SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

L. A. GEELHOED

vom 14. September 20061(1)

Rechtssache C-119/05

Ministero dell’Industria, del Commercio e dell’Artigianato

gegen

Lucchini Siderurgica SpA

(Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato in seiner Funktion als Gericht [Sechste Kammer])

„EGKS – Rückforderung einer Beihilfe, die für mit dem Gemeinsamen Markt und der Entscheidung Nr. 3484/85/EGKS der Kommission vom 27. November 1985 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften für die Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie unvereinbar erklärt wurde – Verpflichtung des Staates, die Beihilfe trotz eines entgegenstehenden rechtskräftigen Urteils eines Zivilgerichts zurückzufordern“





I –     Einleitung

1.        In dieser Rechtssache steht erneut die Frage der Unantastbarkeit der Rechtskraft im Mittelpunkt. Diesmal geht es um die Rechtskraft des Urteils eines italienischen Zivilgerichts, mit dem der italienische Staat für nach nationalem Recht verpflichtet erklärt wurde, eine bedingt zugesagte staatliche Beihilfe auszuzahlen, und dem die Bestandskraft einer vor diesem Urteil ergangenen Entscheidung der Kommission, mit der diese Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wurde, gegenübersteht. In dem darauf folgenden Verfahren über die Rückforderung der nach Gemeinschaftsrecht rechtswidrig gewährten Beihilfe beruft sich die durch diese Beihilfe Begünstigte gegenüber den italienischen Behörden auf das rechtskräftig gewordene Urteil des italienischen Gerichts. Die Kernfrage besteht im Wesentlichen darin, ob ein nationales Gerichtsurteil die Ausübung der ausschließlichen Zuständigkeit der Kommission, staatliche Beihilfen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt hin zu überprüfen und, sofern erforderlich, die Rückforderung der rechtswidrig gewährten Beihilfe zu veranlassen, vereiteln kann.

II – Das einschlägige Recht

A –    Gemeinschaftsrecht

2.        Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag untersagt den Mitgliedstaaten, im Kohlen- und Stahlsektor Subventionen oder Beihilfen, in welcher Form auch immer, zu bewilligen.

3.        Von 1980 an erging angesichts der ernsten Krisensituation im Stahlsektor in Europa eine Reihe von Entscheidungen über Ausnahmen von diesem absoluten Verbot. Diese Ausnahmen beruhen auf Artikel 95 Absätze 1 und 2 EGKS-Vertrag.

4.        Von Mitte 1981 bis Ende 1985 galt die Entscheidung Nr. 2320/81/EGKS(2), geändert durch die Entscheidung Nr. 1018/85/EGKS(3), der so genannte Zweite Beihilfekodex. Ziel dieses Kodex war die Gewährung von Beihilfen, um eine Besserung in diesem Sektor zu erreichen und die Produktionskapazität auf das Niveau der Nachfrage zurückzubringen. Die Beihilfe musste befristet sein und bedurfte vorheriger Zustimmung. Dazu sah dieser Kodex ein Zustimmungsverfahren vor.

5.        Artikel 8 Absatz 1 des Zweiten Beihilfekodex lautet:

„Die Kommission wird von allen Vorhaben zur Gewährung oder Änderung von Beihilfen … so rechtzeitig unterrichtet, dass sie sich hierzu äußern kann. … Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme erst durchführen, wenn die Kommission ihre Zustimmung erteilt hat und alle ihre Bedingungen erfüllt sind.“

6.        Am 1. Januar 1986 wurde dieser Kodex durch den Dritten Beihilfekodex, die Entscheidung Nr. 3484/85/EGKS(4), ersetzt, die vom 1. Januar 1986 bis 31. Dezember 1988 galt. Dieser Beihilfekodex war hinsichtlich der Ausnahmen vom Beihilfeverbot in diesem Sektor enger. Nach Artikel 3 des Dritten Beihilfekodex konnten Beihilfen für die Anpassung von Anlagen an neue gesetzliche Umweltschutznormen gewährt werden. Die gewährten Beihilfen durften die Höchstgrenze von 15 % des Netto-Beihilfeäquivalents der unmittelbar mit der betreffenden Umweltschutzmaßnahme verbundenen Investitionskosten nicht übersteigen.

7.        Artikel 1 Absatz 3 des Dritten Beihilfekodex präzisiert, dass die in dem Kodex vorgesehenen Beihilfen nur nach den Verfahren des Artikels 6 in Kraft gesetzt werden und keine Zahlung nach dem 31. Dezember 1988 zur Folge haben durften.

8.        Artikel 6 Absätze 1, 2 und 4 des Dritten Beihilfekodex lautet:

„(1)      Die Kommission ist von allen Vorhaben zur Gewährung oder Umgestaltung von Beihilfen … so rechtzeitig zu unterrichten, dass sie sich hierzu äußern kann. Unter denselben Bedingungen ist sie über alle Vorhaben zur Anwendung jener Beihilferegelungen auf die Stahlindustrie zu unterrichten, zu denen sie bereits aufgrund des EWG-Vertrags Stellung genommen hat. Die Anmeldungen der in diesem Artikel genannten Beihilfevorhaben sind bis spätestens 30. Juni 1988 bei der Kommission einzureichen.

(2)      Die Kommission ist von allen geplanten Finanzierungsmaßnahmen (Beteiligungen, Kapitalausstattungen oder gleichwertige Maßnahmen), die die Mitgliedstaaten, nachgeordnete Gebietskörperschaften, oder sonstige Organe, die hierbei öffentliche Mittel einsetzen, zugunsten von Stahlunternehmen vorzunehmen beabsichtigen, so rechtzeitig – spätestens aber bis zum 30. Juni 1988 – zu unterrichten, dass sie sich dazu äußern kann.

Die Kommission stellt fest, ob die betreffenden Maßnahmen Beihilfeelemente im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 enthalten, und beurteilt gegebenenfalls deren Vereinbarkeit mit den Artikeln 2 bis 5.

(4)      Stellt die Kommission, nachdem sie die Beteiligten zur Stellungnahme aufgefordert hat, fest, dass eine Beihilfe nicht mit den Bestimmungen der vorliegenden Entscheidung vereinbar ist, so unterrichtet sie den betreffenden Mitgliedstaat von ihrer Entscheidung. Die Kommission trifft ihre Entscheidung spätestens drei Monate nach Eingang der zur Beurteilung der betreffenden Beihilfe erforderlichen Auskünfte. Kommt ein Mitgliedstaat der genannten Entscheidung nicht nach, so findet Artikel 88 des EGKS-Vertrags Anwendung. Der betreffende Mitgliedstaat darf die in den Absätzen 1 und 2 genannten geplanten Maßnahmen nur mit Zustimmung der Kommission durchführen, wobei er sich an die von der Kommission festgesetzten Bedingungen zu halten hat.“

9.        Der Dritte Beihilfekodex wurde durch die Entscheidung Nr. 322/89/EGKS(5), den so genannten Vierten Beihilfekodex, ersetzt. Der Vierte Beihilfekodex galt vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1991. Artikel 3 des Vierten Beihilfekodex ist mit Artikel 3 des Dritten Beihilfekodex identisch.

10.      Seit dem Außerkrafttreten des EGKS-Vertrags am 23. Juli 2002 gilt die Beihilferegelung des EG-Vertrags auch für der Eisen- und Stahlindustrie gewährte Beihilfen.

B –    Nationales Recht

11.      Das Gesetz Nr. 183 vom 2. Mai 1976 (im Folgenden: Gesetz Nr. 183/1976)(6) sieht die Möglichkeit vor, unmittelbare Kapitalbeihilfen und Zinsbeihilfen in Höhe von bis zu 30 % des Investitionsbetrags für Industrievorhaben im Mezzogiorno zu gewähren.

12.      Artikel 2909 des italienischen Bürgerlichen Gesetzbuchs enthält eine Vorschrift, wonach keine Gründe geltend gemacht werden können, die von einem rechtskräftig gewordenen Urteil erfasst sind, wodurch prozessual betrachtet gerichtliche Entscheidungen über Rechtsstreitigkeiten, über die ein anderes Gericht bereits rechtskräftig entschieden hat, ausgeschlossen sind. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts gilt dies nicht nur für Gründe, die in einem früheren Verfahren geltend gemacht worden sind, sondern auch für Gründe, die hätten geltend gemacht werden können.

III – Sachverhalt, Verfahren und Vorabentscheidungsfragen

 Sachverhalt/Zeitliche Übersicht

13.      Aus den Akten ergibt sich (in chronologischer Reihenfolge) folgender Sachverhalt:

–        Am 6. November 1985 reichte die Rechtsvorgängerin der Lucchini Siderurgica Spa (im Folgenden: Lucchini) einen Antrag auf eine Beihilfe gemäß dem Gesetz Nr. 183/1976 ein. Für Gesamtinvestitionen in Höhe von 2 550 Millionen ITL zur Modernisierung bestimmter Anlagen beantragte sie ein Darlehen von 1 021 Millionen ITL zu einem verbilligten Zinssatz und eine staatliche Subvention von 765 Millionen ITL (was 30 % der Investitionskosten entsprach).

–        Mit Entscheidung vom 11. Juni 1986 gewährte das Kreditinstitut, das mit der Prüfung des Antrags hinsichtlich der Kreditfinanzierung betraut war, ein Darlehen von 1 021 Millionen ITL auf zehn Jahre zu einem verbilligten Zinssatz von 4,25 %.

–        Am 20. April 1988 meldeten die zuständigen italienischen Behörden das Vorhaben, der Lucchini eine Beihilfe zu gewähren, bei der Kommission gemäß Artikel 6 Absatz 1 des Dritten Beihilfekodex an. Der Anmeldung zufolge ging es dabei um eine Beihilfe hinsichtlich einer Investition in Höhe von 2 550 Millionen ITL in die Verbesserung der Umweltqualität, für die ein subventioniertes Darlehen zu einem verbilligten Zinssatz vereinbart (die Zinsbeihilfe sollte sich auf etwa 367 Millionen ITL belaufen) sowie eine staatliche Subvention (von 765 Millionen ITL) gewährt werden sollte.

–        Mit Schreiben vom 22. Juni 1988 ersuchte die Kommission um nähere Auskünfte über diese Beihilfemaßnahme in Bezug auf die Art der subventionierten Investitionen und die genauen Bedingungen (Prozentsatz, Dauer) der beantragten Darlehen. In diesem Schreiben wurde auch verlangt, anzugeben, ob die Beihilfe im Rahmen der Anwendung einer allgemeinen Regelung des Umweltschutzes gewährt werde, um eine Anpassung der Anlagen an neue einschlägige Normen zu ermöglichen, und diese Normen zu nennen. Die zuständigen italienischen Behörden reagierten auf dieses Ersuchen nicht.

–        Am 16. November 1988 bewilligte die zuständige italienische Behörde (seinerzeit die AGENSUD), da der Ablauf der Frist für die Gewährung von Beihilfen nach dem Dritten Beihilfekodex (31. Dezember 1988) näher rückte, mit Entscheidung Nr. 7372 der Lucchini vorläufig eine Beihilfe in Höhe von 382,5 Millionen ITL, d. h. in Höhe von 15 % der Investitionskosten (anstelle von 30 %, wie im Gesetz Nr. 183/1976 vorgesehen), zur Auszahlung vor dem 31. Dezember 1988 entsprechend dem Erfordernis des Dritten Beihilfekodex. Die Gewährung einer Zinsbeihilfe wurde jedoch abgelehnt, weil andernfalls der Gesamtbetrag der gewährten Beihilfe die eingeräumte Grenze von 15 % nach dem Dritten Beihilfekodex überschritten hätte. Nach Artikel 6 des Dritten Beihilfekodex unterlag die Durchführung der Beihilfe der Zustimmung der Kommission; AGENSUD nahm die Auszahlung der Beihilfe nicht vor.

–        Am 13. Januar 1989 leitete die Kommission, da sie mangels ausreichender Informationen der italienischen Behörden nicht in der Lage war, die Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahme insgesamt zu beurteilen, das Verfahren nach Artikel 6 Absatz 4 des Beihilfekodex ein. Eine entsprechende Mitteilung erfolgte im Amtsblatt vom 23. März 1990(7).

–        Inzwischen hatte die Lucchini, da die Beihilfe noch nicht ausgezahlt worden war, am 6. April 1989 die AGENSUD vor einem Zivilgericht (Tribunale civile e penale Rom) verklagt, um nach dem Gesetz Nr. 183/1976 ihren Anspruch auf Auszahlung eines Betrages in Höhe von 765 Millionen ITL (30 % der Investitionskosten) und 367 Millionen ITL (Zinsbeihilfe) geltend zu machen.

–        Mit Fernschreiben vom 9. August 1989 erteilten die italienischen Behörden der Kommission im Rahmen des von ihr eingeleiteten Verfahrens nähere Auskünfte über die in Rede stehende Beihilfe.

–        Mit Schreiben vom 18. Oktober 1989 unterrichtete die Kommission die italienischen Behörden, dass deren Antwort nicht zufrieden stellend sei, da noch immer eine Reihe von Einzelheiten fehle. In diesem Schreiben führte die Kommission außerdem aus, dass sie bei Ausbleiben einer akzeptablen Antwort nach Ablauf einer Frist von 15 Werktagen berechtigt sei, auf der Grundlage der Informationen, über die sie verfüge, eine endgültige Entscheidung zu treffen. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

–        Am 20. Juni 1990 stellte die Kommission mit der Entscheidung Nr. 90/555/EGKS endgültig fest, dass die Beihilfe gegen den Gemeinsamen Markt verstößt. Sie machte dies in einer Pressemitteilung bekannt(8). Außerdem setzte sie mit Schreiben vom 20. Juli 1990 die italienischen Behörden davon in Kenntnis(9). Schließlich wurde die Entscheidung im Amtsblatt vom 14. November 1990 veröffentlicht(10). Gegen diese Entscheidung erhoben weder die Lucchini noch die italienische Regierung Klage.

–        Am 24. Juli 1991 gab das italienische Gericht der Klage der Lucchini im ersten Rechtszug statt. Dieses Urteil war auf das Gesetz Nr. 183/1976 gestützt.

–        Am 6. Mai 1994 bestätigte die Corte d’Appello die Entscheidung des Tribunale civile e penale Rom in der Berufung. Da hiergegen keine Kassationsklage erhoben wurde, wurde dieses Urteil rechtskräftig.

–        Da am 20. November 1995 die Beihilfebeträge noch immer nicht ausgezahlt worden waren, erwirkte die Lucchini eine auf Auszahlung gerichtete Zahlungsaufforderung. Dieser wurde der zuständigen Stelle (inzwischen das Ministero dell’industria, del commercio e dell’artigianato, im Folgenden: Ministerium) zugestellt. Im Februar 1996 ließ die Lucchini den Fuhrpark des zuständigen Ministeriums für Industrie, Handel und Handwerk pfänden, da dem Vollstreckungsbescheid immer noch nicht nachgekommen worden war.

–        Daraufhin erließ das Ministerium am 8. März 1996 das Dekret Nr. 17975, mit dem das Urteil der Corte d’Appello durchgeführt wurde und ein Kapitalzuschuss von 765 Millionen ITL sowie eine Zinsbeihilfe von 367 Millionen ITL gewährt wurden. Das Dekret enthält einen Vorbehalt dahin, dass die Zuwendung im Fall einer negativen Gemeinschaftsentscheidung über die Zulässigkeit der Bewilligung und Auszahlung dieser finanziellen Leistungen ganz oder teilweise widerrufen werden könne. Am 16. April 1996 wurden die betreffenden Beträge zuzüglich der gesetzlichen Zinsen ausgezahlt.

–        Am 15. Juli 1996 teilte die Kommission mit, dass das Urteil der Corte d’Appello nach der Entscheidung Nr. 90/555/EGKS und dem Dritten Beihilfekodex gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße, und forderte die italienische Regierung auf, sich zu äußern.

–        Hierzu wurde mit Schreiben vom 26. Juli 1996 Stellung genommen. Das Ministerium hob hervor, dass die Beihilfe unter Vorbehalt des Rechts auf Rückforderung gewährt worden sei.

–        Am 16. September 1996 wies die Kommission die italienischen Behörden unter Androhung der Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 88 EGKS-Vertrag an, die Beihilfe zurückzufordern.

–        Am 20. September 1996 erließ das Ministerium ein weiteres Dekret, das Dekret Nr. 20357, mit dem die gewährte Beihilfe widerrufen und die Rückzahlung gefordert wurde.

–        Am 16. November 1996 erhob die Lucchini gegen das zuletzt genannte Dekret Klage vor dem Verwaltungsgericht (Tribunale amministrativo regionale Lazio). Sie trug u. a. vor, dass ihr Beihilfeanspruch nicht mehr berührt werden könne, da das Urteil der Corte d’Appello rechtskräftig geworden sei. Am 1. April 1999 wurde der Klage der Lucchini stattgegeben.

–        Am 2. November 1999 legte die Avvocatura dello Stato namens des Ministeriums ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil beim Consiglio di Stato ein.

–        Mit Beschluss vom 22. Oktober 2004 hat der Consiglio di Stato um Vorabentscheidung im Hinblick auf die Beseitigung der Unvereinbarkeit des rechtskräftigen Urteils der Corte d’Appello mit der Entscheidung Nr. 90/555/EGKS der Kommission ersucht.

 Die Vorabentscheidungsfragen

14.      Der Consiglio di Stato in seiner Funktion als Gericht (Sechste Kammer) hat dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist es aufgrund des unmittelbar anwendbaren Grundsatzes des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts – im vorliegenden Fall sind das die allgemeine Entscheidung Nr. 3484/85/EGKS, die am 20. Juli 1990 zugestellte Entscheidung der Kommission vom 20. Juni 1990 und die Entscheidung der Kommission Nr. 5259 vom 16. September 1996 mit der Anordnung zur Rückzahlung der Beihilfe, die alle im vorliegenden Fall als Grundlage für den Erlass der angefochtenen Maßnahme der Rückforderung (d. h. des Dekrets Nr. 20357 vom 20. September 1996 über die Aufhebung der Dekrete Nr. 17975 vom 8. März 1996 und Nr. 18337 vom 3. April 1996) gedient haben – rechtlich möglich und geboten, dass die innerstaatliche Verwaltung die Beihilfe, die ein Einzelner erhalten hat, von diesem zurückfordert, obwohl ein rechtskräftiges Zivilurteil vorliegt, das die unbedingte Verpflichtung zur Zahlung dieser Beihilfe ausspricht?

2.      Oder ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Grundsatzes, wonach die Entscheidung über die Rückforderung der Beihilfe durch das Gemeinschaftsrecht, ihre Durchführung und das entsprechende Rückforderungsverfahren jedoch mangels gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften in diesem Bereich durch das nationale Recht geregelt werden (zu diesem Grundsatz vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 21. September 1983 in den Rechtssachen 205/82 bis 215/82, Deutsche Milchkontor, Slg. 1983, 2633), das Rückforderungsverfahren wegen einer konkreten, rechtskräftig gewordenen (Artikel 2909 Codice civile) Gerichtsentscheidung, die in einem Rechtsstreit zwischen einem Privaten und der Verwaltung ergangen ist und zu deren Durchführung die Verwaltung verpflichtet ist, nicht vielmehr rechtlich unmöglich?

 Verfahren vor dem Gerichtshof

15.      Schriftliche Erklärungen haben die Lucchini, die italienische Regierung, die tschechische Regierung, die niederländische Regierung und die Kommission eingereicht. Alle Beteiligten haben ihren Standpunkt in der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2006 erläutert.

IV – Beurteilung

A –    Standpunkt der Beteiligten

16.      In dieser höchst außergewöhnlichen Rechtssache, in der das Verhältnis zwischen einer der Kernbestimmungen des Gemeinschaftsrechts, nämlich Artikel 88 EG, und dem Grundsatz der res iudicata zu untersuchen und zu beurteilen ist, ist es nützlich, die Auffassungen der Parteien des Ausgangsverfahrens, der Mitgliedstaaten, die sich beteiligt haben, und der Kommission ausführlicher als üblich wiederzugeben.

17.      Die Lucchini und die tschechische Regierung vertreten im Wesentlichen die Auffassung, dass ein rechtskräftig gewordenes Urteil dem Interesse der Gemeinschaft, eine unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gewährte Beihilfe zurückzufordern, vorgehe. Sie stützen sich auf die Rechtsprechung in den Rechtssachen Eco Swiss(11), Köbler(12), Kühne & Heitz(13) und Kapferer(14). Auch die italienische Regierung, die niederländische Regierung und die Kommission erkennen die Bedeutung des Grundsatzes der Rechtskraft, wie er in der genannten Rechtsprechung zum Ausdruck kommt, an, meinen jedoch, dass dieser Grundsatz im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei oder dass davon eine Ausnahme zu machen sei.

18.      Zunächst bezweifelt die Lucchini, dass der Vorlagebeschluss zulässig sei. Sie führt dafür an, dass eine auszulegende Gemeinschaftsrechtsnorm fehle, dass ein zu entscheidender Rechtsstreit fehle und dass die vorgelegten Fragen hypothetischen Charakter hätten. Hilfsweise äußert die Lucchini außerdem Zweifel an der Gültigkeit der Entscheidung Nr. 90/555/EGKS wegen einer Reihe vermeintlicher Verfahrensfehler.

19.      Was die Begründetheit angeht, so verweist die Lucchini auf die ständige Rechtsprechung, wonach der einzige Einwand, den ein Mitgliedstaat gegen eine nach Artikel 88 Absatz 2 EG erhobene Klage der Kommission wegen Nichterfüllung geltend machen könne, die absolute Unmöglichkeit sei, die Kommissionsentscheidung ordnungsgemäß durchzuführen. Diese Unmöglichkeit ergebe sich aus dem rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteil der Corte d’Appello.

20.      Die Lucchini räumt die Existenz des Grundsatzes ein, dass keine staatliche Beihilfe gewährt werden könne, wenn es eine Entscheidung der Kommission gebe, die diese Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erkläre. Ihrer Auffassung nach besteht jedoch eine vorrangige Rechtsregel, der zufolge sich alle Marktteilnehmer als durch die Rechtskraft, die auf dem fundamentalen Grundsatz der Rechtssicherheit beruhe, geschützt ansehen dürften.

21.      Neben den vorstehend genannten Urteilen verweist die tschechische Regierung ebenso wie die Lucchini auch auf Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999(15). Danach verlange die Kommission nicht die Rückforderung der Beihilfe, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verstoßen würde. Nach Auffassung der tschechischen Regierung liegt dies bei einer res iudicata vor.

22.      Nach Ansicht der italienischen Regierung ist der Grundsatz der Rechtskraft nicht anwendbar, da dieser Grundsatz eine Entscheidung voraussetze, die zwischen denselben Parteien bindend geworden sei, denselben Gegenstand habe und auf dieselbe Rechtsgrundlage gestützt sei(16).

23.      Diese dritte Voraussetzung sei zum einen aufgrund der Unterschiede zwischen dem zivilrechtlichen, zum Urteil der Corte d’Appello führenden Verfahren und dem nunmehr laufenden verwaltungsrechtlichen Verfahren vor dem vorlegenden Gericht und zum anderen aufgrund der Tatsache, dass sich das Urteil der Corte d’Appello weder auf den Dritten Beihilfekodex stütze noch die Entscheidung Nr. 90/555/EGKS der Kommission berücksichtigt habe, nicht erfüllt.

24.      Die italienische Regierung weist außerdem darauf hin, dass sich die Lucchini nicht auf den Schutz berechtigten Vertrauens berufen könne. Ein Unternehmen wisse, dass ein Anspruch auf Zahlung einer Beihilfe erst dann bestehen könne, wenn sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene eine zustimmende Entscheidung getroffen worden sei. Auch wenn auf nationaler Ebene ein Urteil, das Rechtskraft erlangt habe, vorliege, bedeute dies noch nicht, dass ein Unternehmen die Beihilfe auch erhalten dürfe. Das Unternehmen müsse erst noch die Entscheidung der Kommission abwarten. Die Kommission sei nämlich nicht an das Urteil des nationalen Gerichts gebunden. Es könne daher keine Rede von einem schutzwürdigen berechtigten Vertrauen sein, das der Rückzahlung der Beihilfe entgegenstehe. Außerdem hätte die Lucchini eine Klage gegen die Entscheidung der Kommission erheben können. Schließlich sei die Zuständigkeit eines nationalen Gerichts im Kontext der gemeinschaftsrechtlichen Beihilferegelung eingeschränkt. Es könne nicht über die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der Beihilfe entscheiden; deshalb habe die Rechtskraft des rechtskräftig gewordenen Urteils hier eine begrenzte Tragweite.

25.      Die niederländische Regierung charakterisiert die vorliegende Situation als eine besondere, in der mittels einer Ausnahme von den Grundsätzen der Rechtskraft und der nationalen Prozessautonomie abgerückt werden dürfe. Ausgangspunkt muss nach Auffassung der niederländischen Regierung, die insoweit auf das Urteil Kapferer verweist, sein, dass ein Antasten der Rechtskraft nicht hingenommen werden könne. Werde eine rechtskräftig gewordene gerichtliche Entscheidung erneut vor Gericht gebracht, so wäre dies eine ernste Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, der Stabilität der Rechtsbeziehungen, und ließe letztlich die richterliche Gewalt als solche ernsten Schaden nehmen. Zweitens sei auf den Grundsatz der Prozessautonomie hinzuweisen. Grundsätzlich könne daher eine rechtskräftig gewordene gerichtliche Entscheidung nur dann wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht angetastet werden, wenn die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften dies zuließen.

26.      Die niederländische Regierung meint jedoch, dass angesichts der besonders schwerwiegenden Umstände dieses Falles ein Ausnahmetatbestand vorliege. Im vorliegenden Fall gehe es, so die niederländische Auffassung, 1. um eine gerichtliche Entscheidung über staatliche Beihilfen, ein Gebiet, auf dem die Kommission ausschließlich zuständig sei, 2. handele es sich um eine eindeutige frühere Entscheidung der Kommission, aus der sich ergebe, dass die später ergangene gerichtliche Entscheidung gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße − in diesem Zusammenhang sei anzumerken, dass alle Organe eines Mitgliedstaats, auch die nationalen Gerichte, an eine Entscheidung der Kommission gebunden seien −, und 3. hätten das nationale Gericht und die durch das nationale Verfahren betroffenen Parteien gewusst oder wissen müssen, dass die Beihilfe bereits für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt worden sei. Den Beihilfebestimmungen des EG-Vertrags würde ihre praktische Wirksamkeit genommen, wenn in einer Ausnahmesituation wie dieser akzeptiert werde, dass eine Rückforderung keinesfalls erfolgen könne.

27.      Nach Auffassung der Kommission ist zu unterscheiden zwischen der Kraft, die Urteilen zukomme, mit denen über zur Disposition der Parteien stehende Ansprüche im Rahmen kontradiktorischer Verfahren entschieden werde, und der Kraft von Urteilen nationaler Gerichte auf dem Gebiet staatlicher Beihilfen, wo die Interessen der nationalen Behörden und die der Begünstigten oft parallel zueinander verliefen und zwingendes Gemeinschaftsrecht die für beide Parteien fundamentale Frage der Rechtmäßigkeit der Beihilfe beherrsche.

28.      Die Kommission weist zunächst auf die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung hin, beabsichtigte Beihilfen bei ihr anzumelden. Die Verpflichtung einer vorherigen Anmeldung gelte für den Mitgliedstaat als solchen ohne Rücksicht auf das Organ, das die Beihilfe zuweise. Darunter fielen daher auch die Gerichte. Der Umstand, dass die Beihilfe auf der Grundlage eines darauf gerichteten Urteils eines nationalen Gerichts bewilligt werde, entbinde den Mitgliedstaat nicht von der Verpflichtung, die Beihilfe zuvor anzumelden und diese nicht zu gewähren, bevor die Kommission ihre Zustimmung erteilt habe. Außerdem sei die Beziehung zwischen dem die Beihilfe gewährenden Organ und dem Organ, das für die Anmeldung dieser Beihilfe zuständig sei, eine Frage der internen Ordnung, die der Geltung des Gemeinschaftsrechts nicht entgegenstehen könne.

29.      Die These, dass ein Urteil eines Zivilgerichts einer Rückforderung von Beihilfen entgegenstehen könne, verwechselt nach Ansicht der Kommission zwei verschiedene Ebenen miteinander: das nationale Verfahren (insbesondere die Folgen eines Urteils eines Zivilgerichts über die Befugnisse der nationalen Verwaltung) und das Verfahren, das für die Bewilligung von Beihilfen vorgesehen sei, das nicht nur die Durchführung des nationalen Verfahrens, sondern auch − bis die Kommission ihre Zustimmung zur angemeldeten Beihilfe erteilt habe − die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Verpflichtungen impliziere.

30.      Im vorliegenden Fall habe die betreffende italienische Behörde gemäß dem Dritten Beihilfekodex das Vorhaben, eine Beihilfe zu gewähren, bei der Kommission angemeldet. Die Entscheidung dieser nationalen Behörde über den von der Lucchini gestellten Antrag auf eine Beihilfe habe einen Vorbehalt enthalten, nämlich das Einverständnis der Kommission. Die Kommission sei jedoch zu der Auffassung gelangt, dass die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sei. Deshalb habe die nationale Entscheidung keinerlei Wirkung entfaltet.

31.      In einem sehr viel späteren Stadium hätten die italienischen Gerichte (zunächst das Tribunale civile e penale Rom und später die Corte d’Appello) das subjektive Recht der Lucchini auf die Auszahlung der in Rede stehenden Beihilfe anerkannt. Dies sei die Grundlage für die italienische Behörde gewesen, die Beihilfe nachträglich per Dekret zu bewilligen, auch wenn dieses Dekret einen Vorbehalt enthalte.

32.      Die Kommission behandelt zwei Hypothesen, und zwar eine, nach der die gewährte Beihilfe mit der von der Kommission beurteilten, also der bereits verbotenen Beihilfe identisch sei, und eine, nach der es sich um eine andere als die angemeldete und beurteilte Beihilfe handele. In beiden Fällen ergebe sich jedoch aus der Rechtsprechung überdeutlich, was das Gericht zu tun habe. Im ersten Fall sei es an die Entscheidung gebunden, mit der die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt worden sei; es habe daraus die Konsequenzen zu ziehen. Im zweiten Fall gelte die unmittelbar anwendbare Stillhalte-Vorschrift des Artikels 88 Absatz 3 EG in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof.

33.      Tatsächlich gehe es um eine Entscheidung auf Gemeinschaftsebene, die bestandskräftig geworden sei. In der Unantastbarkeit einer derartigen Entscheidung komme ebenfalls das Rechtssicherheitserfordernis zum Ausdruck; sie sei daher für alle Organe des italienischen Staates bindend. Außerdem erfasse die Rechtskraft des Urteils des italienischen Gerichts nur die nationale Phase; auf Gemeinschaftsebene habe sie keine Bedeutung.

34.      Die Kommission verweist darüber hinaus auf die Rechtsprechung(17), wonach nationale Bestimmungen dergestalt angewandt werden müssten, dass die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebene Rückforderung der Beihilfe nicht praktisch unmöglich und das Gemeinschaftsinteresse voll berücksichtigt werde, sowie die Rechtsprechung(18), der zufolge der Vorrang des Gemeinschaftsrechts manchmal dazu führe, dass die Rechtssicherheit relativiert werden müsse.

35.      Abschließend bemerkt die Kommission, dass der Vorrang des Gemeinschaftsrechts es mit sich bringen könne, dass jede nationale Handlung, sei sie administrativer oder auch legislativer Natur, bei Verstoß gegen dieses Recht zurücktreten müsse. Es sei nicht ersichtlich, warum dies bei einem gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßenden Urteil, das Rechtskraft erlangt habe, nicht der Fall sein solle.

B –    Analyse

36.      Alle nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten kennen den Grundsatz der res iudicata, die Rechtskraft. Es ist im Interesse der Rechtssicherheit, dass gerichtliche Entscheidungen, gegen die kein Rechtsmittel mehr gegeben ist, in den Beziehungen von Personen zueinander einen unantastbaren Charakter erhalten, also eine Rechtstatsache werden. Diese Rechtstatsache ist zu beachten. Das bedeutet, dass die Erhebung einer erneuten Klage mit demselben Gegenstand zwischen denselben Parteien und mit denselben Klagegründen ausgeschlossen ist.

37.      Aus einer vergleichenden Untersuchung ergibt sich jedoch, dass − trotz der großen Bedeutung, die der Rechtskraft zukommt − ihre Wirkung keine unbedingte ist. In den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen sind Ausnahmen von der Rechtskraft, wenn auch unter strengen Voraussetzungen, möglich(19). Das ist z. B. der Fall, wenn ein Betrug vorliegt oder wenn mit dem rechtskräftig gewordenen Urteil offensichtlich gegen Grundrechte verstoßen wird. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergibt sich, dass die Rechtskraft keine offenkundigen Verletzungen von (Gemeinschafts‑)Grundrechten rechtfertigen kann(20).

38.      Auch in der Gemeinschaftsrechtsordnung wird die Rechtskraft respektiert(21). Die dazu angestellten Erwägungen sind die gleichen wie die in den nationalen Rechtsordnungen geltenden. Außerdem ist erheblich, dass dieser Grundsatz auch im Verhältnis des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Rechts anerkannt ist. Das wird durch die oben bereits angeführten Urteile Eco Swiss, Köbler, Kühne & Heitz und Kapferer bestätigt.

39.      Anzumerken ist jedoch, dass in keinem dieser Urteile die Ausübung einer Gemeinschaftszuständigkeit als solche in Rede stand.

40.      In der Rechtssache Köbler wurde das Gemeinschaftsrecht vom letztinstanzlich entscheidenden Gericht unrichtig angewandt. Daraus konnte sich unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Erhebung einer Schadensersatzklage ergeben. Das betreffende Urteil hatte aber keine unmittelbaren Folgen für die Ausübung von Gemeinschaftszuständigkeiten.

41.      Auch in der Rechtssache Kühne & Heitz wurde das Gemeinschaftsrecht vom Gericht falsch angewandt. Wiederum wurde dadurch nicht an die Ausübung von Gemeinschaftszuständigkeiten gerührt.

42.      Das Gleiche gilt für die Rechtssachen Eco Swiss und Kapferer. In diesen Rechtssachen wäre übrigens ein Rechtsmittel möglich gewesen, die Parteien hatten jedoch die Fristen dafür verstreichen lassen.

43.      In der Rechtssache Eco Swiss wurde ein Zwischenschiedsspruch mit dem Charakter eines endgültigen Schiedsspruchs zu spät angefochten. Diese Fristen an sich führten nicht dazu, dass die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte übermäßig erschwert war oder praktisch unmöglich gemacht wurde. Unter diesen Umständen zwingt das Gemeinschaftsrecht das nationale Gericht nicht dazu, die relevanten innerstaatlichen Verfahrensvorschriften außer Anwendung zu lassen, selbst dann nicht, wenn dadurch eine mögliche Verletzung des Gemeinschaftsrechts hätte geprüft werden können(22).

44.      In der Rechtssache Kapferer wurde zunächst aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 44/2001(23) die Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts erhoben. Diese Einrede wurde verworfen, dem Grunde nach aber wurde der Gegnerin der Klägerin Kapferer, einem Versandhandelsunternehmen, Recht gegeben. Das Versandhandelsunternehmen sah daher auch keinen Anlass dafür, gegen die von Kapferer eingelegte Berufung diese Einrede abermals geltend zu machen. Daher erwuchs dieser Teil des Urteils in Rechtskraft. Auch in dieser Situation entschied der Gerichtshof, dass das Gemeinschaftsrecht es einem nationalen Gericht nicht vorschreibe, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine Entscheidung Rechtskraft erlange, abzusehen.

45.      Die Urteile Köbler und Kühne & Heitz haben gemeinsam, dass es um Bürger ging, die alle Rechtsmittel erschöpft hatten. In beiden Fällen hatte das letztinstanzlich entscheidende Gericht es versäumt, eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, was zu einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts führte. In der Rechtssache Köbler konnte diese Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch ein letztinstanzlich entscheidendes Gericht mit Schadensersatz kompensiert werden. In der Rechtssache Kühne & Heitz war Wiedergutmachung im Wege der Durchbrechung der Bestandskraft (die die Entscheidung der betreffenden Verwaltungsbehörde durch die gerichtliche Entscheidung erlangt hatte) möglich, indem die Befugnis dieser Behörde, frühere Entscheidungen widerrufen zu können, in eine Verpflichtung, in dem gegebenen Fall diese frühere Entscheidung zu widerrufen, umgedeutet wurde.

46.      Aus dieser Rechtsprechung ist abzuleiten, dass die Parteien selbst eine Verantwortung haben, die zu ihrer Disposition stehenden Rechte (Kapferer) oder aber die Rechte, die sie aus dem Gemeinschaftsrecht herleiten können (Köbler, Kühne & Heitz), geltend zu machen. Lassen sie Fristen verstreichen(24) oder halten sie es nicht für zweckdienlich, Rechtsmittel einzulegen, oder strengen sie insgesamt kein Verfahren an, dann haben sie auch die Konsequenzen daraus zu tragen, und zwar in dem Sinne, dass sie die Rechte, die sie aus dem Gemeinschaftsrecht herleiten, nicht nachträglich noch geltend machen können. Wenn sie jedoch für ihre rechtlichen Interessen rechtlich aktiv eintreten und dabei die Möglichkeiten, die das nationale Verfahrensrecht bietet, voll ausschöpfen, dann können sie die Möglichkeiten, die das nationale Recht für Schadensersatzforderungen wegen rechtswidrigen staatlichen Handelns, d. h. des gemeinschaftsrechtswidrigen Handelns der betreffenden nationalen Verwaltungsbehörde und/oder des Gerichts (Köbler), vorsieht, in Anspruch nehmen oder sind, wenn das nationale Recht die entsprechende Möglichkeit bietet, berechtigt, eine Überprüfung der streitigen Verwaltungsentscheidung (Kühne & Heitz) zu verlangen. Diese Rechtsprechung, in der die Beachtung der Rechtskraft zwischen den Parteien als Rechtsgrundsatz an erster Stelle steht, scheint zwar nicht jede Durchbrechung der Rechtskraft auszuschließen; eine Ausnahme ist jedoch nur in ganz besonderen Fällen zulässig, in denen der für die betroffenen Parteien geltende Spruch „res iudicatas pro veritate habetur“ einem schwerer wiegenden Rechtsinteresse weichen muss.

47.      In der vorliegenden Rechtssache hat das rechtskräftig gewordene Urteil der Corte d’Appello nicht nur nach italienischem Recht Folgen für die Rechtsverhältnisse zwischen der Beihilfeempfängerin und dem italienischen Staat, es hebelt auch die gemeinschaftsrechtlich geregelte ausschließliche Zuständigkeit der Kommission zur Prüfung der Vereinbarkeit der betreffenden Beihilfemaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt aus und verstößt gegen die Verpflichtungen, denen Italien bei der Gewährung staatlicher Beihilfen gemeinschaftsrechtlich unterliegt.

48.      Es geht hier nicht um einen Rechtsstreit zwischen einer nationalen Verwaltungsbehörde und einer Privatperson, der im Rahmen allein der innerstaatlichen Rechtsordnung gelöst werden kann, sondern um einen Rechtsstreit, der in erster Linie in der Sphäre des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden ist und in dem die Abgrenzung zwischen der Gemeinschaftsrechtsordnung und der innerstaatlichen Rechtsordnung − und somit auch zwischen den Verpflichtungen, die das nationale Gericht infolge beider Rechtsordnungen hat − von besonderer Bedeutung ist.

 Verpflichtungen der nationalen Gerichte

49.      In diesem Licht werde ich im Folgenden zunächst den Verpflichtungen des nationalen Gerichts im Rahmen der Anwendung und Wahrung des hier relevanten Gemeinschaftsrechts nachgehen.

Vorab weise ich darauf hin, dass bei der Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Beihilfevorschriften eine eindeutige Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung zwischen einerseits der Kommission und andererseits den nationalen Gerichten besteht.

50.      Die Kommission, das administrative Organ, das für die Ausführung und Gestaltung der Wettbewerbspolitik im öffentlichen Interesse der Gemeinschaft zuständig ist, ist ausschließlich befugt, alle unter Artikel 87 Absatz 1 EG und den in Rede stehenden relevanten EGKS-Beihilfekodex fallenden Beihilfemaßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt hin zu prüfen(25).

51.      Daher müssen die Mitgliedstaaten die beabsichtigten Beihilfen bei der Kommission anmelden (Anmeldepflicht) und mit der Durchführung der Beihilfemaßnahme warten, bis sich die Kommission ihr Urteil gebildet hat (Stillhalteverpflichtung). Bei einer „positiven“ Entscheidung kann die Durchführung der beabsichtigten Maßnahme erfolgen, bei einer „negativen“ Entscheidung wird die Stillhalteverpflichtung zu einem endgültigen Verbot(26).

52.      Eine Beihilfe, die ausgezahlt wird, bevor die Anmeldung erfolgt ist, oder eine Beihilfe, die trotz Anhängigkeit des Prüfungsverfahrens ausgezahlt worden ist, ist zurückzufordern. Die Hauptregel ist wie folgt zusammenzufassen: Mitgliedstaaten dürfen keine Beihilfen gewähren, bevor sich die Kommission nicht ausdrücklich zu deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt geäußert hat.

53.      Daher sind nationale Gerichte nicht befugt, über die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit von Beihilfen zu entscheiden(27). Dagegen haben sie eine wesentliche Aufgabe in der Gemeinschaftsrechtsordnung hinsichtlich der Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Beihilfevorschriften, insbesondere hinsichtlich der Wahrung des vorstehend formulierten Grundsatzes, dass eine Beihilfe ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung der Kommission nicht gewährt werden darf, und darüber hinaus hinsichtlich der Anwendung und Durchsetzung der Entscheidungen, die die Kommission im Rahmen der Ausübung ihrer Zuständigkeiten erlässt.

54.      Was Artikel 88 Absatz 3 EG angeht, so handelt es sich hier um eine zwingende, unmittelbar wirkende Vertragsbestimmung, die ohne vorheriges Tätigwerden und vorherige Zustimmung der Kommission die tatsächliche Gewährung der Beihilfe, in welcher Form auch immer, verbietet. Nach Artikel 6 des in diesem Fall einschlägigen Beihilfekodex ist das nicht anders. Das nationale Gericht muss daher, wenn es nach seiner Beurteilung einer nationalen Entscheidung, mit der Beihilfen gewährt werden, gefragt wird, konsequent prüfen, ob insoweit die Bestimmungen des Artikels 88 Absatz 3 EG oder seiner Entsprechung im EGKS-Beihilfekodex eingehalten sind.

55.      Diese Hauptregeln sind in einer Reihe von Urteilen herausgearbeitet worden, in denen der Gerichtshof entschieden hat, dass das nationale Gericht die Rechte der Bürger schützen muss, wenn nationale Behörden gegen den oben genannten Grundsatz verstoßen, und dass sie daraus gemäß ihrem innerstaatlichen Recht alle Folgerungen ziehen müssen, sowohl im Hinblick auf die Gültigkeit des Rechtsakts zur Durchführung der betreffenden Beihilfemaßnahme als auch hinsichtlich der Rückforderung bereits gewährter Beihilfen(28).

56.      Zweitens beruht sein Vorgehen auf unmittelbar wirkenden Entscheidungen der Kommission nach Artikel 88 Absatz 2 EG. In der Rechtssache Capolongo(29) hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass Entscheidungen, die die Kommission im Rahmen des in Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 1 EG vorgesehenen Prüfungsverfahrens erlassen hat, unmittelbare Wirkung haben. Folglich hat das nationale Gericht auch aus einer negativen Entscheidung, d. h. einer Entscheidung, in der das Verbot des Artikels 87 Absatz 1 EG konkretisiert worden ist, Folgerungen zu ziehen(30).

57.      Drittens kann das nationale Gericht eine Rolle im Zusammenhang mit einer Rückforderungsentscheidung der Kommission zu erfüllen haben. Solche Entscheidungen sind nach Artikel 249 EG in Verbindung mit Artikel 10 EG für alle Organe der Mitgliedstaaten, einschließlich der nationalen Gerichte, bindend. Es muss daraus also die gebotenen Konsequenzen ziehen.

58.      Außerdem erlegen diese Entscheidungen dem betreffenden Mitgliedstaat ausdrückliche und unbedingte Verpflichtungen auf, Verpflichtungen, denen sich der Mitgliedstaat nicht entziehen kann. Diese Verpflichtungen wirken auch auf die betroffenen privaten Parteien weiter; in erster Linie auf diejenigen, denen zu Unrecht Beihilfen gewährt wurden, diese werden die Beihilfe zurückzahlen müssen; in zweiter Linie auf betroffene Dritte, die für den Fall, dass der Mitgliedstaat der Rückforderungsverpflichtung nicht innerhalb der Durchführungsfrist nachkommt, deren Erfüllung vor dem nationalen Gericht erzwingen können(31),(32).

59.      Der Grund für diese strenge Erfüllungsverpflichtung besteht darin, dass mit ihr erreicht wird, dass die Hauptregel des Artikels 87 Absatz 1 EG, nämlich dass die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Gemeinsamen Markt nicht durch nationale Beihilfen verfälscht werden dürfen, die von den Vertragsstaaten bezweckte Wirkung hat.

60.      Abschließend weise ich noch darauf hin, dass die Rückforderung nach den Vorschriften des innerstaatlichen Verfahrensrechts erfolgen muss, mit der Maßgabe, dass die vom Gemeinschaftsrecht verlangte Rückforderung nicht praktisch unmöglich gemacht wird (Effektivitätsgrundsatz)(33).

61.      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das nationale Gericht für den Fall, dass es nach nationalem Recht über ein Verhältnis der Beihilfegewährung zu befinden hat, stets prüfen muss, ob den Verpflichtungen aus Artikel 88 Absatz 3 EG oder, wie im vorliegenden Fall, deren Entsprechung im betreffenden EGKS-Beihilfekodex nachgekommen worden ist und ob Entscheidungen der Kommission existieren, die der betreffenden Auszahlung einer Beihilfe entweder entgegenstehen oder sie Beschränkungen oder besonderen Voraussetzungen unterwerfen.

62.      Das Nebeneinander der Gemeinschaftsrechtsordnung und der nationalen Rechtsordnung bringt es daher mit sich, dass das nationale Gericht bei der Anwendung seines nationalen Rechts im jeweiligen Fall stets prüfen muss, ob die Anforderungen, die die Gemeinschaftsrechtsordnung aufstellt, erfüllt sind und ob die Anwendung des nationalen Rechts nicht die Zuständigkeiten verletzt, die die Kommission bei der Wahrung der Vorschriften über die Beihilfegewährung als einer der Pfeiler der Gemeinschaftsrechtsordnung hat. In diesem Zusammenhang verweise ich auf das Urteil Eco Swiss(34), in dem der Gerichtshof ausdrücklich festgestellt hat, dass die Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaftsverträge zur öffentlichen Ordnung gehören. Dies gilt auch für jene Wettbewerbsvorschriften, die auf das Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten Anwendung finden, also hier für die Artikel 87 EG, 88 EG und 4 EGKS-Vertrag.

63.      Ich weise außerdem darauf hin, dass in dem Verfahren, das dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegt, der italienische Staat die Verpflichtungen aus Artikel 6 des Beihilfekodex erfüllt hat oder jedenfalls versucht hat, sie zu erfüllen. Er meldete seine einleitende Entscheidung, mit der er das Vorhaben, der Lucchini Beihilfen zu gewähren, kundtat, bei der Kommission an. Er wollte darüber hinaus die Beihilfe bis zur Entscheidung der Kommission nicht auszahlen, und auch als er dazu durch das Urteil der Corte d’Appello gezwungen wurde, zahlte er sie schließlich nur unter einem ausdrücklichen Vorbehalt aus.

64.      Die Kommission beurteilte dann das angemeldete Vorhaben der Beihilfegewährung. Sie kam bei dieser Beurteilung allen dafür geltenden Verfahrensvorschriften nach, insbesondere veröffentlichte sie die Anmeldung, so dass die Betroffene selbst und Drittbetroffene in der Lage waren, ihre Stellungnahmen dazu abzugeben. Auch die Entscheidung, mit der die Kommission zu ihrer abschließenden negativen Beurteilung gelangte, wurde der italienischen Regierung ordnungsgemäß bekannt gegeben und sodann veröffentlicht.

65.      In diesem Licht betrachtet ist festzustellen, dass entweder aus Unwissenheit oder aus Unachtsamkeit seitens der betreffenden italienischen Zivilgerichte sowohl in erster Instanz als auch in der Berufung schwerwiegende Fehler begangen worden sind.

66.      In der ersten Instanz sind sie den oben beschriebenen Verpflichtungen nicht nachkommen, konsequent zu prüfen, ob Artikel 88 Absatz 3 EG oder Artikel 6 des Beihilfekodex erfüllt ist und ob eine Entscheidung existiert, mit der die Kommission der Beihilfe ausdrücklich zustimmt. Mehr noch, im Berufungsverfahren hat die Corte d’Appello auch der inzwischen von der Kommission erlassenen negativen Entscheidung keine Beachtung schenken wollen. Bei dieser Feststellung will ich es bewenden lassen. Ich gehe nicht auf die Begründung ein, mit der das letztgenannte Gericht meinte, das Gemeinschaftsrecht außer Anwendung lassen zu müssen. Bei einer so flagranten Verletzung erscheint es mir nicht angebracht, der pädagogischen Versuchung nachzugeben, zu erklären, warum diese Begründung rechtlich unhaltbar ist.

67.      Ich weise in diesem Zusammenhang übrigens darauf hin, dass auch die italienischen Behörden hier einen Fehler begangen haben. Sie haben zwar in der Berufungsinstanz das Gericht darauf aufmerksam gemacht, dass die streitige Beihilfe nicht ausgezahlt werden dürfe, bevor die Kommission diese ausdrücklich für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt habe; sie haben jedoch offensichtlich vergessen, mitzuteilen, dass die Kommission inzwischen bereits eine Entscheidung erlassen hatte, in der die beantragte Beihilfe ausdrücklich für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt worden war.

68.      Schließlich wusste die Lucchini als Klägerin vor dem italienischen Zivilgericht − es handelt sich hier um einen der größten italienischen Stahlerzeuger, dem Artikel 4 EGKS-Vertrag und die Beihilfekodexe sehr vertraut waren −, dass die italienische Regierung die ihr zugesagte Beihilfe tatsächlich nur durchführen durfte, nachdem die Kommission hierzu ihre Zustimmung gegeben hatte, oder sie musste dies wissen. Obendrein wollte sie, als die Kommission zu einer negativen Entscheidung gelangte, von ihren Anfechtungsmöglichkeiten nach dem Gemeinschaftsrecht keinen Gebrauch machen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Lucchini hier nach dem schwächsten Glied in der gerichtlichen Kette gesucht hat, das sie anrufen konnte, um über die Rechtmäßigkeit der Gewährung staatlicher Beihilfen befinden zu lassen.

69.      Das Ergebnis aus alledem ist, dass staatliche Beihilfen gewährt und die Wettbewerbsverhältnisse auf dem betreffenden Teil des Gemeinsamen Marktes verzerrt wurden. Möglicherweise noch bedeutsamer als dieses materielle Ergebnis, das als solches bereits einen erheblichen inzidenten Verstoß gegen die Gemeinschaftsrechtsordnung darstellt, ist, dass dieses Urteil zur Folge hat, dass den Zuständigkeiten, die die Kommission für die Gemeinschaft ausübt, die Wirkung genommen wird. Damit hat das rechtskräftig gewordene Urteil der Corte d’Appello zur Folge, dass die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Gewährung staatlicher Beihilfen ausgehebelt wird.

70.      Zusammengefasst besteht die Kernfrage darin, ob die Rechtskraft eines Urteils, das unter den oben ausgeführten Umständen zustande gekommen ist und das, wie sich aus der vorherigen Nummer ergibt, gravierende Folgen für die sich aus dem Vertrag ergebende Zuständigkeitsverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten haben kann und außerdem eine Ausübung der hier der Kommission zugewiesenen Zuständigkeiten unmöglich machen würde, tatsächlich als unantastbar anzusehen ist.

71.      Das ist meiner Meinung nach nicht der Fall.

72.      Dabei spielen die folgenden Erwägungen eine Rolle: Wesentlich ist, dass das nationale Gericht bei seiner Auslegung des innerstaatlichen Rechts keine Urteile erlassen kann, die die sich aus den Verträgen ergebende grundsätzliche Zuständigkeitsordnung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten umgehen. Das gilt auch dann, wenn diese Urteile rechtskräftig geworden sind.

73.      Dies gilt insbesondere, wenn es um Vertragsbestimmungen und ihre Anwendung geht, die den tragenden Grundsätzen des materiellen Gemeinschaftsrechts Ausdruck verleihen, wie im vorliegenden Fall die Artikel 87 EG und 88 EG. Erst recht gilt dies in Fällen, in denen die Rechtspflicht für das nationale Gericht im Vertrag selbst und in der insoweit anwendbaren Rechtsprechung unzweideutig festgelegt ist, mit anderen Worten, wie dies bei Artikel 88 Absatz 3 EG und der oben angeführten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Fall ist.

74.      In diesen Fällen kann die Rechtskraft eines Urteils, das sich ausschließlich auf die Auslegung innerstaatlichen Rechts stützt und in dem das relevante Gemeinschaftsrecht augenfällig außer Anwendung gelassen worden ist, der Ausübung der Zuständigkeiten, die die Kommission nach diesen Gemeinschaftsvorschriften hat, nicht entgegenstehen.

75.      Die Tatsache, dass sich die Lucchini im vorliegenden Fall in keiner Weise auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen kann, ist meiner Meinung nach allenfalls ein zusätzliches Argument.

76.      Ich finde für diese Sichtweise eindeutige Anknüpfungspunkte in der Rechtsprechung des Gerichtshofes. In diesem Zusammenhang verweise ich noch einmal auf das Urteil Eco Swiss, in dem festgestellt wird, dass Artikel 81 EG eine grundlegende Bestimmung ist, die für die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinschaft und insbesondere für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes unerlässlich ist. Nach diesem Urteil verlangt das Gemeinschaftsrecht außerdem, dass ein nationales Gericht, das über die Gültigkeit eines Schiedsspruchs zu entscheiden hat, die Anwendbarkeit von Artikel 81 EG von Amts wegen zu prüfen hat.

77.      Ein Anknüpfungspunkt ist im Wege der Analogie auch das Urteil Masterfoods(35). In diesem Urteil entschied der Gerichtshof, dass die Kommission bei der Erfüllung der ihr durch den Vertrag zugewiesenen Aufgabe nicht an eine Entscheidung gebunden ist, die ein nationales Gericht in Anwendung der Artikel 85 Absatz 1 und 86 EG-Vertrag erlässt. Der Gerichtshof zog daraus den Schluss, dass die Kommission befugt ist, jederzeit Einzelentscheidungen zur Anwendung der Artikel 85 EG und 86 EG zu treffen, auch wenn eine Vereinbarung oder Verhaltensweise bereits Gegenstand einer Entscheidung eines nationalen Gerichts war und die von der Kommission ins Auge gefasste Entscheidung zu dieser in Widerspruch steht.

78.      Im selben Urteil stellt der Gerichtshof auch fest, dass die nationalen Gerichte, wenn sie über Vereinbarungen oder Verhaltensweisen befinden, die bereits Gegenstand einer Entscheidung der Kommission gewesen sind, keine Entscheidungen erlassen dürfen, die der Kommissionsentscheidung zuwiderlaufen, selbst wenn diese im Widerspruch zur Entscheidung eines erstinstanzlichen nationalen Gerichts steht. Diese Rechtsprechung ist inzwischen in der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 kodifiziert(36).

79.      Diese Rechtsprechung ist auch heranzuziehen, wenn es um gemeinschaftsrechtliche Beihilfevorschriften geht. Ebenso wenig wie die Kommission in der Ausübung ihrer Zuständigkeiten hinsichtlich der für Einzelne geltenden Wettbewerbsvorschriften beschränkt werden kann, kann eine solche Beschränkung bestehen, wenn es sich um für die Mitgliedstaaten geltende Wettbewerbsvorschriften handelt. Dass ein nationales Gericht keine entgegenstehende Entscheidung treffen darf, folgt außerdem bereits aus der Tatsache, dass sich die Entscheidung der Kommission an den Mitgliedstaat richtet und das Gericht als ein Organ dieses Mitgliedstaats an diese Entscheidung gebunden ist(37).

80.      Es besteht jedoch ein bedeutsamer Unterschied zwischen Entscheidungen nach den Artikeln 81 EG und 82 EG und solchen nach Artikel 88 EG oder den EGKS-Beihilfekodexen, nämlich hinsichtlich der Adressaten. Doch wie ein Urteil eines nationalen Gerichts in einem horizontalen Privatrechtsverhältnis, selbst wenn es Rechtskraft erlangt hat, die Entscheidungszuständigkeit der Kommission nicht berühren kann, gilt dies auch im vertikalen Verhältnis zwischen einem Mitgliedstaat und einem Einzelnen in Bezug auf die Gewährung von Beihilfen. Auch in diesem Verhältnis erlassene Urteile eines nationalen Gerichts können die ausschließlichen Zuständigkeiten der Kommission hier nicht berühren.

81.      Hierzu sei noch darauf hingewiesen dass, auch wenn das gemeinschaftliche Beihilferecht primär an die Mitgliedstaaten gerichtet ist, private Betroffene doch durchaus befugt sind, in dem bzw. den entsprechenden Verfahren für ihre Belange einzutreten. Dies gilt bereits für das Verwaltungsverfahren, das der Entscheidung der Kommission vorausgeht und in dem sowohl die potenziellen Beihilfeempfänger als auch Drittbetroffene ihre Auffassungen vortragen können(38). Es gilt auch, nachdem die Kommission ihre Entscheidung erlassen hat. Den davon betroffenen Beihilfeempfängern steht grundsätzlich eine Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG offen, ein Weg, der aufgrund der weiten Auslegung des einschränkenden Kriteriums „unmittelbarer“ Betroffenheit in Beihilfeangelegenheiten durch den Gerichtshof auch meistens von Drittbetroffenen eingeschlagen werden kann(39).

82.      Demnach muss sich der potenzielle Adressat einer nationalen Beihilfemaßnahme nicht mangels einer adäquaten Rechtsschutzregelung in der Gemeinschaftsrechtsordnung notgedrungen an das nationale Gericht wenden. Vielmehr hat der Gerichtshof gerade aus dem Bestehen eines adäquaten Rechtsschutzes für Einzelne gegen Entscheidungen der Kommission über staatliche Beihilfen den Schluss gezogen, dass der Einzelne die Gültigkeit von Entscheidungen vor dem nationalen Gericht nicht mehr anfechten kann, wenn er von der Möglichkeit einer Klage vor dem Gemeinschaftsgericht keinen Gebrauch gemacht hat(40).

83.      Entsprechend verdient der Betroffene keinen Schutz, wenn er die ihm vom Gemeinschaftsrecht gebotene Klagemöglichkeit konsequent ausschlägt und ein nationales Gericht anruft, das nicht befugt ist, über die Zulässigkeit einer Beihilfemaßnahme, deren Durchführung er fordert, nach Gemeinschaftsrecht zu entscheiden. An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn das auf diese Weise vom nationalen Gericht erlangte Urteil, das, wie oben dargestellt, in flagrantem Widerspruch zur Gemeinschaftsrechtsordnung steht, nach innerstaatlichem Recht rechtskräftig geworden ist.

84.      Folglich ist die Tatsache, dass im Rahmen der Gemeinschaftsvorschriften über staatliche Beihilfen die Durchführung der Entscheidung der Kommission über die Rückforderung auf das Verhältnis zwischen dem Mitgliedstaat und dem Begünstigten nachwirkt, kein Grund, um hier weniger kategorisch zu verlangen, dass die Zuständigkeiten der Kommission nicht beschnitten werden dürfen.

85.      Ohne dass es in diesem Zusammenhang ausschlaggebend wäre, weise ich noch auf die Rechtsprechung hin, wonach der Grundsatz der Rechtssicherheit der Rückforderung von Beihilfen nicht entgegenstehen kann. Das ist z. B. der Fall, wenn in der nationalen Rechtsordnung Verjährungsfristen für den Widerruf einer nationalen Entscheidung gelten, mit der eine Beihilfe gewährt wurde(41). Da die Rolle der nationalen Behörden bei für unvereinbar erklärten Beihilfen auf die Durchführung der Entscheidung der Kommission beschränkt ist − es besteht kein Ermessen, anders zu entscheiden −, befinden sich die Marktteilnehmer ab dem Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung der Kommission nicht länger in Ungewissheit über die Rückforderbarkeit der zu Unrecht ausgezahlten Beihilfe. Verjährungsfristen, die im Interesse der Rechtssicherheit aufgestellt sind, können dem daher nicht entgegengehalten werden.

86.      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Rechtskraft des Urteils der Corte d’Appello kein Hindernis für die Rückforderung der entgegen dem materiell geltenden Gemeinschaftsrecht ausgezahlten Beihilfe darstellen kann. Der durch dieses Urteil bewirkte Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ist abzustellen.

V –     Ergebnis

87.      Unter Berücksichtigung des Vorstehenden schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Consiglio di Stato vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

–        Die Rechtskraft eines Urteils eines nationalen Zivilgerichts, mit dem eine nationale Behörde zur Auszahlung der von ihr zugesagten staatlichen Beihilfe verurteilt wird, kann die Ausübung der Zuständigkeiten der Kommission nach den Artikeln 87 EG und 88 EG nicht einschränken.

–        Daher ist ein nationales Gericht, das über die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung einer nationalen Behörde zur Durchführung einer Entscheidung der Kommission befindet, mit der die Rückforderung zu Unrecht ausgezahlter Beihilfen verlangt wird, verpflichtet, die innerstaatlichen Vorschriften, die die Rechtsfolgen eines rechtskräftig gewordenen Zivilurteils regeln, außer Anwendung zu lassen, wenn dieses Urteil den sich aus den Artikeln 87 EG und 88 EG ergebenden Verpflichtungen zuwiderläuft, um auf diese Weise die Wahrung der Gemeinschaftsvorschriften über staatliche Beihilfen in vollem Umfang zu gewährleisten.


1 – Originalsprache: Niederländisch.


2 – Entscheidung Nr. 2320/81/EGKS der Kommission vom 7. August 1981 zur Einführung gemeinschaftlicher Regeln für Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 228, S. 14).


3 – Entscheidung Nr. 1018/85/EGKS der Kommission vom 19. April 1985 zur Änderung der Entscheidung Nr. 2320/81/EGKS zur Einführung gemeinschaftlicher Regeln für Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 110, S. 5).


4 – Entscheidung Nr. 3484/85/EGKS der Kommission vom 27. November 1985 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften für die Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 340, S. 1).


5 – Entscheidung Nr. 322/89/EGKS der Kommission vom 1. Februar 1989 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 38, S. 8).


6 – Legge Nr. 183/1976 sulla disciplina dell’intervento straordinario nel Mezzogiorno (Gesetz über die Regelung außerordentlicher Interventionsmaßnahmen in Süditalien), GURI Nr. 121 vom 8. Mai 1976.


7 ABl. C 73, S. 5.


8 – IP(90) 498 vom 20. Juni 1990.


9 – Übersendungsvermerk SG(90) D/24789.


10 – ABl. L 314, S. 17.


11 – Urteil vom 1. Juni 1999 in der Rechtssache C-126/97 (Slg. 1999, I-3055).


12 – Urteil vom 30. September 2003 in der Rechtssache C-224/01 (Slg. 2003, I-10239).


13 – Urteil vom 13. Januar 2004 in der Rechtssache C-453/00 (Slg. 2004, I-837).


14 – Urteil vom 16. März 2006 in der Rechtssache C-234/04 (Slg. 2006, I-2585).


15 – Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. L 83, S. 1).


16 – Zur Verdeutlichung verweist die italienische Regierung auf das Urteil vom 19. September 1985 in den Rechtssachen 172/83 und 226/83 (Hoogovens Groep/Kommission, Slg. 1985, 2831, Randnr. 9).


17 – Die Kommission verweist hier auf das Urteil vom 20. September 1990 in der Rechtssache C-5/89 (Kommission/Deutschland [BUG-Alutechnik], Slg. 1990, I-3437) und das Urteil vom 20. März 1997 in der Rechtssache C-24/95 (Alcan Deutschland, Slg. 1997, I-1591).


18 – Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang u. a. auf die Urteile vom 7. Januar 2005 in der Rechtssache C-201/02 (Wells, Slg. 2005, I-723, Randnrn. 64 ff.); vom 28. Juni 2001 in der Rechtssache C-118/00 (Larsy, Slg. 2001, I-5063, Randnrn. 51 bis 55) und auch auf das bereits genannte Urteil Kühne & Heitz (Randnrn. 23 bis 28).


19 – Vgl. für eine ausführliche rechtsvergleichende Untersuchung die „Note de recherche“ über die Funktion und Bedeutung der Rechtskraft in den Mitgliedstaaten (internes Dokument), die im Rahmen dieser Rechtssache auf Ersuchen des Gerichtshofes von der Direktion Bibliothek, Forschung und Dokumentation erstellt worden ist.


20 – Vgl. z. B. das Urteil vom 16. April 2002 in der Rechtssache SA Dangeville/Frankreich.


21 – Vgl. z. B. Beschluss vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache C-397/95 P (Dimitrios Coussios/Kommission, Slg. 1996, I-3873) und Urteil vom 1. Juni 2006 in den verbundenen Rechtssachen C-442/03 P und C-471/03 P (P&O European Ferries u. a., Slg. 2006, I-0000) und die dort genannte Rechtsprechung.


22 – Diese Verletzung − es ging hier um eine Vereinbarung, die möglicherweise gegen Artikel 81 EG verstieß − hätte übrigens noch immer durch ein Intervenieren der Kommission oder einer nationalen Wettbewerbsbehörde geheilt werden können. Auch von der Rechtskraft nicht erfasste benachteiligte Wettbewerber hätten eventuell rechtliche Schritte unternehmen können.


23 – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 12, S. 1).


24 – Es muss sich natürlich um angemessene Fristen handeln.


25 – Vgl. u. a. Urteil vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-354/90 (Fédération Nationale du Commerce extérieur des produits alimentaires und Syndicat national des négociants et transformateurs de saumon, Slg. 1991, I-5505, im Folgenden: Urteil FNCE).


26 – Vgl. zu Ziel und Zweck dieser Verpflichtungen u. a. Urteile vom 11. Dezember 1973 in der Rechtssache 120/73 (Lorenz, Slg. 1973, 1471, Randnrn. 3 und 4), vom 21. Mai 1977 in den Rechtssachen 31/77 R und 53/77 R (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1977, 921, Randnrn. 16 bis 21), vom 9. Oktober 1984 in den verbundenen Rechtssachen 91/83 und 127/83 (Heineken, Slg. 1984, 3435, Randnr. 20) und vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87 (Frankreich/Kommission [Boussac], Slg. 1990, I-307, Randnrn. 16 bis 17). Vgl. z. B. auch Urteile vom 28. Januar 2003 in der Rechtssache C-334/99 (Deutschland/Kommission, Slg. 2003, I-1139, Randnr. 49) und vom 15. Juli 2004 in der Rechtssache C-501/00 (Spanien/Kommission, Slg. 2004, I-6717, Randnrn. 67 bis 69).


27 – Vgl. bereits genanntes Urteil FNCE (Randnr. 12). Vgl. auch Urteil vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache C-39/94 (Syndicat français de l’Express international u. a., Slg. 1996, I-3547, Randnr. 42, im Folgenden: Urteil SFEI) und Urteil vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache C-295/97 (Piaggio, Slg. 1999, I-3735, Randnr. 30).


28 – Vgl. u. a. bereits genannte Urteile Lorenz (Randnr. 8), FNCE (Randnr. 12), SFEI (Randnr. 40), Urteile vom 16. Dezember 1992 in der Rechtssache C-17/91 (Lornoy, Slg. 1992, I-6523, Randnr. 30), vom 13. Januar 2005 in der Rechtssache C-174/02 (Streekgewest, Slg. 2005, I-85, Randnr. 17) und vom 15. Juni 2006 in den verbundenen Rechtssachen C-393/04 und C-41/05 (Air Liquide, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 42).


29 – Urteil vom 19. Juni 1973 in der Rechtssache 77/72 (Slg. 1973, 611, Randnr. 6). Vgl. auch Urteil vom 22. März 1977 in der Rechtssache 78/76 (Steinike & Weinlig, Slg. 1977, 595).


30 – Vgl. bereits in Fußnote 29 angeführtes Urteil Steinike & Weinlig.


31 – Vgl. u. a. bereits genanntes Urteil Streekgewest.


32 – Daneben kann auch die Kommission noch von der ihr durch den Vertrag in den Artikeln 88 EG und 228 EG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen, die Erfüllung einer Rückforderungsverpflichtung zu erzwingen.


33 – Vgl. u. a. Urteile vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache 94/87 (Kommission/Deutschland, Slg. 1989, 175, Randnr. 12), vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-142/87 (Belgien/Kommission [Tubemeuse], Slg. 1990, I-959, Randnr. 61), BUG-Alutechnik (zitiert in Fußnote 17, Randnr. 12), Alcan Deutschland (zitiert in Fußnote 17, Randnr. 24) und vom 12. Oktober 2000 in der Rechtssache C-480/98 (Spanien/Kommission, Slg. 2000, I-8717, Randnr. 34).


34– Bereits in Fußnote 11 angeführtes Urteil (Randnrn. 36 und 39). In meinen Schlussanträgen zum Urteil vom 16. Mai 2002 in der Rechtssache C-321/99 P, (ARAP u. a./Kommission, Slg. 2002, I-4287 [ARAP]) habe ich bereits ausgeführt, dass die Artikel 87 EG und 88 EG zur öffentlichen Ordnung gehören (vgl. Nr. 189 dieser Schlussanträge).


35 – Urteil vom 14. Dezember 2000 in der Rechtssache C-344/98 (Slg. 2000, I-11369).


36 – Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1). Siehe dort Artikel 16.


37 – Ich weise am Rande darauf hin, dass, wenn ein Verfahren auf Gemeinschaftsebene (im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe) und eines auf nationaler Ebene (z. B. im Rahmen eines Verstoßes gegen die Stillhalteverpflichtung) gleichzeitig anhängig wären, die Loyalitätspflicht dazu führen könnte, dass das nationale Gericht sich an die Kommission oder im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof wendet, z. B. um zu ermitteln, ob eine bestimmte Maßnahme als Beihilfe zu qualifizieren ist. Vgl. in diesem Zusammenhang auch das genannte Urteil Masterfoods (zitiert in Fußnote 35, Randnrn. 57 und 58). Vgl. auch Urteile SFEI (zitiert in Fußnote 27, Randnrn. 49 bis 51) und Piaggio (zitiert in Fußnote 27, Randnr. 32).


38 – Vgl. u. a. Verordnung Nr. 659/1999.


39 – Vgl. u. a. Urteile vom 14. November 1984 in der Rechtssache 323/82 (Intermills, Slg. 1984, 3809), vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-198/91 (Cook, Slg. 1993, I-2487), vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-225/91 (Matra, Slg. 1993, I-3203) und Urteil des Gerichts erster Instanz vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-266/94 (Skibsværftsforeningen u. a./Kommission [Dänische Schifffahrt], Slg. 1996, II-1399). Vgl. auch die in Fußnote 15 angeführte Verordnung Nr. 659/1999.


40 – Urteil vom 9. März 1994 in der Rechtssache C-188/92 (TWD Textilwerke Deggendorf, Slg. 1994, I-833).


41 – Vgl. Urteil Alcan Deutschland (zitiert in Fußnote 17, Randnrn. 34 bis 37), vgl. auch Urteil BUG-Alutechnik (zitiert in Fußnote 17, Randnrn. 18 bis 19).