SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

M. POIARES MADURO

vom 8. September 20051(1)

Verbundene Rechtssachen C‑226/04 und C‑228/04

La Cascina Soc. coop. arl,

Zilch Srl

gegen

Ministero della Difesa und Ministero dell’Economia e delle Finanze,

Pedus Service,

Cooperativa Italiana di Ristorazione Soc. coop. arl (CIR),

Istituto nazionale per l’assicurazione contro gli infortuni sul lavoro (INAIL)

und

Consorzio G.f.M.

gegen

Ministero della Difesa,

La Cascina Soc. coop. arl

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale del Lazio [Italien])

„Öffentliche Ausschreibung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge – Voraussetzungen für den Ausschluss eines Dienstleistungserbringers – Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50/EWG – Nichterfüllung der Verpflichtungen zur Zahlung der Sozialbeiträge, Steuern und Abgaben“





1.     Das Tribunale amministrativo regionale del Lazio (Italien) hat dem Gerichtshof mit zwei Entscheidungen vom 22. April 2004 Fragen nach der Auslegung des Artikels 29 Absatz 1 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) vorgelegt; nach dieser Bestimmung können von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren Dienstleistungserbringer ausgeschlossen werden, die ihre Verpflichtungen zur Zahlung der Sozialbeiträge oder der Steuern und Abgaben nicht erfüllt haben. Da die Fragen in beiden Vorlageentscheidungen gleich sind, sind sie mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 30. Juni 2004 verbunden worden.

I –    Sachverhalt, rechtlicher Rahmen und Vorlagefragen

2.     Die La Cascina Soc. coop. arl (im Folgenden: La Cascina) und die Zilch Srl (im Folgenden: Zilch) nahmen im Rahmen befristeter Unternehmensvereinigungen ebenso wie das Consorzio G.f.M. (im Folgenden: G.f.M.) – die genannten Unternehmen haben ihren Sitz in Italien – an einer beschränkten beschleunigten Ausschreibung teil, die das Verteidigungsministerium im Einvernehmen mit dem Wirtschafts- und Finanzministerium zur Vergabe eines Auftrags über Versorgungsdienstleistungen für in Italien verstreut liegende Einrichtungen des Verteidigungsministeriums vorgenommen hatte. Die Ausschreibung war in 16 Lose aufgeteilt und wurde im Dezember 2002 veröffentlicht. Stichtag für den Empfang der Teilnahmeanträge war der 15. Januar 2003 und Stichtag für den Empfang der Angebote der 3. März 2003.

3.     Mit Entscheidung vom 4. Dezember 2003 schloss der Auftraggeber La Cascina, Zilch und G.f.M. vom Ausschreibungsverfahren aus. Soweit es um die Rechtssache C‑226/04 geht, war La Cascina als führendes Unternehmen der befristeten Vereinigung von Ausschreibungsteilnehmern ihren Verpflichtungen zur Zahlung der Sozialbeiträge für die Arbeitnehmer für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2002 nicht nachgekommen. Zilch, ein anderes Mitglied der Unternehmensgruppe, wurde mit derselben Entscheidung ausgeschlossen, da sie ihre Steuern für verschiedene Zeiträume zwischen 1997 und 2001 nicht gezahlt hatte. Bei der Rechtssache C‑228/04 werden G.f.M. Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der Verpflichtungen gegenüber dem INAIL (Istituto nazionale per l’assicurazione contro gli infortuni sul lavoro; öffentlicher Versicherungsträger für Arbeitsunfälle) vorgeworfen.

4.     Die Ausschlussentscheidung beruhe auf Artikel 12 Buchstaben d und e des Decreto legislativo Nr. 157 vom 17. März 1995 in der durch Artikel 10 des Decreto legislativo Nr. 65 vom 25. Februar 2000 geänderten Fassung(2), wonach die Personen „von der Teilnahme an Vergabeverfahren … ausgeschlossen [werden], die ihren nach italienischem Recht oder dem Recht ihres Niederlassungsstaats bestehenden Verpflichtungen zur Zahlung von Sozialbeiträgen für die Arbeitnehmer nicht nachgekommen sind [non sono in regola con] oder ihren nach italienischem Recht oder dem Recht ihres Niederlassungsstaats bestehenden Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern und Abgaben nicht nachgekommen sind [non sono in regola con]“.

5.     La Cascina und Zilch beantragten ebenso wie G.f.M. beim Tribunale amministrativo regionale del Lazio die Nichtigerklärung der Ausschlussentscheidung vom 4. Dezember 2003. La Cascina und G.f.M. machten u. a. geltend, sie seien lediglich im Rückstand gewesen und hätten die streitige Zahlung nachträglich vorgenommen. Zilch bestritt die Mitteilung des Ufficio centrale fiscale an die Vergabestelle und legte eine Bescheinigung des Ufficio periferico von Messina vor, wonach sie am 1. Januar 2003 keine Steuern oder Abgaben geschuldet habe. Sie machte zudem geltend, sie habe einen Antrag auf Anwendung eines Gesetzes zur Bereinigung von Steuerschulden gestellt, und es sei ihr Ratenzahlung gewährt worden.

6.     Der Auftraggeber erklärte hingegen vor dem nationalen Gericht, eine nachträgliche Bereinigung bedeute nicht, dass die Kläger bei Ablauf der Frist für die Einreichung ihrer Anträge auf Teilnahme an der Ausschreibung, d. h. am 15. Januar 2003, ihren Verpflichtungen nachgekommen seien.

7.     Wie das nationale Gericht, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist, festgestellt hat, setzt Artikel 12 Buchstaben d und e des Dekrets Nr. 157/1995 Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 in italienisches Recht um. Dieser Artikel 29 bestimmt: „Von der Teilnahme am Vergabeverfahren können Dienstleistungserbringer ausgeschlossen werden, … e) die ihre Verpflichtung zur Zahlung der Sozialbeiträge nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie ansässig sind, oder nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats des Auftraggebers nicht erfüllt haben; f) die ihre Verpflichtung zur Zahlung der Steuern und Abgaben nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats des Auftraggebers nicht erfüllt haben; … Verlangt der Auftraggeber vom Dienstleistungserbringer den Nachweis, dass die unter den Buchstaben a), b), c), e) oder f) genannten Fälle auf ihn nicht zutreffen, so akzeptiert er als ausreichenden Nachweis … im Fall der Buchstaben e) und f) eine von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats ausgestellte Bescheinigung.“

8.     Das vorlegende Gericht hat unterschiedliche Auslegungen in den Urteilen verschiedener italienischer Gerichte hinsichtlich der Anwendung des Artikels 12 des Dekrets Nr. 157/1995 festgestellt und ist zudem der Ansicht, dass dieses Dekret im Sinne der Richtlinie 92/50 auszulegen sei. Es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:

1.      Ist die genannte Richtlinie, beschränkt auf die erwähnten Vorschriften, dahin auszulegen, dass, wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber die Formulierungen „die ihre Verpflichtung zur Zahlung der Sozialbeiträge nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie ansässig sind, oder nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats des Auftraggebers nicht erfüllt haben [non abbia adempinto]“ oder „die ihre Verpflichtung zur Zahlung der Steuern und Abgaben nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats des Auftraggebers nicht erfüllt haben [non abbia adempinto]“ verwendet, diese sich einzig und allein darauf beziehen sollen, dass der Betreffende – bei Ablauf der Frist für die Stellung der Anträge auf Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung (oder, … jedenfalls vor Zuschlagserteilung) – diese Verpflichtungen durch vollständige und rechtzeitige Zahlung erfüllt hat?

2.      Ist demzufolge die italienische Umsetzungsvorschrift … – wonach anders als nach der genannten Gemeinschaftsvorschrift von einer Ausschreibung die Personen ausgeschlossen werden können, die „ihren nach italienischem Recht oder dem Recht ihres Niederlassungsstaats bestehenden Verpflichtungen zur Zahlung von Sozialbeiträgen für die Arbeitnehmer nicht nachgekommen sind [non sono in regola con]“ – oder „ihren nach italienischem Recht oder dem Recht ihres Niederlassungsstaats bestehenden Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern und Abgaben nicht nachgekommen sind [non sono in regola con]“ – zwingend dahin auszulegen, dass sie ausschließlich auf die – zum vorgenannten Zeitpunkt (Ablauf der Frist für die Stellung der Anträge auf Teilnahme oder unmittelbar vor der Zuschlagserteilung liegender Zeitpunkt, auch wenn der Zuschlag vorläufig ist) festzustellende – Nichterfüllung der sich daraus ergebenden Verpflichtungen abstellt, wobei jede spätere „Bereinigung“ der Situation des Verpflichteten irrelevant ist?

3.      Oder ist stattdessen … davon auszugehen, dass der nationale Gesetzgeber im Licht der Verpflichtungen, die bei der Umsetzung der mit der fraglichen Richtlinie vervollständigten Gemeinschaftsregelung für ihn bestehen, vorsehen kann, dass auch die Personen zu Ausschreibungen zugelassen werden können, die zwar bei Ablauf der Frist für die Teilnahme an der Ausschreibung ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen waren [non essendo „in regola“], ihre Situation jedoch vor der Zuschlagserteilung bereinigen (und dafür bestimmte Handlungen vornehmen) konnten?

4.      Wenn die in der dritten Frage genannte Auslegung möglich ist – und damit Vorschriften eingeführt werden können, die gegenüber der vom Gemeinschaftsgesetzgeber zum Ausdruck gebrachten engeren Bedeutung des Begriffes „Erfüllung“ flexibler sind –, verstößt dann diese gesetzliche Regelung gegen fundamentale gemeinschaftliche Grundsätze wie den der Gleichbehandlung aller Unionsbürger oder – beschränkt auf den Bereich der öffentlichen Ausschreibungen – den der gleichen Bedingungen für alle, die ihre Zulassung zu einer solchen Ausschreibung beantragt haben?

9.     La Cascina, Zilch, die österreichische und die italienische Regierung sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften haben am schriftlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen. Am 30. Juni 2005 hat eine Sitzung stattgefunden, in der La Cascina, Zilch, G.f.M., Pedus Service, die italienische Regierung und die Kommission ihren Standpunkt vorgetragen haben.

10.   Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich der Gerichtshof im Rahmen von Artikel 234 EG weder zur Auslegung nationaler Rechts- oder Verwaltungsvorschriften noch zu deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht äußern kann(3). Die Fragen des vorlegenden Gerichts müssen daher umformuliert werden. Anhand der Antworten kann das vorlegende Gericht die nationale Umsetzungsvorschrift im Einklang mit Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 auslegen. „Das Gebot einer gemeinschaftskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist [nämlich] dem EG-Vertrag immanent, da dem nationalen Gericht dadurch ermöglicht wird, im Rahmen seiner Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, wenn es über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit entscheidet.“(4) Daraus ergibt sich im vorliegenden Fall, dass die spezifischen Modalitäten des Ausschlusses potenzieller Bieter zwar durch das nationale Recht festzulegen sind(5), dass aber dem nationalen Gericht, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen betont hat, eine Auslegung des Artikels 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 an die Hand zu geben ist.

11.   Die erste und die vierte Vorlagefrage handeln von dem Ermessensspielraum, der dem nationalen Gesetzgeber verbleibt, wenn er Artikel 29 der Richtlinie 92/50 umsetzt. Die erste Frage enthält genauer gesagt zwei verschiedene Auslegungsprobleme. Zum einen will sich das vorlegende Gericht damit Klarheit verschaffen über die Folgen des von ihm festgestellten lexikalischen Unterschieds zwischen dem Wortlaut der Richtlinie und deren Umsetzung in nationales Recht. Zum anderen wird die Frage aufgeworfen, ob die Richtlinie eine vollständige und rechtzeitige Erfüllung der in Artikel 29 Buchstaben e und f genannten Zahlungsverpflichtungen erfordert. Die in der vierten Vorlagefrage erwähnten gemeinschaftlichen Rechtsgrundsätze sind für die Beantwortung dieser beiden Punkte zweckdienlich. Mit der zweiten und der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, bis zu welchem Zeitpunkt ein an einer Ausschreibung beteiligtes Unternehmen nachweisen kann, dass es seine Verpflichtungen zur Zahlung der Steuern und Abgaben sowie der Sozialbeiträge erfüllt hat. Ich befasse mich nun der Reihe nach mit der Bedeutung des festgestellten lexikalischen Unterschieds, mit der Auslegung der Wendung „seine Verpflichtungen erfüllen“ und sodann mit der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt ein Unternehmen diesen Nachweis erbringen kann.

II – Würdigung

A –    Die Bedeutung des lexikalischen Unterschieds zwischen Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 und der italienischen Regelung

12.   Das vorlegende Gericht hat einen lexikalischen Unterschied festgestellt zwischen der in der Richtlinie 92/50 enthaltenen Wendung „die ihre Verpflichtung [bezüglich der Steuern und Abgaben sowie der Sozialbeiträge] nicht erfüllt haben“ und der im italienischen Recht gebrauchten Wendung „non sono in regola“ mit den genannten Verpflichtungen. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist der Ausdruck „essere in regola con“ weiter gefasst als der Begriff „erfüllen“. Das vorlegende Gericht bezieht sich insbesondere auf die Möglichkeit, dass die Steuerbehörden einem Unternehmen eine Bereinigung zubilligen, die rückwirkend sein könnte.

13.   Erstens ist festzustellen, dass Artikel 29 der Richtlinie 92/50 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit bietet, die dort aufgeführten Ausschlussgründe vorzusehen. Die Mitgliedstaaten sind indessen nicht gehalten, derartige qualitative Auswahlkriterien aufzustellen(6). Die Italienische Republik hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, indem sie in ihren Rechtsvorschriften vorgesehen hat, dass Unternehmen, die „non sono in regola con“ ihren Verpflichtungen zur Zahlung der Sozialbeiträge sowie der Steuern und Abgaben [nicht nachgekommen sind], von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

14.   Zweitens ist festzustellen, dass der vom vorlegenden Gericht aufgezeigte lexikalische Unterschied zwischen der nationalen Vorschrift und dem Gemeinschaftstext nicht wesentlich erscheint, obgleich das Gericht diesen Unterschied in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gerückt hat. Eine Richtlinie legt nämlich ihrem Wesen nach die zu erreichenden Ziele fest, sie überlässt jedoch nach Artikel 249 EG den Mitgliedstaaten die Wahl der hierfür einzusetzenden Mittel. Zudem haben die Ausdrücke „essere in regola con“ und „adempiere“ [„erfüllen“] in Bezug auf gesetzliche Verpflichtungen keine unterschiedliche Bedeutung, zumal sie, wie die italienische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen zutreffend ausgeführt hat, in den Gemeinschaftsrichtlinien über öffentliche Ausschreibungen unterschiedslos verwendet werden, was sowohl auf die italienische Fassung als auch auf die übrigen sprachlichen Fassungen zutrifft(7).

15.   Auf die umformulierte erste Frage ist daher zu antworten, dass der in der Richtlinie 92/50 verwendete Ausdruck „seine Verpflichtungen erfüllen“ dahin ausgelegt werden kann, dass er so viel bedeutet wie „essere in regola con“ seinen Verpflichtungen [„nachkommen“], wie es in der italienischen Umsetzungsvorschrift heißt, da beide Formulierungen denselben Sinn haben.

B –    Der Ausdruck „seine Verpflichtungen erfüllen“ im Sinne von Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50

16.   Das vorlegende Gericht wirft drei zusammenhängende Auslegungsfragen auf, die erstens die Auswirkung einer verspäteten Zahlung, zweitens die Folgen einer von den Behörden genehmigten Ratenzahlung und drittens die Auswirkung der Einlegung eines administrativen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs, mit dem das Bestehen oder die Höhe einer Zahlungsverpflichtung in Frage gestellt wird, betreffen.

1.      Die Auswirkung einer verspäteten Zahlung

17.   Das vorlegende Gericht wirft erstens die Frage auf, ob Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 dahin auszulegen ist, dass die darin genannten Verpflichtungen durch „vollständige und rechtzeitige“ Zahlung erfüllt werden.

18.   La Cascina macht geltend, dass eine lediglich verspätete Zahlung keinen Ausschluss zur Folge haben könne, und trägt hierzu zwei Argumente vor. Zum einen erfasse die in Artikel 29 der Richtlinie 92/50 genannte Zahlungsverpflichtung nicht die tatsächliche Zahlung, sondern die gesamten vorbereitenden Tätigkeiten zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtung. Eine Auslegung, die so offensichtlich im Widerspruch zu Wortlaut und Geist der auszulegenden Bestimmung stehe, sei auszuschließen.

19.   Das zweite Argument von La Cascina ist schwerwiegender. Sie meint, systematisch gesehen, d. h. bei einem Vergleich der verschiedenen Ausschlussgründe des Artikels 29 der Richtlinie 92/50, wäre es absurd, eine erheblich verschuldete Gesellschaft zu einem Vergabeverfahren zuzulassen, sofern sie sich nicht im Konkursverfahren, im gerichtlichen Vergleichsverfahren oder in Liquidation befinde (Artikel 29 Buchstaben a und b der Richtlinie), aber einer leicht verschuldeten Gesellschaft die Teilnahme an diesem Vergabeverfahren mit der Begründung zu verwehren, sie sei mit der Erfüllung ihrer Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern und Abgaben oder von Sozialbeiträgen in Verzug. Daher könne eine verspätete Zahlung, die von einer nicht geleisteten Zahlung zu unterscheiden sei, nicht zu einem Ausschluss nach Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie führen.

20.   Zunächst ist festzustellen, dass die systematische Auslegung es dem Gerichtshof zwar häufig ermöglicht, den Sinn einer Bestimmung zu klären, dass aber die von La Cascina vorgeschlagene Auslegung dem Wortlaut des Artikels 29 widerspricht.

21.   Sodann ist die Idee von La Cascina falsch, dass die dem Staat oder öffentlichen Einrichtungen geschuldeten Steuern, Abgaben oder Sozialbeiträge zusammen mit den Schulden gegenüber anderen Gläubigern im Ganzen zu berücksichtigen seien, um die Zahlungsfähigkeit eines Bieters festzustellen, denn dies würde voraussetzen, dass diese beiden Kategorien von Außenständen gleichartig sind, was jedoch nicht der Fall ist.

22.   Schließlich kann die Argumentation von La Cascina keinen Erfolg haben, weil sie auf einer unzutreffenden Beurteilung der Ziele beruht, die mit den qualitativen Auswahlkriterien der Richtlinie verfolgt werden. Insoweit hat der Gerichtshof bereits im Urteil Holst Italia(8) festgestellt, dass „die in Abschnitt VI Kapitel 2 der Richtlinie 92/50 festgelegten Eignungskriterien lediglich die Regeln für die sachliche Prüfung der Leistungsfähigkeit der Bieter … definieren [sollen]“. Die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens hängt aber nicht allein von seiner Zahlungsfähigkeit ab. Zu den Kriterien der qualitativen Auswahl gehören nämlich auch solche, die die persönliche Lage des Bieters, seine finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und seine Fachkunde, seine Effizienz, seine Erfahrung und seine Zuverlässigkeit betreffen. Wie die italienische Regierung zu Recht ausführt, ist das mit Artikel 29 der Richtlinie verfolgte Ziel gerade in der Gewährleistung der Zuverlässigkeit der Bieter zu sehen(9).

23.   Genauer gesagt, Artikel 29 Buchstaben e und f veranlasst die Unternehmen zur Zahlung ihrer Steuern, Abgaben und Sozialbeiträge. Diese Bestimmung ermöglicht es dem Auftraggeber zugleich, einträgliche öffentliche Aufträge nur an Unternehmen zu vergeben, die zuvor die verschiedenen Abgaben gezahlt haben, so dass die Steuerinteressen des Staates gewahrt werden.

24.   Es ist festzustellen, dass die in Artikel 29 der Richtlinie 92/50 genannten Ausschlussgründe nicht nur die Zahlungsfähigkeit des Dienstleistungserbringers, die Gegenstand des Artikels 31 der Richtlinie ist, gewährleisten sollen, sondern auch verhindern sollen, dass ein Bieter aus der Nichtzahlung seiner Steuern, Abgaben oder Sozialbeiträge einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern zieht. Der Ausschluss von Unternehmen, die ihren Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern, Abgaben und Sozialbeiträgen nicht nachgekommen sind, ist also dadurch gerechtfertigt, dass die Chancengleichheit der Bewerber gefährdet wäre, wenn Unternehmen, die ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, am Vergabeverfahren teilnehmen könnten.

25.   Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bewerber liegt dem Vergaberecht zugrunde(10) und bietet die Gewähr dafür, dass alle potenziellen Mitbewerber bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote über die gleichen Chancen verfügen(11). Dieser Grundsatz ist ausdrücklich in Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/50 enthalten, in dem es heißt, dass „die Auftraggeber dafür sorgen, dass keine Diskriminierung von Dienstleistungserbringern stattfindet“.

26.   Somit ist Artikel 29 der Richtlinie 92/50 dahin auszulegen, dass er Gründe für den Ausschluss von Mitbewerbern um einen Auftrag im Sinne des Grundsatzes der Gleichbehandlung aufzählt. Ein solcher Ausschluss bringt notwendigerweise eine Begrenzung des gleichzeitig mit der Richtlinie 92/50 verfolgten Zieles der Wettbewerbsförderung mit sich(12). Diese Begrenzung ist jedoch dem System der Richtlinie eigen, wonach der Wettbewerb zwischen Dienstleistungserbringern nur insoweit gefördert werden soll, als dabei der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bewerber gewahrt wird(13).

27.   Da der Ausschluss eines Bewerbers, der seinen Verpflichtungen zur Zahlung von Sozialbeiträgen oder Steuern und Abgaben nicht nachgekommen ist, der Gewährleistung der Gleichbehandlung der Bieter dient, ist keine Unterscheidung zwischen unterbliebener und verspäteter Zahlung zu treffen. Könnte sich nämlich ein Unternehmen auf eine solche Verspätung berufen, um einen Ausschluss vom Vergabeverfahren nach Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 zu vermeiden, so würde dadurch die Anwendung dieser Bestimmung erheblich eingeschränkt. Der nach dieser Bestimmung erforderliche Nachweis besteht indessen nicht in der Absicht des betreffenden Unternehmens, seiner gesetzlichen Zahlungsverpflichtung zu einem späteren Zeitpunkt nachzukommen – diese Absicht wäre im Übrigen sehr schwer nachzuweisen –, sondern in der tatsächlichen Zahlung der geschuldeten fälligen Beträge(14). Der nichtdiskriminierende Charakter des Verfahrens der Auswahl der Dienstleistungserbringer kann nur durch ein objektiv definiertes Kriterium gewahrt werden. Die Anwendung des Artikels 29 Buchstaben e und f erfordert demgemäß die objektive Feststellung, dass das betreffende Unternehmen den genannten Zahlungsverpflichtungen tatsächlich nachgekommen ist.

2.      Die Folgen einer Ratenzahlung

28.   Das vorlegende Gericht möchte sich zweitens Klarheit darüber verschaffen, wie sich eine von den Behörden genehmigte Ratenzahlung auf die Beurteilung der Frage auswirkt, ob ein Unternehmen seinen Verpflichtungen im Sinne von Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 nachgekommen ist. Hierbei bezieht sich das Gericht auf ein Urteil des Tribunale amministrativo regionale per la Puglia Nr. 1114 vom 12. Februar 2004, wonach Artikel 12 des Dekrets Nr. 157/1995 nicht nur auf Unternehmen anzuwenden sei, die Hinterziehungen begangen hätten, sondern auch auf solche, die ihre Beiträge nicht gezahlt hätten. Dagegen könnten Unternehmen, bei denen Verfahren zur Begleichung der Schulden durch Fristverlängerung oder Ratenzahlung liefen oder die administrative oder gerichtliche Rechtsbehelfe eingelegt hätten, sofern darüber noch nicht endgültig entschieden sei, nicht aufgrund des genannten Artikels ausgeschlossen werden.

29.   Zunächst ist zu bemerken, dass sich Höhe und Fälligkeit der Steuerpflichten und der Sozialbeiträge auf jeden Fall nach dem nationalen Recht bestimmen. Hat indessen die Steuerverwaltung oder sonstige zuständige Behörde eine Ratenzahlung der von einem Unternehmen geschuldeten Sozialbeiträge genehmigt, so kann dieses Unternehmen, vorbehaltlich der Auslegung des nationalen Rechts durch das betreffende Gericht, wohl nicht mehr als im Zahlungsverzug befindlich angesehen werden.

30.   Außerdem liegt im Fall des Artikels 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50, worauf die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen hingewiesen hat, die Beweislast bei dem Unternehmen, das an der Ausschreibung teilnehmen möchte. Ein Unternehmen, dem die Verwaltung eine Ratenzahlung für seine Abgabenschuld eingeräumt hat oder das seine Lage bei der Steuerverwaltung bereinigt hat, erhält, um bei der Formulierung des vorlegenden Gerichts zu bleiben, eine Bescheinigung dieser Behörde, aus der hervorgeht, dass es seine Verpflichtungen im Sinne von Artikel 29 der Richtlinie 92/50 erfüllt hat(15).

3.      Die Auswirkungen der Einlegung eines administrativen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs

31.   Der letzte Punkt, den das vorlegende Gericht im Zusammenhang mit der Auslegung von Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 aufwirft, betrifft den Fall, dass ein Unternehmen gegen eine Verwaltungsentscheidung einen administrativen oder gerichtlichen Rechtsbehelf eingelegt hat, um den Betrag der von ihm geforderten Sozialbeiträge oder Steuern und Abgaben anzufechten. Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass La Cascina mit zwei Schreiben vom 6. Februar 2002 an das INAIL administrative Rechtsbehelfe eingelegt hat. Das vorlegende Gericht verweist insoweit auf ein Urteil des Tribunale amministrativo regionale per l’Umbria Nr. 890 vom 30. November 2002, das der Ansicht war, dass das betreffende Unternehmen in Anbetracht der Anfechtung der Steuerpflicht beim Finanzgericht nicht von der Teilnahme am Vergabeverfahren mit der Begründung ausgeschlossen werden konnte, dass es seinen Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern und Abgaben nicht nachgekommen sei. Der Consiglio di Stato(16) habe, so führt das vorlegende Gericht aus, denselben Gedanken entwickelt.

32.   Die italienische Regierung hat in ihren schriftlichen Erklärungen die Auffassung vertreten, dass auch im Fall der Erhebung einer Klage, um den geforderten Betrag der Steuern, Abgaben oder Sozialbeiträge anzufechten, festgestellt werden könne, dass das betreffende Unternehmen seine Verpflichtungen im Sinne von Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 nicht erfüllt habe. Die Regierung hat jedoch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass, wenn die Klage vor dem Antrag auf Teilnahme am Vergabeverfahren erhoben worden sei, dies einen Ausschluss des Unternehmens verhindern könne, sofern der Auftraggeber vom Vorliegen der Klage unterrichtet worden sei.

33.   Die von der Kommission in der mündlichen Verhandlung vertretene Ansicht ist ebenfalls nuanciert, da sie vorschlägt, zwischen dem Fall, in dem derjenige, der den Rechtsbehelf einlegt, einen Verwaltungsfehler geltend macht, und dem zu unterscheiden, in dem der Steuerpflichtige nur ein Entgegenkommen von der Verwaltung anstrebt. Eine Bieterzulassung werde nur im erstgenannten Fall erteilt.

34.   La Cascina und Zilch erklären hingegen, die durch Artikel 24 der italienischen Verfassung geschützte Beachtung der Verteidigungsrechte schließe die Annahme aus, dass ein Unternehmen, das einen administrativen oder gerichtlichen Rechtsbehelf eingelegt habe, seinen steuer- oder sozialrechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei.

35.   Das Gemeinschaftsrecht – im vorliegenden Fall Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 – sieht nur den Ausschluss eines Unternehmens vor, das die in diesem Artikel genannten Verpflichtungen nicht erfüllt hat. Es ist hingegen Sache des nationalen Rechts, den von einem Unternehmen für Steuern, Abgaben oder Sozialbeiträgen geschuldeten Betrag festzulegen und zu bestimmen, welche Folgen die Einlegung eines administrativen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs für die Situation eines Unternehmens gegenüber der Verwaltung hat.

36.   Unleugbar kann die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung der Steuerverwaltung je nach dem betreffenden nationalen Recht unterschiedliche Rechtsfolgen haben. So ist etwa in den verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich geregelt, ob ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat und unter welchen Voraussetzungen diese Wirkung vom Gericht zuerkannt wird(17). Somit könnte die Verschiedenartigkeit der nationalen Rechtsvorschriften zur Folge haben, dass einigen Unternehmen, die einen Rechtsbehelf eingelegt haben, die Möglichkeit einer Teilnahme am Vergabeverfahren gewährt wird, während andere Unternehmen, die in einem anderen Mitgliedstaat zahlungspflichtig sind, von demselben Verfahren ausgeschlossen werden, da bei ihnen nicht davon auszugehen ist, dass sie ihren steuer- und sozialrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen sind.

37.   Da jedoch die Einlegung eines Rechtsbehelfs der Ausübung eines Rechts entspricht, sollte sie nicht automatisch zum Ausschluss desjenigen, der ihn einlegt, von jeder öffentlichen Ausschreibung führen, zumal sie als solche nicht der Zuverlässigkeit des Unternehmens im Sinne von Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 abträglich sein kann. Der Ausschluss eines Unternehmens wegen eines von ihm eingelegten Rechtsbehelfs wäre umso lästiger, als er angefochten und zu einer Entschädigung führen könnte, wenn das betreffende Unternehmen am Ende des Verfahrens obsiegt. Unter bestimmten Umständen könne eine Nichtigerklärung der Ausschlussentscheidung zur Nichtigerklärung der Zuschlagserteilung führen.

38.   Hätte andererseits die bloße Einlegung eines Rechtsbehelfs automatisch zur Folge, dass das betreffende Unternehmen zum Vergabeverfahren zugelassen werden müsste, so bestünde die Gefahr, dass die Unternehmen veranlasst würden, Rechtsbehelfe missbräuchlich oder zu Verzögerungszwecken einzulegen. Unterläge außerdem ein Unternehmen mit seinem Rechtsbehelf, nachdem es den Zuschlag erhalten hat, so wären seine Mitbewerber benachteiligt und könnten das Vergabeverfahren nicht in Frage stellen.

39.   Das Gemeinschaftsrecht schreibt keine Wahl für diese Alternative vor. Die Richtlinie 92/50 lässt den Staaten nämlich einen Spielraum für die Beurteilung der Frage, ob Unternehmen, die einen Rechtsbehelf eingelegt haben, ihren Steuerpflichten nachgekommen sind. Diese Sachlage richtet sich nach der nationalen Rechtsordnung des Herkunftslandes der Bewerberunternehmen, während sich die Folgen für die Zulassung zum Vergabeverfahren nach dem Recht des Auftraggebers bestimmen, sofern die Verteidigungsrechte und der Grundsatz der Gleichbehandlung der Unternehmen gewahrt werden. Hierdurch unterliegen alle potenziellen Ausschreibungsteilnehmer einheitlichen Regeln.

40.   Die erforderlichen Garantien für die Ausübung der Verteidigungsrechte bei Einlegung eines Rechtsbehelfs bestimmen sich nach dem nationalen Recht und den Verfahrensmodalitäten dieses Rechts nach Maßgabe ihrer Anwendung durch die nationalen Gerichte (wie z. B. im vorliegenden Fall durch den Consiglio di Stato), vorbehaltlich der Einhaltung der fundamentalen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts(18).

41.   Das Erfordernis der Gleichbehandlung der Bewerber gebietet es, dass die steuerliche Situation der Unternehmen, die sich nach dem nationalen Recht des Herkunftslandes richtet, bezüglich der Folgen für ihre Zulassung zum Vergabeverfahren in gleicher Weise anerkannt wird. Somit entspricht die italienische Rechtsordnung, nach der insbesondere aufgrund von Verfassungsprinzipien den Unternehmen, die einen Rechtsbehelf gegen eine Abgabenschuld eingelegt haben, nicht aus diesem Grund die Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung verwehrt werden darf, den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, sofern eine gleiche Regelung für alle Ausschreibungsteilnehmer gilt, die von einem gleichartigen Rechtsbehelf in einem anderen Mitgliedstaat Gebrauch gemacht haben.

42.   Demgemäß steht Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 nicht einer nationalen Vorschrift oder einer Auslegung der nationalen Vorschriften entgegen, wonach bei einem Unternehmen, das einen administrativen oder gerichtlichen Rechtsbehelf eingelegt hat, bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung davon auszugehen ist, dass es seine Verpflichtungen erfüllt hat.

43.   Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die umformulierte zweite Frage zu antworten, dass der Ausdruck „seine Verpflichtungen erfüllen“ im Sinne von Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 dahin auszulegen ist, dass er die tatsächliche Erfüllung der betreffenden Zahlungsverpflichtungen erfordert, deren Höhe und Fälligkeit sich nach dem nationalen Recht bestimmen, und einer nationalen Vorschrift oder einer Auslegung der nationalen Vorschriften nicht entgegensteht, wonach bei einem Unternehmen, das einen administrativen oder gerichtlichen Rechtsbehelf eingelegt hat, bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung davon auszugehen ist, dass es seine Verpflichtungen erfüllt hat.

C –    Die Frist für den Nachweis der Erfüllung der Eignungskriterien

44.   Die dritte dem Gerichtshof vorgelegte Frage betrifft die Frist, innerhalb deren die Unternehmen nachweisen müssen, dass sie die in Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 genannten qualitativen Auswahlkriterien erfüllen. Zunächst ist zu bemerken, dass hierfür, wie die österreichische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen vorgetragen hat, ein einheitlicher Zeitpunkt feststehen muss. Somit wären a priori drei Zeitpunkte denkbar, nämlich der Ablauf der Frist für den Teilnahmeantrag, der Ablauf der Frist für die Abgabe der Angebote oder der Zeitpunkt der Zuschlagserteilung.

45.   Nach Ansicht der Kommission muss der relevante Zeitpunkt der des Ablaufs der Frist für den Antrag auf Teilnahme am Vergabeverfahren sein. Nach der von der österreichischen Regierung vertretenen Auffassung kann der Dienstleistungserbringer den Nachweis, dass er seine Verpflichtungen zur Zahlung der Steuern, Abgaben oder Sozialbeiträge erfüllt hat, bis zum Ablauf der Frist für die Abgabe der Angebote erbringen. La Cascina und Zilch hingegen erklären, es stehe einem Unternehmen frei, die Erfüllung der qualitativen Auswahlkriterien nachzuweisen, solange die vorläufige Vergabe des Auftrags noch nicht stattgefunden habe.

46.   Es steht fest, dass das durch die Richtlinie 92/50 errichtete System der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge zwei Stadien umfasst, nämlich zum einen die Auswahl der Bewerber für die Teilnahme am Wettbewerb nach Maßgabe ihrer technischen und finanziellen Leistungsfähigkeit und anderer qualitativer Kriterien und zum anderen die Auswahl der abgegebenen Angebote nach den Zuschlagskriterien(19). Diese Aufteilung des Vergabeverfahrens in zwei Phasen ist allen Richtlinien über öffentliche Aufträge gemeinsam(20).

47.   Die konzeptionelle Aufteilung in zwei unterschiedliche Phasen entspricht meistens einer zeitlichen Trennung dieser Phasen. So fordert der Auftraggeber die Wirtschaftsteilnehmer zunächst auf, innerhalb einer bestimmten Frist ihr Interesse an einem Auftrag zu bekunden und nachzuweisen, dass sie die qualitativen Auswahlkriterien für den betreffenden Auftrag erfüllen. Am Ende dieser ersten Phase wird für die zugelassenen Bieter eine neue Frist festgesetzt, innerhalb deren sie ein vollständiges Angebot abgeben können. Schließlich wird der endgültige Zuschlag nach den vorher dafür festgelegten Kriterien erteilt.

48.   Die Festlegung zweier unterschiedlicher Phasen bei der Vergabe nutzt sowohl dem Auftraggeber, der nur die Angebote von Unternehmen prüft, deren Leistungsfähigkeit nachgewiesen ist, als auch den Bietern, die sich nur dann der notwendigen Mühe einer Ausarbeitung eines solchen Angebots unterziehen, wenn ihre Leistungsfähigkeit den Anforderungen des Auftraggebers entspricht.

49.   Ist die Auftragsvergabe in dieser Weise organisiert, können die Unternehmen die Erfüllung der qualitativen Kriterien nur bis zum Ablauf der Frist für den Antrag auf Teilnahme am Vergabeverfahren nachweisen. Eine Fristverlängerung über diesen Zeitpunkt hinaus würde praktisch bedeuten, dass es dem Auftraggeber verwehrt wäre, über die Eignung der Unternehmen für die Teilnahme am Vergabeverfahren vor einer detaillierten Prüfung der Angebote zu befinden(21).

50.   Das Vergabeverfahren kann jedoch auch, ohne gegen die Richtlinie 92/50 zu verstoßen, nur eine einzige Phase umfassen. Die Unterscheidung zwischen den Kriterien für die Auswahl der Wirtschaftsteilnehmer und den Kriterien für den Zuschlag eines Auftrags bedeutet nicht, dass die Prüfung dieser Kriterien stets zeitlich getrennt stattfinden muss. In den Urteilen Beentjes und GAT wird vielmehr festgestellt, dass, „auch wenn die Richtlinie 93/36 … es nicht ausschließt, die Prüfung der fachlichen Eignung der Bieter und der Zuschlag des Auftrags gleichzeitig erfolgen können, … die beiden Vorgänge doch unterschiedlichen Regeln [unterliegen]“(22). Aus dieser auf die Auslegung der Richtlinie 92/50 übertragbaren Rechtsprechung geht hervor, dass es dem Auftraggeber freisteht, die Erfüllung der qualitativen Auswahlkriterien durch die Bewerber, aus der ihr Anspruch auf Teilnahme am Vergabeverfahren erwächst, und die Angebote der Bewerber nach den Kriterien für den Zuschlag des Auftrags gleichzeitig zu prüfen.

51.   In diesem Rahmen könnte der Nachweis, dass die qualitativen Auswahlkriterien erfüllt sind, bis zum Ablauf der Frist für die Abgabe der Angebote erbracht werden. Da der Auftraggeber nämlich die Erfüllung dieser Kriterien und die abgegebenen Angebote gleichzeitig prüft, ist es nicht zweckmäßig, zwei unterschiedliche Fristen für die Angaben zu diesen Kriterien einerseits und zu den Angeboten andererseits festzulegen. Dagegen wird hinterher kein Nachweis mehr für die Erfüllung der qualitativen Auswahlkriterien mehr zulässig sein, da jede spätere Änderung der Unterlagen eines Unternehmens nach Ablauf dieser Frist die Gleichbehandlung der Bewerber zunichte machen würde(23).

52.   Könnte außerdem ein Unternehmen nach dem Zuschlag des Auftrags noch nachweisen, dass es die qualitativen Auswahlkriterien erfüllt, so würden die beiden Phasen des Vergabeverfahrens miteinander vermengt. Wie die italienische Regierung hierzu bemerkt, bestünde auch die Gefahr, dass die Unternehmen ihren Steuerpflichten erst dann nachkommen, wenn sie Kenntnis von einem für sie günstigen Verlauf des Vergabeverfahrens haben. Es kann jedoch nicht angehen, dass die Unternehmen in dieser Weise ihre Steuerpflichten in eine Kosten‑Nutzen‑Rechnung einbeziehen und die Begleichung ihrer Schulden gegenüber dem Staat ungebührlich aufschieben.

53.   Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die umformulierte dritte Frage zu antworten, dass ein Unternehmen bis zum Ablauf der Frist für den Teilnahmeantrag nachweisen kann, dass es die qualitativen Auswahlkriterien für eine Auftragsvergabe erfüllt, es sei denn, dass der Auftraggeber die Erfüllung der Auswahlkriterien und die Angebote der Bewerber gleichzeitig prüft, wobei in diesem Fall die anwendbare Frist die für die Einreichung der Angebote ist.

III – Ergebnis

54.   Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen des Tribunale amministrativo regionale del Lazio wie folgt zu beantworten:

1.      Der in der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge verwendete Ausdruck „seine Verpflichtungen erfüllen“ kann dahin ausgelegt werden, dass er so viel bedeutet wie „essere in regola con“ seinen Verpflichtungen [„nachkommen“], wie es in der italienischen Umsetzungsvorschrift heißt, da beide Formulierungen denselben Sinn haben.

2.      Der Ausdruck „seine Verpflichtungen erfüllen“ im Sinne von Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 ist dahin auszulegen, dass er die tatsächliche Erfüllung der betreffenden Zahlungsverpflichtungen erfordert, deren Höhe und Fälligkeit sich nach dem nationalen Recht bestimmen, und einer nationalen Vorschrift oder einer Auslegung der nationalen Vorschriften nicht entgegensteht, wonach bei einem Unternehmen, das einen administrativen oder gerichtlichen Rechtsbehelf eingelegt hat, bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung davon auszugehen ist, dass es seine Verpflichtungen erfüllt hat.

3.      Ein Unternehmen kann bis zum Ablauf der Frist für den Antrag auf Teilnahme an einem Vergabeverfahren nachweisen, dass es die qualitativen Auswahlkriterien für eine Auftragsvergabe gemäß Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 erfüllt, es sei denn, dass der Auftraggeber die Erfüllung der Auswahlkriterien und die Angebote der Bewerber gleichzeitig prüft, wobei in diesem Fall die anwendbare Frist die für die Einreichung der Angebote ist.


1 – Originalsprache: Portugiesisch.


2 – Diese Dekrete wurden im GURI Nr. 104 vom 6. Mai 1995 und im GURI Nr. 70 vom 24. März 2000 (im Folgenden: Dekret Nr. 157/1995) veröffentlicht.


3 – Vgl. z. B. Urteil vom 23. Januar 2003 in der Rechtssache C‑57/01 (Makedoniko Metro und Michaniki, Slg. 2003, I‑1091, Randnr. 55 und die dort zitierte Rechtsprechung).


4 – Urteil vom 5. Oktober 2004 in der Rechtssache C‑397/01 (Pfeiffer, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 114). Das Gebot einer gemeinschaftskonformen Auslegung beruhte ursprünglich zum Teil auf Artikel 10 EG; vgl. Randnr. 26 des Urteils vom 10. April 1984 in der Rechtssache 14/83 (Von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891), in der es heißt: „Allerdings ist klarzustellen, dass die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in dieser vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 EWG-Vertrag, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten obliegen, und zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten.“ Vgl. auch Urteil vom 13. November 1990 in der Rechtssache C‑106/89 (Marleasing, Slg. 1990, I‑4135, Randnr. 8). Siehe hierzu S. Prechal, Directives in EC Law, 2. Auflage, Oxford, 2005.


5 – Bezüglich der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54) in der Fassung der Richtlinie 2001/78/EG der Kommission vom 13. September 2001 (ABl. L 285, S. 1, im Folgenden: Richtlinie 93/37) vgl. Urteil vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C‑470/99 (Universale-Bau u. a., Slg. 2002, I‑11617), in dessen Randnr. 88 es heißt: „Aus ihrem Titel und ihrer zweiten Begründungserwägung ergibt sich, dass die Richtlinie 93/37 lediglich die Koordinierung der einzelstaatlichen Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge bezweckt und somit keine umfassende Gemeinschaftsregelung in diesem Bereich vorsieht (u. a. Urteil vom 27. November 2001 in den Rechtssachen C‑285/99 und C‑286/99, Lombardini und Mantovani, Slg. 2001, I‑9233, Randnr. 33).“


6 – In Artikel 29 der Richtlinie 92/50 heißt es nämlich: „können … ausgeschlossen werden“ (Hervorhebung von mir).


7 – Für öffentliche Bauaufträge findet sich das Gegenstück zu Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 in Artikel 24 Buchstaben e und f der Richtlinie 93/37. Die italienische Fassung des letztgenannten Artikels lautet: „che non sia in regola“; die französische: „qui n’est pas en règle“, die spanische: „que no esté al corriente“, die portugiesische: „não tenham cumprido“, die englische: „has not fulfilled“ und die deutsche: „nicht erfüllt haben“. Artikel 20 Absatz 1 Buchstaben e und f der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. L 199, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 2001/78 verwendet ebenfalls den Ausdruck „qui n’est pas en règle“ für die französische Fassung, während für die italienische Fassung „non abbia adempiuto“ und für die portugiesische Fassung „não tenham cumprido“ gewählt wurde. Artikel 45 Absatz 2 Buchstaben e und f der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) ist bezeichnend, da er die Bestimmungen verschiedener Richtlinien, insbesondere der Richtlinien 92/50 und 93/37, vereinheitlichen soll. Die französische Fassung verwendet den Ausdruck: „qui n’est pas en règle“, die italienische: „che non sia in regola“, die spanische: „que no esté al corriente“, die portugiesische: „não tenham cumprido“, die englische: „has not fulfilled“ und die deutsche: „nicht erfüllt haben“.


8 – Urteil vom 2. Dezember 1999 in der Rechtssache C‑176/98 (Slg. 1999, I‑8607, Randnr. 25).


9 – In dieser Hinsicht kann auf Nr. 26 der Schlussanträge von Generalanwalt Léger in der vorgenannten Rechtssache Holst Italia verwiesen werden, wonach die qualitativen Auswahlkriterien auch dem Schutz des Auftraggebers dienen sollen.


10 – Urteile vom 18. November 1999 in der Rechtssache C‑275/98 (Unitron Scandinavia und 3-S, Slg. 1999, I‑8291, Randnr. 31), vom 7. Dezember 2000 in der Rechtssache C‑94/99 (ARGE, Slg. 2000, I‑11037, Randnr. 24), vom 7. Dezember 2000 in der Rechtssache C‑324/98 (Telaustria und Telefonadress, Slg. 2000, I‑10745, Randnr. 61), vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C‑92/00 (HI, Slg. 2002, I‑5553, Randnr. 45) und vom 19. Juni 2003 in der Rechtssache C‑315/01 (GAT, Slg. 2003, I‑6351, Randnr. 73). Wegen der früheren ständigen Rechtsprechung dazu vgl. Nrn. 20 und 21 der Schlussanträge von Generalanwalt Tizzano in der vorgenannten Rechtssache HI. Vgl. auch die zweite Begründungserwägung der Richtlinie 2004/18, in der es heißt: „Die Vergabe von Aufträgen in den Mitgliedstaaten auf Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften und anderer Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist an die Einhaltung der im Vertrag niedergelegten Grundsätze gebunden, insbesondere des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, des Grundsatzes der Niederlassungsfreiheit und des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit sowie der davon abgeleiteten Grundsätze wie z. B. des Grundsatzes der Gleichbehandlung, des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der Transparenz.“


11 – Bezüglich der Richtlinie 93/37 vgl. Urteil Universale-Bau (Randnr. 93).


12 – Dieses Ziel kommt in der zwanzigsten Begründungserwägung der Richtlinie 92/50 wie folgt zum Ausdruck: „Um Praktiken zu unterbinden, die zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen und die insbesondere der Auftragsvergabe an Angehörige anderer Mitgliedstaaten entgegenstehen, muss bei den Vergabeverfahren ein besserer Zugang für Dienstleistungserbringer gewährleistet werden.“ Das Ziel wird auch in Artikel 13 Absatz 5 dieser Richtlinie wie folgt ausgedrückt: „In jedem Fall muss die Zahl der Bewerber, die zur Teilnahme aufgefordert werden, ausreichen, um einen echten Wettbewerb zu gewährleisten“, ebenso wie in Artikel 27 Absatz 2 Unterabsatz 2: „Auf jeden Fall muss die Zahl der Bewerber, die zum Bieten zugelassen werden, ausreichen, um einen echten Wettbewerb zu gewährleisten.“ Bezüglich der Richtlinie 93/37 vgl. auch Urteil vom 7. Oktober 2004 in der Rechtssache C‑247/02 (Sintesi, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35).


13 – Vgl. P. Cassia, Contrats publics et principe communautaire d’égalité de traitement, RTDE, 2002, S. 413, 420: „Der Gleichbehandlungsgrundsatz der Gemeinschaft trägt zur Entwicklung eines wirksamen Wettbewerbs bei der Vergabe und Ausführung öffentlicher Aufträge bei.“


14 – Wie aus Artikel 35 Absatz 3 Unterabsätze 1 und 2 der Richtlinie 92/50 hervorgeht, verhindert es der periodische Charakter der Verpflichtungen zur Zahlung von Sozialbeiträgen, Steuern und Abgaben, dass zugunsten der in den offiziellen Listen zugelassenen Dienstleistungserbringer die Vermutung besteht, dass sie die Eignungskriterien des Artikels 29 Buchstaben e und f dieser Richtlinie erfüllen.


15 – Hat die Behörde dem Antrag auf Ratenzahlung der Steuer- oder Beitragsschuld zum relevanten Zeitpunkt, zu dem das betreffende Unternehmen nachweisen muss, dass es diese Verpflichtungen erfüllt hat, noch nicht stattgegeben, so ist logischerweise nicht davon auszugehen, dass dieses Unternehmen den Bestimmungen des Artikels 29 der Richtlinie 92/50 Genüge leistet.


16 – V. Kammer, 1. Dezember 2003, Nr. 7836. Urteil in Anlage 3 zu den schriftlichen Erklärungen von La Cascina vor dem Gerichtshof.


17 – Verleiht das nationale Recht dem Rechtsbehelf eines Unternehmens aufschiebende Wirkung, so ist bis zur endgültigen Entscheidung über seine Forderungen davon auszugehen, dass das Unternehmen seine Verpflichtungen im Sinne von Artikel 29 Buchstaben e und f der Richtlinie 92/50 erfüllt hat. Sieht das nationale Recht hingegen keine aufschiebende Wirkung für die Zahlungsverpflichtung vor, so muss das Unternehmen, das den Rechtsbehelf eingelegt hat, seine Zahlungsverpflichtung erfüllen, um der genannten Bestimmung Genüge zu tun, wobei eine etwaige spätere Erstattung zugunsten dieses Unternehmens vorbehalten bleibt. Diese schematische Darstellung ist natürlich nicht abschließend; so kann die aufschiebende Wirkung für die Zahlungsverpflichtung z. B. an die Bedingung geknüpft sein, dass das betreffende Unternehmen eine Garantiezahlung leistet.


18 – Vgl. Urteil vom 10. November 1993 in der Rechtssache C‑60/92 (Otto, Slg. 1993, I‑5683, Randnr. 14).


19 – Im Urteil Beentjes heißt es in Randnr. 15: „… stellen im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags die Prüfung der Eignung der Unternehmer für die Ausführung der zu vergebenden Arbeiten einerseits und der Zuschlag des Auftrags andererseits zwei verschiedene Vorgänge dar.“ Vgl. auch die Schlussanträge von Generalanwalt Darmon in dieser Rechtssache, der in Nr. 36 ausführt: „Damit trifft die Richtlinie eine klare Unterscheidung zwischen den Kriterien für die Prüfung der fachlichen Eignung, die die Eigenschaften des Unternehmers betreffen, und denjenigen für die Erteilung des Zuschlags, die sich auf die Eigenschaften der angebotenen Leistung – also der Arbeiten, die zu verrichten sich der Unternehmer bereiterklärt, beziehen.“ Vgl. auch Urteil GAT, Randnr. 59.


20 – Diese Systematik aller Richtlinien über öffentliche Aufträge wird in der Richtlinie 2004/18 beibehalten. Artikel 45 dieser Richtlinie übernimmt die qualitativen Kriterien, die für die Wirtschaftsteilnehmer, die sich um einen Auftrag bewerben, gelten können.


21 – Dem Auftraggeber verbleibt hingegen bis zur Vergabe des Auftrags die Möglichkeit, festzustellen, dass ein Unternehmen die qualitativen Auswahlkriterien nicht erfüllt.


22 – Urteile Beentjes, Randnr. 16, und GAT, Randnr. 60.


23 – Vgl. entsprechend Urteil Makedoniko Metro und Michaniki, in dem die Richtlinie 93/37 dahin ausgelegt wird, dass sie nicht einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Zusammensetzung einer Bietergemeinschaft, die an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags teilnimmt, nach Abgabe der Angebote nicht mehr geändert werden kann.