Rechtssache C‑508/04
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Republik Österreich
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 92/43/EWG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Umsetzungsmaßnahmen“
Leitsätze des Urteils
1. Umwelt – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Richtlinie 92/43 – Verwaltung eines gemeinsamen Erbes
(Art. 249 Abs. 3 EG, Richtlinie 92/43 des Rates)
2. Handlungen der Organe – Richtlinien – Umsetzung durch die Mitgliedstaaten
(Art. 249 Abs. 3 EG, Richtlinie 92/43 des Rates)
3. Umwelt – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Richtlinie 92/43 – Erlass der nötigen Erhaltungsmaßnahmen
(Richtlinie 92/43 des Rates, Art. 6 Abs. 1)
4. Umwelt – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Richtlinie 92/43 – Artenschutz – Ausnahmen
(Richtlinie 92/43 des Rates, Art. 12 bis 14, 15 Buchst. a und b sowie 16)
5. Umwelt – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Richtlinie 92/43 – Artenschutz – Ausnahmen
(Richtlinie 92/43 des Rates, Art. 12 bis 14, 15 Buchst a und b sowie 16)
1. Aus dem vierten und dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen geht hervor, dass die von ihr erfassten Lebensräume und Arten Teil des Naturerbes der Gemeinschaft sind und dass die Bedrohung, der sie ausgesetzt sind, oft grenzübergreifend ist, so dass die Einleitung erhaltender Maßnahmen eine gemeinsame Verantwortung aller Mitgliedstaaten darstellt. Ist in diesem Bereich die Verwaltung des gemeinsamen Erbes den Mitgliedstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet anvertraut, so kommt der Genauigkeit der Richtlinienumsetzung besondere Bedeutung zu.
(vgl. Randnrn. 57-58)
2. Die Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen enthält komplexe und technische Regelungen des Umweltschutzrechts, und die Mitgliedstaaten sind daher in besonderer Weise gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass ihre zur Umsetzung der Richtlinie bestimmten Rechtsvorschriften klar und bestimmt sind.
Das Vorbringen der Regierung eines Mitgliedstaats, eine Bestimmung des innerstaatlichen Rechts werde jedenfalls richtlinienkonform ausgelegt, wenn Erhaltungsmaßnahmen nötig seien, ist zu verwerfen. Eine solche richtlinienkonforme Auslegung der Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts kann nämlich für sich allein nicht die Klarheit und Bestimmtheit aufweisen, die notwendig sind, um dem Erfordernis der Rechtssicherheit zu genügen.
Zudem kann eine bloße Verwaltungspraxis, die die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern kann und die nur unzureichend bekannt ist, nicht als Erfüllung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Rahmen der Richtlinienumsetzung angesehen werden.
(vgl. Randnrn. 73, 78-80)
3. Der Gemeinschaftsgesetzgeber wollte mit der Formulierung des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen den Mitgliedstaaten die Pflicht auferlegen, die nötigen Erhaltungsmaßnahmen zu treffen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II der Richtlinie entsprechen, so dass insoweit jeglicher Wertungsspielraum der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist und die etwaigen Regelungs- und Entscheidungsmöglichkeiten der nationalen Behörden auf die im Rahmen dieser Maßnahmen einzusetzenden Mittel und die zu treffenden technischen Entscheidungen begrenzt sind.
(vgl. Randnrn. 76, 87)
4. Die Art. 12 bis 14 sowie Art. 15 Buchst. a und b der Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen bilden ein kohärentes System von Regelungen, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, für die betroffenen Tier- und Pflanzenarten ein strenges Schutzsystem einzuführen.
Art. 16 der Richtlinie, der die Kriterien genau festlegt, auf deren Grundlage die Mitgliedstaaten von den Verboten der Art. 12 bis 15 abweichen dürfen, stellt eine Ausnahmebestimmung vom Schutzsystem der Richtlinie dar. Er ist deshalb restriktiv auszulegen.
(vgl. Randnrn. 109-110)
5. Jede Maßnahme auf nationaler Ebene, durch die von den Verboten der Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen abgewichen wird, ist nach Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie davon abhängig zu machen, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt. Daher können nationale Bestimmungen, die Abweichungen von den Verboten der Art. 12 bis 14 und 15 Buchst. a und b der Richtlinie nicht von allen in Art. 16 der Richtlinie vorgesehenen Kriterien und Voraussetzungen, sondern nur unvollständig von Teilen davon abhängig machen, keine mit diesem Artikel übereinstimmende Regelung darstellen.
(vgl. Randnrn. 111-112)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
10. Mai 2007(*)
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 92/43/EWG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Umsetzungsmaßnahmen“
In der Rechtssache C‑508/04
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 8. Dezember 2004,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. van Beek und B. Schima als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt M. Lang, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl und H. Dossi als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 11. Januar 2007
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 1, 6 Abs. 1 bis 4 sowie aus den Art. 7, 11, 12, 13, 15, 16 Abs. 1 und Art. 22 Buchst. b der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, im Folgenden: Richtlinie) verstoßen hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
2 Art. 1 der Richtlinie enthält u. a. folgende Definitionen:
„e) ‚Erhaltungszustand eines natürlichen Lebensraums‘: die Gesamtheit der Einwirkungen, die den betreffenden Lebensraum und die darin vorkommenden charakteristischen Arten beeinflussen und die sich langfristig auf seine natürliche Verbreitung, seine Struktur und seine Funktionen sowie das Überleben seiner charakteristischen Arten in dem in Artikel 2 genannten Gebiet auswirken können.
Der ‚Erhaltungszustand‘ eines natürlichen Lebensraums wird als ‚günstig‘ erachtet, wenn
– sein natürliches Verbreitungsgebiet sowie die Flächen, die er in diesem Gebiet einnimmt, beständig sind oder sich ausdehnen und
– die für seinen langfristigen Fortbestand notwendige Struktur und spezifischen Funktionen bestehen und in absehbarer Zukunft wahrscheinlich weiterbestehen werden
und
– der Erhaltungszustand der für ihn charakteristischen Arten im Sinne des Buchstabens i) günstig ist.
…
g) ‚Arten von gemeinschaftlichem Interesse‘: Arten, die in dem in Artikel 2 bezeichneten Gebiet
i) bedroht sind, außer denjenigen, deren natürliche Verbreitung sich nur auf Randzonen des vorgenannten Gebietes erstreckt und die weder bedroht noch im Gebiet der westlichen Paläarktis potenziell bedroht sind, oder
ii) potenziell bedroht sind, d. h., deren baldiger Übergang in die Kategorie der bedrohten Arten als wahrscheinlich betrachtet wird, falls die ursächlichen Faktoren der Bedrohung fortdauern, oder
iii) selten sind, d. h., deren Populationen klein und, wenn nicht unmittelbar, so doch mittelbar bedroht oder potenziell bedroht sind. Diese Arten kommen entweder in begrenzten geografischen Regionen oder in einem größeren Gebiet vereinzelt vor, oder
iv) endemisch sind und infolge der besonderen Merkmale ihres Habitats und/oder der potenziellen Auswirkungen ihrer Nutzung auf ihren Erhaltungszustand besondere Beachtung erfordern.
Diese Arten sind in Anhang II und/oder Anhang IV oder Anhang V aufgeführt bzw. können dort aufgeführt werden.
h) ‚Prioritäre Arten‘: die unter Buchstabe g) Ziffer i) genannten Arten, für deren Erhaltung der Gemeinschaft aufgrund ihrer natürlichen Ausdehnung im Verhältnis zu dem in Artikel 2 genannten Gebiet besondere Verantwortung zukommt; diese prioritären Arten sind in Anhang II mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet.
i) ‚Erhaltungszustand einer Art‘: die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Arten in dem in Artikel 2 bezeichneten Gebiet auswirken können.
Der Erhaltungszustand wird als ‚günstig‘ betrachtet, wenn
– aufgrund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, dass diese Art ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraumes, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird, und
– das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und
– ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein Überleben der Populationen dieser Art zu sichern.
…
l) ‚Besonderes Schutzgebiet‘: ein von den Mitgliedstaaten durch eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift und/oder eine vertragliche Vereinbarung als ein von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesenes Gebiet, in dem die Maßnahmen, die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und/oder Populationen der Arten, für die das Gebiet bestimmt ist, erforderlich sind, durchgeführt werden.“
3 Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie lautet: „Für die besonderen Schutzgebiete legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.“
4 Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt: „Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele [der] Richtlinie erheblich auswirken könnten.“
5 Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:
„Sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und unter der Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Artikel 12, 13 und 14 sowie des Artikels 15 Buchstaben a) und b) im folgenden Sinne abweichen:
a) zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume;
b) zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum;
c) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt;
d) zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen;
e) um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben.“
6 Art. 22 Buchst. b der Richtlinie bestimmt u. a., dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, „dass die absichtliche Ansiedlung in der Natur einer in ihrem Hoheitsgebiet nicht heimischen Art so geregelt wird, dass weder die natürlichen Lebensräume in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet noch die einheimischen wildlebenden Tier- und Pflanzenarten geschädigt werden; falls sie es für notwendig erachten, verbieten sie eine solche Ansiedlung“.
Rechts- und Verwaltungsvorschriften der verschiedenen österreichischen Bundesländer, deren Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Richtlinie bestritten wird
Niederösterreich
7 Es handelt sich um folgende Bestimmungen: § 95 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974 (LGBl [Niederösterreich] 76/74, im Folgenden: nö JagdG), § 9 Abs. 5, § 17 Abs. 5, § 20 Abs. 4 sowie §§ 21 und 22 des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes 2000 (LGBl [Niederösterreich] 87/2000, im Folgenden: nö NSchG).
8 § 95 nö JagdG sieht vor:
„(1) Alle nicht-selektiven Jagdmethoden sind verboten, insbesondere ist es verboten:
…
3. die Ausübung der Jagd zur Nachtzeit, das ist die Zeit von 90 Minuten nach Sonnenuntergang bis 90 Minuten vor Sonnenaufgang; ausgenommen von diesem Verbot ist die Jagd auf Schwarz- und Raubwild, den Auer- und Birkhahn, Wildgänse, Wildenten und Schnepfen;
4. beim Fangen oder Erlegen von Wild Vorrichtungen zur Beleuchtung der Ziele ausgenommen mobile Lampen bei der Schwarzwildbejagung, künstliche Nachtzielhilfen, wie Infrarotgeräte, elektronische Zielgeräte, Visiereinrichtungen für das Schießen bei Nacht mit elektronischem Bildverstärker oder Bildumwandler, wie Restlichtverstärker zu verwenden;
…
8. als Lockmittel geblendete oder verstümmelte lebende Tiere sowie betäubende Köder zu verwenden; Tonbandgeräte, elektrische oder elektronische Vorrichtungen, die töten oder betäuben können, zu verwenden; Spiegel oder sonstige Vorrichtungen zum Blenden, Sprengstoffe oder nicht selektiv wirkende Netze zu verwenden; zu begasen oder auszuräuchern;
9. Federwild mit Schlingen, Leimruten, Haken, Netzen oder Fangfallen zu bejagen;
10. die Jagd aus Luftfahrzeugen, fahrenden Kraftfahrzeugen oder Booten mit einer Antriebsgeschwindigkeit von mehr als 5 km/h auszuüben.
…“
9 § 9 nö NSchG bestimmt:
„…
(2) Im Sinne … bedeuten:
…
6. Erhaltungszustand eines natürlichen Lebensraums: die Gesamtheit der Einwirkungen, die den betreffenden Lebensraum und die darin vorkommenden charakteristischen Arten beeinflussen und die sich langfristig auf seine natürliche Verbreitung, seine Struktur und seine Funktionen sowie das Überleben seiner charakteristischen Arten auswirken können.
7. Prioritäre Arten: wildlebende Tiere und Pflanzen für deren Erhaltung der Gemeinschaft besondere Verantwortung zukommt und die in Anhang II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet sind.
8. Erhaltungszustand einer Art: die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Arten auswirken können.
9. Erhaltungsziele: Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der in Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie aufgeführten natürlichen Lebensräume und der in Anhang II dieser Richtlinie aufgeführten Tier- und Pflanzenarten, die in einem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung vorkommen sowie der in Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie aufgeführten und der in Artikel 4 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Vogelarten sowie ihrer Lebensräume, die in einem Europäischen Vogelschutzgebiet vorkommen.
(3) Gebiete gemäß Abs. 1 sind durch Verordnung der Landesregierung zu besonderen Schutzgebieten mit der Bezeichnung „Europaschutzgebiete“ zu erklären. Zu Europaschutzgebieten können insbesondere auch bereits bestehende Natur- und Landschaftsschutzgebiete erklärt werden.
(4) Die Verordnung nach Abs. 3 hat die flächenmäßige Begrenzung des Schutzgebietes, den jeweiligen Schutzgegenstand, insbesondere prioritäre natürliche Lebensraumtypen und prioritäre Arten, die Erhaltungsziele sowie erforderlichenfalls zur Erreichung eines günstigen Erhaltungszustandes notwendige Gebote und Verbote festzulegen. Zu verbieten sind insbesondere Maßnahmen, die zu einer Zerstörung oder einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzgebietes oder seiner Bestandteile führen können. Weitergehende Schutzvorschriften nach diesem Gesetz bleiben unberührt.
(5) Für die Europaschutzgebiete sind gegebenenfalls geeignete Pflege-, Entwicklungs- und Erhaltungsmaßnahmen hoheitlicher oder vertraglicher Art zu treffen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sowie der Vogelarten des Anhanges I der Vogelschutzrichtlinie, die in diesen Gebieten vorkommen, entsprechen (Managementplan). Diese Maßnahmen sind soweit sie Auswirkungen auf die Raumordnung haben dem Raumordnungsbeirat vorzulegen. Ausgenommen sind Förderungen von Maßnahmen zur Verwaltung von Europaschutzgebieten.
(6) Die Landesregierung hat den Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen zu überwachen und zu dokumentieren. Die prioritären natürlichen Lebensraumtypen und die prioritären Arten sind hiebei besonders zu berücksichtigen.“
10 In § 17 nö NSchG heißt es:
„…
(5) Das Auspflanzen und die Förderung nicht heimischer und nicht standortgerechter Gewächse, sowie das Aussetzen und die Förderung nicht heimischer Tiere in der freien Natur bedürfen der Bewilligung der Landesregierung. Die Bewilligung ist zu versagen, wenn der Bestand standortgerechter heimischer Lebensgemeinschaften, die natürlichen (genetischen) Eigenschaften heimischer Tier- und Pflanzenarten oder die Schönheit und Eigenart eines Landschaftsraumes nachhaltig beeinträchtigt wird.“
11 § 20 nö NSchG sieht vor:
„…
(4) Durch Bescheid kann die Landesregierung Ausnahmen …, insbesondere für wissenschaftliche Zwecke oder Lehrzwecke, gestatten, wenn keine maßgebliche Gefährdung des geschützten Bestandes wildwachsender Pflanzen und geschützter freilebender Tiere zu befürchten ist … In der Bewilligung ist zumindest festzulegen,
1. für welche Arten die Ausnahme gilt,
2. die zugelassenen Fang- oder Tötungsmittel, -einrichtungen und ‑methoden und
3. welche Kontrollen vorzunehmen sind.“
12 § 21 nö NSchG bestimmt:
„(1) Unbeschadet besonderer Regelungen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes oder der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen und Bescheide bleiben Maßnahmen im Zusammenhang mit einer gewerblichen Nutzung von Grundstücken … grundsätzlich unberührt. Diese Ausnahmeklausel gilt nicht, wenn geschützte Pflanzen und Tiere oder geschützte Lebensräume absichtlich beeinträchtigt werden oder vom Aussterben bedrohte Pflanzen und Tiere … von Maßnahmen betroffen sind.
(2) Unbeschadet besonderer Regelungen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes oder der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen und Bescheide bleiben Maßnahmen im Zusammenhang mit einer zeitgemäßen und nachhaltigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung von Grundstücken im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes … grundsätzlich unberührt. Diese Ausnahmeklausel gilt nicht, wenn geschützte Pflanzen und Tiere oder geschützte Lebensräume absichtlich beeinträchtigt werden oder vom Aussterben bedrohte Pflanzen und Tiere … von Maßnahmen betroffen sind.
(3) Als zeitgemäß und nachhaltig gilt eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung, wenn die Tätigkeiten in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Hervorbringung oder Gewinnung pflanzlicher oder tierischer Produkte dienen und nach Verfahren organisiert sind, wie sie in einer bestimmten Gegend und zu einer bestimmten Zeit oder auf Grund überlieferte Erfahrungen üblich sind und die auf naturräumliche Voraussetzungen abgestimmte Nutzung in einem funktionierenden System dauerhaft Leistungen gewährleistet, ohne dass die Produktionsgrundlagen erschöpft und Natur und Landschaft ungebührlich belastet werden.“
13 In § 22 nö NSchG heißt es:
„(1) Anstelle oder neben der hoheitlichen Wahrnehmung der Interessen des Naturschutzes können vom Land Niederösterreich auch privatrechtliche Vereinbarungen zur Erreichung naturschutzfachlicher Zielsetzungen, insbesondere zur Erhaltung, Pflege, Sicherung und Entwicklung von naturschutzfachlich wertvollen oder für das Landschaftsbild bedeutsamen Gebieten abgeschlossen werden. Gegenstand solcher Vereinbarungen hat vor allem die Erhaltung und Pflege von kleineren oberirdischen, natürlichen oder naturnahen stehenden Gewässern, von Feuchtwiesen und Trocken- und Magerstandorten sowie von naturschutzfachlich wertvollen Flurgehölzen und Hecken zu angemessenen Bedingungen zu sein. Weitere Förderungsmaßnahmen sind insbesondere:
– die Abgeltung von Maßnahmen zur Errichtung, Erhaltung oder Verbesserung sonstiger für den Naturschutz wertvoller Bereiche und Objekte;
– die Förderung einer besonders im Naturschutzinteresse gelegenen Art der Nutzung bzw. Bewirtschaftung in ökologisch oder für das Landschaftsbild bedeutsamen Bereichen;
– die Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung wichtiger landschaftsökologischer Funktionen (z. B. Biotopverbund, Extensivierung, Umstellung auf naturnahe land- und forstwirtschaftliche Wirtschaftsweisen).
…“
Oberösterreich
14 Es handelt sich um § 15 Abs. 2 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 2001 (LGBl [Oberösterreich] 129/2001, im Folgenden: oö NSchG).
15 Diese Bestimmung sieht vor:
„Für Landschaftsschutzgebiete …, geschützte Landschaftsteile …, Europaschutzgebiete … oder Naturschutzgebiete … können von der Landesregierung Landschaftspflegepläne erstellt werden, in denen jene Maßnahmen bezeichnet werden, die gemäß Abs. 1 im öffentlichen Interesse erforderlich werden und welche die erlaubte wirtschaftliche Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht erheblich erschweren. Wenn nicht auf Grund privatrechtlicher Vereinbarung oder gesetzlicher Bestimmungen etwas anderes gilt, hat die Kosten der Umsetzung solcher Landschaftspflegepläne das Land als Träger von Privatrechten zu tragen. Der Grundeigentümer (Verfügungsberechtigte) hat derartige Maßnahmen zu dulden.“
Salzburg
16 Es handelt sich um folgende Bestimmungen: §§ 3a, 5 Nrn. 8 bis 10, §§ 22a und 22b, § 29 sowie § 34 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1999 (LGBl [Salzburg] 73/1999, im Folgenden: sbg NSchG); § 104 Abs. 4 des Salzburger Jagdgesetzes 1993 (LGBl [Salzburg] 100/1993, im Folgenden: sbg JagdG).
17 § 3a sbg NSchG bestimmt:
„(1) Bei der Anwendung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen ist davon auszugehen, dass dem öffentlichen Interesse am Naturschutz der Vorrang gegenüber allen anderen Interessen eingeräumt werden kann.
(2) Maßnahmen, die nachweislich unmittelbar besonders wichtigen öffentlichen Interessen dienen, sind unter weitgehender Wahrung der Interessen des Naturschutzes … zu bewilligen oder zur Kenntnis zu nehmen, wenn
1. den anderen öffentlichen Interessen im Einzelfall der Vorrang gegenüber den Interessen des Naturschutzes zukommt und
2. zur Maßnahme nachweislich keine geeignete, die Naturschutzinteressen weniger beeinträchtigende Alternativlösung besteht.
(3) Bei Maßnahmen gemäß Abs. 2, die in Europaschutzgebieten gemäß § 5 Z 10 lit. a und c eine erhebliche Beeinträchtigung prioritärer natürlicher Lebensraumtypen … oder prioritärer Arten … erwarten lassen, können nur Erwägungen im Zusammenhang mit folgenden öffentlichen Interessen in eine Interessensabwägung einbezogen werden:
1. das Leben und die Gesundheit von Menschen,
2. die öffentliche Sicherheit,
3. maßgebliche günstige Auswirkungen auf die Umwelt.
Sonstige öffentliche Interessen können in die Interessensabwägung nur einbezogen werden, wenn zuvor eine Stellungnahme der … Kommission eingeholt worden ist. Diese Stellungnahme ist bei der Entscheidung zu berücksichtigen.
(4) Kommt nach einer Interessensabwägung gemäß Abs. 2 oder 3 den Interessen des Naturschutzes nicht der Vorrang zu, ist – außer im Fall des Abs. 6 – die durch den Eingriff zu erwartende Beeinträchtigung durch entsprechende Ersatzleistungen auszugleichen. Der Ausgleich ist durch Bescheid vorzuschreiben. Bei Eingriffen in besondere Lebensräume und Lebensgemeinschaften von Tieren oder Pflanzen kommt als Ersatzleistung vor allem die Schaffung von Ersatzlebensräumen in Frage. Diese Ersatzlebensräume sind möglichst in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Eingriffsort zu schaffen. Wenn keine Ersatzlebensräume geschaffen werden können, ist dem Antragsteller durch Bescheid die Entrichtung eines Geldbetrages in einer Höhe vorzuschreiben, die annähernd den Kosten einer angemessenen Ersatzleistung entspricht. Wenn die Schaffung von Ersatzlebensräumen nur unzureichend möglich ist, ist ein entsprechend verringerter, ersatzweise zu leistender Geldbetrag vorzuschreiben.
(5) Im Fall des Abs. 4 hat die Landesregierung bei Europaschutzgebieten den Zusammenhang des europäischen ökologischen Netzes ‚Natura 2000‘ sicherzustellen. Die zu diesem Zweck getroffenen Maßnahmen sind der … Kommission mitzuteilen.
(6) Ersatzleistungen sind für Maßnahmen nicht vorzuschreiben, die
1. wegen einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schäden notwendig und unvermeidlich sind und
2. keine Auswirkungen auf Europaschutzgebiete haben.“
18 In § 5 sbg NSchG heißt es:
„Im Sinn dieses Gesetzes gelten als:
…
8. Eingriffe in ein geschütztes Gebiet oder Objekt: vorübergehende oder dauerhafte Maßnahmen, die einzeln oder zusammen mit anderen Maßnahmen nicht nur unbedeutende Auswirkungen auf das Schutzgebiet oder Objekt oder im Hinblick auf den Schutzzweck bewirken können oder durch eine mehrfache Wiederholung oder Häufung derartiger Maßnahmen voraussichtlich bewirken. Ein Eingriff liegt auch dann vor, wenn die Maßnahmen selbst außerhalb des Schutzgebietes oder Objektes ihren Ausgang nehmen.
9. Erhaltungsziele eines Europaschutzgebietes: die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes
a) der im Anhang I der FFH-Richtlinie genannten natürlichen Lebensräume oder der im Anhang II dieser Richtlinie genannten Tier- und Pflanzenarten;
b) der im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie genannten Vogelarten und der regelmäßig auftretenden Zugvogelarten (Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie) und ihrer Lebensräume unter besonderer Berücksichtigung der international bedeutsamen Feuchtgebiete.
10. Europaschutzgebiete:
a) Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung, die in die Liste nach Art. 4 Abs. 2 der FFH-Richtlinie eingetragen sind;
b) Gebiete, die bis zum Vorliegen der Liste gemäß lit. a in eine Liste gemäß Art. 4 Abs. 1 der FFH-Richtlinie aufgenommen worden sind; und
c) Vogelschutzgebiete nach Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie.
…“
19 § 22a sbg NSchG sieht vor:
„…
(2) Für Europaschutzgebiete sind durch Verordnung der Landesregierung Schutzbestimmungen zu erlassen, die jedenfalls den Schutzzweck und die erforderlichen Gebote und Verbote enthalten. In der Verordnung sind auch die Grenzen des Schutzgebietes festzulegen. Der Schutzzweck hat die Erhaltungsziele (§ 5 Z 9) des jeweiligen Schutzgebietes anzugeben …
(3) In der Europaschutzgebietsverordnung können Maßnahmen verboten oder geboten und bestimmte Eingriffe allgemein oder durch eine Ausnahmebewilligung der Landesregierung gestattet werden. Durch Gebote und Verbote und Bewilligungsvorbehalte ist sicherzustellen, dass jene natürlichen Lebensräume nicht verschlechtert und jene Tier- und Pflanzenarten nicht erheblich gestört werden, für die nach dem Schutzzweck ein günstiger Erhaltungszustand erhalten oder wiederhergestellt werden soll.
(4) Vor Erteilung der Ausnahmebewilligung ist von der Landesregierung zu prüfen, ob der Eingriff das Europaschutzgebiet in seinen für die Erhaltungsziele (§ 5 Z 9) wesentlichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigen kann (Verträglichkeitsprüfung). Die Bewilligung ist nur zu erteilen, wenn keine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(5) Die Erlassung einer Verordnung gemäß Abs. 2 und 3 kann unterbleiben, wenn für das Gebiet bereits durch andere Maßnahmen ein ausreichender Schutz und das Erreichen des Erhaltungsziels sichergestellt sind. Weiter gehende Schutzbestimmungen bleiben unberührt.
(6) Für Europaschutzgebiete sind – falls erforderlich – Landschaftspflegepläne und auch Detailpläne … unter Bedachtnahme auf Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie und Art. 6 Abs. 1 der FFH-Richtlinie zu erstellen und umzusetzen. Der Erhaltungszustand der Europaschutzgebiete ist von der Landesregierung regelmäßig zu überwachen, wobei die prioritären natürlichen Lebensraumtypen und die prioritären Arten besonders zu berücksichtigen sind.“
20 § 22b sbg NSchG bestimmt:
„(1) Bis zur Erlassung ausreichender Schutzbestimmungen … dürfen Nutzungsmaßnahmen von Grundstücken nur so durchgeführt werden, wie sie … rechtmäßig vorgenommen worden sind.
(2) Alle über Abs. 1 hinausgehenden Maßnahmen, die eine erhebliche Beeinträchtigung von solchen natürlichen Lebensräumen oder solchen Tier- oder Pflanzenarten bewirken können, für die nach der FFH-Richtlinie oder der Vogelschutzrichtlinie ein günstiger Erhaltungszustand erhalten oder wiederhergestellt werden soll, dürfen nur mit Bewilligung der Landesregierung vorgenommen werden.
(3) Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn die Maßnahme keine Verschlechterung der unter Abs. 2 fallenden Lebensräume und keine erhebliche Störung der unter Abs. 2 fallenden Arten bewirken kann und überdies dem Ziel der Erhaltung oder Schaffung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser Lebensräume oder Arten nicht zuwiderläuft.
(4) Weitergehende Schutzbestimmungen bleiben unberührt.“
21 § 29 sbg NSchG lautet:
„(l) Wild wachsende Pflanzen in der freien Natur, die in ihrem Bestand allgemein oder in bestimmten Gebieten gefährdet sind und an deren Erhaltung aus Gründen des Naturschutzes ein öffentliches Interesse besteht, sowie solche Pflanzen, die für die Erhaltung eines ausgeglichenen Naturhaushaltes, insbesondere zur Sicherung des Bestandes anderer Pflanzenarten und Tiere, erforderlich sind, können durch Verordnung der Landesregierung vollkommen oder teilweise geschützt werden. Der Schutz kann sowohl zeitlich als auch gebietsmäßig beschränkt werden.
(2) Der vollkommene Schutz der Pflanzen bezieht sich auf alle ober- und unterirdischen Teile der Pflanze. Er umfasst das Verbot, diese zu beschädigen, zu vernichten, von ihrem Standort zu entfernen oder den Standort solcher Pflanzen so zu behandeln, dass ihr weiterer Bestand gefährdet oder ausgeschlossen ist, sowie aus der Natur entnommene Pflanzen zu besitzen, zu transportieren, entgeltlich oder unentgeltlich anzunehmen oder abzugeben. Das Verbot des Besitzes, des Transportes und der entgeltlichen oder unentgeltlichen Annahme oder Abgabe bezieht sich auch auf jedes aus der Pflanze gewonnene Produkt und jede andere Ware, die auf Grund eines Begleitdokuments, der Verpackung, eines Zeichens, eines Etiketts oder eines anderen Sachverhalts als Teil oder Derivat der Pflanze identifiziert werden kann.“
22 In § 34 sbg NSchG heißt es:
„(1) Die Naturschutzbehörde kann auf Ansuchen Ausnahmen von den Verboten [u. a. des] § … 29 Abs. 2 und 3 … bewilligen. Die Bewilligung kann … nur für Maßnahmen erteilt werden, die einem der nachstehenden Zwecke dienen:
1. der Volksgesundheit einschließlich der Heilmittelerzeugung;
2. der Getränkeerzeugung;
3. der öffentlichen Sicherheit;
4. der Sicherheit der Luftfahrt;
5. dem Schutz frei lebender Pflanzen und Tiere oder der Erhaltung ihrer Lebensräume;
6. der Forschung oder dem Unterricht;
7. der Aufstockung der Bestände oder der Wiederansiedlung an anderer Stelle;
8. der Abwendung erheblicher Schäden an Kulturen und Wäldern, an Nutz- oder Haustieren, an Fischgründen oder Gewässern;
9. der Errichtung von Anlagen;
10. anderen überwiegenden öffentlichen Interessen.
(2) Auf Vögel findet Abs. 1 Z 9 und 10 keine Anwendung. Auf Pflanzenarten, die im Anhang IV der FFH-Richtlinie genannt sind, findet Abs. 1 Z 2 und 9 keine Anwendung.
(3) Bewilligungen nach Abs. 1 können nur erteilt werden, wenn der Zweck der Maßnahme anders nicht zufrieden stellend erreicht werden kann und der jeweilige Bestand der betreffenden Tier- oder Pflanzenarten auch im Bereich des Eingriffes nicht verschlechtert wird.
(4) Ansuchen um eine Bewilligung nach Abs. 1 sind zu begründen und müssen folgende Angaben enthalten:
…
(6) Die Bewilligung darf folgenden Personen nicht erteilt werden:
…
(7) Die Bewilligung hat alle Angaben gemäß Abs. 4 sowie den Hinweis zu enthalten, dass sie nicht die privatrechtliche Zustimmung des über die jeweiligen Grundstücke Verfügungsberechtigten ersetzt. Bei Bewilligungen zum Zweck der Wissenschaft hat die Behörde überdies anzuordnen, dass das Belegmaterial im Einvernehmen mit einer anerkannten wissenschaftlichen Einrichtung zu verwahren ist.
…“
23 § 104 sbg JagdG sieht vor:
„…
(4) Die Behörde kann weitere Ausnahmen von den Verboten … bewilligen, wenn dadurch der Bestand der betroffenen Wildart nicht gefährdet wird und es keine andere zufrieden stellende Lösung gibt, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Solche Ausnahmen dürfen nur für folgende Zwecke bewilligt werden:
a) zum Schutz anderer wild lebender Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung ihrer natürlichen Lebensräume;
b) zur Vermeidung ernster Schäden an Kulturen, an Viehbeständen, an Wäldern, Fischwässern sowie bei Haarwild auch an sonstigen Formen des Eigentums;
c) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder bei Haarwild auch aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt;
d) zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts;
e) zur Ergänzung des Bestandes dieser Arten oder zu deren Wiederansiedlung sowie zur dazu erforderlichen Aufzucht;
f) zum Handel mit einer geringen Menge von Tieren (bzw. Teilen von Tieren oder aus diesen Tieren gewonnenen Erzeugnissen) jener Federwildarten, die … gefangen oder getötet werden dürfen.“
Tirol
24 Es handelt sich um folgende Bestimmungen: § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2, §§ 5 bis 9, 22 bis 24 und 28 Abs. 3 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997 (LGBl [Tirol] 33/1997, im Folgenden: Tiroler NSchG); § 1 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b, § 3 sowie § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der Tiroler Naturschutzverordnung 1997 (LGBl [Tirol] 95/1997, im Folgenden: Tiroler NSchVO).
25 § 1 Abs. 1 Tiroler NSchG lautet:
„Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, dass
a) ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,
b) ihr Erholungswert,
c) der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und
d) ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt
bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet oder durch den Menschen gestaltet wurde. Der ökologisch orientierten land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Natur darf nur so weit in Anspruch genommen werden, dass ihr Wert auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.“
26 § 2 Abs. 2 Tiroler NSchG bestimmt:
„Maßnahmen der üblichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung bedürfen keiner Bewilligung nach diesem Gesetz.
Dies gilt nicht für Maßnahmen in Auwäldern …, in Feuchtgebieten …, in Naturschutzgebieten und Sonderschutzgebieten …“
27 In § 5 Tiroler NSchG heißt es:
„Im gesamten Landesgebiet sind verboten:
a) die Durchführung von sportlichen Wettbewerben mit Kraftfahrzeugen, die von einem Verbrennungsmotor angetrieben werden, ausgenommen auf Grundflächen, für die eine Bewilligung … vorliegt;
b) die Verwendung von Hubschraubern zur Beförderung von Personen für touristische Zwecke, ausgenommen zwischen Flugplätzen;
c) die Verwendung von Wasserfahrzeugen, die von einem Verbrennungsmotor angetrieben werden, auf fließenden natürlichen Gewässern, ausgenommen zur Ausführung von Vorhaben, für die eine naturschutzrechtliche Bewilligung vorliegt, im hiefür notwendigen Ausmaß;
d) jede nachhaltige Beeinträchtigung der Gletscher und ihrer Einzugsgebiete; davon ausgenommen sind der Betrieb, die Instandhaltung und die Instandsetzung von bestehenden Anlagen sowie deren Änderung …“
28 § 22 Tiroler NSchG sieht vor:
„(l) Die Landesregierung hat jene Arten von wild wachsenden Pflanzen, die in ihrem Bestand allgemein oder in bestimmten Gebieten gefährdet sind, deren Erhaltung aber zur Wahrung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 geboten ist, durch Verordnung zu geschützten Pflanzenarten zu erklären.
(2) Die Landesregierung kann in Verordnungen nach Abs. 1, soweit dies zur Sicherung des Bestandes bestimmter Arten von Pflanzen erforderlich ist, verbieten,
…“
29 § 23 Tiroler NSchG bestimmt:
„(1) Die Landesregierung hat jene Arten von wildlebenden, nicht jagdbaren Tieren, die in ihrem Bestand allgemein oder in bestimmten Gebieten gefährdet sind, deren Erhaltung aber zur Wahrung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 geboten ist, durch Verordnung zu geschützten Tierarten zu erklären.
(2) Die Landesregierung kann in Verordnungen nach Abs. 1, soweit dies zur Sicherung des Bestandes bestimmter Arten von Tieren erforderlich ist, verbieten,
a) Tiere geschützter Arten zu beunruhigen, zu verfolgen, zu fangen, zu halten, im lebenden oder toten Zustand zu verwahren, zu befördern, feilzubieten, zu veräußern, zu erwerben oder zu töten;
b) Entwicklungsformen von Tieren (wie etwa Eier, Larven und Puppen) geschützter Arten aus ihrer natürlichen Umgebung zu entfernen, zu beschädigen oder zu vernichten, zu verwahren, zu befördern, feilzubieten, zu veräußern oder zu erwerben;
c) Teile von Tieren geschützter Arten (wie etwa Federn und Bälge) zu verwahren, zu befördern, feilzubieten, zu veräußern oder zu erwerben;
d) Brutstätten und Nester von Tieren geschützter Arten zu entfernen oder zu zerstören;
e) den Lebensraum … von Tieren geschützter Arten … so zu behandeln, dass ihr weiterer Bestand in diesem Lebensraum unmöglich wird.
Die Verbote nach lit. a bis d können auf eine bestimmte Anzahl von Tieren und ihrer Entwicklungsformen, auf bestimmte Entwicklungsformen und auf bestimmte Zeiträume und Gebiete, die Verbote nach lit. e auf bestimmte Zeiträume und Gebiete beschränkt werden.
(3) Wer behauptet, Tiere geschützter Arten, die er erwerbsmäßig befördert, hält, verwendet oder anbietet, durch Zucht in Tirol gewonnen oder aus einem anderen Bundesland oder aus dem Ausland eingeführt zu haben, hat dies der Behörde auf Verlangen nachzuweisen.
(4) Das Aussetzen von Tieren, die nicht den jagd- oder fischereirechtlichen Vorschriften unterliegen und nicht heimischer Art sind, in der freien Natur bedarf einer naturschutzrechtlichen Bewilligung. Eine solche Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn weder eine weitgehende Veränderung der vorhandenen Pflanzen- und Tierwelt noch eine Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes nach § l Abs. 1 zu erwarten ist.
(5) Die Landesregierung kann in Verordnungen nach Abs. 1 Bestimmungen über das Fangen und das Sammeln von wildlebenden Tieren geschützter Arten einschließlich ihrer Entwicklungsformen erlassen, um eine sachgemäße Ausübung dieser Tätigkeiten sicherzustellen. Dabei können bestimmte Fangarten sowie die Verwendung bestimmter Fangmittel verboten werden.“
30 § 24 Tiroler NSchG lautet:
„Es ist verboten, wildlebende, nicht jagdbare Tiere nicht geschützter Arten absichtlich zu beunruhigen oder zu verfolgen, sie ohne gerechtfertigten Grund zu fangen sowie ihre Brutstätten und Nester oder ihre Entwicklungsformen ohne gerechtfertigten Grund zu entfernen, zu beschädigen oder zu zerstören.“
Vorverfahren
31 Nach Prüfung der von der Republik Österreich übermittelten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie richtete die Kommission am 13. April 2000 ein Mahnschreiben an diesen Mitgliedstaat, mit dem sie die unvollständige bzw. nicht korrekte Umsetzung einiger Bestimmungen der Richtlinie rügte.
32 Die Republik Österreich nahm hierzu gegenüber der Kommission mit Schreiben vom 27. Juli 2000 Stellung. Darin stellte sie u. a. Änderungen einiger nationaler Bestimmungen in Aussicht. Hinsichtlich anderer Aspekte der Umsetzung der Richtlinie vertrat sie jedoch eine von der Kommissionsmeinung abweichende Sichtweise.
33 Mit Schreiben vom 17. Oktober 2003 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie zu dem Ergebnis kam, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen habe, indem sie mehrere Bestimmungen der Richtlinie unvollständig bzw. nicht korrekt umgesetzt habe.
34 Die Republik Österreich antwortete auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme mit Schreiben vom 23. Dezember 2003 in ähnlichem Sinne wie auf das Mahnschreiben.
35 Unter diesen Umständen hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.
Verfahren vor dem Gerichtshof
36 Die Kommission hatte in ihrer Klageschrift 27 Vertragsverletzungsgründe gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
37 In ihrer Klagebeantwortung hat die Beklagte 17 dieser Vertragsverletzungsgründe anerkannt und im Übrigen ihren Standpunkt aufrechterhalten.
38 Die Kommission hat im Rahmen ihrer Erwiderung zwei Vertragsverletzungsgründe fallen gelassen.
39 Im Anschluss an eine nach Art. 54a der Verfahrensordnung ergangene Aufforderung des Gerichtshofs zur Übermittlung zusätzlicher Angaben zu den nationalen Rechtsinstrumenten, die den Gegenstand der Klage bilden, hat die Kommission ihre Klage auch insoweit zurückgenommen, als sie die auf Art. 6 Abs. 3 und 4 sowie auf die Art. 7, 11 und 15 der Richtlinie bezogenen Vertragsverletzungsgründe betraf.
40 Daher umfasst die Klage letztlich 14 Vertragsverletzungsgründe, die die Umsetzung von Art. 1, Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 12 und 13 sowie Art. 16 Abs. 1 und Art. 22 Buchst. b der Richtlinie betreffen.
41 Die Republik Österreich bestreitet nicht, dass das österreichische Recht zum Zeitpunkt des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist in einigen Punkten nicht den Vorgaben der Richtlinie entsprach; diese Punkte werden von sieben Vertragsverletzungsgründen erfasst.
Zur Klage
Zu den unbestrittenen Vertragsverletzungsgründen
Vorbringen der Kommission
– Verstoß gegen Art. 12 der Richtlinie in der Steiermark und in Tirol
42 Die Kommission trägt vor, dass nach § 13d Abs. 1 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes (im Folgenden: stmk NSchG) die Umsetzung des Art. 12 der Richtlinie durch eine Verordnung der steiermärkischen Landesregierung zu erfolgen habe. Jedoch stelle § 4 der Steiermärkischen Naturschutzverordnung (im Folgenden: stmk NSchVO), der festlege, welche Tiere ganzjährig geschützt seien, keine vollständige Umsetzung des Art. 12 der Richtlinie dar, weil er nicht alle geschützten Arten im Sinne des Anhangs IV Buchst. a der Richtlinie erfasse.
43 Gemäß § 23 Abs. l lit. a Tiroler NSchG habe die Tiroler Landesregierung die im Anhang IV Buchst. a der Richtlinie genannten Tierarten durch Verordnung zu geschützten Tierarten zu erklären. Durch die Tiroler NSchVO sei eine Übernahme sämtlicher genannter Arten jedoch nicht gegeben.
– Verstoß gegen Art. 13 der Richtlinie in Kärnten, in der Steiermark und in Tirol
44 Die Kommission ist der Auffassung, dass die Anlage 1 zu § 1 der Kärntner Pflanzenartenschutzverordnung keinen adäquaten Schutz für sämtliche Pflanzenarten des Anhangs IV Buchst. b der Richtlinie sicherstelle.
45 Nach § 13c Abs. l stmk NSchG habe die Umsetzung des Art. 13 der Richtlinie durch eine Verordnung der steiermärkischen Landesregierung zu erfolgen. Eine solche Verordnung sei aber nicht erlassen worden. Außerdem stellten die §§ 1 und 2 der stmk NSchVO, die die vollkommen bzw. teilweise geschützten Pflanzen festlegten, keine vollständige Umsetzung der Richtlinie dar, weil sie nicht alle geschützten Arten im Sinne des Anhangs IV Buchst. b der Richtlinie erfassten.
46 Gemäß § 22 Abs. 1 lit. a Tiroler NSchG müsse die Tiroler Landesregierung die im Anhang IV Buchst. b der Richtlinie genannten Pflanzenarten durch Verordnung zu geschützten Pflanzenarten erklären. Die Tiroler NSchVO stelle jedoch kein Schutzregime für alle Arten des Anhangs IV Buchst. b der Richtlinie auf.
– Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie in der Steiermark und in Tirol
47 Nach Ansicht der Kommission berücksichtigt § 62 Abs. 2 des Steiermärkischen Jagdgesetzes nicht, dass Ausnahmeregelungen nur zulässig seien, wenn sichergestellt sei, dass die Populationen geschützter Arten in einem „günstigen Erhaltungszustand“ verweilten.
48 Für prioritäre natürliche Lebensraumtypen werde das in § 3 Tiroler NSchVO vorgesehene Verbot dem Erfordernis des „günstigen Erhaltungszustands“ nicht gerecht. Gleiches gelte auch für die Pflanzenarten in § 1 Abs. 2 lit. b Tiroler NSchVO und die Tierarten nach § 6 Abs. 2 lit. e Tiroler NSchVO.
49 Die österreichische Regierung trägt vor, dass die zuständigen Stellen der betreffenden Länder derzeit an einer Reihe von Umsetzungsmaßnahmen arbeiteten. Sie hätten dabei zum Ziel, alle betroffenen nationalen Rechtstexte mit der Richtlinie in Einklang zu bringen.
Würdigung durch den Gerichtshof
50 Nach ständiger Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist bestehenden Situation zu beurteilen; spätere Änderungen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften können vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (vgl. u. a. Urteile vom 30. Mai 2002, Kommission/Italien, C‑323/01, Slg. 2002, I‑4711, Randnr. 8, und vom 27. Oktober 2005, Kommission/Luxemburg, C‑23/05, Slg. 2005, I‑9535, Randnr. 9).
51 Die mit Gründen versehene Stellungnahme ist der Republik Österreich am 17. Oktober 2003 bekannt gegeben worden, so dass unter Berücksichtigung der Frist, die in dieser Stellungnahme gesetzt worden war, die Beklagte die Übereinstimmung des nationalen Rechts mit den Vorgaben der Richtlinie bis zum 17. Dezember 2003 sicherzustellen hatte.
52 Aus den Ausführungen zu den genannten Vertragsverletzungsgründen ergibt sich, dass die österreichische Regierung nicht bestreitet, dass die für die Umsetzung der Richtlinie in allen fraglichen Punkten erforderlichen Maßnahmen nicht innerhalb jener Frist erlassen wurden, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war.
53 Es ist daher festzustellen, dass die Klage in Bezug auf die Vertragsverletzungsgründe zur Umsetzung des Art. 12 der Richtlinie in der Steiermark und in Tirol, des Art. 13 der Richtlinie in Kärnten, in der Steiermark und in Tirol sowie des Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie in der Steiermark und in Tirol begründet ist.
Zu den bestrittenen Vertragsverletzungsgründen
Verstoß gegen Art. 1 der Richtlinie in Salzburg
– Vorbringen der Parteien
54 Die Kommission trägt vor, dass § 5 sbg NSchG einige Begriffsbestimmungen enthalte, die die Definitionen des Art. 1 Buchst. e, g, i und l der Richtlinie zu den Begriffen „Erhaltungszustand eines natürlichen Lebensraums“, „Arten von gemeinschaftlichem Interesse“, „Erhaltungszustand einer Art“ und „Besonderes Schutzgebiet“ nicht korrekt umsetzten.
55 § 5 Z 9 sbg NSchG nehme zwar Bezug auf den Begriff der Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands, ohne ihn jedoch zu definieren. Im Übrigen stellten weder § 3a sbg NSchG, der lediglich eine Interessenabwägung vorsehe, noch die §§ 22a, 22b und 29 sbg NSchG, in denen es um einige zusätzliche Schutzmaßnahmen gehe, eine korrekte Umsetzung des Art. 1 der Richtlinie dar.
56 Nach Ansicht der österreichischen Regierung ist die Umsetzung des Art. 1 der Richtlinie in das Salzburger Recht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Es seien nämlich aufgrund der Verwendung des Eingriffsbegriffs in Kombination mit den Erhaltungszielen sämtliche Begriffselemente dieser Bestimmung im anwendbaren Gesetz erfasst. Es handele sich um folgende Rechtsbegriffe der Richtlinie und der nationalen Bestimmungen:
– „Erhaltungszustand eines natürlichen Lebensraumes“: Art. 1 Buchst. e der Richtlinie; § 5 Z 8 und 9 sowie § 22a Abs. 3 und 4 sbg NSchG;
– „Arten von gemeinschaftlichem Interesse“: Art. 1 Buchst. g der Richtlinie; „Erhaltungszustand einer Art“: Art. 1 Buchst. i der Richtlinie; §§ 3a, 22a, 22b und 29 sbg NSchG;
– „Besonderes Schutzgebiet“: Art. 1 Buchst. l der Richtlinie; § 5 Z 9 und 10 sowie § 22a sbg NSchG.
– Würdigung durch den Gerichtshof
57 Wie aus dem vierten und dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie hervorgeht, sind die von ihr erfassten Lebensräume und Arten Teil des Naturerbes der Gemeinschaft, und die Bedrohung, der sie ausgesetzt sind, ist oft grenzübergreifend, so dass die Einleitung erhaltender Maßnahmen eine gemeinsame Verantwortung aller Mitgliedstaaten ist.
58 In Bezug auf das gegenständliche Sachgebiet hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Genauigkeit der Umsetzung in einem Fall wie dem vorliegenden insofern besondere Bedeutung zukommt, als die Verwaltung des gemeinsamen Erbes den Mitgliedstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet anvertraut ist (vgl. Urteile vom 20. Oktober 2005, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑6/04, Slg. 2005, I‑9017, Randnr. 25, und vom 10. Januar 2006, Kommission/Deutschland, C‑98/03, Slg. 2006, I‑53, Randnr. 59).
59 Zu den Definitionen des Art. 1 der Richtlinie hat der Gerichtshof entschieden, dass die jeweiligen Begriffe in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten umzusetzen sind (vgl. Urteil vom 24. Juni 2003, Kommission/Portugal, C‑72/02, Slg. 2003, I‑6597, Randnr. 17).
60 Dazu ist erstens hinsichtlich der in Art. 1 Buchst. e und i der Richtlinie definierten Begriffe („Erhaltungszustand eines natürlichen Lebensraums“ und „Erhaltungszustand einer Art“) festzustellen, dass zwar in § 5 Z 9 sbg NSchG der Ausdruck „günstiger Erhaltungszustand“ verwendet wird, der Wortlaut der streitigen Bestimmungen des nationalen Rechts jedoch nicht alle Merkmale enthält, die in den genannten Unterpunkten des Art. 1 der Richtlinie aufgeführt sind.
61 Eine solche Regelungstechnik gewährleistet nicht, dass alle Elemente der fraglichen Definitionen bei der Umsetzung der Richtlinie tatsächlich berücksichtigt werden, obwohl diese Elemente für die Reichweite des Schutzes der betroffenen Lebensräume und Arten entscheidend sind.
62 Daher können § 5 Z 8 und 9 sowie die §§ 3a, 22a, 22b und 29 sbg NSchG nicht als hinreichende gesetzliche Umsetzung des Art. 1 Buchst. e und i der Richtlinie anerkannt werden.
63 Zweitens führt auch Art. 1 Buchst. g der Richtlinie zahlreiche Parameter auf, die der Definition des Begriffs „Art von gemeinschaftlichem Interesse“ dienen.
64 Dagegen haben die §§ 3a, 22a, 22b und 29 sbg NSchG lediglich eine Interessenabwägung, zusätzliche Schutzmaßnahmen für Europaschutzgebiete, die Modalitäten der Bewilligung von Ausnahmen von den gesetzlichen Verboten und den besonderen Schutz wild wachsender Pflanzen zum Gegenstand. Der Begriff der Art von gemeinschaftlichem Interesse wird dort nicht erwähnt.
65 Diese Bestimmungen können daher nicht als Umsetzung des Art. 1 Buchst. g der Richtlinie angesehen werden.
66 Was drittens Art. 1 Buchst. l der Richtlinie angeht, so verwendet § 5 Z 10 sbg NSchG, der in Verbindung mit § 5 Z 9 betrachtet werden muss, in dem die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands als Ziel genannt wird, den Begriff „Europaschutzgebiet“ anstelle des Begriffs „besonderes Schutzgebiet“. Die davon erfassten Gebiete sind u. a. die von der Kommission nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommenen sowie diejenigen Gebiete, die vom Land Salzburg nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie zur Aufnahme in diese Liste vorgeschlagen wurden.
67 § 22a Abs. 2 bis 4 sbg NSchG listet außerdem die Maßnahmen genau auf, die zur Verwirklichung der Erhaltungsziele für „Europaschutzgebiete“ zu ergreifen sind.
68 Folglich werden in § 5 Z 9 und 10 sowie in § 22a sbg NSchG die Gebiete, die vom Begriff des besonderen Schutzgebiets im Sinne des Art. 1 Buchst. l der Richtlinie umfasst sind, rechtlich hinreichend genau definiert.
69 Art. 1 Buchst. l der Richtlinie ist daher in Salzburg korrekt umgesetzt worden.
70 Somit ist die vorliegende Rüge der Kommission nur hinsichtlich der Nichtumsetzung des Art. 1 Buchst. e, g und i der Richtlinie begründet.
Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie in Niederösterreich
– Vorbringen der Parteien
71 Die Kommission trägt vor, nach § 9 Abs. 5 nö NSchG bestehe nur die Pflicht, „gegebenenfalls“ geeignete Pflege-, Entwicklungs- und Erhaltungsmaßnahmen zu treffen. Aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie folge aber, dass die „nötigen Erhaltungsmaßnahmen“ in jedem Fall und nicht „gegebenenfalls“ zu treffen seien. In dieser Bestimmung beziehe sich nämlich das Wort „gegebenenfalls“ ausschließlich auf die Bewirtschaftungspläne und sei nicht als allgemeine Einschränkung der Verpflichtung zu verstehen, die nötigen rechtlichen, administrativen oder vertraglichen Maßnahmen zu treffen.
72 Die österreichische Regierung macht geltend, dass nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie nicht in jedem Fall Erhaltungsmaßnahmen festzulegen seien, sondern nur die „nötigen“. Jedenfalls würden immer dann, wenn Erhaltungsmaßnahmen nötig seien, die über die nach § 9 Abs. 4 nö NSchG zu treffenden Gebote und Verbote hinausgingen, diese von den zuständigen Landesbehörden auch getroffen, um einen günstigen Erhaltungszustand zu erreichen.
– Würdigung durch den Gerichtshof
73 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie komplexe und technische Regelungen des Umweltschutzrechts enthält und die Mitgliedstaaten daher in besonderer Weise gehalten sind, dafür Sorge zu tragen, dass ihre zur Umsetzung der Richtlinie bestimmten Rechtsvorschriften klar und bestimmt sind (vgl. Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 26).
74 Zu der von der Kommission vorgetragenen Rüge ist festzustellen, dass sowohl Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie als auch § 9 Abs. 5 nö NSchG den Begriff „gegebenenfalls“ verwenden. Allerdings bezieht er sich in der Bestimmung des innerstaatlichen Rechts generell auf alle Erhaltungsmaßnahmen, so dass danach die Durchführung solcher Maßnahmen nicht obligatorisch ist.
75 In Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie bezieht sich dieser Begriff hingegen nur auf besondere Umstände, d. h. bestimmte Mittel oder technische Entscheidungen zur Erhaltung, die als „eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne“ definiert werden.
76 Die Richtlinie schreibt also das Ergreifen der nötigen Erhaltungsmaßnahmen vor, so dass insoweit jeglicher Wertungsspielraum der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist, und begrenzt die etwaigen Regelungs- und Entscheidungsmöglichkeiten der nationalen Behörden auf die im Rahmen dieser Maßnahmen einzusetzenden Mittel und die zu treffenden technischen Entscheidungen.
77 Daher kann § 9 Abs. 5 nö NSchG nicht als hinreichende Umsetzung der Verpflichtung angesehen werden, in jedem Fall die nötigen Erhaltungsmaßnahmen für die besonderen Schutzgebiete zu treffen.
78 Das Vorbringen der österreichischen Regierung, diese Bestimmung des innerstaatlichen Rechts werde jedenfalls richtlinienkonform ausgelegt, wenn Erhaltungsmaßnahmen nötig seien, ist zu verwerfen.
79 Eine solche richtlinienkonforme Auslegung der Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts kann nämlich für sich allein nicht die Klarheit und Bestimmtheit aufweisen, die notwendig sind, um dem Erfordernis der Rechtssicherheit zu genügen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. September 1996, Kommission/Griechenland, C‑236/95, Slg. 1996, I‑4459, Randnr. 13, und vom 10. Mai 2001, Kommission/Niederlande, C‑144/99, Slg. 2001, I‑3541, Randnr. 21).
80 Zudem kann eine bloße Verwaltungspraxis, die die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern kann und die nur unzureichend bekannt ist, nicht als Erfüllung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Rahmen der Richtlinienumsetzung angesehen werden (vgl. Urteile vom 13. März 1997, Kommission/Frankreich, C‑197/96, Slg. 1997, I‑1489, Randnr. 14, vom 7. März 2002, Kommission/Italien, C‑145/99, Slg. 2002, I‑2235, Randnr. 30, und vom 10. März 2005, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑33/03, Slg. 2005, I‑1865, Randnr. 25).
81 Die niederösterreichischen Rechtsvorschriften sind deshalb nicht mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie vereinbar.
82 Somit ist die Klage in diesem Punkt begründet.
Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie in Oberösterreich
– Vorbringen der Parteien
83 Die Kommission weist darauf hin, dass § 15 Abs. 2 oö NSchG die Möglichkeit vorsehe, Landschaftspflegepläne zu erstellen. Eine solche Möglichkeit sei im Hinblick auf die Verpflichtung aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie unzureichend.
84 Nach § 15 Abs. 2 oö NSchG könne die Landesregierung außerdem Landschaftspflegepläne erstellen, in denen die Maßnahmen bezeichnet würden, die „im öffentlichen Interesse erforderlich werden und welche die erlaubte wirtschaftliche Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht erheblich erschweren“. Die Wortfolge hinsichtlich der „wirtschaftlichen Nutzung“ sei aber als Einschränkung der Verpflichtung zur Erstellung der Landschaftspflegepläne konzipiert.
85 Die österreichische Regierung macht geltend, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie überlasse es den Mitgliedstaaten, die Art der zu treffenden Schutzmaßnahmen zu bestimmen.
86 Auch sei § 15 Abs. 2 oö NSchG mit der Richtlinie vereinbar, da der Begriff der wirtschaftlichen Nutzung nur als eine Nutzung verstanden werden könne, die mit den auf besondere Schutzgebiete anwendbaren Schutzvorschriften im Einklang stehe. Eine im Widerspruch zu den Erhaltungszielen des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie stehende Nutzung könne daher von den zuständigen gesetzgebenden Stellen und Verwaltungsbehörden nicht erlaubt werden.
– Würdigung durch den Gerichtshof
87 Zunächst ist daran zu erinnern, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Formulierung des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie den Mitgliedstaaten die Pflicht auferlegen wollte, die nötigen Erhaltungsmaßnahmen zu treffen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II der Richtlinie entsprechen.
88 § 15 Abs. 2 oö NSchG, wonach für „Europaschutzgebiete“ und „Naturschutzgebiete“ Landschaftspflegepläne erstellt werden „können“, räumt der Landesregierung jedoch einen Wertungsspielraum hinsichtlich der Frage ein, ob die „nötigen Erhaltungsmaßnahmen“ zu ergreifen sind.
89 Wie in Randnr. 76 des vorliegenden Urteils ausgeführt, steht diese Frage aber nicht im Ermessen der Mitgliedstaaten. Schon deshalb stellt § 15 Abs. 2 oö NSchG keine korrekte Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie dar.
90 Hinzu kommt, dass § 15 Abs. 2 oö NSchG nicht die Reichweite des Begriffs „erlaubte wirtschaftliche Nutzung“ präzisiert und es daher denkbar ist, dass derartige Eingriffe nötige Erhaltungsmaßnahmen verhindern. Auch in dieser Hinsicht ist er also mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie unvereinbar.
91 Folglich sind die oberösterreichischen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung der Richtlinie vereinbar.
92 Die Klage der Kommission ist deshalb in diesem Punkt begründet.
Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie in Tirol
– Vorbringen der Parteien
93 Nach Ansicht der Kommission kann weder den §§ 1 und 2 noch den §§ 5 oder 14 Tiroler NSchG entnommen werden, dass Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie gemeinschaftsrechtskonform umgesetzt worden sei. Die §§ 22, 23 und 24 Tiroler NSchG hätten die Unterschutzstellung von Pflanzen-, Tier- und Vogelarten sowie Maßnahmen bei nicht geschützten Tierarten zum Gegenstand, sprächen aber kein Verschlechterungsverbot für besondere Schutzgebiete aus.
94 Die österreichische Regierung trägt vor, dass die Verpflichtung des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie in den genannten Bestimmungen des Tiroler NSchG berücksichtigt sei.
95 Zwar enthielten diese Bestimmungen kein dezidiertes Verschlechterungsverbot für besondere Schutzgebiete, doch erfordere die Umsetzung der Verpflichtung nicht notwendigerweise, den Text des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie wörtlich zu übernehmen. Der Landesgesetzgeber habe dafür gesorgt, dass diesem Schutzerfordernis Rechnung getragen werde, so dass gewährleistet sei, dass keine Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und Habitate der Arten eintrete und die Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden seien, nicht gestört würden.
96 Jedenfalls hätten die durch § 14 Tiroler NSchG erfolgten Änderungen das Gesetz mit der Richtlinie in Einklang gebracht.
– Würdigung durch den Gerichtshof
97 Zunächst ist zu beachten, dass § 14 Tiroler NSchG erst nach Ablauf der in der begründeten Stellungnahme gesetzten Frist neu eingefügt wurde. Diese Gesetzesänderung ist daher gemäß der in Randnr. 50 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung für die Beurteilung des vorliegenden Vertragsverletzungsgrundes nicht maßgebend.
98 Was die erste Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie angeht, nämlich die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten zu vermeiden, so ist im Hinblick auf das Vorbringen der österreichischen Regierung zu den Umsetzungsmodalitäten des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie festzustellen, dass das Tiroler Recht bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist keine Bestimmung enthielt, die die erforderliche rechtliche Genauigkeit aufwies und mit der die zuständigen Behörden zur Vermeidung von Verschlechterungen der genannten Habitate verpflichtet wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 37).
99 Unter diesen Umständen kann dem Vorbringen, dass der allgemeine rechtliche Rahmen, der sich aus den in Tirol geltenden Rechtsvorschriften ergebe, den genannten Anforderungen genüge, nicht gefolgt werden.
100 Zur zweiten Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie, nämlich die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um Störungen von Arten zu vermeiden, für welche die besonderen Schutzgebiete ausgewiesen worden sind, ist festzustellen, dass die §§ 22 bis 24 Tiroler NSchG diese Verpflichtung ebenfalls nicht umsetzen, da sie nicht die Arten erfassen, deren Schutz die Ausweisung dieser Gebiete erfordert, d. h. die Arten nach Anhang II, sondern die Arten nach Anhang IV Buchst. a der Richtlinie, die über Art. 12 der Richtlinie geschützt werden.
101 Der Schutz der Arten, für die die besonderen Schutzgebiete ausgewiesen worden sind, muss jedoch vollständig sichergestellt werden (vgl. Urteil vom 13. Februar 2003, Kommission/Luxemburg, C‑75/01, Slg. 2003, I‑1585, Randnr. 43).
102 Folglich stehen die Tiroler Rechtsvorschriften nicht mit Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie im Einklang.
103 Die Klage der Kommission ist daher in diesem Punkt begründet.
Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie in Niederösterreich und Salzburg
– Rüge hinsichtlich der niederösterreichischen Rechtsvorschriften
Vorbringen der Parteien
104 Die Kommission trägt vor, dass die §§ 20, 21 und 22 nö NSchG nicht auf das Kriterium „Verweilen in einem günstigen Erhaltungszustand“ Bezug nähmen und die für ein Abweichen vom Schutzregime der Richtlinie zu erfüllenden Voraussetzungen und Kriterien entgegen Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie nicht abschließend aufgezählt seien.
105 Die gemäß § 95 nö JagdG festgelegten Verbote beträfen nur die wildlebenden Tierarten und seien daher nicht auf andere Arten anwendbar.
106 Die österreichische Regierung vertritt die Ansicht, dass aufgrund der gewählten Gesetzestechnik der in der Richtlinie geforderte Schutz durch § 20 Abs. 4 nö NSchG gewährleistet sei. Die zuständigen Behörden hätten nämlich einerseits richtlinienkonform zu handeln und andererseits die im Jagdrecht aufgestellten Verbote zu beachten. In der Praxis würden nur sehr restriktiv Ausnahmegenehmigungen erteilt, d. h. nur dann, wenn keine maßgebliche Gefährdung geschützter Arten wildwachsender Pflanzen und freilebender Tiere zu befürchten sei.
107 Durch § 20 Abs. 4 nö NSchG werde auch der Grundsatz der Rechtssicherheit gewahrt, da die zuständigen Behörden danach explizit die für Fang oder Tötung zugelassenen Mittel, Einrichtungen oder Methoden festzulegen hätten.
108 Schließlich könnten die Ausnahmen in § 21 Abs. 1 und 2 nö NSchG im Fall einer absichtlichen Beeinträchtigung geschützter Pflanzen, Tiere oder Lebensräume nie zur Anwendung kommen.
Würdigung durch den Gerichtshof
109 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Art. 12 bis 14 sowie Art. 15 Buchst. a und b der Richtlinie ein kohärentes System von Regelungen bilden, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, für die betroffenen Tier- und Pflanzenarten ein strenges Schutzsystem einzuführen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 112).
110 Auch stellt Art. 16 der Richtlinie, der die Kriterien, auf deren Grundlage die Mitgliedstaaten von den Verboten der Art. 12 bis 15 der Richtlinie abweichen dürfen, genau festlegt, eine Ausnahmebestimmung vom Schutzsystem der Richtlinie dar. Er ist deshalb restriktiv auszulegen (vgl. Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 111).
111 Ferner ist jede Maßnahme auf nationaler Ebene, durch die von den Verboten der Richtlinie abgewichen wird, nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie davon abhängig zu machen, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt.
112 Daher können nationale Bestimmungen, die Abweichungen von den Verboten der Art. 12 bis 14 und 15 Buchst. a und b der Richtlinie nicht von allen in Art. 16 der Richtlinie vorgesehenen Kriterien und Voraussetzungen, sondern nur unvollständig von Teilen davon abhängig machen, keine mit diesem Artikel übereinstimmende Regelung darstellen.
113 Wie in Randnr. 80 des vorliegenden Urteils ausgeführt, reicht zudem eine richtlinienkonforme Verwaltungspraxis für eine korrekte Umsetzung des Gemeinschaftsrechts nicht aus.
114 Was zunächst § 20 Abs. 4 nö NSchG angeht, so ist erstens festzustellen, dass er zwar vorsieht, dass Ausnahmen bewilligt werden können, wenn keine Gefährdung des Bestands wildwachsender Pflanzen und freilebender Tiere zu befürchten ist, doch werden solche Ausnahmen nicht für jenen Fall ausgeschlossen, dass die Populationen der betroffenen Arten sich nicht in einem günstigen Erhaltungszustand befinden.
115 Nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie ist aber der günstige Erhaltungszustand dieser Populationen in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet eine unabdingbare Voraussetzung für die Zulassung der in ihm vorgesehenen Ausnahmen.
116 Unter diesen Umständen ist die Mehrdeutigkeit, die den Wortlaut des § 20 Abs. 4 nö NSchG kennzeichnet, mit dem Erfordernis einer genauen und klaren Umsetzung des Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie unvereinbar (vgl. u. a. Urteil vom 23. März 1995, Kommission/Griechenland, C‑365/93, Slg. 1995, I‑499, Randnr. 9).
117 Zweitens ist zu den Ausnahmetatbeständen festzustellen, dass § 20 Abs. 4 nö NSchG beispielhaft Ausnahmen für wissenschaftliche oder Lehrzwecke nennt.
118 Zwar können solche Ausnahmen unter Art. 16 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie fallen, doch schließt die Formulierung der betreffenden Bestimmung des nationalen Rechts nicht aus, dass Ausnahmen aus anderen als den Gründen zugelassen werden, die in Art. 16 Abs. 1 Buchst. a bis d der Richtlinie, und zwar abschließend, aufgezählt sind.
119 Drittens werden in § 20 Abs. 4 nö NSchG auch nicht die in Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen für eine Ausnahme aufgegriffen, dass abweichende Maßnahmen nur unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß zulässig sind.
120 Zu § 21 nö NSchG genügt der Hinweis darauf, dass in Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie kein Ausnahmetatbestand für eine gewerbliche land- oder forstwirtschaftliche Nutzung vorgesehen ist.
121 Schließlich ist hinsichtlich des Vorbringens der österreichischen Regierung zu den jagdrechtlichen Bestimmungen festzustellen, dass die Anwendung des § 20 Abs. 4 nö NSchG außerhalb des Bereichs der Jagd zu einem Verstoß gegen die Art. 12 bis 15 der Richtlinie führen kann. Selbst wenn die zuständigen Behörden die nationalen Bestimmungen über den Naturschutz bei der Jagdausübung beachten, ist eine solche Regelung zudem nicht geeignet, einen mit der Gemeinschaftsbestimmung konformen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der die erlaubten Ausnahmetatbestände abschließend aufzählt. Denn § 95 nö JagdG enthält keine solche Auflistung von Ausnahmetatbeständen, sondern verbietet nur einige Jagdmethoden im Hinblick auf bestimmte Tierarten.
122 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die niederösterreichischen Rechtsvorschriften nicht mit Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie vereinbar sind.
123 Der Klage der Kommission ist also in diesem Punkt begründet.
– Rüge hinsichtlich der Salzburger Rechtsvorschriften
Vorbringen der Parteien
124 Die Kommission trägt vor, dass in § 34 sbg NSchG und in § 104 Abs. 4 sbg JagdG das in Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie aufgestellte Kriterium „Verweilen in einem günstigen Erhaltungszustand“ fehle. Außerdem ließen sich die Ausnahmetatbestände des § 34 Abs. 1 Z 2 und 9 sbg NSchG zur Getränkeerzeugung und Anlagenerrichtung unter keinen der Tatbestände des Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie subsumieren.
125 Die österreichische Regierung ist der Auffassung, da in Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie die Möglichkeit vorgesehen sei, von den Verboten der Richtlinie abzuweichen, widerspräche eine Verpflichtung zur Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands im Rahmen einer Bestimmung zur Erteilung von Ausnahmebewilligungen der Logik des so geschaffenen Schutzsystems. Im Übrigen sei § 34 Abs. 3 sbg NSchG strenger als Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie, da jede abweichende Maßnahme Verschlechterungen für die Populationen von Pflanzen- und Tierarten vermeiden müsse, die im betreffenden Gebiet vorkämen.
Würdigung durch den Gerichtshof
126 Der Ausdruck „Verweilen in einem günstigen Erhaltungszustand“ in Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie bezieht sich auf eine Situation, die in Art. 1 Buchst. i der Richtlinie definiert ist und die durch allgemeine Kriterien im ersten Absatz von Buchst. i sowie durch einige kumulative Kriterien gekennzeichnet ist. Wie sich aus Randnr. 59 des vorliegenden Urteils ergibt, obliegt es den Mitgliedstaaten, diese Begriffe mit ausreichender rechtlicher Genauigkeit in ihr innerstaatliches Recht umzusetzen.
127 § 104 Abs. 4 sbg JagdG sieht hingegen vor, dass Ausnahmebewilligungen erteilt werden können, „wenn dadurch der Bestand der betroffenen Wildart nicht gefährdet wird“. Diese Bestimmung weicht von dem Schutzregime der Richtlinie ab, da sie Ausnahmen von den grundsätzlichen Verboten zulässt, ohne sie davon abhängig zu machen, dass die Populationen der betroffenen Arten in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen.
128 Was § 34 Abs. 1 sbg NSchG angeht, so finden die Rechtfertigungen der Getränkeerzeugung und der Anlagenerrichtung in keinem der in Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie abschließend aufgeführten Tatbestände eine Entsprechung.
129 Die geltend gemachte Vertragsverletzung ist also als erwiesen anzusehen.
Verstoß gegen Art. 22 Buchst. b der Richtlinie in Niederösterreich
– Vorbringen der Parteien
130 Nach Ansicht der Kommission macht § 17 Abs. 5 nö NSchG die Bewilligung der Ansiedlung nicht heimischer Arten von einem Kriterium abhängig, das nicht in der Richtlinie vorgesehen sei, nämlich davon, dass eine eventuelle Beeinträchtigung nicht „nachhaltig“ sein dürfe. Im Übrigen untersage die Bestimmung nicht jede Beeinträchtigung der natürlichen Lebensräume in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet sowie der einheimischen wildlebenden Tier- und Pflanzenarten durch die absichtliche Ansiedlung nicht einheimischer Arten.
131 Die österreichische Regierung trägt vor, dass bei richtlinienkonformer Auslegung des § 17 Abs. 5 nö NSchG die Bewilligung der Ansiedlung einer nicht einheimischen oder nicht standortgerechten Art in der Natur immer verweigert werde, wenn dies die einheimische Tier- und Pflanzenwelt schädige.
– Würdigung durch den Gerichtshof
132 § 17 Abs. 5 nö NSchG erlaubt die absichtliche Ansiedlung nicht einheimischer Tier- und Pflanzenarten unter der Voraussetzung, dass die natürlichen Lebensräume sowie die einheimischen wildlebenden Tier- und Pflanzenarten nicht nachhaltig beeinträchtigt werden.
133 Eine solche Regelung stellt keine korrekte Umsetzung des Schutzsystems der Richtlinie dar. Dieses System verlangt nämlich, dass jede abweichende Maßnahme den in Art. 22 Buchst. b der Richtlinie aufgestellten Bedingungen entspricht, insbesondere derjenigen, dass eine Bewilligung nur erteilt werden darf, wenn die natürlichen Lebensräume nicht geschädigt werden.
134 Die Formulierung „[nicht] geschädigt werden“ ist ein eindeutiges Schutzerfordernis, das über das in § 17 Abs. 5 nö NSchG normierte hinausgeht.
135 Die behauptete Vertragsverletzung ist daher als erwiesen anzusehen.
136 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 1, Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 12 und 13 sowie Art. 16 Abs. 1 und Art. 22 Buchst. b der Richtlinie verstoßen hat.
Kosten
137 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Republik Österreich mit ihrem Vorbringen zu den noch im Streit befindlichen Punkten im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
138 Zu den in der Klageschrift vorgetragenen Vertragsverletzungsgründen, hinsichtlich deren die Kommission die Klage in einem späteren Verfahrensstadium zurückgenommen hat, ist festzustellen, dass das Fallenlassen dieser Rügen auf die Änderungen der fraglichen nationalen Rechtsinstrumente hin erfolgt ist. Die Rücknahme ist daher der Beklagten zuzurechnen, da die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts nur mit Verspätung an die Erfordernisse des Gemeinschaftsrechts angepasst worden sind. Somit ist die Republik Österreich nach Art. 69 § 5 der Verfahrensordnung zur Tragung sämtlicher Kosten des vorliegenden Verfahrens zu verurteilen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Republik Österreich hat gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 1 Buchst. e, g und i, Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 12 und 13 sowie Art. 16 Abs. 1 und Art. 22 Buchst. b der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen verstoßen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Republik Österreich trägt die Kosten.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Deutsch.