SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE Kokott

vom 15. Dezember 2005(1)

Rechtssache C-221/04

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Königreich Spanien

„Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen – Jagd unter Verwendung von Schlingen mit einer Arretierung – Kastilien und León – Begriff der Absicht“





I –    Einleitung

1.     Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien darüber, ob es mit der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (im Folgenden: Habitatrichtlinie)(2) vereinbar ist, in bestimmten Jagdrevieren die Fuchsjagd unter Verwendung von Schlingen mit einer Arretierung zu genehmigen.

2.     Die Habitatrichtlinie untersagt u. a. die absichtliche Tötung und das absichtliche Fangen von Fischottern (Lutra lutra). Die Kommission befürchtet, dass in den genehmigten Schlingen nicht nur – wie vorgesehen – Füchse gefangen werden, sondern auch Fischotter.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Die Regelungen der Habitatrichtlinie

3.     Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a der Habitatrichtlinie lautet wie folgt:

„Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet:

a)       alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten;

…“

4.     Artikel 12 Absatz 4 der Habitatrichtlinie ergänzt den Schutz wie folgt:

„Die Mitgliedstaaten führen ein System zur fortlaufenden Überwachung des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens der in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten ein. Anhand der gesammelten Informationen leiten die Mitgliedstaaten diejenigen weiteren Untersuchungs- oder Erhaltungsmaßnahmen ein, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass der unbeabsichtigte Fang oder das unbeabsichtigte Töten keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die betreffenden Arten haben.“

5.     Der Fischotter ist in Anhang IV Buchstabe a der Habitatrichtlinie genannt, der Fuchs dagegen nicht.

B –    Das Übereinkommen von Bern

6.     Ähnliche Bestimmungen wie Artikel 12 der Habitatrichtlinie enthält Artikel 6 des Übereinkommens von Bern über die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume(3):

„Jede Vertragspartei ergreift die geeigneten und erforderlichen gesetzgeberischen und Verwaltungsmaßnahmen, um den besonderen Schutz der in Anhang II aufgeführten wildlebenden Tierarten sicherzustellen. In Bezug auf diese Arten ist insbesondere zu verbieten:

a.       jede Form des absichtlichen Fangens, des Haltens und des absichtlichen Tötens;

b.      das mutwillige Beschädigen oder Zerstören von Brut- oder Raststätten;

c.       das mutwillige Beunruhigen wildlebender Tiere, vor allem während der Zeit des Brütens, der Aufzucht der Jungen und des Überwinterns, soweit dieses Beunruhigen in Bezug auf die Ziele dieses Übereinkommens von Bedeutung ist;

…“(4)      

III – Sachverhalt, Vorverfahren und Klageanträge

7.     Gegenstand des Vertragsverletzungsverfahrens ist die Genehmigung der Jagd auf Füchse unter Verwendung von Schlingen mit einer Arretierung. Es handelt sich um Genehmigungen vom 10. Januar 2000 und 13. Dezember 2002 betreffend das Jagdrevier SA-10.328 bei Aldeanueva de la Sierra in der Provinz Salamanca und vom 24. Mai 2001 betreffend das Jagdrevier AV-10.198 bei Mediana de la Voltoya in der Provinz Avila. Beide Provinzen sind Teil der Region Kastilien-León.

8.     Im Einzelnen sehen die Genehmigungen vor, dass nur Füchse gejagt werden dürfen. Die Arretierungsvorrichtung der Schlinge verhindert, dass die gefangenen Tiere erdrosselt werden. Die Schlingen müssen täglich, vorzugsweise am frühen Morgen, kontrolliert werden.

9.     Die Genehmigung vom 24. Mai 2001 betreffend das Jagdgebiet AV-10.198 bei Mediana de la Voltoya galt vom 3. Mai bis zum 15. Juni 2001.

10.   Für das Jagdgebiet SA-10.328 bei Aldeanueva de la Sierra war schon in der Genehmigung vom 10. Januar 2000 zusätzlich vorgesehen, dass andere Tiere als Füchse unverzüglich freizulassen waren, wenn sie gefangen werden. Die Schlingen durften nur in Anwesenheit eines „Agente Forestal“(5) aufgestellt oder versetzt werden. Die Genehmigung vom 13. Dezember 2002 modifiziert diese Genehmigung und enthält weitere Bedingungen. Die Schlingen dürfen danach nur durch so genannte Jagdwächter („guarda de caza“(6)) aufgestellt bzw. versetzt werden. In Uferbereichen dürfen Schlingen nicht aufgestellt werden. Der Standort der Schlingen ist der Jagdbehörde innerhalb von 10 Tagen nach Erlass der Genehmigung mitzuteilen.

11.   Die Kommission erhielt durch Beschwerden Kenntnis von den Genehmigungen und forderte am 19. April 2001 sowie am 21. Dezember 2001 die spanische Regierung zur Stellungnahme auf. Am 3. April 2003 folgte eine begründete Stellungnahme.

12.   Mit ihrer Klage beantragt die Kommission,

–       festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 12 Absatz 1 und Anhang VI der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen verstoßen hat, dass die Behörden von Kastilien und León in verschiedenen privaten Jagdrevieren das Auslegen von Schlingen mit Bremsvorrichtung erlaubt haben;

–       dem Königreich Spanien die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

13.   Das Königreich Spanien beantragt,

–       die Klage wegen mangelnder Bestimmtheit des Klagegegenstandes, mangelnder Beweise und mangelnder Kennzeichnung der behaupteten Verstöße als unzulässig abzuweisen;

–       hilfsweise, die eingereichte Klage zurückzuweisen;

–       der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

IV – Würdigung

A –    Zulässigkeit

14.   Die spanische Regierung erhebt verschiedene Einwände gegen die Zulässigkeit der Klage.

15.   Zunächst wendet sich die spanische Regierung dagegen, dass die Klage auf die Genehmigungen vom 24. Mai 2001 betreffend das Jagdgebiet AV-10.198 bei Mediana de la Voltoya in der Provinz Avila und vom 13. Dezember 2002 betreffend das Jagdgebiet SA-10.328 bei Aldeanueva de la Sierra in der Provinz Salamanca erstreckt wurde. Die erste Genehmigung sei bereits am 29. Mai 2001 von den zuständigen Stellen wieder aufgehoben worden. Die zweite Genehmigung sei erstmals in der begründeten Stellungnahme erwähnt worden.

16.   Was die Genehmigung vom 24. Mai 2001 angeht, so ist unerheblich, ob sie – was die Kommission mit Nichtwissen bestreitet – bereits am 29. Mai 2001 aufgehoben wurde. Sie ist nämlich gemäß der Befristung unter Punkt 7 der Genehmigung spätestens am 15. Juni 2001 außer Kraft getreten.

17.   Gemäß Artikel 226 EG kann die Kommission den Gerichtshof anrufen, wenn der betroffene Staat der begründeten Stellungnahme nicht innerhalb der von der Kommission gesetzten Frist nachkommt. Die Genehmigung vom 24. Mai 2001 entfaltete jedoch schon lange vor Übermittlung der begründeten Stellungnahme vom 3. April 2003 keine rechtliche Wirkung mehr. Folglich konnte Spanien auch keine Maßnahmen ergreifen, um der begründeten Stellungnahme in Bezug auf diese Genehmigung nachzukommen. Daher ist die Klage insofern unzulässig.(7)

18.   In Bezug auf die Genehmigung vom 13. Dezember 2002 trägt die Kommission in der Klage zwar zunächst vor, diese sei in der begründeten Stellungnahme nur als Beispiel genannt worden, macht sie allerdings dann konkret zum Klagegegenstand. Dies begründet sie damit, dass diese Genehmigung nur die Genehmigung vom 10. Januar 2000 verlängere.

19.   Die Kommission beruft sich insofern zutreffend auf die Rechtsprechung, wonach sie in einer Klage wegen Vertragsverletzung Umstände beanstanden kann, die sogar erst nach Abgabe der begründeten Stellungnahme eintraten, aber von derselben Art sind wie diejenigen, die in dieser Stellungnahme erwähnt waren und die demselben Verhalten zugrunde liegen.(8) Es kann nämlich nicht angehen, dass ein Mitgliedstaat durch Veränderungen der beanstandeten Maßnahmen während des Vorverfahrens dieses Verfahren ständig weiter verzögert. Die Genehmigung vom 13. Dezember 2002 modifiziert und ergänzt zwar die Bedingungen der Schlingenjagd in dem betreffenden Revier, doch sie beendet sie nicht.

20.   Die Ausführungen der Kommission in der Klageschrift zu dieser Genehmigung sind zwar nicht ohne Widersprüche, doch bringen sie klar zum Ausdruck, dass die Kommission diese Genehmigung in den Klagegegenstand einbezieht. Da die Genehmigung zum frühestmöglichen Zeitpunkt – in der begründeten Stellungnahme – auch erwähnt wurde, kommt dieser Vorwurf für Spanien auch nicht überraschend.

21.   Soweit die spanische Regierung in der Gegenerwiderung vorträgt, die Kommission könne nicht einzelne Genehmigungen zum Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens machen, ohne zugleich das mit diesen Genehmigungen angewandte Umsetzungsrecht anzugreifen, verkennt sie das Ermessen der Kommission bei der Durchführung von Vertragsverletzungsverfahren. Als Hüterin des Vertrages kann die Kommission die Feststellung einer Vertragsverletzung mit dem Vorbringen beantragen, dass das mit einer Richtlinie bezweckte Ergebnis in einem bestimmten Fall nicht erreicht worden sei.(9)

22.   Weiter beanstandet die spanische Regierung, dass die Kommission während des Vorverfahrens Vorwürfe hinsichtlich der Übereinstimmung des spanischen Rechts mit der Habitatrichtlinie, der Gefährdung von anderen Tierarten als dem Fischotter und der Jagd mit Tellereisen erhoben, die Klage dann aber auf die Gefährdung des Fischotters durch die Genehmigung der Schlingenjagd beschränkt habe. Diese Einwände können die Zulässigkeit der Klage allerdings nicht in Frage stellen. Die notwendige Übereinstimmung zwischen dem Vorverfahren und der Klage schließt es nämlich nicht aus, den Streitgegenstand einzuschränken.(10)

23.   Aus der Gesamtheit der Einwände hinsichtlich der erfassten Genehmigungen und der nicht mehr verfolgten Vorwürfe leitet die spanische Regierung jedoch ab, dass das Vorverfahren insgesamt mit erheblichen Mängeln behaftet sei. Statt den Streitgegenstand im Mahnschreiben festzulegen, habe die Kommission das Vorverfahren genutzt, um schrittweise den Gegenstand der Klage festzulegen.

24.   Mit diesem Vorwurf verkennt die spanische Regierung jedoch Funktion und Wirkungsweise des Vorverfahrens gemäß Artikel 226 EG. Es trifft zu, dass die Aufforderung zur Stellungnahme – das „Mahnschreiben“ – den Gegenstand des Rechtsstreits eingrenzen soll.(11) Auch muss die Kommission in der begründeten Stellungnahme die Rügen genau bezeichnen, die sie bereits allgemeiner im Mahnschreiben geltend gemacht hat und die sie gegenüber dem betroffenen Mitgliedstaat erhebt, nachdem sie gegebenenfalls dessen gemäß Artikel 226 Absatz 1 EG abgegebene Äußerung zur Kenntnis genommen hat.(12) Wie bereits dargelegt, schließt dies jedoch weder eine Beschränkung des Streitgegenstandes aus noch eine Erstreckung auf spätere Maßnahmen, die mit den beanstandeten Maßnahmen im Wesentlichen übereinstimmen. Vielmehr ist es eine zentrale Funktion des Vorverfahrens, Vorwürfe zu konkretisieren, die zu Beginn des Verfahrens noch relativ allgemeiner Natur waren, und die Punkte zu identifizieren, die nicht weiter verfolgt werden müssen.

25.   Weiterhin meint die spanische Regierung, die Klageschrift genüge nicht den Anforderungen von Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung. Damit meint sie vermutlich Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, wonach die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss(13). Diese Darstellung muss hinreichend klar und deutlich sein, um dem Beklagten die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gerichtshof die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe zu ermöglichen. Folglich müssen sich die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die eine Klage gestützt wird, zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben(14).

26.   Die Klageschrift im vorliegenden Fall entspricht diesen Anforderungen. Die Kommission wendet sich gegen drei genau bezeichnete Genehmigungen, weil sie nach ihrer Auffassung aufgrund der Gefährdung des Fischotters Artikel 12 Absatz 1 und Anhang VI der Habitatrichtlinie verletzen.

27.   Die spanische Regierung trägt schließlich vor, die Klage sei mangels Rechtsgrundlage unzulässig. Dieser Einwand wäre begründet, wenn die Kommission keinen Vorstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vortragen würde. Hier behauptet die Kommission jedoch, Spanien habe Artikel 12 Absatz 1 und Anhang VI der Habitatrichtlinie – also Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts – verletzt. Tatsächlich wendet sich die spanische Regierung gegen die Begründung der Klage. Dies ist jedoch keine Frage der Zulässigkeit, sondern eine Frage der Begründetheit der Klage. Folglich ist auch dieser Einwand zurückzuweisen.

28.   Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Klage unzulässig ist, soweit sie sich gegen die Genehmigung vom 24. Mai 2001 betreffend das Jagdrevier AV-10.198 bei Mediana de la Voltoya in der Provinz Avila wendet. Im Übrigen ist sie zulässig.

B –    Begründetheit

29.   Daher ist zu prüfen, ob die Genehmigung der Fuchsjagd mit Schlingen im Jagdrevier SA-10.328 bei Aldeanueva de la Sierra in der Provinz Salamanca Artikel 12 Absatz 1 und Anhang VI der Habitatrichtlinie verletzt.

1.      Zu Anhang VI der Habitatrichtlinie

30.   Anhang VI der Habitatrichtlinie enthält eine Liste verbotener Methoden und Mittel des Fangs, der Tötung und Beförderung. Für Säugetiere nennt Buchstabe a zehnter Spiegelstrich Fallen, die grundsätzlich oder nach ihren Anwendungsbedingungen nicht selektiv sind.

31.   Die aufgezählten Methoden und Mittel sind allerdings nicht zwangsläufig und in jedem Fall verboten, sondern nur nach Maßgabe von Artikel 15 der Habitatrichtlinie. Dies ist die einzige Bestimmung der Habitatrichtlinie, die auf Anhang VI Bezug nimmt. Sie untersagt den Gebrauch aller nichtselektiven Geräte, insbesondere der in Anhang VI genannten, in Bezug auf den Fang oder das Töten der in Anhang V Buchstabe a genannten wild lebenden Tierarten sowie in den Fällen, in denen Ausnahmen gemäß Artikel 16 für die Entnahme, den Fang oder die Tötung der in Anhang IV Buchstabe a genannten Arten gemacht werden. Selbst in diesen Fällen sind die nichtselektiven Geräte nur verboten, wenn sie das örtliche Verschwinden von Populationen dieser Tierarten hervorrufen könnten oder sie schwer gestört werden könnten.

32.   Die streitgegenständliche Genehmigung bezieht sich auf den Fuchs, der weder in Anhang IV Buchstabe a noch in Anhang V der Habitatrichtlinie genannt wird. Daher ist das Verbot nichtselektiver Geräte nicht anwendbar. Ein Verstoß gegen Anhang VI der Habitatrichtlinie kann somit nicht festgestellt werden.

2.      Zu Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie

33.   Somit ist zu prüfen, ob die Genehmigung Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie verletzt. Danach sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen. Dieses soll nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten verbieten.

34.   Im Hinblick auf die Reichweite des Verbots von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a ist klarzustellen, dass sich der dort verwendete Begriff der Absicht sowohl auf den Fang als auch auf die Tötung der geschützten Tiere bezieht. Das widerspricht zwar der französischen Fassung, in der der Begriff „intentionnelle“, im Singular verwendet, nur auf die Tötung bezogen ist, doch folgt es aus den anderen Sprachfassungen, in denen die Richtlinie verabschiedet wurde. In Spanisch, Deutsch, Griechisch und Portugiesisch bezieht sich die Absicht ohne jeden Zweifel auf beide Handlungen. Im Englischen, Niederländischen und Dänischen könnte man die Absicht entweder nur auf das Fangen oder auf beide Handlungen beziehen. Nur die italienische Fassung könnte man wie die französische Fassung auslegen, doch ist es auch im Italienischen möglich, die Absicht auf beide Handlungen zu beziehen. Im Übrigen entspricht es auch dem Übereinkommen von Bern, das durch die Habitatrichtlinie und die Vogelschutzrichtlinie(15) für die Gemeinschaft umgesetzt wird,(16) die Absicht grammatikalisch auf beide Handlungen zu beziehen.

35.   Daher ist zu prüfen, ob die Genehmigung mit dem in Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie geforderten strengen Schutzsystem vereinbar ist, das den absichtlichen Fang und die absichtliche Tötung von Fischottern untersagen soll.

a)      Zur „absichtlichen“ Beeinträchtigung von Fischottern

36.   Die Genehmigung wäre schon dann mit Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie unvereinbar, wenn etwaige Beeinträchtigungen von Fischottern bei der Ausübung der Genehmigung absichtlich(17) geschehen würden.

37.   Im deutschen Strafrecht würde Absicht voraussetzen, dass die Tötung oder der Fang geschützter Tierarten das Ziel der Handlung ist. In eine ähnliche Richtung weisen auch das französische intentionelle und das englische deliberate. Diesen beiden Sprachfassungen kommt besondere Bedeutung für die Auslegung zu, da insofern das Übereinkommen von Bern mit der Richtlinie übereinstimmt. Das französische intentionelle korrespondiert mit intention, dem Begriff für Vorsatz im französischen Strafrecht(18). Im französischen Recht setzt Vorsatz sowohl das Wissen als auch das Wollen der Tatverwirklichung voraus. Dagegen ist der Eventualvorsatz – dolus eventualis bzw. dol éventuel, das Wissen um die Tatverwirklichung und ihre billigende Inkaufnahme – dem Vorsatz ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht gleichgestellt(19). Das englische deliberate ist in der Rechtssprache nicht vergleichbar besetzt. Der dem deutschen Vorsatz entsprechende englische Begriff ist intention. Trotzdem dürfte auch deliberate die Elemente des Wissens und des Wollens implizieren.

38.   Nach dieser – vor allem an der strafrechtlichen Begriffsnutzung orientierten – Wortlautauslegung von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a der Habitatrichtlinie müssten Handlungen nur untersagt werden, wenn sie mit dem Wissen und dem Willen der Beeinträchtigung geschützter Arten durchgeführt werden. Praktisch würden diese Verbote nur wenigen direkt auf geschützte Tierarten ausgerichteten Handlungen entgegenstehen, z. B. der Jagd, der Bekämpfung als Schädlinge oder der Tierquälerei.

39.   Andererseits spricht die Resolution 1/89 vom 9. Juni 1989(20) des ständigen Ausschusses zum Übereinkommen von Bern dafür, dass zumindest die Begriffe intentionelle/deliberate in diesem Abkommen unter Umständen auch weiter verstanden werden müssen. In Bezug auf Fortpflanzungs- und Ruhestätten nach Artikel 6 Buchstabe b des Übereinkommens sind diese Begriffe nämlich so zu verstehen, dass sie auch Handlungen erfassen, die nicht mit dem Ziel durchgeführt werden, Fortpflanzungs- und Ruhestätten zu beschädigen, sondern nur mit dem Wissen, dass sie wahrscheinlich zu solchen Schäden führen werden.

40.   Systematisch ist zu berücksichtigen, dass das strenge Schutzsystem nach Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie durch Artikel 12 Absatz 4 der Habitatrichtlinie und die Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden(21) – dort insbesondere Artikel 5 – ergänzt wird.

41.   Artikel 12 Absatz 4 der Habitatrichtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten den unbeabsichtigten Fang und die unbeabsichtigte Tötung von Exemplaren der geschützten Tierarten überwachen und gegebenenfalls besondere Schutzmaßnahmen ergreifen.(22)

42.   Nach Artikel 5 der Richtlinie 2004/35 müssen vorhersehbare Schädigungen geschützter Arten vermieden werden, wenn sie erhebliche nachteilige Auswirkungen in Bezug auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands haben. Es muss sich folglich regelmäßig um Ereignisse handeln, die eine größere Zahl von Exemplaren betreffen. Diese Verpflichtung gilt grundsätzlich für berufliche Tätigkeiten bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit sowie bei bestimmten – meist industriellen – Tätigkeiten sogar unabhängig davon.

43.   Der Gerichtshof hat sich mit dem Begriff der Absicht im Rahmen von Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie anlässlich des Vertragsverletzungsverfahrens zur geschützten Meeresschildkröte Caretta caretta beschäftigt.(23) Diese streng zu schützende Art nutzt nur noch einige wenige Strände im Mittelmeer zur Fortpflanzung. Die wichtigsten Strände befinden sich in der Bucht von Laganas auf der griechischen Insel Zakynthos. Die Nutzung dieser Strände als Brutplatz der Schildkröte wird beeinträchtigt, wenn am Strand Mopeds verkehren, sich dort Liegestühle und Sonnenschirme befinden sowie illegale Bauwerke errichtet werden und im vorgelagerten Meeresgebiet Tretboote und andere kleine Boote fahren. Alle diese Tätigkeiten waren daher durch Verbotsschilder untersagt.

44.   Da die Kommission bei Besuchen der Insel feststellte, dass diese Störungen in großem Umfang stattfanden, erhob sie eine Klage auf Feststellung, dass Griechenland Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie verletzt habe.

45.   Generalanwalt Léger stellte in seinen Schlussanträgen zu dieser Sache darauf ab, dass die Benutzung der Mopeds, das Aufstellen von Liegestühlen und Sonnenschirmen sowie die Errichtung illegaler Bauten absichtlich waren und geeignet, die betreffende Art in einer Zeit zu stören, in der diese nach dem Gemeinschaftsrecht in besonderem Maß zu schützen ist.(24) Somit bezog er die Absicht der jeweils Handelnden primär auf ihr jeweiliges Verhalten, nicht aber auf die Beeinträchtigung der Tiere.

46.   Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht. Der Begriff der Absicht in Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a und b der Habitatrichtlinie bezieht sich auf die zu untersagenden Beeinträchtigungen geschützter Tierarten. Er würde fast jeder Funktion entleert, wenn es ausreichen würde, dass eine Beeinträchtigung nur anlässlich einer Handlung geschieht, die von einer anderweitig orientierten Absicht getragen wird. Darüber hinaus würden auch die ergänzenden Schutzvorschriften nach Artikel 12 Absatz 4 der Habitatrichtlinie und Artikel 5 der Richtlinie 2004/35 ihrer praktischen Wirkung weitgehend beraubt, wenn bereits jede in Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a und b der Habitatrichtlinie erfasste Beeinträchtigung verboten wäre, soweit sie nur durch absichtliches Verhalten verursacht wird.

47.   Ein anderer Begriff der Absicht lag dem Urteil zugrunde. Da trotz der Verbotsschilder am Strand Mopeds gefahren wurden und sich dort Anlegestellen befanden, bewertete der Gerichtshof dies als absichtliche Störungen der Meeresschildkröte während der Fortpflanzungszeit im Sinne des Artikels 12 Absatz 1 Buchstabe b der Habitatrichtlinie(25).

48.   Diese Schlussfolgerung könnte so zu verstehen sein, dass Absicht bereits vorliegt, wenn der Handelnde nach den Umständen des Falles hätte wissen müssen, dass sein Verhalten geschützte Arten gefährdet. Damit würde bereits bloße Fahrlässigkeit Absicht im Sinne von Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie sein.

49.   Es ist allerdings nicht anzunehmen, dass der Gerichtshof den Begriff der Absicht so weit ausdehnen wollte, dass Absicht unabhängig vom Willen des Handelnden vorliegen kann. In allen drei untersuchten Sprachfassungen enthält der Begriff der Absicht nämlich ein sehr starkes Willenselement. Daher muss die Darstellung des Sachverhalts so verstanden werden, dass das Wissen der Benutzer von Mopeds und Booten um die Gefährdung der Schildkröten angesichts der Warnschilder zu vermuten war. Aus diesem Wissen war zugleich abzuleiten, dass sie eine Schädigung der geschützten Schildkröten zumindest in Kauf nahmen. Maßstab für die Absicht ist daher, ob die Gefährdung geschützter Tierarten bekannt war und trotzdem in Kauf genommen wurde.

50.   Eine weitere Beschränkung des Absichtsbegriffs auf seine strafrechtliche Bedeutung stünde im Widerspruch zum Begriff des „strengen Schutzsystems“, das durch die in Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie aufgeführten Verbote verwirklicht werden soll. Ein Schutzsystem, das die Tötung, den Fang oder die Störung der Arten von gemeinschaftlichem Interesse nur bei wenigen, direkt auf diese Arten ausgerichteten Handlungen untersagt, es aber zulässt, dass die Schädigung dieser Arten bei einer Vielzahl anderer Handlungen bewusst in Kauf genommen wird, kann nicht als „streng“ bezeichnet werden.

51.   Anders als die von Generalanwalt Léger vorgeschlagene Auslegung führt die Auslegung des Gerichtshofes auch nicht zur Verdrängung von Artikel 12 Absatz 4 der Habitatrichtlinie und der Richtlinie 2004/35.

52.   Artikel 12 Absatz 4 der Habitatrichtlinie erfasst bei dieser Auslegung des Absichtsbegriffs nämlich die Fälle, in denen die Gefahr für die geschützten Arten nicht in Kauf genommen wird. Die eventuell notwendigen Schutzmaßnahmen können insbesondere darin bestehen, ein entsprechendes Gefährdungsbewusstsein durch Aufklärung oder Warnungen zu schaffen.

53.   Was die Richtlinie 2004/35 angeht, so ist der Schutz des Artikels 5 bei den zu vermeidenden Schäden enger gefasst, doch bei den notwendigen subjektiven Elementen deutlich weiter. Zu vermeiden sind nämlich nur erhebliche nachteilige Auswirkungen in Bezug auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands, während die Verbote des Artikels 12 Absatz 1 auch für Beeinträchtigungen gelten, die weniger intensive Auswirkungen haben, weil sie nur einzelne Exemplare betreffen. Die Vermeidungspflicht der Richtlinie 2004/35 gilt allerdings grundsätzlich auch für fahrlässiges Verhalten, bei bestimmten – im Wesentlichen industriellen – Tätigkeiten sogar unabhängig von Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Die Auslegung des Absichtsbegriffs durch den Gerichtshof verhindert somit, dass zwischen dem Schutz einzelner Exemplare durch Artikel 12 der Habitatrichtlinie und dem Schutz der Populationen durch die Richtlinie 2004/35 eine Schutzlücke entsteht, belässt der Richtlinie 2004/35 aber noch einen eigenen Anwendungsbereich.

54.   Folglich ist von einer absichtlichen Beeinträchtigung geschützter Tierarten auszugehen, wenn die Beeinträchtigung aus einer Handlung resultiert, bei der der Handelnde um die Gefährdung der geschützten Tiere wusste und sie in Kauf nahm.

55.   In diesen Begriff der Absicht lässt sich auch der Vortrag der Kommission einordnen. Sie meint, dass in einem Gebiet, wo der Fischotter nachgewiesen ist, die Jagd mit nichtselektiven Mitteln nicht als unabsichtliche Jagd einer geschützten Art angesehen werden könne. Die Bezugnahme auf den Fuchs sei ein reiner Formalismus.

56.   Die Kommission stellt somit auf das objektive Risiko ab, das mit der Verwendung nichtselektiver Jagdmethoden verbunden ist. Daraus leitet sie implizit die Inkaufnahme der Gefährdung geschützter Tierarten ab. Diese Schlussfolgerung ist allerdings nur dann zulässig, wenn die Jäger wussten, dass Exemplare dieser Arten im Wirkungsbereich der jeweiligen Jagdmethode vorkommen.

57.   Im vorliegenden Fall liegen allerdings keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Jäger bei der Aufstellung von Schlingen um eine Gefährdung von Fischottern wussten. Während bekannt war, dass die Strände von Zakynthos einer der wenigen Brutplätze der Meeresschildkröte Caretta caretta im Mittelmehr sind, ist zwischen den Parteien immer noch umstritten, ob Fischotter überhaupt in dem hier betroffenen Jagdrevier vorkommen. Noch während des Verwaltungsverfahrens hat die Kommission den Fischotter nur als eine weitere betroffene Art erwähnt und vor allem den iberischen Luchs (Lynx pardinus) in den Vordergrund gestellt. Bis zum Nachweis des Gegenteils kann daher auch den Jägern nicht unterstellt werden, sie seien sich des Vorkommens von Fischottern in ihren Revieren und damit ihrer Gefährdung bewusst.

58.   Darüber hinaus befanden sich am Strand von Zakynthos Verbotsschilder, die das fragliche Verhalten ausdrücklich untersagten. Dagegen wurde im vorliegenden Fall die Aufstellung von Schlingen sogar genehmigt. Daher mussten die Jäger davon ausgehen, ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften sei nicht zu erwarten.

59.   Folglich könnte eine etwaige Beeinträchtigung von Fischottern durch die Schlingenjagd nicht als absichtlich qualifiziert werden.

b)      Zu den Anforderungen an eine Genehmigung

60.   Fraglich ist allerdings auch, ob eine staatliche Genehmigung bereits dann mit dem strengen Schutzsystem des Artikels 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie vereinbar ist, wenn die genehmigten Handlungen nicht zwangsläufig gegen die ausdrücklichen Verbote der Buchstaben a bis d verstoßen.

61.   Auch insofern enthält das Urteil zur Meeresschildkröte Caretta caretta wertvolle Hinweise. Griechenland hat nach diesem Urteil Artikel 12 der Habitatrichtlinie nämlich auch dadurch verletzt, dass die Schutzbestimmungen vor Ort in Zakynthos nicht ausreichten, um den wirksamen Schutz der Schildkröte bei der Fortpflanzung zu gewährleisten(26). Darüber hinaus wurde Griechenland verurteilt, weil es die bestehenden Regelungen zum Schutz der Schildkröte nicht wirksam gegenüber ständigen Verletzungen durchgesetzt hat(27).

62.   Die Mitgliedstaaten können sich folglich nicht darauf beschränken, allgemeine, am Wortlaut von Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie orientierte Verbote aufzustellen. Vielmehr müssen sie unter Umständen auch spezifische Regelungen erlassen und durchsetzen, um eine geschützte Art an bestimmten Orten zu schützen, wenn diese Orte für die Erhaltung der Art von herausragender Bedeutung und die Art dort besonderen Risiken ausgesetzt ist.(28)

63.   Zwar verlangt die Kommission im vorliegenden Fall nicht, zum Schutz des Fischotters derartige ortsbezogene Schutzbestimmungen festzulegen oder durchzusetzen, doch sie beanstandet die Genehmigung der Schlingenjagd.

64.   Wenn aber Mitgliedstaaten sogar verpflichtet sein können, aktiv besondere, ortsbezogene Schutzbestimmungen für geschützte Tierarten zu erlassen und durchzusetzen, dann müssen sie im Rahmen ihrer Genehmigungstätigkeit erst recht berücksichtigen, ob die genehmigten Maßnahmen die geschützten Tierarten beeinträchtigen.

65.   Bei dieser präventiven Anwendung von Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie kann es nicht darauf ankommen, ob die jeweils handelnden Individuen die geschützten Tiere absichtlich beeinträchtigen. Entscheidend ist vielmehr, ob die zuständigen Stellen davon ausgehen müssen, dass das genehmigte Verhalten die nach Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie zu untersagenden Schäden verursachen wird. Wenn dies der Fall ist, dann darf die betreffende Genehmigung nur nach Maßgabe der in Artikel 16 der Habitatrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen erteilt werden. Andernfalls würden die zuständigen Stellen mittelbar die Verbote des Artikels 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie verletzen.

66.   Diese Verpflichtung der zuständigen Stellen setzt keinen Vorsatz im strafrechtlichen Sinne voraus. Das subjektive Element des Vorsatzes ist auf eine Behörde nicht anwendbar. Vielmehr müssen diese Stellen die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse verwenden.(29) Unter Umständen kann es notwendig sein, weitere Informationen zu erheben, um allgemeine Erkenntnisse auf den jeweiligen Einzelfall anzuwenden.

67.   Folglich ist zu prüfen, ob die spanischen Stellen bei der Genehmigung der Schlingenjagd ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen davon ausgehen durften, dass Fischotter nicht beeinträchtigt würden.

68.   Bei der Beurteilung dieser Frage ist das gesamte dem Gerichtshof vorgelegte Material zu berücksichtigen. Zwar trägt die spanische Regierung erstmals in der Gegenerwiderung ausdrücklich vor, die kartographisch innerhalb des Jagdreviers SA-10.328 bei Aldeanueva de la Sierra dargestellten Bäche würden häufig kein Wasser führen, doch ist diese Behauptung kein neues Beweismittel, dessen Verspätung nach Artikel 42 § 1 der Verfahrensordnung der Begründung bedürfte. Vielmehr hat die spanische Regierung bereits in ihrer Antwort auf das erste Mahnschreiben vorgetragen, dass ein Vorkommen des Fischotters wegen der Eigenschaften des Geländes unwahrscheinlich sei. Diesen Vortrag erläutert der Hinweis auf das Austrocknen der Gewässer. Darüber hinaus hat die Kommission erstmals in der Klageerwiderung die fraglichen Bäche erwähnt.

69.   Was die Publikationen angeht, die die spanische Regierung mit der Gegenerwiderung und die Kommission nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens vorlegten, so sind diese keine Beweismittel im eigentlichen Sinne. Es handelt sich nur um Hinweise auf öffentlich bekannte Tatsachen, welche die jeweilige Auffassung unterstützen sollen.

70.   Nach Prüfung dieser Beweismittel verbleibende Zweifel gehen zu Lasten der Kommission, da sie im Vertragsverletzungsverfahren die Verletzung des Gemeinschaftsrechts beweisen muss.(30)

71.   Ob in dem Jagdrevier SA-10.328 Fischotter vorkommen, ist zwischen den Parteien umstritten. Die Kommission stützt sich auf einen von spanischen Stellen erstellten Standarddatenbogen für einen spanischen Gebietsvorschlag zum Netzwerk Natura 2000, das Gebiet „Quilamas“. Danach soll der Fischotter in dem vorgeschlagenen Gebiet vorkommen. „Quilamas“ hat eine Fläche von über 10 000 Hektar. Das Jagdrevier befindet sich zwar in unmittelbarer Nachbarschaft im Nordwesten des Gebiets, doch die größeren Fließgewässer innerhalb von „Quilamas“, z. B. der „Arroyo de las Quilamas“, scheinen nach Südosten zu entwässern. Zwischen diesen Fließgewässern und dem Jagdrevier befinden sich Höhenzüge mit mehreren hundert Metern Höhenunterschied.(31) Daher ist es unwahrscheinlich, dass Fischotter aus den Populationen dieser Gewässersysteme das Jagdrevier aufsuchen.

72.   Die Kommission verweist allerdings auch darauf, dass der Bach Mina das Revier durchquert und dass die Bäche Zarzosa und Media in der Nähe des Reviers verlaufen. Diese Bäche scheinen Gewässersystemen westlich von Quilamas anzugehören, wo ebenfalls Fischotter nachgewiesen wurden.(32) Die spanische Regierung hält dem Vortrag der Kommission allerdings unbestritten entgegen, diese Bäche würden regelmäßig austrocknen. Insofern ergibt sich aus den vorgelegten Studien, dass Fischotter Bäche, die nur periodisch Wasser führen, zwar gelegentlich, grundsätzlich aber kaum nutzen.(33)

73.   Danach ist ein Vorkommen von Fischottern im Jagdrevier aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zwar nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich.

74.   Neben der Wahrscheinlichkeit des Vorkommens von Fischottern waren bei der Beurteilung über die mit der Genehmigung der Schlingenjagd verbundenen Risiken auch das objektive Risiko der Jagdmethode und das Gewicht etwaiger Schäden zu berücksichtigen.

75.   Entgegen dem Vorbringen der spanischen Regierung besteht tatsächlich ein Risiko, dass Otter in Schlingen geraten und dabei lebensgefährliche Verletzung erleiden.(34) Allerdings hat die spanische Regierung auf eine Publikation hingewiesen, die den Schluss erlaubt, dass der Fang von Fischottern mit Fallen an Land relativ unwahrscheinlich ist.(35) Fischotter scheinen sehr viel häufiger überfahren zu werden oder in Reusen und ähnlichem Fischereigerät zu ertrinken.(36) Die Aufstellung der Schlingen unter Beteiligung von fachkundigem Personal und das Verbot, Schlingen in Uferbereichen aufzustellen, reduzieren das von den Schlingen ausgehende Risiko weiter.

76.   Darüber hinaus scheint unstreitig, dass die Bestände des Fischotters in Salamanca – wie wohl auch in den meisten anderen Regionen Spaniens und in anderen Teilen Europas – nach starkem Rückgang in der Vergangenheit gegenwärtig wieder im Zunehmen begriffen sind oder sich zumindest stabilisieren.(37)

77.   Zusammenfassend ist folglich festzustellen, dass bereits das Vorkommen des Fischotters im Jagdrevier SA-10.328 wenig wahrscheinlich ist. Darüber hinaus wäre das Risiko für etwaig doch das Jagdrevier aufsuchende Fischotter eher als gering einzustufen. Sollten schließlich doch Fischotter gefangen werden, so wäre dies zwar bedauerlich, doch angesichts des Erhaltungszustandes der Populationen des Fischotters in Salamanca kein erheblicher Schaden.(38) Folglich ist aufgrund der dem Gerichtshof vorliegenden Informationen davon auszugehen, dass die Jagdbehörden ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen annehmen durften, die Genehmigung der Schlingenjagd würde den Fischotter nicht gefährden.

c)      Ergebnis

78.   Daher kann eine Verletzung von Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie durch Spanien nicht festgestellt werden. Die Klage ist also abzuweisen.

V –    Kosten

79.   Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der spanischen Regierung die Kosten aufzuerlegen.

VI – Ergebnis

80.   Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, wie folgt zu entscheiden:

1.     Die Klage wird abgewiesen.

2.     Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2  – ABl. L 206, S. 7.


3 – Aufgelegt am 19. September 1979, ETS Nr. 104, von der Gemeinschaft durch Beschluss des Rates vom 3. Dezember 1981 über den Abschluss des Übereinkommens zur Erhaltung der europäischen frei lebenden Tiere und wild wachsenden Pflanzen und ihrer natürlichen Lebensräume ratifiziert, ABl. L 38, S. 1.


4 –      Das Übereinkommen ist nur in englischer und französischer Sprache verbindlich. Die englische Fassung verwendet sowohl für „absichtlich“ als auch für „mutwillig“ den Begriff „deliberate“, die französische Fassung den Begriff „intentionnelle“.


5 – Dabei scheint es sich um einen staatlichen Beamten zu handeln.


6 – Bei den Jagdwächtern scheint es sich um besonders im Bereich der Jagd qualifizierte Privatpersonen zu handeln, die Sicherheitsdienste erbringen.


7 – Vgl. das Urteil vom 27. Oktober 2005 in der Rechtssache C-525/03 (Kommission/Italien, Slg. 2005, I-0000, Randnrn. 12 ff.). In diesem Fall widersprach der Gerichtshof den Schlussanträgen von Generalanwalt Jacobs vom 2. Juni 2005 (siehe Nrn. 28 ff. und die Nachweise dort in Fußnote 24), der insbesondere auf Grundlage des Urteils vom 10. März 1987 in der Rechtssache 199/85 (Kommission/Italien, Slg. 1987, 1039, Randnrn. 7 ff.) die Klage für zulässig hielt. In letzterem Urteil hatte der Gerichtshof ausnahmsweise die Zulässigkeit der Klage trotz Erledigung des Verstoßes anerkannt, weil der betreffende Mitgliedstaat auf seiner Rechtsauffassung beharrte. Derartige Fälle sind allerdings besser durch den Nachweis einer mitgliedstaatlichen Praxis zu erfassen, den die Kommission auch auf erledigte Rechtsverstöße stützen kann (vgl. das Urteil vom 26. April 2005 in der Rechtssache C-494/01 [Kommission/Irland, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 32]). Trotz einiger Andeutungen während der mündlichen Verhandlung erhebt die Kommission nicht den Vorwurf, dass eine solche Praxis vorliege.


8 – Urteile vom 22. März 1983 in der Rechtssache 42/82 (Kommission/Frankreich, Slg. 1983, 1013, Randnr. 20) und vom 4. Februar 1988 in der Rechtssache 113/86 (Kommission/Italien, Slg. 1988, 607, Randnr. 11). Siehe auch zu gesetzlichen Maßnahmen die Urteile vom 17. November 1992 in der Rechtssache C-105/91 (Kommission/Griechenland, Slg. 1992, I-5871, Randnr. 13) und vom 1. Dezember 1965 in der Rechtssache 45/64 (Kommission/Italien, Slg. 1965, 1126, 1137 f.).


9 – Urteil vom 9. November 1999 in der Rechtssache C-365/97 (Kommission/Italien [San Rocco], Slg. 1999, I-7773, Randnr. 60).


10 – Urteile vom 16. September 1997 in der Rechtssache C-279/94 (Kommission/Italien, Slg. 1997, I‑4743, Randnr. 25), vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C‑139/00 (Kommission/Spanien, Slg. 2002, I‑6407, Randnr. 19) und vom 14. Juli 2005 in der Rechtssache C‑433/03 (Kommission/Deutschland, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 28).


11 – Urteil vom 15. Februar 2001 in der Rechtssache C-230/99 (Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-1169, Randnr. 31).


12 – Urteil vom 24. Juni 2004 in der Rechtssache C-350/02 (Kommission/Niederlande, Slg. 2004, I-6213, Randnr. 21).


13 – Eine gleichlautende Regelung ist in Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz enthalten, dessen Rechtsprechung die spanische Regierung in diesem Zusammenhang zitiert.


14 Urteil vom 9. Januar 2003 in der Rechtssache C-178/00 (Italien/Kommission, Slg. 2003, I-303, Randnr. 6).


15 – Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten, ABl. L 103, S. 1.


16 – Bericht über das Übereinkommen zur Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere (1997–1998) (Artikel 9 Absatz 2) (vorgelegt von der Europäischen Kommission), SEK(2001) 515 endg. Vgl. auch schon die Entschließung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 19. Oktober 1987 zur Fortschreibung und Durchführung einer Umweltpolitik und eines Aktionsprogramms der europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz (1987 ­– 1992), ABl. C 328, Ziffer 5.1.6. Das Urteil vom 13. Februar 2003 in der Rechtssache C-75/01 (Kommission/Luxemburg, Slg. 2003, I-1585, Randnr. 57) steht einer Berücksichtigung dieses Übereinkommens nicht entgegen, da der Gerichtshof dort nur feststellte, dass eine Umsetzung dieses Übereinkommens nicht als Umsetzung der Habitatrichtlinie ausreicht, soweit das Übereinkommen hinter der Richtlinie zurückbleibt.


17 – Der Begriff „absichtlich“ ist nicht allein für die nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis c der Habitatrichtlinie verbotene Handlungen in Bezug auf geschützte Tiere nach Anhang IV Buchstabe a von Bedeutung. Daneben verlangt auch Artikel 5 der Vogelschutzrichtlinie hinsichtlich der in Europa heimischen Vögel Verbote des absichtlichen Tötens oder Fangens (Buchstabe a) bzw. des absichtlichen Störens, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit, sofern sich diese Störung auf die Zielsetzung der Vogelschutzrichtlinie erheblich auswirkt (Buchstabe d) sowie der absichtlichen Zerstörung oder Beschädigung ihrer Nester und Eier und der Entfernung von Nestern (Buchstabe b).


18 – Vgl. Artikel 121-3 Absatz 1 des französischen Code pénal.


19 – Vgl. Artikel 121-3 Absatz 2 des französischen Code pénal. Die dort geregelte bewusste Gefährdung anderer Personen gilt als Kodifikation des Eventualvorsatzes.


20 – Zugänglich über die Website des Europarats, http://www.coe.int.


21 – ABl. L 143, S. 56.


22 – Ein Beispiel derartiger Schutzmaßnahmen, das atypischerweise auf die Gemeinschaft zurückgeht, ist die Verordnung (EG) Nr. 812/2004 des Rates vom 21. April 2004 zur Festlegung von Maßnahmen gegen Walbeifänge in der Fischerei und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 88/98, ABl. L 150, S. 12 (berichtigte Fassung: ABl. L 185, S. 4). Diese Regelung musste die Gemeinschaft treffen, da sie im Bereich der Fischerei ausschließlich zuständig ist.


23  – Urteil vom 30. Januar 2002 in der Rechtssache C-103/00 (Kommission/Griechenland [Caretta caretta], Slg. 2002, I-1147). Vgl. auch schon das Urteil vom 17. Dezember 1987 in der Rechtssache 412/85 (Kommission/Deutschland, Slg. 1987, 3503, Randnrn. 14 f.): Die Absicht der Bodennutzung, z. B. in der Landwirtschaft, schließt nicht aus, zugleich im Sinne von Artikel 5 der Vogelschutzrichtlinie Vögel absichtlich zu töten oder zu fangen, ihre Nester und Eier absichtlich zu zerstören oder zu beschädigen sowie sie absichtlich zu stören.


24 – Schlussanträge vom 25. Oktober 2001 in der Rechtssache C-103/00 (Kommission/Griechenland [Caretta caretta], Slg. 2002, I-1147, Nr. 57).


25 – Urteil Caretta caretta (zitiert in Fußnote 23, Randnr. 36).


26 – Urteil Caretta caretta (zitiert in Fußnote 23, Randnrn. 27 ff.).


27 – Urteil Caretta caretta (zitiert in Fußnote 23, Randnr. 39).


28 – Der Gerichtshof wird sich mit der diesbezüglichen Auslegung des Urteils Caretta caretta (zitiert in Fußnote 23) in der Rechtssache C-518/04 (Kommission/Griechenland [Vipera schweizeri], Mitteilung im ABl. 2005 C 57, S. 15) auseinandersetzen müssen.


29 – Vgl. Urteile vom 17. Januar 1991 in der Rechtssache C-157/89 (Kommission/Italien [Jagdzeiten], Slg. 1991, I-57, Randnr. 15), vom 19. Mai 1998 in der Rechtssache C-3/96 (Kommission/Niederlande [IBA-Liste], Slg. 1998, I-3031, Randnrn. 69 f.) und vom 9. Dezember 2004 in der Rechtssache C-79/03 (Kommission/Spanien [Jagdmengen], Slg. I-11619, Randnr. 41).


30 – Vgl. das Urteil vom 20. Oktober 2005 in der Rechtssache C-6/04 (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 75, mit weiteren Nachweisen).


31 – Vgl. die Karte unter http://www.dipsanet.es/provin/MapaSalamanca2003.pdf.


32 – Lizana u. a., in: Ruiz-Olmo und Delibes, La nutria en España, 1998, S. 118.


33 – Lizana u. a., in: Ruiz-Olmo und Delibes, La nutria en España, 1998, S. 118. Ruiz-Olmo und Delibes, ebenda, S. 215, betonen allerdings, dass die Nutzung trocken fallender Gewässer durch Fischotter in vielen Teilen Spaniens zunehmend zu beobachten sei.


34 – Siehe die Meldung der BBC vom 3. Mai 2005 über den Tod eines Otters in einer Schlinge, http://news.bbc.co.uk/1/hi/england/cornwall/4511053.stm, und den Bericht des International Otter Survival Fund vom 3. Mai 2003, http://www.otter.org/Update.html, über den Tod eines Otters aufgrund einer Herzerweiterung nach stundenlangem Kampf mit einer Schlinge.


35 – Palazón und Ruiz-Olmo, in: II Jornadas SECEM 1995, S. 67.


36 – Vgl. Saavedra u. a., in: V Jornadas SECEM 2001, S. 125.


37 – Ruiz-Olmo und Delibes, in: Ruiz-Olmo und Delibes, La nutria en España, 1998, S. 212 f.


38 – Damit unterscheidet sich der Fischotter etwa von der Meeresschildkröte Caretta caretta, die nur noch sehr wenige Strände im Mittelmeer zur Fortpflanzung nutzt, und vom extrem seltenen, nur in Spanien vorkommenden iberischen Luchs.