SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE Kokott

vom 8. September 2005(1)

Rechtssache C-293/04

Beemsterboer Coldstore Services BV

(Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof Amsterdam, Niederlande)

„Zollkodex der Gemeinschaften – Nachträgliche buchmäßige Erfassung zu erhebender Abgabenbeträge – Rückwirkende Anwendung der Neufassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex – Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 – Präferenzbehandlung für Erzeugnisse aus Drittstaaten gemäß einem Freihandelsabkommen – Einfuhr von Butter ungeklärten Ursprungs – Beweislast bei Nichtaufbewahrung zweckdienlicher Unterlagen“





I –    Einleitung

1.     Das vorliegende Vorabentscheidungsverfahren beschäftigt sich mit Fragen des Zollrechts, die sich im Hinblick auf einen im Jahr 1997 erfolgten Import von Butter ungeklärten Ursprungs in das Zollgebiet der Gemeinschaft stellen. Dabei geht es im Kern um die Frage, ob die Neufassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex der Gemeinschaften(2), wie sie sich aus der Verordnung Nr. 2700/2000 ergibt(3), rückwirkend Anwendung finden kann und wie diese Vorschrift auszulegen ist(4). Jene Bestimmung legt im Einzelnen fest, unter welchen Umständen gutgläubige Zollschuldner von der Nacherhebung gesetzlich geschuldeter Einfuhrzölle verschont bleiben, wenn den Zollbehörden ein Irrtum im Hinblick auf den Präferenzstatus einer aus einem Drittland eingeführten Ware unterlaufen ist.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Der Zollkodex der Gemeinschaften

2.     Der gemeinschaftsrechtliche Rahmen des vorliegenden Falles wird durch die Vorschriften des Zollkodex über die buchmäßige Erfassung des Zollschuldbetrags und die Mitteilung an den Zollschuldner bestimmt (Artikel 217 ff. des Zollkodex).

3.     Artikel 220 des Zollkodex lautete in seiner ursprünglichen, ab dem 1. Januar 1994 geltenden Fassung auszugsweise wie folgt:

„(1)      Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Artikeln 218 und 219 buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrags oder des nachzuerhebenden Restbetrags innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung). Diese Frist kann nach Artikel 219 verlängert werden.

(2)      Außer in den Fällen gemäß Artikel 217 Absatz 1 Unterabsätze 2 und 3 erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn

b)      der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat“.

4.     Durch die Verordnung Nr. 2700/2000, die am 19. Dezember 2000 in Kraft getreten ist, hat Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b folgende Fassung erhalten (im Folgenden auch: Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex)(5):

„(2)      Außer in den Fällen gemäß Artikel 217 Absatz 1 Unterabsätze 2 und 3 erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn

b)      der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.

Wird der Präferenzstatus einer Ware im Rahmen eines Systems der administrativen Zusammenarbeit unter Beteiligung der Behörden eines Drittlands ermittelt, so gilt die Ausstellung einer Bescheinigung durch diese Behörden, falls sich diese Bescheinigung als unrichtig erweist, als ein Irrtum, der im Sinne des Unterabsatzes 1 vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte.

Die Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung stellt jedoch keinen Irrtum dar, wenn die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht, außer insbesondere dann, wenn offensichtlich ist, dass die ausstellenden Behörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten.

Der Abgabenschuldner kann Gutgläubigkeit geltend machen, wenn er darlegen kann, dass er sich während der Zeit des betreffenden Handelsgeschäfts mit gebotener Sorgfalt vergewissert hat, dass alle Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung erfüllt worden sind.

Der Abgabenschuldner kann Gutgläubigkeit jedoch nicht geltend machen, wenn die Kommission in einer Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften darauf hingewiesen hat, dass begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Anwendung der Präferenzregelung durch das begünstigte Land bestehen;“

B –    Das Freihandelsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Republik Estland

5.     Dem am 18. Juli 1994 in Brüssel unterzeichneten Freihandelsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Republik Estland(6) ist ein Protokoll Nr. 3 über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in“ oder „Ursprungserzeugnisse“ und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen beigefügt, das mit Wirkung vom 1. April 1997 neu gefasst wurde(7) (im Folgenden: Protokoll Nr. 3).

6.     Damit Ursprungserzeugnisse Estlands bei der Einfuhr in die Gemeinschaft die Begünstigungen des Freihandelsabkommens erhalten, muss im Normalfall gemäß Artikel 16 des Protokolls Nr. 3 eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 nach dem Muster in Anhang III vorgelegt werden.

7.     Artikel 17 des Protokolls Nr. 3, der mit „Verfahren für die Ausstellung von Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1“ überschrieben ist, enthält folgenden Absatz 3:

„Der Ausführer, der die Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 beantragt, hat auf Verlangen der Zollbehörden des Ausfuhrlandes, in dem die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 ausgestellt wird, jederzeit alle zweckdienlichen Unterlagen zum Nachweis der Ursprungseigenschaft der betreffenden Erzeugnisse sowie der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen dieses Protokolls vorzulegen.“

8.     Gemäß Artikel 28 Absätze 1 und 3 desselben Protokolls gilt:

„(1)      Ein Ausführer, der die Ausstellung einer Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 beantragt, hat die in Artikel 17 Absatz 3 genannten Belege mindestens drei Jahre lang aufzubewahren.

(3)      Die Zollbehörden des Ausfuhrlandes, die eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 ausstellen, haben das … Antragsformular mindestens drei Jahre lang aufzubewahren.“

9.     In Artikel 32 Absätze 1 und 3 des Protokolls Nr. 3, welche unter der Überschrift „Prüfung der Ursprungsnachweise“ stehen, ist Folgendes vorgesehen:

„(1)      Eine nachträgliche Prüfung der Ursprungsnachweise erfolgt stichprobenweise oder immer dann, wenn die Zollbehörden des Einfuhrlandes begründete Zweifel an der Echtheit des Papiers, der Ursprungseigenschaft der betreffenden Erzeugnisse oder der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen dieses Protokolls haben.

(3)      Die Prüfung wird von den Zollbehörden des Ausfuhrlandes durchgeführt. Diese sind berechtigt, zu diesem Zweck die Vorlage von Beweismitteln zu verlangen und jede Art von Überprüfung der Buchführung des Ausführers oder sonstige von ihnen für zweckdienlich erachtete Kontrollen durchzuführen.“

10.   In Artikel 31 Absatz 2 des Protokolls Nr. 3 ist ferner vorgesehen, dass die Gemeinschaft und Estland einander durch ihre Zollverwaltungen Amtshilfe bei der Prüfung der Echtheit der Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 und der Erklärungen auf der Rechnung sowie der Richtigkeit der in diesen Nachweisen enthaltenen Angaben leisten.

III – Sachverhalt und Ausgangsverfahren

11.   Im Jahr 1997, also vor dem Beitritt der Republik Estland zur Europäischen Union, wurde aus Estland Butter in die Gemeinschaft verbracht und dort zu einem Präferenzzolltarif eingeführt. Grundlage für diese Präferenzbehandlung war das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Estland.

12.   Die niederländische Firma Beemsterboer Coldstore Services BV (im Folgenden: Beemsterboer), eine Zollspedition, „verzollte“ diese Butter und reichte dazu bei den zuständigen niederländischen Behörden im Auftrag der Firma Hoogwegt International BV (im Folgenden: Hoogwegt) mehrere Anmeldungen zur Überführung der Ware in den zollrechtlich freien Verkehr ein.

13.   In den Zollanmeldungen wurde stets Estland als Ursprungsland der Butter angegeben. Als Beleg für den Ursprung der Butter waren den Anmeldungen jeweils Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 beigefügt, welche die estnischen Zollbehörden auf Antrag der Exporteurin, der estnischen Firma AS Lacto Ltd (im Folgenden: Lacto) ausgestellt hatten.

14.   Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts haben Vertreter der Firma Hoogwegt vor Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mehrmals die Firma Lacto besucht, um die Zuverlässigkeit des Unternehmens zu prüfen. Außerdem hat sich Hoogwegt in den Verträgen, die sie mit Lacto schloss, ausbedungen, dass die zu exportierende Butter jeweils mit den Unterlagen befördert wird, aus denen sich ihr estnischer Ursprung ergibt, dass ihr eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 beiliegen muss und dass der estnische Ursprung der Butter auf ihrer Verpackung deutlich zum Ausdruck kommen muss.

15.   Nachdem sich jedoch Anzeichen für einen Karussellbetrug(8) mit Butter zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Estland ergeben hatten, kam es im März 2000 zum Kontrollbesuch einer Gemeinschaftsdelegation in Estland, der in Zusammenarbeit mit den dortigen Zollbehörden stattfand. Bei diesem Besuch wurde u. a. die Firma Lacto einer Überprüfung unterzogen. Gegenstand der Überprüfung war auch die Richtigkeit der von der Klägerin eingereichten Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1.

16.   Anlässlich dieses Kontrollbesuchs konnte die Firma Lacto den estnischen Ursprung der in die Gemeinschaft exportierten Butter nicht mehr nachweisen, insbesondere hatte sie die Originalunterlagen nicht aufbewahrt, welche den Ursprung der Butter hätten belegen können. Gleichzeitig stellte sich heraus, dass die estnischen Zollbehörden die Firma Lacto zuvor niemals einer echten Prüfung unterzogen hatten, sondern lediglich von Zeit zu Zeit im Zusammenhang mit der Ausstellung von Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 um die Vorlage allgemeiner Unterlagen ersucht hatten, beispielsweise Verträge über die Beschaffung von Milch und entsprechendes Zahlenmaterial.

17.   Mit Bescheid vom 14. Juli 2000 erklärte die Zollinspektion Tallinn (Estland) die Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 für ungültig und zog sie ein. Auf Einspruch von Lacto erklärte allerdings der Estonian Customs Board diese Verwaltungsentscheidung am 11. September 2000 aus formellen Gründen für nichtig(9).

18.   In der Folge erhoben die niederländischen Zollbehörden von der Firma Beemsterboer insgesamt 1 697 095,50 NLG (770 107,36 Euro) an Zöllen nach. Dagegen hat diese zunächst erfolglos Einspruch eingelegt und nunmehr vor dem Gerechtshof Amsterdam (im Folgenden auch: das vorlegende Gericht bzw. das nationale Gericht) Klage erhoben.

IV – Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

19.   Mit Urteil vom 14. Juni 2004 hat der Gerechtshof Amsterdam, Kammer für Zollsachen, sein Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1)      Kann Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex in einem Fall Anwendung finden, in dem die Entstehung der Zollschuld und die Nacherhebung vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung stattgefunden haben?

2)      Wenn Frage 1 bejaht wird: Ist eine EUR.1-Bescheinigung, von der nicht festgestellt werden kann, dass sie tatsächlich unrichtig ist, weil der Ursprung der Waren, für die die Bescheinigung ausgestellt worden ist, bei einer nachträglichen Prüfung nicht bestätigt werden konnte, während den Waren allein deshalb die Präferenzbehandlung vorenthalten wird, eine „unrichtige Bescheinigung“ im Sinne von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex, und wenn dies nicht der Fall ist, kann sich ein Betroffener dann doch mit Erfolg auf diese Bestimmung berufen?

3)      Wenn Frage 2 bejaht wird: Wer trägt die Beweislast dafür, dass die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht, oder wer muss nachweisen, dass die ausstellenden Behörden offensichtlich wussten oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten?

4)      Wenn Frage 1 verneint wird: Kann sich ein Betroffener mit Erfolg auf Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex in der bis zum 19. Dezember 2000 geltenden Fassung in einem Fall berufen, in dem nachträglich nicht festgestellt werden kann, dass die Zollbehörden eine EUR.1-Bescheinigung zum Zeitpunkt der Ausstellung aus guten Gründen und zu Recht ausgestellt haben?

20.   Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben Beemsterboer und Hoogwegt gemeinsam schriftlich Stellung genommen. Außerdem haben die niederländische Regierung, die italienische Regierung und die Kommission jeweils schriftliche Erklärungen abgegeben.

V –    Würdigung

A –    Zur ersten Vorlagefrage: Rückwirkende Anwendung der Neufassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex

21.   Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Neufassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex auch auf Zollschulden Anwendung finden kann, die vor ihrem Inkrafttreten entstanden und nacherhoben worden sind. Anders ausgedrückt, begehrt das vorlegende Gericht Auskunft zur Frage einer möglichen Rückwirkung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex.

22.   Die Verordnung Nr. 2700/2000, mit der die neue Fassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b mit Wirkung vom 19. Dezember 2000 in den Zollkodex eingefügt wurde, sieht keine Übergangsbestimmungen vor. Deshalb ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob diese Neufassung rückwirkend Anwendung finden kann. Das hängt nach ständiger Rechtsprechung maßgeblich davon ab, ob es sich bei der Bestimmung um eine Verfahrensvorschrift oder aber um eine materiell-rechtliche Vorschrift handelt. So sind Verfahrensvorschriften im Allgemeinen auf alle bei ihrem Inkrafttreten anhängigen Streitigkeiten anwendbar, während materiell-rechtliche Vorschriften gewöhnlich so ausgelegt werden, dass sie nicht für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte gelten(10).

23.   In der Vorläuferregelung zu den Artikeln 217 bis 221 des Zollkodex, d. h. in der Verordnung Nr. 1697/79(11), galten verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Elemente als untrennbar miteinander verbunden. Sie bildeten nach Ansicht des Gerichtshofes ein einheitliches Ganzes und konnten hinsichtlich ihrer zeitlichen Geltung nicht isoliert betrachtet werden(12). Ob nun die Artikel 217 bis 221 des Zollkodex ihrerseits ein solches einheitliches Ganzes bilden oder aber jede dieser Vorschriften einer isolierten Betrachtung zugänglich ist(13), kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn jedenfalls die hier konkret relevante Vorschrift, Artikel 220 des Zollkodex, ist durch ein Nebeneinander verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Elemente gekennzeichnet.

24.   Zwar lassen Wortlaut und Regelungsgehalt auf den ersten Blick einen verfahrensrechtlichen Schwerpunkt dieser Bestimmung vermuten; so handelt Artikel 220 des Zollkodex von „buchmäßiger Erfassung“, sieht eine Frist vor und enthält hinsichtlich des Umfangs der Zollschuld keine eigenständigen Regelungen, sondern verweist auf den „gesetzlich geschuldeten Betrag“. Bedenkt man jedoch, dass diese Vorschrift, auch in ihrer neuen Fassung, einen Ausgleich sucht zwischen dem Haushaltsinteresse der öffentlichen Hand einerseits und dem berechtigten Vertrauen der Zollschuldner andererseits, so wird klar, dass sie jedenfalls auch einen materiell-rechtlichen Gehalt hat: Artikel 220 des Zollkodex dient letztlich der Klärung der Frage, ob ein Zollschuldner einen gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag noch zu bezahlen (nachzuentrichten) hat oder nicht.

25.   Da es sich also um keine reine Verfahrensvorschrift handelt, wäre auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens, bei dem vor dem 19. Dezember 2000 die Zollschuld entstanden ist und eine Nacherhebung stattfand, grundsätzlich Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex in seiner ursprünglichen Fassung anwendbar, nicht in seiner neuen Fassung(14).

26.   Allerdings können auch Vorschriften mit materiell-rechtlichem Gehalt nach ständiger Rechtsprechung ausnahmsweise so ausgelegt werden, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte gelten, und zwar, „soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist“(15). Entscheidend ist dabei, dass den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, auf denen das Verbot rückwirkender Anwendung materiell-rechtlicher Vorschriften letztlich beruht(16), kein Abbruch getan wird. Die rückwirkende Anwendung von Vorschriften des materiellen Gemeinschaftsrechts ist nämlich nur zulässig, „wenn das angestrebte Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist“(17).

27.   Sowohl dem Grundsatz der Rechtssicherheit als auch dem Grundsatz des Vertrauensschutzes ist im vorliegenden Fall Genüge getan. Weder der eine noch der andere Grundsatz stehen einer rückwirkenden Anwendung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex entgegen.

28.   Der Grundsatz der Rechtssicherheit stellt ein grundlegendes Prinzip des Gemeinschaftsrechts dar, das insbesondere Rechtsklarheit verlangt, d. h., eine Regelung muss klar und deutlich abgefasst sein, damit der Abgabenpflichtige seine Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und somit seine Vorkehrungen treffen kann(18).

29.   Ziel der Neufassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex war im Kern genau dies: die Schaffung von mehr Rechtsklarheit durch eine Kodifizierung und Präzisierung der bisherigen Rechtslage auf dem Gebiet der Nacherhebung von Zöllen. Mit ihr war, wie die Kommission zutreffend ausführt, keine Änderung, sondern nur eine Klarstellung für den besonderen Fall der Präferenzbehandlung von Waren aus Drittländern beabsichtigt. Dabei hat es der Gemeinschaftsgesetzgeber für erforderlich gehalten, die in dieser Vorschrift bereits enthaltenen Begriffe „Irrtum der Zollbehörden“ und „Gutgläubigkeit des Abgabenschuldners“ näher zu definieren(19).

30.   Inhaltlich ergab hingegen bereits die Auslegung von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79, der Vorläuferin von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex, wesentliche Elemente dessen, was nunmehr durch die Neufassung dieser Vorschrift auch ausdrücklich im Verordnungstext niedergelegt ist. So galt beispielsweise schon damals, dass die Ausstellung einer unrichtigen Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 keinen Irrtum darstellt, wenn diese Bescheinigung auf unrichtigen Angaben des Ausführers beruht, es sei denn, die ausstellenden Behörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die betreffenden Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten(20). Die Neufassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex diente also nicht einer Änderung der Rechtslage, sondern der Schaffung von Rechtsklarheit und stand damit im Dienste der Rechtssicherheit.

31.   Der Grundsatz des Vertrauensschutzes zählt ebenfalls zu den tragenden Grundsätzen der Gemeinschaft. Nach ständiger Rechtsprechung steht die Möglichkeit, sich auf Vertrauensschutz zu berufen, jedem Wirtschaftsteilnehmer offen, bei dem ein Gemeinschaftsorgan begründete Erwartungen geweckt hat(21).

32.   Mit der Neufassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex wird der Vertrauensschutz der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf Irrtümer der Zollbehörden im Zusammenhang mit dem Präferenzstatus von Waren aus Drittländern nicht geschwächt, sondern allenfalls gestärkt. Denn schon bisher beschäftigte sich die Vorschrift für den Fall des Irrtums der Zollbehörden mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen gesetzlich geschuldete Abgaben aus Gründen des Vertrauensschutzes von einem gutgläubigen Zollschuldner nicht mehr nacherhoben werden dürfen(22), und zu den Irrtümern im Sinne dieser Vorschrift gehörte auch nach ihrer ursprünglichen Fassung die Ausstellung unrichtiger Bescheinigungen im Zusammenhang mit dem Präferenzstatus von Waren aus Drittländern. Die Neufassung der Bestimmung dient, wie bereits ausgeführt, lediglich der Kodifizierung und Präzisierung der bisherigen Rechtslage für genau diesen Spezialfall.

33.   Da die bisherige Rechtslage durch die Neufassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex im Wesentlichen klargestellt, nicht aber grundlegend geändert wird, entsteht mit der rückwirkenden Anwendung der Neufassung auch nicht die Gefahr einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Wirtschaftsteilnehmern(23), je nachdem, ob die zuständige Behörde gesetzlich geschuldete Abgaben aus der Zeit vor dem 19. Dezember 2000 vor oder nach dem Inkrafttreten der Neufassung nacherhoben hat.

34.   Weder die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes noch der Gleichheitsgrundsatz stehen somit einer rückwirkenden Anwendung der Neufassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex entgegen.

35.   Vor diesem Hintergrund komme ich insgesamt zu dem Schluss, dass Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex auch auf Zollschulden Anwendung findet, die vor seinem Inkrafttreten entstanden und nacherhoben worden sind.

B –    Zur zweiten Vorlagefrage: Behandlung von nicht nachweislich unrichtigen Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1

 Zum ersten Teil der zweiten Frage: Begriff der „unrichtigen Bescheinigung“

36.   Mit dem ersten Teil seiner zweiten Frage begehrt das vorlegende Gericht Auskunft über die Auslegung des Begriffs der „unrichtigen Bescheinigung“ im Sinne von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex. Im Wesentlichen möchte es wissen, ob eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 immer schon dann als unrichtige Bescheinigung zu behandeln ist, wenn der in ihr vermerkte Warenursprung bei einer nachträglichen Prüfung nicht bestätigt werden konnte.

37.   Hintergrund dieses Teils der Frage ist, dass sich im vorliegenden Fall nach dem vom nationalen Gericht geschilderten Sachverhalt nicht mehr eindeutig feststellen lässt, ob die streitigen Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 richtig oder unrichtig waren. Es gebe zwar keine eindeutigen Beweise für die Unrichtigkeit dieser Bescheinigungen, andererseits lasse sich aber auch deren Richtigkeit mangels Aufbewahrung der hierzu erforderlichen Unterlagen durch die exportierende Firma Lacto nicht mehr bestätigen.

38.   Gemäß Artikel 16 des Protokolls Nr. 3 zum Freihandelsabkommen wird der Nachweis, dass aus Estland in die Gemeinschaft eingeführte Erzeugnisse die estnische Ursprungseigenschaft im Sinne dieses Protokolls besitzen, durch eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 erbracht. Eine derartige Bescheinigung stellt also eine Beweisurkunde für den Ursprung eingeführter Ware dar(24) und dient der Vorlage bei den zuständigen Zollbehörden im Hinblick auf die Gewährung einer zollrechtlichen Präferenzbehandlung.

39.   Allerdings kann die Richtigkeit der in einer Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 bescheinigten Ursprungsangabe – wie im vorliegenden Fall geschehen – durch nachträgliche Kontrollen, einschließlich Ermittlungsmissionen der Gemeinschaft, überprüft werden(25). Zu den Folgen einer solchen Überprüfung führt der Gerichtshof im Urteil Faroe Seafood aus:

„Lässt sich bei einer solchen Überprüfung keine Bestätigung für die in der Bescheinigung EUR.1 enthaltene Angabe über den Warenursprung finden, so ist daraus … zu schließen, dass die Ware unbekannten Ursprungs ist und dass die Bescheinigung demnach zu Unrecht ausgestellt und der Vorzugstarif zu Unrecht gewährt worden ist. In diesem Fall müssen die Zollbehörden des einführenden Mitgliedstaats die beim Import nicht erhobenen Einfuhrabgaben grundsätzlich nachfordern.“(26)

40.   Die Beweiskraft einer Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 kann folglich im Nachhinein durch eine nachträgliche Überprüfung erschüttert werden(27). Führen solche nachträglichen Kontrollen zu der Schlussfolgerung, dass die fragliche Ware unbekannten Ursprungs ist, so hat dies unausweichlich auch zur Folge, dass die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 sich im Nachhinein als unrichtig erweist, war doch in ihr noch ein konkretes Land als Warenursprung vermerkt. Anders ausgedrückt, die Unbekanntheit des Warenursprungs und die Unrichtigkeit der Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 sind nichts anderes als zwei Seiten derselben Medaille.

41.   Sähe man die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 in einem Fall wie dem vorliegenden weiterhin als richtig an, so hätte dies zur Folge, dass sie weiterhin als Ursprungsnachweis für das betreffende Erzeugnis benutzt werden könnte und auf dieses Erzeugnis weiterhin die Präferenzregelung Anwendung finden müsste, obwohl doch eine nachträgliche Überprüfung zu dem Schluss geführt hatte, dass es sich um eine Ware unbekannten Ursprungs handelt. Die zuständigen Behörden müssten dann also möglicherweise sehenden Auges für ein Erzeugnis weiterhin die Präferenzbehandlung gewähren, obwohl dieses Erzeugnis hierfür nicht die Voraussetzungen erfüllt. Auch Unregelmäßigkeiten und Betrugsfällen bei der Einfuhr würde auf diese Weise Vorschub geleistet.

42.   Auf den ersten Teil der zweiten Frage ist deshalb wie folgt zu antworten:

Kann der Ursprung der in einer Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 bezeichneten Waren im Nachhinein nicht sicher festgestellt werden, so liegt eine unrichtige Bescheinigung im Sinne von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b Unterabsatz 2 des Zollkodex in der Fassung der Verordnung Nr. 2700/2000 vor.

 Zum zweiten Teil der zweiten Frage: Anwendbarkeit von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex bei Fehlen einer „unrichtigen Bescheinigung“

43.   Mit dem zweiten Teil seiner zweiten Frage begehrt das vorlegende Gericht Auskunft darüber, ob eine Berufung auf Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex auch dann möglich ist, wenn keine „unrichtige Bescheinigung“ im Sinne des zweiten Unterabsatzes dieser Vorschrift vorliegt.

44.   Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens liegt, wie soeben ausgeführt, eine unrichtige Bescheinigung vor. Damit erübrigt sich eine Antwort auf den zweiten Teil der zweiten Frage.

C –    Zur dritten Vorlagefrage: Beweislastverteilung

45.   Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, wer die Beweislast dafür trägt, dass eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht, und wer nachweisen muss, dass die ausstellenden Behörden offensichtlich wussten oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten. Damit bezieht sich das vorlegende Gericht auf die Beweislast für die Voraussetzungen des dritten Unterabsatzes von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex.

 Zum ersten Teil des dritten Unterabsatzes von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex: Beweislast für falsche Angaben des Ausführers

46.   Der erste Teil des dritten Unterabsatzes von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex enthält eine Ausnahme zur gesetzlichen Vermutung eines Irrtums, wie sie sich aus dem zweiten Unterabsatz ergibt. So liegt in der Ausstellung einer unrichtigen Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 ausnahmsweise kein Irrtum der Zollbehörden, wenn diese Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruhte.

47.   Nach den allgemein anerkannten Regeln des Verfahrensrechts hat in aller Regel derjenige, der sich auf die Voraussetzungen einer Vorschrift beruft, deren Vorliegen zu beweisen.

48.   Im Normalfall wird sich diejenige Behörde, welcher die nachträgliche buchmäßige Erfassung des gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrags obliegt, auf die Ausnahmebestimmung im ersten Teil des dritten Unterabsatzes von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex berufen. Also trägt grundsätzlich diese Behörde – regelmäßig die Zollbehörde des einführenden Mitgliedstaats – die Beweislast dafür, dass der Ausführer die Fakten tatsächlich unrichtig dargestellt hat und die Unrichtigkeit der Bescheinigung auf diese Darstellung zurückging.

49.   Eine solche Beweislastverteilung ist auch gerechtfertigt, denn die Behörde ist zur Beweisführung in aller Regel besser in der Lage als etwa das einführende Unternehmen. Sie kann sich im Wege der administrativen Zusammenarbeit mit den Behörden des Drittlands darüber informieren, welche Angaben im dortigen Verfahren tatsächlich gemacht wurden und worauf letztlich der Inhalt der Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 beruhte. Zu diesem Zweck sieht Artikel 28 Absatz 3 des Protokolls Nr. 3 zum Freihandelsabkommen ausdrücklich vor, dass die Antragsformulare mindestens drei Jahre lang aufzubewahren sind. Ob darüber hinaus die vom Ausführer in seinem Antrag gemachten Angaben richtig oder falsch waren, ist sodann anhand aller in dem Antrag enthaltenen Fakten zu beurteilen(28), wobei die Zollbehörden des Ausfuhrlandes gemäß Artikel 32 Absatz 3 des Protokolls Nr. 3 berechtigt sind, alle von ihnen für zweckdienlich erachteten Kontrollen durchzuführen(29). Der Ausführer ist seinerseits gemäß Artikel 28 Absatz 1 des Protokolls Nr. 3 verpflichtet, die Unterlagen mindestens drei Jahre lang aufzubewahren, die dem Nachweis der Ursprungseigenschaft der von ihm ausgeführten Waren dienen.

50.   An der Verpflichtung des Ausführers zur Aufbewahrung seiner Unterlagen zeigt sich allerdings auch, dass die Beweisführung der zuständigen Behörden von der Mitarbeit des Ausführers abhängt. Bewahrt der Ausführer pflichtwidrig die erforderlichen Unterlagen nicht auf, die der Prüfung der Ursprungseigenschaft der ausgeführten Waren dienen, so wird den Zollbehörden ohne eigenes Zutun die Beweisführung darüber unmöglich, ob falsche oder richtige Angaben gemacht wurden. In einem solchen Fall wäre es unbillig, den Zollbehörden die Beweislast aufzuerlegen. Nach ständiger Rechtsprechung hat nämlich die Gemeinschaft nicht die nachteiligen Folgen des rechtswidrigen Verhaltens der Lieferanten von Einführern zu tragen(30).

51.   Scheitert also die Überprüfung der vom Ausführer ursprünglich gemachten Angaben daran, dass er selbst die zweckdienlichen Unterlagen pflichtwidrig nicht aufbewahrt hat, so ist es angebracht, die Beweislast umzukehren. Dann ist dem Zollschuldner (Abgabenschuldner) die Beweislast im Rahmen des ersten Teils des dritten Unterabsatzes von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex aufzuerlegen, d. h., er muss dann beweisen, dass die von den Drittlandbehörden ausgestellte Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 auf einer richtigen Darstellung der Fakten beruhte. Denn das Fehlverhalten oder ein Irrtum des Ausführers gehört zu den normalen Geschäftsrisiken des Abgabenschuldners und kann im Rahmen seiner Geschäftsbeziehungen nicht als unvorhersehbar betrachtet werden. Wenngleich nämlich der Abgabenschuldner keinen Einfluss auf das Verhalten seiner Vertragspartner hat, kann er diese doch frei wählen und muss gegen das Risiko ihres Fehlverhaltens geeignete Vorkehrungen treffen, indem er beispielsweise entsprechende Klauseln in die Verträge mit ihnen aufnimmt oder eine besondere Versicherung abschließt(31). Insofern wird der Abgabenschuldner durch die Beweislastumkehr auch nicht „für ein schlechtes Funktionieren des Systems verantwortlich gemacht“(32).

52.   Überdies steht eine Umkehr der Beweislast für den Fall, dass der Ausführer seine Unterlagen pflichtwidrig nicht aufbewahrt hat, im Einklang mit dem Anliegen des Gemeinschaftsgesetzgebers, Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle anlässlich der Einfuhr von Waren in einem Präferenzsystem zu verhüten(33). Ansonsten entstünde möglicherweise der Anreiz, das Präferenzsystem zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts zu missbrauchen und einen solchen Missbrauch durch die Vernichtung der aufzubewahrenden Unterlagen zu vertuschen. Darauf haben nicht zuletzt die italienische und die niederländische Regierung im Verfahren vor dem Gerichtshof zu Recht hingewiesen.

 Zum zweiten Teil des dritten Unterabsatzes von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex: Beweislast für das „Wissen oder Wissen-Müssen“

53.   Der zweite Teil des dritten Unterabsatzes von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex enthält eine Unterausnahme zum ersten Teil dieses Unterabsatzes. Danach bleibt es insbesondere dann doch bei der im zweiten Unterabsatz vorgesehenen gesetzlichen Vermutung eines Irrtums, wenn offensichtlich ist, dass die eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 ausstellenden Behörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die betreffenden Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten.

54.   Regelmäßig wird sich der Abgabenschuldner, von dem Einfuhrzölle nacherhoben werden sollen, auf diese Unterausnahme berufen. Nach den allgemein anerkannten Regeln des Verfahrensrechts muss also auch dieser Abgabenschuldner die Beweislast im Rahmen des zweiten Teils des dritten Unterabsatzes von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex tragen.

55.   Zwar kann der jeweilige interne Kenntnisstand der zuständigen Behörden eines Drittlands zum Zeitpunkt der Erteilung einer Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 nur schwerlich von einem in der Gemeinschaft ansässigen Abgabenschuldner allein beurteilt oder gar nachgewiesen werden. Denn diesem Abgabenschuldner fehlt es, wie jedem Außenstehenden, bereits am erforderlichen Einblick in die internen Angelegenheiten der dortigen Behörden.

56.   Zu bedenken ist jedoch, dass der zweite Teil des dritten Unterabsatzes von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex auf Fälle zugeschnitten ist, in denen es offensichtlich ist, dass die Drittlandbehörden bestimmte Umstände kannten oder hätten kennen müssen. Dabei kann es nur um Umstände gehen, die auch ohne Einblick in den internen Kenntnisstand oder die interne Organisation der Drittlandbehörden nachweisbar sind. Existieren beispielsweise in dem betreffenden Drittland überhaupt keine Produktionsanlagen für das fragliche Erzeugnis, so ist es offensichtlich, dass einem solchen Produkt nicht die Ursprungseigenschaft aus jenem Drittland bescheinigt werden kann(34). Der Nachweis solcher oder ähnlicher Tatsachen kann also dem Abgabenschuldner ohne weiteres abverlangt werden(35).

57.   Unter diesen Umständen kann es bei der Beweislastverteilung bleiben, wie sie sich aus den allgemein anerkannten Regeln des Verfahrensrechts ergibt; eine Beweislastumkehr ist nicht erforderlich.

 Zwischenergebnis

58.   Auf die dritte Frage des vorlegenden Gerichts ist deshalb wie folgt zu antworten:

Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des dritten Unterabsatzes von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex trägt derjenige, der sich auf diese Vorschrift beruft.

Hat jedoch der Ausführer zweckdienliche Unterlagen, die dem Nachweis der Ursprungseigenschaft der von ihm ausgeführten Erzeugnisse dienen, pflichtwidrig nicht aufbewahrt, so obliegt dem Abgabenschuldner die Beweislast dafür, dass die von den Drittlandbehörden ausgestellte Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 auf einer richtigen Darstellung der Fakten beruhte.

D –    Zur vierten Vorlagefrage: Auslegung der ursprünglichen Fassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex

59.   Mit seiner vierten Frage begehrt das vorlegende Gericht Auskunft zur Auslegung der ursprünglichen Fassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex. Diese Frage ist nur für den Fall gestellt, dass die erste Frage verneint wird. Da nach der hier vorgeschlagenen Lösung jedoch die erste Frage zu bejahen ist und folglich die Neufassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens Anwendung findet, braucht die vierte Frage nicht beantwortet zu werden.

VI – Ergebnis

60.   Aufgrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Gerechtshof Amsterdam wie folgt zu beantworten:

1)      Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 findet auch auf Zollschulden Anwendung, die vor seinem Inkrafttreten entstanden und nacherhoben worden sind.

2)      Kann der Ursprung der in einer Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 bezeichneten Waren im Nachhinein nicht sicher festgestellt werden, so liegt eine unrichtige Bescheinigung im Sinne von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b Unterabsatz 2 des Zollkodex in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 vor.

3)      Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b Unterabsatz 3 des Zollkodex in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 trägt derjenige, der sich auf diese Vorschrift beruft.

Hat jedoch der Ausführer zweckdienliche Unterlagen, die dem Nachweis der Ursprungseigenschaft der von ihm ausgeführten Erzeugnisse dienen, pflichtwidrig nicht aufbewahrt, so obliegt dem Abgabenschuldner die Beweislast dafür, dass die von den Drittlandbehörden ausgestellte Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 auf einer richtigen Darstellung der Fakten beruhte.




Juliane Kokott


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1), im Folgenden: Zollkodex.


3 – Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 311, S. 17), im Folgenden auch: Verordnung Nr. 2700/2000.


4 – Um die Auslegung der Neufassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex geht es auch in der noch anhängigen Rechtssache C-311/04 (Algemene Scheeps Agentuur Dordrecht).


5 – Vgl. Artikel 1 Nr. 16 und Artikel 2 der Verordnung Nr. 2700/2000.


6 – Abkommen über Freihandel und Handelsfragen zwischen der Europäischen Gemeinschaft, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl einerseits und der Republik Estland andererseits (ABl. 1994, L 373, S. 2; im Folgenden: Freihandelsabkommen). Das Freihandelsabkommen wurde später ersetzt durch das Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Estland andererseits (unterzeichnet in Luxemburg am 12. Juni 1995, ABl. 1998, L 68, S. 3). In zeitlicher Hinsicht bleibt aber auf den vorliegenden Fall das Freihandelsabkommen anwendbar.


7 – Beschluss Nr. 1/97 des Gemischten Ausschusses zwischen den Europäischen Gemeinschaften einerseits und der Republik Estland andererseits vom 6. März 1997 zur Änderung des Protokolls Nr. 3 zum Abkommen über Freihandel und Handelsfragen zwischen der Europäischen Gemeinschaft, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl einerseits und der Republik Estland andererseits (ABl. L 111, S. 1). Dieser Beschluss ist gemäß seinem Artikel 2 am 1. April 1997 in Kraft getreten.


8 – Ausfuhr von Butter aus der Gemeinschaft nach Estland und anschließender Re-Import in die Gemeinschaft.


9 – Nach Angaben von Beemsterboer und Hoogwegt erfolgte diese Nichtigerklärung wegen mangelnder Zuständigkeit.


10 – Vgl. nur die Urteile vom 12. November 1981 in den verbundenen Rechtssachen 212/80 bis 217/80 (Salumi u. a., auch „Salumi II“ genannt, Slg. 1981, 2735, Randnr. 9), vom 6. Juli 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-121/91 und C-122/91 (CT Control [Rotterdam] und JCT Benelux/Kommission, Slg. 1993, I-3873, Randnr. 22), vom 7. September 1999 in der Rechtssache C-61/98 (De Haan, Slg. 1999, I-5003, Randnr. 13), vom 14. November 2002 in der Rechtssache C-251/00 (Ilumitrónica, Slg. 2002, I-10433, Randnr. 29) und vom 1. Juli 2004 in den verbundenen Rechtssachen C-361/02 und C-362/02 (Tsapalos und Diamantakis, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 19).


11 – Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet (ABl. L 197, S. 1).


12 – Urteile Salumi II (zitiert in Fußnote 10, Randnr. 11) und vom 6. November 1997 in der Rechtssache C-261/96 (Conserchimica, Slg. 1997, I-6177, Randnr. 17).


13 – Für eine solche isolierte Betrachtung der verschiedenen Vorschriften des Zollkodex spricht sich insbesondere Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen vom 30. Juni 2005 in der Rechtssache C-201/04 (Molenbergnatie, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Nrn. 40 ff.) aus. Auch das Urteil vom 13. März 2003 in der Rechtssache C-156/00 (Niederlande/Kommission, Slg. 2003, I-2527, Randnrn. 35, 36 und 62 bis 67) kann so verstanden werden, dass nicht eine Gesamtbetrachtung, sondern eine isolierte Betrachtung der einzelnen Vorschriften des Zollkodex vorgenommen wird.


14 – In diesem Sinne die Urteile Niederlande/Kommission (zitiert in Fußnote 13, Randnr. 36) und Ilumitrónica (zitiert in Fußnote 10, Randnrn. 30 und 36 ff.), bezogen auf das Verhältnis zwischen dem Zollkodex und seinen Vorläuferregelungen in der Verordnung Nr. 1697/79. Vgl. auch, im Hinblick auf das Verhältnis zwischen der Verordnung Nr. 1697/79 und dem davor geltenden nationalen Recht, die Urteile Salumi II (zitiert in Fußnote 10, Randnrn. 12, 15 und 16), Conserchimica (zitiert in Fußnote 12, Randnrn. 18, 21 und 23) und vom 1. April 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-31/91 und C-44/91 (Lageder u. a., Slg. 1993, I-1761, Randnr. 26).


15 – Urteile vom 15. Juli 1993 in der Rechtssache C-34/92 (GruSa Fleisch, Slg. 1993, I-4147, Randnr. 22) und vom 24. September 2002 in den verbundenen Rechtssachen C-74/00 P und C-75/00 P (Falck u. a./Kommission, Slg. 2002, I-7869, Randnr. 119), ebenso bereits das Urteil Salumi II (zitiert in Fußnote 10, Randnr. 9); ähnlich das Urteil vom 29. Januar 1985 in der Rechtssache 234/83 (Gesamthochschule Duisburg, Slg. 1985, 327, Randnr. 20).


16 – Urteil Salumi II (zitiert in Fußnote 10, Randnr. 10), GruSa Fleisch (zitiert in Fußnote 15, Randnr. 22) und vom 10. Februar 1982 in der Rechtssache 21/81 (Bout, Slg. 1982, 381, Randnr. 13).


17 – Urteile vom 25. Januar 1979 in den Rechtssachen 98/78 (Racke, Slg. 1979, 69, Randnr. 20) und 99/78 (Decker, Slg. 1979, 101, Randnr. 8) sowie Urteile Salumi II (zitiert in Fußnote 10, Randnr. 10), GruSa Fleisch (zitiert in Fußnote 15, Randnr. 22), Falck (zitiert in Fußnote 15, Randnr. 119), vom 15. Juli 2004 in der Rechtssache C-459/02 (Gerekens u. a., noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 23 und 24) und vom 26. April 2005 in der Rechtssache C-376/02 (Stichting „Goed Wonen“, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 32 und 33). Die hier zitierte Rechtsprechung betrifft zwar die Anordnung einer Rückwirkung durch den Normgeber selbst. Wie aber insbesondere die Urteile Salumi II und Falck zeigen, orientiert sich der Gerichtshof an jener Rechtsprechung auch, wenn es gilt, eine Vorschrift des materiellen Gemeinschaftsrechts im Wege der Auslegung ausnahmsweise für rückwirkend anwendbar zu erklären.


18 – Ständige Rechtsprechung; vgl. nur die Urteile vom 14. April 2005 in der Rechtssache C-110/03 (Belgien/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 30) und vom 7. Juni 2005 in der Rechtssache C-17/03 (Vereniging voor Energie, Milieu en Water u. a., noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 80), jeweils mit weiteren Nachweisen.


19 – Vgl. die elfte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2700/2000.


20 – Vgl. das Urteil vom 14. Mai 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-153/94 und C-204/94 (Faroe Seafood u. a., Slg. 1996, I-2465, Randnrn. 91 bis 97, insbesondere Randnrn. 92, 95 und 97) einerseits und den dritten Unterabsatz von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex andererseits.


21 – Ständige Rechtsprechung; vgl. nur die Urteile Gerekens (zitiert in Fußnote 17, Randnr. 28) und Vereniging voor Energie, Milieu en Water (zitiert in Fußnote 18, Randnr. 73) sowie vom 15. Juli 2004 in den verbundenen Rechtssachen C-37/02 und C-38/02 (Di Lenardo und Dilexport, Slg. 2004, I-6945, Randnr. 70), mit weiteren Nachweisen.


22 – Vgl. zur Vorläuferbestimmung in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 das Urteil vom 1. April 1993 in der Rechtssache C-250/91 (Hewlett Packard, Slg. 1993, I-1819, Randnr. 46).


23 – Auf diese Gefahr im Zusammenhang mit der rückwirkenden Anwendung materiell-rechtlicher Vorschriften weist insbesondere das Urteil Salumi II (zitiert in Fußnote 10, Randnr. 14) hin.


24 – Vgl. auch, zu vergleichbaren Abkommen, die Urteile vom 7. Dezember 1993 in der Rechtssache C-12/92 (Huygen, Slg. 1993, I-6381, Randnr. 16), in den verbundenen Rechtssachen Faroe Seafood u. a (zitiert in Fußnote 20, Randnr. 16) und vom 23. Februar 1995 in der Rechtssache C-334/93 (Bonapharma, Slg. 1995, I-319, Randnr. 16).


25 – Urteil Faroe Seafood (zitiert in Fußnote 24, Randnr. 16, erster Satz); vgl. auch die Urteile Huygen (zitiert in Fußnote 24, Randnr. 16) und vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-97/95 (Pascoal & Filhos, Slg. 1997, I-4209, Randnr. 30).


26 –      Urteil Faroe Seafood (zitiert in Fußnote 24, Randnr. 16, zweiter und dritter Satz; Hervorhebung von mir); vgl. auch die Urteile Huygen (zitiert in Fußnote 24, Randnrn. 16 und 17) und Pascoal & Filhos, zitiert in Fußnnote 25, Randnr. 30).


27 – In diesem Sinne auch die Urteile Pascoal & Filhos (zitiert in Fußnote 25, Randnrn. 35, 36 und 41) und Faroe Seafood (zitiert in Fußnote 24, Randnr. 63).


Übrigens bestand im vorliegenden Fall, anders als im Urteil Faroe Seafood (zitiert in Fußnote 24, Randnrn. 5, 6 und 17 ff.), nach den verfügbaren Informationen auch keinerlei inhaltlicher Dissens mit den estnischen Zollbehörden im Hinblick auf das tatsächliche Ergebnis der Überprüfung. Dass die Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 von den estnischen Behörden zum Zeitpunkt der Nacherhebung der Zölle noch nicht endgültig aufgehoben worden waren, hatte vielmehr rein formale Gründe (vgl. Nr. 17 dieser Schlussanträge). Dies konnte jedoch die niederländischen Zollbehörden nicht daran hindern, die eingeführte Butter als Butter unbekannten Ursprungs zu behandeln, und zwar sobald das Ergebnis der nachträglichen Überprüfung inhaltlich feststand.


28 – Vgl. die elfte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2700/2000, die speziell der Erläuterung der Neufassung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex dient.


29 – Diese Kontrollen können, wie sich aus Artikel 32 Absatz 1 des Protokolls Nr. 3 ergibt, im Hinblick auf die Erfüllung aller Voraussetzungen jenes Protokolls durchgeführt werden.


30 – Urteil Pascoal & Filhos (zitiert in Fußnote 25, Randnr. 59).


31 – In diesem Sinne die Urteile Pascoal & Filhos (zitiert in Fußnote 25, Randnr. 59) und vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C-210/00 (Käserei Champignon Hofmeister, Slg. 2002, I-6453, Randnr. 80), Letzteres bezogen auf die Abgabe unrichtiger Erklärungen im Zusammenhang mit Ausfuhrerstattungen.


32 – Vgl. dazu die elfte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2700/2000; aus ihr ergibt sich, dass mit Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b n. F. des Zollkodex vermieden werden soll, den Abgabenschuldner für ein schlechtes Funktionieren des Systems infolge eines Irrtums der Drittlandbehörden verantwortlich zu machen.


33 – Vgl. etwa die zweite Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2700/2000. Im selben Sinne auch die achte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2913/92 sowie die Urteile vom 14. April 2005 in der Rechtssache C-385/03 (Käserei Champignon Hofmeister, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 27 und 28) und Käserei Champignon Hofmeister, zitiert in Fußnote 31, Randnr. 60), Letztere bezogen auf das System der Ausfuhrerstattungen.


34 – Die bloße Tatsache, dass die Drittlandbehörden – wie im vorliegenden Fall – den Ausführer keiner Kontrolle unterzogen und bestimmte Unterlagen nicht angefordert haben, reicht hingegen von vornherein nicht für die Annahme aus, jene Behörden hätten offensichtlich gewusst oder wissen müssen, dass die exportierten Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten.


35 – Als weiteres Beispiel vgl. die im Urteil Ilumitrónica geschilderten Umstände (zitiert in Fußnote 10, Randnrn. 49 bis 52).