SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 11. Januar 2007(1)

Rechtssache C‑325/05

Ismail Derin

gegen

Landkreis Darmstadt-Dieburg

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Darmstadt [Deutschland])

„Assoziierungsabkommen EWG–Türkei – Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates – Türkischer Staatsangehöriger, der älter als 21 Jahre ist und von seinen Eltern nicht mehr unterhalten wird – Verlust der Rechte auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt – Art. 59 des Zusatzprotokolls – Günstigere Behandlung als die von Angehörigen von Mitgliedstaaten“





1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsverfahren betrifft die Auslegung von Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates(2) vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei(3). Dieser Artikel legt die Voraussetzungen fest, unter denen ein Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört oder angehört hat, ein Recht auf Zugang zur Beschäftigung in diesem Mitgliedstaat und als Ergänzung dieses Rechts ein Recht zum Aufenthalt erwirbt.

2.        Das vorlegende Gericht stellt die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur zeitlichen Geltungsdauer der Rechte, die diese Vorschrift dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers gewährt, sowie zu den Voraussetzungen, unter denen diese Rechte beschränkt werden können, in Frage.

3.        Der Gerichtshof hat insbesondere im Urteil Aydinli vom 7. Juli 2005(4) entschieden, dass diese Rechte auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt nicht enden, wenn das Kind eines türkischen Arbeitnehmers älter als 21 Jahre ist und ein selbständiges Leben führt. Er hat zugleich darauf hingewiesen, dass diese Rechte nur in zwei Fällen beschränkt werden können: erstens aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit und zweitens, wenn der Rechtsträger das Hoheitsgebiet dieses Staates für einen nicht unerheblichen Zeitraum und ohne berechtigten Grund verlassen hat.

4.        Das Verwaltungsgericht Darmstadt (Deutschland) fragt im Anschluss an das Urteil Aydinli in erster Linie, ob diese Rechtsprechung, die ein Kind betrifft, das älter als 21 Jahre ist und nicht mehr von seinen Eltern unterhalten wird, mit Art. 59 des Zusatzprotokolls(5) vereinbar ist, wonach die Republik Türkei in den von diesem Protokoll erfassten Bereichen keine günstigere Behandlung verlangen kann, als sie ein Mitgliedstaat aufgrund des EG-Vertrags genießt.

5.        In diesen Schlussanträgen werde ich darlegen, dass meines Erachtens die zeitliche Geltung der Rechte, die nach Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers verliehen werden, nicht nur im Hinblick auf die Art. 10 und 11 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates(6) ermittelt werden darf, sondern aufgrund der Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewürdigt werden muss. Ich werde sodann darlegen, weshalb die Rechtsprechung zur Geltungsdauer der Rechte, die gemäß Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers erwachsen, nicht allgemein gegen Art. 59 des Zusatzprotokolls verstößt. Wir werden schließlich sehen, weshalb unter den besonderen Umständen des Ausgangsverfahrens die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen, unter denen die aus Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 abgeleiteten Rechte beschränkt werden können, nicht dazu führt, einem türkischen Staatsangehörigen in der Situation von Herrn Derin Rechte zu verleihen, die weiter gingen als die, die einem Arbeitnehmer der Gemeinschaft zustehen.

I –    Der rechtliche Rahmen

6.        Die Untersuchung der Fragen des vorlegenden Gerichts macht eine Darstellung des Inhalts der Rechtsvorschriften, die die im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechte türkischer Staatsangehöriger innerhalb der Europäischen Union festlegen, sowie ihres Geltungsbereichs erforderlich, wie ihn die Rechtsprechung bestimmt hat.

A –    Die Rechtsvorschriften

7.        Die maßgebenden Vorschriften finden sich im Assoziierungsabkommen, im Zusatzprotokoll und im Beschluss Nr. 1/80.

1.      Das Assoziierungsabkommen

8.        Ziel des Assoziierungsabkommens ist es nach Art. 2 Abs. 1, eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und der Republik Türkei unter voller Berücksichtigung der Notwendigkeit zu fördern, dass hierbei der beschleunigte Aufbau der türkischen Wirtschaft sowie die Hebung des Beschäftigungsstandes und der Lebensbedingungen des türkischen Volkes gewährleistet werden.

9.        Um diese Ziele zu verwirklichen, sieht das Assoziierungsabkommen die schrittweise Errichtung einer Zollunion vor. In Art. 12 des Abkommens haben die Vertragsparteien vereinbart, sich von den Art. 48(7), 49(8) und 50(9) des Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen ihren jeweiligen Hoheitsgebieten schrittweise herzustellen. Sie haben ebenfalls vereinbart, sich von den entsprechenden Vorschriften des Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des Dienstleistungsverkehrs aufzuheben.

10.      Die Assoziation sieht zu diesem Zweck eine Vorbereitungsphase vor, in der die Republik Türkei ihre Wirtschaft mit Hilfe der Gemeinschaft festigt (Art. 3), eine Übergangsphase für die schrittweise Errichtung einer Zollunion und die Annäherung der jeweiligen Wirtschaftspolitiken (Art. 4) sowie eine Endphase, die sich auf die Zollunion und eine verstärkte Koordinierung der Wirtschaftspolitiken der Vertragsparteien stützt (Art. 5).

11.      Die erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele werden vom Assoziationsrat beschlossen, der aus Mitgliedern der Regierungen der Mitgliedstaaten und der Kommission der europäischen Gemeinschaften einerseits und Mitgliedern der türkischen Regierung andererseits besteht. Dieser Assoziationsrat kann im Rahmen der ihm übertragenen Befugnisse Beschlüsse fassen, die für die Parteien des Abkommens bindend sind.

12.      Nach seiner Präambel und Art. 28 soll das Assoziierungsabkommen den späteren Beitritt der Republik Türkei zur Gemeinschaft erleichtern.

2.      Das Zusatzprotokoll

13.      Das Zusatzprotokoll legt die Bedingungen, die Einzelheiten und den Zeitplan für die Übergangsphase der Assoziierung fest. In seinem Titel II enthält es mehrere Artikel über die Freizügigkeit der Personen und der Dienstleistungen.

14.      So bestimmt es in Art. 36, dass die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Republik Türkei nach den Grundsätzen des Art. 12 des Assoziierungsabkommens zwischen dem Ende des zwölften und dem Ende des zweiundzwanzigsten Jahres nach dem Inkrafttreten des genannten Abkommens schrittweise entsprechend den von diesem Assoziationsrat festgelegten Regeln hergestellt wird.

15.      Es bestimmt ferner in seinem Art. 59:

„In den von diesem Protokoll erfassten Bereichen darf der Türkei keine günstigere Behandlung gewährt werden als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten untereinander auf Grund des Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft einräumen.“

3.      Der Beschluss Nr. 1/80

16.      Ziel des Beschlusses Nr. 1/80 ist es nach seinem dritten Erwägungsgrund, die Rechtslage der Arbeitnehmer und ihrer Familien im sozialen Bereich gegenüber der Regelung des Beschlusses Nr. 2/76 des Assoziationsrates vom 20. Dezember 1976 zu verbessern.

17.      Dieser Beschluss Nr. 2/76 stellte eine erste Stufe bei der Durchführung des Art. 12 des Assoziationsabkommens und des Art. 36 des Zusatzprotokolls dar. Er sah zugunsten der Arbeitnehmer ein schrittweise zunehmendes Recht auf Zugang zur Beschäftigung im Aufnahmestaat sowie zugunsten der Kinder dieser Arbeitnehmer das Recht auf Zugang zum allgemeinen Schulunterricht vor(10).

18.      Der Beschluss Nr. 1/80 regelt in Art. 6 die Rechte des türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat und in Art. 7 die Rechte der Familienangehörigen eines solchen Arbeitnehmers in diesem Staat.

19.      Die in Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 gewährten Rechte nehmen nach Maßgabe der Dauer ordnungsgemäßer Beschäftigung des Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat schrittweise zu. Art. 6 bestimmt:

„1. Vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

–        nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

–        nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung – vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs – das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaats eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

–        nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

2. Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.

…“

20.      Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 unterscheidet zwischen den Familienangehörigen des Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, und den Kindern eines solchen Arbeitnehmers, die im Aufnahmemitgliedstaat eine Berufsausbildung abgeschlossen haben. Er lautet:

„Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

–        haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;

–        haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.

Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellengebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war.“

21.      Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 legt fest, wie die Ausübung dieser Rechte beschränkt werden kann. Er bestimmt in Abs. 1:

„Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.“

22.      Bis heute hat der Assoziationsrat keinerlei Maßnahme zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs beschlossen.

B –    Die Rechtsprechung

23.      Der Geltungsumfang der den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers gemäß Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 übertragenen Rechte hat Anlass zu mehreren Urteilen gegeben, deren wichtigste Lehren für die vorliegende Rechtssache wie folgt zusammengefasst werden können.

24.      Zunächst steht fest, dass Art. 7 Abs. 1 und 2 und Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten haben. Türkische Staatsangehörige, die die Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllen, können sich daher unmittelbar auf die Rechte berufen, die ihnen diese Vorschriften übertragen(11).

25.      Dieser Rechtsprechung ist ferner zu entnehmen, dass die in den beiden Absätzen des Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 vorgesehenen Rechte auf Zugang zur Beschäftigung zwei Aspekte enthalten.

26.      Zum einen ist der Erwerb dieser Rechte von verschiedenen Bedingungen abhängig.

27.      Zunächst muss die betroffene Person die Eigenschaft eines „Familienangehörigen“ eines türkischen Arbeitnehmers haben. Dieser Begriff ist so auszulegen wie der gleiche Begriff in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1612/68 bezüglich der Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft sind(12).

28.      Ferner sind die Rechte auf Zugang zur Beschäftigung, wie sie in Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 vorgesehen sind, von der Voraussetzung abhängig, dass der Familienangehörige des türkischen Arbeitnehmers seit mindestens drei Jahren seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz bei diesem Arbeitnehmer gehabt hat. Diese Voraussetzung eines ordnungsgemäßen Wohnsitzes entspricht der Zielsetzung der Zusammenführung der Familie dieses Arbeitnehmers im Aufnahmestaat.

29.      Ebenso ist das Recht auf Zugang zur Beschäftigung, das dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers gemäß Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses Nr. 1/80 erwächst, von den Voraussetzungen abhängig, dass dieser Arbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war und dieses Kind in diesem Staat eine Berufsausbildung abgeschlossen hat.

30.      Zum anderen gewährt Art. 7 Abs. 1 und 2 des Beschlusses Nr. 1/80, sobald diese Voraussetzungen erfüllt sind, den Familienangehörigen des türkischen Arbeitnehmers eigenständige Rechte auf Zugang zur Beschäftigung im Aufnahmemitgliedstaat, die ihnen erlauben sollen, ihre eigene Lage in diesem Staat zu konsolidieren(13), und die vom Weiterbestehen dieser Voraussetzungen unabhängig sind.

31.      So hat der Gerichtshof entschieden, dass das in diesen Vorschriften vorgesehene Recht, sich im Aufnahmemitgliedstaat auf jedes Stellenangebot zu bewerben, nicht endet, wenn der türkische Arbeitnehmer, von dem dieses Recht abgeleitet ist, nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaats angehört(14). Dieses Recht besteht weiter fort, nachdem dieser Arbeitnehmer in sein Ursprungsland zurückgekehrt ist. Diese Vorschriften kommen somit nicht nur den minderjährigen oder volljährigen Kindern eines solchen Arbeitnehmers zugute, die noch von diesem unterhalten werden. Nach ständiger Rechtsprechung gilt Art. 7 Abs. 1 und 2 des Beschlusses Nr. 1/80 auch für volljährige Kinder dieses Arbeitnehmers, die ein selbständiges Leben führen(15).

32.      Ferner setzen die von diesen Vorschriften verliehenen Rechte auf Zugang zur Beschäftigung voraus, dass ein entsprechendes Aufenthaltsrecht besteht(16). Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass diese Rechte auf Zugang zur Beschäftigung ohne ein solches Aufenthaltsrecht jede praktische Wirksamkeit verlören(17). Sobald daher der Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 oder 2 des Beschlusses Nr. 1/80 erfüllt, um sich im Aufnahmemitgliedstaat auf jedes Stellenangebot bewerben zu können, sind die Behörden dieses Mitgliedstaats nicht mehr befugt, Maßnahmen bezüglich des Aufenthalts des Betroffenen zu treffen, die die Ausübung der Rechte beeinträchtigen könnten, die diesem unmittelbar von der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehen wurden.

33.      Schließlich hat die Rechtsprechung klargestellt, unter welchen Voraussetzungen diese Rechte beschränkt werden können. Sie können zum einen beschränkt werden, wenn der Betreffende das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats während eines erheblichen Zeitraums ohne berechtigten Grund verlassen hat(18). In diesem Fall verliert der Betreffende grundsätzlich den rechtlichen Besitzstand, den er gemäß Art. 7 Abs. 1 oder 2 des Beschlusses Nr. 1/80 erworben hatte, weil er die Bande, die ihn mit diesem Mitgliedstaat verbunden haben, selbst gelöst hat.

34.      Sie können zum anderen auch gemäß Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 beschränkt werden, wenn der Betreffende die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit tatsächlich und schwerwiegend gefährdet(19). Die Beschränkung nach dieser Vorschrift muss, was ihren Umfang angeht, ebenso ausgelegt werden wie die in Art. 39 Abs. 3 EG für Arbeitnehmer als Angehörige der Europäischen Union vorgesehene Beschränkung, die in fast identischen Worten formuliert ist. Folglich müssen Maßnahmen, die zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Gesundheit getroffen werden, auf das persönliche Verhalten des Betreffenden gestützt sein, und dieses muss eine gegenwärtige Gefahr für die Gesellschaft darstellen(20).

35.      Diese beiden Voraussetzungen, bei deren Vorliegen der Betreffende seine Rechte, die er aus Art. 7 Abs. 1 oder 2 des Beschlusses Nr. 1/80 hergeleitet hat, verliert, sind als abschließende Regelung betrachtet worden. Eine solche Betrachtungsweise liegt dem Urteil Ergat(21) zugrunde. Sie ist ausdrücklich in den Urteilen Cetinkaja, Aydinli und Torun bekräftigt worden; in diesen Rechtssachen stellte sich die Frage, ob der Betreffende infolge einer strafrechtlichen Verurteilung die gemäß Art. 7 Abs. 1 oder 2 erworbenen Rechte verloren hatte.

36.      So hat der Gerichtshof im Urteil Cetinkaja die Auffassung der deutschen Regierung zurückgewiesen, dass die Rechte auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt, die einem türkischen Staatsangehörigen durch diese Bestimmung verliehen würden, nach einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, der sich eine Drogentherapie anschließe, beschränkt werden könnten, weil er während seiner Haft und dann seiner Drogentherapie dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats nicht zur Verfügung gestanden habe.

37.      Er hat entschieden, dass in einem solchen Fall der Betroffene, wenn er nicht das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats während eines erheblichen Zeitraums ohne berechtigten Grund verlassen habe, seine Rechte, die Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 ihm gewährt, nur nach dessen Art. 14 verlieren könne(22).

38.      Die abschließende Natur der beiden genannten Voraussetzungen ist weiter im Urteil Aydinli bestätigt worden, auf das sich das vorlegende Gericht insbesondere bezieht.

39.      Herr Aydinli war ein türkischer Staatsangehöriger, der im Alter von fünfzehn Jahren die Erlaubnis erhalten hatte, zu seinen Eltern nach Deutschland zu ziehen. Er absolvierte dort eine Berufsausbildung und war dann fünf Jahre bei demselben Arbeitgeber beschäftigt. Er war im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis für diesen Mitgliedstaat.

40.      Wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wurde der Betroffene vorläufig festgenommen, in Untersuchungshaft genommen und zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, auf die die Untersuchungshaft angerechnet wurde.

41.      Nachdem er einen Teil seiner Strafe verbüßt hatte, wurde die Vollstreckung ausgesetzt, damit er eine Langzeitdrogentherapie absolvieren konnte, die er erfolgreich abschloss. Die Zeit der Drogentherapie wurde auf die Freiheitsstrafe angerechnet, und die Vollstreckung der Reststrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Seit der Beendigung der Drogentherapie arbeitete Herr Aydinli bei seinem Vater in Deutschland.

42.      Die deutschen Behörden ordneten nach nationalem Recht seine sofortige Ausweisung an; danach ist ein Ausländer, der wegen einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren ohne Bewährung verurteilt worden ist, zwingend auszuweisen.

43.      Das mit der Klage von Herrn Aydinli gegen den Ausweisungsbescheid befasste Gericht legte mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor, um die Vereinbarkeit des Bescheids mit dem des Beschluss Nr. 1/80 prüfen zu können.

44.      Im Urteil Aydinli hat der Gerichtshof zunächst klargestellt, dass die Rechtslage des Betroffenen, obwohl er im Aufnahmemitgliedstaat fünf Jahre bei demselben Arbeitgerber gearbeitet habe, nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 geprüft werden müsse, der eine Lex specialis zugunsten der Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers sei.

45.      Er hat bestätigt, dass die Rechte auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt, die durch diese Vorschrift verliehen würden, unabhängig davon seien, dass der Betroffene im streitigen Zeitraum volljährig sei und nicht mehr in häuslicher Gemeinschaft mit seinen Eltern lebe, sondern im betreffenden Mitgliedstaat ein unabhängiges Leben führe(23).

46.      Er hat zugleich bestätigt, dass diese Rechte von den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats nur in zwei Fällen beschränkt werden könnten, wenn nämlich entweder der Aufenthalt des Migranten in ihrem Zuständigkeitsgebiet durch dessen persönliches Verhalten die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit tatsächlich und schwerwiegend gefährde oder der Betroffene das Hoheitsgebiet dieses Staates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigten Grund verlassen habe(24).

47.      Der Gerichtshof hat daraus den Schluss gezogen, dass Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 es nicht zulässt, dass die Rechte, die einem türkischen Staatsangehörigen in der Lage von Herrn Aydinli durch diese Bestimmung verliehen werden, nach einer Verurteilung zu einer auch mehrjährigen Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zunächst nicht zur Bewährung ausgesetzt war und an die sich eine Langzeitdrogentherapie anschloss, wegen der längeren Abwesenheit dieses Staatsangehörigen vom Arbeitsmarkt beschränkt werden.

48.      Er hat insoweit darauf hingewiesen, dass Art. 7 Abs. 1 erster und zweiter Gedankenstrich den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers Zugang zu einer Beschäftigung gewähre, ihnen jedoch keine Verpflichtung auferlege, eine Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis auszuüben, wie sie in Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses vorgesehen sei(25).

49.      Im Urteil Torun hat der Gerichtshof entschieden, dass die Rechtsprechung, wonach bei einer strafrechtlichen Verurteilung die von Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 verliehenen Rechte auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt nur unter den beiden genannten Voraussetzungen beschränkt werden können, auch auf die Situation von Kindern türkischer Arbeitnehmer übertragen werden könne, die unter Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses fielen(26).

50.      In keinem der bisher genannten Urteile ist Art. 59 des Zusatzprotokolls ausdrücklich erwähnt worden.

II – Der Sachverhalt und das Verfahren im Ausgangsrechtsstreit

51.      Das Ausgangsverfahren, das das vorlegende Gericht bewogen hat, die vorstehend dargestellte Rechtsprechung wegen der in Art. 59 des Zusatzprotokolls geregelten Beschränkung in Frage zu stellen, ist wie folgt abgelaufen.

52.      Herr Derin ist am 30. September 1973 geboren und türkischer Staatsangehöriger. Er ist 1982 zu seinen Eltern nach Deutschland gezogen, wo diese – sein Vater von 1980 bis 1986, seine Mutter von 1971 bis 1995 – einer unselbständigen Tätigkeit nachgingen.

53.      Herr Derin wurde in Deutschland eingeschult und besuchte zunächst von 1982 bis 1988 eine Grundschule, dann von August 1988 bis Juli 1990 eine Berufsschule. Er beendete seine Schulausbildung 1991 mit der Erlangung der mittleren Reife. Im September 1991 begann er eine Ausbildung als Fahrer im Waren- und Personenverkehr.

54.      Zwischen 1991 und 2005 hat der Betroffene mehrere Tätigkeiten als unselbständig Beschäftigter bei mehreren Arbeitgebern oder als Selbständiger ausgeübt. Die Dauer seiner Beschäftigung bei ein und demselben Arbeitgeber lag stets unter einem Jahr. Im Januar 2005 wurde er erneut als Arbeitnehmer eingestellt.

55.      1990 erhielt er eine unbeschränkte Aufenthaltserlaubnis. Im Herbst des Jahres 1994 verließ er die Wohnung seiner Eltern und gründete ein eigenes Heim. Seine Ehefrau, ebenfalls türkische Staatsangehörige, ist im Februar 2002 zu ihm gezogen.

56.      Herr Derin hat mehrere Straftaten begangen. Er wurde 1994, 1996 und 1998 sowie im Februar und August 2002 zu Geldstrafen in der Form von Tagessätzen verurteilt. Am 13. Dezember 2002 wurde er wegen gewerblichen Einschmuggelns von Ausländern im Rahmen einer organisierten Bande zu einer Haftstrafe von 2 Jahren, 8 Monaten und 2 Wochen verurteilt.

57.      Mit Verfügung vom 24. November 2003 wurde er auf unbegrenzte Zeit ausgewiesen. Seine Beschwerde gegen diese Verfügung wurde vom Regierungspräsidium Darmstadt mit Beschluss vom 15. September 2004 zurückgewiesen. Am 5. Oktober 2004 erhob er gegen diesen Beschluss Klage beim Verwaltungsgericht Darmstadt.

58.      Dieses Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof mit Beschluss vom 17. August 2005, der am 26. August 2005 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, um Vorabentscheidung ersucht.

III – Die Vorabentscheidungsfragen

59.      In seinem Vorlagebeschluss vom 17. August 2005 stellt das vorlegende Gericht fest, dass die Ausweisungsverfügung nach nationalem Recht rechtmäßig ergangen sei. Es hat indessen Zweifel, ob diese Verfügung mit den Bestimmungen des Beschlusses Nr. 1/80 vereinbar ist.

60.      Herr Derin, der unter die Vorschriften des Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 falle, habe seine ihm hiernach verliehenen Rechte weder aus dem einen noch aus dem anderen der beiden von der Rechtsprechung zugelassenen Gründe verlieren können. Er habe das deutsche Hoheitsgebiet nicht für einen erheblichen Zeitraum und ohne berechtigten Grund verlassen. Von ihm gehe auch keine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 aus. Allerdings bestünden Zweifel, ob diese beiden Gründe abschließend und erschöpfend seien.

61.      Demgemäß warf das vorlegende Gericht in seinem Vorlagebeschluss vom 17. August 2005 erstens die Frage auf, ob ein türkischer Staatsangehöriger, der als Kind im Wege der Familienzusammenführung zu seinen in der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer beschäftigten Eltern gezogen ist, sein aus dem Recht nach Art. 7 Satz 1 2. Alternative des Beschlusses Nr. 1/80, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, abgeleitetes Aufenthaltsrecht – außer in den Fällen des Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 und bei Verlassen des Aufnahmemitgliedstaates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigten Grund – auch dann verliert, wenn er nach Vollendung des 21. Lebensjahres nicht mehr mit seinen Eltern zusammenlebt und von ihnen keinen Unterhalt erhält.

62.      Zweitens stellte das vorlegende Gericht dem Gerichtshof für den Fall, dass dieser die erste Frage bejahen sollte, die folgende Frage:

Genießt dieser türkische Staatsangehörige trotz des Verlustes der Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich des Beschlusses Nr. 1/80 besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80, wenn er nach Auflösung der familiären Lebensgemeinschaft mit seinen Eltern unregelmäßig unselbständig beschäftigt gewesen ist, ohne durch seine Arbeitnehmereigenschaft eine eigenständige Rechtsposition aus Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 zu erlangen, und über einen Zeitraum von mehreren Jahren ausschließlich eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübte?

63.      Am 21. September 2005 hat das vorlegende Gericht, nachdem ihm das Urteil Aydinli bekannt geworden war, die erste Vorabentscheidungsfrage durch die folgende Frage ersetzt:

Ist es mit Art. 59 des Zusatzprotokolls vereinbar, wenn ein türkischer Staatsangehöriger, der als Kind im Wege der Familienzusammenführung zu seinen in der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer beschäftigten Eltern gezogen ist, sein aus dem Recht nach Art. 7 Satz 1 2. Alternative des Beschlusses Nr. 1/80, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, abgeleitetes Aufenthaltsrecht – außer in den Fällen des Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 und bei Verlassen des Aufnahmemitgliedstaates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe – auch dann nicht verliert, wenn er nach Vollendung des 21. Lebensjahres nicht mehr mit seinen Eltern zusammenlebt und von ihnen keinen Unterhalt erhält?

64.      Es ersucht den Gerichtshof ferner, soweit erforderlich auf die zweite in seinem Vorlagebeschluss vom 17. August 2005 gestellte Vorabentscheidungsfrage einzugehen.

65.      In seinem Berichtigungsbeschluss vom 21. September 2005 erläutert das vorlegende Gericht, dass es Zweifel an der Vereinbarkeit der durch das Urteil Aydinli bestätigten Rechtsprechung mit Art. 59 des Zusatzprotokolls habe, und zwar aus folgenden Gründen.

66.      Art. 59 des Zusatzprotokolls bedeute nach seinem Verständnis, dass türkische Arbeitnehmer aufgrund des Beschlusses Nr. 1/80 nicht über weitere Rechte verfügten, als sie Gemeinschaftsangehörigen der Europäischen Union nach dem Vertrag zustünden. Lasse man indessen zu, dass das aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 abgeleitete Aufenthaltsrecht allein aus den beiden im Urteil Aydinli angeführten Gründen verloren gehen könne, laufe dies darauf hinaus, Familienangehörige eines türkischen Staatsangehörigen besser zu behandeln, als die Familienangehörigen eines der Europäischen Union angehörenden Arbeitnehmers nach dem Vertrag behandelt würden.

67.      Das vorlegende Gericht erinnert insoweit daran, dass gemäß Art. 10 der Verordnung Nr. 1612/68 das Recht der Kinder eines Arbeitnehmers der Gemeinschaft, bei ihm Wohnung zu nehmen, zeitlich begrenzt sei(27). Wenn man daher Herrn Derin zugestehe, sich auf die ihm von Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 verliehenen Rechte zu berufen, obwohl er 31 Jahre alt sei, nicht mehr bei seinen Eltern wohne und auch nicht von ihnen unterhalten werde, würde man ihm damit mehr Rechte zubilligen, als sie dem Kind eines Gemeinschaftsangehörigen als solchem zustünden.

68.      Bei der Würdigung des Geltungsbereichs des Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 dürfe nicht berücksichtigt werden, dass die Kinder von Gemeinschaftsangehörigen berechtigt seien, sich aufgrund der Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit oder anderer aus dem Vertrag abgeleiteter Rechte im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufzuhalten. Der Vergleich dieser beiden Situationen dürfe ausschließlich aufgrund der Rechte erfolgen, die an die Eigenschaft als „Familienangehöriger“ anknüpften.

IV – Untersuchung

A –    Vorbemerkungen

69.      Die italienische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs werfen die Frage auf, ob die Rechtsstellung von Herrn Derin aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 abzuleiten sei, wie das vorlegende Gericht annehme, oder eher aus Abs. 2 dieses Artikels.

70.      Die Situation von Herrn Derin lässt sich durchaus so beschreiben, dass er türkischer Staatsangehöriger ist, der als Kind eines Ehepaars türkischer Migranten, die dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehören, die Erlaubnis erhalten hat, im Wege der Familienzusammenführung zu ihnen in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu ziehen. Unstreitig ist ebenfalls, dass der Betreffende für wenigstens fünf Jahre regelmäßig bei seinen Eltern gewohnt hat.

71.      Herr Derin erfüllt daher alle Voraussetzungen für die Zuerkennung der Rechte auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt gemäß Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80.

72.      Diese Regierungen werfen jedoch die Frage auf, ob die Situation von Herrn Derin nicht eher Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses Nr. 1/80 zuzuordnen sei, der die Lage von Kindern türkischer Arbeitnehmer behandelt, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, denn der Betreffende habe nach den Angaben des vorlegenden Gerichts zum einen vom 6. August 1988 bis zum 15. Juli 1990 eine Berufsschule besucht und zum anderen im September 2001 eine Ausbildung als Lastwagenfahrer begonnen.

73.      Der in Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses Nr. 1/80 verwendete Begriff der „Berufsausbildung“ wird in diesem Beschluss nicht definiert. Seine Bedeutung ist auch vom Gerichtshof nicht bestimmt worden; allerdings hat er das Ziel der Vorschrift, zu der dieser Begriff gehört, herausgearbeitet. Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses Nr. 1/80 stellt nach Auffassung des Gerichtshofs eine gegenüber Abs. 1 günstigere Bestimmung dar, weil sie die Kinder eines türkischen Arbeitnehmers insoweit besonders behandeln wolle, als sie ihnen den Eintritt in den Arbeitsmarkt nach Abschluss einer Berufsausbildung zu erleichtern suche, um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gemäß dem Zweck dieses Beschlusses schrittweise zu verwirklichen(28).

74.      Im Hinblick auf dieses Ziel bin ich der Auffassung, dass der Begriff „Berufsausbildung“ im Sinne des Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses Nr. 1/80 eine vergleichbare Auslegung wie der gleiche Begriff in Art. 150 EG erfahren sollte, weil beide Vorschriften vergleichbare Ziele verfolgen. Art. 150 EG weist nämlich der europäischen Gemeinschaft die Aufgabe zu, die Maßnahmen der Mitgliedstaaten für die berufliche Bildung zu ergänzen, um insbesondere die berufliche Eingliederung und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.

75.      Der Gerichtshof hat den Begriff „Berufsausbildung“ im Sinne des Vertrags weit ausgelegt. So erfasst dieser Begriff nach der Rechtsprechung jede Form der Ausbildung, die auf eine Qualifikation für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Beschäftigung vorbereitet oder die die besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufs oder einer solchen Beschäftigung verleiht, und zwar unabhängig vom Alter und vom Ausbildungsniveau der Schüler und Studenten und selbst dann, wenn der Lehrplan auch allgemeinbildenden Unterricht enthält(29).

76.      Es ist Sache des nationalen Gerichts, das allein für die Tatsachenfeststellung des Ausgangsverfahrens zuständig ist, zu prüfen, ob Herr Derin aufgrund des Besuchs einer Berufsschule vom 6. August 1988 bis zum 15. Juli 1990 und einer Ausbildung als Lastwagenfahrer ab September 2001 eine Berufsausbildung im Aufnahmemitgliedstaat im Sinne von Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses Nr. 1/80 abgeschlossen hat.

77.      Die Frage, ob er unter Abs. 1 oder Abs. 2 des Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 fällt, ist jedoch für die Prüfung der ersten Frage des vorlegenden Gerichts nicht von Bedeutung.

78.      Wir haben nämlich gesehen, dass zwar die beiden Absätze des Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 in ihren Tatbestandsmerkmalen teilweise voneinander abweichen, die Rechte hingegen, die sie dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers gewähren, im Kern und die Voraussetzungen, unter denen diese Rechte verloren gehen können, bei beiden identisch sind. Es handelt sich bei beiden Fallgestaltungen um eigenständige Rechte auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt, die nach der Rechtsprechung fortbestehen, wenn der Betreffende 21 Jahre alt geworden ist und ein selbständiges Leben führt, und die nur gemäß Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 oder dann verloren gehen können, wenn der Betroffene den Aufnahmemitgliedstaat während eines längeren Zeitraums ohne berechtigten Grund verlassen hat.

79.      Soweit das vorlegende Gericht den Gerichtshof nach der Vereinbarkeit des Umfangs der Rechte gemäß Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 mit Art. 59 des Zusatzprotokolls fragt, kann die Antwort auf diese Frage nicht davon abhängen, ob der Betroffene nun unter Abs. 1 oder unter Abs. 2 des Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 fällt.

80.      Ich werde daher die Fragen des vorlegenden Gerichts auf der Grundlage der auch von ihm selbst akzeptierten Prämisse prüfen, dass die Lage von Herrn Derin unter Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 fällt.

B –    Zur ersten Vorabentscheidungsfrage

81.      Mit seiner ersten Vorabentscheidungsfrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen, unter denen die Rechte des volljährigen Kindes, die Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 ihm zuerkennt, beschränkt werden können, nicht gegen die Beschränkung verstößt, wie sie das Zusatzprotokoll vorsieht. Es will im Kern wissen, ob die Rechtsprechung, nach der ein türkischer Staatsangehöriger, der im Rahmen der Familienzusammenführung als Kind in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingereist ist, sein Aufenthaltsrecht in diesem Staat, das eine Ergänzung seines Rechts auf freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn‑ oder Gehaltsverhältnis gemäß Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 ist, nur in zwei Fällen verliert, nämlich bei Sachverhalten, die unter Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 fallen, oder wenn er das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats während eines erheblichen Zeitraums ohne berechtigten Grund verlässt, selbst wenn er 21 Jahre oder älter ist und nicht mehr von seinen Eltern unterhalten wird, mit Art. 59 des Zusatzprotokolls vereinbar ist.

82.      Die deutsche und die italienische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs machen geltend, diese Rechtsprechung verstoße gegen Art. 59, weil der Umfang der Rechte, die Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers zuerkenne, der gleiche sein müsse wie der der Rechte, die dem Kind eines Arbeitnehmers der Gemeinschaft auf der Grundlage der Art. 10 und 11 der Verordnung Nr. 1612/68(30) zukämen. Da diese Vorschriften nur für Kinder gälten, die noch nicht 21 Jahre alt oder unterhaltsberechtigt seien, stünden einem türkischen Kind, das älter als 21 Jahre sei und im Aufnahmemitgliedstaat nicht mehr von seinen Eltern unterhalten werde, die Rechte auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt nach dem Beschluss Nr. 1/80 nicht mehr zu.

83.      Diese Regierungen stützen sich insoweit auf den Standpunkt von Generalanwalt Geelhoed in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Ayaz(31), der für die Rechte, die dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers gemäß Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 verliehen werden, folgende Auslegung vorgeschlagen hat. Seiner Meinung nach müssen drei Fälle unterschieden werden:

–        Dem Kind wird auch als Volljährigem noch vom Arbeitnehmer Unterhalt gewährt, z. B. wenn es auf Kosten seiner Eltern studiert: Dann fällt es weiterhin unter Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80.

–        Das Kind arbeitet auf dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats: Dann leitet es eigene Rechte aus Art. 6 des Beschlusses her.

–        Das Kind arbeitet (noch) nicht, und ihm wird auch vom Arbeitnehmer kein Unterhalt gewährt. In diesem Fall verliert das Kind grundsätzlich seine Rechte aufgrund des Beschlusses Nr. 1/80, und sein Zugang zum Arbeitsmarkt bestimmt sich nach dem nationalen Recht.

84.      Nach dieser Auffassung soll Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers lediglich Rechte gewähren, die aus seinem Status als Familienangehöriger dieses Arbeitnehmers hergeleitet sind und die enden, wenn es 21 Jahre alt wird und es diesem gegenüber nicht mehr unterhaltsberechtigt ist.

85.      Die genannten Regierungen berufen sich ebenfalls auf das Urteil Ayaz, in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass der Begriff „Familienangehöriger“ in Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 dieselbe Bedeutung habe wie der gleiche Begriff in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1612/68.

86.      Die Regierung des Vereinigten Königreichs vertritt die Auffassung, dass die Rechtsprechung zugleich aus dem folgenden Grund gegen Art. 59 des Zusatzprotokolls verstoße.

87.      Im Urteil Aydinli habe der Gerichtshof bekanntlich den ersten und zweiten Gedankenstrich von Art. 7 Abs. 1 dahin ausgelegt, dass sie den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers ein Recht auf Beschäftigung gewährten, ihnen aber keine Verpflichtung auferlegten, einer entgeltlichen Tätigkeit nachzugehen, wie in Art. 6 Abs. 1 dieses Beschlusses vorgesehen. Diese Rechtsprechung gewähre in Verbindung mit der Rechtsprechung zu den beiden Voraussetzungen, unter denen die Rechte aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 eingeschränkt werden könnten, den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers vorteilhaftere Rechte, als sie den Familienangehörigen eines Arbeitnehmers der Gemeinschaft und den Arbeitnehmern der Gemeinschaft selbst zustünden.

88.      So verfügten die Familienangehörigen eines Arbeitnehmers der Gemeinschaft nicht über ein allgemeines Recht auf unbegrenzten Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats.

89.      Die Regierung des Vereinigten Königreichs verweist insoweit darauf, dass sie sich weiterhin auf Dauer in diesem Staat aufhalten dürften, wenn die in Art. 2 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 der Kommission(32) genannten Voraussetzungen erfüllt seien, und dass ähnliche Voraussetzungen zu beachten seien, wenn der Gemeinschaftsangehörige als Selbständiger tätig gewesen sei.

90.      Auch die Richtlinie 2004/38 schaffe kein solches allgemeines Recht.

91.      Art. 6 dieser Richtlinie sehe für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen ein Aufenthaltsrecht von nur drei Monaten vor; danach sei dieses Recht davon abhängig, dass man Mitglied der Familie eines unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigen sei(33), oder von anderen Voraussetzungen, wie sie in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bis d der Richtlinie vorgesehen seien(34).

92.      Dem Familienangehörigen eines Gemeinschaftsangehörigen könne nach dessen Wegzug oder Tod unter den Voraussetzungen des Art. 12 der Richtlinie 2004/38 persönlich ein Aufenthaltsrecht zustehen, wenn er seinerseits die Voraussetzungen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a bis d erfülle oder wenn er ein Daueraufenthaltsrecht erworben habe. Ein solches Daueraufenthaltsrecht stehe außer in besonderen Fällen dem Unionsbürger zu, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten habe, sowie seinen Familienangehörigen, die sich während des gleichen Zeitraums mit ihm dort aufgehalten hätten(35).

93.      Zum Aufenthaltsrecht eines Arbeitnehmers der Gemeinschaft sei daran zu erinnern, dass dieses Recht von der Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit abhänge. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne dieses Aufenthaltsrecht nur unter bestimmten Voraussetzungen wie etwa der Suche nach einer neuen Beschäftigung und nur für begrenzte Zeit fortbestehen. Selbst ein Gemeinschaftsangehöriger habe daher kein allgemeines Recht auf unbegrenzten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, um dort später nach Belieben einer Beschäftigung nachzugehen(36).

94.      Anders als die deutsche und die italienische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs steht die Kommission auf dem Standpunkt, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Umfang der Rechte des Kindes eines türkischen Arbeitnehmers nach Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 nicht gegen Art. 59 des Zusatzprotokolls verstoße.

95.      Ich teile diesen Standpunkt der Kommission. Zur Rechtfertigung meiner Auffassung werde ich zunächst die Gründe darlegen, aus denen die zeitliche Geltung der Rechte des Kindes eines türkischen Arbeitnehmers gemäß Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 meines Erachtens nicht allein im Hinblick auf Art. 10 und 11 der Verordnung Nr. 1612/68, sondern unter Berücksichtigung auch der Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ermittelt werden muss.

96.      Ich werde zweitens darlegen, dass die Rechtsprechung zum Umfang der dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers gemäß Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 zugestandenen Rechte dieses nicht allgemein günstiger behandelt als einen Arbeitnehmer der Gemeinschaft.

97.      Drittens werde ich zeigen, dass unter den besonderen Umständen des Ausgangsverfahrens die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen, unter denen die aus Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 abgeleiteten Rechte beschränkt werden können, einem türkischen Staatsangehörigen in der Lage von Herrn Derin keine Rechte zubilligt, die weiter gingen als die, die einem Gemeinschaftsangehörigen zustehen.

1.      Die zeitliche Geltung der Rechte gemäß Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 darf nicht allein unter Hinweis auf die Art. 10 und 11 der Verordnung Nr. 1612/68, sondern muss unter Berücksichtigung auch der Bestimmungen des Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ermittelt werden

98.      Ich bin der Meinung, dass der von der deutschen und der italienischen Regierung sowie der Regierung des Vereinigten Königreichs vertretene Standpunkt, die zeitliche Geltung der Rechte des Kindes eines türkischen Arbeitnehmers gemäß Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 müsse genau dieselbe sein wie bei den Rechten, die dem Kind eines Arbeitnehmers der Gemeinschaft nach Art. 10 und 11 der Verordnung Nr. 1612/68 zustehen, aus den folgenden Gründen nicht haltbar ist.

99.      Zunächst findet diese sehr restriktive Auslegung der Rechte aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 im Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften keine Stütze.

100. So steht fest, dass Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 keinerlei Hinweis darauf enthält, dass er dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers lediglich aus seiner Stellung als Familienangehöriger dieses Arbeitnehmers abgeleitete Rechte gewährte, die enden müssten, wenn das Kind 21 Jahre alt wird und ein selbständiges Leben führt.

101. Die gleiche Feststellung ist geboten, was Art. 59 des Zusatzprotokolls betrifft. Dieser Artikel bestimmt lediglich in sehr allgemeinen Wendungen, dass in den von diesem Protokoll erfassten Bereichen der „Republik Türkei“ keine günstigere Behandlung gewährt werden dürfe als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten untereinander auf Grund des Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft einräumten.

102. Es ist gewiss nicht zu bestreiten, dass diese Vorschrift, obwohl sie nur von der „Republik Türkei“ spricht, so zu verstehen ist, dass sie eine Grenze für den Umfang der Rechte vorgibt, die türkischen Staatsangehörigen aufgrund des Zusatzprotokolls zugestanden werden können. Der Bereich der Freizügigkeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Türkei wird von diesem Protokoll abgedeckt, weil er in den Vorschriften des Titels II dieses Protokolls, insbesondere in seinem Art. 36, geregelt ist.

103. Ich weise zugleich darauf hin, dass der Beschluss Nr. 1/80 bezweckt, die in Art. 12 des Assoziierungsabkommens und Art. 36 des Zusatzprotokolls vorgesehene schrittweise Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten und der Türkei in Anlehnung an die Vertragsbestimmungen über diese Grundfreiheit ins Werk zu setzen. Es steht ebenfalls fest, dass der Assoziationsrat seine Entscheidungsbefugnis in den Grenzen seiner Ermächtigung auszuüben hat.

104. Daraus lässt sich mithin ableiten, dass gemäß Art. 59 des Zusatzprotokolls die den türkischen Staatsangehörigen insgesamt, also den Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen, durch den Beschluss Nr. 1/80 gewährten Rechte nicht günstiger sein dürfen als die Rechte, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten und ihren Familienangehörigen auf der Grundlage der Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zustehen, von denen sich leiten zu lassen die Assoziierungspartner vereinbart haben.

105. Es scheint mir indessen nicht möglich, aus der Allgemeinheit der in Art. 59 dieses Protokolls verwendeten Ausdrücke abzuleiten, dass der Umfang der dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers durch Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 verliehenen Rechte ausschließlich im Hinblick auf die Art. 10 und 11 der Verordnung Nr. 1612/68 zu bestimmen wäre, so dass diese Rechte enden müssten, wenn das Kind 21 Jahre alt wird und ein eigenständiges Leben führt.

106. Eine solche Auslegung der Bedeutung des Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 würde zudem gegen das mit diesem Beschluss geschaffene System verstoßen. In Art. 6 Abs. 1 dieses Beschlusses heißt es nämlich ausdrücklich, dass diese Vorschrift „[v]orbehaltlich der Bestimmungen in Art. 7“ gelte.

107. Wie der Gerichtshof im Urteil Aydinli entschieden hat(37), lässt sich dieser Wendung eindeutig entnehmen, dass Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 Lex specialis für die Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers ist. Art. 6 dieses Beschlusses soll daher nur Anwendung finden, wenn der Betreffende nicht in der Lage ist, sich auf die Rechte aus Art. 7 Abs. 1 und 2 dieses Beschlusses zu berufen.

108. Ein Verständnis, wonach das Kind eines türkischen Arbeitnehmers, sobald es 21 Jahre alt geworden ist und ein eigenständiges Leben führt, nicht mehr von Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 und gegebenenfalls nur von Art. 6 dieses Beschlusses erfasst wird, verstößt gegen die Nachrangigkeit der letztgenannten Vorschrift.

109. Schließlich bin ich der Auffassung, dass der Standpunkt der deutschen und der italienischen Regierung sowie der Regierung des Vereinigten Königreichs gegen die Zwecke des Zusatzprotokolls verstößt, zu dem Art. 59 gehört.

110. Wie wir gesehen haben, sieht das Zusatzprotokoll in seinem Art. 36 vor, dass die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Türkei in Anlehnung an die Vertragsbestimmungen über diese Freizügigkeit zwischen dem Ende des zwölften und dem Ende des zweiundzwanzigsten Jahres nach dem Inkrafttreten des genannten Abkommens schrittweise hergestellt wird. Es steht auch fest, dass das Assoziierungsabkommen bezweckt, einen Beitritt der Republik Türkei zur Europäischen Union tatsächlich möglich zu machen.

111. Prüft man die Vorschriften der Verordnung Nr. 1612/68, die zur Durchführung der Vertragsbestimmungen auf dem Gebiet der Freizügigkeit erlassen wurde, so ist festzustellen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber es für eine effektive Ausübung dieses Rechts auf Freizügigkeit durch die Angehörigen der Gemeinschaft als notwendig angesehen hat, für sie nicht nur das Recht auf Familienzusammenführung, sondern auch die Integration der Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat zu sichern.

112. Nach dem fünften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1612/68 ist, wie auch der Gerichtshof mehrfach in Erinnerung gerufen hat, die bestmögliche Integration der Familie eines Arbeitnehmers der Gemeinschaft im Aufnahmemitgliedstaat geboten, damit das im Vertrag verankerte Recht auf Freizügigkeit nach objektiven Maßstäben in Freiheit und Menschenwürde wahrgenommen werden kann(38).

113. Die Verordnung Nr. 1612/68 begründet somit in ihrem Art. 10 ein Recht des Ehegatten sowie der Verwandten absteigender Linie des Arbeitnehmers, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird, bei diesem zu wohnen. In Art. 11 wird ebenfalls das Recht dieser Familienangehörigen dieses Arbeitnehmers anerkannt, jedwede Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis im gesamten Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats auszuüben, in dem dieser selbst tätig ist. Schließlich wird in Art. 12 das Recht der Kinder dieses Arbeitnehmers begründet, am allgemeinen Unterricht sowie an der Berufsausbildung unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats teilzunehmen.

114. Das Recht auf Integration der Familienangehörigen des Arbeitnehmers der Gemeinschaft im Aufnahmemitgliedstaat umfasst folglich nicht nur das Recht, bei ihm in diesem Staat zu wohnen und dort am Unterricht teilzunehmen, sondern auch das Recht auf freien Zugang zur Beschäftigung.

115. Gewiss sind die Rechte, die die Verordnung Nr. 1612/68 den Familienangehörigen dieses Arbeitnehmers gewährt, daraus abgeleitet, dass der Arbeitnehmer sein Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 39 EG ausgeübt hat. Diese Rechte enden grundsätzlich dann, wenn die in Art. 10 dieser Verordnung genannten Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind, d. h. bei einem Kind, wenn es 21 Jahre alt wird und von seinen Eltern nicht mehr unterhalten wird.

116. Diese Grenzen des Umfangs der Rechte des Kindes eines Arbeitnehmers der Gemeinschaft nach der Verordnung Nr. 1612/68 müssen indessen, wie die Kommission klargestellt hat, im Licht des Umstands verstanden werden, dass das Kind, wenn es 21 Jahre alt geworden ist und nicht mehr von seinen Eltern unterhalten wird, selbst über eigenständige Rechte nach dem Vertrag und den zu seiner Durchführung erlassenen Rechtsakten verfügt.

117. Das Kind eines Arbeitnehmers der Gemeinschaft kann sich nämlich insbesondere auf das in Art. 39 EG verankerte Grundrecht der Freizügigkeit berufen, wonach es sich im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhalten darf, um dort eine Beschäftigung auszuüben oder eine Tätigkeit zu suchen. Er kann auch nach Beendigung einer Beschäftigung dort verbleiben.

118. Angesichts der Geltung dieser eigenständigen Rechte konnte sich der Gemeinschaftsgesetzgeber in der Verordnung Nr. 1612/68 darauf beschränken, nur die Rechte zu nennen, die allein aus der Eigenschaft als Familienangehöriger eines Arbeitnehmers, der der Gemeinschaft angehört, abgeleitet sind. Die bestmögliche Integration des Kindes eines Arbeitnehmers der Gemeinschaft im Aufnahmemitgliedstaat, die in dieser Verordnung durch die Gewährung von Rechten gewährleistet wird, die aus seiner Stellung als Familienangehöriger abgeleitet sind, kann dadurch fortgesetzt werden, dass dieses Kind die eigenständigen Rechte ausübt, die ihm die Bestimmungen des Vertrags gewähren.

119. Nach alldem bin ich der Meinung, dass das Ziel der Integration der türkischen Staatsangehörigen und ihrer Familienangehörigen, das der Assoziation der Mitgliedstaaten und Republik Türkei zugrunde liegt, es verbietet, die zeitliche Geltung der Rechte, die dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers durch Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 gewährt werden, auf diejenigen der Rechte zu begrenzen, die gemäß Art. 10 und 11 der Verordnung Nr. 1612/68 dem Kind eines Arbeitnehmers der Gemeinschaft zustehen.

120. Ginge man nämlich davon aus, dass das Kind eines türkischen Arbeitnehmers, wenn es 21 Jahre alt und nicht mehr von seinen Eltern unterhalten wird, seine Rechte aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 verlöre und lediglich die in Art. 6 dieses Beschlusses geregelten abgestuften Rechte beanspruchen dürfte, so würde dies dazu führen, dass die türkischen Staatsangehörigen ungeachtet dessen, seit wann und in welcher Generation sie im Aufnahmemitgliedstaat anwesend sind, dort keine umfangreicheren Rechte hätten als die erste Generation von Migranten.

121. Das hätte zur Folge, dass das Aufenthaltsrecht des Kindes eines türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat aufgrund des Beschlusses Nr. 1/80 stets unsicher und zeitlich begrenzt wäre, selbst wenn es dort geboren ist und sein gesamtes Berufsleben dort verbracht hat, weil dieses Recht enden würde, wenn das Kind Opfer eines Arbeitsunfalls mit der Folge dauernder Arbeitsunfähigkeit würde oder wenn es Altersrente beantragen würde(39).

122. Die Unsicherheit und zeitliche Begrenzung der Rechte, die den türkischen Staatsangehörigen bei einer solchen Auslegung des Beschlusses Nr. 1/80 ohne Rücksicht darauf zuerkannt würden, in welcher Generation sie im Aufnahmemitgliedstaat leben und welche Bindungen sie zu diesem haben, würde es ihnen nicht ermöglichen, sich in diesem Staat bestmöglich zu integrieren.

123. Zu Recht hat daher meines Erachtens der Gerichtshof entschieden, dass Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers eigenständige Rechte verleiht, die auch dann noch bestehen, wenn es 21 Jahre alt geworden ist und ein selbständiges Leben führt.

124. Diese Betrachtungsweise wird durch das Urteil Ayaz, auf das sich die deutsche und die italienische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs für ihren Standpunkt berufen, nicht entkräftet.

125. In diesem Urteil hat sich der Gerichtshof zu der Frage geäußert, ob der Stiefsohn eines türkischen Arbeitnehmers als dessen Familienangehöriger im Sinne von Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 zu betrachten ist, um so die in dieser Vorschrift gewährten Rechte beanspruchen zu können. Bei der Beantwortung dieser Frage hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass auf die Bedeutung des Begriffs „Familienangehöriger“ in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1612/68 abzustellen sei(40).

126. Dieser Hinweis auf die Bedeutung dieser Vorschrift ist daher meines Erachtens so zu verstehen, dass der Geltungsbereich des Begriffs „Familienangehöriger“ im Sinne der Verordnung Nr. 1612/68, was das erforderliche und für die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ausreichende Verwandtschaftsverhältnis betrifft, für das Assoziierungsabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und der Republik Türkei übernommen werden soll. Dieser Hinweis soll nicht die Rechtsprechung zur Selbständigkeit der Rechte in Frage stellen, die gemäß Art. 7 Abs. 1 und 2 des Beschlusses Nr. 1/80 einem Familienangehörigen erwachsen, der die in diesen Vorschriften genannten Voraussetzungen erfüllt.

127. Das wird meines Erachtens dadurch belegt, dass diese Rechtsprechung in den Urteilen Cetinkaya, Aydinli und Torun bestätigt worden ist, die alle nach dem Urteil Ayaz ergangen sind.

128. Schließlich würde die Begrenzung der Rechte nach Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 auf die Rechte nach Art. 10 der Verordnung Nr. 1612/68 meines Erachtens gegen das in der Präambel des Assoziierungsabkommens genannte und in Art. 28 des Abkommens bekräftigte Ziel verstoßen, den Beitritt der Republik Türkei zur Europäischen Union zu erleichtern, wenn diese in der Lage sein wird, die Verpflichtungen aus dem Vertrag vollständig zu übernehmen.

129. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die Parteien des Abkommens, um diesen Beitritt tatsächlich möglich zu machen, übereingekommen sind, untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, und zu diesem Zweck vereinbart haben, sich dabei von den Vertragsbestimmungen über diese Grundfreiheit leiten zu lassen.

130. Aus diesem Ziel und aus der ausdrücklichen Verweisung auf die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit können wir ableiten, dass die Ermittlung des Umfangs der Rechte türkischer Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen nach dem Beschluss Nr. 1/80 die Entwicklung der Rechte berücksichtigen muss, die Gemeinschaftsangehörigen zustehen. Diese Berücksichtigung erscheint nämlich in der Tat notwendig, um es den türkischen Staatsangehörigen, die die im Rahmen der Assoziierung vorgesehenen Rechte ausgeübt haben, zu ermöglichen, beim Beitritt unter den bestmöglichen Bedingungen die Rechte zu beanspruchen, die den Gemeinschaftsangehörigen der Union zustehen.

131. Die Vorbereitung des Beitritts der Republik Türkei zur Union sollte mit anderen Worten verhindern, dass der Abstand zwischen den Rechten der türkischen Staatsangehörigen, die von der im Assoziierungsabkommen vorgesehenen Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, und den Rechten, die den Gemeinschaftsangehörigen der Mitgliedstaaten zusteht, größer wird.

132. Es steht fest, dass Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht, die ursprünglich im Vertrag für Arbeitnehmer und Selbständige vorgesehen waren, schrittweise von der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit losgelöst worden sind, um allgemein für alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats zu gelten. Diese Evolution war zunächst das Werk von Richtlinien(41). Sie ist dann mit dem am 1. November 1993 in Kraft getretenen Vertrag über die Europäische Union fortgesetzt worden, der den Status des Unionsbürgers geschaffen und Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht in sämtlichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu einem Recht ausgestaltet hat, das jedem Bürger unmittelbar vom Vertrag gewährt wird(42).

133. Sie hat eine neue Entwicklung mit der Richtlinie 2004/38 genommen, für deren Umsetzung die Frist am 30. April 2006 abgelaufen ist und die den Unionsbürgern nach einer Dauer von fünf Jahren regelmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats ein ständiges Aufenthaltsrecht in diesem Gebiet verleiht, das von keiner anderen Voraussetzung abhängig ist(43).

134. Angesichts dieser Evolution würde es dem Ziel, den Beitritt der Republik Türkei zur Europäischen Union zu erleichtern, nicht entsprechen, wenn man den Kindern türkischer Arbeitnehmer, die die in Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 genannten Voraussetzungen erfüllen, die Rechte aus dieser Bestimmung entzöge, wenn sie 21 Jahre alt werden und nicht mehr von ihren Eltern unterhalten werden, und sie in die gleiche Lage versetzte wie die erste Migrantengeneration.

135. Eine solche systematische Zurückversetzung der Kinder türkischer Arbeitnehmer auf „Los“ bei der Integration im Aufnahmemitgliedstaat scheint mir umso weniger gerechtfertigt zu sein, als auch die Lage von Angehörigen von Drittstaaten, mit denen die Gemeinschaft kein Abkommen abgeschlossen hat, eine beträchtliche Verbesserung erfahren hat.

136. Die Richtlinie 2003/109/EG des Rates(44), die im Geist der Erklärung des Europäischen Rates auf seiner Sondertagung in Tampere am 15. und 16. Oktober 1999(45) erlassen wurde, schafft zugunsten der Angehörigen von Drittstaaten, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats rechtmäßig während einer Dauer von fünf Jahren Wohnung genommen haben, den Status von langfristig und dauerhaft Aufenthaltsberechtigten, aufgrund dessen sie in mehreren Bereichen Gleichbehandlung mit den Angehörigen dieses Staates erfahren. Es handelt sich insbesondere um den Zugang zu einer unselbstständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit, die allgemeine und die berufliche Bildung, die soziale Sicherheit, die Sozialhilfe und den Sozialschutz, steuerliche Vergünstigungen sowie den Zugang zu Waren und Dienstleistungen für die Öffentlichkeit und zu Verfahren für den Erhalt von Wohnraum(46).

137. Mit dieser Evolution wäre es also nicht vereinbar, wenn die Rechte, die dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers von dem Assoziierungsabkommen verliehen werden, das vor mehr als vierzig Jahren abgeschlossen wurde, weniger günstig wären als die, in deren Genuss künftig die Angehörigen jedes anderen Drittlands kommen können, die sich fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufgehalten haben. Die Tatsache, dass das Assoziierungsabkommen schon früher abgeschlossen wurde, und das Ziel der Erleichterung des Beitritts der Republik Türkei zur Europäischen Union müssten dazu führen, dass die türkischen Staatsangehörigen, die von den im Assoziierungsabkommen vorgesehenen Rechten Gebrauch gemacht haben, eine Zwischenstellung zwischen Unionsbürgern und Angehörigen von Drittländern einnehmen.

138. Aus diesem Grund bin ich der Auffassung, dass die Rechte, die dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers durch Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 gewährt werden, nicht ausschließlich nach Maßgabe der Rechte, die speziell dem Kind eines Arbeitnehmers der Gemeinschaft durch die Art. 10 und 11 der Verordnung Nr. 1612/68 verliehen werden, festgelegt werden dürfen, sondern ebenfalls unter Beachtung der Regeln des Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, an denen sich auszurichten die Parteien des Assoziierungsabkommens übereingekommen sind, sowie der Akte des abgeleiteten Rechts, die zu deren Durchführung erlassen wurden.

2.      Die Rechtsprechung zum Umfang der aus Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 abgeleiteten Rechte führt nicht dazu, dass dem Kind eines türkischen Staatsangehörigen allgemein Rechte verliehen würden, die weiter gingen als die, die einem Arbeitnehmer der Gemeinschaft aufgrund des Vertrags zustehen.

139. Untersucht man allgemein den Umfang der eigenständigen Rechte, die dem Kind eines türkischen Staatsangehörigen durch Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 gewährt werden, so stellt man fest, dass diese Rechte spürbare Nachteile im Vergleich zu denen aufweisen, die einem Arbeitnehmer der Gemeinschaft nach den Regeln des Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und den zu deren Durchführung erlassenen Akten des abgeleiteten Rechts zustehen.

140. Diese Nachteile betreffen erstens den räumlichen Geltungsbereich der Rechte auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt, zweitens das Recht auf Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat und drittens die Voraussetzungen, unter denen die Rechte in diesem Staat beschränkt werden können.

141. Zum ersten Punkt ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die von Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 gewährten Rechte auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt auf den Aufnahmemitgliedstaat beschränkt sind. Anders als ein Arbeitnehmer der Gemeinschaft genießt der Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers keine Freizügigkeit innerhalb der Union, um ein Stellenangebot anzunehmen und im Mitgliedstaat seiner Wahl zu wohnen(47).

142. Das Kind eines türkischen Staatsangehörigen, das eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat annehmen möchte, würde sich aufgrund des Beschlusses Nr. 1/80 in der Lage eines Migranten der ersten Generation befinden und könnte in diesem Staat lediglich die durch Art. 6 dieses Beschlusses gewährten abgestuften Rechte in Anspruch nehmen. Seine Einreise in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaats ist dessen nationalen Rechtsvorschriften unterworfen. Nach ständiger Rechtsprechung greifen nämlich die Vorschriften über die Assoziation zwischen der Gemeinschaft und der Republik Türkei der Befugnis der Mitgliedstaaten nicht vor, Vorschriften über die Einreise türkischer Staatsangehöriger sowie die Voraussetzungen für deren erste Beschäftigung festzulegen(48).

143. Dieser Nachteil wird zwar durch die Richtlinie 2003/109 abgemildert, die den Staatsangehörigen von Drittländern, die die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem Mitgliedstaat innehaben, das Recht eingeräumt, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zu verweilen, um dort insbesondere einer abhängigen oder unabhängigen Tätigkeit nachzugehen oder andere Ziele zu verfolgen(49). Allerdings haben die Rechte, die den Angehörigen von Drittländern damit zugestanden werden, einen geringeren Umfang als die Rechte der Unionsbürger(50).

144. Ebenso darf angenommen werden, dass das Kind eines türkischen Arbeitnehmers aus Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 kein Recht auf Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat ableiten kann. Die Einreise seines Ehegatten, seiner Kinder und anderer Familienangehöriger in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats bleibt, wenn diese Staatsangehörige von Drittländern sind, dem nationalen Recht unterworfen.

145. Gewiss ist der Aufnahmemitgliedstaat gehalten, seine Befugnisse in diesem Bereich unter Achtung der Grundrechte auszuüben, wie sie insbesondere in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und in den anderen von ihm unterzeichneten internationalen Übereinkommen enthalten sind. Der in diesen Übereinkommen und insbesondere in Art. 8 EMRK vorgesehene Familienschutz stellt indessen kein Recht auf Familienzusammenführung sicher, das dem vergleichbar wäre, das in der Verordnung Nr. 1612/68 und der Richtlinie 2003/38 geregelt ist(51).

146. Gleiches gilt für die Richtlinie 2003/86/EG des Rates(52). Zwar bestehen für das Recht auf Familienzusammenführung der Angehörigen von Drittstaaten künftig zusätzliche Garantien, weil diese Richtlinie den Mitgliedstaaten aufgibt, in verschiedenen Fällen die Familienzusammenführung solcher Staatsangehöriger zuzulassen, ohne dass sie ihre Ermessensbefugnis ausüben können(53), doch versetzen diese Garantien zugunsten der Staatsangehörigen von Drittstaaten diese nicht in eine Lage, die derjenigen der Unionsbürger gleichwertig wäre.

147. Schließlich ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Voraussetzungen, unter denen die aus Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 abgeleiteten Rechte beschränkt werden können, ein zusätzlicher Beschränkungsgrund gegenüber dem, der einem Gemeinschaftsangehörigen entgegen gehalten werden kann. Zusätzlich zu der für beide Sachverhalte geltenden Beschränkungen, dass der Aufenthalt des Betreffenden aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit beendet werden kann, verliert der türkische Staatsangehörige seine Rechte auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, wenn er diesen für einen erheblichen Zeitraum ohne berechtigten Grund verlässt.

148. In einem solchen Fall muss der Betreffende, wenn er erneut in dem Mitgliedstaat, in dem er sich aufgehalten hat, Wohnung nehmen will, einen Antrag an dessen Behörden stellen, um die Erlaubnis zu erhalten, erneut bei dem türkischen Arbeitnehmer, dessen Familienangehöriger er ist, Wohnung zu nehmen, falls er noch die Voraussetzungen gemäß Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 erfüllt, oder gemäß Art. 6 dieses Beschlusses dort eine Beschäftigung aufzunehmen(54).

149. Nach alldem bin ich der Meinung, dass die Auslegung des Art. 7 Abs. 1 und 2 des Beschlusses Nr. 1/80 durch den Gerichtshof, wonach diese Vorschriften dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers eigenständige Rechte auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt verleihen, die fortbestehen, wenn das Kind 21 Jahre alt wird und ein selbständiges Leben führt, nicht gegen Art. 59 des Zusatzprotokolls verstößt. Diese Vorschrift rechtfertigt es mithin nicht, die Rechtsprechung zur zeitlichen Geltung der Rechte, die dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers nach Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 zustehen, in Frage zu stellen.

150. Die von der Regierung des Vereinigten Königreichs vorgetragenen Argumente scheinen mir keinen entgegengesetzten Standpunkt zu rechtfertigen.

151. Diese Regierung weist darauf hin, dass im Urteil Aydinli entschieden worden sei, dass Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers Zugang zu einer Beschäftigung gewähre, ihnen jedoch keine Verpflichtung auferlege, eine Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis auszuüben. Nach dem Vorbringen dieser Regierung könnte diese Auslegung zusammen mit der Rechtsprechung, wonach das Aufenthaltsrecht nach dieser Vorschrift nur in den in Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 vorgesehenen Fällen oder aber bei längerer Abwesenheit ohne berechtigten Grund verloren gehen könne, dazu führen, dass das Kind eines türkischen Arbeitnehmers besser gestellt wäre als ein Gemeinschaftsangehöriger.

152. Die Regierung des Vereinigten Königreichs scheint beispielhaft auf den Fall des arbeitsfähigen Kindes eines türkischen Arbeitnehmers anzuspielen, das sich nicht um eine Arbeit bemüht und es darauf ankommen lässt, den Systemen des Sozialschutzes des Aufnahmemitgliedstaats zur Last zu fallen.

153. Der Umstand indessen, dass die einschlägige Rechtsprechung in Einzelfällen dazu führen könnte, einen türkischen Staatsangehörigen besser zu stellen als einen Gemeinschaftsangehörigen, kann es nicht rechtfertigen, die zeitlichen Geltung der Rechte, die gemäß Art. 7 dem Kind eines türkischen Arbeitnehmers zustehen, ganz allgemein in Frage zu stellen. Sollte ein solcher Sachverhalt einmal festgestellt werden, könnte Art. 59 des Zusatzprotokolls auf der Ebene der Voraussetzungen, bei deren Vorliegen diese Rechte beschränkt werden können, einen zusätzlichen Beschränkungsgrund erforderlich machen.

154. Nicht die zeitliche Geltung der Rechte nach Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80, sondern die Ausschließlichkeit der beiden Voraussetzungen, unter denen diese Rechte nach der Rechtsprechung beschränkt werden können, wäre daher gegebenenfalls zu überdenken, um Art. 59 des Zusatzprotokolls gerecht zu werden.

155. Jedenfalls stelle ich fest, dass dies unter den Umständen des Ausgangsverfahrens nicht erforderlich ist.

3.      Die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen, unter denen die aus Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 abgeleiteten Rechte beschränkt werden können, gewährt einem türkischen Staatsangehörigen in der Lage von Herrn Derin keine Rechte, die weiter gingen als die, die einem Gemeinschaftsangehörigen zustehen

156. Nach der einschlägigen Rechtsprechung kann Herr Derin, der den Aufnahmemitgliedstaat nicht für einen erheblichen Zeitraum ohne berechtigten Grund verlassen hat, die Rechte, die er aus Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 für sich ableitet, nur gemäß Art. 14 dieses Beschlusses verlieren.

157. Im Übrigen ist den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge der Betreffende regelmäßig einer wirtschaftlichen Tätigkeit in Deutschland nachgegangen und hat nach Verbüßung seiner Haftstrafe eine Beschäftigung gefunden. Er befindet sich daher nicht in der von der Regierung des Vereinigten Königreichs ins Auge gefassten Lage einer Person, die keine Beschäftigung sucht und es darauf ankommen lässt, dem Sozialhilfesystem des Aufnahmemitgliedstaats zur Last zu fallen.

158. Ein Gemeinschaftsangehöriger, der sich in einer vergleichbaren Lage befände wie Herr Derin, könnte nur aufgrund von Art. 38 Abs. 3 EG aus dem Aufnahmemitgliedstaat ausgewiesen werden.

159. Wie dargelegt sind die Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 mit denen für die Anwendung des Art. 39 Abs. 3 EG nahezu identisch(55). Herr Derin verfügt daher insoweit nicht über Rechte, die weiter gingen als die, die einem Gemeinschaftsangehörigen aufgrund des Vertrags zustehen.

160. Nach alledem schlage ich als Antwort auf die erste Vorabentscheidungsfrage vor, dass die Rechtsprechung, nach der ein türkischer Staatsangehöriger, der als Kind in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen der Familienzusammenführung eingereist ist, sein Aufenthaltsrecht in diesem Staat als Ergänzung des Rechts auf freien Zugang zu jeder Beschäftigung seiner Wahl, das er aus Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 ableitet, nur in zwei Fällen verliert, auch wenn er 21 Jahre oder älter ist und nicht mehr von seinen Eltern unterhalten wird, nämlich zum einen unter den in Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 vorgesehenen Voraussetzungen oder zum anderen, wenn er das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats für einen erheblichen Zeitraum ohne berechtigten Grund verlässt, mit Art. 59 des Zusatzprotokolls vereinbar ist.

C –    Zur zweiten Vorabentscheidungsfrage

161. Mit der zweiten Vorabentscheidungsfrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Kind eines türkischen Arbeitnehmers noch den besonderen Schutz von Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 in Anspruch nehmen könnte, falls auf die erste Frage geantwortet würde, dass dieses Kind nicht mehr unter Art. 7 Abs. 1 dieses Beschlusses fällt, wenn es 21 Jahre alt geworden ist und nicht mehr von seinen Eltern unterhalten wird, und es sich auch nicht auf Art. 6 dieses Beschlusses berufen kann.

162. Da ich vorgeschlagen habe, die Rechtsprechung zu bestätigen, dass das Kind eines türkischen Arbeitnehmers die Rechte, die es aus Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 für sich ableitet, nicht verliert, wenn es 21 Jahre alt wird und nicht mehr von seinen Eltern unterhalten wird, halte ich es nicht für nötig, die zweite Vorabentscheidungsfrage zu prüfen.

V –    Ergebnis

163. Demgemäß schlage ich vor, wie folgt auf die vom Verwaltungsgericht Darmstadt vorgelegten Fragen zu antworten:

Die Rechtsprechung, dass ein türkischer Staatsangehöriger, der als Kind in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen der Familienzusammenführung eingereist ist, sein Aufenthaltsrecht in diesem Staat als Ergänzung des Rechts auf freien Zugang zu jeder Beschäftigung seiner Wahl, das er aus Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 ableitet, nur in zwei Fällen verliert, auch wenn er 21 Jahre oder älter ist und nicht mehr von seinen Eltern unterhalten wird, nämlich zum einen unter den in Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 vorgesehenen Voraussetzungen oder zum anderen, wenn er das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats für einen erheblichen Zeitraum ohne berechtigten Grund verlässt, ist mit Art. 59 des am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichneten und im Namen der Gemeinschaft durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. September 1972 geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls vereinbar.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Der Assoziationsrat wurde durch das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnete Abkommen errichtet. Dieses Abkommen wurde durch den Beschluss 64/372 des Rates vom 23. Dezember 1963 „im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt“ (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685) (im Folgenden: Assoziierungsabkommen).


3 – Der Beschluss Nr. 1/80 kann in Assoziierungsabkommen und Protokolle EWG–Türkei sowie andere Basisdokumente, Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, Brüssel, 1992, eingesehen werden.


4 – Rechtssache C‑373/03 (Slg. 2005, I‑6181, Randnr. 27).


5 – Protokoll, unterzeichnet in Brüssel am 23. November 1970 und im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 (ABl. L 293, S. 1) (im Folgenden: Zusatzprotokoll).


6 – Verordnung vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2).


7 – Nach Änderung jetzt Art. 39 EG.


8 – Nach Änderung jetzt Art. 40 EG.


9 – Jetzt Art. 41 EG.


10 – Art. 2 und 3 des Beschlusses Nr. 2/76.


11 – Vgl. zu Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 Urteile vom 20. September 1990, Sevince (C‑192/89, Slg. 1990, I‑3461, Randnr. 26) und vom 19. November 2002, Kurz (C‑188/00, Slg. 2002, I‑10691, Randnr. 26), zu Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Urteile vom 17. April 1997, Kadiman (C‑351/95, Slg. 1997, I‑2133, Randnr. 28) und vom 22. Juni 2000, Eyüp (C‑65/98, Slg. I‑4747, Randnr. 25) sowie zu Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses Urteile vom 5. Oktober 1994, Eroglu (C‑355/93, Slg. I‑5113, Randnr. 17) und vom 16. Februar 2006, Torun (C‑502/04, Slg. I‑1563, Randnr. 19). Der Beschluss Nr. 1/80 ist ebenso wie der Beschluss Nr. 2/76 nicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden. Der Gerichtshof hat entschieden, dass diese fehlende Veröffentlichung zwar der Begründung von Verpflichtungen für den Einzelnen entgegenstehen mag, sie ihm jedoch nicht die Möglichkeit nimmt, sich gegenüber einer Behörde auf die ihm durch diese Beschlüsse zuerkannten Rechte zu berufen (Urteil Sevince, Randnr. 24).


12 – Urteil vom 30. September 2004, Ayaz (C‑275/02, Slg. I‑8765, Randnr. 45).


13 – Urteil Ayaz (zitiert in Fn. 12, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).


14 – Vgl. zu Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 Urteile vom 16. März 2000, Ergat (C‑329/97, Slg. 2000, I‑1487, Randnr. 40), vom 11. November 2004, Cetinkaya (C‑467/02, Slg.2004, I‑10895, Randnr. 31) sowie Aydinli (zitiert in Fn. 4, Randnrn. 25 und 26), zu Art. 7 Abs. 2 dieses Beschlusses Urteil vom 19. November 1998, Akman (C‑210/97, Slg. 1998, I‑7519, Randnr. 44).


15 – Urteile Ergat (zitiert in Fn. 14, Randnr. 27) und Torun (zitiert in Fn. 11, Randnrn. 27 und 28).


16 – Vgl. zu Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 Urteil Cetinkaya (zitiert in Fn. 14, Randnr. 31); zu Art. 7 Abs. 2 dieses Beschlusses Urteil Torun (zitiert in Fn. 11, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch zu Art. 6 dieses Beschlusses Urteil Kurz (zitiert in Fn. 11, Randnr. 27).


17 – Ebda.


18 – Urteil Ergat (zitiert in Fn. 14, Randnr. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


19 – Ebda. (Randnr. 46).


20 – Urteil Cetinkaya (zitiert in Fn. 14, Randnrn. 43 und 44).


21 – Randnrn. 46 bis 49.


22 – Urteil Cetinkaya (zitiert in Fn. 14, Randnr. 38).


23 – Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung.


24 – Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung.


25 – Randnr. 29.


26 – Urteil Torun (zitiert in Fn. 11, Randnrn. 24 bis 26). Herr Torun, ein in Deutschland geborener türkischer Staatsangehöriger und Sohn eines türkischen Arbeitnehmers, der mehr als drei Jahre in diesem Mitgliedstaat gearbeitet hatte, hatte dort eine Ausbildung als Mechaniker erhalten und war wegen Raubes und rechtswidrigen Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden.


27 – Art. 10 der Verordnung Nr. 1612/68 bestimmt:


„(1) Bei dem Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, dürfen folgende Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit Wohnung nehmen:


a) sein Ehegatte sowie die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird;


b) seine Verwandten und die Verwandten seines Ehegatten in aufsteigender Linie, denen er Unterhalt gewährt.


(2) Die Mitgliedstaaten begünstigen den Zugang aller nicht in Abs. 1 genannten Familienangehörigen, denen der betreffende Arbeitnehmer Unterhalt gewährt oder mit denen er im Herkunftsland in häuslicher Gemeinschaft lebt.


(3) Voraussetzung für die Anwendung der Abs. 1 und 2 ist, dass der Arbeitnehmer für seine Familie über eine Wohnung verfügt, die in dem Gebiet, in dem er beschäftigt ist, den für die inländischen Arbeitnehmer geltenden normalen Anforderungen entspricht; diese Bestimmung darf nicht zu Diskriminierungen zwischen den inländischen Arbeitnehmern und den Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten führen.“


28 – Urteil Torun (zitiert in Fn. 11, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).


29 – Urteil vom 30. Mai 1989, Kommission/Rat (242/87, Slg 1989, 1425, Randnr. 24).


30 – Art. 11 der Verordnung Nr. 1612/68 lautet:


„Der Ehegatte eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit ausübt, sowie die Kinder dieses Staatsangehörigen, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen er Unterhalt gewährt, haben, selbst wenn sie nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, das Recht, im gesamten Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats irgendeine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis auszuüben.“


31 – Nr. 52 der Schlussanträge.


32 – Verordnung vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben (ABl. L 142, S. 24). Diese Verordnung ist mit Wirkung vom 30. April 2006 durch die Verordnung (EG) Nr. 635/2006 der Kommission vom 25. April 2006 aufgehoben worden. Diese Aufhebung war dadurch gerechtfertigt, dass die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77) die Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit der Bürger der Union in einem einzigen Text zusammengefasst hat. In ihrem Art. 17 übernimmt diese Richtlinie den Kern der Vorschriften der Verordnung Nr. 1251/70, ändert sie ab und verleiht den Aufenthaltsberechtigten eine stärker privilegierte Rechtsstellung, d. h. das Recht auf Daueraufenthalt.


33 – Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und d der Richtlinie 2004/38.


34 – Art. 7 überträgt jedem Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten, wenn er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen (Buchst. b) oder wenn er zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung eingeschrieben ist und über einen Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel wie zuvor genannt verfügt (Buchst. c). Art. 7 Abs. 1 Buchst. d dieser Richtlinie dehnt dieses Recht auf einen Familienangehörigen aus, der den Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstabens a, b oder c erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.


35 – Art. 16 der Richtlinie 2004/38.


36 – Die Regierung des Vereinigten Königreichs verweist insoweit auf die Urteile vom 26. Februar 1991, Antonissen (C‑292/89, Slg. 1991, I‑745, Randnr. 21), vom 20. Februar 1997, Kommission/Belgien (C‑344/95, Slg. 1997, I‑1035, Randnr. 17) und vom 23. März 2004, Collins (C‑138/02, Slg. 2004, I‑2703, Randnr. 37).


37 – Randnr. 19.


38 – Vgl. u. a. Urteil vom 17. September 2002, Baumbast und R (C‑413/99, Slg. 2002, I‑7091, Randnr. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).


39 – Ein türkischer Staatsangehöriger kann sich nicht mehr auf ein Aufenthaltsrecht im Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats auf der Grundlage des Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 berufen, wenn er das Rentenalter erreicht hat oder wegen eines Arbeitsunfalls vollständig und dauernd arbeitsunfähig geworden ist. Nach Auffassung des Gerichtshofs hat er in einem solchen Fall den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats endgültig verlassen, so dass das beanspruchte Aufenthaltsrecht keine Verbindung mit einer – und sei es künftigen – Arbeitstätigkeit mehr aufweist (Urteil vom 6. Juni 1995, Bozkurt, C‑434/93, Slg. 1995, I‑1475, Randnrn. 39 und 40). In dem Urteil vom 23. Januar 1997, Tetik (C‑171/95, Slg. 1997, I‑329, Randnrn. 40 bis 42 und 46) hat der Gerichtshof entschieden, dass ein türkischer Arbeitnehmer die Rechte, die ihm Art. 6 verleiht, dann verliert, wenn er seine Beschäftigung kündigt und nicht innerhalb einer vernünftigen Frist die erforderlichen Schritte zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses unternimmt. Er hat diese Rechtsauffassung im Urteil vom 10. Februar 2000, Nazli (C‑340/97, Slg. 2000, I‑957, Randnrn. 44 und 49) bestätigt.


40 – Urteil Ayaz (zitiert in Fn. 12, Randnr. 45).


41 – Richtlinien 90/364/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht (ABl. L 180, S. 26), 90/365/EWG des Rates vom 28, Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätigen (ABl. L 180, S. 28) sowie 93/96/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 über das Aufenthaltsrecht der Studenten (ABl. L 317, S. 59).


42 – Art. 18 Abs. 1 EG; vgl. zur Auslegung dieses Artikels Urteil Baumbast und R (zitiert in Fn. 38, Randnr. 81).


43 – Art. 16 der Richtlinie 2004/38.


44 – Richtlinie vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. 2004, L 16, S. 44). Diese Richtlinie findet Anwendung vorbehaltlich günstigerer Bestimmungen der bilateralen und multilateralen Übereinkünfte zwischen der Gemeinschaft oder der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Drittländern andererseits (Art. 3 Abs. 3 Buchst. a). Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie bis spätestens zum 23. Januar 2006 in Kraft (Art. 26 Abs. 1).


45 – Dieser Erklärung ist zu entnehmen, dass die Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen derjenigen der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten angenähert werden sollte und dass einer Person, die sich während eines noch zu bestimmenden Zeitraums in einem Mitgliedstaat rechtmäßig aufgehalten hat und einen langfristigen Aufenthaltstitel besitzt, in diesem Mitgliedstaat eine Reihe einheitlicher Rechte gewährt werden sollte, die denjenigen der Unionsbürger so nah wie möglich sind (zweiter Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/109).


46 – Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109.


47 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Tetik (zitiert in Fn. 39, Randnr. 29).


48 – Urteile Ergat (zitiert in Fn. 14, Randnr. 35), vom 11. Mai 2000, Savas (C‑37/98, Slg. 2000, I‑2927, Randnrn. 58 und 65); und vom 21. Oktober 2003, Abatay u. a. (C‑317/01 und C‑369/01, Slg. 2003, I‑12301, Randnrn. 63 und 65).


49 – Art. 14 der Richtlinie 2003/109.


50 – Vgl. insoweit die in den Art. 14 und 15 der Richtlinie 2003/109 aufgeführten Voraussetzungen.


51 – Vgl. insbesondere Urteile des EGMR Gül c. Schweiz vom 19. Februar 1996, Recueil des arrêts et décisions, 1996-I, S. 174, § 38; Ahmut c. Niederlande vom 28. November 1996, Recueil des arrêts et décisions, 1996-VI, S. 2031, § 63, sowie Sen c. Niederlande vom 21. Dezember 2001, § 31.


52 – Richtlinie vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251, S. 12). Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten ist am 3. Oktober 2005 abgelaufen.


53 – Vgl. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2003/86.


54 – Urteil Ergat (zitiert in Fn. 14, Randnr. 49).


55 – Urteil Cetinkaya (zitiert in Fn. 14, Randnrn. 43 und 44).