SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 13. Juli 20061(1)

Rechtssache C-316/05

Nokia Corp.

gegen

Joacim Wärdell






1.        Diese Vorlage des schwedischen Högsta domstol (Oberstes Gericht) betrifft die Auslegung des Artikels 98 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke(2) (im Folgenden: Verordnung).

 Die Verordnung

2.        Artikel 1 der Verordnung bestimmt:

„(1) Die entsprechend den Voraussetzungen und Einzelheiten dieser Verordnung eingetragenen Marken für Waren oder Dienstleistungen werden nachstehend Gemeinschaftsmarken genannt.

(2) Die Gemeinschaftsmarke ist einheitlich. Sie hat einheitliche Wirkung für die gesamte Gemeinschaft: Sie kann nur für dieses gesamte Gebiet eingetragen oder übertragen werden oder Gegenstand eines Verzichts oder einer Entscheidung über den Verfall der Rechte des Inhabers oder die Nichtigkeit sein, und ihre Benutzung kann nur für die gesamte Gemeinschaft untersagt werden. Dieser Grundsatz gilt, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist.“

3.        Artikel 9 der Verordnung sieht, soweit hier erheblich, vor:

„(1) Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

a)      ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;

(2) Sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden:

a)      das Zeichen auf Waren … anzubringen;

…“

4.        Nach Artikel 91 Absatz 1 der Verordnung haben die Mitgliedstaaten für ihre Hoheitsgebiete eine möglichst geringe Anzahl von „Gemeinschaftsmarkengerichten“ erster und zweiter Instanz zu benennen. Gemäß Artikel 92 haben die Gemeinschaftsmarkengerichte für alle Klagen wegen Verletzung einer Gemeinschaftsmarke ausschließlich zuständig zu sein.

5.        Artikel 98 Absatz 1 der Verordnung bestimmt:

„Stellt ein Gemeinschaftsmarkengericht fest, dass der Beklagte eine Gemeinschaftsmarke verletzt hat oder zu verletzen droht, so verbietet es dem Beklagten, die Handlungen, die die Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, fortzusetzen, sofern dem nicht besondere Gründe entgegenstehen. Es trifft ferner nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass dieses Verbot befolgt wird.“

 Das TRIPs‑Übereinkommen

6.        Artikel 41 Absatz 1 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (im Folgenden: TRIPs‑Übereinkommen)(3) sieht vor:

„Die Mitglieder stellen sicher, dass die in diesem Teil aufgeführten Durchsetzungsverfahren in ihrem Recht vorgesehen werden, um ein wirksames Vorgehen gegen jede Verletzung von unter dieses Übereinkommen fallenden Rechten des geistigen Eigentums einschließlich Eilverfahren zur Verhinderung von Verletzungshandlungen und Rechtsbehelfe zur Abschreckung von weiteren Verletzungshandlungen zu ermöglichen …“

7.        Artikel 44 Absatz 1 des TRIPs‑Übereinkommens bestimmt:

„Die Gerichte sind befugt, gegenüber einer Partei anzuordnen, dass eine Rechtsverletzung zu unterlassen ist, unter anderem um zu verhindern, dass eingeführte Waren, die eine Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums mit sich bringen, unmittelbar nach der Zollfreigabe in die in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Vertriebswege gelangen. Die Mitglieder sind nicht verpflichtet, diese Befugnisse auch in Bezug auf einen geschützten Gegenstand zu gewähren, der von einer Person erworben oder bestellt wurde, bevor sie wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass der Handel mit diesem Gegenstand die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums nach sich ziehen würde.“

8.        Artikel 61 des TRIPs‑Übereinkommens sieht vor:

„Die Mitglieder sehen Strafverfahren oder Strafen vor, die zumindest bei vorsätzlicher Nachahmung von Markenwaren oder vorsätzlicher unerlaubter Herstellung urheberrechtlich geschützter Waren in gewerbsmäßigem Umfang Anwendung finden. Die vorgesehenen Sanktionen umfassen zur Abschreckung ausreichende Haft‑ und/oder Geldstrafen entsprechend dem Strafmaß, das auf entsprechend schwere Straftaten anwendbar ist. In geeigneten Fällen umfassen die vorzusehenden Sanktionen auch die Beschlagnahme, die Einziehung und die Vernichtung der rechtsverletzenden Waren und allen Materials und aller Werkzeuge, die überwiegend dazu verwendet wurden, die Straftat zu begehen. Die Mitglieder können Strafverfahren und Strafen für andere Fälle der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorsehen, insbesondere wenn die Handlungen vorsätzlich und in gewerbsmäßigen Umfang begangen werden.“

9.        Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sind die nationalen Gerichte bei der Anwendung ihrer nationalen Rechtsvorschriften im Rahmen der Anordnung der Maßnahmen zum Schutz von Rechten, die zu einem Bereich gehören, auf den das TRIPs‑Übereinkommen anwendbar ist und in dem die Gemeinschaft bereits Rechtsvorschriften erlassen hat, wie es beim Markenrecht der Fall ist, aufgrund des Gemeinschaftsrechts verpflichtet, so weit wie möglich dem Wortlaut und dem Zweck der in Rede stehenden Bestimmungen des TRIPs‑Übereinkommens Rechnung zu tragen(4).

 Einschlägiges nationales Recht

10.      Nach § 37 des schwedischen Markengesetzes(5) ist eine Markenrechtsverletzung, die vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt, mit einer Geldbuße oder einer Freiheitsstrafe zu ahnden.

11.      § 37a dieses Gesetzes sieht vor, dass das Gericht auf Antrag des Warenzeicheninhabers und der Androhung einer Geldbuße demjenigen, der die Warenzeichenverletzung begeht, deren Fortsetzung verbieten kann.

 Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen

12.      Die Nokia Corporation (im Folgenden: Nokia) erhob beim Tingsrätt Stockholm (Bezirksgericht Stockholm, im Folgenden: Tingsrätt) Klage gegen Herrn Wärdell und machte eine Verletzung ihrer Gemeinschaftsmarke „Nokia“ geltend. Sie behauptete, Herr Wärdell habe nach Schweden Klebeetiketten eingeführt, die zur Befestigung an Mobiltelefonen bestimmt seien und die Marke „Nokia“ trügen(6).

13.      Der Tingsrätt war der Auffassung, dass Herr Wärdell die Aufkleber nach Schweden habe einführen lassen und dass sein Handel mit den Aufklebern im objektiven Sinne eine Markenrechtsverletzung dargestellt habe. Dieses Gericht vertrat die Auffassung, dass die Gefahr bestehe, dass er erneut eine Verletzung begehen werde. Es sprach daher ein Verbot der Fortsetzung der Verletzung unter Androhung einer Geldbuße aus.

14.      Herr Wärdell focht dieses Urteil beim Svea hovrätt (Berufungsgericht) an. Er trug u. a. vor, dass kein Anlass für die Befürchtung bestehe, dass sich die Verletzung wiederholen könne, da die Verwendung der Marke „Nokia“ weder vorsätzlich noch fahrlässig erfolgt sei.

15.      Der Svea hovrätt bestätigte die Feststellung des Tingsrätt, dass Herr Wärdell objektiv das Markenrecht verletzt habe und dass von einer gewissen Gefahr auszugehen sei, dass er dies wieder tun könne. Da Herr Wärdell bisher keine Markenrechtsverletzung begangen habe und ihm etwas anderes als Fahrlässigkeit nicht zur Last gelegt werden könne, bestand jedoch nach Auffassung des Svea hovrätt kein Grund, die Einfuhr der Aufkleber als Teil einer fortgesetzten Markenrechtsverletzung anzusehen. Allein der Umstand, dass nicht völlig ausgeschlossen werden könne, dass er sich in der Zukunft einer erneuten Verletzung der Markenrechte der Firma Nokia schuldig machen könnte, könne ein mit einer Geldbuße bewährtes Verbot nicht rechtfertigen. Der Svea hovrätt hob das Urteil des Tingsrätt daher auf und wies die Klage der Firma Nokia ab.

16.      Die Firma Nokia focht das Urteil beim vorlegenden Gericht an. Sie trug vor, dass bereits der Umstand, dass Herr Wärdell die Markenrechte objektiv verletzt habe, für den Erlass des beantragten Verbots ausreiche, und macht geltend, dass auf jeden Fall die Gefahr bestehe, dass Herr Wärdell sich einer fortgesetzten Verletzung schuldig machen werde.

17.      Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass es in dem Streit zwischen den Parteien darum gehe, ob Artikel 98 der Verordnung eine Verpflichtung enthalte, ein Verbot zu erlassen und mit der Androhung einer Geldbuße zu verbinden, das über § 37a des Markengesetzes hinausgehe. Es hat daher folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist das Erfordernis der besonderen Gründe in Artikel 98 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke so zu verstehen, dass ein Gericht, das feststellt, dass der Beklagte eine Gemeinschaftsmarke verletzt hat, ungeachtet sonstiger Umstände von einem besonderen Verbot der fortgesetzten Verletzung absehen kann, wenn es zu der Auffassung gelangt, dass die Gefahr einer fortgesetzten Verletzung nicht offensichtlich oder auf andere Weise nur begrenzt besteht?

2.      Ist das Erfordernis der besonderen Gründe in Artikel 98 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke so zu verstehen, dass ein Gericht, das feststellt, dass der Beklagte eine Gemeinschaftsmarke verletzt hat, auch dann, wenn ein solcher Grund für das Absehen von einem Verbot der fortgesetzten Verletzung im Sinne der Frage 1 nicht vorliegt, deshalb von diesem Verbot absehen kann, weil klar ist, dass eine fortgesetzte Verletzung von einem generellen gesetzlichen Verbot der Verletzung nach nationalem Recht erfasst wird und dem Beklagten im Fall einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen fortgesetzten Verletzung eine strafrechtliche Sanktion auferlegt werden kann?

3.      Sind, falls Frage 2 verneint wird, in einem solchen Fall besondere Maßnahmen, z. B. die Verknüpfung des Verbots mit der Androhung einer Geldbuße, zu treffen, um sicherzustellen, dass das Verbot eingehalten wird, auch wenn klar ist, dass eine fortgesetzte Verletzung von einem generellen gesetzlichen Verbot der Verletzung nach nationalem Recht erfasst wird und dem Beklagten im Fall einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen fortgesetzten Verletzung eine strafrechtliche Sanktion auferlegt werden kann?

4.      Gilt, falls Frage 3 bejaht wird, dies auch, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen besonderen Maßnahme bei einer entsprechenden Verletzung einer nationalen Marke nicht als gegeben angesehen werden?

18.      Schriftliche Erklärungen sind von der Firma Nokia, Herrn Wärdell, der französischen Regierung und der Kommission eingereicht worden. Eine mündliche Verhandlung ist nicht beantragt und auch nicht durchgeführt worden.

 Die erste Frage

19.      Die erste Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob das Erfordernis der besonderen Gründe in Artikel 98 Absatz 1 der Verordnung bedeutet, dass ein Gericht, das feststellt, dass der Beklagte eine Gemeinschaftsmarke verletzt hat, ungeachtet sonstiger Umstände vom Erlass eines besonderen Verbots der fortgesetzten Verletzung absehen kann, wenn es zu der Auffassung gelangt, dass die Gefahr einer fortgesetzten Verletzung nicht offensichtlich oder in gewissem Sinne nur begrenzt besteht.

20.      Die Firma Nokia, die französische Regierung und die Kommission sind der Ansicht, dass diese Frage zu verneinen sei. Ich stimme dem zu.

21.      Herr Wärdell vertritt die entgegengesetzte Auffassung. Er trägt vor, sowohl der Wortlaut als auch die Systematik der Verordnung sprächen für eine Bejahung der ersten Frage. Darüber hinaus sei Ziel der Verordnung die Förderung des freien Warenverkehrs. Geschäftliche Transaktionen dürften daher nicht unnötigerweise beschränkt werden.

22.      Meines Erachtens sprechen der Wortlaut und die Systematik der Verordnung ganz im Gegenteil für eine Verneinung der Frage.

23.      Erstens ist Artikel 98 Absatz 1 der Verordnung zwingend formuliert. Es heißt dort: Hat der Beklagte eine Gemeinschaftsmarke verletzt, so verbietet das Gericht. Diese Formulierung spiegelt das in Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung niedergelegte grundlegende Recht des Markeninhabers wider, eine Verletzung zu verbieten. Stellt ein Gericht fest, dass der Beklagte eine Gemeinschaftsmarke verletzt hat, so muss es daher als allgemeine Regel eine fortgesetzte Verletzung verbieten. Daraus folgt, dass ein Gericht nur als Ausnahme von dieser allgemeinen Regel, wenn „besondere Gründe“ vorliegen, kein Verbot aussprechen kann. Der Begriff „besondere Gründe“ ist daher eng auszulegen.

24.      Zweitens heißt es in der Präambel der Verordnung: „Die Entscheidung über die Gültigkeit und die Verletzung der Gemeinschaftsmarke müssen sich wirksam auf das gesamte Gebiet der Gemeinschaft erstrecken, da nur so widersprüchliche Entscheidungen der Gerichte und des Markenamtes und eine Beeinträchtigung des einheitlichen Charakters der Gemeinschaftsmarke vermieden werden können.“(7) Wie die Firma Nokia, die französische Regierung und die Kommission vortragen, ist eine einheitliche Auslegung des Artikels 98 Absatz 1 der einzige Weg, um diese Ziele zu erreichen. Eine Einschätzung des Grads der Gefahr, dass die Verletzung fortgesetzt werden wird, wie es vom Högsta domstol vorgeschlagen wird, wird notwendigerweise zu unterschiedlichen Ergebnissen in den verschiedenen Mitgliedstaaten führen. Da es ein tragender Grundsatz ist, dass die Gemeinschaftsmarke überall in der Gemeinschaft den gleichen Schutz genießen sollte, kann eine Einschätzung der Gefahr niemals einen „besonderen Grund“ darstellen, der ein nationales Gericht dazu berechtigen würde, kein Verbot auszusprechen. Darüber hinaus bestehen offensichtliche praktische Schwierigkeiten dabei, den Beweis für die Gefahr zukünftiger Handlungen zu erbringen. Wäre die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Verletzung eine Vorbedingung für den Erlass eines Verbots, so würde dies die Markeninhaber einem Nachteil und einer Gefahr aussetzen, durch die ihr ausschließliches Recht an ihrer Gemeinschaftsmarke ausgehöhlt würde.

25.      Es mag sein, dass in Ausnahmefällen das Ausmaß der Gefahr einer fortgesetzten Verletzung einen von einer Reihe von Umständen darstellen kann, die – zusammengenommen – in der Tat „besondere Gründe“ im Sinne von Artikel 98 Absatz 1 darstellen können. Die Frage des vorlegenden Gerichts betrifft jedoch spezifisch nur das Ausmaß der Gefahr einer fortgesetzten Verletzung „ungeachtet sonstiger Umstände“(8).

26.      Es trifft natürlich zu, dass, wie Herr Wärdell vorträgt, eines der Hauptziele der Verordnung die Förderung des freien Warenverkehrs ist(9). Es ist jedoch nur schwer zu erkennen, wie der freie Warenverkehr durch einen starken und einheitlichen Schutz der Gemeinschaftsmarke gegen Verletzung beeinträchtigt werden könnte(10). Darüber hinaus verknüpft die Verordnung das Ziel der Förderung des freien Warenverkehrs damit, dass sie Gemeinschaftsmarken vorsieht, „die einen einheitlichen Schutz genießen und im gesamten Gebiet der Gemeinschaft wirksam sind“(11).

27.      Schließlich darf nicht vergessen werden, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die angebliche Verletzung darin besteht, ein Zeichen, das mit der Gemeinschaftsmarke identisch ist, auf Waren anzubringen, die mit denen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, der Schutz der Gemeinschaftsmarke absolut ist(12). Unter derartigen Umständen sollte die Ausnahme grundsätzlich überhaupt nicht gelten. Allenfalls könnte sie vielleicht gelten, wenn es für den Beklagten materiell unmöglich ist, die Verletzung zu wiederholen, z. B. (um die von Nokia angegebenen Beispiele zu übernehmen) wenn es sich bei dem Beklagten um eine Gesellschaft handelt, die abgewickelt worden ist, oder wenn die betreffende Marke erloschen ist.

28.      Ich bin dementsprechend der Ansicht, dass das Erfordernis der besonderen Gründe in Artikel 98 Absatz 1 der Verordnung nicht erfüllt ist, wenn ein Gericht, das feststellt, dass der Beklagte eine Gemeinschaftsmarke verletzt hat, von einem besonderen Verbot der fortgesetzten Verletzung allein deshalb absieht, weil es der Auffassung ist, dass die Gefahr einer fortgesetzten Verletzung nicht offensichtlich oder auf andere Weise nur begrenzt besteht.

 Die zweite Frage

29.      Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob das Erfordernis der besonderen Gründe in Artikel 98 Absatz 1 der Verordnung bedeutet, dass ein Gericht, das feststellt, dass der Beklagte eine Gemeinschaftsmarke verletzt hat, auch dann, wenn ein solcher Grund für das Absehen von einem Verbot der fortgesetzten Verletzung im Sinne der Frage 1 nicht vorliegt, dennoch von diesem Verbot absehen kann, weil klar ist, dass eine fortgesetzte Verletzung von einem generellen gesetzlichen Verbot der Verletzung nach nationalem Recht erfasst wird und dem Beklagten im Fall einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen fortgesetzten Verletzung eine strafrechtliche Sanktion auferlegt werden kann.

30.      Die Firma Nokia, die französische Regierung und die Kommission tragen vor, dass diese Frage zu verneinen sei. Herr Wärdell vertritt die entgegengesetzte Auffassung, auch wenn er dazu nichts vorträgt, sondern lediglich auf sein Vorbringen zur ersten Frage Bezug nimmt.

31.      Erneut teile ich die erstgenannte Auffassung.

32.      Wie die französische Regierung zu Recht vorträgt, kann eine generelle nationale Rechtsvorschrift per definitionem kein „besonderer“ Grund sein. Bei natürlichem Verständnis bedeutet dieser Begriff, dass der Grund ein besonderer in Bezug auf einen Einzelfall sein sollte, was wiederum darauf hindeutet, dass er sich normalerweise auf Tatsachen und nicht auf das Recht beziehen sollte. Die Mitgliedstaaten haben in jedem Fall nach den Artikeln 44 Absatz 1 und 61 des TRIPs‑Übereinkommens zivilrechtliche und strafrechtliche Sanktionen einschließlich eines Verbots für eine Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorzusehen. Das Bestehen von Sanktionen nach nationalem Recht kann daher kein besonderer Grund dafür sein, ein Verbot gemäß Artikel 98 Absatz 1 nicht auszusprechen. Den Erlass eines Verbots gemäß Artikel 98 Absatz 1 mit der Begründung abzulehnen, dass das nationale Recht eine Sanktion vorsehe, würde die Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften vom nationalen Recht abhängig machen. Dies wiederum würde sowohl dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts als auch dem einheitlichen Charakter der Verordnung zuwiderlaufen. Auch würde es im Ergebnis Artikel 98 Absatz 1 inhaltsleer werden lassen.

33.      Darüber hinaus kann eine Maßnahme, durch die eine Verletzung verboten wird, wie die nach Artikel 98 Absatz 1 vorgeschriebene, unter bestimmten Umständen für den Markeninhaber wirkungsvoller sein als ein generelles Verbot einer Verletzung, selbst wenn dieses mit der Androhung einer Geldbuße verbunden ist. Die französische Regierung trägt als Beispiel vor, dass nach französischem Recht eine spezifische Anordnung, durch die eine Verletzung verboten wird, den Markeninhaber dazu berechtigt, die Zollbehörden und die Polizei darum zu ersuchen, die Begehung der verbotenen Handlungen zu verhindern, ohne dass er deshalb ein neues Verfahren in Bezug auf die neue Verletzung in Gang setzen müsste (was Zeit in Anspruch nehmen und Geld kosten würde).

34.      In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass – so die Firma Nokia – die in § 37a des schwedischen Markengesetzes vorgesehene Geldbuße keine notwendige Folge einer Verletzung ist. Vielmehr erfordert sie einen gesonderten Antrag des Markeninhabers und den Nachweis, dass die Verletzung vorsätzlich oder die Folge grober Fahrlässigkeit ist. Wenn dies wirklich der Fall ist, so ist der durch diese Rechtsvorschriften gebotene Schutz offensichtlich nicht mit dem in Artikel 98 Absatz 1 geregelten Schutz vergleichbar, der, ich wiederhole, ausdrücklich erfordert, dass eine Anordnung, durch die eine fortgesetzte Verletzung verboten wird, die normale gerichtliche Antwort auf die Feststellung einer Verletzung sein sollte.

35.      Ich bin dementsprechend der Ansicht, dass das Erfordernis der besonderen Gründe in Artikel 98 Absatz 1 der Verordnung nicht erfüllt ist, wenn ein Gericht, das feststellt, dass der Beklagte eine Gemeinschaftsmarke verletzt hat, vom Erlass eines Verbots einer fortgesetzten Verletzung nur deshalb absieht, weil eine fortgesetzte Verletzung von einem generellen gesetzlichen Verbot der Verletzung nach nationalem Recht erfasst wird und dem Beklagten im Fall einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen fortgesetzten Verletzung eine strafrechtliche Sanktion auferlegt werden kann.

 Die dritte und die vierte Frage

36.      Es ist angebracht, diese Fragen zusammen zu prüfen.

37.      Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts, die sich nur stellt, wenn die zweite Frage, wie ich es vorschlage, verneint wird, besteht darin, ob besondere Maßnahmen, z. B. die Verknüpfung des Verbots mit der Androhung einer Geldbuße, zu treffen sind, um sicherzustellen, dass das Verbot eingehalten wird, auch wenn i) eine fortgesetzte Verletzung von einem generellen gesetzlichen Verbot der Verletzung nach nationalem Recht erfasst wird und ii) dem Beklagten im Fall einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen fortgesetzten Verletzung eine strafrechtliche Sanktion auferlegt werden kann.

38.      Die vierte Frage des vorlegenden Gerichts, die es für den Fall stellt, dass die dritte Frage bejaht wird, geht dahin, ob dies auch gilt, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen besonderen Maßnahme bei einer entsprechenden Verletzung einer nationalen Marke nicht als gegeben angesehen werden.

39.      Die Firma Nokia, die französische Regierung und die Kommission tragen vor, dass die dritte und die vierte Frage zu bejahen seien. Ich stimme dem zu.

40.      Herr Wärdell vertritt die entgegengesetzte Auffassung. Er verweist auf Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung, wonach „die Verletzung einer Gemeinschaftsmarke dem für die Verletzung nationaler Marken geltenden Recht [unterliegt]“, und trägt vor, dass dann, wenn das nationale Recht ein generelles Verbot einer Verletzung mit der Möglichkeit einer strafrechtlichen Sanktion vorsehe, es ausreichende Maßnahmen gebe, um die Einhaltung des Verbots einer fortgesetzten Verletzung sicherzustellen.

41.      Artikel 14 Absatz 1 schließt jedoch mit den Worten „gemäß den Bestimmungen des Titels X“. Titel X schließt Artikel 98 Absatz 1 ein. Wie ich bereits hervorgehoben habe, ist diese Vorschrift zwingend. Sie verlangt von einem Gericht, dass eine Verletzung einer Gemeinschaftsmarke festgestellt hat, nicht nur, dass es eine Anordnung erlässt, durch die dem Beklagten eine fortgesetzte Verletzung verboten wird, sondern auch, dass es „nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts die erforderlichen Maßnahmen [trifft], um sicherzustellen, dass dieses Verbot befolgt wird“ („take such measures in accordance with its national law as are aimed at ensuring that this prohibition is complied with“). Diese Formulierung verlangt eindeutig, dass das nationale Recht besondere Maßnahmen zur Verfügung zu stellen hat, mit denen ein solches Verbot bekräftigt und damit sichergestellt wird, dass es befolgt wird(13). Ein generelles gesetzliches Verbot einer Verletzung nach nationalem Recht wäre meines Erachtens daher nicht ausreichend. Eine strafrechtliche Sanktion, die nur i) nach der freien Entscheidung des nationalen Gerichts, ii) auf Antrag des Markeninhabers und iii) gegenüber einem Beklagten angewendet werden kann, der eine fortgesetzte Verletzung vorsätzlich oder fährlässig begeht, reicht ebenso wenig aus, um das Erfordernis zu erfüllen.

42.      Zwar ist die Ausgestaltung der Maßnahmen im Einzelnen Sache des nationalen Rechts, es muss sich aber nicht nur um besondere Maßnahmen handeln, sondern sie müssen auch dem Zweck entsprechend effektiv sein. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass zwar die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, mangels einer Gemeinschaftsregelung in diesem Bereich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, dass aber diese Verfahren nicht weniger günstig gestaltet werden dürfen als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz)(14). Es ist klar, dass ein „zahnloses“ Verbot kaum dem letztgenannten Grundsatz entsprechen wird. Dies erfordert jedoch meines Erachtens nicht notwendigerweise, dass das Verbot einer Verletzung unmittelbar mit einer anderen Sanktion oder Strafe verbunden wird. Vielmehr müssen die Folgen eines Verstoßes gegen das Verbot eindeutig festgelegt sein, entweder im Einzelfall durch das betreffende nationale Gericht oder allgemeiner durch nationales Recht.

43.      Was die vierte Frage angeht, macht es meines Erachtens keinen Unterschied für die vorstehende Untersuchung, ob in einem gegebenen Fall die Voraussetzungen für den Erlass einer besonderen Maßnahme im Sinne von Artikel 98 Absatz 1 bei einer entsprechenden Verletzung einer nationalen Marke nicht als gegeben angesehen werden. Artikel 98 Absatz 1 schreibt ein besonderes Erfordernis vor, das in seinen Einzelheiten durch das bei einer Verletzung einer Gemeinschaftsmarke geltende nationale Recht ausgefüllt werden muss. Der Äquivalenzgrundsatz verlangt nicht, dass dann, wenn das Gemeinschaftsrecht ein aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleitetes Recht mit einem hohen Schutzniveau ausstattet, aus dem nationalen Recht (selbst aus dem harmonisierten nationalen Recht) hergeleitete Rechte notwendigerweise das gleiche Schutzniveau genießen.

 Ergebnis

44.      Aus den vorstehenden Gründen bin ich der Auffassung, dass die vom schwedischen Högsta domstol (Oberstes Gericht) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten sind:

Fragen 1 und 2

–        Das Erfordernis der besonderen Gründe in Artikel 98 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke ist nicht erfüllt, wenn ein Gericht, das feststellt, dass der Beklagte eine Gemeinschaftsmarke verletzt hat, vom Erlass eines Verbots einer fortgesetzten Verletzung 1. nur deshalb absieht, weil es der Auffassung ist, dass die Gefahr einer fortgesetzten Verletzung nicht offensichtlich oder auf andere Weise nur begrenzt besteht oder 2. nur deshalb, weil eine fortgesetzte Verletzung von einem generellen gesetzlichen Verbot der Verletzung nach nationalem Recht erfasst wird und dem Beklagten im Fall einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen fortgesetzten Verletzung eine strafrechtliche Sanktion auferlegt werden kann.

Fragen 3 und 4

–        Es ist Sache des nationalen Rechts, die Einzelheiten der besonderen Maßnahmen zu bestimmen, die ein Gericht, das einem Beklagten verbietet, eine Gemeinschaftsmarke weiter zu verletzen, nach Artikel 98 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 zu erlassen hat, um sicherzustellen, dass dieses Verbot beachtet wird. Derartige Maßnahmen müssen effektiv sein. Das Erfordernis in Artikel 98 Absatz 1 ist nicht allein deshalb erfüllt, weil i) eine fortgesetzte Verletzung durch ein generelles gesetzliches Verbot einer Verletzung nach nationalem Recht erfasst wird und ii) dem Beklagten im Fall einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen fortgesetzten Verletzung eine strafrechtliche Sanktion auferlegt werden kann. Es müssen besondere Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass das Verbot beachtet wird, auch wenn die Voraussetzungen für den Erlass solcher Maßnahmen bei einer entsprechenden Verletzung einer nationalen Marke nicht als gegeben angesehen werden.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung.


3 – Anhang 1C zum Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation, im Namen der Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche gebilligt durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 (ABl. L 336, S. 1). Das TRIPs‑Übereinkommen findet sich in ABl. 1994, L 336, S. 213.


4 – Urteil in der Rechtssache C‑245/02, Anheuser‑Busch, Slg. 2004, I‑10989, Randnr. 55. Die Mitgliedstaaten sind nach Artikel 11 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157, S. 45) nun verpflichtet, „sicherzustellen, dass die zuständigen Gerichte bei Feststellung einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums eine Anordnung gegen den Verletzer erlassen können, die ihm die weitere Verletzung des betreffenden Rechts untersagt“. Die Richtlinie 2004/48 war bis zum 29. April 2006 umzusetzen.


5 – Varumärkeslag (1960: 644).


6 – Dieser Punkt wird wie die folgenden aus dem Vorlagebeschluss übernommen, der keine weiteren Angaben über rechtserhebliche Einzelheiten des tatsächlichen Hintergrunds enthält.


7 – 15. Begründungserwägung.


8 – Da das vorlegende Gericht nicht nach Beispielen dafür fragt, was „besondere Gründe“ darstellen könnte, und da diese Frage in den beim Gerichtshof eingereichten Schriftsätzen nicht geprüft worden ist, bin ich auch nicht der Auffassung, dass es in der vorliegenden Rechtssache, der ersten, in der der Gerichtshof um eine Auslegung des Artikels 98 Absatz 1 ersucht worden ist, angebracht wäre, solche Beispiele anzugeben.


9 – Erste Begründungserwägung in der Präambel.


10 – Vgl. Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2004/48, zitiert in Fußnote 4, wonach die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, auf die diese Richtlinie abstellt, erforderlich sind, „darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden [müssen], dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist“ (Hervorhebung hinzugefügt). Artikel 41 Absatz 1 Satz 2 des TRIPs‑Übereinkommens hat einen ähnlichen Inhalt.


11 – Zweite Begründungserwägung in der Präambel.


12 – Siebte Begründungserwägung in der Präambel und Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung.


13 – Die französische Fassung ist sogar noch klarer: „Il prend également, conformément à la loi nationale, les mesures propres à garantir le respect de cette interdiction.“


14 – Vgl. z. B. Urteil in der Rechtssache C‑472/99, Clean Car Autoservice, Slg. 2001, I‑9687, Randnr. 28.