuche vorzulegen.

17. Art. 18 der Richtlinie 2001/83 sieht ein Verfahren der gegenseitigen Anerkennung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen für den Fall vor, dass ein Mitgliedstaat durch die einem Genehmigungsantrag beigefügten Angaben und Unterlagen darüber unterrichtet wird, dass das fragliche Arzneimittel schon von einem anderen Mitgliedstaat genehmigt wurde.(14)

18. Der betroffene Mitgliedstaat muss diese Genehmigung innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt des Beurteilungsberichts dieses anderen Mitgliedstaats anerkennen, es sei denn, er ist der Auffassung, dass diese Genehmigung eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen kann.(15) In diesem Fall kommt das in den Art. 29 bis 34 geregelte gemeinschaftliche Konzertierungs- und Schiedsverfahren zum Tragen.

19. Die Richtlinie 2001/83 enthält ferner ein Kapitel 4 mit der Überschrift „Gegenseitige Anerkennung der Genehmigungen“. Dieses Kapitel, das die Art. 27 bis 39 umfasst, spielt im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren eine zentrale Rolle.

20. Nach Art. 27 dieser Richtlinie wird, um den Erlass gemeinsamer Entscheidungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in der Gemeinschaft zu erleichtern, ein Ausschuss für Arzneispezialitäten eingesetzt.(16) Er hat insbesondere alle Fragen bezüglich der Erteilung, der Änderung, der Aussetzung oder des Widerrufs von Genehmigungen für das Inverkehrbringen zu prüfen.

21. Art. 28 der Richtlinie behandelt den Fall, dass ein förmlicher Antrag auf gegenseitige Anerkennung bei einem Mitgliedstaat gestellt wird.(17)

22. Um in einem Mitgliedstaat die Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung zu erlangen, muss der Inhaber der Genehmigung gemäß Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 bei den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats einen Antrag zusammen mit den Angaben und Unterlagen nach Art. 8 (normales Genehmigungsverfahren), Art. 10 Abs. 1 (abgekürztes Genehmigungsverfahren) und Art. 11 der Richtlinie einreichen. Er muss bestätigen, dass dieses Dossier mit dem von dem Referenzmitgliedstaat angenommenen Dossier identisch ist, und etwaige Ergänzungen oder Änderungen daran kenntlich machen.

23. Art. 28 Abs. 4 der Richtlinie lautet:

„Abgesehen von dem Ausnahmefall nach Artikel 29 Absatz 1 erkennt jeder Mitgliedstaat die vom Referenzmitgliedstaat erteilte Genehmigung innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt des Antrags und des Beurteilungsberichts an. …“(18)

24. Die in Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 vorgesehene Ausnahme betrifft den Fall, dass „ein Mitgliedstaat der Auffassung [ist], dass Anlass zu der Annahme besteht, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen kann“(19) . In diesem Fall muss der betreffende Mitgliedstaat unverzüglich den Antragsteller, den Referenzmitgliedstaat, alle anderen von dem Antrag betroffenen Mitgliedstaaten und die Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln unterrichten. Außerdem muss er seine Gründe eingehend darlegen und angeben, durch welche Maßnahmen etwaige Mängel des Antrags behoben werden können.

25. Art. 29 Abs. 2 dieser Richtlinie sieht sodann ein Verfahren der Konzertierung der betroffenen Mitgliedstaaten vor, das es diesen ermöglichen soll, eine Einigung über die im Hinblick auf den Antrag zu treffende Maßnahme zu erzielen. Im Fall von Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedstaaten über die Qualität, die Sicherheit oder die Wirksamkeit eines Arzneimittels sieht diese Bestimmung ein gemeinschaftliches Schiedsverfahren vor, dessen Modalitäten in Art. 32 der genannten Richtlinie festgelegt sind. Dieses Verfahren, in dem der Ausschuss eine zentrale Rolle spielt, sollte eine wissenschaftliche Beurteilung der Angelegenheit ermöglichen, die zu einer einheitlichen Entscheidung über den strittigen Punkt führt, die für die betreffenden Mitgliedstaaten bindend ist.(20)

B – Das nationale Recht

26. Gemäß Section 6 des Medicines Act 1968 (Arzneimittelgesetz) und Regulation 2 der Medicines for Human Use (Marketing Authorisations Etc.) Regulations 1994 (im Folgenden: Regulations) ist die Licensing Authority für die Erteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von pharmazeutischen Spezialitäten im Vereinigten Königreich zuständig.

27. Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels im Vereinigten Königreich müssen den Bestimmungen der Regulations entsprechen. Nach den Regulations 3, 4 und 5 müssen der Antrag auf eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels, das unter die Richtlinie 2001/83 fällt, und die Erteilung dieser Genehmigung durch die zuständige nationale Behörde dem geltenden Gemeinschaftsrecht entsprechen.

II – Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

28. Synthon ist eine niederländische Gesellschaft, die im pharmazeutischen Sektor tätig ist und sich der Entwicklung, Registrierung, Vermarktung und dem Vertrieb zahlreicher Arzneimittel widmet.

A – Die in Dänemark im abgekürzten Verfahren erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels

29. Am 23. Oktober 2000 wurde Synthon in Dänemark eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels mit der Bezeichnung Varox erteilt, das Paroxetinmesylat enthält. Die Genehmigung wurde von der dänischen Arzneimittelbehörde nach dem abgekürzten Verfahren erteilt, das im entscheidungserheblichen Zeitraum in Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 (kodifiziert in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 2001/83) geregelt war.

30. Um diese Genehmigung zu erhalten, hatte Synthon entsprechend den vorgenannten Bestimmungen nachgewiesen, dass das fragliche Arzneimittel im Wesentlichen einem Arzneimittel glich, das schon seit mindestens sechs Jahren in der Gemeinschaft zugelassen war und von dem pharmazeutischen Unternehmen SmithKline Beecham plc (im Folgenden: SmithKline) unter der Bezeichnung Seroxat (Paroxetinhydrochloridhemihydrat) vertrieben wurde. Da diese beiden Arzneimittel denselben Wirkstoff, nämlich Paroxetin, enthielten, nahm Synthon auf Seroxat als Referenzarzneimittel Bezug.

31. Die dänische Arzneimittelbehörde bejahte die wesentliche Gleichheit der beiden Arzneimittel und erteilte Synthon die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Varox.

32. SmithKline erhob am 30. Oktober 2000 Klage beim dänischen Østre Landsret und bestritt die Gültigkeit dieser Genehmigung für das Inverkehrbringen, insbesondere die Beurteilung der wesentlichen Gleichheit der beiden Arzneimittel durch die dänische Arzneimittelbehörde. Das Gericht setzte das Verfahren mit Entscheidung vom 19. Februar 2003 aus und ersuchte den Gerichtshof, im Wege der Vorabentscheidung zu der Frage Stellung zu nehmen, ob zwei Arzneimittel, die denselben Wirkstoff enthalten, aber in verschiedenen Salzformen, dennoch als im Wesentlichen gleich angesehen werden können.

33. Der Gerichtshof entschied mit Urteil vom 20. Januar 2005, SmithKline Beecham(21), dass ein Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels nach dem abgekürzten Verfahren behandelt werden kann, wenn dieses Arzneimittel den gleichen therapeutisch wirksamen, aber an ein anderes Salz gebundenen Bestandteil wie das Referenzarzneimittel aufweist.

B – Der Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen im Vereinigten Königreich nach dem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung

34. Während das von SmithKline eingeleitete Verfahren noch anhängig war, beantragte Synthon bei der Licensing Authority die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Varox im Vereinigten Königreich nach dem in Art. 28 der Richtlinie 2001/83 geregelten Verfahren der gegenseitigen Anerkennung, wobei sie ihren Antrag auf die von der dänischen Arzneimittelbehörde erteilte Genehmigung stützte.

35. Die Licensing Authority lehnte den von Synthon gestellten Antrag auf gegenseitige Anerkennung mit Schreiben vom 19. Januar 2001 mit der Begründung ab, dass in demselben Wirkstoff enthaltene unterschiedliche Salze (hier Paroxetinmesylat bzw. Paroxetinhydrochloridhemihydrat) verschiedene qualitative und quantitative Zusammensetzungen aufwiesen und daher nicht als wesentlich gleich angesehen werden könnten.

36. Am 12. Februar 2001 teilte Synthon der Licensing Authority mit, dass auch das Königreich Spanien, die Republik Portugal und das Königreich Norwegen sich „aufgrund unterschiedlicher Ansichten über die Rechtsgrundlage des Antrags“ geweigert hätten, die von den dänischen Behörden erteilte Genehmigung anzuerkennen.

37. Am 21. November 2002 beantragte die Klägerin erneut eine Genehmigung für das Inverkehrbringen. Die Licensing Authority lehnte auch diesen Antrag ab.

38. Am 28. Februar 2003 erhob Synthon beim High Court of Justice Klage auf Aufhebung dieser Entscheidung.

39. Sie machte insbesondere geltend, dass die Licensing Authority nach der Richtlinie 2001/83 verpflichtet gewesen sei, die von der dänischen Arzneimittelbehörde erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb von 90 Tagen anzuerkennen, es sei denn, dass nach ihrer Auffassung eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit bestehe. Dies habe sie im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht. Außerdem verstoße die Verwaltungspraxis der Licensing Authority, die auf der Annahme beruhe, dass in demselben Wirkstoff enthaltene unterschiedliche Salze per se nie als wesentlich gleich angesehen werden könnten, gegen das Gemeinschaftsrecht. Dazu trägt die Klägerin vor, die Weigerung der britischen Behörden, die vom Referenzmitgliedstaat erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen anzuerkennen, sei ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht im Sinne des Urteils des Gerichtshofs Brasserie du pêcheur und Factortame(22) . Sie begehrte deshalb Schadensersatz.

40. Aus dem Sachverhalt der Entscheidung des vorlegenden Gerichts ergibt sich, dass die Licensing Authority die Anträge der Klägerin nicht aus dem in Art. 29 der Richtlinie 2001/83 genannten Grund einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit abgelehnt hat.

III – Die Vorabentscheidungsfragen

41. Da das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung des Gemeinschaftsrechts hatte, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Wenn

– bei dem betroffenen Mitgliedstaat gemäß Art. 28 der Richtlinie 2001/83 die gegenseitige Anerkennung einer vom Referenzmitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in dem betroffenen Mitgliedstaat beantragt wird;

– diese Genehmigung für das Inverkehrbringen vom Referenzmitgliedstaat nach dem abgekürzten Antragsverfahren des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 2001/83 mit der Begründung erteilt wurde, dass das in Rede stehende Arzneimittel im Wesentlichen dem Referenzarzneimittel gleicht;

– der betroffene Mitgliedstaat ein Verfahren zur Validierung des Antrags durchführt, in dem er prüft, ob der Antrag die in den Art. 8, 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii und 28 der Richtlinie 2001/83 vorgeschriebenen Angaben und Unterlagen enthält, einschließlich der Frage, ob die Angaben mit der Rechtsgrundlage vereinbar sind, auf der der Antrag gestellt wird,

a) ist es mit dieser Richtlinie, insbesondere Art. 28, vereinbar, dass der betroffene Mitgliedstaat prüft, ob das in Rede stehende Arzneimittel dem Referenzarzneimittel im Wesentlichen gleicht (ohne eine materielle Beurteilung vorzunehmen), die Zulassung und Prüfung des Antrags verweigert und die vom Referenzmitgliedstaat erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht anerkennt mit der Begründung, dass das Arzneimittel dem Referenzarzneimittel nicht im Wesentlichen gleiche,

b) ist der betroffene Mitgliedstaat nach Art. 28 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83 verpflichtet, die vom Referenzmitgliedstaat erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt des Antrags und des Beurteilungsberichts anzuerkennen, es sei denn, er beruft sich auf das Verfahren nach den Art. 29 bis 34 dieser Richtlinie (das anwendbar ist, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit im Sinne von Art. 29 der Richtlinie darstellen kann)?

2. Falls Frage 1 a verneint und Frage 1 b bejaht wird und der betroffene Mitgliedstaat den Antrag im Validierungsstadium mit der Begründung ablehnt, dass das in Rede stehende Arzneimittel dem Referenzarzneimittel nicht im Wesentlichen gleiche, und damit die vom Referenzmitgliedstaat erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht anerkennt und sich auch nicht auf das Verfahren nach den Art. 29 bis 34 der Richtlinie beruft, ist die Nichtanerkennung der vom Referenzmitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen durch den betroffenen Mitgliedstaat unter den oben genannten Umständen ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht im Sinne der zweiten Voraussetzung des Urteils Brasserie du Pêcheur und Factortame? Hilfsweise: Welche Gesichtspunkte muss das vorlegende Gericht bei der Entscheidung berücksichtigen, ob die Nichtanerkennung einen hinreichend qualifizierten Verstoß darstellt?

3. Soweit die in Frage 1 dargelegte Nichtanerkennung der vom Referenzmitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen durch den betroffenen Mitgliedstaat auf einer allgemeinen Verwaltungspraxis dieses Staates beruht, nach der in demselben therapeutisch wirksamen Bestandteil enthaltene unterschiedliche Salze rechtlich nicht als im Wesentlichen gleich angesehen werden können, ist die Nichtanerkennung der vom Referenzmitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen durch den betroffenen Mitgliedstaat unter den oben genannten Umständen ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht im Sinne der zweiten Voraussetzung des Urteils Brasserie du Pêcheur und Factortame? Hilfsweise: Welche Gesichtspunkte muss das vorlegende Gericht bei der Entscheidung berücksichtigen, ob die Nichtanerkennung einen hinreichend qualifizierten Verstoß darstellt?

42. Seit Einreichung des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens hat die Licensing Authority offensichtlich ihre Entscheidungspraxis infolge der Änderungen der Richtlinie 2001/83 durch die Richtlinie 2003/63/EG der Kommission vom 25. Juni 2003(23) dahin geändert, dass sie nunmehr Anträgen stattgibt, mit denen die wesentliche Gleichheit von Arzneimitteln geltend gemacht wird, die unterschiedliche Salze in demselben Wirkstoff enthalten.

43. Daraufhin stellte Synthon im April 2005 einen dritten Antrag auf gegenseitige Anerkennung der von den dänischen Behörden erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Varox. Die Licensing Authority genehmigte das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels am 6. Februar 2006.

IV – Untersuchung

44. Ich werde zunächst die erste Vorabentscheidungsfrage prüfen und sodann die zweite und die dritte Vorabentscheidungsfrage zusammen untersuchen.

A – Zur ersten Vorabentscheidungsfrage

45. Mit seiner ersten Vorabentscheidungsfrage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof im Wesentlichen um die Entscheidung darüber, ob ein Mitgliedstaat einen gemäß Art. 28 der Richtlinie 2001/83 bei ihm gestellten Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer vom Referenzmitgliedstaat im abgekürzten Verfahren erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen mit der Begründung ablehnen darf, dass das in Rede stehende Arzneimittel nicht im Wesentlichen dem Referenzarzneimittel gleiche.

46. Der Gerichtshof wird also ersucht, über den Umfang des Ermessensspielraums zu entscheiden, über den ein Mitgliedstaat in dem in Art. 28 der Richtlinie 2001/83 geregelten Verfahren der gegenseitigen Anerkennung verfügt.

1. Erklärungen der Verfahrensbeteiligten

47. Außer Synthon und SmithKline haben die Kommission, die Republik Polen, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie das Königreich Norwegen Erklärungen zu den vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen abgegeben.

48. Synthon, die Kommission und die Republik Polen machen im Wesentlichen geltend, dass Art. 28 der Richtlinie 2001/83 es einem Mitgliedstaat untersage, einen Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat im abgekürzten Verfahren nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii dieser Richtlinie erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen mit der Begründung abzulehnen, dass das fragliche Arzneimittel nicht im Wesentlichen dem Referenzarzneimittel gleiche. Vielmehr sei jeder Mitgliedstaat verpflichtet, innerhalb von 90 Tagen eine von einer anderen nationalen Behörde erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen anzuerkennen, es sei denn, er berufe sich auf die in Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehene Ausnahme.

49. Die Kommission und die Republik Polen vertreten die Auffassung, dass der betroffene Mitgliedstaat zwar die Möglichkeit habe, gemäß Art. 28 der Richtlinie 2001/83 die administrative Ordnungsmäßigkeit des vom Antragsteller eingereichten Dossiers im Wege eines „Validierungs“-Verfahrens zu überprüfen. Dieses Verfahren habe aber lediglich formalen Charakter und erlaube es dem betroffenen Mitgliedstaat nicht, die von einem anderen Mitgliedstaat vorgenommene Beurteilung erneut vorzunehmen, um festzustellen, ob das genehmigte Arzneimittel tatsächlich im Wesentlichen dem Referenzarzneimittel gleiche.

50. Synthon trägt außerdem vor, die Auffassung der Licensing Authority stehe auch im Widerspruch zu den mit der Schaffung eines Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung der Genehmigung für das Inverkehrbringen verfolgten Zielen, insbesondere dem der Vermeidung der sinnlosen Wiederholung der toxikologischen, pharmakologischen und klinischen Versuche im Rahmen der Beurteilung des fraglichen Arzneimittels.

51. Das Vereinigte Königreich und das Königreich Norwegen teilen diese Auffassung nicht. Sie erinnern zunächst daran, dass der Antragsteller, um die gegenseitige Anerkennung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Art. 28 der Richtlinie 2001/83 zu erhalten, einen Antrag stellen müsse, dem die „in Art. 8, Art. 10 Abs. 1 und Art. 11“ der Richtlinie genannten „Angaben und Unterlagen“ beizufügen seien. Der betroffene Mitgliedstaat müsse also die Rechtsgültigkeit des Antrags prüfen. Folglich müsse er im Rahmen eines abgekürzten Verfahrens nachprüfen, ob das fragliche Arzneimittel im Wesentlichen dem Referenzarzneimittel gleiche. Wenn dies nicht der Fall sei, erfülle der Antrag nicht die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie und sei somit ungültig.

52. SmithKline unterstreicht den Unterschied zwischen der gründlichen wissenschaftlichen Beurteilung des Arzneimittels vor der Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen und dem Validierungsverfahren, das zur Durchführung des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung gehöre. Dieses letztgenannte Verfahren behalte trotz der zahlreichen Änderungen der Vorschriften und der verschiedenen von der Kommission veröffentlichten Anweisungen die wesentlichen Merkmale einer nationalen Zulassungsregelung. Folglich stehe es den Mitgliedstaaten frei, die Rechtmäßigkeit der von anderen nationalen Behörden erteilten Genehmigungen zu beurteilen.

2. Untersuchung

53. Ich bin mit Synthon, der Kommission und der Republik Polen der Auffassung, dass ein Mitgliedstaat einen gemäß Art. 28 der Richtlinie 2001/83 bei ihm gestellten Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat im abgekürzten Verfahren erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht mit der Begründung ablehnen darf, dass das in Rede stehende Arzneimittel nicht im Wesentlichen dem Referenzarzneimittel gleiche.

54. Ich stütze meine Auffassung nicht nur auf den Wortlaut des Art. 28 der Richtlinie, sondern auch auf den Aufbau und den Zweck des in dieser Bestimmung geregelten Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung.

55. Vor einer Untersuchung dieser Bestimmung möchte ich darauf hinweisen, dass Art. 28 ebenso wie Art. 18 der Richtlinie 2001/83 auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der nationalen Genehmigungen für das Inverkehrbringen beruht. Diese beiden Verfahren müssen jedoch voneinander unterschieden werden.

56. Art. 18 regelt nämlich den Fall, dass eine nationale Behörde, bei der ein Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels gestellt wird, anhand der Prüfung der vom Antragsteller dem Dossier beigefügten Unterlagen und Angaben feststellt, dass für dieses Arzneimittel schon eine Genehmigung von einer anderen nationalen Behörde erteilt wurde. Dieser Fall wurde durch Art. 7a der Richtlinie 65/65 geregelt. Er liegt hier nicht vor.

57. Art. 28 der Richtlinie 2001/83 betrifft dagegen den Fall, dass bei einem Mitgliedstaat ein förmlicher Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wird. Dieser Fall ist hier gegeben. Der Anwendungsbereich und die Anwendungsmodalitäten dieses Verfahrens waren in den Art. 9 und 10 der Richtlinie 75/319 festgelegt, bevor sie mit fast gleichem Wortlaut in die Art. 28 und 29 der Richtlinie 2001/83 übernommen wurden.

a) Der Wortlaut des Art. 28 der Richtlinie 2001/83 in Verbindung mit der Organisation des in dieser Bestimmung festgelegten Verfahrens

58. Art. 28 der Richtlinie 2001/83 gehört wie gesagt zu Kapitel 4 mit der Überschrift „Gegenseitige Anerkennung der Genehmigungen“. Er regelt die Voraussetzungen der Anerkennung einer von einem Mitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen durch einen anderen Mitgliedstaat.

59. Art. 28 Abs. 4 dieser Richtlinie bestimmt, wie wir gesehen haben: „Abgesehen von dem Ausnahmefall nach Artikel 29 Absatz 1 erkennt jeder Mitgliedstaat die vom Referenzmitgliedstaat erteilte Genehmigung innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt des Antrags und des Beurteilungsberichts an.“

60. Die in Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehene Ausnahme findet, wie wir sehen werden, ihren Grund im Bestehen einer potenziellen Gefahr für die öffentliche Gesundheit.

61. Art. 28 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83 enthält eine allgemeine Formulierung zugunsten der gegenseitigen Anerkennung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen.

62. Sein Wortlaut ist völlig eindeutig. Es handelt sich mit den Worten des Gemeinschaftsrichters um einen bindenden Mechanismus.(24)

63. Somit ist ein Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung gestellt wird, verpflichtet, die vom Referenzmitgliedstaat erteilte Genehmigung anzuerkennen, es sei denn, er beruft sich auf den in Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Ausnahmefall.

64. Zum Verständnis der Verpflichtungen, die sich für einen Mitgliedstaat aus der Anwendung eines Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung ergeben, ist es erforderlich, die Grundlagen dieses Verfahrens darzulegen.

65. Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung beruht zunächst auf der Einheit des Rechts. Die Anerkennung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen setzt nämlich voraus, dass zwischen den verschiedenen diese Genehmigung betreffenden nationalen Regelungen eine Konkordanz besteht. Das Arzneimittelrecht der Gemeinschaft enthält eine vollständige Harmonisierung der Voraussetzungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln und insbesondere der Voraussetzungen der Erteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen. Es regelt die analytischen, toxiko-pharmakologischen und klinischen Normen und Protokolle, die die Mitgliedstaaten erlassen müssen, damit die zuständigen Behörden auf der Grundlage vereinheitlichter Tests und gemeinsamer Kriterien Entscheidungen treffen können, und enthält außerdem die Voraussetzungen für die Herstellung, Einfuhr und Etikettierung der Arzneimittel.

66. Weiter beruht das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung auf dem gegenseitigen Vertrauen der Mitgliedstaaten.

67. Im Rahmen dieses Verfahrens ist die Genehmigung für das Inverkehrbringen nämlich nicht mehr eine Entscheidung, die aufgrund des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats erlassen wird. Dieser muss sich vielmehr auf die Prüfung und die wissenschaftliche Beurteilung der zuständigen Behörden des Referenzmitgliedstaats verlassen.

68. So gesehen verfügt der betroffene Mitgliedstaat über einen sehr engen Ermessensspielraum. Nach dem Wortlaut des Art. 28 der Richtlinie 2001/83 beschränkt sich seine Rolle auf die Prüfung der Übereinstimmung des Antrags auf gegenseitige Anerkennung mit den in Art. 28 Abs. 2 enthaltenen Bestimmungen.

69. Der betroffene Mitgliedstaat muss sich also vergewissern, ob das bei ihm eingereichte Dossier die in den Art. 8 und 10 dieser Richtlinie genannten Unterlagen und Angaben sowie die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels enthält. Er muss weiter prüfen, ob dieses Dossier mit dem vom Referenzmitgliedstaat angenommenen Dossier identisch ist und ob die vorgenommenen Ergänzungen oder Änderungen vom Antragsteller kenntlich gemacht worden sind.

70. Im Gegensatz zu der Rolle, die ein Mitgliedstaat bei der Prüfung eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen spielt und die in Art. 19 der Richtlinie 2001/83 beschrieben wird, hat ein Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung gestellt wird, nur den rein rechtlichen Aspekt des Antrags zu prüfen. Er darf deshalb meines Erachtens keine neue materielle Prüfung des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen vornehmen und die insoweit bereits vom Referenzmitgliedstaat durchgeführten Kontrollen wiederholen. Er kann auch nicht beschließen, zusätzliche Kontrollen des Arzneimittels vorzunehmen oder vom Antragsteller zu verlangen, dass er das Dossier über die in Art. 28 Abs. 2 dieser Richtlinie festgelegten Erfordernisse hinaus vervollständigt.

71. Schließlich schränkt das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung die Gründe ein, aus denen ein Mitgliedstaat sich weigern kann, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen anzuerkennen, was einer Ermessensausübung durch diesen Staat entgegensteht.

72. So kann sich der betroffene Mitgliedstaat, der die vom Referenzmitgliedstaat erteilte Genehmigung nicht innerhalb der festgesetzten Frist anerkennen will, nach Art. 28 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83 nur auf den in Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmefall berufen. Dann muss er nachweisen, dass „Anlass zu der Annahme besteht, dass die Genehmigung …[des Arzneimittels] eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen kann“(25) .

73. Dies ist die einzige Ausnahme, die vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen vorgesehen ist.

74. Wie jede Ausnahme von einem Grundsatz muss sie eng ausgelegt werden.

75. Der Begriff „Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ im Sinne des Art. 1 Nr. 28 der Richtlinie 2001/83 bezeichnet Gefahren bezogen auf die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels.(26) Der betroffene Mitgliedstaat ist nicht verpflichtet, das Bestehen einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit nachzuweisen. Er braucht nur gemäß Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie darzutun, dass ein „Anlass“ besteht, dies anzunehmen. Dem 12. Erwägungsgrund dieser Richtlinie zufolge müssen diese Gründe allerdings „schwerwiegend“ sein.

76. So kann der betroffene Mitgliedstaat die Bewertungen in Frage stellen, die der Referenzmitgliedstaat bei der Beurteilung des Arzneimittels vorgenommen hat(27), wenn wissenschaftliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieses Arzneimittel nicht die erforderlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Sicherheit, der Wirksamkeit oder der Qualität erfüllt. Aufgrund des Vorsichtsprinzips kann ein Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung gestellt wird, die vom Referenzmitgliedstaat vorgenommene Beurteilung nur in diesem Rahmen bestreiten. Nach Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 muss der betroffene Mitgliedstaat dann seine Auffassung im Einzelnen darlegen und meines Erachtens auch die wissenschaftlichen Daten vorlegen, auf die er seine Meinung stützt, dass das Inverkehrbringen des Arzneimittels eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen kann.

77. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat für den Fall, dass der betroffene Mitgliedstaat Zweifel an der Wirksamkeit, der Qualität oder der Sicherheit des Arzneimittels hat, nicht vorgesehen, dass er den Antrag auf gegenseitige Anerkennung eigenmächtig ablehnen kann. Er hat vielmehr in Art. 29 der Richtlinie 2001/83 ein Verfahren der Konzertierung aller betroffenen Mitgliedstaaten und ein gemeinsames Schiedsverfahren festgelegt.(28)

78. Dieses Verfahren soll es den Mitgliedstaaten ermöglichen, gemeinsame Entscheidungen über die Genehmigungen für das Inverkehrbringen zu treffen. Somit wird allein im Rahmen dieses Verfahrens die wissenschaftliche Beurteilung der streitigen Punkte vorgenommen und über die Bescheidung des Antrags auf gegenseitige Anerkennung entschieden.(29)

79. Wie der Gemeinschaftsrichter entschieden hat, handelt es sich auch um ein Verfahren bindender Natur.(30)

80. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen verfügt ein Mitgliedstaat, bei dem gemäß Art. 28 der Richtlinie 2001/83 ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wird, nur über einen sehr beschränkten Ermessensspielraum. Jedenfalls verleiht diese Bestimmung dem betroffenen Mitgliedstaat keineswegs die Befugnis, die Anerkennung einer Genehmigung anderen als den in Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen zu unterwerfen.

81. Diese Auslegung des Art. 28 der Richtlinie 2001/83 gilt meines Erachtens sowohl dann, wenn die Genehmigung für das Inverkehrbringen vom Referenzmitgliedstaat im normalen Verfahren nach Art. 8 der Richtlinie 2001/83 erteilt wurde, als auch dann, wenn sie im abgekürzten Verfahren nach Art. 10 Abs. 1 dieser Richtlinie erteilt wurde.(31)

82. In diesem letztgenannten Verfahren ist der Antragsteller, wie wir gesehen haben, nicht verpflichtet, zur Begründung seines Antrags die Ergebnisse der toxikologischen und pharmakologischen Versuche oder die Ergebnisse der klinischen Versuche vorzulegen, wenn er nachweist, dass das fragliche Arzneimittel „im Wesentlichen“ einem Arzneimittel „gleicht“, das bereits seit mindestens sechs bzw. zehn Jahren in der Gemeinschaft zugelassen und in dem Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wird, in den Verkehr gebracht ist. In diesem Fall nimmt die zuständige Behörde auf die das Referenzarzneimittel betreffende toxikologische, pharmakologische und klinische Dokumentation Bezug. Dieses Verfahren ermöglicht es, die für einen Genehmigungsantrag erforderliche Vorbereitungszeit dadurch zu verkürzen, dass der Antragsteller teilweise von seiner Verpflichtung zur Durchführung der in Art. 8 Abs. 3 Buchst. i der Richtlinie 2001/83 genannten Versuche entbunden wird. Dem 10. Erwägungsgrund dieser Richtlinie zufolge eröffnet das abgekürzte Verfahren aus Gründen des Gemeinwohls auch die Möglichkeit, eine wiederholte Vornahme von Versuchen an Menschen oder Tieren ohne zwingende Notwendigkeit zu vermeiden.

83. Dieses Verfahren wird ausdrücklich in Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 geregelt, der wie gesagt die Voraussetzungen festlegt, unter denen ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung gestellt werden kann. Nach dieser Bestimmung muss der Inhaber der Genehmigung seinem Antrag auf gegenseitige Anerkennung die „Angaben und Unterlagen nach den Artikeln 8, 10 Abs. 1 und 11“(32) beifügen. Durch diese Vorkehrung wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber es dem Antragsteller ermöglichen, die Anerkennung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen unabhängig davon zu erhalten, ob ihm diese im normalen Verfahren oder im abgekürzten Verfahren erteilt wurde.

84. Ferner unterscheidet der Gemeinschaftsgesetzgeber in Art. 28 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83 für die Durchführung des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung nicht danach, ob die Genehmigung im normalen Verfahren oder im abgekürzten Verfahren erteilt wurde.

85. Dies erklärt sich daraus, dass eine im abgekürzten Verfahren erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen dieselben Garantien für die Sicherheit und Wirksamkeit bietet wie eine im normalen Verfahren erteilte Genehmigung. Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, schwächt das abgekürzte Verfahren nicht die Anforderungen ab, denen die Arzneimittel in Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit genügen müssen.(33)

86. Denn der Antragsteller ist zwar nicht verpflichtet, die Ergebnisse der toxikologischen und pharmakologischen Versuche oder die Ergebnisse der klinischen Versuche für das Arzneimittel vorzulegen, er bleibt jedoch verpflichtet, nachzuweisen, dass dieses „im Wesentlichen“ einem Arzneimittel „gleicht“, das seit mindestens sechs bzw. zehn Jahren in der Gemeinschaft nach den Gemeinschaftsvorschriften zugelassen und in dem Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wird, in den Verkehr gebracht ist.

87. Der Begriff des „im Wesentlichen gleichen“ Arzneimittels ist vom Gemeinschaftsgesetzgeber nicht definiert worden, wohl aber vom Gerichtshof im Urteil vom 3. Dezember 1998, Generics (UK) u. a.(34)

88. Nach diesem Urteil muss der Antragsteller, der sich auf die wesentliche Gleichheit zweier Arzneimittel beruft, nachweisen, dass das fragliche Arzneimittel die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung an Wirkstoffen und die gleiche Darreichungsform aufweist wie das Referenzarzneimittel. Er muss ferner nachweisen, dass diese beiden Arzneimittel bioäquivalent sind(35) und dass das Arzneimittel, für das er eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt, in Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit keine erheblichen Unterschiede zu dem Referenzarzneimittel aufweist.

89. Aufgrund dieser Erwägungen, insbesondere aufgrund des Wortlauts des Art. 28 der Richtlinie 2001/83, bin ich der Auffassung, dass ein Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer im abgekürzten Verfahren erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wird, diesen Antrag genauso prüfen muss wie einen Antrag, der eine Genehmigung für das Inverkehrbringen betrifft, die im normalen Verfahren erteilt wurde.

90. Die von ihm durchzuführende Untersuchung muss sich also auf die Prüfung beschränken, ob der Antrag den in Art. 28 Abs. 2 dieser Richtlinie enthaltenen Bestimmungen entspricht. Ist dies der Fall, darf der betroffene Mitgliedstaat keine neuen wissenschaftlichen Beurteilungen des Arzneimittels vornehmen. Er darf meines Erachtens nicht die Kontrollen wiederholen, die bereits vom Referenzmitgliedstaat vorgenommen wurden, und in diesem Rahmen erneut die wesentliche Gleichheit des Arzneimittels mit dem Referenzarzneimittel prüfen. Ein solches Vorgehen würde seiner Natur nach zu dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung in Widerspruch stehen. Es würde im Übrigen dem Konzertierungs- und Schiedsverfahren jede praktische Wirksamkeit nehmen, das der Gemeinschaftsgesetzgeber eingeführt hat, um zu erreichen, dass die wissenschaftliche Beurteilung der streitigen Fragen auf Gemeinschaftsebene erfolgt.

91. Darüber hinaus ist der Mitgliedstaat, bei dem ein solcher Antrag gestellt wird, verpflichtet, diese Genehmigung anzuerkennen, es sei denn, er kann sich auf einen objektiven Grund im Zusammenhang mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit berufen. In diesem Fall lässt die Richtlinie 2001/83 ihm keine andere Wahl, als das Verfahren nach Art. 29 dieser Richtlinie einzuleiten.

92. Deshalb bin ich der Auffassung, dass Art. 28 der Richtlinie es einem Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer vom Referenzmitgliedstaat im abgekürzten Verfahren erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wird, nicht nur verbietet, eine erneute Prüfung der wesentlichen Gleichheit der beiden Arzneimittel vorzunehmen, sondern auch, diesen Antrag mit der Begründung abzulehnen, dass das in Rede stehende Arzneimittel nicht im Wesentlichen dem Referenzarzneimittel gleiche.

93. Diese Auslegung des Art. 28 der Richtlinie 2001/83 findet eine Bestätigung in dem Gedanken, der dem vom Gemeinschaftsgesetzgeber eingerichteten Verfahren der gegenseitigen Anerkennung zugrunde liegt, und dem Zweck dieses Verfahrens.

b) Der dem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung zugrunde liegende Gedanke und der Zweck dieses Verfahrens

94. Art. 28 der Richtlinie 2001/83 ist auch unter Berücksichtigung der vom Gemeinschaftsgesetzgeber verfolgten Ziele auszulegen.(36)

95. Ich habe bereits darauf hingewiesen, das sich diese Bestimmung in das Kapitel 4 der Richtlinie 2001/83 einfügt, das mit „Gegenseitige Anerkennung der Genehmigungen“ überschrieben ist. Mit der Einrichtung eines Verfahrens der „gegenseitigen Anerkennung der Genehmigungen“ verfolgt der Gemeinschaftsgesetzgeber verschiedene Ziele.

96. Diese Regelung soll es zunächst ermöglichen, bei der Behandlung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln den Schutz der öffentlichen Gesundheit auf höchstmöglichem Niveau zu gewährleisten.(37) Es muss den europäischen Bürgern garantieren, dass die Arzneimittel, deren Inverkehrbringen genehmigt wurde, hinsichtlich ihrer Qualität, ihrer Sicherheit und ihrer Wirksamkeit anhand strenger wissenschaftlicher Normen beurteilt worden sind und dass sie in der gesamten Europäischen Union unter denselben Bedingungen benutzt werden. Die in Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 vorgesehene, den Schutz der öffentlichen Gesundheit betreffende Ausnahme ermöglicht es für den Fall, dass eine wissenschaftliche Unsicherheit besteht, sich auf eine gemeinsame wissenschaftliche Beurteilung der Mitgliedstaaten zu stützen. So ermöglicht es dieses Verfahren, die Einheitlichkeit der Entscheidungen über die Genehmigung für das Inverkehrbringen im gesamten Gebiet der Union sicherzustellen.

97. Abgesehen vom Schutz der öffentlichen Gesundheit bezweckt das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung noch die Erleichterung des Handels mit Arzneimitteln im Gemeinsamen Markt und die Förderung der Entwicklung der pharmazeutischen Industrie.(38) Zu diesem Zweck wird versucht, die nationalen Genehmigungen für das Inverkehrbringen dadurch zu harmonisieren, dass Mehrfachbeurteilungen und unterschiedliche Bewertungen durch die zuständigen nationalen Behörden beseitigt werden. So ermöglicht dieses Verfahren den pharmazeutischen Unternehmen einen schnelleren Zugang zum einheitlichen europäischen Markt durch die Abkürzung der nationalen Verwaltungsverfahren und die Ermöglichung einer rationelleren Nutzung der Ressourcen, die die Genehmigung und die Überwachung der Arzneimittel erfordern.(39)

98. Unter Berücksichtigung der von Art. 28 der Richtlinie 2001/83 verfolgten Ziele kann ich der vom Vereinigten Königreich befürworteten Auslegung nicht zustimmen, wonach ein Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung gestellt wird, diesen Antrag erneut prüfen und aus anderen Gründen als dem Bestehen einer potenziellen Gefahr für die öffentliche Gesundheit ablehnen kann.

99. Diese Auslegung würde zu einer Aushöhlung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung führen, der den Dreh- und Angelpunkt des Art. 28 der Richtlinie 2001/83 bildet.

100. Würde es nämlich dem betroffenen Mitgliedstaat gestattet, den Antrag auf gegenseitige Anerkennung ebenso zu prüfen und inhaltlich zu beurteilen wie einen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen, so wäre das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung gegenstandslos. Bei einer solchen Auslegung bestünde die Gefahr, dass verschiedene nationale Behörden zu unterschiedlichen Bewertungen kommen. Zudem könnte die Vornahme neuer wissenschaftlicher Beurteilungen des Arzneimittels durch den betroffenen Mitgliedstaat als Zeichen des Misstrauens gegenüber den bereits von den zuständigen Behörden des Referenzmitgliedstaats vorgenommenen Kontrollen verstanden werden. Durch dieses Vorgehen würde das gegenseitige Vertrauen zerstört, das die Mitgliedstaaten in diesem Bereich leiten muss.

101. Im Übrigen gäbe es, wenn der betroffene Mitgliedstaat einen Antrag auf gegenseitige Anerkennung eigenmächtig ablehnen könnte, keine Einheitlichkeit der nationalen Genehmigungen für das Inverkehrbringen, und dem Konzertierungs- und Schiedsverfahren, das der Gemeinschaftsgesetzgeber zu diesem Zweck geschaffen hat, würde jede praktische Wirksamkeit genommen.

102. Schließlich würde, wenn der betroffene Mitgliedstaat berechtigt wäre, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen unter Berufung auf einen anderen Grund als den, der in Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 ausdrücklich vorgesehen ist, nicht anzuerkennen, ein solches Verhalten den Umfang der in Art. 28 Abs. 4 dieser Richtlinie aufgestellten Verpflichtung einschränken.

103. Aufgrund aller dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, zu entscheiden, dass Art. 28 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wird, die vom Referenzmitgliedstaat im abgekürzten Verfahren nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii dieser Richtlinie erteilt wurde, verpflichtet ist, diese Genehmigung innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt des Antrags und des Beurteilungsberichts anzuerkennen, es sei denn, er beruft sich auf den in Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie geregelten Ausnahmefall des Bestehens einer potenziellen Gefahr für die öffentliche Gesundheit.

104. Deshalb bin ich der Auffassung, dass Art. 28 der Richtlinie 2001/83 es dem betroffenen Mitgliedstaat untersagt, im Rahmen der Prüfung des Antrags auf gegenseitige Anerkennung eine erneute Kontrolle der wesentlichen Gleichheit der beiden Arzneimittel vorzunehmen und den Antrag mit der Begründung abzulehnen, dass diese beiden Arzneimittel nicht im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii dieser Richtlinie wesentlich gleich seien.

105. Das vorlegende Gericht möchte ferner wissen, ob in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens der betroffene Mitgliedstaat einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht begangen hat.

106. Ich werde im Folgenden die zweite und die dritte Vorabentscheidungsfrage zusammen untersuchen.

B – Zur zweiten und zur dritten Vorabentscheidungsfrage

107. Mit der zweiten und der dritten Vorabentscheidungsfrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein Mitgliedstaat, der einen Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer nationalen Genehmigung für das Inverkehrbringen mit der Begründung abgelehnt hat, dass das fragliche Arzneimittel nicht mit dem Referenzarzneimittel wesentlich gleich sei, und der somit diese Genehmigung nicht unter den in Art. 28 der Richtlinie 2001/83 festgelegten Voraussetzungen anerkannt hat, einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht im Sinne der vom Gerichtshof im Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame aufgestellten zweiten Voraussetzung begangen hat.

108. Das vorlegende Gericht fragt weiter, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn die Nichtanerkennung durch den betroffenen Mitgliedstaat auf einer allgemeinen Verwaltungspraxis dieses Staates beruht, nach der in demselben therapeutisch wirksamen Bestandteil enthaltene unterschiedliche Salze rechtlich nicht als wesentlich gleich angesehen werden können.

1. Erklärungen der Verfahrensbeteiligten

109. Synthon und die Republik Polen tragen vor, angesichts des klaren und genauen Wortlauts des Art. 28 der Richtlinie 2001/83 und des begrenzten Ermessensspielraums der Licensing Authority sei deren Ablehnung eines Antrags auf gegenseitige Anerkennung der bereits in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen als hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht anzusehen.

110. Synthon macht ferner geltend, die Verwaltungspraxis der Licensing Authority, auf die sie ihre Ablehnung des in Rede stehenden Antrags auf gegenseitige Anerkennung gestützt habe, stelle schon für sich einen schwerwiegenden und offensichtlichen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar, der die Gewährung von Schadensersatz rechtfertige.

111. Die Kommission und das Vereinigte Königreich sind im Gegenteil der Meinung, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Prüfung der Voraussetzungen für das Vorliegen eines „hinreichend qualifizierten“ Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht, nämlich des Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten, der Frage, ob der Verstoß vorsätzlich oder nicht vorsätzlich begangen worden sei, sowie der Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit des Rechtsirrtums in die ausschließliche Zuständigkeit des nationalen Gerichts falle. Deshalb dürfe der Gerichtshof im Rahmen des Ausgangsverfahrens nicht über diesen Punkt entscheiden.

112. Hilfsweise führen die Kommission und das Vereinigte Königreich aus, die Verletzung könne nicht als qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht angesehen werden, denn die Begriffe „Arzneimittel, [das] im Wesentlichen [dem Referenzarzneimittel] gleicht“, und „Generikum“ seien komplex und sehr schwer zu erfassen, so dass der von der Licensing Authority vertretene Standpunkt nicht vernunftwidrig sei.

113. Das Vereinigte Königreich fügt hinzu, dass der Verstoß nicht vorsätzlich begangen worden sei. Die nationale Behörde sei gutgläubig gewesen, wenn man berücksichtige, dass es zu dieser Frage keine gefestigte Rechtsprechung auf Gemeinschaftsebene gebe.

2. Untersuchung

114. Der Gerichtshof hat im Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a.(40), den Grundsatz der Haftung des Staates für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, aufgestellt und ausgeführt, dass dieser Grundsatz „aus dem Wesen der mit dem Vertrag geschaffenen Rechtsordnung folgt“(41) .

115. Dieser Grundsatz ist seit dem Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame hinsichtlich der Haftung des Staates für die Handlungen des Gesetzgebers oder der Verwaltung ständig weiterentwickelt worden. Da der Grundsatz der Staatshaftung aus dem Wesen der mit dem Vertrag geschaffenen Rechtsordnung folgt, gilt er für jeden Fall eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht unabhängig davon, welches staatliche Organ durch sein Handeln oder Unterlassen den Verstoß begangen hat.(42)

116. Das vorlegende Gericht ist darauf hinzuweisen, dass der Geschädigte, wenn ein Verstoß eines Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht der Verwaltung zuzurechnen ist, einen Entschädigungsanspruch hat, sofern drei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich dass die verletzte Rechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, dass der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und dass zwischen diesem Verstoß und dem dem Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht(43) . Unter diesem Vorbehalt hat der Staat die Folgen des durch den ihm zuzurechnenden Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht verursachten Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben, wobei die dort festgelegten Voraussetzungen nicht ungünstiger sein dürfen als bei entsprechenden innerstaatlichen Ansprüchen; auch dürfen diese Voraussetzungen nicht so ausgestaltet sein, dass die Erlangung der Entschädigung praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert ist.

117. Im Ausgangsverfahren ergibt sich aus der Vorlageentscheidung und der Formulierung der gestellten Frage eindeutig, dass sich diese auf die zweite in der Rechtsprechung aufgestellte Voraussetzung beschränkt. Zu den beiden anderen Voraussetzungen hat der High Court of Justice keine Frage gestellt.

118. Der Gerichtshof hat die Art des fraglichen Verstoßes im Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame beschrieben und dabei zwei Fälle unterschieden.

119. Erstens kann in einem Fall, in dem der fragliche Mitgliedstaat zur Zeit der Begehung des Verstoßes nicht vor normativen Entscheidungen stand und nur über einen sehr eingeschränkten Ermessensspielraum verfügte, eine einfache Verletzung des Gemeinschaftsrechts für das Vorliegen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes genügen. Dies ist z. B. der Fall, wenn das Gemeinschaftsrecht dem nationalen Gesetzgeber in einem vom Gemeinschaftsrecht geregelten Bereich Ergebnispflichten, Verhaltenspflichten(44) oder Unterlassungspflichten auferlegt. Der Gerichtshof hat dieses weite Verständnis der Staatshaftung mehrfach angewandt, u. a. auf die Nichtumsetzung einer Richtlinie(45), auf eine Umsetzung, bei der die zeitlichen Wirkungen einer Richtlinie verkannt worden waren(46), und auf die Weigerung der Behörden, eine Ausfuhrlizenz zu erteilen, während diese bei Berücksichtigung der in dem betreffenden Bereich ergangenen Harmonisierungsrichtlinien so gut wie automatisch hätte erteilt werden müssen(47) .

120. Zweitens kann nach Auffassung des Gerichtshofs in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat in einem Bereich tätig wird, in dem er über ein weites Ermessen verfügt, die Haftung dieses Staates nur bei Vorliegen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes eingreifen, d. h., wenn er bei der Ausübung seiner gesetzgeberischen Tätigkeit die Grenzen seiner Befugnisse offenkundig und erheblich überschritten hat.(48)

121. Diese Unterscheidung ist jedoch offensichtlich unter Berücksichtigung der Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht mehr aktuell, denn dieser stellt nunmehr bei der Feststellung des Vorliegens eines hinreichend qualifizierten Verstoßes auf vergleichbare Kriterien ab, unabhängig davon, ob der eine oder der andere Fall vorliegt.

122. So sind bei der Entscheidung darüber, ob eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts einen hinreichend qualifizierten Verstoß bildet, alle Gesichtspunkte des dem nationalen Gericht vorliegenden Falles zu berücksichtigen.(49)

123. Zu diesen Gesichtspunkten gehören insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift und der Umfang des Ermessensspielraums, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt, sowie die Frage, ob der Verstoß vorsätzlich oder nicht vorsätzlich begangen oder der Schaden vorsätzlich oder nicht vorsätzlich zugefügt wurde, die Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums und der Umstand, dass die Verhaltensweisen eines Gemeinschaftsorgans möglicherweise dazu beigetragen haben, dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in gemeinschaftsrechtswidriger Weise unterlassen, eingeführt oder aufrechterhalten wurden.(50)

124. An diesem Punkt ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame entschieden hat, dass er „die Beurteilung durch die nationalen Gerichte, die allein für die Feststellung des Sachverhalts der Ausgangsverfahren und die Qualifizierung der betreffenden Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht zuständig sind, nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen [kann]“(51) .

125. Er hat es „jedoch für zweckmäßig [gehalten], auf bestimmte Umstände hinzuweisen, die die vorlegenden Gerichte in Betracht ziehen können“(52), und diese Rechtsprechung mehrfach bestätigt(53) . Sie ist uneingeschränkt anwendbar im Fall einer Klage, mit der die Haftung des Staates aufgrund des Verstoßes einer Behörde gegen das Gemeinschaftsrecht geltend gemacht wird. Anhand dieser Rechtsprechung werde ich unter Berücksichtigung des uns bekannten Sachverhalts einige Anmerkungen zum vorliegenden Fall machen.

126. Wie wir bei der Prüfung der ersten Frage feststellen konnten, belässt Art. 28 der Richtlinie 2001/83 der zuständigen Behörde einen besonders engen Ermessensspielraum.

127. Der Wortlaut des Art. 28 Abs. 4 dieser Richtlinie erscheint mir wie gesagt sehr klar und genau. Danach ist ein Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wird, verpflichtet, diese innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt des Antrags und des Beurteilungsberichts anzuerkennen, es sei denn, er beruft sich auf den ausdrücklich in Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmefall des Bestehens einer potenziellen Gefahr für die öffentliche Gesundheit.

128. Zudem beschreibt Art. 29 der Richtlinie 2001/83 mit der gebotenen Klarheit das Verfahren, das ein Mitgliedstaat einleiten muss, wenn er Zweifel an der Qualität, der Sicherheit oder der Wirksamkeit eines Arzneimittels hat.

129. Die Kommission und das Vereinigte Königreich weisen darauf hin, dass der in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 2001/83 verwendete Begriff „Arzneimittel, [das] im Wesentlichen [dem Referenzarzneimittel] gleicht“, komplex und schwer zu erfassen sei, so dass der von der Licensing Authority begangene Verstoß nicht vernunftwidrig sei.

130. Dieses Vorbringen überzeugt mich nicht. Der Umstand, dass dieser Begriff zu Auslegungsschwierigkeiten führen konnte, kann zwar Probleme in dem Verfahren der Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen nach dem abgekürzten Verfahren durch den Referenzmitgliedstaat mit sich bringen, er hat jedoch meines Erachtens keine Auswirkungen auf das Verfahren der Anerkennung dieser Genehmigung durch den betroffenen Mitgliedstaat. Denn wie ich dargelegt habe, lässt die Konzeption des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung keinen Platz für Zweifel und ermöglicht es nicht, die vom Referenzmitgliedstaat vorgenommene Bewertung aus einem anderen Grund als dem einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit in Frage zu stellen.

131. Folglich ist die Auslegung des Art. 28 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83 durch das Vereinigte Königreich meines Erachtens unzutreffend.

132. Die vom Vereinigten Königreich vertretene Auslegung, aufgrund deren eine vom Referenzmitgliedstaat bereits durchgeführte Untersuchung erneut vorgenommen wurde, der Antrag auf gegenseitige Anerkennung aus einem anderen Grund als dem, der ausdrücklich in der Richtlinie 2001/83 genannt ist, abgelehnt wurde und das dort zu diesem Zweck vorgesehene Verfahren der Konzertierung und der gegenseitigen Unterstützung nicht eingeleitet wurde, führt meines Erachtens zu einer völligen Aushöhlung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung und des in den Art. 28 und 29 der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Konzertierungs- und Schiedsverfahrens.

133. Diese Auslegung führt somit zu einer Schmälerung der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts, was mit den Anforderungen, die sich aus dem Wesen dieses Rechts selbst ergeben, unvereinbar ist.

134. Deshalb bin ich der Auffassung, dass bei einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens die vom betroffenen Mitgliedstaat vorgenommene Auslegung der Bedeutung und der Tragweite des Art. 28 der Richtlinie 2001/83 einen qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darstellen kann.

V – Ergebnis

135. Aus allen diesen Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom High Court of Justice vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1. Art. 28 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat im abgekürzten Verfahren nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 2001/83 erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wird, verpflichtet ist, diese Genehmigung innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt des Antrags und des Beurteilungsberichts anzuerkennen, es sei denn, er beruft sich auf den in Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Ausnahmefall des Bestehens einer potenziellen Gefahr für die öffentliche Gesundheit.

2. Art. 28 der Richtlinie 2001/83 untersagt es einem Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat im abgekürzten Verfahren nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 2001/83 erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wird, eine erneute Kontrolle der wesentlichen Gleichheit der beiden Arzneimittel vorzunehmen und den Antrag mit der Begründung abzulehnen, dass die beiden Arzneimittel nicht im Sinne dieser Bestimmung „wesentlich gleich“ seien.

3. Bei einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens kann die von dem Mitgliedstaat, bei dem ein solcher Antrag gestellt wird, vorgenommene Auslegung der Bedeutung und der Tragweite des Art. 28 der Richtlinie 2001/83 einen qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darstellen.

(1) .

(2)  – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) in der zur entscheidungserheblichen Zeit anwendbaren Fassung. In den vorliegenden Schlussanträgen bezeichnet der Begriff „Arzneimittel“ ausschließlich Humanarzneimittel.

(3)  – Im Folgenden: Referenzarzneimittel.

(4)  – Im Folgenden: „Synthon“ oder Klägerin.

(5)  – Im Folgenden: Licensing Authority.

(6)  – Vorlageentscheidung (Randnr. 14).

(7)  – Richtlinie des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. 1965, 22, S. 369) in der Fassung der Richtlinien 87/21/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 (ABl. 1987, S 15, S. 36) und 93/39/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 (ABl. L 214, S. 22, im Folgenden: Richtlinie 65/65). Die Richtlinie 87/21 enthielt die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen in dem besonderen Fall des abgekürzten Verfahrens. Durch die Richtlinie 93/39 wurden in das geltende Gemeinschaftsrecht ein Verfahren der gegenseitigen Anerkennung der nationalen Genehmigungen für das Inverkehrbringen und ein gemeinschaftliches Konzertierungs- und Schiedsverfahren eingeführt.

(8)  – Zweite Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 147, S. 13) in der Fassung der Richtlinie 93/39 (im Folgenden: Richtlinie 75/319).

(9)  – Aus der Vorlageentscheidung geht der genaue Zeitpunkt, zu dem Synthon diesen Antrag stellte, nicht hervor.

(10)  – Richtlinie des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die analytischen, toxikologisch-pharmakologischen und ärztlichen oder klinischen Vorschriften und Nachweise über Versuche mit Arzneispezialitäten (ABl. L 147, S. 1).

(11)  – Verordnung des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 214, S. 1). Durch diese Verordnung wird ein zentralisiertes Gemeinschaftsverfahren der Genehmigung für das Inverkehrbringen eingerichtet, das einheitliche Rechtswirkungen im gesamten Gebiet der Europäischen Union erzeugt. Ferner wird eine Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln geschaffen, die für die Koordinierung der vorhandenen Wissenschaftsressourcen verantwortlich ist, die ihr von den Mitgliedstaaten zur Beurteilung und Überwachung von Arzneimitteln und zur Überwachung der Arzneimittelsicherheit (Pharmakovigilanz) zur Verfügung gestellt werden.

(12)  – Diese Bestimmung entspricht dem früheren Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 in der Fassung der Richtlinie 87/21.

(13)  – Nach dieser Bestimmung kann dieser Zeitraum auf zehn Jahre verlängert werden, wenn es sich um ein technologisch hochwertiges Arzneimittel handelt oder wenn ein Mitgliedstaat durch eine einheitliche, alle in seinem Gebiet auf dem Markt befindlichen Arzneimittel erfassende Entscheidung dies im Interesse der öffentlichen Gesundheit für erforderlich hält. Diese Regelung hat aber offensichtlich keine Auswirkungen auf die Verpflichtung, die Angaben über die physikalische und chemische Natur des Erzeugnisses zu machen.

(14)  – Dieses Verfahren, das ab 1. Januar 1998 gilt, wurde durch die Richtlinie 93/39 in Art. 7a der Richtlinie 65/65 eingefügt. Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 betrifft speziell die nach Art. 8 Abs. 3 Buchst. l dieser Richtlinie beigefügten Unterlagen und Angaben, d. h. unter anderem eine Kopie aller in anderen Mitgliedstaaten erteilten Genehmigungen für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels, eine Liste der Mitgliedstaaten, in denen ein Antrag auf Genehmigung geprüft wird und eine Kopie der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels.

(15)  – Die „Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ wird in Art. 1 Nr. 28 der Richtlinie 2001/83 definiert als „[j]ede Gefahr bezogen auf die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels“.

(16)  – Dieser Ausschuss, der durch die Richtlinie 75/319 eingesetzt wurde, gehört zur Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln.

(17)  – Dieses Verfahren wurde durch die Richtlinie 93/39 in Art. 9 der Richtlinie 75/319 eingefügt.

(18)  – Nach Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 muss der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen bei dem Referenzmitgliedstaat beantragen, dass dieser einen Beurteilungsbericht über das betreffende Arzneimittel erstellt oder gegebenenfalls einen bereits vorliegenden Beurteilungsbericht aktualisiert.

(19)  – Siehe Fn. 15.

(20)  – Siehe den 12. Erwägungsgrund.

(21)  – C‑74/03, Slg. 2005, I‑595.

(22)  – Urteil vom 5. März 1996 (C‑46/93 und C‑48/93, Slg. 1996, I‑1029).

(23)  – ABl. L 159, S. 46.

(24)  – Urteil des Gerichts vom 31. Januar 2006, Merck Sharp & Dohme u. a./Kommission (T‑273/03, Slg. 2006, II‑141, Randnr. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

(25)  – Diese Ausnahme ist Ausdruck des Vorsichtsprinzips. Sie ist auch ein legitimer Grund gemäß Art. 30 EG.

(26)  – Siehe auch die von der Kommission im März 2006 erlassenen Leitlinien zur Definition einer potenziellen schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit im Sinne von Art. 29 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/83 (ABl. C 133, S. 5). Diese Leitlinien betreffen Art. 29 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. L 136, S. 34).

(27)  – Nach Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 muss der Referenzmitgliedstaat einen Beurteilungsbericht über das Arzneimittel erstellen, aktualisieren und dem betroffenen Mitgliedstaat übermitteln. Nach Art. 21 Abs. 4 dieser Richtlinie enthält der Beurteilungsbericht die Stellungnahme des Referenzmitgliedstaats hinsichtlich der Ergebnisse von analytischen, toxikologisch-pharmakologischen Tests und klinischen Versuchen mit dem Arzneimittel und muss außerdem aktualisiert werden, „wenn neue Informationen verfügbar werden, die für die Beurteilung der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels von Bedeutung sind“.

(28)  – Nach dieser Bestimmung müssen die betroffenen Mitgliedstaaten zunächst versuchen, eine Einigung über die im Hinblick auf den Antrag zu treffende Maßnahme zu erzielen. Gelingt dies nicht, so wird der Ausschuss für Arzneispezialitäten angerufen, um gemäß Art. 32 der Richtlinie 2001/83 ein begründetes Gutachten zu der aufgeworfenen Frage abzugeben. Die endgültige Entscheidung wird schließlich von der Kommission nach Abschluss des in den Art. 33 und 34 dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahrens erlassen.

(29)  – Siehe den 12. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83.

(30)  – Urteil Merck Sharp & Dohme u. a./Kommission (oben in Fn. 24 angeführt, Randnr. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

(31)  – Es ist daran zu erinnern, dass die Synthon von der dänischen Arzneimittelbehörde erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen nach dem abgekürzten Verfahren erteilt wurde, das zu der für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Zeit in Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii geregelt war (kodifiziert in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 2001/83).

(32)  – Hervorhebung nur hier.

(33)  – Urteil vom 5. Oktober 1995, Scotia Pharmaceuticals (C‑440/93, Slg. 1995, I‑2851, Randnr. 17).

(34)  – C‑368/96, Slg. 1998, I‑7967, Randnr. 36.

(35)  – Zwei Arzneimittel sind bioäquivalent, wenn es sich um äquivalente oder alternative pharmazeutische Erzeugnisse handelt und ihre Biodisponibilität (Stärke und Geschwindigkeit) nach Verabreichung der gleichen molaren Dosis so weitgehend gleich ist, dass ihre Wirkungen sowohl unter Wirksamkeits- als auch unter Sicherheitsgesichtspunkten im Wesentlichen dieselben sind (siehe The Rules governing medicinal products in the European Union [Leitfaden der Kommission zur Regelung der Arzneimittel in der Europäischen Union] Eudralex, vol. 3C, Guidelines on medicinal products for human use, Efficacy, 1998, S. 235).

(36)  – Der Gerichtshof hat diese Auslegungsmethode kürzlich im Urteil vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung), angewandt.

(37)  – Ich erinnere daran, dass nach dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83 „in erster Linie ein wirksame[r] Schutz der öffentlichen Gesundheit“ gewährleistet werden soll.

(38)  – Dritter Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83.

(39)  – 15. Erwägungsgrund dieser Richtlinie.

(40)  – C‑6/90 und C‑9/90, Slg. 1991, I‑5357 (Randnr. 37).

(41)  – Ebd. (Randnr. 35). Der Gerichtshof hat diese Formulierung unverändert beibehalten, insbesondere im Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame (oben in Fn. 22 angeführt, Randnr. 31) sowie den Urteilen vom 26. März 1996, British Telecommunications (C‑392/93, Slg. 1996, I‑1631, Randnr. 38), vom 23. Mai 1996, Hedley Lomas (C‑5/94, Slg. 1996, I‑2553, Randnr. 24), vom 8. Oktober 1996, Dillenkofer u. a. (C‑178/94, C‑179/94, C‑188/94 bis C‑190/94, Slg. 1996, I‑4845, Randnr. 20), vom 17. Oktober 1996, Denkavit u. a. (C‑283/94, C‑291/94 und C‑292/94, Slg. 1996, I‑5063, Randnr. 47), vom 24. September 1998, Brinkmann (C‑319/96, Slg. 1998, I‑5255, Randnr. 24), vom 4. Juli 2000, Haim (C‑424/97, Slg. 2000, I‑5123, Randnr. 26), vom 18. Januar 2001, Stockholm Lindöpark (C‑150/99, Slg. 2001, I‑493, Randnr. 36), vom 28. Juni 2001, Larsy (C‑118/00, Slg. 2001, I‑5063, Randnr. 34), und vom 30. September 2003, Köbler (C‑224/01, Slg. 2003, I‑10239, Randnr. 30).

(42)  – Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame (oben in Fn. 22 angeführt, Randnrn. 31 und 32). Der Gerichtshof hat diese Formulierung insbesondere im Urteil vom 1. Juni 1999, Konle (C‑302/97, Slg. 1999, I‑3099, Randnr. 62), und in den oben in Fn. 41 angeführten Urteilen Haim (Randnr. 27), Larsy (Randnr. 35) und Köbler (Randnr. 36) wiederholt und erweitert.

(43)  – Vgl. insbesondere Urteil vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C‑278,05, Slg. 2007, I‑1053, Randnr. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

(44)  – Vgl. das oben in Fn. 40 angeführte Urteil Francovich u. a. (in dessen Randnr. 46 der Gerichtshof auf den Fall der Nichtumsetzung einer Richtlinie eingeht).

(45)  – Vgl. Urteil Dillenkofer u. a. (oben in Fn. 41 angeführt, Randnr. 26).

(46)  – Vgl. Urteil vom 15. Juni 1999, Recherger u. a. (C‑140/97, Slg. 1999, I‑3499, Randnr. 51).

(47)  – Vgl. Urteil Hedley Lomas (oben in Fn. 41 angeführt, Randnrn. 18, 28 und 29).

(48)  – Vgl. Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame (oben in Fn. 22 angeführt, Randnrn. 45, 47, 51 und 55).

(49)  – Vgl. Urteil Robins u. a. (oben in Fn. 43 angeführt, Randnr. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

(50)  – Ebd. (Randnr. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ich weise darauf hin, dass der Gerichtshof keine Hierarchie zwischen diesen verschiedenen Kriterien aufstellt.

(51)  – Vgl. Randnr. 58 des Urteils. Diese Auffassung ist seither durch eine ständige Rechtsprechung bestätigt worden (vgl. u. a. die oben in Fn. 41 angeführten Urteile British Telecommunications, Randnr. 41, Brinkmann, Randnr. 26, und Stockholm Lindöpark, Randnr. 38).

(52)  – Urteile Brasserie du pêcheur und Factortame (oben in Fn. 22 angeführt, Randnr. 58).

(53)  – Vgl. u. a. die Urteile Konle (oben in Fn. 42 angeführt, Randnr. 59), Haim (oben in Fn. 41 angeführt, Randnr. 44), Stockholm Lindöpark (oben in Fn. 41 angeführt, Randnr. 38) und kürzlich Robins u. a. (oben in Fn. 43 angeführt, Randnrn. 78 bis 82). Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass der Gerichtshof in einigen Urteilen selbst eine Beurteilung des Vorliegens eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht vorgenommen hat. Ich nehme insoweit Bezug auf die oben in Fn. 41 angeführten Urteile British Telecommunications (Randnr. 41), Brinkmann (Randnr. 26) und Larsy (Randnr. 40). In der vorliegenden Rechtssache beschränke ich mich aufgrund des Geistes, der den Mechanismus der gerichtlichen Zusammenarbeit, zu dem das Vorabentscheidungsverfahren gehört, kennzeichnet, auf die Nennung einiger Anhaltspunkte, denen das vorlegende Gericht bei seiner Beurteilung Rechnung tragen kann.