Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

Parlament – Wahlen – Aktives und passives Wahlrecht – Berechtigte

(Artikel 17 EG, 19 EG, 189 EG und 190 EG)

Leitsätze

Beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts sind die einzelnen Mitgliedstaaten dafür zuständig, unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts die Personen zu bestimmen, die das aktive und passive Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament haben. Es verstößt nicht gegen die Artikel 189 EG, 190 EG, 17 EG und 19 EG, wenn die Mitgliedstaaten dieses aktive und passive Wahlrecht bestimmten Personen zuerkennen, die enge Verbindungen mit ihnen aufweisen, ohne eigene Staatsangehörige oder in ihrem Hoheitsgebiet ansässige Unionsbürger zu sein.

Weder in den Artikeln 189 EG und 190 EG noch im Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments ist nämlich ausdrücklich und genau angegeben, wer das aktive und passive Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament hat. Was die Artikel 17 EG und 19 EG über die Unionsbürgerschaft betrifft, so behandelt nur Artikel 19 EG in Absatz 2 eigens das aktive Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament. Dieser Artikel beschränkt sich jedoch darauf, das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit auf die Ausübung dieses Rechts anzuwenden.

Was ferner das Vorliegen einer eventuellen Verbindung zwischen der Unionsbürgerschaft und dem aktiven und passiven Wahlrecht betrifft, aufgrund deren dieses Recht nur Unionsbürgern gewährt werden könnte, so lassen sich aus den Artikeln 189 EG und 190 EG über das Europäische Parlament, wonach das Europäische Parlament aus Vertretern der Völker der Mitgliedstaaten besteht, insoweit keine eindeutigen Schlussfolgerungen ziehen. Der Begriff „Volk“, der nicht definiert wird, kann in den verschiedenen Mitgliedstaaten und Sprachen der Union nämlich unterschiedliche Bedeutungen haben. Aus den Vorschriften des Vertrages über die Unionsbürgerschaft lässt sich kein Grundsatz ableiten, wonach alle anderen Vorschriften des Vertrages ausschließlich für Unionsbürger Geltung hätten, so dass auch die Artikel 189 EG und 190 EG nur auf diese anwendbar wären. Denn Artikel 17 Absatz 2 EG sieht zwar vor, dass die Unionsbürger die im Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten haben, der Vertrag verleiht jedoch auch Rechte, die nicht an die Unionsbürgerschaft, ja nicht einmal an die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats gebunden sind. Artikel 19 Absatz 2 EG impliziert zwar, dass Staatsangehörige eines Mitgliedstaats in ihrem eigenen Land das aktive und passive Wahlrecht haben, und verlangt von den Mitgliedstaaten, diese Rechte auch in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Unionsbürgern zu gewähren, daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass ein Mitgliedstaat nicht das aktive und passive Wahlrecht bestimmten Personen zuerkennen könnte, die eine enge Verbindung mit ihm aufweisen, ohne jedoch Staatsangehörige dieses Staates oder eines anderen Mitgliedstaats zu sein.

Da im Übrigen die Zahl der in den einzelnen Mitgliedstaaten gewählten Vertreter in Artikel 190 Absatz 2 EG festgelegt ist und die Wahlen zum Europäischen Parlament beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts in jedem Mitgliedstaat für die in diesem Staat gewählten Vertreter durchgeführt werden, wirkt sich eine von einem Mitgliedstaat vorgenommene Ausweitung des Wahlrechts bei diesen Wahlen auf andere Personen als seine eigenen Staatsangehörigen oder in seinem Hoheitsgebiet ansässige Unionsbürger nur auf die Wahl der in diesem Mitgliedstaat gewählten Vertreter aus, nicht jedoch auf die Wahl oder die Zahl der in den anderen Mitgliedstaaten gewählten Vertreter.

Das Vereinigte Königreich hat daher durch den Erlass eines Gesetzes, das für Gibraltar bestimmt, dass Staatsangehörige des Commonwealth mit Wohnsitz in Gibraltar, die keine Gemeinschaftsangehörigen sind, das aktive und passive Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament haben, nicht gegen die Artikel 189 EG, 190 EG, 17 EG und 19 EG verstoßen.

(vgl. Randnrn. 65-66, 70-73, 76-78, 80)