SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
PAOLO MENGOZZI
vom 7. Juni 20071(1)
Rechtssache C‑379/05
Amurta S.G.P.S.
gegen
Inspecteur van de Belastingdienst
(Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof te Amsterdam [Niederlande])
„Freier Kapitalverkehr – Körperschaftsteuer – Dividendenausschüttung – Steuerbefreiung für Dividendenausschüttungen an gebietsansässige Gesellschaften – Quellensteuer auf Dividenden, die an gebietsfremde Gesellschaften ausgeschüttet wurden – Doppelbesteuerungsabkommen – Möglichkeit, den einbehaltenen Betrag auf eine in einem anderen Mitgliedstaat geschuldete Steuer anzurechnen“
1. Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen ersucht der Gerechtshof te Amsterdam (Berufungsgericht von Amsterdam, Niederlande) den Gerichtshof im Wesentlichen um eine Klärung der Frage, ob eine innerstaatliche Regelung wie die niederländische, die Dividendenausschüttungen von Gesellschaften, die in den Niederlanden ansässig sind, an Gesellschaften, die in den Niederlanden ansässig sind oder dort über eine feste Niederlassung verfügen, von der Quellensteuer befreit, während sie Dividendenausschüttungen an gebietsfremde Gesellschaften dieser Art der Besteuerung unterwirft, im Widerspruch zu den Art. 56 EG und 58 EG steht.
I – Rechtlicher Rahmen
A – Das maßgebliche Gemeinschaftsrecht
2. Art. 56 Abs. 1 EG lautet:
„(1) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.“
3. In Art. 58 EG hingegen heißt es, soweit hier von Belang:
„(1) Artikel 56 berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten,
a) die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln;
…
(3) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen und Verfahren dürfen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital‑ und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 56 darstellen.“
4. Die Richtlinie 90/435 befreit Dividendenausschüttungen einer Tochtergesellschaft an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft von der Quellensteuer, wenn Letztere eine Mindestbeteiligung von 25 % am Kapital der Tochtergesellschaft hält(2).
B – Nationales Recht
5. Art. 1 Abs. 1 der Wet op de dividendbelasting 1965 (Gesetz über die Dividendensteuer 1965, im Folgenden: Wet DB 1965) sieht vor, dass Dividendenausschüttungen von Gesellschaften, die in den Niederlanden ansässig sind und deren Kapital vollständig oder teilweise in Aktien zerlegt ist, grundsätzlich zu einem Steuersatz von 25 % zu besteuern sind.
6. Art. 4 der Wet DB 1965 jedoch lautet, soweit er hier von Bedeutung ist:
„Von der Einbehaltung der Steuer kann abgesehen werden bei Erträgen aus Anteilen …, wenn die Freistellung von Beteiligungen im Sinne von § 13 der Wet op de vennootschapsbelasting 1969 [Gesetz über die Körperschaftsteuer 1969; im Folgenden: Wet Vpb 1969] für die Gewinne des Ertragsberechtigten aus diesen Anteilen, Genussscheinen und Schuldverschreibungen gilt und die Beteiligung zum Vermögen seines in den Niederlanden betriebenen Unternehmens gehört. Satz 1 gilt nicht für Erträge, bei denen der Ertragsberechtigte nicht der Letztberechtigte ist.“(3)
7. Darüber hinaus sieht der nach dem Erlass der Richtlinie 90/435 eingeführte Art. 4 der Wet DB 1965 eine Steuerbefreiung für Dividenden vor, wenn diese an in der EU ansässige Anteilseigner, die ein Aktienpaket in Höhe von mindestens 25 % des Kapitals einer niederländischen Gesellschaft halten, ausgeschüttet werden.
8. Diese Steuerbefreiung wird auf in der EU ansässige Anteilseigner, die ein Aktienpaket in Höhe von mindestens 10 % halten, erweitert, wenn auch der Mitgliedstaat, in dem der Anteilseigner ansässig ist, auf Aktienbeteiligungen in dieser Höhe eine Steuerbefreiung gewährt(4).
9. Der oben zitierte Art. 13 der Wet Vpb 1969 sieht vor, dass grundsätzlich eine Beteiligung vorliegt, wenn der Steuerpflichtige mindestens 5 % des eingezahlten Kapitals einer Gesellschaft hält, deren Kapital ganz oder zum Teil in Aktien zerlegt ist(5).
C – Das Steuerabkommen zwischen den Niederlanden und Portugal
10. Art. 10 des Abkommens vom 20. September 1999 von Porto zwischen Portugal und den Niederlanden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung im Bereich der Einkommen‑ und Vermögensteuer (im Folgenden: DBA) sieht vor, dass Dividendenausschüttungen von Gesellschaften mit Sitz in einem der Vertragsstaaten an Anteilseigner, die in einem anderen Staat ansässig sind, grundsätzlich bei Letzteren zu besteuern sind.
11. Diese Dividenden können jedoch auch in dem Staat, in dem die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz hat, besteuert werden. In diesem Fall darf die erhobene Steuer 10 % der Bruttodividenden nicht übersteigen.
12. Art. 24 des DBA sieht zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vor, dass Portugal die Steuern, die in den Niederlanden auf niederländische Dividendenausschüttungen an in Portugal Ansässige erhoben wurden, bis zur Höhe des Steuerbetrags, der andernfalls in Portugal auf diese Dividenden zu entrichten gewesen wäre, abzieht.
II – Sachverhalt, Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof
13. Zur maßgebenden Zeit hielt die Amurta S.G.P.S., eine Gesellschaft mit Sitz in Portugal (im Folgenden: Amurta), 14 % des Kapitals von Retailbox BV (im Folgenden: Retailbox), einer Gesellschaft, deren weitere Anteilseigner die ebenfalls niederländische Gesellschaft Sonaetelecom BV mit 66 % sowie die Gesellschaften Tafin S.G.P.S. mit 14 % und S.G.P.S. mit 6 %, beide mit Sitz in Portugal, waren.
14. Am 31. Dezember 2002 schüttete Retailbox seinen Anteilseignern Dividenden aus, auf die es eine Quellensteuer in Höhe von 25 % einbehielt. Hiervon ausgenommen war die an die Sonaetelecom BV ausgeschüttete Dividende, von der unter Anwendung der Steuerbefreiung gemäß Art. 4 der Wet DB 1965 kein Quellensteuerabzug vorgenommen wurde.
15. Im Namen von Amurta legte Retailbox am 30. Januar 2003 gegen den Abzug der Steuer auf die an Amurta ausgeschüttete Dividende Einspruch beim Inspecteur van de Belastingdienst Amsterdam (im Folgenden: Inspecteur) ein. Der Einspruch gegen den Abzug wurde durch Beschluss des Inspecteurs zurückgewiesen
16. Amurta legte Berufung beim Gerechtshof te Amsterdam ein, um die Aufhebung dieses Beschlusses und die Erstattung der von den Dividenden abgezogenen Steuer zu erreichen.
17. Aufgrund von Zweifeln an der Vereinbarkeit der niederländischen Regelung mit den Art. 56 EG und 58 EG beschloss das vorlegende Gericht, das bei ihm anhängige Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Vorabentscheidungsfragen vorzulegen:
1. Ist die Steuerbefreiung nach § 4 der Wet DB 1965, wie sie in … dieser Entscheidung beschrieben ist, in Verbindung mit der Freistellung gemäß § 4a dieses Gesetzes mit den Bestimmungen des EG‑Vertrags über den freien Kapitalverkehr (Artikel 73b bis 73d EG‑Vertrag, jetzt Artikel 56 EG bis 58 EG) vereinbar, obwohl diese Steuerbefreiung nur für Dividendenausschüttungen an in den Niederlanden körperschaftsteuerpflichtige Anteilseigner oder an ausländische Anteilseigner mit einer festen Niederlassung in den Niederlanden – wobei die Anteile zum Vermögen dieser festen Niederlassung gehören – gilt, auf die die Steuerbefreiung für Beteiligungen nach § 13 der Wet Vpb 1969 anwendbar ist?
2. Ist es für die Antwort auf die unter 1. gestellte Frage von Bedeutung, ob der Sitzstaat der ausländischen Beteiligungsgesellschaft, für die die Freistellung nach § 4 der Wet DB 1965 nicht gilt, dieser Beteiligungsgesellschaft eine Vollanrechnung (Full Credit) für die niederländische Dividendensteuer gewährt?
18. Nach Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs haben Amurta, die Kommission und die EFTA-Überwachungsbehörde sowie die niederländische, die britische und die italienische Regierung schriftliche Erklärungen abgegeben. In der mündlichen Verhandlung waren Amurta, die Kommission und die EFTA-Überwachungsbehörde sowie die niederländische, die deutsche und die britische Regierung vertreten.
III – Rechtliche Prüfung
19. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die zu prüfende Regelung den Bereich der direkten Steuern betrifft. Bekanntlich fällt die direkte Besteuerung zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch findet ihre Ausübung nach ständiger Rechtsprechung ihre Grenzen in der Einhaltung der gemeinschaftlichen Grundsätze, zu denen die Grundfreiheiten gehören, auf denen die Errichtung und der Fortbestand des Binnenmarkts beruhen(6).
20. Im vorliegenden Fall ist die betroffene nationale Regelung im Licht der Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr zu prüfen, da es sich um Regelungen handelt, die die Besteuerung von Dividendenausschüttungen an Gesellschaften betreffen, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem, an dem sich der Sitz der ausschüttenden Gesellschaft befindet, ansässig sind, bzw. um Bestimmungen, die, wie das Gericht ausgeführt hat, Geschäfte betreffen, die in unauflöslichem Zusammenhang mit Kapitalbewegungen stehen(7).
A – Die erste Frage
21. Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die fragliche Regelung, die Dividendenausschüttungen einer niederländischen Gesellschaft an Gesellschaften, die nicht über einen Sitz oder über eine feste Niederlassung in den Niederlanden verfügen, der Quellensteuer unterwirft, im Widerspruch zum freien Kapitalverkehr steht(8).
22. Vor der Befassung mit der zu klärenden Frage selbst sind einige Überlegungen allgemeiner Art anzustellen, die die Besteuerungsmodalitäten betreffen, denen Gewinnausschüttungen von Gesellschaften unterliegen(9).
23. Gewinnausschüttungen von Gesellschaften, die in Form von Dividenden erfolgen, werden im Allgemeinen auf zwei Ebenen besteuert, zunächst als Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft, auf die die Körperschaftsteuer zugreift und dann auf der Ebene des Anteilseigners. Die auf der zweiten Stufe vorgenommene Besteuerung kann auf zwei Arten erfolgen: einmal durch die Besteuerung des Einkommens des die Dividenden erhaltenden Anteilseigners und/oder durch die Einbehaltung der Quellensteuer durch die ausschüttende Gesellschaft im Namen des Anteilseigners zum Zeitpunkt der Dividendenausschüttung.
24. Das Bestehen zweier potenzieller Besteuerungsebenen kann einerseits zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung bzw. einer mehrfachen Belastung (Doppelbesteuerung ein und desselben Einkommens zu Lasten zweier verschiedener Steuerpflichtiger) oder andererseits zu einer rechtlichen Doppelbesteuerung (Doppelbesteuerung desselben Einkommens ein und desselben Steuerpflichtigen in zwei verschiedenen Staaten) führen. So kommt es beispielsweise zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung bzw. einer mehrfachen Belastung, wenn zunächst die Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft im Rahmen der Körperschaftsteuer besteuert werden und dann auf Ebene des Anteilseigners Einkommensteuer auf die in Form von Dividenden ausgeschütteten Gewinne erhoben wird. Zu einer rechtlichen Doppelbesteuerung kommt es hingegen, wenn der Anteilseigner zur Zahlung zunächst von Quellensteuer auf die an ihn ausgeschütteten Dividenden und dann von Steuer auf das in einem anderen Staat erzielte Einkommen verpflichtet ist.
25. Zum vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass Zweck der niederländischen Regelung die Vermeidung einer mehrfachen Belastung von Gesellschaftsgewinnen ist, die in Form von Dividenden ausgeschüttet werden. So sieht Art. 4 der Wet DB 1965 in Verbindung mit Art. 13 der Wet Vpb 1969 die Befreiung von der 25%igen Quellensteuer vor, wenn die Dividenden von einer niederländischen Gesellschaft an Beteiligungsgesellschaften ausgeschüttet wurden, die eine Beteiligung von mindestens 5 % halten und über einen Sitz oder eine feste Niederlassung in den Niederlanden verfügen. Für nicht in den Niederlanden ansässige Gesellschaften gilt die Befreiung von der Quellensteuer auf Dividendenausschüttungen niederländischer Gesellschaften nur, wenn ihre Kapitalbeteiligung mindestens 25 % beträgt (Art. 4a der Wet DB 1965).
26. Hieraus ergibt sich, dass diese Regelung Gesellschaften, die nicht in den Niederlanden ansässig sind und eine Beteiligung zwischen 5 % und 25 % halten, gegenüber niederländischen Gesellschaften, die über eine gleich hohe Beteiligung verfügen und die anders als nicht in den Niederlanden ansässige Gesellschaften in den Genuss einer vollständigen Befreiung von der Quellenbesteuerung von Dividendenausschüttungen kommen, im Bereich der Dividendensteuer benachteiligt.
27. Es ist folglich zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung im Widerspruch zu den Grundsätzen des freien Kapitalverkehrs steht(10).
28. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 56 Abs. 1 EG ein Verbot aller Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten enthält, wobei unter Beschränkungen alle Maßnahmen zu verstehen sind, die den grenzüberschreitenden Kapitaltransfer erschweren oder weniger attraktiv machen und daher geeignet sind, Investoren davon abzuhalten – es sei denn, es greift einer der beiden Rechtfertigungsgründe des Art. 58 EG(11).
29. Insbesondere Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, „die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln“.
30. Diese in Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG vorgesehene Ausnahme von der Anwendung des Art. 56 Abs. 1 EG wird jedoch durch Art. 58 Abs. 3 EG eingeschränkt, der vorsieht, dass die Maßnahmen und Verfahren von Abs. 1 weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital‑ und Zahlungsverkehrs darstellen dürfen.
31. Außerdem hat der Gerichtshof mit seiner Feststellung, dass er die in Art. 73d Abs. 3 EG (jetzt Art. 58 Abs. 1 EG) vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz des freien Kapitalverkehrs bereits vor dem Inkraftreten dieser Regelung in seinen Urteilen zugelassen hat, klargestellt, dass diese Regelung die normative Kodifizierung eines Grundprinzips darstellt, das – noch vor Einführung der entsprechenden Norm – auch unter Bezugnahme auf andere Grundfreiheiten Eingang in die Rechtsprechung gefunden hatte. Diese Norm ist daher auch im Licht dieser Rechtsprechung auszulegen(12).
32. Hieraus ergibt sich, dass die Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. a ihre Grenzen nicht nur in den in Abs. 3 niedergelegten Grundsätzen finden, sondern sich auch innerhalb der von der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Grenzen halten müssen.
33. Zu nationalem Steuerrecht, wie es hier in Rede steht, das im Rahmen der Dividendenbesteuerung eine Unterscheidung nach dem Anteilseigner, an den die Dividenden ausgeschüttet werden, vornimmt, hat der Gerichtshof festgestellt, dass diese Steuersysteme mit den Bestimmungen des Vertrags über den freien Kapitalverkehr nur dann vereinbar sind, wenn die unterschiedliche Behandlung Sachverhalte betrifft, die objektiv nicht miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Das zur Erreichung des verfolgten Ziels Notwendige darf jedoch nicht überschritten werden(13).
1. Vergleichbarer Sachverhalt
34. Wie oben dargelegt, behandeln die innerstaatlichen Vorschriften die von niederländischen Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden unterschiedlich je nachdem, ob sie an in den Niederlanden ansässige oder an gebietsfremde Gesellschaften ausgeschüttet wurden(14).
35. Der Gerichtshof hat in Bezug auf die direkten Steuern festgestellt, dass eine Ungleichbehandlung aufgrund des Wohnsitzes nicht per se diskriminierend ist, da dieses Kriterium grundsätzlich auf einen Zusammenhang zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Herkunftsland abstellt und daher eine unterschiedliche steuerliche Behandlung rechtfertigen kann(15).
36. Der Gerichtshof hat zudem weiter ausgeführt, dass in Fällen, in denen Gebietsfremden ein bestimmter Steuervorteil verweigert wird, die Ungleichbehandlung zwischen diesen beiden Kategorien von Steuerpflichtigen als eine Diskriminierung im Sinne des Vertrags eingestuft werden kann, wenn zwischen den jeweiligen Sachverhalten kein objektiver Unterschied besteht, der geeignet wäre, eine Ungleichbehandlung der beiden Kategorien von Steuerpflichtigen zu rechtfertigen(16).
37. Folgt man der Argumentation des Gerichtshofs, könnte eine Ungleichbehandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden vorliegen, wenn sich die beiden Kategorien von Steuerpflichtigen trotz der Tatsache, dass sie in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind, in einer – in Bezug auf Inhalt und Gegenstand der maßgeblichen nationalen Vorschriften – vergleichbaren Situation befinden(17).
38. Daher ist festzustellen, ob sich die Situation von in den Niederlanden ansässigen Beteiligungsgesellschaften im Hinblick auf die Funktion der strittigen Regelung objektiv von der Situation gebietsfremder Beteiligungsgesellschaften unterscheidet, wenn an beide Dividenden eines mit ihnen verbundenen niederländischen Unternehmens ausgeschüttet werden.
39. Zweck der fraglichen Regelung ist die Beseitigung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Gewinnausschüttungen niederländischer Gesellschaften.
40. Der Gerichtshof hat dazu festgestellt, dass sich gebietsansässige Anteilseigner, die Dividendenausschüttungen beziehen, in Bezug auf staatliche Maßnahmen zur Vermeidung oder Reduzierung einer mehrfachen Belastung oder einer Doppelbesteuerung von Gewinnausschüttungen einer gebietsansässigen Gesellschaft nicht unbedingt in einer Situation befinden, die mit der von Anteilseignern, an die Dividenden ausgeschüttet werden und die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, vergleichbar ist(18).
41. Wie der Gerichtshof festgestellt hat, handelt der Sitzstaat einer ausschüttenden Gesellschaft gegenüber dem gebietsfremden Anteilseigner im Allgemeinen als „Quellenstaat“, der eine auf die im eigenen Staatsgebiet erzielten Einkünfte des Gebietsfremden beschränkte Besteuerungsbefugnis ausübt. Würde man von einem solchen Staat verlangen, für die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung oder der mehrfachen Belastung von Gewinnausschüttungen an gebietsfremde Anteilseigner zu sorgen, würde dies einem Verzicht dieses Staates auf sein Recht zur Besteuerung von Einkünften, die aus in seinem Staatsgebiet ausgeübten wirtschaftlichen Aktivitäten erzielt wurden, gleichkommen(19). In der Regel befindet sich jedoch der Sitzstaat des Anteilseigners in einer besseren Position, was die Gewährung von Steuervorteilen an diesen zur Reduzierung oder Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung oder der mehrfachen Belastung betrifft. So ist im Fall eines Anteilseigners, bei dem es sich um eine natürliche Person handelt, der Sitzstaat am besten in der Lage, dessen steuerliche Leistungsfähigkeit zu beurteilen(20). In Bezug auf Dividendenausschüttungen an Gesellschaften gibt Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 dem Mitgliedstaat der Muttergesellschaft, die Gewinnausschüttungen einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft erhält, auf, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nicht jedoch dem anderen Mitgliedstaat. Diese Richtlinie überlässt in diesem Zusammenhang dem Staat der Muttergesellschaft die Entscheidung, ob er eine Besteuerung dieser Gewinne unterlässt oder ob er eine Besteuerung vornimmt und der Muttergesellschaft gleichzeitig das Recht gewährt, den auf diese Gewinne entfallenden anteiligen Steuerbetrag der Tochtergesellschaft und gegebenenfalls die im Sitzstaat der Tochtergesellschaft erhobene Quellensteuer auf die von ihr zu zahlenden Steuern abzuziehen(21).
42. Zu diesem Punkt hat der Gerichtshof jedoch Folgendes ausgeführt: „Wenn jedoch ein Mitgliedstaat nicht nur die gebietsansässigen, sondern auch die gebietsfremden Anteilseigner hinsichtlich der Dividenden, die sie von einer gebietsansässigen Gesellschaft beziehen, einseitig oder im Wege eines Abkommens der Einkommensteuer unterwirft, nähert sich die Situation dieser gebietsfremden Anteilseigner derjenigen der gebietsansässigen Anteilseigner an.“(22)
43. So übt in dieser Konstellation der Sitzstaat der ausschüttenden Gesellschaft, wenn auch im Rahmen seiner Zuständigkeit als Quellenstaat, gegenüber den gebietsfremden Anteilseignern eine Besteuerungsbefugnis aus, die sich nicht von der gegenüber den Gebietsansässigen ausgeübten Steuerhoheit unterscheidet, und nimmt so im Rahmen der ausschließlichen Ausübung seiner Steuerhoheit eine doppelte Besteuerung beider Kategorien von Steuerpflichtigen vor.
44. Bei einer Vergleichbarkeit der Situation der gebietsansässigen und gebietsfremden Anteilseigner ist der Quellenstaat verpflichtet, Gebietsfremden Steuervorteile zu gewähren, die den den Gebietsansässigen gewährten Steuervorteilen entsprechen, wenn die Ausübung seiner Steuerhoheit zu einer doppelten Besteuerung der Gebietsfremden führt, die mit der die Gebietsansässigen treffenden vergleichbar ist.
45. Beschließt also der Quellenstaat wie im vorliegenden Fall, die Gebietsansässigen von der inländischen Doppelbesteuerung zu befreien, indem er sie von der Quellensteuer auf Dividendenausschüttungen niederländischer Gesellschaften befreit, muss er diese Steuerbefreiung auf Gebietsfremde ausweiten, soweit sie ebenfalls von dieser inländischen Doppelbesteuerung betroffen sind, die aus der Ausübung seiner diesen gegenüber bestehenden Steuerhoheit resultiert.
46. Aus der bisherigen Prüfung ergibt sich, dass die fragliche Regelung eine willkürliche Verletzung der Art. 56 EG und 58 EG beinhaltet, da sie keine Befreiung von der Quellensteuer auf Dividenden, die an nicht in den Niederlanden ansässige Anteilseigner ausgeschüttet wurden, vorsieht, wohl aber von Dividendenausschüttungen an gebietsansässige Anteilseigner(23).
47. Die italienische und die britische Regierung vertreten jedoch die Auffassung, dass die durch die strittige Regelung vorgenommene Ungleichbehandlung zulasten von Gebietsfremden lediglich Folge der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Niederlanden und Portugal sei.
48. Dieser Punkt bedarf einiger Anmerkungen.
49. Art. 220 zweiter Gedankenstrich des EG-Vertrags (jetzt Art. 293 zweiter Gedankenstrich EG) lautet: „Soweit erforderlich, leiten die Mitgliedstaaten untereinander Verhandlungen ein, um zugunsten ihrer Staatsangehörigen Folgendes sicherzustellen: … die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft“.
50. Diese Vorschrift hat Programmcharakter und wurde noch nicht umgesetzt. Das Gemeinschaftsrecht enthält bei seinem heutigen Stand keine allgemeinen Kriterien für die Aufteilung der Befugnisse im Rahmen der Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft zwischen den Mitgliedstaaten. So wurden auf EU-Ebene abgesehen von der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter‑ und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten(24), dem Übereinkommen 90/436/EWG vom 23. Juli 1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen(25) und der Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen(26), die auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden, weder Vereinheitlichungs‑ oder Harmonisierungsmaßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung getroffen, noch haben die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck ein multilaterales Abkommen im Sinne von Art. 220 zweiter Gedankenstrich des EG-Vertrags geschlossen(27).
51. Hieraus folgt, dass die Mitgliedstaaten – in Ermangelung von Vereinheitlichungs‑ und Harmonisierungsmaßnahmen – für die Festlegung von Einkommenbesteuerungskriterien, deren Ziel die Beseitigung der Doppelbesteuerung – gegebenenfalls auch durch den Abschluss von Abkommen – ist, zuständig bleiben(28). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof näher ausgeführt, dass es den Mitgliedstaaten im Rahmen bilateraler Abkommen freistehe, die Anknüpfungskriterien zur Aufteilung der Steuerhoheit festzulegen(29). In späteren Urteilen hat der Gerichtshof ergänzend festgestellt, dass diese den Mitgliedstaaten zuerkannte Freiheit auch für einseitig beschlossene Maßnahmen gelte(30).
52. Dennoch sind die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnis zur Einhaltung des Gemeinschaftsrechts verpflichtet(31).
53. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten folglich in der Entscheidung frei, ob und in welchem Umfang und auf welche Weise – einseitig oder durch internationale Vereinbarungen – sie die Doppelbesteuerung beseitigen oder verhindern möchten. Bei der Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnis sind sie jedoch zur Einhaltung der gemeinschaftlichen Grundsätze verpflichtet, auch wenn diese Befugnis aus einer vorher erfolgten einseitigen oder multilateralen Aufteilung der Steuerhoheit durch die Mitgliedstaaten resultiert(32).
54. Im vorliegenden Fall ist offensichtlich, dass die Diskriminierung gebietsfremder Gesellschaften durch die niederländischen Vorschriften zur Dividendenbesteuerung weder Resultat der bereits bestehenden Unterschiede zwischen den für den vorliegenden Fall maßgeblichen nationalen Steuersystemen noch Folge der Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Niederlanden und Portugal ist. Es handelt sich vielmehr, wie bereits oben dargelegt, um eine diskriminierende Behandlung, die allein auf die betreffenden niederländischen Vorschriften zurückzuführen ist und die gebietsfremden Anteilseignern die Inanspruchnahme eines Steuervorteils verwehrt, in dessen Genuss die Gebietsansässigen kommen. In Anbetracht der festgestellten Vergleichbarkeit der Situationen, in der sich die beiden Kategorien von Steuerpflichtigen in Bezug auf den Gegenstand und die Funktion der geprüften Vorschriften befinden, wird diese Ungleichheit auch nicht durch rechtserhebliche objektive Elemente gerechtfertigt.
55. Die Prüfung der zweiten Frage wird jedoch zeigen, wie neutralisierend sich eine angemessene Aufteilung der Steuerhoheit durch ein Doppelbesteuerungsabkommen auf die diskriminierende Wirkung einer nationalen Regelung wie der hier geprüften niederländischen auswirken kann.
56. Die niederländische und die italienische Regierung machen hilfsweise geltend, dass die fragliche Regelung durch die Notwendigkeit, die Kohärenz des niederländischen Steuersystems zu wahren, gerechtfertigt sei. Die Befreiung von der Quellensteuer auf innerstaatliche Dividenden, die niederländische Gesellschaften an in den Niederlanden ansässige Gesellschaften ausschütteten, stelle nämlich eine wesentliche Ergänzung der Befreiung von Beteiligungen von der Körperschaftsteuer (participation exemption, Art. 13 der Wet Vpb 1969) dar, in deren Genuss niederländische Gesellschaften, die in den Niederlanden unbeschränkt steuerpflichtig seien, kämen. Eine solche Befreiung sei die notwendige Ergänzung des Ausschlusses der ausgeschütteten Gewinne von der Besteuerungsgrundlage für die niederländische Körperschaftsteuer und stelle eine bloße Verwaltungsvereinfachung dar, weil damit vermieden werde, dass die an der Quelle abgezogene Dividendensteuer später im Rahmen der Körperschaftsteuer den Dividendenbeziehern, denen die „participation exemption“ in den Niederlanden zugutekomme, erstattet werden müsste. Diese Verwaltungsvereinfachung könne daher nicht auf nicht in den Niederlanden ansässige Anteilseigner erstreckt werden, die der niederländischen Körperschaftsteuer nicht unterlägen.
57. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.
58. Insbesondere ist in Bezug auf die Wahrung der Kohärenz des nationalen Steuersystems darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei seit Ergehen der Urteile Bachmann und Kommission/Belgien, in denen der Gerichtshof grundsätzlich anerkannt hat, dass dieses Erfordernis einen zwingenden Grund von allgemeinem Interesse darstellt, der zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Grundprinzipien der Freizügigkeit geeignet ist, um einen durch die Rechtsprechung gefestigten Begriff handelt(33).
59. In den oben genannten Fällen hat der Gerichtshof unter Berufung auf die Kohärenz des Steuersystems nationales Recht als gerechtfertigt angesehen, das die Absetzbarkeit von Alters‑ und Lebensversicherungsbeiträgen davon abhängig machte, dass diese Beiträge in einem Staat geleistet wurden, der ihren Abzug zuließ. Gerechtfertigt war diese Einschränkung durch das Erfordernis, dass die Einbußen im Steueraufkommen, die durch den Abzug der im Rahmen dieser Verträge eingezahlten Beiträge verursacht werden, durch die Besteuerung der bei der Erfüllung dieser Verträge erhaltenen Versicherungsleistungen, die jedoch bei einer Ansässigkeit der Versicherungsunternehmen im Ausland nicht steuerbar gewesen wären, ausgeglichen werden.
60. Seit diesen Urteilen ist die Wahrung der Kohärenz des Steuersystems der Rechtfertigungsgrund, auf den sich die Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern am häufigsten berufen. Der Gerichtshof hat den Begriff der steuerlichen Kohärenz jedoch stark eingeschränkt und erkennt in ständiger Rechtsprechung an, dass dieses Erfordernis eine die Grundfreiheiten einschränkende Maßnahme zulässt, sofern drei verschiedene Bedingungen erfüllt sind: a) Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Gewährung eines steuerlichen Vorteils und dem Ausgleich dieses Vorteils durch eine Abgabe, b) Durchführung des Steuerabzugs und der Steuererhebung im Rahmen ein und derselben Besteuerung und c) deren Anwendung gegenüber ein und demselben Steuerpflichtigen.
61. Eine strikte Heranziehung dieser Rechtsprechung könnte im vorliegenden Fall prima facie zur Verneinung einer Rechtfertigung durch die Kohärenz des Steuersystems führen, da die Befreiung von der Dividendensteuer und die Befreiung von Beteiligungen von der Körperschaftsteuer, die nach Auffassung der niederländischen und der italienischen Regierung komplementär sind und somit notwendigerweise gemeinsam angewendet werden müssen, um die Kohärenz des niederländischen Steuersystems zu gewährleisten, zwei verschiedene Steuern betreffen und sich nicht formal auf ein und denselben Steuerpflichtigen beziehen.
62. Im Urteil Manninen scheint der Gerichtshof jedoch die strenge Auslegung des Begriffs der Kohärenz des Steuersystems, die auf den Kriterien der Identität der Besteuerung und der Identität des Steuerpflichtigen beruht, dahin gehend gelockert zu haben, dass er entsprechend dem Vorschlag von Generalanwältin Kokott in deren Schlussanträgen in jener Rechtssache anerkannt hat, dass sich ein Mitgliedstaat auf die Wahrung der Kohärenz seines eigenen Steuersystems berufen kann, auch wenn die beiden Kriterien im betreffenden Fall nicht erfüllt waren(34).
63. Unter Bezugnahme auf die oben angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs vertritt die niederländische Regierung die Auffassung, dass im vorliegenden Fall zwei einander bedingende Steuerbefreiungen vorlägen, von denen die eine die Fortführung der anderen darstelle und die, obwohl sie sich formal auf zwei verschiedene Steuern bezögen (Dividendensteuer und Körperschaftsteuer), inhaltlich eine einzige Abgabe beträfen, da die Quellensteuer auf Dividendenausschüttungen lediglich eine Steuervorauszahlung darstelle, die vollständig mit der Körperschaftsteuer verrechnet werde, und beide Steuern ein und denselben Steuerpflichtigen belasteten (den Dividendenausschüttungen erhaltenden Anteilseigner).
64. Auch wenn anerkannt wird, dass diese beiden Steuerbefreiungen im Wesentlichen ein und denselben Steuerpflichtigen sowie ein und dieselbe Abgabe betreffen, ist in einem weiteren Schritt festzustellen, ob die Wahrung der Kohärenz des niederländischen Steuersystems im Licht der Zielsetzungen der strittigen Regelung tatsächlich notwendig ist.
65. Die Befreiung von der Quellensteuer auf die sogenannten einheimischen Dividenden halten die niederländische und die italienische Regierung anscheinend für notwendig, um die Kohärenz des niederländischen Steuersystems zu wahren, da ohne sie die korrelierende Befreiung von Beteiligungen von der Körperschaftsteuer – auch wenn nur vorübergehend – bis zum Zeitpunkt der Verrechnung der Dividendensteuer mit der Körperschaftsteuer untergraben würde. Offensichtlich ist Ziel des so beschriebenen niederländischen Steuersystems das Erreichen einer „bloßen administrativen Vereinfachung“, die per se keinesfalls eine diskriminierende, die Grundfreiheiten beeinträchtigende Behandlung rechtfertigen könnte.
66. Die niederländische Regierung legt jedoch nicht dar, inwiefern die Kohärenz ihres Steuersystems beeinträchtigt würde, wenn die Freistellung von der Dividendensteuer auch gebietsfremden Anteilseignern zuerkannt würde, die sich, obwohl sie in den Niederlanden nicht der Körperschaftsteuer unterliegen, in Bezug auf die Dividendenbesteuerung und die Steuervorteile, die sich aus einer potenziellen Beseitigung der Doppelbesteuerung ergeben würden, dennoch – wie bereits dargelegt – in einer der Situation von Gebietsansässigen vergleichbaren Situation befinden. Es liegt jedoch auf der Hand, dass der Zweck der strittigen Regelung, der in der Vermeidung einer doppelten Besteuerung der in Form von Dividenden ausgeschütteten Gewinne besteht, auch ohne eine Diskriminierung gebietsfremder Anteilseigner verwirklicht werden könnte, indem man sie in gleichem Umfang wie die gebietsansässigen Anteilseigner von der Quellensteuer befreit, ohne dass dies zu einer Beeinträchtigung des niederländischen Steuersystems führt.
67. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass die Argumente der beteiligten Regierungen eine Einschränkung des Kapitalverkehrs durch die zu prüfenden Steuervorschriften nicht rechtfertigen können.
68. Daher ist die erste Frage dahin gehend zu beantworten, dass die Bestimmungen über den freien Kapitalverkehr einer nationalen Regelung – soweit diese ohne Berücksichtigung der Wirkungen eventuell anwendbarer Doppelbesteuerungsabkommen betrachtet wird –, die Dividendenausschüttungen einer niederländischen Gesellschaft an in den Niederlanden ansässige Gesellschaften von der Dividendensteuer befreit, während sie Dividendenausschüttungen an Gesellschaften, die weder über einen Sitz noch über eine feste Niederlassung in den Niederlanden verfügen, dieser Besteuerung unterwirft, entgegenstehen.
B – Die zweite Frage
69. Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Umstand, dass eine Gesellschaft, die nicht in den Niederlanden ansässig ist oder die nicht über eine feste Niederlassung in den Niederlanden verfügt, in ihrem Sitzland die in den Niederlanden auf Dividendenausschüttungen niederländischer Gesellschaften erhobene Quellensteuer vollständig absetzen kann, für die Beurteilung der Vereinbarkeit der niederländischen Regelung mit den im Bereich des freien Kapitalverkehrs geltenden gemeinschaftlichen Grundsätzen von Bedeutung ist.
70. Eingangs ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht nicht angibt, aufgrund welcher Vorschriften eine Gesellschaft wie Amurta in ihrem Sitzland (Portugal) einen Full Credit (Vollanrechnung) zur Berücksichtigung der in den Niederlanden erhobenen Quellensteuer in Anspruch nehmen kann.
71. Zunächst werde ich mich also der Prüfung der Frage zuwenden, welche Bedeutung der Umstand, dass einem gebietsfremden Anteilseigner auf der Grundlage der nationalen Rechtsvorschriften seines Wohnsitzlandes ein Full Credit gewährt wird, für die Beurteilung der strittigen niederländischen Regelung haben kann. In einem zweiten Schritt werde ich mich mit der Annahme befassen, dass eine vergleichbare Steuergutschrift auf der Grundlage des zwischen den Niederlanden und Portugal abgeschlossen DBA anerkannt wird.
1. Bedeutung eines, nach den nationalen Rechtsvorschriften des Sitzstaats des betreffenden Steuerpflichtigen vorgesehenen Full Credits (Vollanrechnung)
72. Nach meinem Dafürhalten hat sich das vorlegende Gericht, als es eine eventuellen Vollanrechnung der niederländischen Quellensteuer auf die an Amurta ausgeschütteten Dividenden erwähnt hat, allgemein auf eine Möglichkeit bezogen, die dieses Unternehmen vermutlich auf der Grundlage der portugiesischen Rechtsvorschriften in Anspruch nehmen könnte. So stellt das vorlegende Gericht in der maßgeblichen Passage des Vorlagebeschlusses fest, dass es – gemäß den Ausführungen Amurtas in ihren Schriftsätzen – in Portugal eine der niederländischen Regelung entsprechende Bestimmung gebe, die die Erstattung der Dividendensteuer vorsehe, wenn die jeweiligen Einkünfte nicht körperschaftsteuerpflichtig seien (Full-Credit-System). Das Gericht leitet aus diesem Umstand ab, dass die niederländische Quellensteuer im vorliegenden Fall in Portugal anhand des oben genannten Full-Credit-Mechanismus wahrscheinlich angerechnet werden würde.
73. Im vorliegenden Verfahren hat Amurta jedoch bestritten, dass es eine eventuelle Vollanrechnung, so wie sie vom vorlegenden Gericht im Vorlagebeschluss beschrieben wurde, gebe, die sie in Portugal zur Anrechnung der in den Niederlanden auf die dort ausgeschütteten Dividenden vorgenommene Einbehaltung in Anspruch nehmen könnte. Amurta zufolge kennt auch das portugiesische Recht ein System der Beteiligungsbefreiung, das dem in den Niederlanden praktizierten System entspreche und auf dessen Grundlage Einkünfte aus Beteiligungen von der Körperschaftsteuer befreit seien. Folglich wäre eine Verrechnung von Steuerabzügen, die zulasten von in den Niederlanden ausgeschütteten Dividenden vorgenommen wurden, mit portugiesischer Körperschaftsteuer ausgeschlossen, da in Portugal keine Steuer geschuldet werde.
74. Folgt man der Rekonstruktion Amurtas angesichts des lückenhaften Charakters des Vorlagebeschlusses, dem sich keine weiteren insoweit nützlichen Anhaltspunkte entnehmen lassen, hätte die zweite dem Gerichtshof vorgelegte Frage rein hypothetischen Charakter.
75. In diesem Fall wäre der Gerichtshof für eine Beantwortung dieser Frage nicht zuständig, da nach der Rechtsprechung bekanntlich „die Rechtfertigung des Vorabentscheidungsersuchens und folglich der Zuständigkeit des Gerichtshofes nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen [liegt], sondern darin, dass dessen Antwort für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits erforderlich ist“(35).
76. Gesetzt den Fall, dass es der Gerichtshof dennoch für zweckmäßig erachtet, die ihm vorgelegte zweite Frage zu beantworten, sollte er dies meines Erachtens jedoch in dem nachfolgend dargelegten Sinn tun.
77. Nach meinem Dafürhalten ist einem auf den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats beruhenden Steuervorteil, unabhängig von seinem Umfang und seiner Effektivität, bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats mit den gemeinschaftlichen Grundsätzen keine Bedeutung zuzumessen.
78. So kann man meiner Meinung nach – in einem Fall wie dem hier geprüften – nicht davon ausgehen, dass die diskriminierenden Wirkungen, die nationale Rechtsvorschriften zulasten eines Steuerpflichtigen entfalten, durch Steuervorteile neutralisiert werden, die diesem das Recht eines anderen Mitgliedstaats zuerkennt. Andernfalls würde einem Mitgliedstaat letztlich gestattet, von der Einhaltung der ihm durch Gemeinschaftsrecht auferlegten Pflichten abzusehen, indem er deren Einhaltung von den möglichen Wirkungen der Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats abhängig macht, die von diesem jederzeit und einseitig geändert werden können. In diesem Fall gäbe es keinerlei Rechtssicherheit im Hinblick auf die Einhaltung des Verbots der willkürlichen Diskriminierung nach den Art. 56 EG und 58 EG(36).
79. Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, dass dem Umstand, dass ein Unternehmen wie Amurta in seinem Wohnsitzland nach dem dort herrschenden Recht eine Vollanrechnung in Anspruch nehmen kann, die gegebenenfalls geeignet ist, die von Dividendenausschüttungen an dieses Unternehmen in den Niederlanden vorgenommenen Steuerabzüge auszugleichen, keinerlei Bedeutung für die Bewertung der Vereinbarkeit der niederländischen Bestimmungen im Bereich der Dividendenbesteuerung zukommen kann.
2. Die Bedeutung von Doppelbesteuerungsabkommen und die tatsächlichen Wirkungen des maßgeblichen DBA
80. Dagegen gelangt man meines Erachtens zu einer von der vorstehend dargelegten abweichenden Lösung, wenn die Neutralisierung der diskriminierenden Wirkungen einer nationalen Gesetzgebung durch eine angemessene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten mittels eines internationalen Doppelbesteuerungsabkommens gewährleistet wird. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass eine Berücksichtigung der konkreten Wirkungen eines DBA auf die Situation eines Steuerpflichtigen, deren Ziel darin besteht, festzustellen, ob im konkreten Fall eine Einschränkung der durch den Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten gegeben ist, nicht dazu führt, eine aus der Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften resultierende diskriminierende Benachteiligung des Steuerpflichtigen mittels eines Ausgleichs dieser Benachteiligung durch einen zufälligen Vorteil zu rechtfertigen, der in keinerlei Zusammenhang zu der Benachteiligung steht und der auf den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats beruht, die dieser jederzeit ändern kann. Misst man hingegen den konkreten Wirkungen eines DBA auf die Situation eines Steuerpflichtigen Bedeutung zu, erlaubt dies vor allem, der jeweiligen „wirtschaftliche[n] Realität der Tätigkeit des Steuerpflichtigen und [den] mit dem grenzüberschreitenden Zusammenhang eventuell verbundenen Anreize[n]“(37), aber auch – und insbesondere – der Art und Weise, wie die Mitgliedstaaten mittels einer angemessenen Aufteilung ihrer Steuerhoheit und der Übernahme wechselseitiger Verpflichtungen auf der Grundlage eines sie bindenden Rechtsakts die Einhaltung der Grundfreiheiten gewährleistet haben, Rechnung zu tragen. Obwohl also die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, die Kriterien für eine Aufteilung ihrer Steuerhoheit zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen – in Ermangelung einer gemeinschaftlichen Harmonisierung – frei festzulegen, gewahrt wird, entsteht auf diese Weise keine rechtlich unsichere Situation in Bezug auf die ihnen obliegenden gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen.
81. Dies wird durch Einhaltung zweier Grundbedingungen möglich. Erstens ist zu prüfen, ob die gesamte Behandlung, die einem Steuerpflichtigen auf der Grundlage der maßgeblichen Bestimmungen eines DBA zuteil wird, im konkreten Fall im Einklang mit den den Bereich der Freizügigkeit betreffenden gemeinschaftlichen Grundsätzen steht. In einer Situation wie der hier geprüften könnte der Staat beispielsweise über ein DBA sicherstellen, dass gebietsansässige und gebietsfremde Steuerpflichtige, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, in den Genuss derselben die Beseitigung der Doppelbesteuerung betreffenden Vorteile kommen. Zweitens muss die Pflicht zur Neutralisierung der verzerrenden Wirkungen der eigenen Rechtsvorschriften bei dem Staat verbleiben, dessen Rechtsvorschriften gegen die gemeinschaftlichen Grundsätze verstoßen, ohne dass sich dieser Staat auf die Nichteinhaltung des DBA durch die Gegenseite berufen kann, um sich den ihm gemäß dem Vertrag obliegenden Verpflichtungen zu entziehen(38).
82. Zu dieser Lösung in Bezug auf die den DBA zuzumessende Bedeutung ist auch der Gerichtshof gelangt, der es im Interesse einer für das nationale Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts für erforderlich hält, die Bestimmungen eines DBA zu berücksichtigen, wenn dieses Gericht darlegt, dass dieses DBA Bestandteil des im Ausgangsverfahren anwendbaren rechtlichen Rahmens ist(39).
83. Wie bereits gezeigt, ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof im vorliegenden Fall, sich zur Bedeutung einer Vollanrechnung, die Amurta vermutlich in Portugal in Anspruch nehmen könnte, zu äußern, ohne jedoch klarzustellen, ob sich diese Möglichkeit aus der Anwendung des zwischen Portugal und den Niederlanden bestehenden DBA ableitet.
84. Die niederländische, die italienische und die britische Regierung vertreten die Auffassung, dass der Gerichtshof dieses DBA bei der Prüfung der Vereinbarkeit der strittigen niederländischen Rechtsvorschriften mit den Grundsätzen des freien Kapitalverkehrs berücksichtigen müsse.
85. Meiner Meinung nach ergibt sich, wie bereits dargelegt, aus dem Vorlagebeschluss kein Anhaltspunkt dafür, dass es Absicht des vorlegenden Gerichts war, sich auf die maßgeblichen Bestimmungen des zwischen Portugal und den Niederlanden bestehenden DBA zu beziehen. Vielmehr scheint das Gericht allein und allgemein auf die nationalen Rechtsvorschriften Portugals Bezug genommen zu haben, als es auf die Möglichkeit einer Vollanrechnung hinwies(40).
86. Ich werde daher die konkreten Wirkungen des maßgeblichen DBA bei der Prüfung der Vereinbarkeit der betreffenden niederländischen Regelung nur hilfsweise für den Fall prüfen, dass der Gerichtshof die Auffassung vertritt, dass sich das nationale Gericht bei der Berufung auf das Bestehen einer Vollanrechnung auf dieses DBA bezogen hat und dass Letzteres somit Bestandteil des rechtlichen Rahmens ist, zu dem sich der Gerichtshof äußern soll.
87. Um die Wirkungen der betreffenden niederländischen Regelung, die, wie oben dargelegt, Gebietsfremde diskriminiert, zu neutralisieren, müsste das DBA eine Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Vertragsparteien vorsehen, die die Benachteiligung beseitigt, die Gebietsfremde durch die zu deren Lasten vorgenommene Quellenbesteuerung erleiden. Dies wäre nur möglich, wenn man die Wirkungen dieser Steuer in Portugal vollständig durch eine Vollanrechnung der in den Niederlanden erhobenen Dividendensteuer auf die andernfalls in Portugal auf die jeweiligen Dividenden zu zahlende Körperschaftsteuer beseitigen würde. Es würde sich hierbei technisch gesehen um eine Vollanrechnung (Full Credit) handeln, die das Wohnsitzland des betreffenden Steuerpflichtigen (Portugal) zum Ausgleich der im Quellenstaat (Niederlande) erhobenen Dividendensteuer gewähren würde(41).
88. Art. 24 des betreffenden DBA sieht jedoch ein Teilanrechnungssystem vor, das dem Steuerpflichtigen den Abzug der ihm in den Niederlanden auferlegten Dividendensteuer bis zur Höhe des Betrags gestattet, zu dessen Zahlung er andernfalls in Portugal im Rahmen der Körperschaftsteuer auf in Form von Dividenden ausgeschüttete Gewinne verpflichtet gewesen wäre(42). Eine portugiesische Gesellschaft wie Amurta wäre in diesem Fall weiterhin teilweise durch die Wirkungen der niederländischen Quellensteuer belastet. Dies würde im Gegensatz zu dem stehen, was die niederländischen Rechtsvorschriften für gebietsansässige Gesellschaften vorsehen, die vollständig von der doppelten Besteuerung von Dividendenausschüttungen, die sie in den Niederlanden erhalten haben, befreit sind. Daher wären die Vorteile, die Gesellschaften ohne Sitz in den Niederlanden gewährt werden, nicht gleichwertig mit den Vorteilen, die gebietsansässigen Gesellschaften zustehen, die sich im Hinblick auf die Wirkungen der Doppelbesteuerung von Einkünften aus Beteiligungen an niederländischen Gesellschaften in einer vergleichbaren Lage befinden. Hieraus ergibt sich, dass die betreffende niederländische Regelung eine nach Art. 56 EG und 58 EG verbotene willkürliche Diskriminierung beinhaltet.
89. Wenn schließlich in Portugal ein System „participation exemption“ gelten sollte, nach dem die Einkünfte aus Beteiligungen von der Körperschaftsteuer befreit sind, und wenn das fragliche DBA eine Vollanrechnung vorsehen sollte, könnte dies Amurta doch nicht zugute kommen, da in Portugal keinerlei Steuer auf Einkünfte aus Beteiligungen geschuldet würde, mit der der niederländische Steuerabzug von den ausgeschütteten Dividenden verrechnet werden könnte.
90. Wie der Gerichtshof festgestellt hat, ist es jedoch Aufgabe des nationalen Gerichts, das maßgebliche nationale Recht auszulegen und somit zu prüfen, ob die Gesamtbehandlung, die einer gebietsfremden Gesellschaft durch eine gemeinsame Ausübung der Besteuerungsbefugnis, wie sie abkommensrechtlich zwischen dem Quellenstaat und dem Sitzstaat aufgeteilt ist, zuteil wird, im vorliegenden Fall weniger günstig ist als die Behandlung, die den gebietsansässigen Gesellschaften gewährt wird(43).
IV – Ergebnis
91. Im Licht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die ihm vom Gerechtshof te Amsterdam vorgelegten Vorabentscheidungsfragen wie folgt zu beantworten:
1. Die Art. 56 EG und 58 EG stehen einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren betroffenen – soweit diese ohne Berücksichtigung der Wirkungen eventuell anwendbarer Doppelbesteuerungsabkommen betrachtet wird – entgegen, die Dividendenausschüttungen von Gesellschaften mit Sitz in den Niederlanden an ebenfalls gebietsansässige Gesellschaften von der Quellensteuer befreit, während sie Dividendenausschüttungen an Gesellschaften, die in den Niederlanden weder über einen Sitz noch über eine feste Niederlassung verfügen, dieser Besteuerung unterwirft.
2. Für die Beantwortung der ersten Frage ist es ohne Bedeutung, ob eine Gesellschaft, die in den Niederlanden weder über einen Sitz noch über eine feste Niederlassung verfügt, auf der Grundlage der Rechtsvorschriften ihres Wohnsitzlandes in diesem in den Genuss einer unbeschränkten Anrechnung (Full Credit) zum Ausgleich der niederländischen Dividendensteuer kommt.
1 – Originalsprache: Italienisch.
2 – Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6) in der im Ausgangsverfahren zeitlich maßgebenden Fassung. Diese Bestimmung wurde später durch die Richtlinie 2003/123/EG des Rates vom 22. Dezember 2003 (ABl. L 7, S. 41) geändert.
3 – Nichtamtliche Übersetzung.
4 – Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass diese Herabsetzung nicht für Anteilseigner gilt, die in Portugal ansässig sind.
5 – Die Beteiligung reduziert sich auf weniger als 5 %, wenn das Halten der Wertpapiere im Einklang mit der normalen Geschäftsführung des von dem Steuerpflichtigen geführten Unternehmens steht oder wenn ihr Ankauf im allgemeinen Interesse erfolgt ist.
6 – Vgl. u. a. die Urteile vom 6. Juni 2000, Verkooijen (C‑35/98, Slg. 2000, I‑4071, Randnr. 32), vom 7. September 2004, Manninen (C‑319/02, Slg. 2004, I‑7477, Randnr. 19), und vom 23. Februar 2006, Keller Holding (C‑471/04, Slg. 2006, I‑2107, Randnr. 28).
7 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Verkooijen, Randnrn. 29 und 30.
8 – Wie das nationale Gericht zu Recht anführt, kann im Hinblick auf die niedrige Beteiligung (14 %) und das Fehlen anderer Elemente, aus denen sich eine Entscheidungsbefugnis Amurtas hinsichtlich der Aktivitäten von Retailbox ableiten ließe, nicht davon ausgegangen werden, dass über diese Beteiligung die Niederlassungsfreiheit ausgeübt würde.
9 – Zu der Festsetzung der Dividendenbesteuerung im Binnenmarkt vgl. insbesondere die Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed vom 23. Februar 2006 in der Rechtssache Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation (C‑374/04, Urteil vom 12. Dezember 2006, Slg. 2006, I‑0000), vom 6. April 2006 in der Rechtssache Kerckhaert-Morres (C‑513/04, Urteil vom 14. November 2006, Slg. 2006, I‑0000) und vom 27. April 2006 in der Rechtssache Denkavit Internationaal und Denkavit France (C‑170/05, Urteil vom 14. Dezember 2006, Slg. 2006, I‑0000).
10 – Wie im Rahmen der weiteren Prüfung noch eingehend zu zeigen sein wird, kann, selbst wenn die Richtlinie 90/435 (die sogenannte Mutter-Tochter-Richtlinie) in der hier einschlägigen Fassung die Quellenbesteuerung von Dividenden, die eine Tochtergesellschaft an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft allein aufgrund des Vorliegens einer qualifizierten Beteiligung (von mindestens 25 % des Kapitals der Tochtergesellschaft) ausschüttet, untersagt, aus diesem Umstand jedoch nicht im Umkehrschluss abgeleitet werden, wie es das vorlegende Gericht nahelegt und die niederländische Regierung meint, dass in allen anderen Fällen eine Besteuerung zulässig ist, mit der Folge, dass eine eventuelle Ungleichbehandlung in dem Verhältnis zwischen Tochter‑ und Muttergesellschaften, die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässig sind, allein der Koexistenz verschiedener Steuersysteme zuzurechnen wäre. Wenn es zutrifft, dass es in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegt, zu bestimmen, ob und in welchem Umfang eine Doppelbesteuerung im Hinblick auf Beteiligungen, die nicht in den Anwendungsbereich der oben genannten Richtlinie fallen, beseitigt werden soll, sind diese bei der Ausübung dieser Zuständigkeit dennoch zur Einhaltung der gemeinschaftlichen Grundsätze, zu denen die Grundfreiheiten zu zählen sind, verpflichtet.
11 – Urteil vom 16. März 1999, Trummer-Mayer (C‑222/97, Slg. 1999, I‑1661, Randnr. 26).
12 – Vgl. das Urteil Verkooijen, Randnr. 43.
13 – Vgl. Urteil vom 15. Juli 2004, Lenz (Slg. 2004, I‑7063, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
14 – Nach der niederländischen Regelung können die Vorteile in Bezug auf die Dividendenbesteuerung, die für Gesellschaften mit Sitz in den Niederlanden gelten, Gesellschaften ohne Sitz in diesem Mitgliedstaat nur zugute kommen, wenn sie dort eine feste Niederlassung haben, der die niederländischen Gesellschaftsanteile gehören.
15 – Vgl. Urteile vom 14. Februar 1995, Schumacker (C‑279/93, Slg. 1995, I‑225, Randnrn. 31 bis 34), vom 11. August 1995, Wielockx (C‑80/94, Slg. 1995, I‑2493, Randnr. 18), vom 27. Juni 1996, Asscher (C‑107/94, Slg. 1996, I‑3089, Randnr. 41), und vom 29. April 1999, Royal Bank of Scotland (C‑311/97, Slg. 1999, I‑2651, Randnr. 27).
16 – Vgl. Urteile Schumacker, Randnrn. 36 bis 38, Asscher, Randnr. 42, und Royal Bank of Scotland, Randnrn. 27 ff.
17 – Urteil vom 14. September 1999, Frans Gschwind (C‑391/97, Slg. 1999, I‑5451, Randnr. 26).
18 – Vgl. Urteile Denkavit Internationaal und Denkavit France, Randnr. 34, und Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnrn. 57 bis 65.
19 – Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 59.
20 – Letzterer Grundsatz wurde durch das Urteil Schumacker bestätigt.
21 – Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 60.
22 – Ebd., Randnr. 68 bis 70.
23 – Zu einer entsprechenden Lösung ist der EFTA-Gerichtshof in seinem Urteil vom 23. November 2004, Fokus Bank (Rechtssache E‑1/04, verfügbar auf der Webseite www.eftacourt.lu), gelangt, in dem er befunden hat, dass eine norwegische Regelung, die lediglich den in Norwegen ansässigen Anteilseignern für die dort erhaltenen Dividenden eine Steuergutschrift gewährt, gegen Art. 40 des EWR-Abkommens, der Art. 56 EG entspricht, verstößt (Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum; ABl. 1994, L 1 vom 3. Januar 1994, S. 3).
24 – Angeführt in Fn. 2.
25 – ABl. L 225, S. 10.
26 – ABl. L 157, S. 38.
27 – Vgl. insbesondere in Bezug auf den freien Kapitalverkehr das Urteil Kerckhaert-Morres, Randnr. 22, und in Bezug auf Art. 52 EG das Urteil Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 51.
28 – Vgl. zu Art. 48 EG-Vertrag (jetzt Art. 39 EG) Urteile vom 12. Mai 1998, Gilly (C‑336/96, Slg. 1998, I‑2793, Randnrn. 24 und 30), und vom 12. Dezember 2002, De Groot (C‑385/00, Slg. 2002, I‑11819, Randnr. 93), zu den Art. 52 und 58 EG-Vertrag Urteil vom 21. September 1999, Saint-Gobain ZN (C‑307/97, Slg. 1999, I‑6161, Randnr. 57), und zum freien Kapitalverkehr Urteil vom 23. Februar 2006, Van Hilten-van der Heijden (C‑513/03, Slg. 2006, I‑1957, Randnr. 47).
29 – Urteile Gilly (Randnrn. 24 bis 30), Saint-Gobain ZN (Randnr. 57), De Groot (Randnr. 93), vom 30. Oktober 2006, FKP Scorpio Konzertproduktionen (C‑290/04, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 54), und Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation (Randnr. 52).
30 – Zum freien Kapitalverkehr vgl. Urteil Van Hilten-van der Heijden (Randnr. 47) und zur Niederlassungsfreiheit Urteil Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation (Randnr. 52).
31 – Urteile De Groot (Randnr. 94) und FKP Scorpio Konzertproduktionen (Randnr. 55).
32 – Urteil De Groot (Randnrn. 93 bis 94).
33 – Urteile vom 28. Januar 1992, Bachmann (C‑204/90, Slg. 1992, I‑209, Randnrn. 21 bis 28), und Kommission/Belgien (C‑300/90, Slg. 1992, I‑305, Randnrn. 14 bis 21).
34 – Randnrn. 45 und 46 des Urteils sowie insbesondere Nrn. 54 bis 57 der Schlussanträge.
35 – Vgl. Urteil Lenz, Randnr. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung.
36 – Der Gerichtshof hat im Übrigen das Argument, dass eine im Widerspruch zu einer Grundfreiheit stehende nachteilige steuerliche Behandlung durch das Vorhandensein anderer Steuerbegünstigungen gerechtfertigt werde, selbst unter der Annahme, dass diese Begünstigungen tatsächlich bestehen, abgelehnt. Vgl. zu den nationalen steuerlichen Behandlungen, deren Prüfung erfolgt ist unter Bezugnahme auf a) die Arbeitnehmerfreizügigkeit: Urteil de Groot, Randnr. 97, b) die Niederlassungsfreiheit: Urteile vom 28. Januar 1986, Kommission/Frankreich (270-83, Slg. 1986, 273, Randnr. 21), Randnr. 21, Asscher, Randnr. 53, und Saint Gobain ZN, Randnr. 54, sowie c) den freien Kapitalverkehr: Urteil Verkooijen, Randnr. 61.
37 – Vgl. Nrn. 33 bis 38 der Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed vom 27. April 2006 in der Rechtssache Denkavit Internationaal und Denkavit France und meine Schlussanträge vom 29. März 2007 in der Rechtssache Columbus (C‑298/05, Slg. 2007, I‑0000, Nr. 47).
38 – Vgl. in diesem Sinne Nrn. 39 bis 43 der Schlussanträge in der Rechtssache Denkavit Internationaal und Denkavit France.
39 – Vgl. Urteile Manninen, Randnr. 21, vom 19. Januar 2006, Bouanich (C-265/04, Slg. 2006, I‑923, Randnr. 51), Test Claimants in Class IV of the Act Group Litigation, Randnr. 71, und Denkavit Internationaal und Denkavit France, Randnr. 45.
40 – Diese Position wird im Übrigen von der EFTA-Überwachungsbehörde vertreten.
41 – Entsprechend entschieden im Urteil Denkavit Internationaal und Denkavit France, Randnrn. 54 bis 56.
42 – Eine Neutralisierung der Wirkungen der niederländischen Quellensteuer wäre über diesen Teilanrechnungsmechanismus ausschließlich dann vorstellbar, wenn in den Niederlanden wie auch in Portugal der gleiche Steuersatz angewandt würde, mit der Folge, dass der niederländische Steuerabzug denselben Umfang wie die auf niederländische Dividenden anwendbare portugiesische Körperschaftsteuer hätte und daher mit Letzterer in vollem Umfang verrechnet werden könnte.
43 – In diesem Sinne Urteil Bouanich, Randnr. 51.