Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor
In der Rechtssache C‑137/05
betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG, eingereicht am 21. März 2005,
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland , vertreten durch C. Jackson und C. Gibbs als Bevollmächtigte im Beistand von A. Dashwood, Barrister,
Kläger,
unterstützt durch
Irland, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von A. Collins, SC, und P. McGarry, BL, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Slowakische Republik, vertreten durch R. Procházka, J. Čorba und B. Ricziová als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch J. Schutte, R. Szostak und G. Giglio als Bevollmächtigte,
Beklagter,
unterstützt durch
Königreich Spanien, vertreten durch J. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Königreich der Niederlande, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften , vertreten durch C. O’Reilly als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts und A. Tizzano sowie der Richter R. Schintgen (Berichterstatter) und J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter J.‑C. Bonichot, T. von Danwitz und A. Arabadjiev und der Richterin C. Toader,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2007,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. Juli 2007
folgendes
Urteil
1. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland beantragt in seiner Klageschrift, die Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten (ABl. L 385, S. 1) für nichtig zu erklären und die Wirkungen dieser Verordnung bis zum Erlass einer neuen, an ihre Stelle tretenden Verordnung aufrechtzuerhalten, soweit das Vereinigte Königreich nicht von der Beteiligung an ihrer Anwendung ausgeschlossen ist.
Rechtlicher Rahmen
Das Protokoll über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands
2. Titel IV des Dritten Teils des EG-Vertrags (im Folgenden: Titel IV) schafft die Rechtsgrundlagen für den Erlass von Maßnahmen in den Bereichen Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr.
3. Das dem EU-Vertrag und dem EG-Vertrag durch den Vertrag von Amsterdam beigefügte Protokoll über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands (im Folgenden: Protokoll zu Titel IV) betrifft die Beteiligung dieser Mitgliedstaaten an der Annahme von Maßnahmen aufgrund der Bestimmungen von Titel IV.
4. Nach Art. 1 des Protokolls zu Titel IV beteiligen sich das Vereinigte Königreich und Irland, vorbehaltlich des Art. 3 des Protokolls, nicht an der Annahme von Maßnahmen, die nach Titel IV vorgeschlagen werden; gemäß Art. 2 des Protokolls sind solche Maßnahmen für diese Mitgliedstaaten nicht bindend und auf sie nicht anwendbar.
5. In Art. 3 des Protokolls zu Titel IV heißt es:
„(1) Das Vereinigte Königreich oder Irland kann dem Präsidenten des Rates innerhalb von drei Monaten nach der Vorlage eines Vorschlags oder einer Initiative gemäß Titel IV … beim Rat schriftlich mitteilen, dass es sich an der Annahme und Anwendung der betreffenden Maßnahme beteiligen möchte, was dem betreffenden Staat daraufhin gestattet ist. …
…
(2) Kann eine Maßnahme nach Absatz 1 nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums mit Beteiligung des Vereinigten Königreichs oder Irlands angenommen werden, so kann der Rat die betreffende Maßnahme nach Artikel 1 ohne Beteiligung des Vereinigten Königreichs oder Irlands annehmen. In diesem Fall findet Artikel 2 Anwendung.“
6. Nach Art. 4 des Protokolls zu Titel IV sind das Vereinigte Königreich und Irland berechtigt, den im Rahmen des Titels IV bestehenden Maßnahmen jederzeit beizutreten. In diesem Fall findet das in Art. 11 Abs. 3 EG vorgesehene Verfahren sinngemäß Anwendung.
7. Art. 7 des Protokolls zu Titel IV lautet: „Die Artikel 3 und 4 berühren nicht das Protokoll über die Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union.“
Das Protokoll zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union
8. Nach Art. 1 des dem EU-Vertrag und dem EG-Vertrag durch den Vertrag von Amsterdam beigefügten Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union (im Folgenden: Schengen-Protokoll) werden dreizehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union ermächtigt, untereinander eine verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen des Schengen-Besitzstands, wie er im Anhang zu diesem Protokoll beschrieben ist, zu begründen.
9. Der dort beschriebene Schengen-Besitzstand umfasst u. a. das am 14. Juni 1985 in Schengen (Luxemburg) unterzeichnete Übereinkommen zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000, L 239, S. 13, im Folgenden: Übereinkommen von Schengen) sowie das am 19. Juni 1990 ebenfalls in Schengen unterzeichnete Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen (ABl. 2000, L 239, S. 19, im Folgenden: SDÜ). Diese beiden Rechtsakte bilden zusammen die „Schengener Übereinkommen“.
10. Art. 4 des Schengen-Protokolls lautet:
„Irland und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, die durch den Schengen-Besitzstand nicht gebunden sind, können jederzeit beantragen, dass einzelne oder alle Bestimmungen dieses Besitzstands auch auf sie Anwendung finden sollen.
Der Rat beschließt einstimmig über einen solchen Antrag, wobei die Einstimmigkeit mit den Stimmen seiner in Artikel 1 genannten Mitglieder und der Stimme des Vertreters der Regierung des betreffenden Staates zustande kommt.“
11. Art. 5 des Schengen-Protokolls bestimmt:
„(1) Vorschläge und Initiativen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands unterliegen den einschlägigen Bestimmungen der Verträge.
In diesem Zusammenhang gilt, sofern das Vereinigte Königreich und Irland oder beide Länder dem Präsidenten des Rates nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraums schriftlich mitgeteilt haben, dass sie sich beteiligen möchten, die Ermächtigung nach Artikel 11 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und Artikel 40 des Vertrags über die Europäische Union gegenüber den in Artikel 1 genannten Mitgliedstaaten sowie gegenüber dem Vereinigten Königreich oder Irland als erteilt, sofern eines dieser beiden Länder sich in den betreffenden Bereichen der Zusammenarbeit beteiligen möchte.
(2) Die einschlägigen Bestimmungen der Verträge nach Absatz 1 Unterabsatz 1 finden auch dann Anwendung, wenn der Rat die in Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 2 genannten Maßnahmen nicht beschlossen hat.“
12. Art. 8 des Schengen-Protokolls sieht vor:
„Bei den Verhandlungen über die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten in die Europäische Union gelten der Schengen-Besitzstand und weitere Maßnahmen, welche die Organe im Rahmen seines Anwendungsbereichs getroffen haben, als ein Besitzstand, der von allen Staaten, die Beitrittskandidaten sind, vollständig zu übernehmen ist.“
Die Erklärungen zum Schengen-Protokoll
13. In der Erklärung Nr. 45 zu Artikel 4 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union ersuchen die Hohen Vertragsparteien den Rat, die Stellungnahme der Kommission der Europäischen Gemeinschaften einzuholen, bevor er über einen Antrag nach diesem Artikel entscheidet. Ferner „verpflichten sie sich, die größtmöglichen Anstrengungen zu unternehmen, damit Irland und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland – wenn sie dies wünschen – Artikel 4 des genannten Protokolls in Anspruch nehmen können, so dass der Rat in der Lage ist, die in jenem Artikel genannten Beschlüsse, und zwar zum Zeitpunkt des Inkrafttretens jenes Protokolls oder zu jedem späteren Zeitpunkt, zu fassen“.
14. In der Erklärung Nr. 46 zu Artikel 5 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union übernehmen die Hohen Vertragsparteien „die Verpflichtung, sich nach besten Kräften dafür einzusetzen, dass ein Vorgehen unter Beteiligung aller Mitgliedstaaten in den Bereichen des Schengen-Besitzstands ermöglicht wird, insbesondere wenn Irland und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland nach Artikel 4 des [Schengen-Protokolls] einzelne oder alle Bestimmungen dieses Besitzstands übernommen haben“.
Der Beschluss 2000/365/EG
15. Gestützt auf Art. 4 Abs. 2 des Schengen-Protokolls erließ der Rat am 29. Mai 2000 den Beschluss 2000/365/EG zum Antrag des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf sie anzuwenden (ABl. L 131, S. 43).
16. In Art. 1 dieses Beschlusses sind die Bestimmungen des Schengen-Besitzstands aufgeführt, die auf das Vereinigte Königreich Anwendung finden.
17. Art. 8 Abs. 2 des Beschlusses bestimmt:
„Ab dem Zeitpunkt der Annahme dieses Beschlusses gilt die Mitteilung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland an den Präsidenten des Rates nach Artikel 5 des Schengen-Protokolls, dass es sich an allen Vorschlägen und Initiativen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands nach Artikel 1 beteiligen will, als unwiderruflich erfolgt. Diese Beteiligung erstreckt sich insoweit auf die in Artikel 5 Absatz 1 bzw. Absatz 2 genannten Gebiete, als die Vorschläge und Initiativen auf den Bestimmungen des Schengen-Besitzstands beruhen, an die sich diese Gebiete binden.“
Die Verordnung Nr. 2252/2004
18. Wie sich aus ihrer Präambel ergibt, wurde die Verordnung Nr. 2252/2004 auf der Grundlage von Art. 62 Nr. 2 Buchst. a EG erlassen.
19. Die Erwägungsgründe 2 bis 4 dieser Verordnung lauten:
„(2) Durch eine Entschließung der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 17. Oktober 2000 … wurden Mindestsicherheitsnormen für Pässe eingeführt. Es ist nun angezeigt, diese Entschließung durch eine Gemeinschaftsmaßnahme weiterzuentwickeln, um höhere, einheitliche Sicherheitsstandards für Pässe und Reisedokumente zum Schutz vor Fälschungen festzulegen. Zugleich sollten auch biometrische Identifikatoren in die Pässe oder Reisedokumente aufgenommen werden, um eine verlässliche Verbindung zwischen dem Dokument und dessen rechtmäßigem Inhaber herzustellen.
(3) Die Angleichung der Sicherheitsmerkmale und die Aufnahme biometrischer Identifikatoren sind ein wichtiger Schritt zur Verwendung neuer Elemente im Hinblick auf künftige Entwicklungen auf europäischer Ebene, die die Sicherheit von Reisedokumenten erhöhen und eine verlässlichere Verbindung zwischen dem Inhaber und dem Pass oder dem Reisedokument herstellen und damit erheblich zum Schutz vor einer betrügerischen Verwendung von Pässen oder Reisedokumenten beitragen. Die Spezifikationen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO), insbesondere die im Dokument Nr. 9303 über maschinenlesbare Reisedokumente festgelegten Spezifikationen, sollten berücksichtigt werden.
(4) Diese Verordnung beschränkt sich auf die Angleichung der Sicherheitsmerkmale einschließlich biometrischer Identifikatoren für die Pässe und Reisedokumente der Mitgliedstaaten. Die Benennung der Behörden und Stellen, die zum Zugriff auf die im Speichermedium der Dokumente gespeicherten Daten befugt sind, ist – vorbehaltlich etwaiger einschlägiger Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, des Rechts der Europäischen Union oder internationaler Übereinkünfte – nach nationalem Recht zu regeln.“
20. Aus den Erwägungsgründen 10 bis 12 der Verordnung Nr. 2252/2004 geht hervor, dass sie eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands darstellen soll, mit der Folge, dass
– das Königreich Dänemark – das sich nicht an der Annahme dieser Verordnung beteiligt, so dass diese für Dänemark nicht bindend oder anwendbar ist – innerhalb von sechs Monaten ab der Annahme der Verordnung beschließen muss, ob es sie in nationales Recht umsetzt;
– das Vereinigte Königreich und Irland sich nicht an der Annahme der Verordnung beteiligen, so dass diese für sie nicht bindend oder anwendbar ist.
21. Im elften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2252/2004, der das Vereinigte Königreich betrifft, heißt es:
„Diese Verordnung stellt eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar, an denen das Vereinigte Königreich sich entsprechend dem Beschluss 2000/365 … nicht beteiligt. Das Vereinigte Königreich beteiligt sich folglich nicht an der Annahme dieser Verordnung, die für das Vereinigte Königreich nicht bindend oder anwendbar ist.“
22. Art. 1 der Verordnung Nr. 2252/2004 sieht Folgendes vor:
„(1) Die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässe und Reisedokumente müssen die im Anhang aufgeführten Mindestsicherheitsnormen erfüllen.
(2) Die Pässe und Reisedokumente sind mit einem Speichermedium versehen, das ein Gesichtsbild enthält. Die Mitgliedstaaten fügen auch Fingerabdrücke in interoperablen Formaten hinzu. Die Daten sind zu sichern, und das Speichermedium muss eine ausreichende Kapazität aufweisen und geeignet sein, die Integrität, die Authentizität und die Vertraulichkeit der Daten sicherzustellen.
(3) Diese Verordnung findet auf von den Mitgliedstaaten ausgestellte Pässe und Reisedokumente Anwendung. Sie findet keine Anwendung auf Personalausweise, die Mitgliedstaaten eigenen Staatsangehörigen ausstellen, oder auf vorläufige Pässe und Reisedokumente mit einer Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten oder weniger.“
23. Art. 2 der Verordnung bestimmt:
„Weitere technische Spezifikationen für Pässe und Reisedokumente werden nach dem in Artikel 5 Absatz 2 genannten Verfahren in Bezug auf folgende Punkte festgelegt:
a) zusätzliche Sicherheitsmerkmale und -anforderungen, einschließlich höherer Normen zum Schutz vor Fälschung, Nachahmung und Verfälschung;
b) technische Spezifikationen für das Medium zur Speicherung der biometrischen Daten und seine Sicherung einschließlich der Verhinderung des unbefugten Zugriffs;
c) Qualitätsanforderungen und gemeinsame Normen für Gesichtsbild und Fingerabdrücke.“
24. Art. 3 der Verordnung Nr. 2252/2004 lautet:
„(1) Nach dem in Artikel 5 Absatz 2 genannten Verfahren kann beschlossen werden, dass die Spezifikationen nach Artikel 2 geheim sind und nicht veröffentlicht werden. In diesem Falle werden sie ausschließlich den von den Mitgliedstaaten für den Druck bestimmten Stellen sowie Personen zugänglich gemacht, die von einem Mitgliedstaat oder der Kommission hierzu ordnungsgemäß ermächtigt worden sind.
(2) Jeder Mitgliedstaat benennt eine für den Druck der Pässe und Reisedokumente zuständige Stelle. Er teilt der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten den Namen dieser Stelle mit. Eine Stelle kann von zwei oder mehr Mitgliedstaaten gleichzeitig benannt werden. Jeder Mitgliedstaat hat die Möglichkeit, die benannte Stelle zu wechseln. Er setzt die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten davon in Kenntnis.“
Sachverhalt
25. Am 18. Februar 2004 legte die Kommission dem Rat einen Vorschlag für eine Verordnung über Normen für Sicherheitsmerkmale und Biometrie in Pässen der EU-Bürger vor.
26. Am 19. Mai 2004 teilte das Vereinigte Königreich dem Rat mit, dass es sich an der Annahme der Verordnung Nr. 2252/2004 beteiligen wolle. Es nahm dabei auf die in Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 des Schengen-Protokolls und im Protokoll zu Titel IV vorgesehenen Notifizierungsverfahren Bezug.
27. Am 13. Dezember 2004 erließ der Rat die Verordnung Nr. 2252/2004. Trotz der Mitteilung vom 19. Mai 2004 wurde dem Vereinigten Königreich nicht die Beteiligung an der Annahme dieser Verordnung gestattet, weil sie eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands darstelle, an denen sich das Vereinigte Königreich gemäß dem Beschluss 2000/365 nicht beteilige.
28. Da das Vereinigte Königreich der Ansicht ist, dass die Weigerung des Rates, ihm die Beteiligung an der Annahme der Verordnung Nr. 2252/2004 zu gestatten, Art. 5 des Schengen-Protokolls verletze, hat es die vorliegende Klage erhoben.
Anträge der Parteien
29. Das Vereinigte Königreich beantragt,
– die Verordnung Nr. 2252/2004 für nichtig zu erklären;
– gemäß Art. 231 EG zu entscheiden, dass nach der Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 2252/2004 bis zum Erlass einer Neuregelung in diesem Bereich die Bestimmungen der Verordnung mit Ausnahme derjenigen fortgelten, die die Beteiligung des Vereinigten Königreichs an der Anwendung der Verordnung ausschließen;
– dem Rat die Kosten aufzuerlegen.
30. Der Rat beantragt, die Klage abzuweisen und dem Vereinigten Königreich die Kosten aufzuerlegen.
31. Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 8. September 2005 sind Irland und die Slowakische Republik als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Vereinigten Königreichs sowie das Königreich Spanien, das Königreich der Niederlande und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden.
Zur Klage
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
32. Das Vereinigte Königreich trägt als Hauptargument vor, der Rat habe sich, als er es von dem Verfahren zur Annahme der Verordnung Nr. 2252/2004 ausgeschlossen habe, auf eine falsche Auslegung des Schengen-Protokolls gestützt und dessen Art. 5 verletzt.
33. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der durch Art. 5 des Schengen-Protokolls geschaffene Mechanismus dem in Art. 4 dieses Protokolls vorgesehenen untergeordnet sei. Die Art. 4 und 5 seien voneinander unabhängig, so dass dem Vereinigten Königreich, wenn es sich an Maßnahmen aufgrund von Art. 5 beteiligen wolle, nicht zuvor nach Art. 4 gestattet worden sein müsse, an dem entsprechenden Schengen-Besitzstand teilzuhaben.
34. Die vom Rat vertretene Auslegung der Art. 4 und 5 des Schengen-Protokolls stehe in Widerspruch zur Systematik und zum Wortlaut dieser beiden Bestimmungen, verletze das Wesen des durch Art. 5 geschaffenen Mechanismus und sei mit der Erklärung Nr. 46 zu Artikel 5 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union unvereinbar.
35. Außerdem würde diese Auslegung Art. 5 des Schengen-Protokolls seiner praktischen Wirksamkeit berauben, da mit ihm insbesondere für eine größtmögliche Beteiligung des Vereinigten Königreichs und Irlands an den Maßnahmen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands gesorgt werden solle, und sie sei weder zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit von Art. 7 des Protokolls zu Titel IV noch zur Erhaltung der Integrität des Schengen-Besitzstands erforderlich. Eine solche Auslegung hätte jedenfalls völlig außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehende Auswirkungen und würde, da der Rat nach seiner gegenwärtigen Praxis ein „weites und unbestimmtes“ Verständnis der „Vorschläge und Initiativen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands“ habe, dazu führen, dass der in Art. 5 vorgesehene Mechanismus in einer mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und den tragenden Grundsätzen verstärkter Zusammenarbeit unvereinbaren Weise ablaufen könnte.
36. Hilfsweise macht das Vereinigte Königreich geltend, wenn die vom Rat vertretene Auslegung der Art. 4 und 5 des Schengen-Protokolls zuträfe, müssten die Worte „Vorschläge und Initiativen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands“ in Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 dieses Protokolls dahin verstanden werden, dass sie sich nur auf untrennbar mit dem Schengen-Besitzstand verbundene Maßnahmen („integrale Schengen-Maßnahmen“) bezögen, wie etwa Maßnahmen zur Änderung von Bestimmungen dieses Besitzstands, denen sich das Vereinigte Königreich nicht anschließen könne, ohne sich zuvor an die zu ändernden Bestimmungen gebunden zu haben. Nicht in den Anwendungsbereich dieses Artikels fielen dagegen die nur „mit Schengen verbundenen“ Maßnahmen, die zwar dazu dienen sollten, bestimmte Ziele des Schengen-Besitzstands weiterzuentwickeln oder zu ergänzen, aber mit diesem Besitzstand nicht so eng verbunden seien, dass dessen Integrität gefährdet wäre, wenn sich ein nicht am Besitzstand teilhabender Mitgliedstaat gleichwohl an der Annahme solcher Maßnahmen beteiligen könne. Bei der Annahme von Maßnahmen der letztgenannten Kategorie richte sich die Stellung des Vereinigten Königreichs deshalb nicht nach den Bestimmungen des genannten Protokolls, sondern je nach Fall nach den Bestimmungen des Protokolls zu Titel IV oder den einschlägigen Bestimmungen des „dritten Pfeilers“. Da die Verordnung Nr. 2252/2004 dieser Kategorie von Maßnahmen zuzurechnen sei, hätte das Vereinigte Königreich nicht vom Verfahren zur Annahme dieser Verordnung ausgeschlossen werden dürfen.
37. Der Rat trägt erstens vor, Art. 5 des Schengen-Protokolls solle dem Vereinigten Königreich entgegen dessen Vorbringen kein Recht zuerkennen, sondern den am gesamten Schengen-Besitzstand teilhabenden Mitgliedstaaten zusichern, dass ihre Handlungen nicht durch die Vorbehalte anderer Mitgliedstaaten in Bezug auf die Beteiligung daran in Frage gestellt würden. Der Wortlaut von Art. 5 bestätige im Übrigen diese Auslegung, da er, im Unterschied zum Wortlaut der Art. 4 des Schengen-Protokolls und 3 des Protokolls zu Titel IV, ein solches Recht nicht ausdrücklich einräume.
38. Die vom Vereinigten Königreich vertretene Auslegung von Art. 5 Abs. 1 des Schengen-Protokolls würde dem in Art. 4 des Protokolls vorgesehenen Genehmigungsverfahren seine praktische Wirksamkeit nehmen, denn wenn einem Mitgliedstaat nach diesem Artikel das Recht zur Beteiligung an der Annahme einer bestimmten Maßnahme verweigert worden sei, könnte er sich gleichwohl mittels des Verfahrens nach Art. 5 an jeder Maßnahme zur Weiterentwicklung des fraglichen Bereichs beteiligen. Die Integrität des Schengen-Besitzstands wäre daher nicht mehr gewährleistet, und Art. 7 des Protokolls zu Titel IV, wonach die Art. 3 und 4 dieses Protokolls nicht die Bestimmungen des Schengen-Protokolls berührten, wäre ebenfalls ohne praktische Wirksamkeit.
39. Zweitens werde die vom Vereinigten Königreich getroffene Unterscheidung zwischen „integralen Schengen-Maßnahmen“ und den sogenannten nur „mit Schengen verbundenen Maßnahmen“ weder durch das Primärrecht noch durch das abgeleitete Recht gedeckt. Die vom Vereinigten Königreich vorgeschlagene Definition der „mit Schengen verbundenen Maßnahmen“ beruhe auf einem Fehlverständnis dessen, was eine Bedrohung für die Integrität des Schengen-Besitzstands darstellen könnte, und die fragliche Unterscheidung schaffe insofern unnötige Rechtsunsicherheit, als sie dazu führe, dass der Begriff „Maßnahme zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands“ unterschiedlich zu verstehen sei, je nachdem, ob es sich um den Erlass einer auf die Republik Island und das Königreich Norwegen oder auf das Vereinigte Königreich und Irland Anwendung findenden Maßnahme handele.
40. Drittens sei der Standpunkt des Rates voll und ganz mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den im Bereich der verstärkten Zusammenarbeit geltenden Regeln vereinbar. Zum einen seien die Verfasser des Vertrags nicht an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Zum anderen seien die Bestimmungen des EU-Vertrags und des EG-Vertrags über verstärkte Zusammenarbeit unbeschadet derjenigen des Schengen-Protokolls zu verstehen.
41. Irland vertritt die Auffassung, die vom Vereinigten Königreich vertretene Auslegung der Art. 4 und 5 des Schengen-Protokolls entspreche dem Wortlaut dieser Artikel und der gegenwärtigen Praxis des Rates in Bezug auf die den Schengen-Besitzstand betreffenden Maßnahmen, zu deren Anwendung das Vereinigte Königreich und Irland ermächtigt worden seien. Diese Auslegung werde im Übrigen durch die verschiedenen der Schlussakte des Vertrags von Amsterdam beigefügten Erklärungen zum Schengen-Protokoll bestätigt. Der Rat habe auch nicht dartun können, dass im Fall der Beteiligung des Vereinigten Königreichs an der Annahme der Verordnung Nr. 2252/2004 eine konkrete Gefahr der Schädigung des Schengen-Besitzstands bestanden hätte.
42. Die Slowakische Republik führt aus, das Recht des Vereinigten Königreichs zur Beteiligung an der Annahme der Verordnung Nr. 2252/2004 hänge davon ab, dass keine Bedrohung für die Integrität und die Kohärenz des bereits geltenden Schengen-Besitzstands bestehe. Es sei Sache des Rates, den Beweis zu erbringen, dass die Beteiligung dieses Mitgliedstaats an der Anwendung der Verordnung eine solche Bedrohung darstelle. Im vorliegenden Fall gebe es diese Bedrohung nicht.
43. Das Königreich Spanien hält die Klage des Vereinigten Königreichs für unbegründet. Der Hauptantrag des Vereinigten Königreichs beruhe darauf, dass es sich ein hypothetisches, durch einen Artikel des Schengen-Protokolls verliehenes Recht beimesse, das ihm dort nicht zuerkannt werde. Die vom Vereinigten Königreich vertretene Auslegung bedeute eine klare Gefahr für die Maßnahmen, die dank der durch dieses Protokoll geschaffenen verstärkten Zusammenarbeit bereits getroffen worden seien, da sie die Integrität und die Kohärenz des Schengen-Besitzstands gefährde. Der Hilfsantrag des Vereinigten Königreichs lasse außer Acht, dass der Rat festzulegen habe, welche Maßnahmen als Maßnahmen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands anzusehen seien, und dass es einem nicht zu den Parteien der Schengener Übereinkommen gehörenden Mitgliedstaat nicht zustehe, diese Festlegung vorzunehmen.
44. Das Königreich der Niederlande macht geltend, das Schengen-Protokoll trage der besonderen Situation Rechnung, in der sich das Vereinigte Königreich und Irland in Bezug auf den Schengen-Besitzstand befänden, indem es diesen Mitgliedstaaten in Art. 4 die Möglichkeit gebe, künftig an diesem Besitzstand teilzuhaben, und indem es durch Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 gewährleiste, dass diese Beteiligung nicht später zu einer Stagnation bei der Weiterentwicklung des fraglichen Besitzstands führen könne. Da es kein stichhaltiges Argument dafür gebe, dass für die Beteiligung des Vereinigten Königreichs und Irlands an einer Maßnahme zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands nach der letztgenannten Bestimmung ein weniger umfangreiches Verfahren gelte als das in Art. 4 vorgesehene Verfahren für die Teilhabe dieser beiden Mitgliedstaaten an den Bestimmungen des Besitzstands selbst, sei Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 in dem vom Rat vertretenen Sinne auszulegen.
45. Die Kommission hebt hervor, dass das wesentliche Merkmal der verstärkten Zusammenarbeit im Allgemeinen und des Schengen-Besitzstands im Besonderen ihre Integrität sei. Die Wahrung und der Schutz dieser Integrität sowie die Kohärenz des Schengen-Besitzstands seien daher grundlegende Anliegen. Nach dem Schengen-Protokoll komme zwar eine teilweise Beteiligung eines Mitgliedstaats, der nicht zu den Parteien der Schengener Übereinkommen gehöre, in Betracht; es gehe aber nicht so weit, dass es den betreffenden Mitgliedstaaten eine „freie Auswahl“ gewähre, die zu einem Flickwerk von Beteiligungen und Verpflichtungen führen würde.
46. Die vom Vereinigten Königreich vertretene Auslegung der Art. 4 und 5 des Schengen-Protokolls stehe in Widerspruch zur Systematik und zum Grundgedanken dieses Protokolls und sei der Kohärenz und der Integrität des Schengen-Besitzstands abträglich.
47. Im Übrigen handele es sich bei den Worten „auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands“ in Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 des Schengen-Protokolls nicht um einen „weiten und unbestimmten“ Begriff der Maßnahmen, die von den an einer Aktion der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten getroffen werden könnten, während sich die Entscheidung, einen Vorschlag als „Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands“ einzustufen, kaum von der Entscheidung unterscheide, die auf die Festlegung der geeigneten Rechtsgrundlage für die Annahme eines Rechtsakts der Gemeinschaft gerichtet sei.
48. Was schließlich die Verordnung Nr. 2252/2004 angehe, so ziele sie darauf ab, die Sicherheit der Pässe zu erhöhen und eine zuverlässigere Verbindung zwischen ihnen und ihrem Inhaber herzustellen, indem ihre Sicherheitsmerkmale angeglichen und biometrische Identifikatoren aufgenommen würden. Dieses Ziel stehe in engem Zusammenhang mit der Kontrolle der Außengrenzen, deren Verstärkung das Herzstück der durch die Schengener Übereinkommen geschaffenen Zusammenarbeit sei. Die Verordnung entspreche diesem Grundgedanken voll und ganz, denn sie ermögliche es, die Wirksamkeit und die Harmonisierung der Kontrollen an den Außengrenzen zu verbessern.
Würdigung durch den Gerichtshof
49. Um über das Hauptvorbringen des Vereinigten Königreichs entscheiden zu können, ist zu prüfen, ob Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 des Schengen-Protokolls dahin auszulegen ist, dass er nur für Vorschläge und Initiativen auf der Grundlage eines Bereichs des Schengen-Besitzstands gilt, zu dessen Anwendung das Vereinigte Königreich und/oder Irland nach Art. 4 des genannten Protokolls ermächtigt wurden, oder ob, wie das Vereinigte Königreich geltend macht, diese beiden Bestimmungen im Gegenteil als voneinander unabhängig anzusehen sind.
50. Wie hierzu aus Randnr. 68 des Urteils Vereinigtes Königreich/Rat vom heutigen Tag (C‑77/05, Slg. 2007, I‑0000) hervorgeht, ist Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 des Schengen-Protokolls dahin auszulegen, dass er nur für Vorschläge und Initiativen auf der Grundlage eines Bereichs des Schengen-Besitzstands gilt, zu dessen Anwendung das Vereinigte Königreich und/oder Irland nach Art. 4 des Protokolls ermächtigt wurden.
51. Folglich ist das Hauptvorbringen des Vereinigten Königreichs zur Stützung der vorliegenden Nichtigkeitsklage als unbegründet zurückzuweisen.
52. Zum Hilfsvorbringen des Vereinigten Königreichs ist zunächst hervorzuheben, dass die von diesem Mitgliedstaat getroffene Unterscheidung zwischen Maßnahmen, die er als „integrale Schengen-Maßnahmen“ einstuft, und solchen, die er als bloße „mit Schengen verbundene Maßnahmen“ ansieht, weder im EU- und im EG-Vertrag noch im abgeleiteten Gemeinschaftsrecht eine Grundlage hat.
53. Ferner räumt das Vereinigte Königreich, obwohl es die vom Rat vorgenommene Einstufung beanstandet, selbst ein, dass die Verordnung Nr. 2252/2004 einen Zusammenhang mit den Bestimmungen des Schengen-Besitzstands aufweist, da es die Ansicht vertritt, dass gleichwohl eine „mit Schengen verbundene Maßnahme“ vorliege.
54. Ungeachtet dieser Erwägungen und des Umstands, dass im vorliegenden Fall die dem Rat zur Last gelegte falsche Einstufung nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wahl der Rechtsgrundlage für den Erlass der Verordnung Nr. 2252/2004 – Art. 62 Nr. 2 Buchst. a EG – steht, ist festzustellen, dass sich die Einstufung der Verordnung Nr. 2252/2004 durch den Rat als Maßnahme zur Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands, ebenso wie die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts der Gemeinschaft, unmittelbar auf die Festlegung der das Verfahren zum Erlass dieser Verordnung regelnden Bestimmungen auswirkte und damit auch auf die Möglichkeit des Vereinigten Königreichs, sich an diesem Verfahren zu beteiligen.
55. Da nämlich die Ausübung der Befugnis des Vereinigten Königreichs, sich an der Annahme eines gemäß den Bestimmungen von Titel IV vorgelegten Vorschlags zu beteiligen, nach Art. 3 Abs. 1 des Protokolls zu Titel IV nur von der Einhaltung der dort vorgesehenen Notifizierungsfrist abhängt, wirkte sich die Einstufung der Verordnung Nr. 2252/2004 als Maßnahme zur Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands unmittelbar auf die dem genannten Mitgliedstaat zuerkannten Rechte aus.
56. In Anbetracht dieser Feststellung ist analog zu den für die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts der Gemeinschaft geltenden Grundsätzen davon auszugehen, dass sich in einer Situation wie der hier vorliegenden die Einstufung eines Rechtsakts der Gemeinschaft, der einen Vorschlag oder eine Initiative auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 des Schengen-Protokolls enthält, auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen muss, zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören (vgl. Urteile vom 11. Juni 1991, Kommission/Rat, „Titandioxid“, C‑300/89, Slg. 1991, I‑2867, Randnr. 10, vom 13. September 2005, Kommission/Rat, C‑176/03, Slg. 2005, I‑7879, Randnr. 45, und vom 23. Oktober 2007, Kommission/Rat, C‑440/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 61).
57. Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob – wie das Vereinigte Königreich vorträgt – der Rat nicht berechtigt war, die Verordnung Nr. 2252/2004 als Maßnahme zur Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands einzustufen.
58. Zur Zielsetzung der Verordnung Nr. 2252/2004 geht aus ihren Erwägungsgründen 2 und 3 und aus ihrem Art. 4 Abs. 3 hervor, dass sie zur Bekämpfung der Fälschung und betrügerischen Verwendung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässe und anderen Reisedokumente dient.
59. Zur Erreichung dieses Ziels nimmt die Verordnung Nr. 2252/2004, wie sich aus ihren Art. 1 und 2 ergibt, eine Vereinheitlichung und Erhöhung der Mindestsicherheitsnormen vor, die die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässe und Reisedokumente erfüllen müssen, und sie sieht vor, dass in diese Dokumente eine Reihe biometrischer Daten ihrer Inhaber aufgenommen werden.
60. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass, wie der Gerichtshof in Randnr. 84 des oben genannten Urteils Vereinigtes Königreich/Rat entschieden hat, die Personenkontrollen an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten und damit die wirksame Umsetzung der gemeinsamen Vorschriften über Standards und Verfahren für diese Kontrollen als Bestandteile des Schengen-Besitzstands anzusehen sind.
61. Nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. b und c des SDÜ, der die einheitlichen Grundsätze für die Kontrollen an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten enthält, sind alle Personen zumindest einer solchen Kontrolle zu unterziehen, die die Feststellung ihrer Identität anhand der vorgelegten oder vorgezeigten Reisepapiere ermöglicht, und sie unterliegen gegebenenfalls einer eingehenden Kontrolle, die die fahndungstechnische Überprüfung und die Abwehr von Gefahren für die nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung der Unterzeichnerstaaten des SDÜ umfasst.
62. Die Modalitäten der im SDÜ vorgesehenen Kontrolle werden im Gemeinsamen Handbuch des durch das SDÜ eingesetzten Exekutivausschusses (ABl. 2002, C 313, S. 97) festgelegt, das zum Schengen-Besitzstand im Sinne von Art. 1 des Schengen-Protokolls gehört.
63. In Teil II („Die Grenzkontrolle“) dieses Gemeinsamen Handbuchs sieht Nr. 1.3.1 vor, dass die Mindestkontrolle gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. b des SDÜ in einem Personenvergleich anhand der vorgelegten oder vorgezeigten Grenzübertrittspapiere und einer zügigen und einfachen Überprüfung in Form der Beschau besteht, ob das Grenzübertrittspapier gültig ist und Fälschungs- oder Verfälschungsmerkmale aufweist.
64. Nach Nr. 1.3.2.1 dieses Teils des Gemeinsamen Handbuchs, der die Modalitäten der eingehenden Kontrolle im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchst. c des SDÜ betrifft, umfasst diese Kontrolle gründliche Erhebungen dazu, ob das beim Grenzübertritt vorgelegte Reisedokument gültig und echt ist.
65. Da die Prüfung der Echtheit der Pässe und anderen Reisedokumente folglich das Hauptelement der Personenkontrollen an den Außengrenzen ist, sind die Maßnahmen, die eine leichtere und zuverlässigere Feststellung dieser Echtheit und der Identität des Inhabers des fraglichen Dokuments ermöglichen, als zur Gewährleistung und Verbesserung der Wirksamkeit dieser Kontrollen und damit des durch den Schengen-Besitzstand geschaffenen integrierten Schutzes der Außengrenzen geeignet anzusehen.
66. In Anbetracht von Ziel und Inhalt der Verordnung Nr. 2252/2004, wie sie sich aus der Analyse in den Randnrn. 58 und 59 des vorliegenden Urteils ergeben, ist diese Verordnung somit als Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 des Schengen-Protokolls anzusehen.
67. Unter diesen Umständen hat der Rat die Verordnung Nr. 2252/2004 zu Recht als Maßnahme zur Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands eingestuft.
68. Auch dem Hilfsvorbringen des Vereinigten Königreichs kann deshalb nicht gefolgt werden.
69. Der Antrag des Vereinigten Königreichs auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 2252/2004 greift daher nicht durch; infolgedessen hat der Gerichtshof nicht über den Antrag dieses Mitgliedstaats auf Aufrechterhaltung der Wirkungen der genannten Verordnung zu entscheiden.
70. Somit ist die Klage des Vereinigten Königreichs abzuweisen.
Kosten
71. Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat die Verurteilung des Vereinigten Königreichs beantragt hat und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Nach Art. 69 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetretenen Mitgliedstaaten und Organe ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt die Kosten.
3. Das Königreich Spanien, Irland, das Königreich der Niederlande, die Slowakische Republik und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften tragen ihre eigenen Kosten.