Rechtssache T-369/03 R
Arizona Chemical BV u. a.
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
„Vorläufiger Rechtsschutz – Richtlinie 67/548/EWG – Dringlichkeit“
Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 16. Januar 2004 ?II-0000
Leitsätze des Beschlusses
1. Vorläufiger Rechtsschutz – Einstweilige Anordnungen – Voraussetzungen – Dringlichkeit – „Fumus boni iuris“ – Kumulativer Charakter
– Abwägung sämtlicher betroffener Belange – Ermessen des Richters der einstweiligen Anordnung
(Artikel 243 EG; Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 104 § 2)
2. Vorläufiger Rechtsschutz – Aussetzung des Vollzugs – Einstweilige Anordnungen – Voraussetzungen – Ablehnende Verwaltungsentscheidung
– Dringlichkeit – Schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden – Beweislast
(Artikel 242 EG und 243 EG; Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 104 § 2)
3. Vorläufiger Rechtsschutz – Aussetzung des Vollzugs – Einstweilige Anordnungen – Voraussetzungen – Schwerer und nicht wieder
gutzumachender Schaden – Finanzieller Schaden – Lage, die die Existenz der antragstellenden Gesellschaft gefährden kann –
Beurteilung unter Berücksichtigung der Lage des Konzerns, zu dem sie gehört
(Artikel 235 EG, 242 EG, 243 EG und 288 EG; Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 104 § 2)
1. Der Richter der einstweiligen Anordnung kann einstweilige Anordnungen treffen, wenn ihre Notwendigkeit in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht ist (Fumus boni iuris) und wenn feststeht, dass sie in dem Sinne dringlich sind, dass
sie zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden für die Interessen des Antragstellers bereits
vor der Entscheidung zur Hauptsache erlassen werden und ihre Wirkungen entfalten müssen. Diese Voraussetzungen sind kumulativ,
so dass der Antrag auf einstweilige Anordnungen zurückzuweisen ist, sofern eine von ihnen fehlt. Im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes ist gegebenenfalls auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vorzunehmen.
Die beantragten Anordnungen müssen außerdem vorläufig in dem Sinne sein, dass sie den Rechts‑ und den Tatsachenfragen des
Rechtsstreits nicht vorgreifen und die Folgen der später zur Hauptsache zu treffenden Entscheidung nicht im Voraus neutralisieren.
Im Rahmen dieser Gesamtprüfung verfügt der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ferner über ein weites Ermessen
und kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen
zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes
Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt.
(vgl. Randnrn. 31-33)
2. Grundsätzlich ist gegen eine ablehnende Verwaltungsentscheidung ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs nicht gegeben, weil
die Anordnung einer Aussetzung keine Änderung der Lage des Antragstellers herbeiführen könnte.
Im Übrigen ist die Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung danach zu beurteilen, ob die Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden
entsteht. Insbesondere dann, wenn der Schaden vom Vorliegen mehrerer Faktoren abhängt, genügt es, dass er mit einem hinreichenden
Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist. Jedoch obliegt es dem Antragsteller, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung
eines solchen schweren und irreparablen Schadens begründen sollen.
(vgl. Randnrn. 62, 71-72)
3. Ein finanzieller Schaden kann nur unter außergewöhnlichen Umständen als ein nicht oder auch nur schwer wieder gutzumachender
Schaden angesehen werden, da er Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein kann. Ein solcher Schaden, der nicht
allein durch die Durchführung des Urteils über die Klage beseitigt wird, stellt einen wirtschaftlichen Verlust dar, der mittels
der im Vertrag, insbesondere in den Artikeln 235 EG und 288 EG, vorgesehenen Klagen ausgeglichen werden könnte.
Soweit es um eine angebliche Beeinträchtigung der finanziellen Lage des antragstellenden Unternehmens geht, die seine Existenz
gefährden kann, müssen bei der Beurteilung seiner materiellen Lage insbesondere die Merkmale des Konzerns berücksichtigt werden,
zu dem es aufgrund seines Aktienbesitzes gehört.
(vgl. Randnrn. 75, 87)
-
BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS
16. Januar 2004(1)
„Vorläufiger Rechtsschutz – Richtlinie 67/548/EWG – Dringlichkeit“
In der Rechtssache T-369/03 R
Arizona Chemical BV mit Sitz in Almere (Niederlande),Eastman Belgium BVBA mit Sitz in Kallo (Belgien),Resinall Europe BVBA mit Sitz in Brügge (Belgien),Cray Valley Iberica SA mit Sitz mit Madrid (Spanien),Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Mereu und K. Van Maldegem,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch X. Lewis und F. Simonetti als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Antragsgegnerin,
wegen Aussetzung des Vollzugs einer Maßnahme der Kommission vom 20. August 2003 und der gegenwärtigen Einstufung von Kolofonium
in Anhang I der Richtlinie 67/548/EWG des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften
für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (ABl. 1967, 196, S. 1) sowie wegen Anordnung an die Kommission,
die Rückstufung von Kolofonium in der nächsten Sitzung des Regelungsausschusses vorzuschlagen, der über die Anpassung der
Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt zu entscheiden hat,
erlässt
DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN
folgenden
Beschluss
-
- Rechtlicher Rahmen
- 1
Die Richtlinie 67/548/EWG des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung,
Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (ABl. 1967, 196, S. 1) in ihrer zum siebten Mal durch die Richtlinie 92/32/EWG
des Rates vom 30. April 1992 (ABl. L 154, S. 1) geänderten Fassung legt Bestimmungen für das Inverkehrbringen bestimmter „Stoffe“
fest, die als „chemische Elemente und ihre Verbindungen in natürlicher Form oder hergestellt durch ein Produktionsverfahren,
einschließlich der zur Wahrung der Produktstabilität notwendigen Zusatzstoffe und der bei der Herstellung unvermeidbaren Verunreinigungen,
mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung
abgetrennt werden können“, definiert sind.
- 2
Seit ihrem Erlass wurde die Richtlinie 67/548 mehrfach, zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 807/2003 des Rates vom 14. April
2003 zur Anpassung der Bestimmungen über die Ausschüsse zur Unterstützung der Kommission bei der Ausübung von deren Durchführungsbefugnissen,
die in nach dem Konsultationsverfahren (Einstimmigkeit) erlassenen Rechtsakten des Rates vorgesehen sind, an den Beschluss
1999/468/EG (ABl. L 122, S. 36), geändert.
Allgemeiner rechtlicher Rahmen
- 3
Nach Artikel 4 der Richtlinie 67/548 in der geänderten Fassung werden die Stoffe aufgrund ihrer Eigenschaften nach den in
Artikel 2 Absatz 2 festgelegten Kategorien eingestuft.
- 4
Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe k der Richtlinie 67/548 in der geänderten Fassung definiert als „sensibilisierend“ die „Stoffe
und Zubereitungen, die bei Einatmen oder Hautresorption eine Überempfindlichkeitsreaktion hervorrufen können, so dass bei
künftiger Exposition gegenüber dem Stoff oder der Zubereitung charakteristische Störungen auftreten“.
- 5
Wird ein chemischer Stoff als „gefährlich“ eingestuft, so muss seine Verpackung mit einer geeigneten Etikettierung versehen
werden, die insbesondere Gefahrensymbole, Standardaufschriften zur Angabe besonderer Risiken aufgrund von Gefahren beim Umgang
mit dem Stoff (R‑Sätze) und Standardaufschriften mit den Sicherheitsratschlägen für den Umgang mit dem Stoff (S‑Sätze) umfasst.
In Bezug auf die R‑Sätze bestimmt Artikel 23 Absatz 2 der Richtlinie 67/548:
„Auf jeder Verpackung müssen folgende Angaben deutlich lesbar und dauerhaft angebracht sein:
…
- d)
- Die Standardaufschriften zur Angabe besonderer Risiken aufgrund von Gefahren beim Umgang mit dem Stoff (R‑Sätze). Der Wortlaut
dieser R‑Sätze muss den Angaben in Anhang III entsprechen. Die für den jeweiligen Stoff zu verwendenden R‑Sätze sind in Anhang I
angegeben …“
Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt
- 6
Artikel 28 der Richtlinie 67/548 in der geänderten Fassung bestimmt:
„Die zur Anpassung der Anhänge an den technischen Fortschritt notwendigen Änderungen werden nach dem Verfahren des Artikels
29 vorgenommen.“
- 7
Die Kommission hat in ihren Erklärungen ausgeführt, dass sie in der Praxis bei der Erstellung eines ersten Entwurfs für Maßnahmen
zur Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt die Arbeitsgruppe für die Einstufung und die Kennzeichnung
(im Folgenden: Arbeitsgruppe) anhöre. Diese Gruppe setzt sich aus von den Mitgliedstaaten abgeordneten Sachverständigen für
Toxikologie und Einstufung, Vertretern der chemischen Industrie und Vertretern des Industriezweigs, für den die in Rede stehenden
Erzeugnisse von besonderem Belang sind, zusammen. Nach Anhörung der Arbeitsgruppe legt die Kommission den Maßnahmenentwurf
dem nach Artikel 29 der Richtlinie 67/548 in der geänderten Fassung gebildeten Ausschuss (im Folgenden: Regelungsausschuss)
vor.
- 8
Artikel 29 der Richtlinie 67/548 in der durch die Verordnung Nr. 807/2003 geänderten Fassung bestimmt:
- „(1)
- Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt.
(2) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so gelten die Artikel 5 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG.
Der Zeitraum nach Artikel 5 Absatz 6 des Beschlusses 1999/468/EG wird auf drei Monate festgesetzt.“
- 9
Artikel 5 der Entscheidung 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der
Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (ABl. L 184, S. 23) bestimmt:
„(1) Die Kommission wird von einem Regelungsausschuss unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und
in dem der Vertreter der Kommission den Vorsitz führt.
(2) Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuss einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuss gibt seine
Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der
betreffenden Frage festsetzen kann. Die Stellungnahme wird mit der Mehrheit abgegeben, die in Artikel 205 Absatz 2 des Vertrags
für die Annahme der vom Rat auf Vorschlag der Kommission zu fassenden Beschlüsse vorgesehen ist. Bei der Abstimmung im Ausschuss
werden die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten gemäß dem vorgenannten Artikel gewogen. Der Vorsitzende nimmt an der
Abstimmung nicht teil.
(3) Die Kommission erlässt unbeschadet des Artikels 8 die beabsichtigten Maßnahmen, wenn sie mit der Stellungnahme des Ausschusses
übereinstimmen.
(4) Stimmen die beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht überein oder liegt keine Stellungnahme vor,
so unterbreitet die Kommission dem Rat unverzüglich einen Vorschlag für die zu treffenden Maßnahmen und unterrichtet das Europäische
Parlament.
(5) Ist das Europäische Parlament der Auffassung, dass ein Vorschlag, den die Kommission auf der Grundlage eines gemäß Artikel
251 des Vertrags erlassenen Basisrechtsakts unterbreitet hat, über die in diesem Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse
hinausgeht, so unterrichtet es den Rat über seinen Standpunkt.
(6) Der Rat kann, gegebenenfalls in Anbetracht eines solchen etwaigen Standpunkts, innerhalb einer Frist, die in jedem Basisrechtsakt
festzulegen ist, die keinesfalls aber drei Monate von der Befassung des Rates an überschreiten darf, mit qualifizierter Mehrheit
über den Vorschlag befinden.
Hat sich der Rat innerhalb dieser Frist mit qualifizierter Mehrheit gegen den Vorschlag ausgesprochen, so überprüft die Kommission
den Vorschlag. Die Kommission kann dem Rat einen geänderten Vorschlag vorlegen, ihren Vorschlag erneut vorlegen oder einen
Vorschlag für einen Rechtsakt auf der Grundlage des Vertrags vorlegen.
Hat der Rat nach Ablauf dieser Frist weder den vorgeschlagenen Durchführungsrechtsakt erlassen noch sich gegen den Vorschlag
für die Durchführungsmaßnahmen ausgesprochen, so wird der vorgeschlagene Durchführungsrechtsakt von der Kommission erlassen.“
Richtlinie 1999/45/EG
- 10
Die Richtlinie 1999/45/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 1999 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften
der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen (ABl. L 200, S. 1) legt Bestimmungen
für das Inverkehrbringen gefährlicher „Zubereitungen“ fest, die als „Gemenge, Gemische und Lösungen, die aus zwei oder mehreren
Stoffen bestehen“, definiert sind.
- 11
Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 1999/45 lautet:
„Diese Richtlinie gilt für Zubereitungen, die
- –
- mindestens einen gefährlichen Stoff im Sinne von Artikel 2 enthalten
-
- und
- –
- nach Artikel 5, 6 oder 7 als gefährlich gelten.“
- 12
In Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe k der Richtlinie 1999/45 sind als „sensibilisierend“ definiert „Stoffe und Zubereitungen,
die bei Einatmen oder Hautresorption eine Überempfindlichkeitsreaktion hervorrufen können, so dass bei künftiger Exposition
gegenüber dem Stoff oder der Zubereitung charakteristische Störungen auftreten“.
- 13
In Artikel 10 Nummer 1.1 der Richtlinie 1999/45 heißt es:
„Die Mitgliedstaaten ergreifen alle erforderlichen Maßnahmen, damit
- a)
- Zubereitungen nach Artikel 1 Absatz 2 nur in Verkehr gebracht werden können, wenn die Kennzeichnung auf der Verpackung allen
Bedingungen dieses Artikels und allen Bestimmungen des Anhangs V Teile A und B entspricht.“
- 14
Anhang V Teil B Nummer 9 der Richtlinie 1999/45, der Bestimmungen über Zubereitungen enthält, die nicht als sensibilisierend
eingestuft sind, aber mindestens einen sensibilisierenden Stoff enthalten, bestimmt:
„Die Verpackung von Zubereitungen, die mindestens einen als sensibilisierend eingestuften Stoff in einer Konzentration enthalten,
die mindestens 0,1 % beträgt oder mindestens ebenso hoch ist wie die in Anhang I der Richtlinie 67/548/EWG in einem besonderen
Vermerk für den Stoff genannte Konzentration, muss folgende Aufschrift tragen: ‚enthält ´Name des sensibilisierenden Stoffes´.
Kann allergische Reaktionen hervorrufen‘.“
Sachverhalt und Verfahren
- 15
Die Unternehmen Arizona Chemical BV, Eastman Belgium BVBA, Resinall Europe BVBA und Cray Valley Iberica SA (im Folgenden:
Antragstellerinnen) erzeugen und vertreiben Kolofonium und Derivate dieses Stoffes.
- 16
Kolofonium ist ein natürlicher Stoff, der aus Fichten gewonnen und wegen seiner klebenden und Wasser abstoßenden Eigenschaften
verwendet wird. Er ist in zahlreichen Erzeugnissen wie Papier, Klebstoffen, Farben und Kosmetika enthalten.
- 17
In Durchführung der Richtlinie 93/72/EWG der Kommission vom 1. September 1993 zur neunzehnten Anpassung der Richtlinie 67/548
(ABl. L 258, S. 29) wurde Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 als die Atemwege und die Haut sensibilisierender Stoff
eingestuft und dem Risikosatz R 42/43 zugeordnet, der wie folgt lautet: „Sensibilisierung durch Einatmen und durch Hautkontakt
möglich.“
- 18
In Durchführung der Richtlinie 94/69/EG der Kommission vom 19. Dezember 1994 zur einundzwanzigsten Anpassung der Richtlinie
67/548 (ABl. L 381, S. 1) wurde Kolofonium nicht mehr in die Klasse R 42 eingestuft. Kolofonium blieb jedoch in Anhang I als
die Atemwege sensibilisierender Stoff mit dem Risikosatz R 43 aufgeführt, der wie folgt lautet: „Sensibilisierung durch Hautkontakt
möglich.“
- 19
Nach dieser Änderung sammelten die Antragstellerinnen wissenschaftliche Daten und Argumente und legten sie dem Europäischen
Büro für chemische Stoffe (im Folgenden: BESC) sowie der Arbeitsgruppe vor, um zu belegen, dass die Zuordnung von Kolofonium
zu der Angabe R 43 wissenschaftlich falsch sei und dass nur die oxidierte Form von Kolofonium (im Folgenden: oxidiertes Kolofonium),
also ein anderer Stoff, sensibilisierende Wirkungen haben könne.
- 20
Die Arbeitsgruppe gelangte in ihrer Sitzung von Oktober 1999 zu dem Ergebnis, dass die Rückstufung von Kolofonium „wissenschaftlich
gerechtfertigt“ sei. Sie fügte jedoch hinzu, dass diese Rückstufung zu einer „Senkung des durch den gegenwärtigen Regelungsrahmen
vorgesehenen Schutzniveaus und der verfügbaren Kontrollmittel“ führe. Sie beschloss auch, die „Nachforschungen im Hinblick
auf eine Lösung im Rahmen der Richtlinien über die Stoffe und die Zubereitungen fortzusetzen, die wissenschaftlich genauer
ist und das Schutzniveau aufrechterhält“.
- 21
Im September 2002 wiederholte die Arbeitsgruppe ihre Schlussfolgerungen, nach denen die Rückstufung von Kolofonium zwar „wissenschaftlich
gerechtfertigt“ sei, jedoch zu einer „Senkung des durch den gegenwärtigen Regelungsrahmen vorgesehenen Schutzniveaus und der
verfügbaren Kontrollmittel führt“. Daher gelangte die Arbeitsgruppe zu dem Ergebnis, dass Kolofonium „als Stoff mit sensibilisierenden
Eigenschaften nicht zurückgestuft werden und nicht mehr Gegenstand von Erörterungen auf der Grundlage der vorliegenden Daten
sein sollte“.
- 22
Mit Schreiben vom 23. Juni 2003 beantragten die Antragstellerinnen bei der Kommission, die erforderlichen Maßnahmen zur Rückstufung
von Kolofonium als eines die Haut sensibilisierenden Stoffes zu ergreifen.
- 23
Mit Antwortschreiben vom 20. August 2003 (im Folgenden: angefochtener Rechtsakt) teilte die Kommission den Antragstellerinnen
u. a. mit, dass frisches Kolofonium bei seiner Verwendung eine Reaktion auf sensibilisierende Mischungen beim Kontakt mit
dem Sauerstoff der Umgebungsluft verursache und dass Kolofonium gewöhnlich oxidiertes Kolofonium enthalte, das die Sensibilisierung
hervorrufe. Im angefochtenen Rechtsakt heißt es weiter: „Kolofonium gehört zu den zehn stärksten Allergenen.“ Zum Schluss
führt die Kommission aus, dass die Antragstellerinnen keine „Gründe, die die Rückstufung von Kolofonium rechtfertigen“, vorgetragen
hätten.
- 24
Mit Klageschrift, die am 29. Oktober 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Antragstellerinnen Klage
erhoben auf
- –
- Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts;
- –
- Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufnahme von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548;
- –
- hilfsweise, Feststellung, dass die Aufnahme von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 in Anwendung von Artikel 241 EG
gegenüber den Klägerinnen unwirksam ist;
- –
- Verurteilung der Kommission zum Ersatz des durch den Erlass des angefochtenen Rechtsakts entstandenen Schadens.
- 25
Kurz nach Erhebung dieser Klage wurde den Antragstellerinnen mitgeteilt, dass der Regelungsausschuss am 23. Januar 2004 zum
Zweck der Billigung der neunundzwanzigsten Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt zusammentreten werde.
- 26
Mit besonderem Schriftsatz, der am 27. November 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen gemäß
den Artikeln 242 EG und 243 EG vorläufigen Rechtsschutz beantragt; sie beantragen,
- –
- ihren Antrag für zulässig und begründet zu erklären;
- –
- den Vollzug des angefochtenen Rechtsakts und die gegenwärtige Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548
bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen;
- –
- anzuordnen, dass die Kommission in der nächsten Sitzung des Regelungsausschusses die Rückstufung von Kolofonium im Rahmen
der neunundzwanzigsten Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt vorzuschlagen hat;
- –
- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 27
Die Antragstellerinnen haben gemäß Artikel 105 § 2 der Verfahrensordnung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes beantragt,
ihrem Antrag schnellstens stattzugeben, und zwar, bevor die Kommission Stellung genommen hat.
- 28
Die Kommission hat am 4. Dezember 2003 zum Antrag auf einstweilige Anordnung Stellung genommen. Sie beantragt,
- –
- den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen;
- –
- den Antragstellerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 29
Die Antragstellerinnen und die Kommission haben in einer am 11. Dezember 2003 durchgeführten Anhörung mündlich Stellung genommen.
- 30
Die Kommission hat am 7. Januar 2004 in Beantwortung einer schriftlichen Frage im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
ausgeführt, dass sich das Verfahren zur Anhörung ihrer verschiedenen Stellen zu den im Rahmen der neunundzwanzigsten Anpassung
der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt beabsichtigten Maßnahmen verzögert habe und dass die ursprünglich für
den 23. Januar 2004 vorgesehene Sitzung des Regelungsausschusses ohne Anberaumung eines Termins vertagt worden sei.
Entscheidungsgründe
- 31
Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen die Anträge auf einstweilige Anordnungen den Streitgegenstand bezeichnen
und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung
in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (Fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so
dass der Antrag auf einstweilige Anordnungen zurückzuweisen ist, sofern eine von ihnen fehlt (Beschluss des Präsidenten des
Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C‑268/96 P[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I‑4971, Randnr. 30).
Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist gegebenenfalls auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vorzunehmen (Beschluss
des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23. Februar 2001 in der Rechtssache C‑445/00 R, Österreich/Rat, Slg. 2001, I‑1461, Randnr.
73).
- 32
Die beantragten Anordnungen müssen außerdem vorläufig in dem Sinne sein, dass sie den Rechts‑ und den Tatsachenfragen des
Rechtsstreits nicht vorgreifen und die Folgen der später zur Hauptsache zu treffenden Entscheidung nicht im Voraus neutralisieren
(Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 19. Juli 1995 in der Rechtssache C‑149/95 P[R], Kommission/Atlantic Container
Line u. a., Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 22).
- 33
Im Rahmen dieser Gesamtprüfung verfügt der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ferner über ein weites Ermessen
und kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen
zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes
Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschluss Kommission/Atlantic
Container Line u. a., angeführt in Randnr. 32, Randnr. 23).
- 34
Der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnungen ist im Licht der dargestellten Grundsätze zu prüfen.
Vorbringen der Parteien Vorbringen der Antragstellerinnen
– Zur Zulässigkeit
- 35
Die Antragstellerinnen machen geltend, sie seien gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG klageberechtigt, da der angefochtene Rechtsakt
eine von einem Direktor unterzeichnete Entscheidung der Kommission sei, deren unmittelbare Adressatinnen sie seien, so dass
sie nicht darzutun brauchten, dass sie von dieser Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen seien, da dieses Kriterium
nur auf an Dritte gerichtete Entscheidungen Anwendung finde.
- 36
Der angefochtene Rechtsakt entfalte endgültige Wirkungen, die ihre Rechtsstellung beeinträchtigten, indem er den endgültigen
Standpunkt der Kommission zur Einstufung von Kolofonium festlege. Die Entscheidung der Kommission, dessen Rückstufung als
die Haut sensibilisierenden Stoff nicht vorzunehmen, stelle eine abschließende Entscheidung dar, da der Regelungsausschuss
nicht ultra petita entscheiden und nicht vom Standpunkt der Kommission abweichen könnte.
- 37
Selbst wenn der angefochtene Rechtsakt schließlich als vorbereitende Maßnahme zu betrachten sei, so bliebe eine Klage dennoch
entsprechend den Erwägungen zulässig, die der Gerichtshof in den beiden Urteilen vom 30. Juni 1992 in der Rechtssache C‑312/90
(Spanien/Kommission, Slg. 1992, I‑4117) und in der Rechtssache C‑47/91 (Italien/Kommission, Slg. 1992, I‑4145) angestellt
habe, in denen Klagen gegen vorbereitende Maßnahmen, nämlich Schreiben zur Eröffnung des Verfahrens gemäß Artikel 88 Absatz
2 EG, für zulässig erklärt worden seien.
– Zum Fumus boni iuris
- 38
Die Antragstellerinnen machen geltend, dass ihre Klage, die auf sechs Gründe gestützt werde, nicht unbegründet sei.
- 39
Erstens beruhe die Analyse, die die Arbeitsgruppe im BESC vorgenommen habe – und die sich die Kommission im angefochtenen
Rechtsakt zu Eigen gemacht habe – auf Angaben zu den Eigenschaften von oxidiertem Kolofonium und nicht von Kolofonium. Die
Beurteilungen in Bezug auf den erstgenannten Stoff könnten jedoch für die Rechtsetzung keinen Schluss auf die angemessene
Einstufung des letztgenannten Stoffes rechtfertigen.
- 40
Zweitens seien die gegenwärtige Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 und die Entscheidung der Kommission,
diesen Stoff nicht zurückzustufen, unbegründet und rechtswidrig. Dies gehe aus dem wissenschaftlichen Beweismaterial hervor,
das der Arbeitsgruppe und der Kommission übermittelt worden sei und wonach Kolofonium die Haut nicht im Sinne der Kriterien
der Richtlinie 67/548 sensibilisiere.
- 41
Drittens stütze sich der angefochtene Rechtsakt auf die falsche Annahme, dass in den Verkehr gebrachtes Kolofonium stets oxidiertes
Kolofonium enthalte und Letzteres daher eine sensibilisierende Wirkung auf die Haut habe. Dies sei jedoch unter den üblichen
Behandlungs‑ und Verwendungsbedingungen nicht der Fall. Somit beruhe der angefochtene Rechtsakt auf einer falschen Sachgrundlage,
sei wissenschaftlich unrichtig und verletze die Einstufungskriterien des Anhangs VI der Richtlinie 67/548.
- 42
Selbst wenn, erstens, in den Verkehr gebrachtes Kolofonium stets oxidiertes Kolofonium enthalten und, zweitens, die Kommission
berechtigt sein sollte, Kolofonium anhand der Eigenschaften von oxidiertem Kolofonium einzureihen, bliebe der angefochtene
Rechtsakt dennoch unrichtig und rechtswidrig. Denn zunächst sei die Anwendung der Prüfungsmethode, auf die sich die Kommission
gestützt habe, auf oxidiertes Kolofonium ungerechtfertigt. Sodann beweise ein objektiverer Versuch, dass oxidiertes Kolofonium
keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstelle. Schließlich enthalte in den Verkehr gebrachtes Kolofonium oxidiertes
Kolofonium nicht in einem Maß, das toxikologisch erheblich oder geeignet sei, sensibilisierende Wirkungen hervorzurufen.
- 43
Viertens sei die Weigerung der Arbeitsgruppe, die Rückstufung von Kolofonium zu empfehlen, in sich widersprüchlich und sei
offenkundig, wenn auch stillschweigend, auf das Vorsorgeprinzip gestützt. Die Anwendung dieses Prinzips im Kontext der vorliegenden
Rechtssache sei jedoch weder sachlich noch rechtlich und technisch gerechtfertigt.
- 44
Fünftens stelle der Umstand, dass die Kommission ihre Beurteilung nicht auf dem Stand der Technik entsprechende Angaben gestützt
habe, die ihr übermittelt worden seien, einen Verstoß gegen Artikel 95 Absatz 3 EG dar. Ferner verkenne die Kommission, indem
sie von den Antragstellerinnen die Darlegung eines völligen Fehlens einer Gefahr verlange, die Anforderung der Richtlinie
67/548, wonach eine solche Untersuchung unter üblichen Bedingungen der Handhabung und Verwendung stattzufinden hätte.
- 45
Sechstens stelle der Umstand, dass die Kommission keine geeigneten Maßnahmen für die Rückstufung von Kolofonium als eines
die Haut sensibilisierenden Stoffes unternommen habe, eine Verletzung mehrerer Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts, wie
der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes dar.
– Zur Dringlichkeit
- 46
Die Antragstellerinnen machen geltend, dass der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnungen dringlich sei, um zum einen
die Verabschiedung der neunundzwanzigsten Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt, die für den 23.
Januar 2004 vorgesehen sei, zu verhindern und um zum anderen den nicht wieder gutzumachenden Schäden vorzubeugen, die ihnen
in geschäftlicher, finanzieller und rechtlicher Hinsicht zu entstehen drohten.
- 47
Der Erlass und der Vollzug der Entscheidung der Kommission, Kolofonium nicht zurückzustufen, zeitigten in zweierlei Hinsicht
nachteilige Wirkungen, die nicht durch die Gewährung von Schadensersatz wieder gutgemacht werden könnten.
- 48
Erstens führe der Umstand, dass die Kommission Kolofonium nicht als die Haut sensibilisierenden Stoff zurückstufe, bei ihren
Abnehmern zu einem endgültigen und nicht wieder gutzumachenden Verlust des Vertrauens in diesen Stoff wie in Erzeugnisse auf
der Grundlage von Kolofonium. Dieser Vertrauensverlust habe eine unmittelbare geschäftlich nachteilige Wirkung für die Erzeugnisse
der Antragstellerinnen. Einige ihrer Kunden, die Erzeugnisse des Massenverbrauchs herstellten, entwickelten aktiv Programme
zur Ersetzung von Kolofonium und seiner Derivate. Einige größere Hersteller von Massenverbrauchserzeugnissen hätten vorgesehen,
die Verwendung von Klebstoffen auf der Grundlage von Kolofonester in Europa bis Mitte 2004 einzustellen. Ebenso sei die Arzneimittelindustrie
dabei, Harze auf Kolofoniumgrundlage wegen der möglicherweise sensibilisierenden Wirkungen für die Haut, die die Gemeinschaftsbehörden
diesem Stoff beimessen, von medizinischen Klebstoffen, wie beispielsweise Heftpflaster, auszuschließen. Die Verwendung von
Kolofonium und das Vertrauen der Öffentlichkeit in diesen Stoff seien besonders empfindlich gegen Angaben, wonach ein Erzeugnis
eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstelle, und selbst wenn diese Angaben später widerlegt würden, sei es praktisch
unmöglich, das Vertrauen in das in Rede stehende Erzeugnis wiederherzustellen.
- 49
Eine weitere erhebliche geschäftliche Wirkung aufgrund der falschen Einstufung von Kolofonium stehe im Zusammenhang mit seiner
Aufnahme und der Aufnahme seiner Derivate in Verzeichnisse, in denen bestimmte Großunternehmen und bestimmte Staaten Erzeugnisse
zusammenfassten, deren Verwendung bestimmten Beschränkungen unterliege. Alle diese Verzeichnisse verpflichteten die Lieferanten
und die Benutzer, sich Ersatzerzeugnissen zuzuwenden. Der Einfluss der Eintragung in ein solches Verzeichnis sei unmittelbar
und führe zu unvermeidlichen Umsatzverlusten. Vor allem führe die Aufnahme von Kolofonium und seiner Derivate in ein solches
Verzeichnis zu deren Ausschluss bei der Konzipierung neuer Erzeugnisse, was dazu führe, dass ihre geschäftliche Rentabilität
herabgesetzt werde. Möglicherweise zunächst geringe Umsatzverluste könnten – und würden nach den Vorhersagen der Antragstellerinnen
zwangsläufig – in den kommenden Jahren rasch zunehmen.
- 50
Wenn die falsche Einstufung von Kolofonium nicht schnell berichtigt werde oder wenn diese Einstufung auf Kolofonium‑Derivate
angewandt werde, würden ferner andere Ausgangsstoffe diese Stoffe ersetzen. Die Eigenschaften der Ersatzstoffe in Bezug auf
Kosten und Leistung seien für Kolofonium nachteilig. Auf den Märkten der Vereinigten Staaten und Europas würden ungefähr 365 000 t
Kolofonium in Form von Derivaten ersetzt. Daneben bestehe in der Kolofonium‑Industrie eine große Überproduktion, was zu einem
starken Verfall der Preise für in den Verkehr gebrachtes Kolofonium führen werde.
- 51
Zudem könnten selbst bei einer Nichtigerklärung im Klageverfahren die Absatzverluste aufgrund des angefochtenen Rechtsakts
in der Praxis weder für den Ersatz des entstandenen Schadens beziffert noch von den Antragstellerinnen aufgeholt werden.
- 52
Zweitens machen die Antragstellerinnen geltend, dass der Umstand, dass die Kommission Kolofonium nicht zurückstufe, eine Einstufungsnorm
für sämtliche Derivate dieses Stoffes festlege, mit der Folge, dass logischerweise der nächste Abschnitt des Regelungsverfahrens
sehr wahrscheinlich in der Einstufung dieser Derivate als die Haut sensibilisierende Stoffe bestehen werde. Eine solche Einstufung
habe sehr schwerwiegende rechtliche und finanzielle Folgen für die Antragstellerinnen, da alle ihre Erzeugnisse, die Kolofonium‑Derivate
seien, einer Einstufung auf derselben Grundlage unterlägen.
- 53
Der angefochtene Rechtsakt habe auch erhebliche Auswirkung auf die Märkte mehrerer Erzeugnisse, die Kolofonium enthielten,
und diese Wirkung sei schwer umkehrbar.
– Zur Interessenabwägung
- 54
Die Antragstellerinnen machen geltend, dass die Abwägung der bestehenden Interessen für eine Aussetzung der Wirkungen des
angefochtenen Rechtsakts und der gegenwärtigen Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 spreche. Denn zum
einen entstehe den Antragstellerinnen ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden, während in Bezug auf die Eigenschaften
von Kolofonium keine wissenschaftliche Unsicherheit und daher kein Bedürfnis zum Schutz der menschlichen Gesundheit bestehe.
Zum anderen sei es für die Antragstellerinnen und für die gesamte Gemeinschaft wichtig, dass für die Zwecke der Rechtssicherheit
bestimmte wesentliche Kriterien der Einstufung und der Kennzeichnung chemischer Stoffe klargestellt würden.
Vorbringen der Kommission
- 55
Erstens rügt die Kommission die offensichtliche Unzulässigkeit des Antrags auf einstweilige Anordnungen, da die Antragstellerinnen
einen Rechtsakt angriffen, der ihre Rechtsstellung nicht beeinträchtige und daher nicht mit einer Klage angefochten werden
könne.
- 56
Zweitens führt die Kommission zur Dringlichkeit aus, die Antragstellerinnen hätten nicht dargetan, dass ihr geschäftlicher
Fortbestand durch die Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 bedroht sei. Die Größe und der Tätigkeitsbereich
sämtlicher Antragstellerinnen erlaubten den Schluss, dass ihr Fortbestand nicht von Kolofonium und ihren Leistungen allein
auf diesem Markt abhänge. Der Umstand, dass die Antragstellerinnen in ihrer Klage in der Hauptsache einen Antrag auf Schadensersatz
gemäß Artikel 288 EG gestellt hätten, belege, dass sie selbst der Ansicht seien, dass ihr Schaden ersetzt werden könne.
- 57
Zur Interessenabwägung führt die Kommission aus, dass eine weit reichende Reform der Richtlinie 67/548 vorgeschlagen worden
sei und dass bis zu dieser Reform die Abwägung der Interessen für eine Zurückweisung des Antrags spreche.
Richterliche Würdigung
- 58
In der vorliegenden Rechtssache kann dahingestellt bleiben, ob der angefochtene Rechtsakt rechtliche Wirkungen zeitigt, die
die Interessen der Antragstellerinnen beeinträchtigen; zu prüfen ist, ob die beantragten Maßnahmen im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes erlassen werden können, insbesondere, ob sie für die Antragstellerinnen von praktischem Nutzen sein können.
- 59
In ihrer Antragsschrift beantragen die Antragstellerinnen zunächst, den Vollzug des angefochtenen Rechtsakts auszusetzen,
sodann, den Vollzug der gegenwärtigen Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 auszusetzen, und schließlich,
der Kommission aufzugeben, dem Regelungsausschuss in seiner nächsten Sitzung die Rückstufung von Kolofonium im Rahmen der
neunundzwanzigsten Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt vorzuschlagen.
- 60
Jeder dieser Anträge ist getrennt zu prüfen.
- 61
Was erstens die Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Rechtsakts angeht, so ist dieser Rechtsakt, unterstellt, er ist
eine förmliche Entscheidung, unstreitig eine ablehnende Entscheidung.
- 62
Grundsätzlich ist gegen eine ablehnende Verwaltungsentscheidung ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs nicht gegeben, weil
die Anordnung einer Aussetzung keine Änderung der Lage des Antragstellers herbeiführen könnte (Beschluss des Präsidenten der
Zweiten Kammer des Gerichtshofes vom 31. Juli 1989 in der Rechtssache 206/89 R, S/Kommission, Slg. 1989, 2841, Randnr. 14;
Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 30. April 1997 in der Rechtssache C‑89/97 P[R], Moccia Irme/Kommission, Slg.
1997, I‑2327, Randnr. 45).
- 63
Im vorliegenden Fall hätte die Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Rechtsakts keinen praktischen Nutzen für die Antragstellerinnen,
da sie eine positive Entscheidung über den Vorschlag der Herausnahme von Kolofonium aus Anhang I der Richtlinie 67/548 nicht
ersetzen könnte.
- 64
Daher ist dieser Antrag zurückzuweisen.
- 65
Was sodann die Anträge der Antragstellerinnen betrifft, im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug der gegenwärtigen
Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 auszusetzen und der Kommission aufzugeben, die Rückstufung von
Kolofonium vorzuschlagen, so ist darauf hinzuweisen, dass diese beiden Maßnahmen Folgen hätten, die über die möglichen Rechtswirkungen
einer Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts im Klageverfahren hinausgingen.
- 66
Erstens würde die Aussetzung des Vollzugs der gegenwärtigen Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 bis
zur Entscheidung über die Klage trotz ihres vorläufigen Charakters erga omnes wirken. Dagegen könnte die von den Antragstellerinnen
in ihrer Klageschrift im Ausgangsverfahren erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit, ihre Zulässigkeit und Begründetheit unterstellt,
nicht zur Nichtigerklärung der Aufnahme von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548, sondern allenfalls zur Nichtigerklärung
des angefochtenen Rechtsakts führen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juni 1958 in der Rechtssache 9/56,
Meroni/Hohe Behörde, Slg. 1958, 11).
- 67
Was zweitens den Antrag der Antragstellerinnen angeht, der Kommission im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aufzugeben,
die Rückstufung von Kolofonium vorzuschlagen, so ist zu beachten, dass ein solcher Vorschlag in diesem Stadium des Verfahrens
nicht als eine notwendige Folge der Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts erscheint und dass es der Kommission obliegt,
gemäß Artikel 233 EG die sich aus dem Urteil des Gerichts in der Hauptsache ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Wenn daher
diesem Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes stattgegeben würde, so würde der Kommission aufgegeben, genau bestimmte
Folgen aus dem Nichtigkeitsurteil zu ziehen und somit eine Maßnahme angeordnet, die die Zuständigkeiten des Gerichts der Hauptsache
übersteigt.
- 68
Ferner ist zu berücksichtigen, dass, selbst wenn im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes diesem Antrag der Antragstellerinnen
stattgegeben werden sollte, der Vorschlag der Rückstufung von Kolofonium nicht ohne weiteres zu der vorgeschlagenen Rückstufung
führen würde, da es keine Garantie dafür gibt, dass dieser Vorschlag beim Abschluss des durch Artikel 29 der Richtlinie 67/548
festgelegten Gesetzgebungsverfahrens ohne Änderung verabschiedet würde. Daher hätte eine solche Anordnung, wenn dieser Vorschlag
zurückgewiesen werden sollte, keine praktische Wirksamkeit für die Antragstellerinnen, da Kolofonium in Anhang I der Richtlinie
67/548 eingestuft bliebe.
- 69
Schließlich haben die Antragstellerinnen nicht dargetan, dass der von ihnen geltend gemachte Schaden hinreichend vorhersehbar,
schwer und nicht wieder gutzumachen ist. Insbesondere haben sie rechtlich nicht hinreichend dargetan, dass der Erlass der
einstweiligen Anordnungen dringlich ist.
- 70
Hierzu ist zunächst zu beachten, dass es unter Berücksichtigung des Rechts der Kommission, den im angefochtenen Rechtsakt
zum Ausdruck gekommenen Standpunkt vor der nächsten für die Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt
vorgesehenen Sitzung des Regelungsausschusses zu ändern, keineswegs feststeht, dass die Herausnahme von Kolofonium aus Anhang I
dieser Richtlinie in dieser Sitzung nicht vorgeschlagen würde.
- 71
Ferner ist zu bemerken, dass die Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung danach zu beurteilen ist, ob die Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wieder gutzumachender
Schaden entsteht (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. November 1999 in der Rechtssache C‑329/99 P[R], Pfizer
Animal Health/Rat, Slg. 1999, I‑8343, Randnr. 94). Insbesondere dann, wenn der Schaden vom Vorliegen mehrerer Faktoren abhängt,
genügt es, dass er mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist (vgl. insbesondere Beschlüsse des Gerichtshofes
vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache C‑280/93 R, Deutschland/Rat, Slg. 1993, I‑3667, Randnr. 34, und des Präsidenten des Gerichtshofes
vom 14. Dezember 1999 in der Rechtssache C‑335/99 P[R], HFB u. a./Kommission, Slg. 1999, I‑8705, Randnr. 67).
- 72
Jedoch obliegt es dem Antragsteller, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen schweren und irreparablen
Schadens begründen sollen (Beschlüsse HFB u. a./Kommission, angeführt in Randnr. 71, Randnr. 67, und vom 12. Oktober 2000
in der Rechtssache C‑278/00 R, Griechenland/Kommission, Slg. 2000, I‑8787, Randnr. 15).
- 73
Die Antragstellerinnen machen geltend, ihnen würde, wenn keine einstweiligen Anordnungen erlassen würden, ein nicht wieder
gutzumachender Schaden in zweierlei Hinsicht entstehen, zum einen durch geschäftliche Verluste und zum anderen durch den künftigen
Erlass von Regelungsmaßnahmen für Kolofonium‑Derivate. Diese beiden Gefahren seien getrennt zu prüfen.
- 74
Die Antragstellerinnen führen zunächst aus, wenn Kolofonium weiterhin in Anhang I der Richtlinie 67/548 aufgeführt würde,
könnten ihre Kunden das Vertrauen in diesen Stoff verlieren und ihn nicht mehr für die Herstellung ihrer eigenen Erzeugnisse
verwenden. Der Schaden aufgrund des Vertrauensverlustes sei daher finanzieller Art.
- 75
Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch ein finanzieller Schaden nur unter außergewöhnlichen Umständen als ein nicht oder
auch nur schwer wieder gutzumachender Schaden angesehen werden, da er Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein
kann (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1991 in der Rechtssache C‑213/91 R, Abertal u. a./Kommission,
Slg. 1991, I‑5109, Randnr. 24; Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 1. Oktober 1997 in der Rechtssache T‑230/97 R,
Comafrica und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, Slg. 1997, II‑1589, Randnr. 32, und vom 15. Juni 2001 in der Rechtssache
T‑339/00 R, Bactria/Kommission, Slg. 2001, II‑1721, Randnr. 94). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken, dass ein finanzieller
Schaden, der nicht allein durch die Durchführung des Urteils über die Klage beseitigt wird, einen wirtschaftlichen Verlust
darstellt, der mittels der im Vertrag, insbesondere in den Artikeln 235 EG und 288 EG, vorgesehenen Klagen ausgeglichen werden
könnte (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts, Comafrica und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, Randnr. 38, und vom 20.
Juli 2000 in der Rechtssache T‑169/00 R, Esedra/Kommission, Slg. 2000, II‑2951, Randnr. 47).
- 76
Unter Berücksichtigung der von den Antragstellerinnen geltend gemachten Gefahren wäre der Erlass einstweiliger Anordnungen
unter den Umständen des vorliegenden Falles nur dann gerechtfertigt, wenn sich erwiese, dass das Fehlen einer solchen Anordnung
die Antragstellerinnen in eine Lage brächte, in der möglicherweise ihre Existenz gefährdet wäre oder ihre Marktanteile irreversibel
geändert würden (vgl. entsprechend Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 30. Juni 1999 in der Rechtssache T‑13/99 R,
Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 1999, II‑1961, Randnr. 138, und vom 11. April 2003 in der Rechtssache T‑392/02 R, Solvay Pharmaceuticals/Rat,
Slg. 2003, II‑1825, Randnr. 107).
- 77
Daher ist zu prüfen, ob die Antragstellerinnen dargetan haben, dass ihnen einer dieser Schäden entstehen könnte.
- 78
Was, erstens, die Gefahr eines unwiederbringlichen Verlustes von Marktanteilen angeht, so besteht der einzige hierfür im Antrag
auf einstweilige Anordnungen vorgelegte Urkundsbeweis in einem Artikel, der nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen von
einem ihrer Kunden stammt. In diesem Aufsatz heißt es, dass dieser Kunde wegen der Hautreizungen, die Kolofonium oder dessen
Derivate hervorrufen könnten, keine Harze natürlichen Ursprungs akzeptieren könne. Die Antragstellerinnen haben jedoch weder
das Datum dieses Artikels genannt noch angegeben, welche Bedeutung das Unternehmen hat, das seinen Verfasser beschäftigt.
Daher lässt sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die wirkliche Bedeutung dieses Kunden für die Antragstellerinnen
nicht beurteilen. Ferner enthält dieser Artikel keinen Beleg dafür, dass die von seinem Verfasser zum Ausdruck gebrachte Ansicht
in förmlichem Zusammenhang mit der Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 steht.
- 79
Ferner haben die Antragstellerinnen keine Beweismittel bezüglich ihrer jeweiligen Stellung auf dem Markt für Kolofonium und
dessen Derivate vorgelegt. Sie haben auch nicht hinreichend substanziiert vorgetragen, dass die Einreihung von Kolofonium
in Anhang I der Richtlinie 67/548 und die damit verbundenen Kennzeichnungspflichten besonders nachteilige Folgen für die Wahrnehmung
und die Gewohnheiten ihrer Kunden hätten.
- 80
Erstmals in der mündlichen Anhörung haben die Antragstellerinnen erläutert, dass der geltend gemachte Vertrauensverlust und
die geltend gemachten geschäftlichen Schäden auf der Anwendung der Richtlinie 67/548 in Verbindung mit den Kennzeichnungspflichten
auf der Richtlinie 1999/45 beruhten. Sie haben sich insbesondere auf Teil B Nummer 9 des Anhangs V der Richtlinie 1999/45,
wiedergegeben in Randnummer 14, berufen.
- 81
Da Kolofonium als sensibilisierender Stoff in Anhang I der Richtlinie 67/548 eingestuft worden ist, ist es möglich, dass die
Etikette der Zubereitungen, die Kolofonium enthalten, unter bestimmten Umständen die Angaben tragen müssen, dass sie einen
die Haut sensibilisierenden Stoff enthalten.
- 82
Die Antragstellerinnen haben jedoch keine genauen Beweise vorgelegt, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Beurteilung
zuließen, erstens, welcher Teil ihrer Kundschaft von diesen Verpflichtungen tatsächlich berührt wird und, zweitens, in welchem
Umfang die Gewohnheiten und die Wahrnehmung dieser Kundschaft davon beeinträchtigt würden. Selbst in der Anhörung haben die
Antragstellerinnen nur vage Behauptungen allgemeiner Art in Bezug auf Kunden vorgetragen, deren Identität sie nicht angegeben
haben, und damit verhindert, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die tatsächlichen Wirkungen der in Rede stehenden
Kennzeichnungspflichten beurteilt werden können.
- 83
Somit haben die Antragstellerinnen das Bestehen einer Gefahr ernsthafter Verluste von Marktanteilen nicht glaubhaft gemacht.
- 84
Zudem hätten die Antragstellerinnen, selbst unterstellt, sie hätten glaubhaft gemacht, dass ihnen die Gefahr des Verlustes
eines erheblichen Teils ihrer jeweiligen Marktanteile drohe, im Übrigen nicht glaubhaft gemacht, dass Hindernisse struktureller
oder rechtlicher Art sie daran hindern würden, insbesondere durch geeignete Werbemaßnahmen einen beträchtlichen Teil ihrer
Marktanteile zurückzugewinnen (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 11. April 2001 in der Rechtssache C‑471/00 P[R],
Kommission/Cambridge Healthcare, Slg. 2001, I‑2865, Randnr. 111). Daraus ist zu schließen, dass sie in rechtlicher Hinsicht
nicht hinreichend glaubhaft gemacht haben, dass ihre Marktanteile durch den angefochtenen Rechtsakt und die Anwendung der
Richtlinie 67/548 in nicht wieder gutzumachender Weise beeinträchtigt würde.
- 85
Was, zweitens, die Gefahr angeht, dass die Existenz der Antragstellerinnen in Ermangelung einstweiliger Anordnungen gefährdet
würde, so ist diese Gefahr erstmals in der Anhörung geltend gemacht worden.
- 86
Ferner geht auch aus den Randnummern 78 bis 83 des vorliegenden Beschlusses hervor, dass die Antragstellerinnen in rechtlicher
Hinsicht nicht hinreichend glaubhaft gemacht haben, dass ihnen ohne den Erlass einstweiliger Anordnungen schwere Verluste
drohten.
- 87
Macht ein Antragsteller geltend, dass nachteilige Folgen für seine finanzielle Situation geeignet seien, seine Existenz zu
gefährden, so sind auf alle Fälle bei der Beurteilung seiner materiellen Lage insbesondere die Merkmale des Konzerns zu berücksichtigen,
zu dem er aufgrund der Beteiligungsverhältnisse an seinem Kapital gehört (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom
7. März 1995 in der Rechtssache C‑12/95 P, Transacciones Marítimas u. a./Kommission, Slg. 1995, I‑467, Randnr. 12, und vom
15. April 1998 in der Rechtssache C‑43/98 P[R], Camar/Kommission und Rat, Slg. 1998, I‑1815, Randnr. 36).
- 88
Der Antrag auf einstweilige Anordnungen enthält jedoch keine Ausführungen zur Größe und zur finanziellen Situation der Antragstellerinnen,
während die Kommission in ihrer Stellungnahme öffentlich verfügbare Informationen vorgelegt hat, die darauf hindeuten, dass
Arizona Chemicals, Eastman Belgium und Cray Valley Iberica großen Konzernen angehören, die jeweils eine weite Palette von
Erzeugnissen herstellen. Die Antragstellerinnen haben diesen Vortrag in der Anhörung nicht widerlegt.
- 89
Was Resinall Europe angeht, so kann aus den Angaben der Kommission nicht darauf geschlossen werden, dass dieses Unternehmen
einem großen Konzern angehört, doch ist ihre Muttergesellschaft in Nordamerika stark vertreten. In Ermangelung genauer Angaben,
aus denen hervorginge, dass die in Rede stehenden Kennzeichnungspflichten auch in diesem geografischen Gebiet gelten, und
da Resinall Europe jedenfalls nicht glaubhaft gemacht hat, dass diese Pflichten eine erhebliche Wirkung auf ihren Absatz hätten,
ist zu schließen, dass Resinall Europe nicht glaubhaft gemacht hat, dass ihr Fortbestand ohne den Erlass einstweiliger Anordnungen
gefährdet wäre.
- 90
Schließlich machen die Antragstellerinnen geltend, der Umstand, dass die Kommission Kolofonium nicht zurückgestuft habe, führe
im Ergebnis eine Klassifizierungsnorm für alle Kolofonium‑Derivate ein, denn die folgende Phase des Regelungsverfahrens sei
logischerweise die Einstufung sämtlicher Derivate von Kolofonium als die Haut sensibilisierende Stoffe, was schwerwiegende
Folgen in mehreren Tätigkeitsbereichen zur Folge haben könne.
- 91
Die Entstehung des behaupteten Schadens, die vom Eintritt einer Reihe von Faktoren abhängt, ist in diesem Stadium rein hypothetisch.
Ein Schaden dieser Art kann die beantragten einstweiligen Anordnungen nicht rechtfertigen (Beschlüsse des Präsidenten des
Gerichts vom 15. Juli 1998 in der Rechtssache T‑73/98 R, Prayon‑Rupel/Kommission, Slg. 1998, II‑2769, Randnrn. 22, 26 und
38; vom 8. Dezember 2000 in der Rechtssache T‑237/99 R, BP Nederland u. a./Kommission, Slg. 2000, II‑3849, Randnrn. 57 und
66; vom 15. Januar 2001 in der Rechtssache T‑241/00 R, Le Canne/Kommission, Slg. 2001, II‑37, Randnr. 37).
- 92
Allgemein ist es den Antragstellerinnen nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihnen ohne den Erlass einstweiliger Anordnungen
ein Schaden entstehen würde, der nicht wieder gutgemacht werden könnte, wenn der angefochtene Rechtsakt für nichtig erklärt
würde.
- 93
Somit haben die Antragstellerinnen nicht das Vorliegen von Umständen dargetan, aus denen sich eine Dringlichkeit ergibt, die
einstweilige Anordnungen notwendig machen würde.
- 94
Daher ist der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Klage nicht offensichtlich
unbegründet ist.
Aus diesen Gründen
-
DER PRÄSIDENT DES GERICHTS
beschlossen:
- 1.
- Der Antrag auf einstweilige Anordnungen wird zurückgewiesen.
- 2.
- Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Luxemburg, den 16. Januar 2004
Der Kanzler
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Der Präsident
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- 1 –
- Verfahrenssprache: Englisch.