Rechtssache C-5/05

Staatssecretaris van Financiën

gegen

B. F. Joustra

(Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden)

„Steuerrecht – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Richtlinie 92/12/EWG – Verbrauchsteuer – Wein – Artikel 7 bis 10 – Bestimmung des Mitgliedstaats der Entstehung des Steueranspruchs – Erwerb durch eine Privatperson für ihren Eigenbedarf und den Bedarf anderer Privatpersonen – Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat durch ein Beförderungsunternehmen – Im Bestimmungsmitgliedstaat geltende Regelung“

Schlussanträge des Generalanwalts F. G. Jacobs vom 1. Dezember 2005 

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 23. November 2006 

Leitsätze des Urteils

Steuerrecht – Harmonisierung – Verbrauchsteuern – Richtlinie 92/12 – Verbrauchsteuerpflichtige Waren – Bestimmung des Mitgliedstaats der Entstehung des Steueranspruchs

(Richtlinie 92/12 des Rates, Artikel 7, 8 und 22 Absatz 3)

Die Richtlinie 92/12 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren ist dahin auszulegen, dass dann, wenn eine Privatperson, die nicht gewerblich tätig wird und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, in einem ersten Mitgliedstaat für ihren Eigenbedarf und für den Bedarf anderer Privatpersonen verbrauchsteuerpflichtige Waren erwirbt, die in diesem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, und sie für ihre Rechnung in einen zweiten Mitgliedstaat durch ein in diesem zweiten Staat niedergelassenes Beförderungsunternehmen verbringen lässt, Artikel 7 der Richtlinie und nicht deren Artikel 8 anwendbar ist, so dass Verbrauchsteuern auch in diesem Staat erhoben werden.

Für die Anwendung der Richtlinie 92/12 sind nämlich Waren, deren Besitz nicht persönlichen Zwecken dient und die daher nicht unter Artikel 8 der Richtlinie fallen, notwendigerweise als Waren anzusehen, deren Besitz kommerziellen Zwecken dient und die daher unter Artikel 7 der Richtlinie fallen. Die Anwendung dieses Artikels 8 verlangt aber, dass die betreffenden Waren von der Privatperson, die sie erworben hat, persönlich befördert worden sind. Gemäß Artikel 7 Absatz 6 dieser Richtlinie wird die im erstgenannten Staat entrichtete Verbrauchsteuer in einem solchen Fall nach den Bestimmungen des Artikels 22 Absatz 3 der Richtlinie rückerstattet.

(vgl. Randnrn. 29, 37, 53 und Tenor)




URTEIL DES GERICHTSHOFES (Dritte Kammer)

23. November 2006(*)

„Steuerrecht – Harmonisierung der Rechtsvorschriften –Richtlinie 92/12/EWG – Verbrauchsteuer – Wein – Artikel 7 bis 10 – Bestimmung des Mitgliedstaats der Entstehung des Steueranspruchs – Erwerb durch eine Privatperson für ihren Eigenbedarf und den Bedarf anderer Privatpersonen – Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat durch ein Beförderungsunternehmen – Im Bestimmungsmitgliedstaat geltende Regelung“

In der Rechtssache C‑5/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 7 Januar 2005, beim Gerichtshof eingegangen am selben Tag, in dem Verfahren

Staatssecretaris van Financiën

gegen

B. F. Joustra

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Borg Barthet und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),

Generalanwalt: F. G. Jacobs,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen:

–       der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,

–       der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato,

–       der polnischen Regierung, vertreten durch T. Nowakowski als Bevollmächtigten,

–       der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und Â. Seiça Neves als Bevollmächtigte,

–       der schwedischen Regierung, vertreten durch K. Wistrand als Bevollmächtigte,

–       der Regierung des Vereinigtes Königreichs, vertreten durch M. Bethell als Bevollmächtigten im Beistand von S. Moore, Barrister,

–       der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. van Nuffel und K. Gross als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Dezember 2005

folgendes

Urteil

1       Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 7 bis 9 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/108/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 390, S. 124) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie).

2       Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtstreits zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen) und B. F. Joustra über die Erhebung von Verbrauchsteuer auf Wein in den Niederlanden, den der Betroffene in Frankreich für seinen eigenen Bedarf sowie für den Bedarf anderer Privatpersonen erworben und für seine Rechnung in die Niederlande durch ein in diesem Mitgliedstaat niedergelassenes Beförderungsunternehmen hat verbringen lassen.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

3       In der fünften bis achten Begründungserwägung der Richtlinie heißt es:

„Jede Warenlieferung, jeder Besitz von zur Lieferung bestimmten Waren oder jede Bereitstellung von Waren für den Bedarf eines Wirtschaftsbeteiligten, der eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, oder einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung innerhalb eines anderen Mitgliedstaats als dem, in dem die Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, lässt den Verbrauchsteueranspruch in diesem anderen Mitgliedstaat entstehen.

Bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die Privatpersonen für ihren Eigenbedarf erwerben und die sie selbst befördern, sind die Steuern im Mitgliedstaat des Erwerbs zu erheben.

Die Mitgliedstaaten müssen eine Reihe von Kriterien berücksichtigen, damit festgestellt werden kann, ob der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren nicht privaten, sondern kommerziellen Zwecken dient.

Verbrauchsteuerpflichtige Waren, die von Personen erworben werden, bei denen es sich weder um zugelassene Lagerinhaber noch um registrierte oder nicht registrierte Wirtschaftsbeteiligte handelt und die vom Verkäufer oder auf dessen Rechnung direkt oder indirekt versandt oder befördert werden, unterliegen der Verbrauchsteuer im Bestimmungsmitgliedstaat.“

4       Die Artikel 1 bis 10 der Richtlinie bilden deren Titel I „Allgemeine Bestimmungen“.

5       Nach Artikel 3 Absatz 1 findet die Richtlinie auf Gemeinschaftsebene Anwendung auf Mineralöle, Alkohol und alkoholische Getränke sowie auf Tabakwaren.

6       Artikel 4 der Richtlinie enthält folgende Begriffsbestimmung:

„…

e)      nicht registrierter Wirtschaftsbeteiligter: die natürliche oder juristische Person, die berechtigt ist, in Ausübung ihres Berufs gelegentlich verbrauchsteuerpflichtige Waren mit Herkunft aus einem anderen Mitgliedstaat unter Steueraussetzung zu empfangen, ohne zugelassener Lagerinhaber zu sein. Dieser Wirtschaftsbeteiligte darf keine Waren unter Steueraussetzung lagern oder versenden. Der nicht registrierte Wirtschaftsbeteiligte muss vor dem Versand der Waren bei den Steuerbehörden des Bestimmungsmitgliedstaats eine Sicherheit für die Zahlung der Verbrauchsteuern leisten.“

7       Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie sieht vor:

„(1) Die Verbrauchsteuer entsteht mit der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr …

Als Überführung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr gelten

a)      jede – auch unrechtmäßige – Entnahme der Ware aus dem Verfahren der Steueraussetzung;

b)      jede – auch unrechtmäßige – Herstellung dieser Erzeugnisse außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung;

c)      jede – auch unrechtmäßige – Einfuhr dieser Waren, sofern sie nicht einem Verfahren der Steueraussetzung unterstellt worden sind.“

8       Artikel 7 der Richtlinie bestimmt:

„(1)      Befinden sich verbrauchsteuerpflichtige Waren, die in einem Mitgliedstaat bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, zu gewerblichen Zwecken in einem anderen Mitgliedstaat, so werden die Verbrauchsteuern in dem Mitgliedstaat erhoben, in dem sich die Waren befinden.

(2)      Werden Waren, die bereits in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr gemäß Artikel 6 übergeführt worden sind, innerhalb eines anderen Mitgliedstaats geliefert, zur Lieferung bestimmt oder für den Bedarf eines Wirtschaftsbeteiligten, der eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, oder einer öffentlich- rechtlichen Einrichtung bereitgestellt, so entsteht der Verbrauchsteueranspruch unbeschadet des Artikels 6 in diesem anderen Mitgliedstaat.

(3)      Die Verbrauchsteuer wird je nach Fallgestaltung von der Person geschuldet, die die Lieferung vornimmt, oder die die zur Lieferung bestimmten Waren besitzt, oder von der Person, dem gewerblichen Wirtschaftsbeteiligten oder der öffentlich-rechtlichen Einrichtung, bei der die Waren innerhalb eines anderen Mitgliedstaats als dem, in dem sie bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, bereitgestellt werden.

(4)      Die in Absatz 1 genannten Waren werden zwischen den Hoheitsgebieten der einzelnen Mitgliedstaaten zusammen mit einem Begleitdokument befördert, das die wichtigsten Angaben des in Artikel 18 Absatz 1 genannten Dokuments enthält. Form und Inhalt dieses Dokuments werden nach dem Verfahren des Artikels 24 festgelegt.

(5)      Die in Absatz 3 genannten Personen, beruflich Handelnden oder Einrichtungen haben folgende Verpflichtungen zu erfüllen:

a)      Abgabe einer Erklärung vor dem Versand der Waren bei den Steuerbehörden des Bestimmungsmitgliedstaats und Gewährleistung der Zahlung der Verbrauchsteuer;

b)      Entrichtung der Verbrauchsteuer des Bestimmungsmitgliedstaats nach dessen Vorschriften;

c)      Duldung jeglicher Kontrolle, die es der Verwaltung des Bestimmungsmitgliedstaats ermöglicht, sich vom tatsächlichen Eingang der Waren und von der Zahlung der fälligen Verbrauchsteuer zu überzeugen.

(6)      Die in dem ersten in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat entrichtete Verbrauchsteuer wird nach den Bestimmungen des Artikels 22 Absatz 3 rückerstattet.“

9       Artikel 8 der Richtlinie lautet:

„Für Waren, die Privatpersonen für ihren Eigenbedarf erwerben und die sie selbst befördern, werden die Verbrauchsteuern nach dem Grundsatz des Binnenmarkts im Erwerbsmitgliedstaat erhoben.“

10     Artikel 9 der Richtlinie sieht vor:

„(1)      Unbeschadet der Artikel 6, 7 und 8 entsteht die Verbrauchsteuer, wenn die in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführten Waren zu gewerblichen Zwecken in einem anderen Mitgliedstaat in Besitz gehalten werden.

In diesem Fall wird die Verbrauchsteuer in dem Mitgliedstaat geschuldet, auf dessen Gebiet sich die Waren befinden, und von der Person, in deren Besitz sie sich befinden.

(2)      Bei der Feststellung, ob die in Artikel 8 genannten Waren zu gewerblichen Zwecken bestimmt sind, haben die Mitgliedstaaten unter anderem folgende Kriterien zu berücksichtigen:

–       handelsrechtliche Stellung und Gründe des Besitzers für den Besitz der Waren;

–       Ort, an dem die Waren sich befinden, oder gegebenenfalls verwendete Beförderungsart;

–       Unterlagen über die Waren;

–       Beschaffenheit der Waren;

–       Menge der Waren.

Für die Anwendung des fünften Gedankenstrichs von Unterabsatz 1 können die Mitgliedstaaten Richtmengen festlegen, jedoch nur, um einen Anhaltspunkt zu gewinnen. Diese Richtmengen dürfen folgende Werte nicht unterschreiten:

b)      Alkoholische Getränke

Wein (davon höchstens 60 Liter Schaumwein) 90 Liter

(3)      Die Mitgliedstaaten können ferner vorsehen, dass im Verbrauchsmitgliedstaat ein Verbrauchsteueranspruch beim Erwerb von Mineralölen entsteht, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, wenn diese Waren von Privatpersonen oder auf deren Rechnung auf atypische Weise befördert worden sind.

…“

11     Artikel 10 der Richtlinie bestimmt:

„(1)      Verbrauchsteuerpflichtige Waren, die von Personen erworben werden, bei denen es sich weder um zugelassene Lagerinhaber noch um registrierte oder nicht registrierte Wirtschaftsbeteiligte handelt, und die vom Verkäufer oder auf dessen Gefahr direkt oder indirekt versandt oder befördert werden, unterliegen der Verbrauchsteuer im Bestimmungsmitgliedstaat. Im Sinne dieses Absatzes gilt als Bestimmungsmitgliedstaat der Mitgliedstaat, in dem die Sendung eingeht oder die Beförderung endet.

(2)      Demzufolge entsteht bei der Lieferung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die bereits in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind und die vom Verkäufer oder auf dessen Gefahr direkt oder indirekt an eine in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Person nach Absatz 1 versandt oder befördert werden, die Verbrauchsteuer im Bestimmungsmitgliedstaat.

(3)      Die Verbrauchsteuer des Bestimmungsmitgliedstaats entsteht gegenüber dem Verkäufer im Zeitpunkt der Lieferung. Die Mitgliedstaaten können allerdings zulassen, dass die Verbrauchsteuer von einem steuerlichen Beauftragten, der nicht mit dem Empfänger der Waren identisch sein darf, geschuldet wird. Dieser steuerliche Beauftragte muss in dem Bestimmungsmitgliedstaat niedergelassen und von den Steuerbehörden dieses Mitgliedstaats zugelassen sein.

Der Mitgliedstaat, in dem der Verkäufer niedergelassen ist, hat sich zu vergewissern, dass dieser folgende Vorschriften erfüllt:

Er muss

–       die Zahlung der Verbrauchsteuer nach Maßgabe der vom Bestimmungsmitgliedstaat festgelegten Bedingungen vor Versendung der Waren gewährleisten und die Zahlung der Verbrauchsteuer nach Eingang der Waren sicherstellen;

–       Aufzeichnungen über die Warenlieferungen führen.

(4)      In dem in Absatz 2 genannten Fall werden die im erstgenannten Mitgliedstaat entrichteten Verbrauchsteuern nach den Bestimmungen des Artikels 22 Absatz 4 zurückerstattet.

…“

12     Transaktionen, die von nicht registrierten Wirtschaftsbeteiligten durchgeführt werden, sind Gegenstand von besonderen Bestimmungen, die u. a. in den Artikeln 16 bis 19 der Richtlinie in Titel III „Beförderung“ vorgesehen sind.

13     In Artikel 22 Absätze 1 und 3 der Richtlinie, der zu Titel IV „Erstattung“ gehört, heißt es:

„(1)      Für verbrauchsteuerpflichtige Waren, die sich bereits im steuerrechtlich freien Verkehr befinden, kann die Verbrauchsteuer in geeigneten Fällen auf Antrag eines Wirtschaftsbeteiligten in Ausübung seines Berufes von den Steuerbehörden eines Mitgliedstaats, in dem die Waren in den freien Verkehr übergeführt worden sind, erstattet werden, sofern sie nicht für den Verbrauch in diesem Mitgliedstaat bestimmt sind.

Die Mitgliedstaaten brauchen jedoch diesem Erstattungsantrag nicht zu entsprechen, wenn er den von ihnen aufgestellten Kriterien nicht genügt.

(3)      In den in Artikel 7 genannten Fällen hat der Abgangsmitgliedstaat die entrichtete Verbrauchsteuer unter der Voraussetzung zu erstatten, dass die Verbrauchsteuer im Bestimmungsmitgliedstaat nach dem Verfahren des Artikels 7 Absatz 5 bereits entrichtet wurde.

Jedoch brauchen die Mitgliedstaaten diesem Erstattungsantrag nicht stattzugeben, wenn er den von ihnen festgelegten Kriterien nicht entspricht.“

 Nationales Recht

14     Artikel 2c des Gesetzes über die Verbrauchsteuern (Wet op de accijns) vom 31. Oktober 1991 (Stb. 1991, S. 561; im Folgenden: Verbrauchsteuergesetz) bestimmt:

„1.      Verbrauchsteuer wird nicht geschuldet, wenn eine natürliche Person, die kein Unternehmer ist, eine verbrauchsteuerpflichtige Ware für ihren Eigenverbrauch von einem Mitgliedstaat in die Niederlande verbringt.

2.      Unbeschadet der Regelung in Absatz 1 wird der Besitz einer in einem anderen Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführten oder eingeführten verbrauchsteuerpflichtigen Ware durch eine natürliche Person zu anderen Zwecken als dem Eigenverbrauch einer Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr gleichgestellt.

3.      Überschreitet die Menge der Waren einen durch Ministerialverordnung festgesetzten Höchstbetrag, so wird bis zum Beweis des Gegenteils angenommen, dass der Besitz der Waren anderen Zwecken als dem persönlichen Verbrauch dient.“

15     Artikel 3a der Durchführungsverordnung Nr. WW 91/440 des Verbrauchsteuergesetzes (Uitvoeringsregeling accijns) vom 20. Dezember 1991 (Stcrt. 1991, Nr. 252) sieht vor:

„Die Mengen im Sinne von Artikel 2c Absatz 3 des Gesetzes betragen:

b.       für Wein: 90 Liter;

…“

 Ausgangsverfahren und Vorabentscheidungsfragen

16     Herr Joustra und etwa 70 andere Privatpersonen haben eine Gruppe gebildet, die sich „Cercle des amis du vin“ (im Folgenden: Gruppe) nennt.

17     Im Namen der Gruppe bestellt Herr Joustra jedes Jahr in Frankreich Wein für seinen Eigenbedarf und für den Bedarf der übrigen Mitglieder der Gruppe. Diesen Wein lässt er dann in Frankreich von einem niederländischen Beförderungsunternehmen abholen, das ihn in die Niederlande befördert und bei Herrn Joustra zu Hause abliefert. Der Wein wird dort einige Tage gelagert, bevor er an die anderen Mitglieder der Gruppe deren jeweiligem Anteil an den gekauften Mengen entsprechend geliefert wird. Herr Joustra zahlt den Preis für Wein und Transport; jedes Mitglied der Gruppe erstattet ihm dann den Preis, der den ihm gelieferten Weinmengen entspricht, und einen Teil der Transportkosten, der proportional zu diesen Mengen berechnet wird. Es ist unstreitig, dass Herr Joustra diese Tätigkeit nicht berufsmäßig oder mit der Absicht der Gewinnerzielung ausübt.

18     Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass der von Herrn Joustra bestellte Wein in Frankreich in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt und in diesem Mitgliedstaat Verbrauchsteuer entrichtet worden ist. Darüber hinaus ist unstreitig, dass die den einzelnen Mitgliedern der Gruppe jeweils gelieferten Mengen nicht über 90 Liter Wein hinausgingen, von denen höchstens 60 Liter Schaumwein waren.

19     Am 2. Dezember 1997 erklärte Herr Joustra gegenüber den niederländischen Steuerbehörden, die ihm zuvor auf seinen Antrag hin die Stellung eines nicht registrierten Wirtschaftsbeteiligten zuerkannt hatten, den Empfang von 13,68 Hektolitern Rot- und Weißwein sowie von 1,44 Hektolitern Schaumwein. Die Steuerbehörden erhoben auf diesen Wein Verbrauchsteuer in Höhe von 906,20 Euro (1 997 NLG). Herr Joustra machte beim Inspecteur van Belastingsdienst/Douane te Roosendaal (Inspekteur der Steuer- und Zollverwaltung Roosendaal, im Folgenden: Inspekteur) geltend, dass er diese Verbrauchsteuern nicht schulde. Seine Beschwerde wurde jedoch zurückgewiesen.

20     Der Gerechtshof te ’s‑Hertogenbosch, bei dem Herr Joustra Klage gegen die Entscheidung des Inspekteurs über die Zurückweisung dieser Beschwerde erhoben hatte, gab dem Antrag des Betroffenen mit Entscheidung vom 28. November 2002 statt und ordnete die Erstattung des als Verbrauchsteuern gezahlten Betrages an. Dieses Gericht ist der Auffassung, da Herr Joustra den bei sich zu Hause gelagerten Wein unbestritten nicht zu gewerblichen Zwecken im Besitz gehabt habe, sei der Schluss zu ziehen, dass er diesen nicht zu anderen Zwecken als seinem persönlichen Verbrauch im Sinne von Artikel 2c Absatz 2 des Verbrauchsteuergesetzes, durch den Artikel 9 der Richtlinie in nationales Recht umgesetzt worden sei, im Besitz gehabt habe und dass er folglich zur Zahlung der in Frage stehenden Verbrauchsteuern nicht verpflichtet gewesen sei.

21     Der Staatssecretaris van Financiën und Herr Joustra haben beim Hoge Raad der Nederlanden Kassationsbeschwerde bzw. Anschlusskassationsbeschwerde gegen die Entscheidung des Gerechtshof te ’s‑Hertogenbosch eingelegt.

22     In seiner Beschwerde vertritt der Staatssecretaris van Financiën die Auffassung, dass der Gerechtshof te ’s‑Hertogenbosch sich auf eine unzutreffende Auslegung des Begriffs „Besitz zu gewerblichen Zwecken“ in den Artikeln 7 und 9 der Richtlinie gestützt habe. Dieser Begriff schließe nur den Besitz von Waren, die Privatpersonen selbst transportiert hätten, für deren persönlichen Bedarf aus. In seiner Anschlussbeschwerde vertritt Herr Joustra die Ansicht, dass die Erhebung von Verbrauchsteuern auf den hier betroffenen Wein unter Artikel 8 der Richtlinie falle. Die Formulierung „die sie selbst befördern“ in dieser Vorschrift stehe deren Auslegung dahin nicht entgegen, dass eine Steuererhebung im Bestimmungsmitgliedstaat ausgeschlossen sei, wenn eine Privatperson selbst verbrauchsteuerpflichtige Waren in einem anderen Mitgliedstaat kaufe und sie von einem Dritten in ihrem Auftrag und für ihre Rechnung in den Bestimmungsmitgliedstaat befördern lasse.

23     Das vorlegende Gericht stellt fest, dass der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt anscheinend weder unter Artikel 8 noch unter die Artikel 7 und 9 der Richtlinie falle, es sei denn, man erkenne Artikel 8 eine weitergehende Wirkung zu, als es der Gerichtshof im Urteil vom 2. April 1998 in der Rechtssache C‑296/95 (EMU Tabac u. a., Slg. 1998, I‑1605), insbesondere in den Randnummern 33 und 37 dieses Urteils, getan habe, oder der Begriff „zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten werden“ in den Artikeln 7 und 9 der Richtlinie werde dahin ausgelegt, dass darunter auch der Sachverhalt falle, dass derjenige, bei dem die verbrauchsteuerpflichtigen Waren abgeliefert würden, um von dort an die Erwerber verteilt zu werden, seine Tätigkeit ausübe, ohne dabei gewerbsmäßig oder mit Gewinnerzielungsabsicht zu handeln. Im Urteil EMU Tabac u. a. sei es jedoch um einen Fall gegangen, in dem ein auf gewerblicher Grundlage handelnder Vermittler beim Erwerb der verbrauchsteuerpflichtigen Waren aufgetreten sei und zugleich auf Rechnung des Verkäufers für die Beförderung in den Bestimmungsmitgliedstaat gesorgt habe. So verhalte es sich aber hier nicht. Es stelle sich daher die Frage, ob sich nach dem Grundsatz des Binnenmarkts, wie er insbesondere in den Artikeln 14 EG und 93 EG niedergelegt sei, die Beurteilung, die der Gerichtshof in diesem Urteil vorgenommen habe, auf das Ausgangsverfahren übertragen lasse.

24     Der Hoge Raad der Nederlanden hat daraufhin beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Artikel 8 der Richtlinie dahin auszulegen, dass die Verbrauchsteuer nur im Erwerbsmitgliedstaat erhoben wird, wenn eine Privatperson in einem bestimmten Mitgliedstaat persönlich und für den Eigenbedarf verbrauchsteuerpflichtige Waren erwirbt und durch ein Beförderungsunternehmen in einen anderen Mitgliedstaat verbringen lässt?

2.      Ist Artikel 8 der Richtlinie dahin auszulegen, dass die Verbrauchsteuer nur im Erwerbsmitgliedstaat erhoben wird, wenn, wie im vorliegenden Fall, Privatpersonen verbrauchsteuerpflichtige Waren in einem bestimmten Mitgliedstaat durch eine andere, nicht gewerbsmäßig oder in Gewinnerzielungsabsicht auftretende Privatperson erwerben lassen, die die Waren für Rechnung der Erwerber durch ein Beförderungsunternehmen in einen anderen Mitgliedstaat verbringen lässt?

3.      Sind, falls diese Fragen (oder eine davon) verneint werden, die Artikel 7 und 9 der Richtlinie dahin auszulegen, dass eine Privatperson, wenn sie verbrauchsteuerpflichtige Waren, die in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, durch einen Dritten, der in ihrem Auftrag handelt, in einen anderen Mitgliedstaat verbringen lässt, wo sie für ihren Eigenbedarf oder für den persönlichen Bedarf Anderer, für die diese Privatperson zugleich auftritt, bestimmt sind, diese verbrauchsteuerpflichtigen Waren, und zwar sowohl die für ihren Eigenbedarf als auch die für den Eigenbedarf dieser anderen Privatpersonen bestimmten, in diesem anderen Mitgliedstaat zu gewerblichen Zwecken im Sinne der Artikel 7 und 9 der Richtlinie in Besitz hat, auch wenn sie nicht gewerbsmäßig oder in Gewinnerzielungsabsicht handelt?

4.      Wenn die dritte Frage verneint wird, folgt dann aus einer anderen Bestimmung der Richtlinie, dass die in Frage 3 genannte Privatperson in dem anderen Mitgliedstaat Verbrauchsteuer schuldet?

 Zu den Vorabentscheidungsfragen

25     Die Fragen des vorlegenden Gerichts, die zusammen zu prüfen sind, gehen im Wesentlichen dahin, ob die Richtlinie in dem Sinne auszulegen ist, ob dann, wenn eine Privatperson wie Herr Joustra, die nicht gewerbsmäßig tätig ist und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, in einem ersten Mitgliedstaat sowohl für ihren Eigenbedarf als auch für den Bedarf anderer Privatpersonen verbrauchsteuerpflichtige Waren, im vorliegenden Fall Wein, erwirbt, die in diesem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, und sie anschließend für ihre Rechnung von einem in einem zweiten Mitgliedstaat niedergelassenen Beförderungsunternehmen befördern lässt, Verbrauchsteuern auch in dem letztgenannten Staat geschuldet werden.

26     In diesem Zusammenhang geht, auch wenn einige Angaben in der Akte darauf hindeuten, dass Herr Joustra die Eigenschaft eines nicht registrierten Wirtschaftsteilnehmers besaß, eindeutig aus dem Wortlaut der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen hervor, dass diese von der Annahme ausgehen, dass der Betroffene eine solche Stellung nicht hatte. Die Fragen sind daher allein im Rahmen der allgemeinen Vorschriften der Richtlinie, insbesondere der Artikel 6 bis 10, zu beantworten und nicht anhand der speziellen Vorschriften, die die Richtlinie in Bezug auf nicht registrierte Wirtschaftsbeteiligte vorsieht.

27     Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, bezweckt die Richtlinie, in bestimmtem Umfang den Besitz, den Verkehr und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren zu regeln, und zwar insbesondere um zu gewährleisten, dass der Verbrauchsteueranspruch in allen Mitgliedstaaten unter gleichen Umständen gegeben ist (Urteil EMU Tabac u. a., Randnr. 22, Urteile vom 5. April 2001 in der Rechtssache C‑325/99, Van de Water, Slg. 2001, I‑2729, Randnr. 39, und vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C‑395/00, Cipriani, Slg. 2002, I‑11877, Randnr. 41).

28     Wie u. a. aus der fünften und der sechsten Begründungserwägung hervorgeht, trifft die Richtlinie eine Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen Zwecken dienenden Waren einerseits, die bei ihrer Beförderung von Dokumenten begleitet sein müssen, und persönlichen Zwecken dienenden Waren andererseits (vgl. in diesem Sinne Urteil EMU Tabac u. a., Randnrn. 23 und 24).

29     Wie aus der siebten Begründungserwägung der Richtlinie hervorgeht, sind daher für deren Anwendung die Waren, deren Besitz nicht persönlichen Zwecken dient, notwendigerweise als Waren anzusehen, deren Besitz kommerziellen Zwecken dient.

30     Was die letztgenannten Waren angeht, sieht Artikel 6 der Richtlinie zwar vor, dass die Verbrauchsteuer mit der Überführung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr in einem Mitgliedstaat entsteht, doch schließt dies nicht aus, dass Verbrauchsteuern gemäß den Artikeln 7, 9 oder 10 anschließend in einem anderen Mitgliedstaat erhoben werden, wobei die gegebenenfalls im ersten Mitgliedstaat entrichteten Verbrauchsteuern dann gemäß Artikel 7 Absatz 6 oder Artikel 10 Absatz 4 erstattet werden können. (vgl. in diesem Sinne Urteil EMU Tabac u. a., Randnr. 42).

31     Dagegen sieht Artikel 8 für Waren, deren Besitz persönlichen Zwecken dient, vor, dass die Verbrauchsteuern in dem Mitgliedstaat geschuldet werden, in dem die Waren erworben wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil EMU Tabac u. a., Randnr. 24).

32     Um zu bestimmen, ob Verbrauchsteuern auch im Bestimmungsmitgliedstaat erhoben werden können, ist im vorliegenden Fall daher zunächst zu prüfen, ob der vom vorlegenden Gericht in dessen Fragen beschriebene Sachverhalt unter Artikel 8 der Richtlinie fallen kann.

 Zur Anwendbarkeit des Artikels 8 der Richtlinie

33     Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, müssen für die Anwendung des Artikels 8 mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. So müssen die verbrauchsteuerpflichtigen Waren von „Privatpersonen für ihren Eigenbedarf“ erworben worden sein, und die Beförderung muss durch diese Privatpersonen „selbst“ erfolgen. Diese Voraussetzungen sollen die Feststellung des rein persönlichen Charakters des Besitzes von verbrauchsteuerpflichtigen Waren ermöglichen, die in einem Mitgliedstaat erworben und dann in einen anderen Mitgliedstaat befördert werden (vgl. in diesem Sinne Urteil EMU Tabac u. a., Randnrn. 25 und 26).

34     Da im Ausgangsverfahren unstreitig ist, dass die verbrauchsteuerpflichtigen Waren von einer Privatperson erworben worden sind, ist zu prüfen, ob auch die beiden anderen Voraussetzungen, die Artikel 8 der Richtlinie aufstellt, erfüllt sind.

35     Was die erste Voraussetzung angeht, geht schon aus dem Wortlaut des Artikels 8 der Richtlinie ganz klar hervor, dass dieser verlangt, dass die Waren dazu bestimmt sein müssen, den persönlichen Bedarf der Privatperson, die sie erworben hat, zu decken, und dass sie daher Waren ausschließt, die von einer Privatperson erworben werden, um den Bedarf anderer Privatpersonen zu decken. Der Besitz der letztgenannten Waren kann nämlich nicht als ein Besitz angesehen werden, der für die Privatperson, die diese Waren erworben hat, rein persönlichen Charakter hat.

36     Daraus folgt, dass dann, wenn verbrauchsteuerpflichtige Waren – wie im Ausgangsverfahren – von einer Privatperson nicht nur für den Eigenbedarf, sondern auch für den Bedarf anderer Privatpersonen erworben werden, nur der erste Teil dieser Erwerbe unter Artikel 8 der Richtlinie fallen kann.

37     Was die zweite Voraussetzung angeht, ergibt sich ebenfalls aus der Formulierung „die sie selbst befördern“ in Artikel 8 der Richtlinie, dass die Anwendung dieser Vorschrift verlangt, dass die betreffenden Waren von der Privatperson, die sie erworben hat, persönlich befördert worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil EMU Tabac u. a., Randnr. 33).

38     Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften macht jedoch geltend, um in einer Rechtssache wie der des Ausgangsverfahrens den in Artikel 8 der Richtlinie genannten Grundsatz des Binnenmarkts zu wahren, dürfe diese Voraussetzung nicht dahin ausgelegt werden, dass sie notwendigerweise bedeute, dass die Privatperson die verbrauchsteuerpflichtigen Waren selbst begleiten müsse. Durch diese Voraussetzung solle nämlich lediglich festgelegt werden, dass der Besitz der verbrauchsteuerpflichtigen Waren rein persönlich sein müsse. Wenn eine Privatperson sich dazu entschließe, einen Dritten mit der Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren zu betrauen und wenn er diese Beförderung so organisiere, als würde er sie selbst durchführen – wie Herr Joustra im Ausgangsverfahren –, so lasse sich ebenso gut nachprüfen, dass der Besitz der Waren rein persönlich sei. Die vorliegende Rechtssache unterscheide sich daher von der Rechtssache, die zum Urteil EMU Tabac u. a. geführt habe. Im Übrigen verfügten die Mitgliedstaaten bei Missbräuchen über die Möglichkeit, die Anwendung des Artikels 8 der Richtlinie abzulehnen.

39     In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber – wie der Gerichtshof in Randnummer 32 des Urteils EMU Tabac u. a. entschieden hat – wenn er im Rahmen der Richtlinie das Tätigwerden eines Dritten hätte vorsehen wollen, dies ausdrücklich durch eine entsprechende Formulierung getan hätte. So verhält es sich bei Artikel 9 Absatz 3 und Artikel 10 Absatz 1.

40     Darüber hinaus hat der Gerichtshof in Randnummer 33 desselben Urteils auch festgestellt, dass in Artikel 8 keine der Sprachfassungen ausdrücklich ein solches Tätigwerden vorsieht; im Gegenteil lassen die dänische und die griechische Fassung besonders deutlich hervortreten, dass die Verbrauchsteuern nur dann im Erwerbsstaat geschuldet werden, wenn die Beförderung durch den Erwerber der verbrauchsteuerpflichtigen Waren persönlich erfolgt.

41     Demzufolge hat der Gerichtshof in Anbetracht des unmissverständlichen Wortlauts des Artikels 8 der Richtlinie in den Randnummern 37 und 40 dieses Urteils bereits entschieden, dass diese Vorschrift nicht anwendbar ist, wenn der Erwerb und/oder die Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren über einen Agenten erfolgt, da der Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen dieser Vorschrift niemals das Tätigwerden eines Agenten vorsehen wollte.

42     Zwar hat der Gerichtshof, wie die Kommission vorgetragen hat, in Randnummer 48 des Urteils EMU Tabac u. a. festgestellt, dass der Kauf und die Beförderung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in jener Rechtssache durch einen Agenten erfolgten, der nicht auf Betreiben der Privatpersonen tätig wurde, sondern von diesen Bestellungen entgegennahm, um sie dann ausschließlich bei dem Verkäufer aufzugeben, mit dem er ein und dieselbe wirtschaftliche Einheit bildete. Diese Erwägung hat den Gerichtshof jedoch lediglich zu der Feststellung veranlasst, dass die Waren, um die es in jener Rechtssache ging, im Sinne von Artikel 10 der Richtlinie vom Verkäufer oder auf dessen Gefahr direkt oder indirekt versandt oder befördert worden waren. Für die Anwendung des Artikels 8 der Richtlinie ist diese Erwägung dagegen unerheblich.

43     Im Übrigen ist unabhängig davon, ob die Initiative für die Beförderung von der Privatperson ausgeht, festzustellen, dass der Umstand, dass die verbrauchsteuerpflichtigen Waren von einem Beförderungsunternehmen in einen anderen Mitgliedstaat verbracht werden, was die Verbringung von Warenmengen erleichtert, die erheblich über den Eigenbedarf der Privatperson hinausgehen, die den Erwerb der Waren getätigt hat, als solcher für den Nachweis ausreicht, dass der Besitz der Waren den in Artikel 8 der Richtlinie vorgeschriebenen rein persönlichen Charakter nicht aufweist. In diesem Zusammenhang ist zudem festzustellen, dass nach Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie sowohl die verwendete Beförderungsart als auch die beförderten Mengen maßgebliche Gesichtspunkte für die Feststellung darstellen, ob der Besitz der in Artikel 8 genannten Waren gewerblichen Zwecken dient und daher keinen persönlichen Charakter aufweist.

44     Diese Auslegung ist umso mehr geboten, als sich aus der Anwendbarkeit von Artikel 8 der Richtlinie auch in dem Fall, dass die Beförderung nicht persönlich durch die Privatperson erfolgt, für die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ein erhöhtes Betrugsrisiko ergeben würde, da für die Beförderung von unter diese Vorschrift fallenden Waren kein Dokument erforderlich ist.

45     Die Kommission macht jedoch geltend, dass eine solche Auslegung des Artikels 8 für die Bürger der Europäischen Union insoweit einen Rückschritt gegenüber der vor dem Inkrafttreten der Richtlinie bestehenden Sachlage darstellen würde, als nach den zu dieser Zeit geltenden Rechtsvorschriften im Rahmen eines Umzugs in einen anderen Mitgliedstaat eingeführte persönliche Gegenstände und Kleinsendungen nicht kommerzieller Art von einer Privatperson an eine andere Privatperson im Einfuhrmitgliedstaat von Verbrauchsteuern befreit gewesen seien.

46     In diesem Zusammenhang genügt jedoch die Feststellung, dass es dann, wenn – wie die Kommission im Übrigen einräumt – Artikel 8 der Richtlinie in diesem Punkt eine Lücke aufweist, Sache des Gemeinschaftsgesetzgebers ist, gegebenenfalls dadurch Abhilfe zu schaffen, dass er die erforderlichen Maßnahmen zur Änderung dieser Vorschrift erlässt, was zudem dadurch bestätigt wird, dass ein Vorschlag für eine Änderung der Richtlinie dem Rat der Europäischen Union von der Kommission u. a. in der Absicht vorgelegt worden ist, die Anwendung des Artikels 8 der Richtlinie auf Waren auszudehnen, die für die Rechnung von Privatpersonen befördert werden.

47     Daraus folgt, dass – wie alle Regierungen, die Erklärungen eingereicht haben, geltend gemacht haben – Artikel 8 der Richtlinie keine Anwendung findet, wenn – wie im Ausgangsverfahren – die verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die eine Privatperson, sei es auch für seinen Eigenbedarf, in einem ersten Mitgliedstaat erworben hat, in einen zweiten Mitgliedstaat nicht von der Privatperson selbst, sondern von einem für deren Rechnung tätigen Beförderungsunternehmen verbracht werden.

 Zur Anwendbarkeit der Artikel 7, 9 und 10 der Richtlinie

48     Da Artikel 8 der Richtlinie auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar ist, kann dieser unter die Artikel 7, 9 oder 10 der Richtlinie fallen.

49     Wie aus Randnummer 42 dieses Urteils hervorgeht, kann Artikel 10 der Richtlinie, der von Privatpersonen erworbene Waren erfasst, die vom Verkäufer oder auf dessen Gefahr direkt oder indirekt versandt oder befördert werden, jedoch dann keine Anwendung finden, wenn die Initiative für die Beförderung nicht vom Verkäufer, sondern von der Privatperson ausgeht, die die verbrauchsteuerpflichtigen Waren erworben hat (Urteil EMU Tabac u. a., Randnrn. 48 und 49).

50     Was Artikel 9 der Richtlinie betrifft, geht aus Artikel 9 Absatz 2 hervor, dass diese Vorschrift für die in Artikel 8 der Richtlinie genannten Waren gilt, d. h. Waren, die eine Privatperson für ihren eigenen Bedarf erwirbt und die sie selbst befördert. Da sich aus dem Vorstehenden ergibt, dass die letztgenannte Vorschrift den Sachverhalt, um den es im Ausgangsverfahren geht, nicht erfasst, ist auch Artikel 9 als solcher auf diesen Sachverhalt nicht anwendbar.

51     Dagegen kann Artikel 7 der Richtlinie auf das Ausgangsverfahren Anwendung finden, da Artikel 7 Absatz 2 den Fall erfasst, dass Waren innerhalb eines anderen Mitgliedstaats geliefert, oder zur Lieferung innerhalb eines anderen Mitgliedstaats bestimmt oder für den Bedarf eines Wirtschaftsbeteiligten, der eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, bereitgestellt werden. Dies ist aber bei einer Privatperson der Fall, die, wie in der vorliegenden Rechtssache, keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, da die Verbringung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren auf Betreiben eines auf eigene Rechnung tätigen Wirtschaftsbeteiligten erfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteil EMU Tabac u. a., Randnr. 52). Wie sich aus Randnummer 29 des vorliegenden Urteils ergibt, beruht die Richtlinie nämlich auf dem Gedanken, dass Waren, deren Besitz nicht persönlichen Zwecken dient, notwendigerweise als Waren anzusehen sind, deren Besitz gewerblichen Zwecken dient.

52     Werden Verbrauchsteuern gemäß Artikel 7 der Richtlinie in dem Mitgliedstaat erhoben, in dem die Waren sich zu gewerblichen Zwecken befinden, während sie in einem ersten Mitgliedstaat bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, so wird die im erstgenannten Staat entrichtete Verbrauchsteuer gemäß Artikel 7 Absatz 6 nach den Bestimmungen des Artikels 22 Absatz 3 rückerstattet.

53     Auf die Vorabentscheidungsfragen ist folglich zu antworten, dass die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass dann, wenn – wie im Ausgangsverfahren – eine Privatperson, die nicht gewerblich tätig wird und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, in einem ersten Mitgliedstaat für ihren Eigenbedarf und für den Bedarf anderer Privatpersonen verbrauchsteuerpflichtige Waren erwirbt, die in diesem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, und sie für ihre Rechnung in einen zweiten Mitgliedstaat durch ein in diesem zweiten Staat niedergelassenes Beförderungsunternehmen verbringen lässt, Artikel 7 der Richtlinie und nicht deren Artikel 8 anwendbar ist, so dass Verbrauchsteuern auch in diesem Staat erhoben werden. Gemäß Artikel 7 Absatz 6 der Richtlinie wird die im erstgenannten Staat entrichtete Verbrauchsteuer in einem solchen Fall nach den Bestimmungen des Artikels 22 Absatz 3 der Richtlinie rückerstattet.

 Kosten

54     Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren in der durch die Richtlinie 92/108/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass dann, wenn – wie im Ausgangsverfahren – eine Privatperson, die nicht gewerblich tätig wird und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, in einem ersten Mitgliedstaat für ihren Eigenbedarf und für den Bedarf anderer Privatpersonen verbrauchsteuerpflichtige Waren erwirbt, die in diesem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, und sie für ihre Rechnung in einen zweiten Mitgliedstaat durch ein in diesem zweiten Staat niedergelassenes Beförderungsunternehmen verbringen lässt, Artikel 7 der Richtlinie und nicht deren Artikel 8 anwendbar ist, so dass Verbrauchsteuern auch in diesem Staat erhoben werden. Gemäß Artikel 7 Absatz 6 der Richtlinie wird die im erstgenannten Staat entrichtete Verbrauchsteuer in einem solchen Fall nach den Bestimmungen des Artikels 22 Absatz 3 der Richtlinie rückerstattet.

Unterschriften.


* Verfahrenssprache: Niederländisch.