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Leitsätze

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1. Vertragsverletzungsverfahren – Prüfung der Begründetheit durch den Gerichtshof – Maßgebende Lage – Lage bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist

(Artikel 226 Absatz 2 EG)

2. Vertragsverletzungsverfahren – Streitgegenstand – Bestimmung während des Vorverfahrens

(Artikel 226 EG)

3. Vertragsverletzungsverfahren – Nachweis der Vertragsverletzung – Obliegenheit der Kommission

(Artikel 226 EG; Richtlinie 92/43 des Rates)

4. Umwelt – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen – Richtlinie 92/43

(Richtlinie 92/43 des Rates, Artikel 12 Absatz 1)

Leitsätze

1. Bereits aus dem Wortlaut von Artikel 226 Absatz 2 EG ergibt sich, dass die Kommission den Gerichtshof nur dann mit einer Vertragsverletzungsklage befassen kann, wenn der betreffende Mitgliedstaat der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht innerhalb der ihm von der Kommission hierzu gesetzten Frist nachgekommen ist.

Außerdem ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war.

(vgl. Randnrn. 22-23)

2. Im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens soll das Vorverfahren dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit geben, sowohl seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen als auch seine Verteidigungsmittel gegenüber den Rügen der Kommission wirkungsvoll geltend zu machen.

Die Kommission ist befugt, in ihrer Vertragsverletzungsklage den Streitgegenstand zu beschränken. Auch wenn nämlich das Mahnschreiben den Gegenstand des Rechtsstreits eingrenzen soll und die Kommission in der mit Gründen versehenen Stellungnahme die Rügen genau bezeichnen muss, die sie bereits allgemeiner im Mahnschreiben geltend gemacht hat, schließt dies aber im gerichtlichen Verfahren weder eine Beschränkung des Streitgegenstands noch eine Erstreckung auf spätere Maßnahmen aus, die den im Mahnschreiben beanstandeten Maßnahmen im Wesentlichen entsprechen.

(vgl. Randnrn. 33, 36-37)

3. Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens obliegt es gemäß Artikel 226 EG der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen, ohne dass sie sich hierfür auf Vermutungen gleich welcher Art stützen könnte.

Dementsprechend obliegt es der Kommission im Rahmen eines Verstoßes gegen die Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen, das Vorkommen der geschützten Tierart im fraglichen Jagdrevier nachzuweisen und nicht lediglich Angaben zu machen, die allenfalls die Möglichkeit eines solchen Vorkommens belegen.

(vgl. Randnrn. 59, 63)

4. Ein Mitgliedstaat verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben b und d der Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen, wenn er nicht alle konkreten Maßnahmen ergreift, die erforderlich sind, um die absichtliche Störung der betreffenden Tierart während der Fortpflanzungszeit sowie die Beschädigung oder Vernichtung ihrer Fortpflanzungsstätten zu verhindern.

Das Tatbestandsmerkmal der Absichtlichkeit in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 92/43 ist verwirklicht, wenn nachgewiesen ist, dass der Handelnde den Fang oder die Tötung eines Exemplars einer geschützten Tierart gewollt oder zumindest in Kauf genommen hat.

Ein Mitgliedstaat verstößt daher nicht gegen die fraglichen Verpflichtungen, wenn er die Jagd auf eine andere Tierart zulässt als die durch die Richtlinie geschützten Arten.

(vgl. Randnrn. 70-72)