SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

DÁMASO RUIZ-JARABO COLOMER

vom 8. November 2006(1)

Rechtssache C‑292/05

Eir. Lechouritou

V. Karkoulias

G. Pavlopoulos

P. Brátsikas

D. Sotiropoulos

G. Dimopoulos

gegen

Dimosio tis Omospondiakis Dimokratias tis Germanias

(Vorabentscheidungsersuchen des Efeteio Patras [Griechenland])

„Brüsseler Übereinkommen – Anwendungsbereich – Zivil- und Handelssachen – Klage gegen einen Vertragsstaat auf Ersatz der von seinen Streitkräften während des Zweiten Weltkriegs in einem anderen Vertragsstaat verursachten Schäden – Staatenimmunität“





I –    Einleitung

1.     „Dieser Krieg war ein lang anhaltender Kampf, in dessen Verlauf mehr Unbill über Griechenland kam als je zuvor: nie wurden so viele Städte erobert und verwüstet …; niemals waren Verbannung und Tötung so verbreitet …“ Auf diese Weise beschrieb Thukydides den Peloponnesischen Krieg im 5. Jahrhundert vor Christus(2) und stellte deutlich die Katastrophen dar, die jeder Krieg mit sich bringt und die sowohl Sieger wie auch Besiegte betreffen.

2.     Die Künste haben die schrecklichen Folgen von Kriegen dargestellt. „Los desastres de la guerra“, die bekannte Serie von 82 Stichen, die Goya in den Jahren 1810 bis 1820 anfertigte, beschreiben das Elend der Kämpfe, die Verbrechen, die Folter und die Folgen für den Einzelnen; es sind bittere Zeugnisse voller Pessimismus, die eine Sozialchronik mit starker pazifistischer Wirkung darstellen. „Los fusilamientos del tres mayo“, ebenfalls von Goya, oder „Guernica“ von Picasso zeigen ebenfalls die Gefühle, die diese kriegerischen Auseinandersetzungen mit ihrer Last an Vernichtung und Massenmord bei diesen genialen Malern hervorriefen.

3.     Jahre später, 1859, durchquerte der Schweizer Philantroph Henry Dunant die damals durch Tod und Feuer verheerte Lombardei, kam am Abend einer grausamen Schlacht in Solferino an und stellte mit Grauen fest, dass Tausende verwundeter Soldaten einem sicheren Tod geweiht, verstümmelt, verlassen und hilflos auf dem Schlachtfeld lagen. Aus diesem Bild des Schreckens wurde die Idee geboren, das Rote Kreuz zu gründen.

4.     Auch das Recht musste sich mit den unheilvollen Wirkungen der bewaffneten Auseinandersetzungen auseinandersetzen. Im vorliegenden Fall hat eine Reihe griechischer Bürger vor einem griechischen Gericht Klage gegen Deutschland auf Ersatz der Schäden, die ihnen die deutsche Armee in der tragischen Zeit des Zweiten Weltkriegs verursacht hat, erhoben.

5.     Das Efeteio Patras (Appelationsgericht) fragt den Gerichtshof, ob aufgrund des Streitgegenstands in diesem Rechtsstreit das Übereinkommen von Brüssel vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(3), bekannt als Brüsseler Übereinkommen, Anwendung findet; darüber hinaus möchte es wissen, ob die Einrede der Staatenimmunität mit dem System des Übereinkommens vereinbar ist.

6.     Die Fragen werden irrtümlicherweise auf der Grundlage von Artikel 234 EG gestellt. Nicht diese Vorschrift weist dem Gerichtshof die Auslegung des Übereinkommens zu, sondern das Protokoll vom 3. Juni 1971(4). Der Irrtum ist jedoch unbeachtlich, da dessen Artikel 2 es dem Efeteío erlaubt – woran die deutsche Regierung erinnert –, Vorabentscheidungsersuchen über die Auslegung des Übereinkommens zu stellen.

II – Rechtlicher Rahmen

7.     In dem aus Artikel 1 bestehenden Titel I des Brüsseler Übereinkommens wird sein „Anwendungsbereich“ eingegrenzt; die Vorschrift lautet:

„Das Übereinkommen ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Es erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.

Es ist nicht anzuwenden auf:

1.      den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, die ehelichen Güterstände, das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts;

2.      Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren;

3.      die soziale Sicherheit;

4.      die Schiedsgerichtsbarkeit.“

8.     In Titel II, der die Zuständigkeit regelt, ist in Artikel 2 Absatz 1 der Grundsatz niedergelegt, dass „Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen“ sind, vorbehaltlich der in dem Übereinkommen vorgesehenen Ausnahmen.

9.     Zu diesen Ausnahmen zählen die „Besonderen Zuständigkeiten“ des Artikels 5, dessen Wortlaut bestimmt:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

3.      wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;

4.      wenn es sich um eine Klage auf Schadensersatz oder auf Wiederherstellung des früheren Zustands handelt, die auf eine mit Strafe bedrohte Handlung gestützt wird, vor dem Strafgericht, bei dem die öffentliche Klage erhoben ist, soweit dieses Gericht nach seinem Recht über zivilrechtliche Ansprüche erkennen kann;

…“

10.   Die Regelung wird ergänzt durch die Titel III „Anerkennung und Vollstreckung“, IV „Öffentliche Urkunden und Prozessvergleiche“, V „Allgemeine Vorschriften“, VI „Übergangsvorschriften“, VII „Verhältnis zu anderen Abkommen“ und VIII „Schlussvorschriften“.

11.   Es ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(5) das Brüsseler Übereinkommen ersetzt hat, wobei eine große Übereinstimmung zwischen den jeweiligen Vorschriften festzustellen ist; die neuen Vorschriften sind allerdings im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

III – Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12.   Frau Lechouritou reichte gemeinsam mit weiteren Personen bei dem Polymelés Protodikeío Kalavrita (erstinstanzliches Gericht) eine gegen Deutschland gerichtete Klage ein, mit der sie Schadensersatz für die materiellen, immateriellen und psychologischen Schäden begehrt, die ihr aufgrund des von Soldaten der Wehrmacht am 13. Dezember 1943 in Kalavrita begangenen Massakers im Rahmen der Besetzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg entstanden sind(6).

13.   Dieses Gericht stellte in seinem Urteil Nr. 70/1998 fest, dass es gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Zivilprozessordnung für die Entscheidung in dieser Sache nicht zuständig sei, da der beklagte Staat die Einrede der Staatenimmunität geltend machen könne.

14.   Die Kläger legten bei dem Efeteio Patras Berufung ein, das am 12. Januar 2001 eine erste Entscheidung erließ, mit der es das Verfahren aussetzte, damit das Anótato Eidikó Dikastírio (oberstes Sondergericht) entscheiden konnte, ob Artikel 11 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität, geschlossen in Basel am 16. Mai 1972(7), das Griechenland nicht unterzeichnet hat und das schädigende Hoheitsakte von der Immunität ausnimmt, die im Gerichtsstaat ausgeführt wurden, wenn sich der Schädiger in diesem Staat aufgehalten hat, eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts darstellt und ob die Ausnahmeregelung nach Völkergewohnheitsrecht Schadensersatzansprüche wegen kriegerischer Auseinandersetzungen, von denen Personen betroffen sind, die einer konkreten Gruppe angehören und an einem bestimmten Ort wohnen und nicht in Beziehung zu den feindseligen Auseinandersetzungen oder zu den Operationen der Armee stehen, umfasst.

15.   Das Anotato Eidiko Dikastirio stellte im Urteil Nr. 6/2002 vom 17. September fest, dass „nach dem aktuellen Stand des Völkerrechts weiterhin die allgemein anerkannte Regel gilt, dass vor den Gerichten eines Staates eine Schadensersatzklage gegen einen anderen Staat wegen rechtswidriger Handlungen, die im Hoheitsgebiet des Gerichtsstaats stattgefunden haben und an denen Streitkräfte des beklagten Staates in irgendeiner Weise in Friedens- oder Kriegszeiten beteiligt waren, nicht wirksam erhoben werden kann.“

16.   Das Efeteio in Patras, das wie jedes andere griechische Gericht an das Urteil des Anotato Eidiko Dikastirio gebunden ist(8), hat einen Anknüpfungspunkt mit dem gemeinsamen Recht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgemacht und das Verfahren ausgesetzt, um dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Fallen in den sachlichen Anwendungsbereich gemäß Artikel 1 des Brüsseler Übereinkommens Schadensersatzklagen, die von natürlichen Personen gegen einen Vertragsstaat als zivilrechtlich Verantwortlichen für Handlungen oder Unterlassungen seiner Streitkräfte erhoben werden, wenn diese Handlungen oder Unterlassungen während der militärischen Besetzung des Wohnstaats der Kläger nach einem von dem Beklagten geführten Angriffskrieg geschehen sind und sich in offensichtlichem Widerspruch zum Kriegsrecht befinden und auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit angesehen werden können?

2.      Ist die Berufung des beklagten Staates auf die Einrede der Immunität mit dem System des Brüsseler Übereinkommens mit der Folge vereinbar, dass, wenn diese Frage bejaht wird, die Anwendung des Übereinkommens automatisch ausgeschlossen ist, und zwar für Handlungen und Unterlassungen der Streitkräfte des Beklagten, die vor dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens, d. h. in den Jahren 1941 bis 1944, geschehen sind?

IV – Das Verfahren vor dem Gerichtshof

17.   Innerhalb der Frist des Artikels 23 der Satzung des Gerichtshofes haben die Kläger des Ausgangsverfahrens, die niederländische, die polnische, die deutsche und die italienische Regierung sowie die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht.

18.   In der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2006 haben die Vertreter der Kläger, der deutschen Regierung und der Kommission mündliche Ausführungen gemacht.

V –    Untersuchung der ersten Vorlagefrage

19.   Das Efeteio Patras möchte im Kern erfahren, ob das Brüsseler Übereinkommen, das nach Artikel 1 auf „Zivil- und Handelssachen“ beschränkt ist, anwendbar ist auf Klagen von Privatpersonen gegen einen Vertragsstaat auf Ersatz der in einer kriegerischen Auseinandersetzung von dessen Besatzungstruppen verursachten Schäden.

A –    Der Begriff „Zivil- und Handelsrecht“

20.   In dem Übereinkommen wird – wie in anderen internationalen Verträgen(9) – zur Umgehung der Schwierigkeiten, die eine Aufzählung der erfassten Bereiche mit sich bringt(10), nicht definiert, was unter „Zivil- und Handelssachen“ zu verstehen ist. Es beschränkt sich auf eine negative Präzisierung, indem es bestimmt, dass es auf die „Art der Gerichtsbarkeit“ nicht ankommt(11). Trotzdem hat die Rechtsprechung festgestellt, dass 1. der Begriff autonom ist und 2. Handlungen iure imperii nicht umfasst.

1.      Autonomie des Begriffs

21.   Generalanwalt Darmon bringt in den Schlussanträgen in der Rechtssache Rich(12), in der am 25. Juli 1991 das Urteil erging, zum Ausdruck, dass die Auslegung des Übereinkommens eine Vielzahl von Schwierigkeiten hervorruft, denn zu der der Materie eigenen Komplexität gesellt sich die Verwendung von Begriffen, die in den nationalen Rechtsordnungen zwar durchaus definiert sind, jedoch häufig in unterschiedlicher Weise; dies veranlasste den Gerichtshof dazu, eine autonome Begriffsbestimmung vorzunehmen.

22.   Das war der Fall bei dem Begriff „Zivilsache“(13), der im Urteil vom 14. Oktober 1976 in der Rechtssache LTU(14) als autonomer Begriff eingeordnet wurde, der nicht nur unter Berücksichtigung der Zielsetzungen und der Systematik des Übereinkommens interpretiert werden darf, sondern auch der allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen ergeben, ohne dass die Verweisung auf die Rechtsordnungen des einen oder anderen Staates zulässig ist, denn durch die Abgrenzung nach Rechtsmaterien soll sichergestellt werden, „dass sich … für die Vertragsstaaten und die betroffenen Personen soweit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben“ (Randnr. 3)(15).

23.   Diese Begriffsbestimmung wurde in weiteren Urteilen bestätigt, wie etwa den Urteilen vom 14. Juli 1977 in der Rechtssache Bavaria Fluggesellschaft und Germanair/Eurocontrol(16), Randnummer 4, vom 22. Februar 1979 in der Rechtssache Gourdain(17), Randnummer 3, vom 16. Dezember 1980 in der Rechtssache Rüffer(18), Randnummern 7 und 8, vom 21. April 1993 in der Rechtssache Sonntag(19), Randnummer 18, vom 14. November 2002 in der Rechtssache Baten(20), Randnummer 28 und vom 25. Mai 2003 in der Rechtssache Préservatrice Foncière TIARD(21), Randnummer 20.

24.   In dem Schlosser-Bericht über das Beitrittsübereinkommen von 1978(22) wird die Notwendigkeit betont, die Begriffe des Artikels 1 eigenständig auszulegen, da den Rechtssystemen der ursprünglichen Mitgliedstaaten die genaue Unterscheidung zwischen Zivil- und Handelssachen auf der einen und der Rechtsmaterien, die dem Verwaltungsrecht unterliegen, auf der anderen Seite, bekannt ist. Obwohl erhebliche Nuancen existieren, richtet sich die Unterscheidung normalerweise nach analogen Kriterien, weshalb die Verfasser der ursprünglichen Fassung des Übereinkommens und der Jenard-Bericht auf eine genaue Beschreibung der Zivil- und Handelssachen verzichteten und nur klarstellten, dass die Entscheidungen von Verwaltungs- und Strafgerichten in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, sofern sie auf dem Gebiet des Zivil- oder Handelsrechts ergehen. Im Schlosser-Bericht wird ebenfalls hervorgehoben, dass im Vereinigten Königreich und in Irland diese – in den ursprünglichen Mitgliedstaaten geläufige – Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht praktisch unbekannt sei (Punkt 23).

2.      Ausschluss von Handlungen iure imperii

25.   Das Urteil LTU dehnte den Anwendungsbereich des Übereinkommens auf Rechtsstreitigkeiten zwischen einer Behörde und einer Privatperson aus, wenn die Behörde nicht in Ausübung hoheitlicher Befugnisse handelte (Randnrn. 4 und 5)(23).

26.   Obgleich der Gerichtshof sich auf die Bestimmungen zur Anerkennung der gerichtlichen Entscheidungen (Titel III) bezog, gilt dies auch für die Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit (Titel II) (24), denn Artikel 1 ist Voraussetzung für die Anwendbarkeit beider Titel.

27.   Tatsächlich führte das Urteil LTU dazu, dass anlässlich der ersten Erweiterung der Gemeinschaft das Brüsseler Übereinkommen geändert wurde, um „Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten“ ausdrücklich von seinem Anwendungsbereich auszuschließen(25).

28.   Dessen ungeachtet beschränken die Behörden ihre Aktivitäten nicht auf diese Gebiete, auch wenn sie häufig mit ihnen in Berührung kommen; darüber hinaus teilen die Begriffe „Steuersachen“, „Zollsachen“ und „verwaltungsrechtliche Angelegenheiten“ aus demselben Bedürfnis nach Einheitlichkeit und Rechtssicherheit die Begriffsautonomie mit den Begriffen „Zivilsachen“ und „Handelssachen“(26).

29.   Die in diesem Vorabentscheidungsverfahren eingereichten schriftlichen Erklärungen stimmen dahin gehend überein, dass Handlungen iure imperii nicht in den Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens fallen(27). Die Unterschiede treten bei ihrer Auslegung und bei der Beurteilung, ob die Handlungen von Streitkräften eines Staates in einem anderen darunter fallen, zutage.

30.   Daher sind a) die Gründe für den Ausschluss derartiger Handlungen und b) die Kriterien, auf die er in jedem Einzelfall gestützt wird, zu untersuchen.

a)      Die Gründe für den Ausschluss

31.   Im Urteil LTU wurden unter Berücksichtigung der Autonomie der Wendung „Zivil- und Handelsrecht“ und der Sachgemäßheit ihrer Auslegung anhand der genannten Kriterien bestimmte Gründe angesprochen, die die Natur der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien des Rechtsstreits oder seines Gegenstands charakterisieren und die Fälle, in denen eine Behörde im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse handelt von denjenigen unterscheidet, in der sie wie eine Privatperson auftritt (Randnr. 4)(28).

32.   Es gibt weitere gewichtigere und schwerwiegendere Gründe, die dafür sprechen, dass Handlungen iure imperii – anders als Handlungen iure gestionis –(29) nicht in den Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens fallen.

33.   Im Schlosser-Bericht wird daran erinnert, dass im Rechtssystem der ursprünglichen Mitgliedsstaaten der Staat als solcher oder Kollektive mit öffentlicher Zielsetzung wie die Städte und Provinzen auf zweierlei Art und Weise am Rechtsverkehr teilnehmen, je nachdem, ob sie öffentliches Recht oder Privatrecht anwenden; dabei werden öffentlich-rechtliche Handlungen als hoheitlich betrachtet.

34.   Einem anderen Gedankengang folgend beschäftigt sich Generalanwalt Léger in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Préservatrice Foncière TIARD mit den Ausnahmen in Artikel 1 des Übereinkommens, die Rechtsgebiete betreffen, „die der Parteiautonomie entzogen sind und den Ordre public berühren“ (Nr. 53), woraus er den Schluss zieht, dass „[die Verfasser des Brüsseler Übereinkommens] für diese Rechtsgebiete [also] wollten …, dass der ausschließlichen Rechtsetzungszuständigkeit eines Mitgliedstaats die Zuständigkeit der Behörden und Gerichte dieses Staates entspricht. Wenn diese Gebiete den Gegenstand des Rechtsstreits selbst bilden, sind es die Gerichte dieses Staates, die am besten in der Lage sind, über sie zu entscheiden. Der effektive Rechtsschutz, der eines der Ziele des Brüsseler Übereinkommens darstellt, wird folglich dadurch sichergestellt, dass ein nationales System in seiner Gesamtheit für anwendbar erklärt wird … (Nr. 54); diese Argumentation muss seines Erachtens auch „für das Gebiet des öffentlichen Rechts gelten, in dem der Staat seine hoheitlichen Befugnisse ausübt“ (Nr. 55).

35.   Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Übereinkommen auf Gebiete, in denen der Staat hoheitlich und nicht privatrechtlich handelt, entweder nicht anwendbar ist, weil es sich um Hoheitsakte handelt oder weil sich der Rechtsschutz als überzeugender erweist (30).

36.   Generalanwalt Jacobs weist in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Henkel darauf hin, dass das Problem darin bestehe, dass „es nicht immer leicht sei, privatrechtliches und öffentlich-rechtliches Auftreten des Staates und seiner selbständigen Ausgliederungen voneinander abzugrenzen“ (Randnr. 22), insbesondere wenn man berücksichtige, dass in den Ländern des Common Law der Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Recht unbekannt sei, da der Begriff „civil law“ alles umfasse, was nicht zum „criminal law“ gehöre(31). Zur Feststellung eines Hoheitsakts sind die Rechtsordnungen der Vertragsstaaten daher nicht brauchbar, da sie häufig unterschiedlich und ungenau sind(32), wenngleich sie mögliche Lösungen nahe legen.

b)      Die Kriterien, auf die die Ausnahme gestützt wird

37.   Angesichts der Autonomie der verwendeten Begriffe und der Gründe, weshalb Handlungen iure imperii über die Grenzen des Brüsseler Übereinkommens hinausgehen, hilft ein Blick auf die Rechtsprechung bei der Feststellung der Kriterien, die für die Ausnahme dieser Handlungen von seinem Anwendungsbereich maßgebend sind.

38.   Im Urteil LTU wurde die Anwendbarkeit des Übereinkommens in Bezug auf die Zahlung bestimmter Gebühren durch eine Privatperson für die zwingende und ausschließliche Inanspruchnahme einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung verneint. Nach dem Urteil wird der Anwendungsbereich im Wesentlichen bestimmt durch „die Natur der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen oder [den Gegenstand] des Rechtsstreits“ (Randnr. 4).

39.   Ähnliche Argumente finden sich im Urteil Rüffer hinsichtlich eines Regressanspruchs des niederländischen Staates wegen der Kosten der Wrackbeseitigung gegen den Schiffsführer und Eigner eines deutschen Schiffes, das mit einem anderen Schiff zusammengestoßen war, da diese Arbeiten zu seinen strompolizeilichen Aufgaben aufgrund eines internationalen Vertrages gehörten. Dabei war entscheidend, dass „der Klage des Verwalters der Wasserstraße auf Erstattung der genannten Kosten … ein Anspruch zugrunde [lag], der seinen Ursprung in einem hoheitlichen Akt“ hatte (Randnr. 15), denn ausschlaggebend ist nicht die Natur des Anspruchs oder des Verfahrens, sondern die des Rechts, das diesem Anspruch zugrunde liegt.

40.   Im Urteil Sonntag, in dem es um ein Strafverfahren wegen des Todes eines Schülers einer öffentlichen Schule in Deutschland bei einem Schulausflug in Italien gegen den begleitenden Lehrer ging, in dessen Rahmen auch eine Zivilklage auf Schadensersatz anhängig gemacht wurde, wurde die Anwendbarkeit des Übereinkommens unter Hinweis darauf bejaht, dass die Zivilklage „zivilrechtlichen Charakter“ habe (Randnr. 19), da a) selbst wenn der Lehrer Beamter ist und als solcher handelt, „ein Beamter … nicht immer hoheitliche Befugnisse [ausübt]“ (Randnr. 21), b) in den Rechtsordnungen der meisten Mitgliedstaaten die Betreuung der Schüler keine Wahrnehmung von Befugnissen darstellt, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden Regeln abweichen (Randnr. 22)(33), c) in derartigen Fällen der Lehrer einer öffentlichen Schule die „gleichen Aufgaben“ wahrnimmt wie der Lehrer einer Privatschule (Randnr. 23), d) die Rechtsprechung(34) festgestellt hat, dass ein Lehrer selbst dann keine hoheitlichen Befugnisse ausübt, wenn er Schüler benotet und an der Entscheidung über ihre Versetzung in die nächst höhere Klasse mitwirkt (Randnr. 24) und e) die Einstufung durch das Recht des Staates, aus dem der Lehrer stammt (Randnr. 25) sowie ein Sozialversicherungsschutz für den Unfall (Randnrn. 27 und 28) ohne Bedeutung sind.

41.   Im Urteil Henkel wurde eine der Überlegungen im Urteil Sonntag wieder aufgenommen und verneint, dass ein von einem Verbraucherschutzverein abhängig gemachter Rechtsstreit, der die Untersagung der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verträgen betrifft, „mit der Ausübung öffentlicher Gewalt in Zusammenhang [steht], da er nicht die Wahrnehmung von Befugnissen betrifft, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften abweichen“ (Randnr. 30).

42.   Nach dem Urteil Baten umfasst der Begriff „Zivilsache“ eine Rückgriffsklage, mit der „eine öffentliche Stelle gegenüber einer Privatperson die Rückzahlung von Beträgen verfolgt, die sie als Sozialhilfe … gezahlt hat, soweit für die Grundlage dieser Klage und die Modalitäten ihrer Erhebung die allgemeinen Vorschriften … gelten“. Es wird angefügt, dass die Rückgriffsklage nicht als „Zivilsache“ angesehen werden kann, wenn sie auf Bestimmungen gestützt ist, mit denen der Gesetzgeber der öffentlichen Stelle eine eigene, besondere Befugnis verliehen hat (Randnr. 37)(35).

43.   Im Urteil Préservatrice Foncière TIARD wiederum ging es um die Geltendmachung von Zollforderungen durch die Niederlande gegen die Bürgin der Hauptforderung. Der Gerichtshof bejahte die Anwendbarkeit des Brüsseler Übereinkommens auf eine Klage, mit der ein Vertragsstaat von einer Privatperson die Erfüllung eines privatrechtlichen Bürgschaftsvertrags verlangt, der geschlossen wurde, um einem Dritten die Erbringung einer von diesem Staat geforderten und festgelegten Sicherheit zu ermöglichen, wenn auch unter einer Bedingung, die aufgrund fehlender Anhaltspunkte in der Vorlagefrage aufgestellt wurde und nach der Vorstehendes gilt, „sofern die Rechtsbeziehung zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen, wie sie sich aus dem Bürgschaftsvertrag ergibt, keine Ausübung von Befugnissen durch den Staat darstellt, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden Regeln abweichen“ (Randnr. 36).

44.   In ähnlicher Weise kam das Urteil vom 15. September 2004 in der Rechtssache Blijdenstein(36) zu dem Ergebnis, dass das Übereinkommen auf eine Klage anwendbar ist, mit der eine öffentliche Stelle die Rückzahlung aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts geleisteten Beträgen verfolgt, die sie als Ausbildungsbeihilfe an eine junge Unterhaltsberechtigte gezahlt hat, in deren Rechte sie nach den Vorschriften des Zivilrechts eingetreten ist (Randnr. 21).

45.   Schließlich wurde im Urteil vom 5. Februar 2004 in der Rechtssache Frahuil(37) festgestellt, dass mit der Klage eines Bürgen, der Zölle aufgrund eines mit einem vom Importeur mit ihrer Begleichung beauftragten Dritten geschlossenen Vertrages gezahlt hat, „keine Befugnisse ausgeübt [werden], die gegenüber den für die Beziehungen zwischen Einzelnen geltenden Regelungen exorbitant wären“ (Randnr. 21).

46.   Aus den dargestellten Entscheidungen lässt sich der Schluss ziehen, dass für die Feststellung, ob eine von dem Brüsseler Übereinkommen nicht umfasste Handlung iure imperii vorliegt, auf Folgendes abzustellen ist: 1. auf den öffentlichen Charakter der Parteien der Rechtsbeziehung sowie 2. auf den Ursprung und die Rechtsquelle des Anspruchs, konkret, auf die Ausübung von Befugnissen durch die Verwaltung, die exorbitant oder unter Privatpersonen ohne Vergleich sind. Das „persönliche“ Kriterium legt einen formellen Aspekt nahe(38), das der „Unterordnung“ nimmt Bezug auf die Grundlage, die Natur und die Modalitäten der Geltendmachung(39).

B –    Untersuchung des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens

1.      Einleitender Hinweis

47.   Bei Feststellung der Ausübung öffentlicher Gewalt sind die Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen. Dies erlaubte es der Lehre, die Rechtsprechung des Gerichtshofes in Zweifel zu ziehen(40).

48.   Eine der Kritiken beruht darauf, dass er sich nicht darauf beschränkt habe, die Grundlagen für eine autonome Qualifizierung des Begriffes in Artikel 1 des Brüsseler Übereinkommens zur Verfügung zu stellen und sie auf Streitigkeiten zwischen Behörden und Privatpersonen anzuwenden, sondern eine – manchmal umstrittene – Lösung vorgegeben habe.

49.   Die Vorlagefrage jedoch besteht aus einer zeitlichen Folge, die drei aufeinander folgende Abschnitte umfasst: zunächst stellt das nationale Gericht ein europarechtliches Problem fest, sodann untersucht der Gerichtshof dieses Problem, und schließlich entscheidet das nationale Gericht über den Ausgangsrechtstreit im Licht der ihm erteilten Hinweise(41). Die Schwierigkeiten treten auf, wenn das Gleichgewicht, das den Dialog zwischen den Rechtsprechungsorganen beherrscht(42), zerbricht, weil eines(43) der Organe seine Befugnisse überschreitet(44).

50.   Die Risiken eines jeden Exzesses in dieser Rechtssache ließen sich vermeiden durch eine Abstrahierung des Sachverhalts mit dem Ziel, die Vorlagefrage in einer Weise zu beantworten, dass jedes mit einem ähnlichen Sachverhalt befasste Rechtsprechungsorgan in der Union hiervon einen Nutzen hat. Darüber hinaus erscheint es angebracht, die Vorlagefragen aus einer rein juristischen Perspektive zu untersuchen, um Gefühle auszuschließen, die zwar verständlich sind, aber die Vernunft beeinträchtigen.

51.   Das Efeteio Patras hat seine Aufgabe erfüllt, obwohl der Sachverhalt noch weiter verallgemeinert werden muss, um ihm eine brauchbare Antwort geben zu können; hierzu ist neben den Faktoren, die die Schadensersatzforderung individualisieren und zu denen der Zeitfaktor gehört, auf die während eines Krieges durch Soldaten eines Mitgliedstaats auf dem Territorium eines anderen Mitgliedstaats Privatpersonen zugefügten Schäden abzustellen(45).

2.      Handlungen von Streitkräften in Kriegszeiten

52.   Da sich die Klage gegen einen Staat richtet, erscheint es unnötig, sich bei dem ersten der genannten Kriterien – dem öffentlich-rechtlichen Charakter einer der Parteien – aufzuhalten, so dass ich die Untersuchung auf das zweite – die Ausübung exorbitanter Befugnisse – beschränke.

a)      Die vorgeschlagene These

53.   So sehr auch seit der Antike Regeln entwickelt, Ermahnungen erteilt und Normen über das Verhalten der Gegner in einer kriegerischen Auseinandersetzung erlassen wurden(46), verliert der Krieg nicht sein Wesen als außerordentliches Phänomen.

54.   Indem sie Operationen einzelner Gruppen, die andere Probleme aufwerfen, außer Acht lässt, ordnet die niederländische Regierung kriegerische Handlungen treffend als typischen Ausdruck von Staatsgewalt ein.

55.   Es gibt verschiedene Gründe, die für diese Annahme sprechen:

–       Armeen sind in die Struktur des Staates integriert. Sie unterliegen einer rigiden Disziplin und gehorchen ihren Befehlshabern(47) innerhalb einer hierarchischen Organisation, deren Spitze die höchsten Machthaber der Nation bilden(48).

–       Sie richten sich nach Prinzipien, die in den höchstrangigen Normen eines jeden Landes niedergelegt sind, die darüber hinaus die Grenzen, Ziele und Bedingungen der Tätigkeit des Militärs festlegen und die umso präziser sind, je weiter man in der Befehlskette hinuntergeht.

–       Sie üben Befugnisse aus, die die übrigen Bürger nicht innehaben, die gezwungen sind, militärische Befehle zu befolgen, und Widerstand mit schwerwiegenden Sanktionen bezahlen.

56.   Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte(49), fast alle Staaten, die in diesem Vorabentscheidungsverfahren schriftliche Erklärungen eingereicht haben, sowie die Kommission ordnen militärische Handlungen der Ausübung staatlicher Souveränität zu.

57.   Deshalb sind Ansprüche auf Ersatz von Schäden, die während eines Krieges von den Truppen einer der Krieg führenden Parteien verursacht wurden, keine „Zivilsachen“ im Sinne von Artikel 1 des Brüsseler Übereinkommens, dessen Wortlaut nicht einschlägig ist(50).

b)      Die erhobenen Einwände

58.   Die Qualifikation militärischer Handlungen als iures imperii wird in einigen der in diesem Vorabentscheidungsverfahren eingereichten schriftlichen Erklärungen durch Überlegungen zu folgenden Gesichtspunkten in Frage gestellt: (i) internationale Haftung, (ii) Rechtswidrigkeit der Handlungen, (iii) Territorialität der Gewaltausübung und (iv) die Vorschriften des Brüsseler Übereinkommens. Ich schicke voraus, dass nach meiner Auffassung keine dieser Überlegungen die bisherigen Ausführungen widerlegt.

i)      Die Haftung des Staates im Völkerrecht

59.   Die genannten Erklärungen nehmen häufig Bezug auf die internationale Dimension der Vorlagefragen; ein Aspekt, den die Kläger des Ausgangsverfahrens mit der Haftung der Staaten für verbotene Handlungen in Verbindung bringen.

60.   Diese Dimension ist von großem Interesse; die Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen kam in ihrer ersten Sitzungsperiode im Jahr 1949 zu dem Ergebnis, dass es sich um eine für eine Kodifizierung geeignete Rechtsmaterie handelt; 2001 schuf sie im Rahmen der 53. Sitzungsperiode ein Projekt für ein Übereinkommen über die Haftung des Staates für völkerrechtswidrige Handlungen(51). Darüber hinaus steht sie in enger Verbindung mit der Staatenimmunität, die sich während der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts fortentwickelte, da sie relativiert und auf Handlungen iure imperii beschränkt wurde, wobei eine Tendenz zu beobachten ist, die auf ihre Abschaffung auch für solche Handlungen gerichtet ist, sofern sie Menschenrechte verletzen(52).

61.   Diese Art der Haftung richtet sich nach ihren eigenen gewohnheitsrechtlichen oder geschriebenen Regeln, die die Verletzung einer völkerrechtlichen Pflicht voraussetzen. Sie ist daher weder dem Privatrecht zuzuordnen noch den „Zivilsachen“ des Artikels 1 des Brüsseler Übereinkommens; sie gehört vielmehr zu den „völkerrechtlichen Angelegenheiten“.

62.   Hierzu brachten die Kläger des Ausgangsverfahrens auf meine in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage vor, dass die Grundlage für ihren Anspruch Artikel 3 des IV. Haager Abkommens sei(53).

ii)    Die Rechtswidrigkeit der Handlungen

63.   Die Kläger des Ausgangsverfahrens und die polnische Regierung haben vorgebracht, dass rechtswidrige Handlungen nicht zu den Handlungen iure imperii gehörten; militärische Operationen, die das Recht verletzten, seien dieser Kategorie nicht zuzuordnen, eine Vorstellung, die mich an das – seit langem stark abgeschwächte – Axiom „the King can do not wrong“ erinnert(54).

64.   Ich teile den Einwand nicht. Die Rechtmäßigkeit des Handelns wirkt sich nicht auf seine Qualifizierung aus, sondern auf seine Folgen als Voraussetzung für das Entstehen der Haftung oder, wenn es geboten erscheint, für ihre Anpassung.

65.   Die gegenteilige Ansicht würde bedeuten, dass Behörden nur von öffentlich-rechtlichen Befugnissen Gebrauch machen, wenn sie sie ordnungsgemäß ausüben, und ausschließen, dass sie, wie es manchmal der Fall ist, nicht so handeln. Ebenso würde es zu Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Haftenden führen, denn wenn es sich weder um Handlungen iure imperii noch per definitionem um Handlungen iure gestionis geht, bleibt nur die Möglichkeit, die unmittelbar Ausführenden für den Schaden verantwortlich zu machen, nicht aber die Verwaltung, der sie angehören; im Ausgangsverfahren wird der Anspruch, wie die deutsche Regierung unterstreicht, gegenüber dem Staat und nicht gegenüber den Soldaten geltend gemacht.

66.   Deshalb widerlegt die Rechtswidrigkeit, unabhängig von ihrem Grad, einschließlich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, nicht die dargestellte Annahme.

iii) Die Territorialität der Ausübung der Gewalt

67.   Nach Ansicht der Regierung Polens wird die öffentliche Gewalt innerhalb der territorialen Grenzen eines Staates ausgeübt. Dies schließe aus, Operationen seiner Streitkräfte außerhalb seiner Grenzen als Ausübung dieser Gewalt einzuordnen.

68.   Auch dieser Einwand erscheint nicht akzeptabel. Das Staatsgebiet begrenzt den Raum der Ausübung der Souveränität; die Handlungen eines Staates außerhalb seiner Grenzen haben keine Rechtswirkung. Dessen ungeachtet sind mindestens zwei Sonderfälle erkennbar: bei einer Invasion und wenn, ohne dass es zu einer Besetzung kommt, die Armee eines Staates im Gebiet eines anderen interveniert. Der zweite Fall, der nichts mit dem Ausgangsverfahren zu tun hat, führt zu ganz besonderen Schwierigkeiten, die derzeit sehr relevant sind und für die nach Lösungen gesucht wird, die das mögliche Einverständnis des betroffenen Staates und die Erfüllung eines Mandats der Staatengemeinschaft in die Abwägung einbeziehen.

69.   Im ersten Sonderfall kommt es zu einer zeitweisen oder endgültigen Aneignung, die zwar tadelnswert ist, aber eine Ausdehnung des Herrschaftsbereichs des Besatzers mit sich bringt. Es geht nicht an, diese Umstände zu ignorieren und der Fiktion zu verfallen, dass die angreifenden Truppen, nachdem sie die Grenze überschritten haben, außerhalb der Gewalt ihrer Befehlshaber stehen, denn sie unterstehen weiterhin der Leitung oder der Kontrolle des Staats, dem sie angehören, unter Aufrechterhaltung des Bindeglieds der hierarchischen Unterordnung(55).

iv)    Die Vorschriften des Brüsseler Übereinkommens

70.   Einige Stellungnahmen sind auf eine systematische Auslegung des Übereinkommens gerichtet, entweder unmittelbar, wie die der italienischen Regierung, die es ausdrücklich ablehnt, dass der erhobene Anspruch als „Zivilsache“ betrachtet wird, oder mittelbar, wie im Vorlagebeschluss, der Artikel 3 Absatz 5 zitiert.

71.    Die Berufung auf diese Vorschrift geht fehl, denn ihre Anwendung setzt die Anwendbarkeit des Übereinkommens selbst voraus, die von Artikel 1 abhängig ist.

72.   Das Brüssler Übereinkommen unterscheidet das Regime, das er einführt – bestehend aus Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen – und die Anwendbarkeitsvoraussetzungen für dieses Regime – territoriale, zeitliche oder sachliche –, die vorrangige Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Systems sind; liegen sie nicht vor, wie im Ausgangsverfahren, ist jede andere Untersuchung überflüssig.

73.   Im Urteil vom 27. September 1988 in der Rechtssache Kalfelis(56) wurden Schadensersatzklagen, die nicht an einen Vertrag im Sinne von Artikel 5 Nummer 1 anknüpfen, unter den Begriff „unerlaubte Handlung“ des Artikel 5 Nummer 3 subsumiert (Randnr. 18)(57). Jedoch hängt die Ausübung von öffentlicher Gewalt als aus Gründen der Materie von dem Übereinkommen ausgeschlossener Bereich nicht von der erhobenen Klage ab, sondern von ihrer Begründung, ihrer Rechtsnatur und ihren Ausführungsmodalitäten; andernfalls würde die Autonomie der Begriffe des Artikels 1 gefährdet. Darüber hinaus unterscheidet sich die Regelung der Haftung für Schäden durch Verwaltungshandeln von einem Vertragsstaat zum anderen substanziell wegen der Unterschiede zwischen den Systemen des „Common Law“ und des kontinentalen Rechts sowie der Unterschiede, die die Letztgenannten untereinander aufweisen(58).

VI – Untersuchung der zweiten Vorlagefrage

74.   Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof auch, ob die Einrede der Staatenimmunität mit dem System des Brüsseler Übereinkommens vereinbar ist und ob, wenn diese Frage bejaht wird, seine Anwendung ausgeschlossen wird.

75.   Angesichts der von mir vorgeschlagenen Lösung für die erste Vorlagefrage ist jede Überlegung zur zweiten überflüssig.

76.   Sollte der Gerichtshof sich jedoch mit ihr auseinandersetzen, sollte er berücksichtigen, dass die Immunität ein Prozesshindernis darstellt(59), durch das vermieden wird, dass die Gerichte eines Staates über die Haftung eines anderen entscheiden, da, worauf die italienische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen hinweist, der Grundsatz par in parem non habet imperium, zumindest in Bezug auf Handlungen iure imperii, gilt und dadurch der Rechtsweg versperrt ist.

77.   Zuständigkeit setzt Rechtsprechungsgewalt voraus, die sie einschränkt, um aus der Gesamtheit der Gerichte eines Territoriums dasjenige bestimmen zu können, das über einen bestimmten Rechtsstreit zu entscheiden hat. Beide Begriffe schließen sich weder gegenseitig aus, noch widersprechen sie sich, wenngleich sie eng ineinander greifen.

78.   Die Staatenimmunität ist daher in einem Bereich anzusiedeln, der dem Brüsseler Übereinkommen vorgeht, denn wenn es nicht möglich ist, Klage zu erheben, ist es ohne Belang, welches Gericht für die Entscheidung über die Klage zuständig ist. Darüber hinaus geht die Prüfung der Immunität im vorliegenden Fall und ihrer Auswirkungen auf die Menschenrechte über die Befugnisse des Gerichtshofes hinaus.

VII – Ergebnis

79.   Aus diesen Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die von dem Efeteío Patras vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

Eine Schadenersatzklage, die von natürlichen Personen gegen einen Vertragsstaat des Übereinkommens von Brüssel vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen erhoben wird, um Ersatz für von den Streitkräften eines anderen Vertragstaats während einer militärischen Besetzung verursachten Schäden zu erlangen, fällt auch dann nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens, wenn diese Handlungen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit angesehen werden können.


1 – Originalsprache: Spanisch.


2 – Thukydides, Peloponnesischer Krieg, I‑23.


3 – ABl. 1972, L 299, S. 32; konsolidierte Fassung, ABl. 1998, C 27, S. 1.


4 – Protokoll betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof (ABl. 1975, L 204, S. 28, konsolidierte Fassung, ABl. 1998, C 27, S. 28).


5 – ABl. L 12, S. 1.


6 – Wegen ähnlicher Ereignisse in Distomo am 10. Juni 1944 erhoben 257 griechische Staatsangehörige Klage gegen Deutschland, der das erstinstanzliche Gericht mit Urteil vom 30. Oktober 1997 stattgab. Das griechische Obergericht bestätigte diese Entscheidung in seinem Urteil vom 4. Mai 2000, doch wurde sie nicht vollstreckt, da die vorherige Genehmigung des Justizministers gemäß Artikel 923 der Zivilprozessordnung nicht vorlag. Die Kläger riefen daraufhin den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an, der im Urteil vom 12. Dezember 2002, Kalogeropoulou u. a./Griechenland und Deutschland (Recueil des arrêts et décisions, 2002-X) das Verhältnis zwischen der Staatenimmunität und dem Europäischen Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten untersuchte und feststellte, dass die Beschränkungen in der griechischen Regelung verhältnismäßig waren. In den schriftlichen Erklärungen der deutschen Regierung wird über die diplomatische Krise, zu der es damals kam, berichtet.


7 – Im Rahmen des Europarats geschlossenes und am 11. Juni 1976 in Kraft getretenes Übereinkommen, das für Deutschland, Österreich, Belgien, Zypern, Luxemburg, die Niederlande, das Vereinigte Königreich und die Schweiz bindend ist. Am selben Tag wurde ein Zusatzprotokoll zur Unterschrift ausgelegt, das für Österreich, Belgien, Zypern, Luxemburg, die Niederlande und die Schweiz bindend ist. Text und Ratifizierungsurkunden können auf der Internetseite des Europarats http://www.conventions.coe.int/Treaty/fr/Treaties/Html/074.htm eingesehen werden.


8 – Artikel 100 Absatz 4 der griechischen Verfassung in Verbindung mit Artikel 54 Absatz 1 des Gesetzbuchs über den Anotato Eidiko Dikastirio, genehmigt durch Artikel 1 des Gesetzes Nr. 345/1976 (FEK A' 141).


9 – P. Jenard erklärt in dem Bericht über das Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABL. 1979, C 59, S. 1), dass das Expertenkomitee, das mit der Erstellung des Entwurfs beauftragt war, insoweit die Methodik der bereits existierenden Übereinkommen übernommen hat. In der Lehre stimmt Droz, G. A. L., Compétence judiciaire et effets des jugements dans le marché commun (Etude de la Convention de Bruxelles du 27 septembre 1968), Librairie Dalloz, Paris, 1972, S. 33, damit überein. So auch Generalanwalt Damon in Nr. 19 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Sonntag, auf die ich im Folgenden noch Bezug nehme; in Nr. 20 stellt er fest, dass „eine erschöpfende Aufzählung der zum Zivil- oder Handelsrecht gehörenden Angelegenheiten selbst im bilateralen Rahmen selten ist“.


10 – Desantes Real, M., La competencia judicial en la Comunidad Europea, Bosch, Barcelona, 1986, S. 79 und 80.


11 – Es wurden die Strömungen im Völkerrecht aufgegriffen: „Der Begriff ‚Zivil- und Handelssachen’ ist sehr weit und umfasst nicht nur die Angelegenheiten, in denen die Zivil- und Handelsgerichte zuständig sind, insbesondere in den Ländern, in denen es eine Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt“, Conférence de La Haye de Droit international privé, Actes et documents de la quatrième session (mai-juin 1904), S. 84.


12 – C‑190/89, Slg. 1991, I‑3855.


13 – Auch andere Begriffen wurden autonom qualifiziert, wie der Begriff „Vertrag“ in Artikel 5 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens (Urteile vom 22. März 1983 in der Rechtssache 34/82 [Peters, Slg. 1983, 987, Randnrn. 9 und 10], vom 8. März 1988 in der Rechtssache 9/87 [Arcado, Slg. 1988, 1539, Randnrn. 10 und 11], vom 17. Juni 1992 in der Rechtssache C‑26/91 [Handte, Slg. 1992, I‑3967, Randnr. 10], vom 27. Oktober 1998 in der Rechtssache C‑51/97 [Réunion européenne u. a., Slg. 1998, I‑6511, Randnr. 15] und vom 17. September 2002 in der Rechtssache C‑334/00 [Tacconi, Slg. 2002, I‑7357, Randnr. 35]).


14 – Rechtssache 29/76, Slg. 1976, 1541.


15 – Generalanwalt Reischl vertrat in Nr. 2 seiner Schlussanträge in dieser Rechtssache die Ansicht, dass das Thema alles andere als unumstritten sei, denn Lehre und nationale Rechtsprechungen böten unterschiedliche Lösungsvorschläge. Dessen ungeachtet spricht er sich gegen die Theorie von der Autonomie aus, die ihm zwar „sehr attraktiv“ erscheint, gegen die aber „schwerwiegende Einwände“ bestünden, und schlägt vor, die Lösung dem Herkunftsstaat der zu vollstreckenden Entscheidung anzuvertrauen.


16 – Rechtssachen 9/77 und 10/77, Slg. 1977, 1517.


17 – Rechtssache 133/78, Slg. 1978, 733.


18 – Rechtssache 814/79, Slg. 1980, 3807.


19 – C‑172/91, Slg. 1994, I‑1963.


20 – C‑271/00, Slg. 2002, I‑10489.


21 – C‑266/01, Slg. 2003, I‑4867.


22 – Bericht zum Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof von Professor Dr. P. Schlosser (ABl. 1990, C 189, S. 184).


23 – Diese Rechtsprechung wurde bestätigt in den bereits zitierten Urteilen in den Rechtssachen Rüffer, Randnr. 8, Sonntag, Randnr. 20, Baten, Randnr. 30, Préservatrice Foncière TIARD, Randnr. 22 und im Urteil vom 1. Oktober 2002 in der Rechtssache C‑167/00 (Henkel, Slg. 2002, I‑8111, Randnr. 26).


24 – Generalanwalt Jacobs vertritt in Nr. 21 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Henkel dieselbe Auffassung, die der Gerichtshof in seinem Urteil implizit übernommen hat.


25 – Dieser Satz wurde durch Artikel 3 des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland angefügt (ABl. L 304, S. 1, und – geänderter Text – S. 77).


26 – Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. L 143, S. 15) setzt diese Philosophie um, indem er bestimmt: „Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (‚acta iure imperii‘)“. Einen ähnlichen Wortlaut hat Artikel 2 Absatz 1 des Geänderten Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (KOM/2006/57 endg.).


27 – Die künftigen gemeinschaftsrechtlichen Gesetzesvorhaben schließen diese Handlungen ebenfalls aus. So schließt Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe g des Geänderten Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) (KOM/2006/83 endg.) „außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus der Haftung des Staates für hoheitliches Handeln entstanden sind (‚acta iure imperii‘)“, von der Haftung aus.


28 – Generalanwalt Reischl spielt in den Schlussanträgen in der Rechtssache LTU auf die Über- und Unterordnung als Elemente der öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen an.


29 – Desantes Real, M., a. a. O., S. 84.


30 – Die Dichotomie Privatrecht/öffentliches Recht zur Abgrenzung des Brüsseler Übereinkommens wird im Jenard-Bericht deutlich, wenn der Ausschluss der Sozialversicherung gerechtfertigt wird, eines Rechtsgebiets, das in bestimmten Ländern wie der Bundesrepublik Deutschland, zum öffentlichen Recht gehört, und sich in anderen in der Grauzone zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht befindet. Der Bericht von Herrn Evriyenis und Herrn Karemeus über den Beitritt der Hellenischen Republik zum Übereinkommen (ABl. 1990, C 189, S. 257) trennt zivilrechtliche und handelsrechtliche Angelegenheiten von denen, die sich nach öffentlichem Recht richten. Nach Ansicht des Gerichtshofes kann die Unterscheidung auf das Kriterium der Ausübung öffentlicher Gewalt gestützt werden, was in der kontinentaleuropäischen Lehre die Einordnung der dem öffentlichen Recht unterliegenden Gebiete ermöglicht (Punkt 28). Zur Lehre Desantes Real, M., a. a. O., S. 79 bis 81.


31 – James, P. S., Introduction to the English Law, 10. Aufl.., Butterworth's, London, 1979, S. 4 ff.; Knoepfler, F., La House of Lords et la définition de la matière civile et commerciale, Mélanges Grossen, Neuchatel, 1992, S. 9.


32 – Tirado Robles, C., La competencia judicial en la Unión Europea (Comentarios al Convenio de Bruselas), Bosch, Barcelona, 1995, S. 14.


33 – In den Schlussanträgen in dieser Rechtssache illustriert Generalanwalt Darmon die Ausgestaltung des mit einem Strafverfahren verbundenen zivilrechtlichen Anspruchs in den Rechtssystemen der Vertragsstaaten und unterscheidet zwischen den Ländern des „Common Law“ (Nr. 28) und den kontinentaleuropäischen, von denen er die Regelungen Dänemarks, Spaniens, Belgiens, Italiens, Portugals, der Niederlande, Frankreichs, Luxemburgs und Griechenlands zitiert (Nrn. 30 bis 39)


34 – Urteil vom 3. Juli 1986 in der Rechtssache 66/85 (Lawrie-Blum, Slg. 1986, 2121, Randnr. 28).


35 – Generalanwalt Tizzano führt aus, dass die Gemeinde unter diesen Umständen nicht in Ausübung hoheitlicher Befugnisse für die Bestimmung derjenigen, von denen sie die Rückzahlung ihrer Aufwendungen fordern kann, oder für die Festlegung der Höhe der geschuldeten Leistung und auch nicht für die Zwecke der Rückforderung der Sozialhilfeaufwendungen handelt: sie kann den Dritten nur zur Zahlung auffordern (Nr. 35). Folglich unterscheidet sich das Rechtsverhältnis zwischen den beiden Rechtssubjekten nicht von den gewöhnlichen Schuldverhältnissen, die zwischen gleichgeordneten Rechtssubjekten entstehen und bei denen es sich um zivilrechtliche Verhältnisse handelt (Nr. 36).


36 – C‑433/01, Slg. 2004, I‑981.


37 – C‑265/02, Slg. 2004, I‑1543.


38 – Das bedeutet, dass das Brüsseler Übereinkommen auf die Fälle anwendbar ist, in denen zwar eine Vorschrift des öffentlichen Rechts zur Anwendung kommt, die Rechtsbeziehung aber zwischen Privatpersonen entsteht; Gothot, P. und Holleaux, D., La Convención de Bruselas de 27 September 1968 (Competencia judicial y efectos de las decisiones en el marco de la CEE), La Ley, Madrid, 1986, S. 9; Palomo Herrero, Y., Reconocimiento y exequátur de resoluciones judiciales según el Convenio de Bruselas de 27-09-68, Colex, Madrid, 2000, S. 61. Das Kriterium entspricht dem kontinentaleuropäischen Konzept des öffentlichen Rechts, wonach ohne die Mitwirkung einer Behörde keine öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung entstehen kann (García de Enterría, E. und Fernández, T. R., Curso de Derecho Administrativo, Band I, 9. Aufl., Ed. Civitas, Madrid, 1999, S. 42 ff.); ich kann nicht umhin, auf die Notwendigkeit hinzuweisen, dass angesichts der Probleme bei der Abgrenzung dieses Rechts in einer größeren Union das persönliche Kriterium im gemeinschaftsrechtlichen Rahmen zu nuancieren ist, indem seine Relevanz verringert wird oder der Begriff „öffentliche Partei“ im Gegensatz zu „private Partei“ weit ausgelegt wird (Dashwood, A., Hacon, R., White, R., A Guide to the Civil Jurisdiction and Judgement Convention, Kluwer, Deventer/Antwerpen/London/Frankfurt/Boston/New York, 1987, S. 10; Donzallaz, Y., La Convention de Lugano du 16 septembre 1988 concernant la compétence judiciaire et l'exécution des décisions en matière civile et commerciale, Bd. I, Staempfli, Bern, 1996, S. 336 und 337).


39 – Gaudemet-Tallon, H., Les Conventions de Bruxelles et de Lugano (Compétence internationale, reconnaissance et exécution des jugements en Europe), LGDJ, Paris, 1993, S. 20 und 21, stellt fest, dass das Kriterium, auch wenn es ihm nicht an jeder Logik fehle und es im Völkerrecht Anwendung finde, nicht die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht beseitige.


40 – U. a. Schlosser, P., Der EuGH und das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, Neue Juristische Wochenschrift, 1977, S. 457 ff. auch seine Anmerkungen zum Urteil LTU, Huet, A., Journal du droit international, 1977, S. 707 ff. und Droz, G. A. L., Revue critique de droit international privé, 1977, S. 776 ff.


41 – Pescatore, P., Las cuestiones prejudiciales, in Rodríguez Iglesias, G. C. und Liñán Nogueras, D., El Derecho comunitario europeo y su aplicación judicial, Civitas, Madrid, 1993, S. 546.


42 – Peláez Marón, J. M., Funciones y disfunciones del control jurisdiccional en el marco de la Comunidad Europea, Gaceta Jurídica de la CEE, Nr. 52, Serie D‑9, 1988, S. 233 bis 259.


43 – Kakouris, K. N., in La mission de la Cour de Justice des Communautés européennes et l’ethos du juge, Revue des affaires européennes, Nr. 4, 1994, S. 35 bis 41, nimmt Bezug auf die bewusste, ehrliche und moralische Haltung sowohl des Gerichtshofs aus auch eines jeden seiner Richter – das „Ethos“ –.


44 – In Nr. 35 meiner Schlussanträge in der Rechtssache C‑30/02, in der am 17. Juni 2004 das Urteil erging (Recheio-Cash & Carry, Slg. 2004, I‑6051), bringe ich mein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass im Urteil vom 24. September 2002 in der Rechtssache C‑255/00 (Grundig Italiana, Slg. 2002, I‑8003) für den Bereich des Abgabenrechts festgelegt wurde, welche Mindestzeit ausreicht, um die wirksame Erhebung von auf das Gemeinschaftsrecht gestützten Klagen zu gewährleisten, und dadurch gegen die souveräne Kompetenz des nationalen Gerichts zur Entscheidung des Ausgangsverfahrens verstoßen würde; in Fußnote 44 dieser Schlussanträge rüge ich denselben Fehler in anderen Urteilen.


45 – In dieser Hinsicht steuert die polnische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen – wenn auch in Bezug auf die zweite Frage – eine spitzfindige Würdigung bei, indem sie ihren Blick darauf richtet, dass das Gericht des Ausgangsverfahrens Handlungen und Unterlassungen anspricht, die vor Inkrafttreten des Übereinkommens stattgefunden hatten, „konkret in den Jahren 1941 bis 1944“, aber sie wirft deshalb keine Auslegungsfrage auf, da diese, worauf die polnische Regierung selbst hinweist, anhand von Artikel 54 des Übereinkommens gelöst würde, nach dem auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen ist.


46 – In der Bibel enthält das Deuteronomium unter der Rubrik „Die Eroberung der Städte“ einen wahren Katalog von Empfehlungen; so wird zum Beispiel ein an die gesamte Bevölkerung gerichtetes Friedensangebot verlangt (Jerusalemer Bibel, Deuteronomium, Kapitel 20, Vers 10). Das „humanitäre Völkerrecht“ ist heute als Bestandteil des Völkerrechts anerkannt; es wurde entwickelt in den Genfer Konventionen vom 12. August 1949 betreffend die Kriegsgefangenen (III. Genfer Abkommen) und die Zivilpersonen in Kriegszeiten (IV. Genfer Abkommen) sowie den Zusatzprotokollen vom 8. Juni über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) und über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll II); die Texte finden sich in verschiedenen Sprachen unter dem Abschnitt Völkerrecht auf der Internetseite des Hochkommissars für Menschenrechte http://www.ohchr.org.


47 – In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger des Ausgangsverfahrens bestätigt, dass die Soldaten die Taten in Ausübung von Befehlen ihrer Vorgesetzten begingen.


48 – Baroja, P. schreibt in seinem kürzlich nach langem Verbot durch die Zensur unter Franco erschienenen Roman „Miserias de la guerra“, Ed. Caro Raggio, Madrid, 2006, von der Rolle des Anarchisten Durruti im spanischen Bürgerkrieg, dieser habe Recht gehabt als Soldat, aber nicht als Anarchist, denn Krieg könne nur mit strenger und harter Disziplin geführt werden. Krieg mit Anarchisten führen zu wollen, die über die Befehle ihrer Anführer zu diskutieren verlangten, sei blanker Unsinn (S. 192).


49 – Im Urteil vom 21. November 2001 in der Rechtssache McElhinney/Irland, § 38 (Recueil des arrêts et décisions, 2001‑XI), wurde ausgeführt: „Les textes mentionnés […] montrent en outre que cette tendance paraît concerner essentiellement les dommages corporels ‚assurables‘, c’est-à-dire ceux causés par des accidents de la circulation ordinaires, et non des problèmes relevant de la sphère centrale de souveraineté des Etats, tels que les actes d’un soldat sur le territoire d’un Etat étranger; ceux-ci peuvent, par nature, soulever des questions sensibles touchant aux relations diplomatiques entre Etats et à la sécurité nationale“ (Randnr. 38).


50 – Zu diesem Ergebnis kamen auch andere Obergerichte der Vertragsstaaten, ohne eine Vorlagefrage zu stellen, wie die italienische Corte di Cassazione in einer Entscheidung vom 12. Januar 2003 und der deutsche Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 26. Juni 2003.


51 – Inhalt und Anmerkungen der Völkerrechtskommission finden sich unter http://untreaty.un.org/ilc/reports/2001/spanish/chp4.pdf.


52 – Bröhmer, J., State Immunity and the Violation of Human Rights, Kluwer Law International, Den Haag, 1997, S. 143 ff. weist nach, dass die normative Entwicklung der Menschenrechte eine Beschränkung der Staatenimmunität mit sich bringt, sogar wenn der rechtsverletzende Staat hoheitlich handelte. Gaudreau, J., Immunité de l’État et violations des droits de la personne: une approche jurisprudentielle, HEI publications-Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales, Genf, 2005, untersucht die Entwicklung der Praxis der nationalen und internationalen Gerichte im Zusammenhang mit den erwähnten Punkten.


53 – Ich glaube, sie wollten Artikel 3 des IV. Genfer Abkommens zitieren, das in Fußnote 46 genannt wurde. Sie nahmen auch am Rande Bezug auf die Artikel 913, 914 und 932 des griechischen Zivilgesetzbuchs.


54 – Im englischen Recht wurde dieses Prinzip nach und nach abgeschwächt und im Crown Proceedings Act 1947 endgültig aufgehoben.


55 – Im humanitären Völkerrecht wird das bereits genannte IV. Genfer Abkommen von 1949 betreffend den Schutz der Zivilpersonen in Kriegszeiten „in allen Fällen vollständiger oder teilweiser Besetzung des Gebietes einer Hohen Vertragspartei [angewendet], selbst wenn diese Besetzung auf keinen bewaffneten Widerstand stößt“ (Artikel 2 Absatz 2).


56 – Rechtssache 189/87, Slg. 1988, 5565.


57 – Auf der gleichen Linie die Urteile Réunion européenne u. a., Randnr. 22, Henkel, Randnr. 36; Urteile vom 26. März 1992 in der Rechtssache C‑261/90 (Reichert und Kockler, Slg. 1992, I‑2149, Randnr. 16) und vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C‑96/00 (Gabriel, Slg. 2002, I‑6367, Randnr. 33).


58 – Als Beispiele für diese Divergenz: in Deutschland § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Verbindung mit Artikel 34 des Grundgesetzes; in Österreich Artikel 23 der Bundesverfassung und das Bundesgesetz vom 18. Dezember 1948, womit die Haftung des Bundes, der Länder, der Bezirke, der Gemeinden und der sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für den in Vollziehung der Gesetze zugefügten Schaden geregelt wird; in Belgien Artikel 1382 ff. des Zivilgesetzbuchs; in Zypern Artikel 146 und 172 der Verfassung; in Spanien Artikel 9 und 106 der Verfassung sowie Artikel 139 ff. des Gesetzes 30/1992 vom 26. November 1992 betreffend das Regime der Öffentlichen Verwaltung und das Allgemeine Verwaltungsverfahren; in Estland Artikel 25 der Verfassung und das Gesetz vom 2. Mai 2001 über die Staatshaftung; in Finnland Artikel 118 der Verfassung und das Gesetz 412/1974 über die zivilrechtliche Haftung; in Griechenland Artikel 105 des Einführungsgesetzbuchs zum Zivilgesetzbuch; in Ungarn Artikel 349 des Zivilgesetzbuchs; in Italien die Vorschriften des Zivilgesetzbuchs zur Haftung aus unerlaubter Handlung; in den Niederlanden Artikel 6:162 des Zivilgesetzbuchs; in Polen Artikel 77 der Verfassung und Artikel 417 ff. des Zivilgesetzbuchs; in Slowenien Artikel 26 der Verfassung und Artikel 63 des Gesetzes über den Verwaltungsprozess; in Schweden das Gesetz vom 2. Juni 1972 über Schäden; in der Tschechischen Republik Artikel 36 der Charta über die Grundrechte und -freiheiten. Diese Aufzählung legt die Unterschiede offen, denn es gibt Staaten, in denen der Grundsatz auf höchster normativer Ebene niedergelegt ist, in einigen in besonderen Vorschriften, andere verweisen auf das Privatrecht, ohne diejenigen zu vergessen, die nicht erwähnt sind und in denen er von der Rechtsprechung entwickelt wurde.


59 – Zu diesem Ergebnis kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in drei Urteilen vom 21. November 2001, Al-Adsani/Vereinigtes Königreich, § 48; McElhinney/Irland – bereits zitiert –, § 25 und Fogarty/ Vereinigtes Königreich, § 26; Recueil des arrêts et décisions, 2001‑XI.