SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

L. A. GEELHOED

vom 15. September 20051(1)

Rechtssache C‑244/04

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Bundesrepublik Deutschland

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Artikel 49 EG – Entsendung von Arbeitnehmern aus Drittstaaten zur Erbringung von Dienstleistungen durch in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen abhängig von der Erteilung eines ‚Arbeitsvisums‘, die nur dann erfolgt, wenn der Arbeitnehmer bei der Entsendung seit mindestens einem Jahr bei dem Unternehmen beschäftigt ist“





I –    Einleitung

1.     In dieser Rechtssache beantragt die Kommission beim Gerichtshof die Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen hat, dass sie die Entsendung von Arbeitnehmern aus Staaten, die nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, durch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union niedergelassene Dienstleistungserbringer einigen besonderen Anforderungen unterwirft.

II – Die deutsche Regelung der Entsendung der Staatsangehörigen von Drittstaaten

2.     Die Entsendung der Staatsangehörigen von Drittstaaten nach Deutschland wird durch das Ausländergesetz (im Folgenden: AuslG) in der Fassung vom 9. Januar 2002, eine Durchführungsverordnung und einen Runderlass vom 15. Mai 1999 an alle diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen in anderen Ländern (im Folgenden: Runderlass) geregelt.

3.     Nach den §§ 1 bis 3 AuslG benötigen Nichtdeutsche zur Einreise und zum Aufenthalt in Deutschland ein Visum. Ausländer, die sich in Deutschland aufhalten wollen, um dort eine unselbständige Tätigkeit auszuüben, bedürfen einer besonderen Aufenthaltsgenehmigung nach Maßgabe einer gesonderten Rechtsverordnung. Die gegenwärtige Praxis der Erteilung dieser besonderen Visa beruht auf dem Runderlass. Unternehmen, die in Deutschland Dienstleistungen erbringen wollen, müssen veranlassen, dass ihre Arbeitnehmer aus Drittstaaten bei der deutschen diplomatischen Vertretung im Staat des Unternehmenssitzes ein Visum beantragen. Bei der Bearbeitung dieser Anträge prüft die zuständige Stelle, ob die folgenden Kriterien, die dem Urteil Vander Elst(2) des Gerichtshofes Rechnung tragen sollen, erfüllt sind:

a)      Beginn und Ende der Entsendung des Drittstaatsangehörigen müssen zeitlich und terminlich klar begrenzt und bestimmt sein.

b)      Der betreffende Arbeitnehmer muss eine Stammarbeitskraft des entsendenden Unternehmens sein, was dann gegeben ist, wenn der Arbeitnehmer seit mindestens einem Jahr bei diesem Unternehmen beschäftigt ist.

c)      Die Aufenthaltserlaubnis im Entsendemitgliedstaat und erforderlichenfalls die dort erteilte Arbeitserlaubnis müssen die Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers im entsendenden Unternehmen im Entsendemitgliedstaat nach Abschluss der Tätigkeit in Deutschland gewährleisten.

d)      Der Arbeitnehmer aus einem Drittstaat muss dem Sozialversicherungssystem des Entsendemitgliedstaats angehören oder im Rahmen einer privaten Versicherung ausreichend kranken- und unfallversichert sein. Der Versicherungsschutz muss auch für die beabsichtigte Tätigkeit in Deutschland Gültigkeit haben.

e)      Der Arbeitnehmer aus einem Drittstaat muss über einen Pass verfügen, der für die vorgesehene Aufenthaltszeit in Deutschland gültig ist.

III – Verfahren

4.     Die Kommission warf zunächst in einem förmlichen Mahnschreiben vom 12. Februar 1997 die Frage der Vereinbarkeit des von der Bundesrepublik Deutschland für die Entsendung von Arbeitnehmern aus Drittstaaten in ihr Hoheitsgebiet durch in Mitgliedstaaten der Europäischen Union niedergelassene Dienstleistungserbringer angewandten besonderen Verfahrens mit Artikel 49 EG auf. Darauf folgten eine mit Gründen versehene Stellungnahme vom 7. August 1998 und weitere Auskunftsersuchen in den Jahren 2000 und 2001.

5.     Die Kommission gelangte zu der Ansicht, dass die in Beantwortung dieser Ersuchen zuletzt am 28. November 2001 von der Bundesregierung erteilten Auskünfte ihr nicht erlaubten, die Rechtmäßigkeit der auf die Entsendung von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland angewandten Regelung ordnungsgemäß zu beurteilen, und beschloss zweieinhalb Jahre später, am 4. Juni 2004, die vorliegende Klage beim Gerichtshof einzureichen. Sie beantragt,

1.      festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen hat, indem sie durch ihre auf Runderlassen basierende Praxis die Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung in durchgängig unverhältnismäßiger Weise einschränkt;

2.      der Bundesrepublik Deutschland die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

IV – Erörterung

A –    Beurteilungsrahmen

6.     Vorab ist es zweckdienlich, festzuhalten, dass das in Deutschland auf die Entsendung von Staatsangehörigen von Drittstaaten angewandte besondere Verfahren in der Tat im Licht von Artikel 49 EG zu beurteilen ist. Zwar besteht in diesem Bereich eine Gemeinschaftsregelung, nämlich die Richtlinie 96/71 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen(3), doch gilt diese Richtlinie nur für die Einzelheiten und Bedingungen des Arbeitsverhältnisses und nicht für die Einreise in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats und den Aufenthalt in diesem Gebiet. Ein Vorschlag der Kommission, der auf die Regelung des letztgenannten Gesichtspunkts durch die Einführung eines „EG‑Dienstleistungsausweises“ gerichtet war(4), wurde im Oktober 2004 zurückgezogen(5). Infolgedessen wird die Frage, die der vorliegende Fall aufwirft, nicht durch abgeleitetes Gemeinschaftsrecht geregelt, sondern, wie ausgeführt, durch die Bestimmungen des EG‑Vertrags über den Dienstleistungsverkehr.

7.     Die Grundprinzipien der Anwendung der Bestimmungen des EG‑Vertrags auf den freien Dienstleistungsverkehr in der Gemeinschaft sind seit langem gefestigte Rechtsprechung des Gerichtshofes. Nach dieser Rechtsprechung verlangt „Artikel 49 EG nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten –, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen“(6).

8.     Diese Grundregel ist jedoch nicht absolut: „Eine nationale Regelung, die zu einem nicht auf Gemeinschaftsebene harmonisierten Bereich gehört und für alle in dem betreffenden Mitgliedstaat tätigen Personen oder Unternehmen gilt, kann jedoch, obwohl sie eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bewirkt, gerechtfertigt sein, soweit sie auf einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses beruht und dieses nicht bereits durch Vorschriften geschützt wird, denen der Dienstleistende im Mitgliedstaat seiner Niederlassung unterliegt, und sofern sie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.“(7)

9.     Insbesondere in Rechtssachen, die die Entsendung von Arbeitnehmern durch Erbringer von Dienstleistungen betreffen, hat der Gerichtshof verschiedene spezifischere Grundsätze aufgestellt, die für die Beurteilung der Anforderungen, um die es im vorliegenden Fall geht, erheblich sind.

10.   Im Urteil Rush Portuguesa hat er dem Aufnahmemitgliedstaat das Recht zugestanden, zu prüfen, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiger Erbringer von Dienstleistungen den freien Dienstleistungsverkehr nicht zu einem anderen Zweck nützt. Bei solchen Kontrollen sind jedoch die vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen zu beachten, wie sie sich insbesondere aus dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs ergeben, der nicht illusorisch gemacht und dessen Ausübung nicht dem Ermessen der Verwaltung unterworfen werden darf(8).

11.   Das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Vander Elst(9) ist für den vorliegenden Fall besonders erheblich, da die von der Bundesrepublik Deutschland aufgestellten Voraussetzungen für die Entsendung von Arbeitnehmern aus Drittstaaten dessen Durchführung dienen sollen. In dieser Rechtssache, in der es um die Entsendung marokkanischer Arbeitnehmer durch ein belgisches Unternehmen zum Zweck der Erbringung von Dienstleistungen in Frankreich ging, hat der Gerichtshof dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass sich die betreffenden Arbeitnehmer rechtmäßig in Belgien aufhielten, wo ihnen eine Arbeitserlaubnis erteilt worden war(10), und dass sie ordnungsgemäße Arbeitsverträge geschlossen hatten(11). Bei dieser Sachlage schloss die Anwendung der belgischen Regelung eine ernstliche Gefahr der Ausbeutung von Arbeitnehmern und der Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen aus(12). Der Gerichtshof ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es den Artikeln 49 EG und 50 EG zuwiderlaufe, dass „ein Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen, die zur Erbringung von Dienstleistungen auf seinem Gebiet tätig werden und die Angehörige von Drittstaaten ordnungsgemäß und dauerhaft beschäftigen, unter Androhung einer Geldbuße dazu verpflichtet, für diese Arbeitnehmer bei einer nationalen Einwanderungsbehörde eine Arbeitserlaubnis einzuholen und die damit verbundenen Kosten zu tragen“(13). Die Begriffe „dauerhaft und ordnungsgemäß“ werden seither als die Vander‑Elst‑Kriterien angeführt.

12.   Was die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses angeht, die Beschränkungen der Entsendung von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen rechtfertigen können, so hat der Gerichtshof u. a. im Urteil Arblade und Leloup ausgeführt, dass zu diesen der Schutz der Arbeitnehmer gehört, nicht aber rein administrative Erwägungen. „Jedoch können die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, die die materiell‑rechtlichen Bestimmungen einer Regelung rechtfertigen, auch die Kontrollmaßnahmen rechtfertigen, die erforderlich sind, um die Beachtung dieser Bestimmungen sicherzustellen.“(14)

13.   Schließlich ist in diesem Zusammenhang das Urteil Kommission/Luxemburg(15) anzuführen, das sich auf nationale Anforderungen bezieht, die zwar nicht mit den im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden identisch, ihnen jedoch ähnlich sind, und das daher einen für die Beurteilung der Klage der Kommission zweckdienlichen Präzedenzfall darstellt. Im Einzelnen verlangte Luxemburg von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Erbringer von Dienstleistungen, für die Entsendung seiner Arbeitnehmer, die Staatsangehörige von Drittstaaten waren und die sich in diesem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig aufhielten und rechtmäßig dort beschäftigt waren, dass sie eine individuelle oder kollektive Arbeitserlaubnis beantragten. Die Erteilung dieser Arbeitserlaubnis war von Erwägungen in Bezug auf den Arbeitsmarkt und dem Bestehen eines unbefristeten Arbeitsvertrags sowie vorheriger Beschäftigung beim selben Dienstleistungserbringer von mindestens sechs Monaten abhängig. Der Gerichtshof hat diese Anforderungen als ungeeignet für die Verfolgung des Zieles des Schutzes der Arbeitnehmer betrachtet(16).

B –    Umfang der Klage

14.   Der Umfang der Klage der Kommission ist insoweit begrenzt, als nicht alle oben in Nummer 3 aufgeführten Kriterien angegriffen werden, die von der Bundesrepublik Deutschland bei der Erteilung der besonderen Genehmigung für die Entsendung von Staatsangehörigen von Drittstaaten nach Deutschland durch einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Erbringer von Dienstleistungen angewandt werden. Sie konzentriert sich vielmehr auf zwei besondere Gesichtspunkte des besonderen Verfahrens, die sie für mit Artikel 49 EG unvereinbar hält. Die erste dieser Rügen betrifft den Umstand, dass die Prüfung der Kriterien vor der Erbringung der Dienstleistungen zu erfolgen hat, so dass das Verfahren im Wesentlichen präventiv ist. Die zweite Rüge betrifft das Erfordernis, dass Staatsangehörige von Drittstaaten seit mindestens einem Jahr beim selben Dienstleistungserbringer beschäftigt sein müssen.

C –    Der präventive Charakter des Genehmigungsverfahrens

15.   Die Kommission stellt zu Beginn klar, dass sie sich nicht gegen das Erfordernis eines Visums und präventive Kontrollen wende, soweit diese aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt seien. Auch wende sie sich nicht gegen Kontrollen zum Zweck der Prüfung, ob die so genannten Vander‑Elst‑Kriterien erfüllt seien. Streitig sei allein, dass nach der deutschen Praxis diese Prüfung vor der Entsendung der betroffenen Arbeitnehmer nach Deutschland erfolgen müsse. Wenn eine Genehmigung in der Form eines „Arbeitsvisums“ erteilt werde, so bedeute dies, dass ein Arbeitnehmer ohne dieses Dokument gar nicht nach Deutschland entsandt werden dürfe, um die von seinem Arbeitgeber zu erbringenden Dienstleistungen durchzuführen. Dies bedeute eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs. Das Verfahren gehe über eine aus Gründen der öffentlichen Sicherheit notwendige Kontrolle hinaus. Da es nicht auf alle Personen Anwendung finde, die in Deutschland Dienstleistungen erbrächten, erfülle es nicht die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses. Ferner gebe es weniger restriktive Maßnahmen, wie nachträgliche Kontrollen, zur Erreichung des Zieles der Gewährleistung, dass die Arbeitnehmer in den Herkunftsmitgliedstaat zurückkehrten. Eine solche Überprüfung könne zu dem Zeitpunkt vorgenommen werden, zu dem eine Person der in Deutschland geltenden Meldepflicht nachkomme.

16.   Die deutsche Regierung weist darauf hin, dass die gegenwärtige Praxis der Visaerteilung den diplomatischen Vertretungen kein Ermessen einräume und dass die Aufenthaltsgenehmigungen automatisch innerhalb von sieben Tagen erteilt würden. Sie bezweifele daher, dass diese Praxis zu einer nennenswerten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit führe. Die so genannten Vander‑Elst‑Visa seien nur in einer begrenzten Zahl von Fällen erforderlich, insbesondere dann, wenn Staatsangehörige von Drittstaaten keine Reisefreiheit nach dem Übereinkommen zur Durchführung des Schengener Abkommens (Schengener Durchführungsabkommen) genössen und wenn nach der Verordnung Nr. 539/2001(17) Visa erforderlich seien.

17.   Die Mitgliedstaaten hätten ein berechtigtes Interesse an vorherigen Kontrollen zur Ermittlung von Missbrauch der Dienstleistungsfreiheit und zur Verhütung der Umgehung nationaler und gemeinschaftsrechtlicher Anforderungen an die Beschäftigung der Staatsangehörigen von Drittstaaten. Vorherige Kontrollen seien aus Gründen der Rechtssicherheit und des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt. Das angewandte Verfahren sei als geeignete Maßnahme zu betrachten, da die Vorlage eines Passes allein keinen Nachweis für die rechtmäßige Beschäftigung im Herkunftsmitgliedstaat darstelle. Nachträgliche Kontrollen, wie von der Kommission vorgeschlagen, seien nicht geeignet. Dies gelte insbesondere für die Möglichkeit der Kontrolle bei der pflichtgemäßen Anmeldung der Wohnsitznahme. Abgesehen davon, dass entsandte Arbeitnehmer gewöhnlich in Deutschland keinen Wohnsitz nehmen wollten, unterstehe das Meldewesen den Bundesländern, während für die Bedingungen der Einreise nach Deutschland und des Aufenthalts in diesem Land die Bundesbehörden zuständig seien. Die Prüfung der Erfüllung der Vander‑Elst‑Kriterien in einem einzigen Verwaltungsverfahren bei der Visaerteilung sei für den betroffenen Arbeitnehmer, seinen Arbeitgeber und die Verwaltung weniger belastend.

18.   Wie vorab festzustellen ist, stellt das Erfordernis, dass ein Erbringer von Dienstleistungen, bevor er Dienstleistungen in Deutschland mit Staatsangehörigen von Drittstaaten, die er beschäftigt, erbringt, bei der deutschen Vertretung im Mitgliedstaat seiner Niederlassung die Feststellung beantragen muss, dass diese Beschäftigten bestimmte Kriterien erfüllen, andernfalls er diese Beschäftigten nicht nach Deutschland entsenden kann, eine klare Beschränkung seiner Freiheit zur Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Artikel 49 EG dar. Unabhängig davon, ob die Einhaltung dieses Verfahrens dazu führt, dass für die betroffenen Beschäftigten eine förmliche Arbeitserlaubnis von der Art erteilt wird, um die es in den Rechtssachen Vander Elst(18) und Kommission/Luxemburg(19) ging, hat dies offenkundig die gleiche Auswirkung für den Erbringer einer Dienstleistung bei der Ausübung seiner Rechte nach dieser Vertragsbestimmung. Die Feststellung des Gerichtshofes in diesen Rechtssachen, dass Arbeitserlaubnisse Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit darstellten(20), muss auch hier gelten.

19.   Auch die deutsche Regierung scheint den beschränkenden Charakter des Verfahrens anzuerkennen, das sie anwendet, wenn sie ausführt, dass dies nicht zu einer „nennenswerten Beeinträchtigung“ der Dienstleistungsfreiheit führe. Es ist jedenfalls klar, dass der Gerichtshof in diesem Bereich bisher keine De‑minimis‑Regel anerkannt hat.

20.   Weiter stellt sich die Frage, ob das besondere Verfahren mit den Gründen des öffentlichen Interesses gerechtfertigt werden kann, auf die sich die deutsche Regierung beruft. Insbesondere führt sie die Erwägung des Gerichtshofes in der Rechtssache Rush Portuguesa an, der Mitgliedstaat müsse in der Lage sein, zu prüfen, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassener Erbringer von Dienstleistungen den freien Dienstleistungsverkehr nicht zu einem anderen Zweck nütze, z. B. dazu, sein Personal kommen zu lassen, um es zu vermitteln(21). Wenn die Kontrollen der Prüfung dienten, ob die betroffenen Beschäftigten „ordnungsgemäß und dauerhaft“ im Mitgliedstaat der Niederlassung beschäftigt seien, wie im Urteil Vander Elst ausgeführt werde, und daher der Wirksamkeit einer Anforderung des Gemeinschaftsrechts dienten, seien sie gerechtfertigt. Weitere Rechtfertigungsgründe, auf die sich die deutsche Regierung in diesem Zusammenhang beruft, sind die Rechtssicherheit und der Arbeitnehmerschutz.

21.   Nach der vorstehend in Nummer 8 angeführten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes in Bezug auf eine Maßnahme, die die Dienstleistungsfreiheit beschränkt, ist eine Berufung auf zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses nur dann zulässig, wenn diese Maßnahme unterschiedslos für alle in dem Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll, tätigen Personen und Unternehmen gilt(22). Erfüllt die Maßnahme, die die Dienstleistungsfreiheit beschränkt, diese Voraussetzung nicht, so kann sie nur aus den in Artikel 55 EG in Verbindung mit den Artikeln 45 EG und 46 EG anerkannten Gründen gerechtfertigt werden.

22.   Es kann bezweifelt werden, ob das besondere Verfahren, das die deutschen Behörden anwenden, als solches unterschiedslos für alle in Deutschland und im Ausland niedergelassenen Erbringer von Dienstleistungen gilt. Seiner Natur nach stellt es auf in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Dienstleistungserbringer ab. Allerdings muss in dieser Hinsicht zwischen materiellen Regeln über die Erbringung von Dienstleistungen einerseits und Maßnahmen, mit denen die Befolgung dieser Maßnahmen kontrolliert wird, andererseits unterschieden werden. Während klar ist, dass materielle Regeln in gleicher Weise für alle Unternehmen gelten müssen, die Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat erbringen, so ist meines Erachtens zuzugestehen, dass die Kontrolle der Befolgung in Fällen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen eine andere Vorgehensweise erfordern kann, da die Dienstleistungserbringer nur zeitweise in den Zuständigkeitsbereich des Aufnahmemitgliedstaats kommen.

23.   Auch der Gerichtshof hat in mehreren Urteilen im Zusammenhang mit ähnlichen Anforderungen, die vor der Entsendung von Arbeitnehmern durch einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer zu erfüllen sind, anerkannt, dass die Mitgliedstaaten die Befolgung des nationalen und des Gemeinschaftsrechts bei der Erbringung von Dienstleistungen überwachen dürfen. Im Urteil Rush Portuguesa hat er ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten das Recht hätten, sich zu vergewissern, dass die Dienstleistungsfreiheit nicht z. B. dadurch missbraucht werde, dass Arbeitnehmer aus Drittländern auf den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats vermittelt werden(23). Im Urteil Arblade und Leloup hat er ausgeführt, dass solche Kontrollmaßnahmen, die die Beachtung von Anforderungen sicherstellen sollten, die selbst im Allgemeininteresse gerechtfertigt seien, auch selbst gerechtfertigt sein könnten(24). Auch wenn der Gerichtshof grundsätzlich Kontrollen für zulässig erklärt, so sind doch bei diesen Kontrollen die vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen zu beachten; sie dürfen den freien Dienstleistungsverkehr nicht illusorisch machen(25).

24.   Das hauptsächliche Ziel des besonderen Verfahrens, das die Bundesrepublik Deutschland anwendet, besteht darin, die Erfüllung von Anforderungen zu kontrollieren, die aus dem Gemeinschaftsrecht stammen, insbesondere aus Artikel 49 EG in seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Vander Elst. Diese Anforderungen sollen gewährleisten, dass sich Staatsangehörige von Drittstaaten im Mitgliedstaat der Niederlassung des Dienstleistungserbringers ordnungsgemäß und dauerhaft aufhalten. Dies setzt u. a. voraus, dass ihr Beschäftigungsverhältnis durch das Sozialrecht des Mitgliedstaats der Niederlassung geregelt wird, so dass das Risiko des Missbrauchs der Dienstleistungsfreiheit zur Umgehung des Sozialrechts im Aufnahmemitgliedstaat und die Gefahr sozialen Dumpings so gering wie möglich gehalten werden. Im Licht der erwähnten Rechtsprechung des Gerichtshofes müssen daher Kontrollen, mit denen geprüft werden soll, ob diese Anforderungen, die ihrerseits im Allgemeininteresse gerechtfertigt sind, beachtet werden, grundsätzlich als gerechtfertigt gelten.

25.   Wie ausgeführt, hat der Gerichtshof jedoch auch klargestellt, dass solche Kontrollen die vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen einhalten müssen. Insbesondere müssen sie geeignet sein, ihre Zielsetzungen zu erreichen, und sie dürfen die Dienstleistungsfreiheit nicht mehr als notwendig beschränken. Hierzu macht die Kommission geltend, dass nachträgliche Prüfungen die deutschen Behörden in die Lage versetzen würden, die Angaben zu prüfen, die sie für erforderlich hielten, um zu gewährleisten, dass Drittstaatsangehörige, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer nach Deutschland entsandt würden, in diesen Staat zurückkehrten und sonst keinen Anspruch auf Vergünstigungen in Deutschland geltend machten.

26.   Klar ist in der Tat, dass Kontrollen, die nach der Aufnahme der Dienstleistungserbringung durchgeführt werden, eine weniger beschränkende Maßnahme als die von der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten präventiven Kontrollen bedeuten würden. Solche Kontrollen sind jedoch nur wirksam, wenn den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats die einschlägigen Informationen so rechtzeitig zugänglich gemacht werden, dass sie erforderlichenfalls Maßnahmen zum Schutz des Allgemeininteresses ergreifen können. In dieser Hinsicht stimme ich der deutschen Regierung darin zu, dass der Aufschub der Kontrollen bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die betroffene Person in Deutschland anmeldet, wie die Kommission vorgeschlagen hat, den Besorgnissen der deutschen Regierung nicht wirksam abhelfen würde.

27.   Auf der anderen Seite: Würde der Dienstleistungserbringer seine beabsichtigten Tätigkeiten in Deutschland und die notwendigen Angaben in Bezug auf die Drittstaatsangehörigen, die er zu diesem Zweck entsenden möchte, zum Zeitpunkt der Aufnahme dieser Tätigkeiten melden, so würde dies die deutschen Behörden in die Lage versetzen, diese Angaben zu überprüfen, ohne dass die Erbringung der Dienstleistungen in unzulässiger Weise beschränkt würde. Der Gerichtshof hat diese weniger beschränkende Maßnahme in seinem Urteil Kommission/Luxemburg ausdrücklich als gleichwertige Alternative zu den von Luxemburg verlangten Arbeitserlaubnissen erwähnt(26).

28.   Ich möchte hinzufügen, dass im Allgemeinen Unternehmen, die beabsichtigen, zeitweise im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats mit Arbeitnehmern aus Drittländern tätig zu werden, die Verantwortung dafür tragen, dass diese Beschäftigten sich im Mitgliedstaat der Niederlassung ordnungsgemäß aufhalten und dass ihre Beschäftigungsbedingungen im Einklang mit dem einschlägigen Sozialrecht stehen. Sofern die Rechtssicherheit als getrennter Grund des Allgemeininteresses angeführt werden kann, was ich bezweifle, so kann sie nicht zur Rechtfertigung dessen herangezogen werden, dass diese vorherigen Kontrollen Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten von vornherein Klarheit verschaffen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass redliche Unternehmen unter Beachtung des anwendbaren Ausländer- und Sozialrechts des Mitgliedstaats der Niederlassung tätig sind. Der Aufnahmemitgliedstaat kann sein Sozialrecht auf Dienstleistungserbringer aus anderen Mitgliedstaaten anwenden, soweit es einen weitergehenden Schutz bietet als das Recht des Mitgliedstaats der Niederlassung des Erbringers der Dienstleistung(27). Unter diesen Umständen ist es eher angebracht, dass der Aufnahmemitgliedstaat seinen Eingriff auf die Prüfung der erforderlichen Informationen durch den Dienstleistungserbringer bei der Aufnahme der Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat und darauf beschränkt, repressive Maßnahmen zu ergreifen, wenn sich dies als notwendig erweist.

29.   Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen hat, dass sie die Entsendung von Staatsangehörigen von Drittstaaten, die bei einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Erbringer von Dienstleistungen beschäftigt sind, einem Verfahren der vorherigen Genehmigung unterwirft.

D –    Das Erfordernis der Beschäftigung von mindestens einem Jahr beim selben Arbeitgeber

30.   Die Kommission ist der Ansicht, die Tatsache, dass ein Erbringer von Dienstleistungen nur solche Staatsangehörige von Drittstaaten entsenden dürfe, die bei ihm vor der Dienstleistung in Deutschland mindestens seit einem Jahr beschäftigt seien, eine klare Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstelle. Dieses Erfordernis entspreche nicht den im Urteil Vander Elst angegebenen Kriterien, wonach die Staatsangehörigen von Drittstaaten „ordnungsgemäß und dauerhaft“ beim Dienstleistungserbringer beschäftigt sein müssten. Das Erfordernis der ordnungsgemäßen und dauerhaften Beschäftigung sei keine vom Gerichtshof aufgestellte gesonderte Voraussetzung, sondern ergebe sich lediglich aus dem Wortlaut der Vorlagefrage in dieser Rechtssache. Ferner habe der Gerichtshof im Urteil Kommission/Luxemburg ausdrücklich die Rechtfertigungsmöglichkeit eines ähnlichen Erfordernisses aus Gründen des Schutzes der sozialen Sicherheit ausdrücklich abgelehnt(28).

31.   Die deutsche Regierung führt aus, dass das Erfordernis der Beschäftigung seit einem Jahr beim selben Dienstleistungserbringer als Umsetzung des Kriteriums der „ordnungsgemäßen und dauerhaften“ Beschäftigung im Sinne des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache Vander Elst zu betrachten sei. Dieses Erfordernis sei ein geeignetes und wirksames Mittel für die Gewährleistung der Durchsetzung des nationalen und des gemeinschaftlichen Arbeitsschutzrechts und die Verhinderung von sozialem oder Lohndumping. Diese Ziele stünden im Einklang mit der Richtlinie 96/71. Daneben sei es auch erforderlich, um den Mitgliedstaaten ihre Rechte in Bezug auf die Kontrolle der Zulassung der Staatsangehörigen von Drittstaaten zu ihren Arbeitsmärkten zu gewährleisten.

32.   Die Kommission ziehe zu Unrecht eine Parallele zwischen dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Kommission/Luxemburg und der vorliegenden Rechtssache, da der Gerichtshof dadurch zu der Feststellung veranlasst worden sei, dass die luxemburgischen Maßnahmen unverhältnismäßig seien – und damit gegen Artikel 49 EG verstießen –, dass neben dem Erfordernis einer Arbeitserlaubnis kumulativ eine Vorbeschäftigungszeit und eine Bankbürgschaft verlangt worden seien. Bei der Prüfung, wie das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Vander Elst durchgeführt werden solle, habe zudem im K.4‑Ausschuss Einigkeit darüber bestanden, dass eine Vorbeschäftigung von mindestens einem Jahr als Indiz dafür angenommen werden solle, dass ein Arbeitnehmer im Herkunftsmitgliedstaat ordnungsgemäß und dauerhaft beschäftigt sei. Ferner habe die Kommission selbst in ihrem Vorschlag für eine Richtlinie über die Bedingungen für die Entsendung von Arbeitnehmern mit Staatsangehörigkeit eines dritten Landes im Rahmen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen(29) die Ansicht vertreten, dass die Vorbeschäftigungszeit mindestens sechs Monate betragen müsse. Schließlich erklärt sich die Bundesregierung bereit, das Erfordernis einer Vorbeschäftigungszeit von mindestens einem Jahr durch ein flexibleres Kriterium zu ersetzen, z. B. dadurch, dass die Dauer der Vorbeschäftigungszeit in Relation zur Dauer der Entsendung gestellt werde.

33.   Die Frage der Vereinbarkeit des Erfordernisses einer bestimmten Vorbeschäftigungszeit beim selben Arbeitgeber ist vom Gerichtshof bereits in der Rechtssache Kommission/Luxemburg(30) behandelt worden. In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof ausgeführt, dass „die für die Erteilung einer kollektiven Arbeitserlaubnis aufgestellte Bedingung, dass unbefristete Arbeitsverträge bestehen müssen, durch die die betroffenen Arbeitnehmer seit mindestens sechs Monaten mit dem entsendenden Unternehmen verbunden sind, über das hinaus[gehe], was im Namen des Zieles der sozialen Sicherheit als notwendige Voraussetzung dafür verlangt werden kann, dass Dienstleistungen mit Hilfe der Entsendung von Arbeitnehmern mit der Staatsangehörigkeit eines Drittstaats erbracht werden“(31).

34.   Obwohl die besondere Genehmigung für die Entsendung von Staatsangehörigen von Drittstaaten zum Zweck der Erbringung von Dienstleistungen in Deutschland nicht das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsvertrags voraussetzt, ist das Erfordernis der Zugehörigkeit zur Stammbelegschaft des Dienstleistungserbringers, die nur nach einer Beschäftigung von mindestens einem Jahr beim selben Arbeitgeber angenommen wird, ein Standard, der sogar strenger ist als der von Luxemburg vorgeschriebene. Im Licht der Entscheidung des Gerichtshofes in der Rechtssache Kommission/Luxemburg kann dieses Erfordernis, das im Kontext des besonderen Genehmigungsverfahrens als Voraussetzung für die Erteilung der besonderen Genehmigung zur Entsendung von Staatsangehörigen von Drittstaaten zum Zweck der Erbringung von Dienstleistungen nach Deutschland angewandt wird, nicht als angemessenes Mittel zur Erreichung der von der Bundesregierung angeführten Ziele anerkannt werden.

35.   Zwar führt die deutsche Regierung aus, dass das Erfordernis aufgestellt worden sei, um sicherzustellen, dass sich die betroffenen Arbeitnehmer mit den Arbeitsschutzregeln vertraut machten und dass sie ihre Befugnisse bei der Kontrolle der Zulassung zum nationalen Arbeitsmarkt wahren könne, doch ist nicht klar, wie eine festgesetzte Dauer der vorherigen Beschäftigung zur Erreichung dieser Ziele beitragen kann, oder ob sie für diese Zwecke notwendig ist. Jedenfalls liegt es, wie der Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat, in der Natur der Entsendung von Arbeitnehmern, dass die betreffenden Arbeitnehmer nach Erfüllung ihrer Aufgabe in das Niederlassungsland des Dienstleistungserbringers zurückkehren und keinen Zutritt zum Arbeitsmarkt des Mitgliedstaats verlangen, in dem die Dienstleistung erbracht wird(32).

36.   Das von der deutschen Regierung ebenfalls angeführte Problem des sozialen Dumpings lässt sich mit anderen Mitteln bekämpfen, da der Gerichtshof entschieden hat, dass die Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften oder die von den Sozialpartnern geschlossenen Tarifverträge über Mindestlöhne unabhängig davon, in welchem Land der Arbeitgeber ansässig ist, auf alle Personen erstrecken können, die in ihrem Hoheitsgebiet, und sei es auch nur vorübergehend, eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben(33). Ferner enthält die Richtlinie 96/71 einschlägige Garantien.

37.   Der Versuch der deutschen Regierung, das von ihr angewandte Verfahren von den Erfordernissen zu unterscheiden, um die es in der Rechtssache Kommission/Luxemburg ging, mit der Begründung, dass der Gerichtshof diese Erfordernisse angeblich nur wegen ihrer Kumulierungswirkung für mit Artikel 49 EG unvereinbar erklärt habe, ist ebenfalls zurückzuweisen. Nicht nur stellte jedes der von Luxemburg aufgestellten Erfordernisse eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar, sondern die im Kontext des besonderen Verfahrens aufgestellten Voraussetzungen finden ebenfalls kumulativ Anwendung.

38.   Allgemein stellt sich bei näherer Prüfung des Urteils Vander Elst die Frage, ob angenommen werden kann, dass der Gerichtshof in diesem Urteil tatsächlich ein spezifisches Kriterium aufgestellt hat, und, wenn dies der Fall ist, worin dieses Kriterium bestehen soll. Wie die Kommission geltend gemacht hat, hat der Gerichtshof bei der Feststellung im Tenor seines Urteils, dass die Staatsangehörigen von Drittstaaten „ordnungsgemäß und dauerhaft“ beim Dienstleistungserbringer beschäftigt sein müssen, nur den Wortlaut der vom nationalen Gericht vorgelegten Frage wiederholt. Dies lässt sich als Anhaltspunkt dafür betrachten, dass der Gerichtshof in dieser Hinsicht keinen besonderen Standard setzen wollte.

39.   Auf der anderen Seite hat der Gerichtshof in seinen Entscheidungsgründen dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen, dass sich die in der Rechtssache Vander Elst betroffenen Arbeitnehmer ordnungsgemäß im Entsendungsmitgliedstaat (Belgien) aufhielten, dass ihnen in diesem Land Arbeitserlaubnisse erteilt worden waren und dass sie über ordnungsgemäße Arbeitsverträge verfügten. Da ihre Situation daher vollständig vom belgischen Recht geregelt wurde, bestand keine erhebliche Gefahr, dass sie ausgebeutet würden oder dass der Wettbewerb zwischen den Unternehmen verzerrt würde.

40.   Daraus ergibt sich, dass nach Auffassung des Gerichtshofes gewährleistet sein musste, dass nur solche Arbeitnehmer aus Drittstaaten, die sich ordnungsgemäß im Mitgliedstaat der Niederlassung des Dienstleistungserbringers aufhielten und die von diesem Dienstleistungserbringer in diesem Mitgliedstaat ordnungsgemäß beschäftigt wurden, zum Zweck der Dienstleistung in andere Mitgliedstaaten entsandt werden durften, ohne dass der Aufnahmemitgliedstaat in Bezug auf diese beiden Gesichtspunkte weitere Beschränkungen verfügen darf. Der Gerichtshof hat – das ist von Belang – die Erfüllung beider Kriterien nicht von einer bestimmten Aufenthalts‑ oder Beschäftigungsdauer abhängig gemacht. Dies bedeutet, dass er dem Gesichtspunkt der „dauerhaften“ Beschäftigung im Entsendungsmitgliedstaat nicht die Bedeutung beigemessen hat, die ihr Luxemburg, die Bundesrepublik Deutschland und sogar der K.4‑Ausschuss beigemessen haben.

41.   Dieser Gesichtspunkt der „dauerhaften“ Beschäftigung hat daher meines Erachtens keine selbständige Bedeutung. Die Frage nach der Ordnungsmäßigkeit des Beschäftigungsverhältnisses muss anhand des Rechts des Mitgliedstaats beantwortet werden, das den Beschäftigungsvertrag regelt. Daher ist der Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll, nicht berechtigt, in Bezug auf die Feststellung der Ordnungsmäßigkeit des Beschäftigungsverhältnisses des von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer entsandten Arbeitnehmers seine eigenen Kriterien anzuwenden. Der Aufnahmemitgliedstaat darf nur prüfen, ob Staatsangehörige von Drittstaaten, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen zum Zweck der Erbringung von Dienstleistungen in sein Hoheitsgebiet entsandt werden, in diesem Mitgliedstaat tatsächlich nach dem dort geltenden Recht ordnungsgemäß ansässig und beschäftigt sind(34).

42.   Daher komme ich zu dem Ergebnis, dass das Erfordernis, dass ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist und der zum Zweck der Erbringung von Dienstleistungen nach Deutschland entsandt wird, der Stammbelegschaft des ihn entsendenden Unternehmens angehören muss und dass nur dann angenommen wird, dass dies der Fall ist, wenn der Arbeitnehmer in diesem Unternehmen seit mindestens einem Jahr beschäftigt ist, mit Artikel 49 EG unvereinbar ist.

V –    Ergebnis

43.   Nach allem schlage ich dem Gerichtshof vor,

1.      festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen hat, dass sie

–      die Entsendung von Arbeitnehmern, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind, zum Zweck der Dienstleistung in ihr Hoheitsgebiet einem Verfahren der vorherigen Genehmigung unterwirft und

–      das Erfordernis aufstellt, dass die betreffenden Arbeitnehmer der Stammbelegschaft des in Deutschland Dienstleistungen erbringenden Unternehmens angehören, was dann angenommen wird, wenn die Arbeitnehmer seit mindestens einem Jahr beschäftigt sind;

2.      der Bundesrepublik Deutschland die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Urteil vom 9. August 1994 in der Rechtssache C‑43/93, Vander Elst, Slg. 1994, I‑3803. Vgl. unten, Nr. 11.


3 – Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1, im Folgenden: Richtlinie 96/71).


4 – Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Entsendung von Arbeitnehmern mit Staatsangehörigkeit eines dritten Landes im Rahmen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1999, C 67, S. 12) in der durch die Mitteilung KOM(2000) 271 endg. vom 8. Mai 2000 geänderten Fassung.


5 – KOM(2004) 542 endg./3, Randnr. 8.


6 – Vgl. u. a. Urteil vom 21. Oktober 2004 in der Rechtssache C‑445/03, Kommission/Luxemburg, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 20, Urteil vom 23. November 1999 in den verbundenen Rechtssachen C‑369/96 und C‑376/96, Arblade und Leloup, Slg. 1999, I‑8453, Randnr. 33, und Urteil Vander Elst, angeführt in Fußnote 2, Randnr. 14.


7 – Vgl. u. a. Urteil Kommission/Luxemburg, angeführt in der vorhergehenden Fußnote, Randnr. 21, und Urteil Arblade und Leloup, angeführt in der vorhergehenden Fußnote, Randnrn. 34 und 35.


8 – Urteil vom 27. März 1990 in der Rechtssache C‑113/89, Rush Portuguesa, Slg. 1990, I‑1417, Randnr. 17.


9 – Angeführt in Fußnote 2.


10 – Randnr. 18 des Urteils.


11 – Randnr. 24 des Urteils.


12 – Randnr. 25 des Urteils.


13 – Tenor des Urteils. Hervorhebung hinzugefügt.


14 – Urteil Arblade und Leloup, angeführt in Fußnote 6, Randnrn. 36 bis 38.


15 – Angeführt in Fußnote 6.


16 – Randnrn. 30 bis 36 des Urteils.


17 – Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 81, S. 1).


18 – Angeführt in Fußnote 2.


19 – Angeführt in Fußnote 6.


20 – Urteil Vander Elst, Randnr. 15; Urteil Kommission/Luxemburg, Randnr. 24.


21 – Angeführt in Fußnote 8, Randnr. 17.


22 – Vgl. Nr. 8 und die dort angeführte Rechtsprechung.


23 – Angeführt in Fußnote 8, Randnr. 17.


24 – Angeführt in Fußnote 6, Randnr. 38.


25 – Urteil Rush Portuguesa, angeführt in Fußnote 8, Randnr. 17.


26 – Angeführt in Fußnote 6, Randnr. 31.


27 – Vgl. u. a. Urteil Rush Portuguesa, angeführt in Fußnote 8, Randnr. 18, und Urteil Kommission/Luxemburg, angeführt in Fußnote 6, Randnr. 29.


28 – Angeführt in Fußnote 6, Randnr. 32.


29 – Angeführt in Fußnote 4.


30 – Angeführt in Fußnote 6.


31 – Randnr. 32.


32 – Vgl. u. a. Urteil Rush Portuguesa, angeführt in Fußnote 8, Randnr. 15, und Urteil Kommission/Luxemburg, angeführt in Fußnote 6, Randnr. 38.


33 – Vgl. u. a. Urteil Arblade und Leloup, angeführt in Fußnote 6, Randnr. 41.


34 – Vgl. zu diesem Punkt die Schlussanträge von Generalanwalt Tesauro in der Rechtssache Vander Elst, angeführt in Fußnote 6, Nr. 27, wo er einen ähnlichen Standpunkt einnimmt.