Rechtssache T‑309/03

Manel Camós Grau

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Untersuchung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) betreffend die Verwaltung und Finanzierung des Instituts für europäisch-lateinamerikanische Beziehungen (IRELA) – Eventueller Interessenkonflikt in der Person eines Ermittlers – Ausscheiden aus der Gruppe – Auswirkungen auf den Ablauf der Untersuchung und den Inhalt des Untersuchungsberichts – Abschlussbericht der Untersuchung – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Schadensersatzklage – Zulässigkeit“

Urteil des Gerichts (Vierte erweiterte Kammer) vom 6. April 2006 

Leitsätze des Urteils

1.     Beamte – Klage – Beschwerende Maßnahme – Begriff – Handlungen mit verbindlicher Rechtswirkung

(Artikel 230 EG; Verordnung Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates, Artikel 9)

2.     Beamte – Schadensersatzklage – Gegenstand

(Artikel 235 EG, 236 EG und 288 EG; Beamtenstatut, Artikel 90, 90a und 91; Verordnung Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates, Artikel 14)

3.     Schadensersatzklage – Selbständigkeit gegenüber der Nichtigkeitsklage

(Artikel 230 Absatz 4 EG, 235 EG und 288 Absatz 2 EG)

4.     Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen

(Artikel 288 Absatz 2 EG)

1.     Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen erheblichen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen, sind Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG gegeben ist.

Dies ist nicht der Fall bei einem Bericht des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), der eine Untersuchung abschließt. Gegen einen solchen Bericht, der die Rechtsstellung der in ihm genannten Personen nicht in qualifizierter Weise ändert, können diese keine Nichtigkeitsklage erheben. Zwar kann dieser Bericht, da er ein fertiges Dokument darstellt und zum Abschluss eines selbständigen Verwaltungsverfahrens von einer mit funktioneller Unabhängigkeit versehenen Dienststelle erstellt wird, nicht als eine vorbereitende Maßnahme für Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren angesehen werden, die im Anschluss an den Bericht, aber ebenso gut neben oder vor der Anrufung des OLAF eingeleitet werden können. Er hat jedoch keine verbindlichen Rechtswirkungen, da er zwar den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und den betroffenen Organen die Vornahme von Handlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen empfehlen kann, die die betreffenden Personen beschweren, seine Schlussfolgerungen und Empfehlungen indessen nicht einmal eine das Verfahren betreffende Verpflichtung für diese Behörden enthalten können, deren Sache es ist, über die Behandlung des Abschlussberichts zu entscheiden, und die somit allein Entscheidungen erlassen können, die die Rechtslage der Personen verändern könnten, für die der Bericht die Einleitung von Gerichts- oder Disziplinarverfahren empfohlen hat.

Zu einer beschwerenden Maßnahme können einen solchen Bericht weder der Umstand machen, dass er möglicherweise mit Verfahrensfehlern und Verstößen gegen wesentliche Formvorschriften behaftet ist, da derartige Verstöße nur im Wege einer Klage geltend gemacht werden können, die sich gegen eine nachfolgende anfechtbare Handlung richtet, soweit die Verstöße deren Inhalt beeinflusst haben, nicht aber selbständig ohne eine solche Handlung, noch der –gegebenenfalls einen Schaden begründende – Umstand, dass dieser Bericht die immateriellen Interessen der in ihm namentlich genannten Personen beeinträchtigt, noch schließlich der Umstand, dass dieser Bericht unter der Verantwortung des Direktors durch eine Handlung des OLAF erstellt wird.

(vgl. Randnrn. 47-51, 55-57)

2.     Vor dem Inkrafttreten des neuen Artikels 90a des Statuts am 1. Mai 2004, der für die Beamten die Möglichkeit vorsieht, an den Direktor des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) einen Antrag gemäß Artikel 90 Absatz 1 des Statuts auf Erlass einer sie betreffenden Entscheidung im Zusammenhang mit einer Untersuchung dieses Amtes zu richten, und angesichts des Fehlens einer Regelung betreffend die Untersuchungen des OLAF in Artikel 14 der Verordnung Nr. 1073/1999 war die Verknüpfung einer von einem Beamten gegen die Kommission erhobenen und auf Ersatz des angeblich durch einen Bericht dieses Amtes entstandenen Schadens gerichteten Schadensersatzklage mit der dienstrechtlichen Streitigkeit nicht erforderlich; der betreffende Beamte musste daher für die Einreichung einer solchen Schadensersatzklage nicht das Verfahren des Artikels 90 des Statuts einhalten.

(vgl. Randnrn. 70-71)

3.     Die Haftungsklage ist ein selbständiger Rechtsbehelf mit eigener Funktion im System der Klagemöglichkeiten und von Voraussetzungen abhängig, die ihrem besonderen Zweck angepasst sind. Daher führt die Unzulässigkeit der Klage auf Aufhebung eines Berichts des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), mit dem eine Untersuchung abgeschlossen wurde, die sich aus dem Charakter dieses Berichts ergibt, der keine beschwerende Maßnahme ist, nicht zur Unzulässigkeit der auf Ersatz verschiedener Schäden im Zusammenhang mit der angeblich rechtsfehlerhaften Erstellung und Verabschiedung des Berichts, also jeweils rechtswidrigen Verhaltensweisen, gerichteten Schadensersatzklage.

Die Rechtsunterworfenen, die wegen der in Artikel 230 Absatz 4 EG genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen bestimmte Handlungen oder Maßnahmen der Gemeinschaft nicht unmittelbar anfechten können, haben indessen die Möglichkeit, ein Verhalten, bei dem es sich nicht um eine Entscheidung handelt und das daher nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein kann, anzufechten, indem sie eine Klage aus außervertraglicher Haftung nach den Artikeln 235 EG und 288 Absatz 2 EG erheben, wenn ein solches Verhalten dazu angetan ist, die Haftung der Gemeinschaft auszulösen. Im Rahmen einer solchen Klage können sie ein rechtswidriges Verhalten bei der Erstellung und Verabschiedung eines Verwaltungsberichts geltend machen, obwohl dieser keine Entscheidung ist, durch die die Rechte der darin genannten Personen unmittelbar beeinträchtigt werden.

(vgl. Randnrn. 77-80)

4.     Auf dem Gebiet der Haftung der Gemeinschaft für Schäden, die Einzelne durch eine einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft zuzurechnende Verletzung des Gemeinschaftsrechts erlitten haben, besteht ein Schadensersatzanspruch, wenn die drei Voraussetzungen erfüllt sind, dass die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, dass der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und dass zwischen dem Verstoß gegen die dem Urheber des Rechtsakts obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.

Insoweit stellt der Grundsatz der Unparteilichkeit, der für die Organe bei der Erfüllung von Untersuchungsaufgaben der Art gilt, wie sie dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) übertragen sind, eine Rechtsnorm dar, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen.

Der schwerwiegende und offensichtliche Verstoß des OLAF gegen das Erfordernis der Unparteilichkeit, der sich im konkreten Fall aus dem in der Person eines Ermittlers bestehenden Interessenkonflikt ergibt, der einen entscheidenden Einfluss bei der Durchführung der Untersuchung ausübte, die unter seinem Einfluss eine einseitige Ausrichtung erhielt, die im Abschlussbericht zu einer falschen Darstellung der genauen Verantwortlichkeiten der betreffenden Kommissionsdienststellen und damit ihrer Mitglieder führte, wobei das OLAF im Inhalt des Abschlussberichts keine Konsequenzen seiner Entscheidung zog, den Ermittler von der Untersuchung abzuziehen, stellt eine Pflichtverletzung dar, die die Haftung der Gemeinschaft begründen kann.

(vgl. Randnrn. 100, 102, 125, 127-128, 131, 140-141)




URTEIL DES GERICHTS (Vierte erweiterte Kammer)

6. April 2006(*)

„Untersuchung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) betreffend die Verwaltung und Finanzierung des Instituts für europäisch-lateinamerikanische Beziehungen (IRELA) – Eventueller Interessenkonflikt in der Person eines Ermittlers – Ausscheiden aus der Gruppe – Auswirkungen auf den Ablauf der Untersuchung und den Inhalt des Untersuchungsberichts – Abschlussbericht der Untersuchung – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Schadensersatzklage – Zulässigkeit“

In der Rechtssache T‑309/03

Manel Camós Grau, Beamter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, wohnhaft in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M.‑A. Lucas,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J.‑F. Pasquier und C. Ladenburger als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Aufhebung des Berichts des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) vom 17. Oktober 2002, mit dem die Untersuchung betreffend das Institut für europäisch-lateinamerikanische Beziehungen (IRELA) abgeschlossen wurde, und wegen Ersatzes des angeblich durch diesen Bericht entstandenen immateriellen Schadens und Laufbahnschadens,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Legal sowie der Richterin P. Lindh, des Richters P. Mengozzi, der Richterin I. Wiszniewska-Białecka und des Richters V. Vadapalas,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2005

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1       Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), das durch den Beschluss 1999/352/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 28. April 1999 (ABl. L 136, S. 20) errichtet wurde, ist unter anderem mit der Durchführung interner Verwaltungsuntersuchungen beauftragt, die dazu dienen, schwerwiegende Handlungen im Zusammenhang mit der Ausübung der beruflichen Tätigkeit aufzudecken, die eine Verletzung der Verpflichtungen der Beamten und Bediensteten der Gemeinschaften, die disziplinarrechtlich und gegebenenfalls strafrechtlich geahndet werden kann, darstellen können.

2       Die Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Untersuchungen des OLAF (ABl. L 136, S. 1) sieht vor, dass die Untersuchungen, die die Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Gemeinschaften betreffen, unter Einhaltung der Vorschriften der Verträge und des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften erfolgen (Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2). Artikel 6 der Verordnung regelt die Durchführung der Untersuchungen, die unter der Verantwortung des Direktors des OLAF von Bediensteten des OLAF vorgenommen werden, die sich u. a. gemäß dem Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften zu verhalten haben.

3       Artikel 9 der Verordnung Nr. 1073/1999 sieht vor, dass das OLAF nach einer von ihm durchgeführten Untersuchung unter der Verantwortung seines Direktors einen Bericht erstellt, aus dem insbesondere die Ergebnisse der Untersuchung, einschließlich der Empfehlungen des Direktors zu den zweckmäßigen Folgemaßnahmen, hervorgehen. Nach Absatz 4 dieser Bestimmung wird der nach Abschluß einer internen Untersuchung erstellte Bericht mit allen Schriftstücken dem betreffenden Organ, der betreffenden Einrichtung oder dem betreffenden Amt oder der betreffenden Agentur übermittelt, die gegebenenfalls die gemäß den Ergebnissen der internen Untersuchungen erforderlichen disziplinarrechtlichen und justiziellen Folgemaßnahmen ergreifen.

4       Nach Artikel 14 der Verordnung kann jeder Beamte und jeder sonstige Bedienstete der Europäischen Gemeinschaften beim Direktor des OLAF nach den in Artikel 90 Absatz 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften vorgesehenen Modalitäten Beschwerde gegen eine ihn beschwerende Maßnahme einlegen, die das OLAF im Rahmen einer internen Untersuchung ergriffen hat.

5       Nach Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 1999/396/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 2. Juni 1999 über die Bedingungen und Modalitäten der internen Untersuchungen zur Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der Interessen der Gemeinschaft (ABl. L 149, S. 57) ist in den Fällen, in denen die Möglichkeit einer persönlichen Implikation eines Mitglieds, eines Beamten oder Bediensteten der Kommission besteht, der Betroffene rasch zu unterrichten, sofern dies nicht die Untersuchung beeinträchtigt. Die Bestimmung legt ferner fest, dass am Ende der Untersuchung keine den Betroffenen mit Namen nennende Schlussfolgerung gezogen werden darf, ohne dass dem Betroffenen Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den ihn betreffenden Tatsachen zu äußern.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

6       Der Kläger, ein Beamter der Besoldungsgruppe A 3 der Kommission, war von 1992 bis 1997, einer Zeit, in der er in der für Lateinamerika zuständigen Direktion der Generaldirektion Außenwirtschaftsbeziehungen tätig war, an der Verwaltung des 1994 gegründeten Instituts für europäisch-lateinamerikanische Beziehungen (Instituto de Relaciones Europeo-Latinoamericanas, im Folgenden: IRELA) beteiligt.

7       Nachdem mehrere Berichte, u. a. der Bericht der Generaldirektion Finanzkontrolle der Kommission aus dem Jahr 1997 und der Bericht des Rechnungshofes von 1998 Unregelmäßigkeiten im Haushalt und in der Rechnungsführung des IRELA offenbart hatten, beschloss der Direktor des OLAF am 4. Juli 2000, eine das IRELA betreffende Untersuchung einzuleiten, und dann am 29. Januar 2001, die ursprüngliche Untersuchung auszuweiten und auch eine interne Untersuchung bezüglich dreier Beamter der Kommission, unter ihnen der Kläger, einzuleiten.

8       Gemäß Artikel 4 des Beschlusses 1999/396 unterrichtete der Direktor des OLAF den Kläger am 30. Januar 2001 von der Einleitung der betreffenden Untersuchung und von der Möglichkeit, dass er, der Kläger, in die festgestellten Unregelmäßigkeiten verwickelt sein könnte. Er teilte ihm auch die Namen der für die Durchführung der Untersuchung zuständigen Bediensteten des OLAF mit.

9       Der Kläger wurde in Anwesenheit seines Anwalts am 22. Februar 2001 von drei der vier zuständigen Bediensteten des OLAF angehört.

10     Mit Schreiben vom 22. Februar 2002 an den Direktor des OLAF und an den Überwachungsausschuss des OLAF machte der Kläger auf die Rolle die Generaldirektion Finanzkontrolle gegenüber dem IRELA aufmerksam und meldete seine Bedenken gegen den Ermittler P. an, weil dieser nicht über die für die Durchführung der Untersuchung erforderliche Objektivität verfügen könne, da er einen Teil seiner Laufbahn in der Generaldirektion Finanzkontrolle verbracht habe. Ein Zwischenbescheid des Direktors des OLAF wurde dem Kläger am 22. März 2002 übersandt.

11     Der Anwalt des Klägers erläuterte in einem Schreiben vom 15. April 2002 an den Direktor des OLAF die Bedenken seines Mandanten hinsichtlich des Interessenkonflikts, in dem der Ermittler P. wegen der Verantwortung, die er innerhalb der für die Kontrolle des IRELA zuständigen Dienststelle der Generaldirektion Finanzkontrolle zum Zeitpunkt der Ereignisse, die den Gegenstand der Untersuchung bildeten, getragen habe, und wegen seines Verhaltens bei der Durchführung der Untersuchung stehen könne. Der Anwalt des Klägers wandte sich mit Schreiben vom 26. April 2002 in gleicher Weise an den Präsidenten des Überwachungsausschusses des OLAF.

12     Am 22. April 2002 fand in Anwesenheit seines Anwalts eine Anhörung des Klägers durch den Leiter des OLAF-Referats „Richter und Staatsanwälte, juristische Beratung und gerichtliche Folgemaßnahmen“ statt, in der der Kläger seine Behauptungen bezüglich des Herrn P. erläutern sollte. Der Leiter des genannten Referats hörte am 23. April 2002 auch den betreffenden Ermittler an.

13     Mit Schreiben vom 17. Mai 2002 teilte der Leiter des Referats „Richter und Staatsanwälte, juristische Beratung und gerichtliche Folgemaßnahmen“ dem Kläger mit, dass sein Referat dem Direktor gegenüber eine rechtliche Stellungnahme abgegeben habe, der zufolge „die Stellung des Herrn P. als beigeordneter Ermittler in der Sache [IRELA] als Interessenkonflikt wahrgenommen werden könnte“, und dass das OLAF gemäß dem Vorschlag, den sein Referat dem Direktor unterbreitet habe, entschieden habe, „[diesen Ermittler] von der Untersuchung abzuziehen“ (im Folgenden: Entscheidung vom 17. Mai 2002).

14     Der Kläger legte am 29. Juli 2002 beim Direktor des OLAF aufgrund des Artikels 14 der Verordnung Nr. 1073/1999 Beschwerde nach Artikel 90 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften in der für den vorliegenden Fall geltenden Fassung (im Folgenden: Statut) ein, mit der er insbesondere begehrte, die Entscheidung vom 17. Mai 2002, soweit sie die von Herrn P. im Rahmen der Untersuchung bezüglich des IRELA getroffenen Maßnahmen aufrechterhielt, für nichtig zu erklären, da diese seiner Auffassung nach mit den Erfordernissen der Unparteilichkeit und der Objektivität unvereinbar sind, sowie ihm den entstandenen immateriellen Schaden und Laufbahnschaden zu ersetzen.

15     Der Direktor des OLAF bestätigte den Eingang der Beschwerde am 14. August 2002.

16     Der Anwalt des Klägers richtete am 25. September 2002 ein weiteres Schreiben an den Direktor des OLAF und an den Vorsitzenden des Überwachungsausschusses, in dem er die Beanstandungen seines Mandanten hinsichtlich des Ablaufs der das IRELA betreffenden Untersuchung erneut geltend machte.

17     Der Abschlussbericht der das IRELA betreffenden Untersuchung wurde vom Direktor des OLAF am 17. Oktober 2002 an den Generalsekretär der Kommission, an den Generalsekretär des Europäischen Parlaments und an die belgischen und die spanischen Gerichte übersandt. Er wurde am 4. November 2002 auch dem Kläger mitgeteilt. Die belgischen und die spanischen Gerichte setzten das OLAF am 13. Februar 2003 und 10. März 2003 von ihrer Entscheidung in Kenntnis, das Verfahren einzustellen.

18     Der Bericht des OLAF beanstandete die Art und Weise der Verwaltung des IRELA und die Rolle, die die Kommission hierbei spielte. Er rügte insbesondere drei an der Verwaltung des IRELA beteiligte Beamte der Kommission, darunter der Kläger, und stellte fest, dass diese ein Finanzierungssystem vorgeschlagen und genehmigt hätten, das Unregelmäßigkeiten im Haushalt und in der Rechnungsführung zugelassen habe. Der Bericht empfahl, Disziplinarverfahren gegen sie einzuleiten.

19     Da die am 29. Juli 2002 eingereichte Beschwerde des Klägers nicht, wie in Artikel 90 Absatz 2 des Statuts vorgesehen, binnen vier Monaten ausdrücklich beschieden wurde, kam am 29. November 2002 eine stillschweigende Ablehnung der Beschwerde (im Folgenden: Entscheidung vom 29. November 2002) zustande.

20     Die spanische Tageszeitung „El País“ veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom 11. Dezember 2002 einen Artikel, der sich unter der Überschrift „Die Europäische Union bringt spanische Politiker und Beamte in Verbindung mit ungerechtfertigten Ausgaben in Höhe von 3,6 Millionen“ unter namentlicher Nennung des Klägers mit dem Ergebnis befasste, zu dem das OLAF in seinem Bericht über das IRELA gekommen war.

21     Der Kläger reichte beim Direktor des OLAF am 4. Februar 2003 eine Beschwerde gegen den Bericht vom 17. Oktober 2002 ein, mit dem die Untersuchung des OLAF abgeschlossen worden war.

22     Nach Übergabe des Berichts des OLAF beauftragte die Kommission am 10. Februar 2003 das Untersuchungs- und Disziplinaramt (im Folgenden: IDOC) mit der Durchführung ergänzender Verwaltungsuntersuchungen, um festzustellen, ob bestimmte Maßnahmen mit den im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Regelungen vereinbar sind und inwiefern die in dem OLAF-Bericht genannten Beamten eventuell verantwortlich sind.

23     Mit Klageschrift, die am 10. März 2003 bei der Kanzlei der Gerichts einging und unter dem Aktenzeichen T‑96/03 eingetragen wurde, erhob der Kläger Klage zum einen auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 17. Mai 2002, mit der Herr P. von der das IRELA betreffenden Untersuchung ausgeschlossen worden war, soweit die Entscheidung die unter Beteiligung des Herrn P. getroffenen Maßnahmen aufrechterhalten hatte, und auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 29. November 2002, mit der seine Beschwerde stillschweigend zurückgewiesen worden war, sowie zum anderen auf Verurteilung der Kommission zum Ersatz des angeblich aufgrund dieser Entscheidungen erlittenen immateriellen Schadens und Laufbahnschadens.

24     Mit Entscheidung vom 28. Mai 2003 wies der Direktor des OLAF die gegen den Bericht vom 17. Oktober 2002 eingelegte Beschwerde des Klägers mit der Begründung zurück, dass der Bericht keine beschwerende Maßnahme sei, hilfsweise, dass die Darlegungen des Betroffenen zur Rechtmäßigkeit der Untersuchung nicht stichhaltig seien.

25     Das IDOC übergab seinen Bericht am 2. Juli 2003. Es kam darin zu dem Ergebnis, dass die Beteiligung der Beamten der Kommission an der Verwaltung des IRELA mit der damals geltenden Gemeinschaftsregelung vereinbar gewesen sei und dass, da es keine Belege dafür gebe, dass das Verhalten der Beamten im Hinblick auf den Sanierungsplan des IRELA gegen diese Gemeinschaftsregelung verstoßen habe, eine Verantwortlichkeit der Beamten nicht festgestellt werden könne. Die Untersuchung habe keine individuellen Verantwortlichkeiten erkennen lassen, sondern vielmehr einen Mangel an Koordination zwischen den Dienststellen der Kommission ergeben, die mit der Kontrolle der dem IRELA zur Verfügung gestellten Gemeinschaftsmittel betraut gewesen seien. Der Bericht schlägt abschließend vor, entweder die ergänzende Verwaltungsuntersuchung einzustellen oder zusätzliche Untersuchungen durchzuführen, die langwierig und komplex sein würden.

26     Die Anstellungsbehörde teilte dem Kläger am 2. September 2003 mit, dass sie beschlossen habe, die Sache ohne disziplinarrechtliche Folgemaßnahme einzustellen.

27     Mit Beschluss vom 9. Juni 2004 in der Rechtssache T‑96/03 (Camós Grau/Kommission, Slg. ÖD 2004, I‑A‑157 und II‑707) wies das Gericht die oben in Randnummer 23 genannte Klage des Klägers als unzulässig ab. Das Gericht vertrat insbesondere die Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung eine Zwischenmaßnahme in dem vom OLAF eingeleiteten Untersuchungsverfahren sei, dass die Entscheidung keine verbindliche Rechtswirkungen habe, die die Interessen des Klägers beeinträchtigten oder seine Rechtslage veränderten, und dass die eventuelle Rechtswidrigkeit der Entscheidung im Rahmen einer Klage gegen die anfechtbare Handlung, mit der das Verfahren abgeschlossen werde, gerichtlich geltend gemacht werden könne.

 Verfahren

28     Mit Klageschrift, die am 8. September 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

29     Mit Schriftsatz vom 29. September 2003 hat der Kläger beim Gericht beantragt, der Kommission die Vorlage von Dokumenten bezüglich der Untersuchung des OLAF und deren Folgemaßnahmen aufzugeben.

30     Mit am 30. März 2004 zugestellter prozessleitender Verfügung hat das Gericht die Kommission aufgefordert, sämtliche Anlagen des OLAF-Berichts, den Bericht über die ergänzende Verwaltungsuntersuchung des IDOC und den Berichtsentwurf vorzulegen, der von einem der mit der Untersuchung des OLAF betrauten Ermittler angefertigt worden war und für die Erstellung des Abschlussberichts des OLAF verwendet wurde. Das Gericht hat die Kommission ferner gebeten mitzuteilen, welche Änderungen an dem Berichtsentwurf des OLAF vorgenommen wurden und welche Untersuchungsmaßnahmen nochmals überprüft wurden, sowie darzulegen, weshalb das OLAF die Rolle der Generaldirektion Finanzkontrolle nicht genauer prüfte.

31     Die Kommission hat am 10. Mai 2004 die erbetenen Dokumente vorgelegt und die Fragen des Gerichts beantwortet. Zu den vorgelegten Dokumenten und den Antworten hat der Kläger am 1. Juli 2004 Stellung genommen.

32     Gemäß den Artikeln 14 und 51 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht am 6. Juni 2005 nach Anhörung der Parteien beschlossen, die Rechtssache an die Vierte Kammer mit fünf Richtern zu verweisen.

33     Mit am 27. Juni 2005 zugestellter prozessleitender Verfügung hat das Gericht die Parteien aufgefordert, die oben in Randnummer 21 genannte Beschwerde vom 4. Februar 2003 vorzulegen und bezüglich der in den Schriftsätzen des Klägers genannten Bewerbung des Klägers für eine Stelle als Direktor die Umstände der Vakanz, die Art der Stelle und das Verfahren zur deren Besetzung darzulegen. Das Gericht hat ferner die Beklagte aufgefordert, Beispiele für beschwerende Maßnahmen zu nennen, gegen die nach ihrer Ansicht eine Beschwerde nach Artikel 14 der Verordnung Nr. 1073/1999 zulässig ist, und darzulegen, weshalb die Teile des Berichtsentwurfs des OLAF, die die Rolle und die Verantwortung der Generaldirektion Finanzkontrolle bezüglich des IRELA betroffen hatten, in der Schlussfassung des Berichts weggelassen wurden. Die Beklagte und der Kläger haben die Fragen des Gerichts am 5. August und am 9. August 2005 beantwortet.

34     Die Parteien haben in der Sitzung vom 14. September 2005 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

35     Mit Schriftsatz vom 23. September 2005 hat die Kommission nähere Angaben zu bestimmten in der mündlichen Verhandlung erörterten Fragen gemacht, die die Verbreitung des OLAF-Berichts in ihren Dienststellen und dessen eventuelle Aufnahme in die Personalakte des Klägers betreffen.

36     Mit Beschluss vom 26. Oktober 2005 hat der Präsident der Vierten erweiterten Kammer des Gerichts die mündliche Verhandlung wieder eröffnet, um die so übermittelten Informationen in die Akten aufzunehmen und dem Kläger die Möglichkeit einer Stellungnahme zu dem ergänzenden Vorbringen der Kommission zu geben.

37     Der Kläger hat innerhalb der vom Gericht gesetzten Fristen keine Erklärungen abgegeben.

38     Mit Beschluss vom 3. Januar 2006 hat der Präsident der Vierten erweiterten Kammer des Gerichts die mündliche Verhandlung für geschlossen erklärt.

 Anträge der Parteien

39     Der Kläger beantragt,

–       die Entscheidung vom 17. Mai 2002, mit der Herr P. von der das IRELA betreffenden Untersuchung ausgeschlossen wurde, aufzuheben, soweit sie die von diesem mit seiner Beteiligung getroffenen Maßnahmen aufrechterhält, ohne sie nochmals zu prüfen oder für nichtig zu erklären oder aber neue Maßnahmen zu treffen;

–       die Entscheidung vom 29. November 2002 aufzuheben, mit der seine Beschwerde vom 29. Juli 2002 gegen die Entscheidung vom 17. Mai 2002 stillschweigend zurückgewiesen wurde;

–       den Abschlussbericht der Untersuchung des OLAF vom 17. Oktober 2002 über das IRELA aufzuheben;

–       die Entscheidung des Direktors des OLAF vom 28. Mai 2003 aufzuheben, mit der die am 4. Februar 2003 gegen den Bericht erhobene Beschwerde zurückgewiesen wurde;

–       die Kommission zu verurteilen, an ihn als Ersatz seines immateriellen Schadens einen vorläufig mit 10 000 Euro veranschlagten Betrag zu zahlen;

–       die Kommission zu verurteilen, an ihn als Entschädigung für die Beeinträchtigung seiner Laufbahn vorläufig einen Betrag von 1 Euro zu zahlen;

–       die Kommission zu verurteilen, ihm die Kosten zu erstatten, die durch seine Rechtswahrnehmung im Rahmen der Untersuchung und seiner Verwaltungsbeschwerden gegen die Entscheidung vom 17. Mai 2002 und den Bericht des OLAF vom 17. Oktober 2002 entstanden sind;

–       der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

40     Die Kommission beantragt,

–       die Klage insgesamt, hilfsweise bezüglich der Anträge auf Aufhebung der ersten beiden angefochtenen Entscheidungen, als unzulässig abzuweisen;

–       hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

–       dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zu den Anträgen auf Aufhebung der Entscheidungen vom 17. Mai 2002 und vom 29. November 2002

41     Der ersten beiden Anträge der vorliegenden Klage, mit denen die Aufhebung der Entscheidungen vom 17. Mai und vom 29. November 2002 begehrt werden, stellen eine reine Wiederholung der zuvor in der Rechtssache T‑96/03 gestellten Anträge dar. Im Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage, am 8. September 2003, stand der Zulässigkeit der Anträge somit die Einrede der Rechtshängigkeit entgegen, die das Gericht in jedem Fall von Amts wegen zu prüfen hat (Urteile des Gerichtshofes vom 26. Mai 1971 in den Rechtssachen 45/70 und 49/70, Bode/Kommission, Slg. 1971, 465, Randnr. 11, und des Gerichts vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T‑99/95, Stott/Kommission, Slg. 1996, II‑2227, Randnrn. 22 und 23). Im Übrigen stellte das Gericht, wie oben in Randnummer 27 ausgeführt, im Beschluss Camós Grau/Kommission die Unzulässigkeit dieser Anträge fest, da sie nicht gegen eine anfechtbare Handlung gerichtet waren.

42     Nach alledem sind die ersten beiden Anträge der vorliegenden Klage als unzulässig zurückzuweisen. Dies schließt nicht aus, dass das Vorbringen zur Begründung dieser Anträge gegebenenfalls bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen, die sich aus den in den Anträgen genannten Handlungen ergeben, berücksichtigt werden kann.

 Zu den Anträgen auf Aufhebung der Entscheidung vom 28. Mai 2003, mit der die am 4. Februar 2003 gegen den Bericht des OLAF erhobene Beschwerde zurückgewiesen wurde

43     Nach ständiger Rechtsprechung bewirken gegen die Zurückweisung einer Beschwerde gerichtete Anträge, dass das Gericht mit der Handlung befasst wird, gegen die die Beschwerde gerichtet ist; sie haben als solche keinen eigenständigen Gehalt (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1989 in der Rechtssache 293/87, Vainker/Parlament, Slg. 1989, 23, Randnr. 8). Der dritte Antrag, der gegen den Bericht des OLAF gerichtet ist, und der vierte Antrag, der gegen die Zurückweisung der gegen diesen Bericht eingelegten Beschwerde gerichtet ist, sind daher vom Inhalt her nur ein Antrag auf Aufhebung des Berichts des OLAF vom 17. Oktober 2004 (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 23. März 2004 in der Rechtssache T‑310/02, Theodorakis/Rat, Slg. ÖD, I‑A‑95 und II‑427, Randnr. 19).

 Zum Antrag auf Aufhebung des Berichts des OLAF vom 17. Oktober 2002


 Zur Zulässigkeit

 Vorbringen der Parteien

44     Die Kommission macht geltend, die angefochtene Handlung sei eine vorbereitende Maßnahme, die keine Beschwer darstelle und nicht Gegenstand eines Antrags auf Nichtigerklärung sein könne. Ein Untersuchungsbericht des OLAF sei ebenso wie die Untersuchung und die verfahrensleitenden Maßnahmen, die im Verlauf der Untersuchung getroffen werde, nur ein vorbereitender Schritt, der die abschließende Entscheidung der Verwaltung nicht vorwegnehme. Die Behauptung aller möglichen Verfahrensverstöße, die die Untersuchung angeblich beeinträchtigt hätten, könne somit – deren Vorliegen unterstellt – nichts an der Feststellung ändern, dass der streitige Bericht mangels Eingriff in die Rechtsstellung der betroffenen Person den Charakter einer vorbereitenden Handlung und nicht den einer beschwerenden Maßnahme habe. Der Verstoß gegen Verfahrensvorschriften beweise nicht das Vorliegen einer beschwerenden Maßnahme, könne aber inzident gegen eine abschließende Entscheidung der Verwaltung geltend gemacht werden, die selbst eine Beschwer darstelle. Die angebliche Beeinträchtigung der immateriellen Interessen und der Laufbahnaussichten des Klägers seien nicht stichhaltig, denn es handele sich um tatsächliche Erwägungen und nicht um zwingende Folgen des Berichts, durch die in die Rechtsstellung der betreffenden Person eingegriffen werde. Auch verfüge das OLAF trotz seiner funktionellen Unabhängigkeit über keine Entscheidungsbefugnis, und seine Untersuchungsberichte hätten keine verbindliche Rechtswirkung, da der Zweck dieser Berichte vor allem in der Vorbereitung eines Disziplinarverfahrens liege.

45     Der Kläger führt aus, seine Klage sei zulässig, da der Bericht des OLAF eine ihn beschwerende Maßnahme darstelle. Der Bericht berühre seine Rechtsstellung wegen der in ihm enthaltenen Unregelmäßigkeiten unmittelbar und sofort. Er sei das Ergebnis eines komplexen Verfahrens, das gekennzeichnet sei durch die Rechtswidrigkeit vorangegangener Untersuchungshandlungen oder Unterlassungen des OLAF, durch den Verstoß gegen die Grundsätze der Billigkeit, der Unparteilichkeit, des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie durch den Verstoß gegen die Verteidigungsrechte. Er sei unter rechtswidrigen Voraussetzungen erstellt worden, da der einzige bis zum Abschluss der Untersuchung zuständige Ermittler nicht mitgewirkt habe, und der Bericht dem Kläger, obwohl persönlich betroffen, nicht vorgelegt worden sei. Der Bericht berühre unmittelbar und sofort seine immateriellen Interessen, weil er zum einen ihn namentlich nenne und ihm zu Unrecht die Verantwortung für die festgestellten Unregelmäßigkeiten zuschreibe und zum anderen der Kommission und den spanischen und den belgischen Gerichten mitgeteilt und in der Presse veröffentlicht worden sei. Der Bericht sei auch geeignet, seine Laufbahn zu beeinträchtigen, und habe anscheinend seine Beförderung auf eine Stelle als Direktor, um die er sich beworben habe, verhindert. Dem Bericht des OLAF komme Entscheidungscharakter zu, da er, wie es in der Verordnung Nr. 1073/99 vorgesehen sei, auf einer Entscheidung des Direktors des OLAF beruhe. Schließlich sei das interne Untersuchungsverfahren des OLAF wegen dessen funktioneller Unabhängigkeit als ein von dem Disziplinarverfahren getrenntes Verfahren anzusehen.

 Würdigung durch das Gericht

46     Die Klage richtet sich gegen die Handlung, die das OLAF unter der Verantwortung seines Direktors vornahm und mit der die Ergebnisse des Abschlussberichts der Untersuchung bezüglich des IRELA festgestellt wurden.

47     Nach ständiger Rechtsprechung sind Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen erheblichen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen, Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG gegeben ist (Urteile des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9, und vom 14. Februar 1989 in der Rechtssache 346/87, Bossi/Kommission, Slg. 1989, 303, Randnr. 23).

48     Ein Bericht wie der, den das OLAF zum Abschluss seiner externen und internen Untersuchungen bezüglich des IRELA erstellte, ändert nicht in qualifizierter Weise die Rechtsstellung der Personen, die, wie der Kläger, in dem Bericht genannt werden.

49     Zwar kann der eine Untersuchung abschließende Bericht, da er ein fertiges Dokument darstellt und zum Abschluss eines selbständigen Verwaltungsverfahrens von einer mit funktioneller Unabhängigkeit versehenen Dienststelle erstellt wird, nicht als eine vorbereitende Maßnahme für Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren angesehen werden, die im Anschluss an den Bericht, aber ebensogut neben oder vor der Anrufung des OLAF eingeleitet werden können. Der Umstand jedoch, dass ein Bericht des OLAF das Verfahren abschließt, nach dem sich die Untersuchungen dieses Amtes regeln, macht aus diesem Bericht noch keine Handlung, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugt.

50     Die Berichte, durch die die Untersuchungen des OLAF abgeschlossen werden und deren Erstellung und Übermittlung die Aufgabe des OLAF beenden, enthalten nämlich neben der Feststellung des Sachverhalts die aus ihm abgeleiteten Ergebnisse und Empfehlungen zu den – insbesondere disziplinarrechtlichen und strafrechtlichen – Folgemaßnahmen, die nach Auffassung des OLAF getroffen werden könnten. Diese Schlussfolgerungen und Empfehlungen sind für die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und die betroffenen Organe bestimmt, damit sie entscheiden, inwieweit ihnen zu folgen ist. Zwar kann das OLAF in seinen Berichten die Vornahme von Handlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen empfehlen, die die betreffenden Personen beschweren, doch begründet seine insoweit abgegebene Stellungnahme für die Behörden, für die sie bestimmt ist, nicht einmal eine das Verfahren betreffende Verpflichtung.

51     Aus den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1073/1999, insbesondere aus deren dreizehnter Begründungserwägung und ihrem Artikel 9, folgt insoweit, dass die in dem Abschlussbericht des OLAF enthaltenen Ergebnisse nicht zwangsläufig zur Einleitung eines Gerichts- oder Disziplinarverfahrens führen, da es Sache der zuständigen Behörden ist, über die Behandlung des Abschlussberichts zu entscheiden, und somit allein sie Entscheidungen erlassen können, die die Rechtslage der Personen verändern könnten, für die der Bericht die Einleitung solcher Verfahren empfohlen hat (Beschluss des Gerichts vom 13. Juli 2004 in der Rechtssache T‑29/03, Comunidad Autónoma de Andalucía/Kommission, Slg. 2004, II‑0000, Randnr. 37).

52     Es ist im Übrigen unstreitig, dass im vorliegenden Fall der streitige Bericht zwar die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Kläger empfahl, ein solches Verfahren jedoch nicht eingeleitet wurde, da die Anstellungsbehörde dem Kläger am 2. September 2003 vielmehr mitteilte, sie habe entschieden, die Sache ohne disziplinarrechtliche Folgemaßnahme einzustellen.

53     Nach dieser Einstellungsentscheidung, die mit der Feststellung einherging, dass die Anstellungsbehörde in der Sache, die zur Untersuchung des OLAF geführt hatte, nicht von einer Verantwortlichkeit des Klägers ausgegangen sei, konnte der angefochtene Bericht im Unterschied z. B. zu einer Beurteilung bei der Laufbahnplanung des Betreffenden rechtlich nicht mehr als Grundlage für eine nachfolgende den Kläger betreffende Entscheidung der Anstellungsbehörde dienen noch sonst in irgendeiner Weise berücksichtigt werden. Außerdem hatte der Bericht keine strafrechtlichen Konsequenzen, da die belgischen und die spanischen Gerichte, wie oben in Randnummer 17 ausgeführt, das OLAF am 13. Februar 2003 und am 10. März 2003 von ihrer Entscheidung unterrichteten, das Verfahren einzustellen. Die berufliche Stellung des Betroffenen kann somit unter diesen Umständen durch den angefochtenen Bericht nicht beeinträchtigt worden sein.

54     Das Vorbringen des Klägers zum Ablauf der Untersuchung und zum Inhalt des Berichts können an dieser Beurteilung nichts ändern.

55     Im Rahmen einer Nichtigkeitsklage geltend gemachte Verfahrensfehler und Verstöße gegen wesentliche Formvorschriften, mit denen, wie im vorliegenden Fall, angeblich ein Untersuchungsbericht des OLAF behaftet ist, können den Bericht nicht zu einer beschwerenden Maßnahme machen. Derartige Verstöße können nur im Wege einer Klage geltend gemacht werden, die sich gegen eine nachfolgende anfechtbare Handlung richtet, soweit die Verstöße deren Inhalt beeinflusst haben, nicht aber selbständig ohne eine solche Handlung (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1987 in den Rechtssachen 181/86 bis 184/86, Del Plato u. a./Kommission, Slg. 1987, 4991, Randnrn. 10, 22, 25, 33, 35, 36, und 38).

56     Selbst wenn man ferner davon ausgeht, dass der Bericht des OLAF insofern die immateriellen Interessen des Klägers beeinträchtigt, als er zum einen den Kläger namentlich nennt und ihm die Verantwortung für die festgestellten Unregelmäßigkeiten zuschreibt und zum anderen der Kommission und den spanischen und den belgischen Gerichten mitgeteilt und in der Presse veröffentlicht wurde, so könnten doch diese Umstände, die geeignet sind, einen Schaden zu begründen, den Bericht nicht zu einer beschwerenden Maßnahme im Sinne des Artikels 230 EG machen.

57     Ohne Bedeutung für die Anfechtbarkeit der Berichte des OLAF ist schließlich der Umstand, dass sie unter der Verantwortung des Direktors durch eine Handlung des OLAF erstellt werden, die sich im vorliegenden Fall durch die Erstellung des streitigen Berichts und seine Übermittlung an die betreffenden Behörden am 17. Oktober 2002 konkretisierte.

58     Nach alledem richtet sich der Antrag auf Nichtigerklärung des Berichts des OLAF vom 17. Oktober 2002 bezüglich des IRELA gegen ein Dokument, das keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugt, die die Interessen des Klägers durch einen erheblichen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen. Die Anträge auf Nichtigerklärung des Berichts sind demzufolge unzulässig.

 Zu den Anträgen auf Ersatz der angeblichen Schäden


 Zur Zulässigkeit

 Vorbringen der Parteien

59     Die Kommission, die die Klage insgesamt für unzulässig hält, macht geltend, dass die Unzulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung die Unzulässigkeit der Schadensersatzanträge nach sich ziehe, wenn zwischen den beiden Anträgen, wie im vorliegenden Fall, ein enger Zusammenhang bestehe.

60     Da ferner die Beschwerde gegen den Bericht des OLAF, die der Kläger am 4. Februar beim Direktor des OLAF eingelegt habe, keinen Antrag auf Schadensersatz enthalte, seien die Schadensersatzanträge des Klägers auch nach den Artikeln 90 und 91 des Statuts, auf die die Verordnung Nr. 1073/1999 verweise, unzulässig.

61     Der Kläger macht geltend, sein Antrag auf Ersatz des Schadens, der durch die Rechtswidrigkeit des Berichts des OLAF und die schwerwiegenden Fehler des OLAF entstanden sei, sei zulässig.

 Würdigung durch das Gericht

–       Zu der Verpflichtung, zuvor Beschwerde einzulegen

62     Aus den Akten geht hervor, dass sich der Kläger in seiner Beschwerde vom 4. Februar 2003 gegen den Bericht des OLAF bezüglich des Schadens, dessen Ersatz er mit der vorliegenden Klage geltend macht, lediglich „das Recht vorbehält, Ersatz des außerordentlich schweren materiellen und immateriellen Schadens zu verlangen, der ihm aufgrund dieses Bericht entstanden ist und zukünftig entstehen kann“.

63     Die Auffassung der Beklagten beruht auf dem Gedanken, dass nach Artikel 14 der Verordnung Nr. 1073/1999 eine Beschwerde im Sinne des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts eingelegt sein müsse, bevor ein Beamter oder Bediensteter gegen eine Entscheidung des OLAF, sei es wegen Nichtigerklärung einer Handlung, sei es wegen Ersatz eines Schadens, Klage erhebe. Einer Schadensersatzklage müsse daher, um zulässig zu sein, eine Beschwerde mit demselben Gegenstand vorausgegangen sein. Eine Ausnahme könne nur zugelassen werden, wenn ein Schadensersatzantrag einem Antrag auf Nichtigerklärung, dem selbst eine Beschwerde vorausgegangen sei und der zulässig sei – was vorliegend nicht der Fall sei –, eindeutig untergeordnet sei.

64     Artikel 14 der Verordnung Nr. 1073/1999 sieht jedoch die Möglichkeit einer Beschwerde beim Direktor des OLAF nur gegen eine beschwerende Maßnahme vor, nicht aber bei einem Schadensersatzantrag, der auf angeblich fehlerhafte Handlungen oder Unterlassungen des OLAF im Rahmen einer Untersuchung gestützt wird. Es ist somit zu prüfen, ob die extensive Auslegung dieser Bestimmung, die die Kommission im Hinblick auf die Pflicht zur vorherigen Beschwerdeeinlegung vornimmt, gerechtfertigt ist.

65     Diese Prüfung hängt ab davon, ob der Rechtsstreit den allgemeinen Streitsachen über die außervertragliche Haftung gemäß den Artikeln 235 EG und 288 EG oder den Streitsachen zwischen der Gemeinschaft und deren Bediensteten nach Artikel 236 EG zuzuordnen ist. Im ersten Fall kann das Gericht unmittelbar mit Anträgen auf Schadensersatz befasst werden. Im zweiten Fall dagegen muss einer Klage auf Ersatz von Schäden, die nicht durch eine den Kläger beschwerende Maßnahme, deren Aufhebung beantragt wird, sondern durch verschiedene angeblich begangene rechtswidrige Handlungen und Unterlassungen der Verwaltung verursacht wurden, nach der Rechtsprechung ein zweistufiges Verfahren vorausgehen. Dieses Verfahren muss zwangsläufig mit der Einreichung eines Antrags beginnen, mit dem die Anstellungsbehörde aufgefordert wird, den behaupteten Schaden zu ersetzen, und gegebenenfalls mit der Einlegung einer Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung über den Antrag fortgesetzt werden (Urteil des Gerichts vom 13. Juli 1993 in der Rechtssache T‑20/92, Moat/Kommission, Slg. 2003, II‑799, Randnr. 47).

66     Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Kommission nicht in ihrer Eigenschaft als Anstellungsbehörde in Anspruch, der er als Beamter untersteht, sondern als Organ, dem das OLAF zugeordnet ist, bei dem es sich um eine mit funktioneller Selbständigkeit ausgestattete Dienststelle handelt, deren Beziehungen zu den Beamten und Bediensteten der verschiedenen Organe nicht unter die gewöhnlichen, das Verhältnis zwischen Beamten und Bediensteten einerseits und ihrer Anstellungsbehörde andererseits betreffenden Vorschriften fallen. Dass die Kommission im vorliegenden Rechtsstreit wie in allen gegen das OLAF gerichteten Klagen die Stellung einer Beklagten hat, ergibt sich aus der verwaltungs- und haushaltsmäßigen Zuordnung des OLAF zu ihr und aus dem Fehlen einer eigenen Rechtspersönlichkeit des OLAF. Insoweit genügt der Hinweis, dass der Kläger, wenn er Beamter nicht der Kommission, sondern eines anderen Organs gewesen wäre, einen Anspruch auf Ersatz von Schäden, die durch ein Verhalten des OLAF entstanden wären, gleichwohl gegen die Kommission hätte richten müssen.

67     Der Rechtsstreit betrifft zudem nicht eine Handlung oder ein Verhalten der Kommission, die die Laufbahn des Klägers berühren, da der Bericht des OAF, wie oben festgestellt, nicht ohne weiteres Rechtswirkungen auf die berufliche Stellung des Klägers entfaltet. Durch seine Vorwürfe, das OLAF habe sich im Verlauf der das IRELA betreffenden Untersuchung ihm gegenüber fehlerhaft verhalten, weshalb der Bericht für ihn nachteilige Bewertungen und Schlussfolgerungen enthalte, befindet sich der Kläger in derselben Lage wie jede andere Person, die durch einen Bericht des OLAF betroffen wird, sei sie nun Beamter der Gemeinschaften oder nicht. Der Umstand, dass sich die Feststellungen des OLAF über den Kläger auf dessen Rolle als Beamter der Kommission bei der Verwaltung und dem Betrieb des IRELA beziehen, ändert nichts an dem Gegenstand des Rechtsstreits, der sich nicht auf die berufliche Tätigkeit des Klägers erstreckt, sondern auf die Art und Weise, wie das OLAF eine Untersuchung durchgeführt und zum Abschluss gebracht hat, die den Kläger namentlich nennt und ihm die Verantwortung für festgestellte Unregelmäßigkeiten zuschreibt.

68     Der Umstand, dass der Kläger nach dem damals anwendbaren Artikel 14 der Verordnung Nr. 1073/1999 beim Direktor des OLAF eine Beschwerde nach den Bestimmungen des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts mit dem Ziel der Nichtigerklärung des Berichts des OLAF eingelegt hat, ist insoweit unerheblich.

69     Zum einen sind nämlich das allgemeine Rechtsschutzsystem und in diesem Rahmen die Anwendbarkeit des Statuts Rechtsfragen, die sich dem Einfluss der Parteien entziehen. Zum anderen ist Artikel 14 der Verordnung Nr. 1073/1999 nicht anzuwenden, da er die Möglichkeit einer Beschwerde nur gegen eine beschwerende Maßnahme vorsieht; aus dem Vorangegangenen ergibt sich aber, dass der Bericht des OLAF keine solche Maßnahme war und dass die oben genannte Bestimmung keine Anwendung des vorprozessualen Beschwerdeverfahrens in dem vorliegenden Rechtsstreit vorsah.

70     Zwar wurde mit dem Inkrafttreten der neuen Bestimmungen des Statuts am 1. Mai 2004 ein das OLAF betreffender Artikel 90a eingefügt, der für die betreffende Person neben der Möglichkeit, sich wie früher mit einer Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts an den Direktor des OLAF zu wenden, wenn im Zusammenhang mit einer Untersuchung des OLAF eine sie beschwerende Maßnahme ergangen ist, auch die Möglichkeit vorsieht, an den Direktor des OLAF einen Antrag gemäß Artikel 90 Absatz 1 des Statuts auf Erlass einer sie betreffenden Entscheidung im Zusammenhang mit einer Untersuchung des OLAF zu richten.

71     Vor dem Inkrafttreten dieser neuen Bestimmung war jedoch angesichts des Fehlens einer entsprechenden Regelung in Artikel 14 der Verordnung Nr. 1073/1999, was das Ersuchen um Schadensersatz im Zusammenhang mit Untersuchungen des OLAF anging, eine solche Verknüpfung mit der dienstrechtlichen Streitigkeit nicht erforderlich. Der Kläger musste daher für die Einreichung einer solchen Schadensersatzklage nicht das Verfahren des Artikels 90 des Statuts einhalten. Die in der vorliegenden Klage enthaltenen Anträge auf Schadensersatz können somit nicht deswegen zurückgewiesen werden, weil der Kläger ein Verfahren nicht eingehalten hat, das von den zur maßgebenden Zeit geltenden Vorschriften nicht vorgesehen war.

72     Im Übrigen wies der Kläger in seiner Beschwerde vom 4. Februar 2003 gegen den Bericht des OLAF, wenn auch in hypothetischer Form, auf seinen Anspruch auf Ersatz des durch den Bericht verursachten Schadens hin. Wenngleich dieser Hinweis nicht als ein vorheriger Schadensersatzantrag im formellen Sinne angesehen werden kann, so ist doch daran zu erinnern, dass die Beschwerde es der Anstellungsbehörde ermöglichen soll, zu einer dienstrechtlichen Frage vor Klageerhebung Stellung zu nehmen. Die Beklagte kann somit unter den Umständen des vorliegenden Falles vernünftigerweise nicht behaupten, sie habe keine Möglichkeit gehabt, sich auf eine Schadensersatzklage vorzubereiten.

73     Verwaltungsbeschwerden im Sinne des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts unterliegen nach ständiger Rechtsprechung keinen Formerfordernissen, und, um ihren Inhalt auszulegen und zu verstehen, hat die Verwaltung alle Sorgfalt aufzuwenden, die eine große, gut ausgestattete Behörde den Bürgern, die Angehörigen ihres Personals inbegriffen, schuldet (Urteil des Gerichtshofes vom 9. März 1978 in der Rechtssache 54/77, Herpels/Kommission, Slg. 1978, 585, Randnr. 47).

74     Im vorliegenden Fall wurde die Kommission in den Stand versetzt, sich sowohl in der vorprozessualen als auch in der prozessualen Phase des Rechtsstreits zu den Grundlagen des Schadensersatzantrags des Klägers zu äußern, so dass selbst dann, wenn Artikel 90 des Statuts anwendbar wäre, den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüchen das Fehlen einer vorherigen Beschwerde nicht mit der Begründung entgegengehalten werden könnte, dass der Kläger vor der Erhebung seiner Klage förmlich keinen anderen Schadensersatz als den in Form der Nichtigerklärung des Berichts beantragt habe.

–       Zum Zusammenhang zwischen dem Schadensersatzantrag und dem Antrag auf Aufhebung

75     Die Beklagte kann sich nicht auf die Rechtsprechung berufen, wonach dann, wenn ein enger Zusammenhang zwischen einer Schadensersatzklage und einer Nichtigkeitsklage besteht, die Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklage diejenige der Schadensersatzklage nach sich zieht (Urteil Bossi/Kommission, zitiert oben in Randnr. 47, Randnr. 31).

76     Diese Rechtsprechung soll nämlich ausdrücklich verhindern, dass ein Beamter, der eine ihn beschwerende Entscheidung der Anstellungsbehörde nicht rechtzeitig angefochten hat, die Präklusion dadurch umgeht, dass er eine auf die angebliche Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung gestützte Klage aus außervertraglicher Haftung erhebt (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1966 in der Rechtssache 59/65, Schreckenberg/Kommission, Slg. 1966, 816, 827, vom 12. Dezember 1967 in der Rechtssache 4/67, Collignon/Kommission, Slg. 1967, 488, 499, und vom 7. Oktober 1987 in der Rechtssache 401/85, Schina/Kommission, Slg. 1987, 3911, Randnrn. 10 und 13).

77     Dies gilt jedoch nicht, wenn die Unzulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung nicht auf die Verspätung, sondern auf den Charakter der angefochtenen Handlung gestützt wird, der dem Betroffenen zwar nicht die Möglichkeit gibt, die Nichtigerklärung der Handlung zu betreiben, jedoch in seiner Personen einen ersatzfähigen Schaden verursachen kann.

78     Die Rechtsunterworfenen, die wegen der in Artikel 230 Absatz 4 EG genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen bestimmte Handlungen oder Maßnahmen der Gemeinschaft nicht unmittelbar anfechten können, haben indessen die Möglichkeit, ein Verhalten, bei dem es sich nicht um eine Entscheidung handelt und das daher nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein kann, anzufechten, indem sie eine Klage aus außervertraglicher Haftung nach den Artikeln 235 EG und 288 Absatz 2 EG erheben, wenn ein solches Verhalten dazu angetan ist, die Haftung der Gemeinschaft auszulösen (Urteil des Gerichts vom 15. Januar 2003 in den Rechtssachen T‑377/00, T‑379/00, T‑380/00, T‑260/01 und T‑272/01, Philip Morris International u. a./Kommission, Slg. 2003, II‑1, Randnr. 123). Die Rechtsunterworfenen können im Rahmen einer solchen Haftungsklage ein rechtswidriges Verhalten bei der Erstellung und Verabschiedung eines Verwaltungsberichts geltend machen, obwohl dieser keine Entscheidung ist, durch die die Rechte der darin genannten Personen unmittelbar beeinträchtigt werden (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 2001 in der Rechtssache C‑315/99 P, Ismeri Europa/Rechnungshof, Slg. 2001, I‑5281, Randnrn. 29 und 30).

79     Ferner ist die Haftungsklage ein selbständiger Rechtsbehelf mit eigener Funktion im System der Klagemöglichkeiten und von Voraussetzungen abhängig, die ihrem besonderen Zweck angepasst sind (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 23. März 2004 in der Rechtssache C‑234/02 P, Bürgerbeauftragter/Lamberts, Slg. 2004, I‑2803, Randnr. 159, sowie die dort zitierte Rechtsprechung).

80     Die Haftungsklage des Klägers wegen Ersatz der immateriellen Schäden und der Laufbahnschäden, die sich angeblich aus dem rechtswidrigen Verhalten des OLAF im Rahmen der das IRELA betreffenden Untersuchung und aus der nachfolgenden Erstellung des Berichts ergeben, ist somit, was die Zulässigkeit angeht, unabhängig von der Nichtigkeitsklage zu beurteilen.

81     Nach alledem sind die Anträge des Klägers auf Ersatz der Schäden, die ihm angeblich durch das Verhalten des OLAF entstanden sind, für zulässig zu erklären.

 Zur Begründetheit

 Vorbringen der Parteien

82     Der Kläger macht geltend, die Unregelmäßigkeiten des OLAF während der Untersuchung bezüglich des IRELA und bei der Verabschiedung des Berichts vom 17. Oktober 2002 stellten jeweils eine Amtspflichtverletzung dar, durch die ihm ein schwerwiegender immaterieller Schaden und ein Laufbahnschaden entstanden sei.

83     Er führt in seiner Klageschrift sechs Klagegründe auf, die die angeblichen Unregelmäßigkeiten betreffen.

84     Erstens genüge die Entscheidung, Herrn P. von der Untersuchung abzuziehen, nicht der in Artikel 253 EG und Artikel 25 des Statuts verankerten Begründungspflicht, da der Kläger über die Entscheidung nur durch die Mitteilung informiert worden sei, die er am 17. Mai 2002 vom Leiter des Referats „Richter und Staatsanwälte, juristische Beratung und gerichtliche Folgemaßnahmen“ erhalten habe und in der die genauen Gründe dieser Entscheidung nicht angegeben gewesen seien.

85     Zweitens habe das OLAF gegen die Verteidigungsrechte sowie gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen. Der Bericht über die externe Prüfung vom 14. Dezember 2000 bezüglich des IRELA sei ihm nicht rechtzeitig für seine Anhörung durch das OLAF am 22. Februar 2001 mitgeteilt worden. Die Ermittler hätten ihm bei dieser Anhörung zu verstehen gegeben, dass er als Zeuge gehört werde, nicht aber zu dem Zweck, seine Verantwortlichkeit zu klären. Er habe auch bei seiner Anhörung und dann bei der Beantwortung der schriftlichen Fragen, die ihm später gestellt worden seien, nicht über die für seine Verteidigung erforderlichen Informationen verfügt und insbesondere keine Kenntnis von den Beweisen gehabt, die das OLAF gegen ihn zusammengetragen habe. Gegen die Verteidigungsrechte und Artikel 4 des Beschlusses 1999/396 sei auch insofern verstoßen worden, als ihm der Bericht des OLAF nebst Anhängen nicht vor seiner Verabschiedung vorgelegt worden seien.

86     Drittens sei der Bericht des OLAF unter Verstoß gegen Artikel 6 Absätze 1 bis 3 und 9 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1073/99 sowie gegen den für die Untersuchungen des OLAF geltenden Grundsatz der Objektivität erstellt worden, da der einzige Ermittler, der bis zum Ende der Untersuchung für diese zuständig gewesen sei, nicht an ihr mitgewirkt habe. Der Berichtsentwurf, den dieser Ermittler vor seinem Ausscheiden aus dem OLAF Anfang September 2002 gefertigt habe, unterscheide sich wesentlich von dem Abschlussbericht, der im Übrigen nicht von ihm unterzeichnet sei. Der Kläger macht geltend, dass die Untersuchungsberichte des OLAF von den Ermittlern erstellt werden müssten und dass die Verordnung Nr. 1073/99 den Direktor des OLAF nicht dazu ermächtige, einen Untersuchungsbericht allein zu verabschieden oder zu ändern.

87     Viertens sei die Untersuchung entgegen der Verordnung Nr. 1073/99 nicht unter Wahrung der tragenden Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und unter Wahrung des Statuts, insbesondere seines Artikels 14, geführt worden. Da er nämlich dem OLAF ernsthafte Hinweise darauf gegeben habe, dass in der Person eines Ermittlers ein Interessenkonflikt bestehe, hätte sich das OLAF vergewissern müssen, dass die von diesem Ermittler getroffenen Maßnahmen und die Ausrichtung der Untersuchung objektiv geboten gewesen seien und nicht auf dem von ihm, dem Kläger, gerügten Interessenkonflikt beruht hätten. Die Relevanz der damals vorgebrachten Rügen werde durch die widersprüchliche Begründung der Entscheidung vom 28. Mai 2003 bestätigt, mit der seine Beschwerde gegen den streitigen Bericht zurückgewiesen worden sei, denn mit dieser Entscheidung werde eingeräumt, dass es für die Objektivität der Untersuchung unerlässlich gewesen sei, Herrn P. von der Untersuchung abzuziehen, zugleich jedoch die Auffassung vertreten, dass seine Mitwirkung keine nachteilige Folgen gehabt habe.

88     Fünftens habe das OLAF bei der Beurteilung der Frage, welche Rolle Herr P. tatsächlich gespielt habe, offenkundige Fehler begangen: zum einen deswegen, weil hinsichtlich der Kontrolle der Kommission über das IRELA die Verantwortung vom Ermittler auf die Generaldirektion Finanzkontrolle übergegangen sei, und zum anderen dadurch, dass das OLAF geleugnet habe, dass der Interessenkonflikt in der Person des Herrn P. Auswirkungen auf die Untersuchung gehabt habe, obwohl Herr P. doch eine entscheidende und wesentliche Rolle bei der Ausrichtung und Durchführung der Untersuchung innegehabt habe, was durch die Schlussfassung des Berichts bestätigt werde.

89     Sechstens sei gegen die Grundsätze der Billigkeit und der Unparteilichkeit verstoßen worden. Obwohl das OLAF davon ausgegangen sei, dass die Unabhängigkeit und Objektivität des Herrn P. nicht gewährleistet werden könne, und deshalb den Betroffenen von der Untersuchung abgezogen habe, habe es hieraus keine Konsequenzen gezogen und die von Herrn P. getroffenen Maßnahmen aufrechterhalten. Die Verantwortung der Beamten der Generaldirektion Finanzkontrolle sei im Bericht des OLAF übergangen und die Hauptverantwortung für die festgestellten Unregelmäßigkeiten stattdessen den an der Verwaltung der IRELA beteiligten Beamten der Kommission, insbesondere dem Kläger, zugeschrieben worden.

90     Zur Stützung seines Schadensersatzantrags macht der Kläger geltend, das OLAF habe zwei schwere Fehler begangen: Der erste bestehe darin, dass es seine Untersuchung bezüglich des IRELA einem Beamten anvertraut habe, dessen Unparteilichkeit nicht mit Sicherheit habe garantiert werden können, was durch die Entscheidung vom 17. Mai 2002 belegt werde, und der zweite darin, dass es Schlussfolgerungen gezogen habe, denen keine hinreichend beweiskräftigen Tatsachen zugrunde lägen, was sich aus der von der Anstellungsbehörde eingeleiteten ergänzenden Untersuchung ergebe.

91     Der Kläger trägt vor, durch die rechtswidrigen Handlungen des OLAF seien ihm zwei Arten von Schäden entstanden. Zum einen habe das OLAF seine innere Ruhe, seine Ehre und sein berufliches Ansehen beeinträchtigt, indem es einen ungerechtfertigten Verdacht ihm gegenüber aufrechterhalten und ihn bis zur Einstellung des Verfahrens durch die zuständigen Gerichte und Verwaltungsbehörden darüber im Zweifel gelassen habe, ob ein Disziplinarverfahren und Strafverfahren gegen ihn eingeleitet werde, wodurch ihm ein immaterieller Schaden entstanden sei. Der Kläger beruft sich insoweit auf die Dauer des Verfahrens, die Bedeutung, die die Schlussfolgerungen des OLAF ihm gegenüber gehabt hätten, und auf die Publizität, die sie in der Presse erlangt hätten. Zum anderen sei ihm ein Laufbahnschaden entstanden, da seine Bewerbung um eine Stelle als Direktor nicht berücksichtigt worden sei, obwohl er für eine solche Stelle die Vertretung übernommen und somit die für die Ernennung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt habe.

92     Die Kommission trägt vor, die Voraussetzungen für eine außervertragliche Haftung der Gemeinschaft seien nicht erfüllt, da ihr ein rechtswidriges Verhalten nicht zur Last gelegt werden könne, weil die Untersuchung des OLAF und die Erstellung des Berichts gemäß den Erfordernissen der Objektivität und der Unparteilichkeit erfolgt seien.

93     Erstens macht die Beklagte geltend, dass die Entscheidung vom 17. Mai 2002 der Begründungspflicht genüge und dass der Kläger sich zu Unrecht auf Artikel 25 des Statuts berufe, da die anwendbare Vorschrift Artikel 14 der Verordnung Nr. 1073/99 sei.

94     Zweitens liege ein Verstoß gegen die Verteidigungsrechte nicht vor. Dem Kläger hätten vor der Anhörung eine völlig ausreichende Frist für das Studium des Berichts über die externe Prüfung des IRELA und während der Untersuchung alle für seine Verteidigung nützlichen Informationen zur Verfügung gestanden. Die Ermittler hätten den Betroffenen nicht über Gegenstand der Untersuchung getäuscht, und aufgrund der zahlreichen Fragen, die ihm gestellt worden seien, hätte er sehr wohl wissen können, welche Tatsachen ihm zur Last gelegt werden könnten. Außerdem verlange weder die Verordnung Nr. 1073/1999 noch Artikel 4 des Beschlusses 1999/396, dass dem Betroffenen der Entwurf des OLAF-Berichts mitgeteilt werde, sondern nur, dass er in die Lage versetzt werde, zu allen ihn betreffenden Umständen Stellung zu nehmen, was hier der Fall gewesen sei.

95     Drittens sei nach der internen Organisation des OLAF die Erstellung des Untersuchungsberichts, die nach Artikel 9 der Verordnung Nr. 1073/1999 unter der Verantwortung des Direktors erfolge, einem Exekutivausschuss (executive board) übertragen, und es gebe keinen allgemeinen Grundsatz, dass die Zusammensetzung einer Gruppe von Beamten und Bediensteten, die eine Untersuchung durchführe, gleich bleiben müsse.

96     Viertens macht die Kommission bezüglich der Ordnungsmäßigkeit und der Objektivität der Untersuchung geltend, dass das OLAF die Möglichkeit eines in der Person des Herrn P. bestehenden Interessenkonflikts sorgfältig geprüft habe und, nachdem es einen solchen bejaht habe, den Ermittler zu einem Zeitpunkt abgezogen habe, zu dem der Bericht noch nicht abgeschlossen gewesen sei.

97     Fünftens habe das OLAF bei der Beurteilung der Rolle des Herrn P. keinen offenkundigen Fehler begangen, ob es sich nun um seine frühere Verantwortung oder um die hier in Frage stehende Untersuchung handele. Herr P. habe nur als beigeordneter Ermittler mitgewirkt. Er habe die Strategie und Ausrichtung der Untersuchung in keiner Weise bestimmt und auch nicht das letzte Wort über den Bericht gehabt. Dieser sei von einem anderen Ermittler vorbereitet und vom Exekutivausschuss des OLAF in Kenntnis der Umstände, unter denen Herr P. von der Untersuchung abgezogen worden sei, erstellt worden.

98     Sechstens sei die Untersuchung unter Wahrung der Grundsätze der Unparteilichkeit und Billigkeit durchgeführt worden, da der Abzug des Herrn P. von der Untersuchung gerade beschlossen worden sei, um die Unparteilichkeit und Objektivität der Untersuchung zu gewährleisten. Die Beklagte führt aus, dass der angefochtene Bericht auf die mögliche Verantwortung anderer Beamten, insbesondere aus der Generaldirektion Finanzkontrolle, hinweise und dass die vom Kläger insoweit vorgelegten Dokumente zu den Akten genommen worden seien.

99     Zu den Schäden, deren Ersatz der Kläger verlangt, führt die Kommission aus, der Kläger lege weder einen konkreten Nachweis für das Bestehen des behaupteten immateriellen Schadens vor noch liefere er einen Anhaltspunkt für den geltend gemachten Laufbahnschaden.

 Würdigung durch das Gericht

–       Zur außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft

100   Nach ständiger Rechtsprechung auf dem Gebiet der Haftung der Gemeinschaft für Schäden, die Einzelne durch eine einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft zuzurechnende Verletzung des Gemeinschaftsrechts erlitten haben, besteht ein Schadensersatzanspruch, wenn die drei Voraussetzungen erfüllt sind, dass die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, dass der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und dass zwischen dem Verstoß gegen die dem Urheber des Rechtsakts obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (Urteile des Gerichtshofes vom 5. März 1996 in den Rechtssachen C‑46/93 und C‑48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I‑1029, Randnr. 51, vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C‑352/98 P, Bergaderm und Goupil/Kommission, Slg. 2000, I‑5291, Randnrn. 41 und 42, und vom 10. Dezember 2002 in der Rechtssache C‑312/00 P, Kommission/Camar und Tico, Slg. 2002, I‑11355, Randnr. 53).

–       Zu den angeblich verletzten Rechtsnormen

101   Für die Entscheidung über die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft ist im vorliegenden Fall zunächst zu prüfen, ob die angeblich verletzten Rechtsnormen bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen. Der Kläger beruft sich auf den Verstoß gegen die Grundsätze der Unparteilichkeit, der Billigkeit und der Objektivität, des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemäßen Verwaltung. Er trägt außerdem vor, dass gegen die Verteidigungsrechte und die Formvorschriften für die Erstellung der OLAF-Berichte sowie gegen die Begründungspflicht verstoßen worden sei.

102   Es genügt insoweit die Feststellung, dass zumindest der Grundsatz der Unparteilichkeit, der für die Organe bei der Erfüllung von Untersuchungsaufgaben der Art gilt, wie sie dem OLAF übertragen sind, neben dem Allgemeininteresse die betroffenen Personen zu schützen bezweckt und ihnen ein subjektives Recht auf Einhaltung der entsprechenden Garantien verleiht (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 21. November 1991 in der Rechtssache C‑269/90, Technische Universität München, Slg. 1991, I‑5469, Randnr. 14).

103   Daher ist festzustellen, dass sich der Kläger auf den Verstoß gegen eine Rechtsnorm beruft, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen.

–       Zum Verhalten des OLAF bei der Durchführung der Untersuchung und der Erstellung des Berichts über das IRELA

104   Für die Entscheidung über die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft ist weiterhin zu prüfen, ob das Verhalten des OLAF bei der Durchführung der Untersuchung und der Erstellung des Berichts über das IRELA einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen den geltend gemachten Grundsatz der Unparteilichkeit darstellt, d. h. ob das Amt insoweit nach der Rechtsprechung die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Bürgerbeauftragter/Lamberts, zitiert oben in Randnr. 79, Randnrn. 49, 60, 62 und 63).

105   Nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften hat das OLAF die in seine Zuständigkeit fallenden Untersuchungen gemäß dem Vertrag und den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, namentlich gemäß dem Erfordernis der Unparteilichkeit, sowie unter Einhaltung des Statuts durchzuführen, dessen Artikel 14 insbesondere eventuelle Interessenkonflikte in der Person des Beamten verhindern soll.

106   Für die Beurteilung des Verhaltens des OLAF ist erstens der Frage nachzugehen, ob in Anbetracht der Verantwortlichkeit, die Herr P. im Rahmen seiner früheren Aufgaben in der Generaldirektion Finanzkontrolle für das IRELA gehabt hatte, in der Person des Herrn P. wirklich ein Interessenkonflikt bestand, zweitens, welche Rolle dieser Ermittler bei der Durchführung der Untersuchung bezüglich des IRELA tatsächlich spielte, und gegebenenfalls drittens, wie sich diese Rolle auf die Erstellung des Berichts vom 17. Oktober 2002 auswirkte.

107   Was erstens das Bestehen eines Interessenkonflikts in der Person des Herrn P. angeht, so weist das Schreiben des Leiters des Referats „Richter und Staatsanwälte, juristische Beratung und gerichtliche Folgemaßnahmen“ an den Kläger vom 17. Mai 2002 darauf hin, dass das OLAF angesichts der rechtlichen Stellungnahme des genannten Referats gegenüber dem Direktor des OLAF, wonach „die Stellung des Herrn P. als beigeordneter Ermittler in der Sache [IRELA] als Interessenkonflikt wahrgenommen werden könnte“, und gemäß dem Vorschlag, den das Referat dem Direktor unterbreitet habe, beschlossen habe, den Betroffenen von der Untersuchung abzuziehen. Außerdem geht aus der Klagebeantwortung der Kommission hervor, dass Herr P. mit Rücksicht auf diesen möglichen Interessenkonflikt und zwecks Gewährleistung der Unparteilichkeit und der Objektivität der Untersuchung von dieser abgezogen wurde.

108   Tatsächlich bestand im vorliegenden Fall wenig Zweifel daran, dass in der Person des Herrn P. ein Interessenkonflikt vorlag. Aus den Akten geht hervor, dass die Mittel des IRELA praktisch vollständig aus dem Gemeinschaftshaushalt stammten, dass die für Lateinamerika zuständige Generaldirektion, in der der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt arbeitete, die technische und finanzielle Überwachung des IRELA ausübte und dass die Generaldirektion Finanzkontrolle, die für alle Mittelbindungen und für die aus Gemeinschaftsmitteln bewirkten Zahlungen ihren Sichtvermerk zu erteilen hat, sämtliche dem IRELA zugewiesenen Vorhaben mit dem Sichtvermerk versehen hatte.

109   Herr P., von seiner Ausbildung her Buchhalter, hatte zum Zeitpunkt des Sachverhalts, der den Gegenstand der Untersuchung bildete, in dem für die Kontrolle der Ausgaben des IRELA zuständigen Referat der Generaldirektion Finanzkontrolle gearbeitet und war für die horizontalen und methodologischen Angelegenheiten des Sektors Nahrungsmittelhilfe und humanitäre Hilfe verantwortlich gewesen. Er hatte insbesondere vom 1. März bis zum 30. November 1998 sowie im März 2000 die Aufgaben des Leiters dieses Referats wahrgenommen, was ihm die Befugnis gab, die das IRELA betreffenden Dokumente zu unterzeichnen. Das IDOC erwähnt daher in seinem Bericht ein Schreiben vom 3. Januar 1997, das von Herrn P. unterzeichnet und an die für Lateinamerika zuständige Direktion gerichtet war und mit dem für ein Vorhaben des IRELA der Sichtvermerk der Generaldirektion Finanzkontrolle erteilt wurde.

110   Dass ein Interessenkonflikt in der Person des Herrn P. bestand, steht somit fest.

111   Was zweitens die Frage betrifft, welche Rolle Herr P. bei der Durchführung der Untersuchung bezüglich des IRELA tatsächlich spielte, so ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Beschluss über die Einleitung der internen Untersuchung vom 30. Januar 2001 vier Bedienstete, darunter Herr P., zur Führung der Untersuchung befugt waren. Zwei von ihnen verließen das OLAF am 30. September 2001 und wirkten somit an der Untersuchung nicht mehr mit. Nachdem Herr P. durch die Entscheidung vom 17. Mai 2002 von der Untersuchung abgezogen worden war, erstellte der einzige noch mit der Untersuchung befasste Ermittler, der nach den Erklärungen des OLAF die Leitung der Untersuchung übernahm und zusammen mit Herrn P. den vorläufigen Bericht vom 20. Dezember 2002 verfasst hatte, den Entwurf des Abschlussberichts. Dieser Ermittler, der das OLAF am 30. September 2002 verließ, hat den Bericht nicht unterzeichnet.

112   Aus den Akten geht hervor, dass der abgezogene Ermittler an allen zwischen Februar 2001 und April 2002 vom OLAF durchgeführten Anhörungen mit Ausnahme derjenigen des ehemaligen Leiters der für Lateinamerika zuständigen Direktion, des unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers, teilgenommen hat. Der genannte Ermittler war außerdem einer der beiden Verfasser des Berichts über die am Sitz des IRELA in Madrid durchgeführte Untersuchung sowie des oben genannten vorläufigen Berichts vom 20. Dezember 2000. Es steht auch fest, dass alle Untersuchungshandlungen vor dem Abzug des Herrn P. durchgeführt und von zwei oder drei Personen vorgenommen wurden, wobei der abgezogene Ermittler, abgesehen von einer Ausnahme, stets anwesend war.

113   Herr P. war an der gesamten Durchführung der Untersuchung beteiligt. Das Vorbringen der Kommission, dass der Ermittler nicht für die Leitung der Untersuchung zuständig gewesen sei, sondern eine komplementäre und untergeordnete Rolle gespielt habe, vermag die zuvor getroffenen Feststellung, dass Herr P. stets anwesend und an der das IRELA betreffenden Untersuchung wesentlich beteiligt war, nicht zu entkräften.

114   Was drittens die Auswirkungen der Beteiligung des Herrn P. auf die Erstellung des Berichts vom 17. Oktober 2002 angeht, so macht die Beklagte geltend, dass das OLAF einen möglichen Interessenkonflikt in der Person eines Ermittlers bei der Abfassung des Abschlussberichts berücksichtigt habe und dass der Abschlussbericht insoweit in voller Kenntnis der Sachlage erstellt worden sei.

115   Es sind daher die Dokumente zu prüfen, die nacheinander für die Ausarbeitung des Berichts verwendet wurden, wobei, da das Vorbringen des Klägers dies nahelegt, insbesondere zu untersuchen ist, ob erstens aus ihnen hervorgeht, dass die eventuelle Verantwortung der Generaldirektion Finanzkontrolle ungeachtet deren Aufgabe zu Unrecht übergangen oder heruntergespielt wurde, ob zweitens, da das OLAF durch den Abzug des Herrn P. von der Untersuchung eingeräumt hatte, dass in dessen Person ein Interessenkonflikt bestehen könne, dies im Bericht vom 17. Oktober 2002 berücksichtigt wurde und – allgemeiner gesagt – ob drittens die Rügen des Klägers hinsichtlich der fehlenden Unparteilichkeit der Untersuchung und des nachfolgenden Berichts durch das Ergebnis dieser Prüfung bestätigt werden.

116   Drei Dokumente sind zu berücksichtigen, nämlich der vorläufige Bericht vom 20. Dezember 2000, der von Herrn P. und von dem für die Untersuchung bis zu deren Abschluss zuständigen Ermittler verfasst wurde, der Berichtsentwurf, der von dem Letztgenannten Ende August 2002 erstellt wurde, und der Abschlussbericht vom 17. Oktober 2002.

117   Zunächst ergibt sich aus dem vorläufigen Bericht vom 20. Dezember 2000, dass darin die – als erhebliche und fragwürdige Einmischung angesehene – Beteiligung von Kommissionsbeamten an der Verwaltung des IRELA hervorgehoben und darauf hingewiesen wird, dass von ihnen die Schaffung einer finanziellen Reserve ausging und sie gemeinsam mit den Mitgliedern des Parlaments diese rechtswidrige Praxis zum Zwecke der Alimentierung des Fonds genehmigten. Was die eventuelle Rolle der Generaldirektion Finanzkontrolle bezüglich der Verwaltung des IRELA angeht, so wird diese Generaldirektion nur wegen des von ihr im Jahr 1997 erstellten Prüfberichts und wegen der Beanstandungen erwähnt, die sie damals bezüglich des Finanzmanagements der IRELA erhoben hatte; die Beanstandungen wurden so dargestellt, als seien sie die Ursache für den Abzug der Kommissionsbeamten aus der Verwaltung des IRELA gewesen. Das Dokument stellt es außerdem als erwiesen dar, dass die Beamten der Kommission Kenntnis von den rechtswidrigen Handlungen hatten.

118   Was sodann den Ende August 2002 erstellten Entwurf angeht, so steht fest, dass bestimmte Passagen des Entwurfs bezüglich der Rolle der Generaldirektion Finanzkontrolle und der Rolle der Kommission insgesamt in der endgültigen Fassung des Berichts abgeschwächt oder weggelassen wurden. Insbesondere bezieht sich der Berichtsentwurf darauf, dass die Kommission Kenntnis von der Praxis hatte, die dem IRELA ermöglichte, unzulässigerweise Gewinne zu erzielen, weil das Organ (Finanzkontrolle) die Belegdokumente anerkannte. Der Entwurf geht davon aus, dass die Generaldirektion Finanzkontrolle in ihrem Bericht von 1997 eine teilweise Prüfung des Sachverhalts vornahm. Er bezeichnet es als unverständlich, dass die Prüfer der Generaldirektion den Fragen, die sich aufdrängten, sobald die Unregelmäßigkeiten aufgedeckt waren, nicht automatisch nachgegangen seien. Bezüglich der Verantwortlichkeit der Kommission wird ausgeführt, dass „[d]ie Sache IRELA … über die Verantwortlichkeiten einer bestimmten Generaldirektion hinausgegangen ist“ und dass „[d]ie Generaldirektion Finanzkontrolle, als sie über alle Informationen für eine gründliche Auseinandersetzung mit den finanziellen Problemen des [IRELA] verfügte, nicht mit der nötigen Entschiedenheit vorgegangen [ist]“. Abschließend heißt es in dem Entwurf, dass sich die Rolle der Kommission in der Sache IRELA nicht auf die Tätigkeit von drei Personen beschränkt habe, sondern das „Ergebnis einer institutionellen Tätigkeit“ sei, da die Kontrollsysteme der Kommission nicht wirksam funktioniert hätten, die Generaldirektion Finanzkontrolle eine „geringe Kontrolle“ ausgeübt habe und die Dienststellen der Kommission nicht koordiniert gehandelt hätten.

119   Aus dem Abschlussbericht vom 17. Oktober 2002 schließlich geht hervor, dass dieser Bericht bezüglich der Rolle und der eventuellen Verantwortung der Generaldirektion Finanzkontrolle lediglich am Rande vermerkt, dass beschlossen worden sei, die genannten Umstände nicht zu prüfen, um die Untersuchung nicht zu verzögern. Zwar wird hinzugefügt, dass auf eine eventuelle Verantwortung der Beamten der genannten Generaldirektion hingewiesen werden müsse, doch wird dieser Frage im weiteren Verlauf des Berichts nicht wieder aufgegriffen; auch wurde nur ein Beamter der Generaldirektion im Rahmen der Untersuchung angehört.

120   Am Ende der Sachprüfung heißt es in dem Bericht, die Untersuchung habe ergeben, dass nur die an der Verwaltung des IRELA beteiligten Kommissionsbeamten Kenntnis von den technischen Einzelheiten gehabt hätten, durch die eine unzulässige Erzielung von Gewinnspannen möglich gewesen sei. Zugleich wird die „aktive Rolle“ und die „Hauptverantwortung“ der Beteiligten bei dem Aufbau und dem Betrieb des Systems betont.

121   Der Bericht untersuchte die Rolle der Kommission und betonte dabei die Rolle und die Verantwortung der für Lateinamerika zuständigen Direktion. Er stellte insbesondere fest, dass die in den Gremien des IRELA tätigen Beamten der Generaldirektion ihre Stellung dazu benutzt hätten, „die Verwendung von Dokumenten zu gestatten, die die Zahlung der Gewinne ermöglichen“. In Bezug auf die Generaldirektion Finanzkontrolle nennt der Bericht nur die 1997 durchgeführte Prüfung und erwähnt, dass sie unvollständig sei.

122   Die abschließenden Schlussfolgerungen des Berichts bekräftigen, dass das Finanzierungssystem des IRELA, die Ursache der festgestellten Unregelmäßigkeiten, in einer Einrichtung eingeführt worden sei, deren aktivste Mitglieder die Bediensteten der Kommission gewesen seien, und dass die für Lateinamerika zuständige Direktion die technischen Einzelheiten gekannt habe. Die Generaldirektion Finanzkontrolle wird offenbar ausgeklammert, auch wenn am Ende ihre „Passivität“ und der Umstand, dass sie keine „wirkliche Kontrolle“ ausgeübt habe, erwähnt werden.

123   Was die individuelle Verantwortung angeht, so führt der Bericht von den Bediensteten der Kommission nur die an der Verwaltung des IRELA beteiligten Beamten der für Lateinamerika zuständigen Direktion mit Namen an und empfiehlt, Disziplinarverfahren gegen sie einzuleiten, die „gegebenenfalls auf andere Beamten, insbesondere Beamte in der Generaldirektion Finanzkontrolle“ auszudehnen seien; diese Empfehlung wird dann unter der Überschrift „Weiteres Vorgehen“ noch einmal wiederholt.

124   Eine vergleichende Untersuchung der aufeinander folgenden Fassungen des OLAF-Berichts zeigt, dass die endgültige Fassung die Rolle der Generaldirektion Finanzkontrolle offensichtlich übergibt oder herunterspielt und parallel dazu die gesamte Verantwortung für die der Kommission angelasteten Unregelmäßigkeiten nur bei den Beamten sieht, die an der Verwaltung des IRELA beteiligt waren. Bei dieser Fassung entschied man sich somit dafür, die voreingenommene Haltung in dem vorläufigen Bericht, dessen Verfasser u. a. Herr P. war, zu bestätigen, und schloss die in dem ohne die Mitwirkung des Herrn P. Ende August 2002 entstandenen Berichtsentwurf enthaltene differenziertere Darstellung aus, die die Rolle der Generaldirektion Finanzkontrolle ausführlicher berücksichtigte und die eigenen Unzulänglichkeiten in der Sache IRELA hervorhob sowie nicht nur den oben genannten Beamten die Verantwortung innerhalb der Kommission zuwies, sondern letztlich die Auffassung vertrat, dass die Verantwortung eher in einem institutionellen Versagen zu suchen war, das auch die Generaldirektion Finanzkontrolle einschloss.

125   Nach alledem steht erstens fest, dass in der Person des Herrn P. ein Interessenkonflikt bestand. Zweitens hat Herr P. praktisch an allen Untersuchungshandlungen mitgewirkt, von denen nicht eine in Frage gestellt wurde, nachdem Herr P. von der Untersuchung abgezogen worden war. Herr P. war außerdem innerhalb einer Gruppe tätig, die im Laufe der Zeit kleiner wurde, und er war einer der beiden Verfasser des vorläufigen Berichts. Drittens spielte Herr P. im Verlauf der Untersuchung in tatsächlicher Hinsicht eine wichtige Rolle.

126   Ferner ergibt sich aus den Akten, dass sich der Einfluss, den Herr P. bei der Durchführung der Untersuchung ausübte, nachteilig auf das Erfordernis der Unparteilichkeit auswirkte. Es waren nämlich zwei Dienststellen, die für Lateinamerika zuständige Direktion und die Generaldirektion Finanzkontrolle, im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgaben für die Überwachung der Tätigkeit des IRELA insbesondere in ihren finanziellen Aspekten zuständig. Im Rahmen der vom OLAF eingeleiteten internen Untersuchung wäre die Prüfung der Rolle der Generaldirektion Finanzkontrolle umso mehr gerechtfertigt gewesen, als man IRELA vollständig von Gemeinschaftsbeihilfen abhängig war und sich die Generaldirektion Finanzkontrolle, die für alle Mittelbindungen den Sichtvermerk erteilt, wiederholt zum IRELA geäußert hatte.

127   Es steht aber fest, dass beschlossen wurde, keine Ermittlungen bezüglich der Generaldirektion Finanzkontrolle durchzuführen, denn die Untersuchung erstreckte sich hinsichtlich der eventuellen Verantwortung der Kommission ausschließlich auf die Rolle der für Lateinamerika zuständigen Direktion. Insoweit wurde bei den von Februar 2001 bis April 2002 durchgeführten Ermittlungen, in deren Verlauf nur ein Bediensteter der Generaldirektion Finanzkontrolle gegenüber fünf Bediensteten der für Lateinamerika zuständigen Direktion angehört wurde, offenbar die Richtung verfolgt, die der Untersuchung durch den vorläufigen Bericht gegeben worden war. Dieser Bericht, von dessen beiden Verfassern einer Herr P. war, zielte daher nicht darauf ab, die Generaldirektion Finanzkontrolle in Frage zu stellen, sondern bestätigte im Gegenteil kategorisch die Verwicklung der Beamten der für Lateinamerika zuständigen Direktion in die festgestellten Unregelmäßigkeiten. Die Schlussfolgerung, dass die Ausrichtung, die der Untersuchung durch den Einfluss des Herrn P. gegeben worden war, ausschlaggebend war, wird durch die Stellungnahme vom 2. Mai 2002 bestätigt, die von der Beklagten in ihrer Antwort auf die oben in Randnummer 30 genannten Fragen des Gerichts zur Ausarbeitung des streitigen Berichts angeführt worden ist und in der sich der Leiter des OLAF-Referats „Richter und Staatsanwälte, juristische Beratung und gerichtliche Folgemaßnahmen“ für einen Ausschluss des Ermittlers aussprach und empfahl, im Abschlussbericht die „von [Herrn P.] ausgehenden Impulse“ unberücksichtigt zu lassen.

128   Die unvollständige und deshalb einseitige Behandlung der Rolle der Kommission, die angesichts der wesentlichen Bedeutung der Finanzkontrolle methodologisch nicht recht verständlich ist, konnte durch ihre Lückenhaftigkeit nur zu einer falschen Darstellung der genauen Verantwortlichkeiten der betreffenden Kommissionsdienststellen und damit ihrer Mitglieder führen.

129   Indem der Abschlussbericht die gesamte Verantwortung für die betrügerischen Handlungen, die der Kommission anzulasten sind, allein den an der Verwaltung des IRELA beteiligten Beamten der für Lateinamerika zuständigen Generaldirektion zuweist, ohne sich dabei mit den Einzelheiten der Rolle der Generaldirektion Finanzkontrolle zu befassen, die in dem Ende August 2002 erstellten, mehrere Beanstandungen bezüglich der Generaldirektion enthaltenden Berichtsentwurf aufgeführt waren, bestätigt er die Unausgewogenheit, die sich aus dieser unvollständigen und einseitigen Untersuchung der Verantwortlichkeiten der Kommission ergibt.

130   Die Rechtfertigung im Bericht vom 17. Oktober 2002 für das Ausbleiben einer Prüfung der Rolle der Generaldirektion Finanzkontrolle, der zufolge, „[u]m die Untersuchung nicht zu verzögern, … beschlossen [wurde], die Umstände bezüglich der Verantwortung der Generaldirektion Finanzkontrolle nicht zu untersuchen“, kann nicht akzeptiert werden. Das Bestreben des OLAF, ihre Untersuchungen schnell durchzuführen, ist zwar berechtigt, wenn die Tatsachen lange zurückliegen und verjähren könnten, ist jedoch keine rechtlich zulässige Begründung für eine unvollständige oder selektive Prüfung der potenziellen Verantwortlichkeiten von verschiedenen Dienststellen des kontrollierten Organs oder der kontrollierten Einrichtung, wenn wie im vorliegenden Fall offensichtlich ist, dass diese Dienststellen unter den Umständen, die Gegenstand der Untersuchung sind, aus verschiedenen Gründen eine Rolle spielen mussten.

131   Nach alledem verstoßen der Inhalt und die Schlussfolgerungen des OLAF-Berichts gegen das Erfordernis der Unparteilichkeit. Der Verstoß des OLAF gegen die betreffende Rechtsnorm wiegt umso schwerer, als das OLAF geschaffen wurde, um Untersuchungen im Hinblick auf alle rechtswidrigen Handlungen durchzuführen, die zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften gereichen und verwaltungs- oder strafrechtlich geahndet werden können, und als das OLAF als selbständige Dienststelle der Kommission eingerichtet wurde, um ihm die funktionelle Unabhängigkeit zu gewähren, die für die Durchführung seiner Aufgabe für erforderlich gehalten wird. Zudem wird der Verstoß gegen das Erfordernis der Unparteilichkeit durch die Bestätigung im Abschlussbericht, dass die Untersuchung unter dem Einfluss des Herrn P. eine einseitige Ausrichtung erhielt, angesichts der Kenntnis von dem in der Person des Herrn P. bestehenden Interessenkonflikt, die das OLAF im Übrigen durch die Abberufung des Ermittlers eingeräumt hatte, offensichtlich.

132   Dieses Ergebnis wird darüber hinaus durch den Bericht des IDOC vom 2. Juli 2003 bestätigt. Es ist daran zu erinnern, dass das IDOC beauftragt worden war zu prüfen, ob Folgendes mit der damals geltenden Gemeinschaftsregelung vereinbar war: 1. die Beteiligung der Beamten der Kommission an der Verwaltung des IRELA, 2. der Vorschlag und/oder die Duldung des Finanzsanierungsplans – gegebenenfalls sollte die sich insofern eventuell ergebende individuelle Verantwortlichkeit der Beamten angegeben werden – und 3. die eventuelle Verantwortung der an der Verwaltung des IRELA beteiligten Kommissionsbeamten und der Beamten der für die Kontrolle der Gemeinschaftsmittel des IRELA zuständigen Dienststellen.

133   So wird in dem Bericht des IDOC, in dem die Rolle der Generaldirektion Finanzkontrolle untersucht wird, darauf hingewiesen, dass diese in dem Abschlussbericht des OLAF mit außer in der Empfehlung unter der Überschrift „Weiteres Vorgehen“ keinerlei Erwähnung gefunden habe.

134   Bezüglich der Entscheidung über die Bildung einer Finanzreserve, von der die Unregelmäßigkeiten ausgingen, stellt das IDOC zum einen fest, dass diese Reserve lange Zeit vor der Beteiligung der drei im OLAF-Bericht gerügten Beamten gebildet worden sei und dass sie von der für Lateinamerika zuständigen Direktion und der Generaldirektion Finanzkontrolle im Jahr 1986 empfohlen, im Jahr 1988 beschlossen und von der Kommission angenommen, wenn nicht gar gefördert worden sei. Zum anderen sei die Rechtswidrigkeit dieser Praxis erst verspätet, im Jahr 1997, von der für Lateinamerika zuständigen Direktion zur Sprache gebracht worden. Diese habe den Juristischen Dienst der Kommission und die Generaldirektion Finanzkontrolle befragt, die anders als in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 1986 Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Mechanismus geäußert habe.

135   Der Bericht des IDOC führt ferner aus, der Kläger habe dem OLAF gegenüber angegeben, dass die Generaldirektion Finanzkontrolle jedes Jahr die von einem Wirtschaftsprüferbüro durchgeführte Prüfung des IRELA genehmigt habe und dass in der Prüfung von 1995 ausdrücklich festgestellt worden sei, dass das IRELA einen Gewinn in Höhe von 1,194 Mio. Euro erzielt habe. Das Dokument indessen, das der Kläger zur Stützung seiner Darlegung angeführt habe, sei nicht zu den dem Abschlussbericht des OLAF beigefügten Akten genommen worden, sondern sei in den Akten des OLAF wiedergefunden worden.

136   In dem Bericht heißt es weiter, dass die Generaldirektion Finanzkontrolle nach Durchführung ihrer Kontrolle im Jahr 1997 keine weitergehende Prüfung vorgenommen habe und dass sie, obwohl sie von dem früheren Verantwortlichen des Finanzreferats der für Lateinamerika zuständigen Direktion zu der Möglichkeit (des IRELA) befragt worden sei, der Kommission über den festgestellten Arbeitsplan und die Beihilfe hinausgehend für Honorare und Aufwendungen überhöhte Rechnungen zu stellen, den Mittelbindungen letzten Endes den Sichtvermerk erteilt habe. Die Verfasser des IDOC‑Berichts bringen ihr Erstaunen darüber zum Ausdruck, dass die Generaldirektion Finanzkontrolle zwar jedes dem IRELA zugewiesene Vorhaben mit dem Sichtvermerk versah, aber erst 1997 Beanstandungen erhob. Die Verfasser zeigen sich auch erstaunt über den Wortlaut des von Herrn P. unterzeichneten, oben in Randnummer 112 genannten Schreibens, in dem die für Lateinamerika zuständige Direktion darauf hingewiesen wird, dass die Generaldirektion Finanzkontrolle ein Vorhaben mit dem Sichtvermerk versehen habe, allerdings in jedem einzelnen Fall entsprechende Belege gewollt habe.

137   Die Feststellungen des IDOC zur Verantwortlichkeit der drei Kommissionsbeamten, die an der Verwaltung des IRELA beteiligt waren, sind im Übrigen wesentlich differenzierter. Es wird ausgeführt, dass die Rechtmäßigkeit dieser Beteiligung erst verspätet, im Jahr 1994, angesprochen worden sei und dass die Fortsetzung dieser Beteiligung nach Stellungnahme des Generalsekretariats vom Juristischen Dienst und der Generaldirektion Finanzkontrolle am 17. Oktober 1995 ausdrücklich genehmigt worden sei. Das IDOC ist im Gegensatz zu dem Ergebnis des OLAF-Berichts der Auffassung, es stehe nicht fest, dass die drei vom OLAF für verantwortlich erklärten Beamten von den Unregelmäßigkeiten, die insbesondere darin bestanden hätten, übertrieben hohe Kosten mit unzutreffenden Ausgaben zu rechtfertigen, Kenntnis gehabt hätten. Das IDOC weist darauf hin, dass die Rechtswidrigkeit der Bildung von Finanzreserven erst 1997 „ziemlich unbestimmt“ zur Sprache gebracht worden sei.

138   Die Schlussfolgerungen des IDOC‑Berichts, die zumindest implizit auf bestimmte Unzulänglichkeiten in der vom OLAF durchgeführten Untersuchung hinweisen, sind auf jeden Fall weitaus weniger kategorisch als die Schlussfolgerungen des OLAF. Das IDOC weist darauf hin, dass nicht auf ein Vorliegen disziplinarrechtlich relevanter Regelwidrigkeiten geschlossen werden könne. Es lehnt die Feststellung individueller Verantwortlichkeiten ab, da es der Meinung ist, dass die Sache eher mangelnde Koordination zwischen den Dienststellen der Kommission erkennen lasse, die mit der Kontrolle der dem IRELA gewährten Gemeinschaftsmittel betraut seien.

139   Keines der von der Beklagten vorgebrachten Argumente kann diese Schlussfolgerung in Frage stellen. Die Kommission macht geltend, die Untersuchung habe sich vor allem auf die Beteiligung der Beamten der Gemeinschaft am Betrieb der Einrichtungen des IRELA konzentriert, während die Rolle der Generaldirektion Finanzkontrolle eine andere gewesen sei; eine eingehende Untersuchung hätte angesichts des lange zurückliegenden Sachverhalts und der erforderlichen persönlichen und sachlichen Mittel Schwierigkeiten mit sich gebracht. Das OLAF habe in völliger Unabhängigkeit über den Bereich seiner Nachforschungen entschieden. Solche Argumente können indessen, was eine Untersuchungseinrichtung angeht, nicht die Parteilichkeit rechtfertigen, die bei der Durchführung der Nachforschungen dieser Einrichtung festgestellt wurde. Auch die Behauptung, es gebe auf Seiten des abgezogenen Ermittlers keinen Anhaltspunkt für eine Manipulation des Sachverhalts, durch die die Wahrheitsfindung behindert werden könne, kann diese Feststellung nicht entkräften.

140   Überdies wird die Behauptung der Kommission, dass die Umstände, unter denen Herr P. von der Untersuchung abgezogen wurde, im Abschlussbericht berücksichtigt worden seien, durch den Inhalt dieses Berichts selbst entkräftet, denn der darin enthaltene Hinweis auf eine eventuelle Verantwortlichkeit anderer Beamten insbesondere aus der Generaldirektion Finanzkontrolle ist eine reine Standardformulierung. Zwar trifft es durchaus zu, dass das OLAF im Hinblick auf die Beamten der Direktion keine Schlussfolgerungen hätte ziehen dürfen, ohne sie zuvor angehört zu haben, doch rechtfertigt dies nicht den Entschluss des OLAF, seine Untersuchung hinsichtlich der Rolle, die die Kommission in der Sache IRELA spielte, auf eine einzige Direktion zu beschränken. Denn es ist weder verständlich noch gerechtfertigt, dass die Prüfung der Rolle der Generaldirektion Finanzkontrolle von den Untersuchungen, die innerhalb der Kommission geführt wurden, ausgenommen wurde, obwohl die Bindung sämtlicher Gemeinschaftsmittel von der Zustimmung dieser Direktion abhängt und im Übrigen der IDOC‑Bericht in diesem Zusammenhang bestätigt, dass sich die Aufgaben und die Verantwortlichkeiten in der Sache IRELA überschneiden.

141   Abschließend steht fest, dass sich das OLAF, wie oben in den Randnummern 126 bis 132 dargelegt, bei der Durchführung der Untersuchung und der Erstellung des streitigen Berichts rechtswidrig verhalten hat, da es schwerwiegend und offensichtlich gegen das Erfordernis der Unparteilichkeit verstieß. Dieser Verstoß stellt eine Pflichtverletzung dar, die die Haftung der Gemeinschaft begründen kann, sofern ein unmittelbarer und bestimmter Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem angeblichen Schaden besteht.

–       Zum Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des OLAF und den vom Kläger behaupteten Schäden

142   Die verschiedenen Schäden, der Laufbahnschaden und der immaterielle Schaden, die der Kläger geltend macht und deren Vorliegen zu prüfen sein wird, sind unmittelbar durch die personenbezogene Beanstandung seines Verhaltens entstanden, die im Bericht enthalten ist und in Schlussfolgerungen und Empfehlungen zum Ausdruck kommt, die ihn individuell betreffen. Der nach der Rechtsprechung erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem rechtswidrigen Verhalten, das im Bericht zum Ausdruck kommt, und den Schäden, die dem Betroffenen hieraus angeblich entstanden sind, liegt somit vor.

143   Der Umstand, dass der Inhalt des Berichts wegen der personenbezogenen Kritik an dem Betroffenen die unmittelbare Ursache für die behaupteten Schäden ist, bedeutet jedoch nicht, dass diese erwiesen sind. Dieser Schluss kann gegebenenfalls – für jeden der beiden geltend gemachten Schäden gesondert – erst gezogen werden, wenn die tatsächlichen Auswirkungen geprüft worden sind, die die im Bericht aufgeführten Schlussfolgerungen und Empfehlungen möglicherweise zum einen auf die berufliche und zum anderen auf die persönliche Stellung des Klägers hatten.

144   Was dagegen andere vom Kläger geltend gemachte Unregelmäßigkeiten angeht, die erstens die Begründung der Entscheidung des OLAF, mit der Herr P. von der Untersuchung abgezogen wurde, zweitens die Beachtung der Verteidigungsrechte und der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemäßen Verwaltung bezüglich der Anhörung des Klägers durch das OLAF und der Mitteilung des Berichts vor dessen Verabschiedung und drittens die Zuständigkeit für die Erstellung und Verabschiedung der OLAF-Berichte innerhalb des OLAF betreffen, so ist festzustellen, dass dem Kläger durch diese für sich genommen jedenfalls kein anderer Schaden als der entstehen konnte, der durch den Inhalt des Berichts verursacht wurde.

–       Zum Schaden des Klägers

145   Zwei Arten von Schäden sollen dem Kläger durch das schuldhafte Verhalten des OLAF entstanden sein, nämlich ein materieller Schaden, der sich auf seine berufliche Laufbahn auswirkte, und ein immaterieller Schaden, der mit den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zusammenhängt.

146   Was erstens den Schaden angeht, der sich angeblich auf die Laufbahn des Klägers ausgewirkt hat, so ist zu prüfen, ob dessen Bewerbung um eine Planstelle als Direktor, wie er behauptet, nicht berücksichtigt wurde, obwohl er für eine solche Stelle die Vertretung übernommen und somit bewiesen hatte, dass er die für die Tätigkeit erforderlichen Voraussetzungen erfüllt.

147   Aus den oben in Randnummer 33 genannten Angaben, die die Parteien auf Fragen des Gerichts gemacht haben, geht hervor, dass sich der Kläger auf eine Planstelle als Direktor in der Direktion A „Estland, Lettland, Litauen, Polen“ der Generaldirektion Erweiterung bewarb, für die er als dienstältester Beamter in der höchsten Besoldungsgruppe von Dezember 2002 bis zum 1. April 2003, von dem an er andere Aufgaben wahrzunehmen hatte, die Vertretung übernommen hatte. Das Ernennungsverfahren, das durch eine Stellenausschreibung vom 4. März 2003 eingeleitet wurde, wurde gemäß der allgemeinen Übung der Kommission nach Kriterien durchgeführt, die sich aus der für die betreffende Planstelle charakteristischen Sachkenntnis und Eignung ergeben. Ein Gremium bestehend aus vier Direktoren, drei aus der Generaldirektion Erweiterung und einer aus der Generaldirektion Landwirtschaft, traf eine Vorauswahl und zog in diesem Stadium acht Personen in Betracht. Der schließlich gewählte Bewerber wurde mit Entscheidung vom 9. Juli 2003 ernannt.

148   Hinsichtlich der nachteiligen Auswirkungen, die die Schlussfolgerungen des OLAF auf die Bewerbung des Klägers hätten haben können, bezieht sich der Kläger auf die Umstände, die sich aus der Chronologie der Ereignisse ergeben und seiner Auffassung nach zeigen, dass der Bericht des OLAF Auswirkungen auf die Ablehnung seiner Bewerbung haben konnte.

149   Selbst wenn jedoch feststeht, dass der IDOC‑Bericht der Kommission am 2. Juli 2003 übergeben wurde, also praktisch am Ende des offenen Verfahrens für die Besetzung der fraglichen Planstelle, und dass die Entscheidung der Anstellungsbehörde, die Sache einzustellen, erst am 2. September 2003 getroffen wurde, als die Planstelle besetzt war, so können diese Hinweise auf die Chronologie keine ernstzunehmenden Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen dem OLAF-Bericht und der Entscheidung der Anstellungsbehörde, die Bewerbung des Klägers nicht zu berücksichtigen, sein, da jeder sonstige Anhaltspunkt dafür fehlt, dass die Anstellungsbehörde unter anderen Umständen im Rahmen ihres weiten Ermessens der Bewerbung des Klägers den Vorzug vor der des erfolgreichen Bewerbers gegeben hätte.

150   Somit ist festzustellen, dass der Kläger nicht nachweist, dass seine Bewerbung wegen der gegen ihn im OLAF-Bericht erhobenen Anschuldigungen nicht berücksichtigt wurde.

151   Allgemein ist festzustellen, dass kein Laufbahnschaden unmittelbar dem Inhalt des OLAF-Berichts zugerechnet werden kann, da dieser Bericht, wie oben in den Randnummern 51 bis 53 ausgeführt, nicht die Grundlage für eine Maßnahme sein kann, die die Laufbahn des Betroffenen beeinträchtigt, sobald beschlossen ist, dass keine disziplinarrechtliche Folgemaßnahme getroffen wird.

152   Die Kommission hat insoweit in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass dieser Bericht keine Wirkungen mehr haben könne, sobald sie auf der Grundlage eines Berichts des OLAF beschließe, kein Disziplinarverfahren zu eröffnen. In ihrem oben in Randnummer 35 genannten Schreiben vom 23. September 2003 wies die Kommission ferner darauf hin, dass „kein Bericht des OLAF in die Personalakte des Klägers aufgenommen wurde“ und dass „der Teil H der Personalakte des Klägers, der den disziplinarrechtlichen Fragen vorbehalten ist, weiterhin ohne Eintrag ist, da der Betroffene von seinem Recht, die Aufnahme der Mitteilung, dass die Anstellungsbehörde im Anschluss an die ergänzende Verwaltungsuntersuchung den Fall ohne disziplinarrechtliche Folgemaßnahme eingestellt habe, in seine Personalakte zu verlangen, nach Belehrung keinen Gebrauch machen wollte“.

153   Die Beklagte hat hinzugefügt, es entspreche ihrer ständigen Praxis, die Berichte des OLAF, die Beamte beträfen, nicht in die Personalakte aufzunehmen, da derartige Berichte nicht als von Artikel 26 Buchstabe a des Statuts erfasst gälten. (Diese Bestimmung nennt die Beurteilungen der Befähigung, Leistung und Führung des Beamten.) Die Kommission hat ferner ausgeführt, dass „Unterlagen, die ein Disziplinarverfahren betreffen oder ein mögliches Disziplinarverfahren vorbereiten, in die Personalakten nur im Fall von Strafen oder Ermahnungen im Sinne des Artikels 3 Buchstabe b des Anhangs IX des Statuts aufgenommen werden“. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte sich auf die Bestimmungen des Statuts in der am 1. Mai 2004 in Kraft getretenen Fassung bezieht, aufgrund der die oben genannte Bestimmung geändert wurde, und dass Artikel 3 Buchstabe b des Anhangs IX des Statuts wie folgt lautet: „Auf der Grundlage des Untersuchungsberichts kann die Anstellungsbehörde nach Unterrichtung des betreffenden Beamten über alle in den Akten enthaltenen Beweismittel nach Anhörung des Beamten … b) beschließen, obwohl eine Dienstpflichtverletzung vorliegt oder offensichtlich vorgelegen hat, gegen den Beamten keine Strafe zu verhängen und gegebenenfalls eine Ermahnung aussprechen“.

154   Aus diesen Hinweisen geht hervor, dass der Bericht des OLAF nicht in der Personalakte des Klägers enthalten ist und dass diese keinen Hinweis auf die das IRELA betreffende Sache enthält, insbesondere nicht die Einstellung dieser Sache ohne disziplinarrechtliche Folgemaßnahme erwähnt, die nach Übergabe des ergänzenden IDOC‑Berichts beschlossen wurde. In der mündlichen Verhandlung schließlich beendete die Beklagte ihre Ausführungen mit dem Hinweis, dass „die Kommission nach Einstellung der Straf- und der Disziplinarverfahren, die auf der Grundlage eines Berichts [des OLAF] eingeleitet worden waren, diesen Bericht rechtlich weder in anderer, latenter Weise noch in einem anderen Kontext gegen den betroffenen Beamten verwenden könnte und dass der Grundsatz der Unschuldsvermutung verlangt, dass die Anstellungsbehörde diesen Bericht nicht negativ [gegenüber dem betreffenden Beamten] verwenden kann“.

155   Nach alledem ist der angebliche Laufbahnschaden nicht nachgewiesen.

156   Was zweitens den behaupteten immateriellen Schaden angeht, so ist zu prüfen, ob die Rechtsverstöße des OLAF, wie der Kläger behauptet, seine innere Ruhe, seine Ehre und sein berufliches Ansehen beeinträchtigten; dabei sind insbesondere die Schwere der Verstöße, die das OLAF dem Betroffenen vorgeworfen hatte, die Dauer des Verfahrens und die Publizität zu berücksichtigen, die die Umstände des Falls in der Presse erhalten hatten. Insoweit ist das Vorbringen des Klägers zu berücksichtigen, dass das OLAF sich praktisch ausschließlich mit ihm befasst habe und zu dem Ergebnis gekommen sei, er sei strafrechtlich und disziplinarrechtlich verantwortlich, und dass er wegen der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zumindest bis zur Übergabe des IDOC‑Berichts und der Einstellung der Sache unter der Drohung einer Disziplinarstrafe gestanden habe.

157   Es liegt auf der Hand, dass die im streitigen Bericht vom OLAF gegen den Kläger erhobenen Anschuldigungen, die den Kläger und die anderen beiden an der Verwaltung des IRELA beteiligten Beamten der Kommission als Hauptverantwortliche für die Einführung und den Betrieb eines Systems haftbar machten, das die unzulässige Erzielung von Gewinnspannen ermöglichte, und die insbesondere unterstellten, dass diese zu ahndenden Handlungen in Kenntnis der Unregelmäßigkeiten und unter Ausnutzung ihrer Stellung innerhalb der Kommission begangen wurden, besonders schwerwiegende Anschuldigungen sind, die der Ehre und dem beruflichen Ansehen eines Beamten, erst recht eines solchen in der Besoldungsgruppe des Klägers, einen Schaden zufügen, der dem Gewicht des beanstandeten Verhaltens entspricht.

158   Wegen der parteilichen Ausrichtung des vom OLAF durchgeführten Verfahrens, das die Generaldirektion Finanzkontrolle absichtlich von der Untersuchung ausnahm, wurde die der Kommission zuzurechnende Verantwortung in besonderem Maße der für Lateinamerika zuständigen Direktion und im Einzelnen den drei Beamten dieser Direktion zugeordnet, die an der Verwaltung des IRELA beteiligt gewesen waren. Da überdies die beiden anderen Beamten, die zusammen mit dem Kläger betroffen waren, nicht mehr in der Kommission tätig waren, sondern, als der Bericht übergeben wurde, beurlaubt waren, blieb der Kläger tatsächlich als der einzige im Bericht vom 17. Oktober 2002 bezeichnete und in der Kommission im Amt befindliche Verantwortliche übrig, der den Anschuldigungen des OLAF ausgesetzt war, während er seine Laufbahn bei der Kommission fortsetzte. Diese Umstände haben den Schaden, der dem Kläger entstanden ist, verstärkt.

159   Die durch das Verhalten des OLAF hervorgerufene Störung der Lebensverhältnisse des Klägers, die Auseinandersetzung mit dem OLAF und die sich aus den Schlussfolgerungen des Berichts ergebende Gefahr gerichtlicher und disziplinarrechtlicher Verfahren beeinträchtigten den Betroffenen über eine Zeit von mehr als eineinhalb Jahren. Der Kläger, den das OLAF von der Einleitung einer internen Untersuchung am 30. Januar 2001 benachrichtigt und am 22. Februar 2001 angehört hatte, erhob gegen den Ermittler, in dessen Person er einen Interessenkonflikt vermutete, beginnend mit dem 22. Februar 2002 Einwendungen und versuchte, durch sukzessive Eingaben beim OLAF zu erreichen, dass die Untersuchung, deren Einseitigkeit bereits aus dem vorläufigen Bericht vom Dezember 2000 zu entnehmen war, wieder objektiv und unparteilich geführt und der Abschlussbericht dementsprechend geändert wird. Über diese erfolglosen Schritte hinaus stand der Kläger mit Sicherheit von der Übergabe des Berichts des OLAF am 17. Oktober 2002 an unter der Drohung einerseits, dass die belgischen und die spanischen Gerichte ein Strafverfahren einleiten, und zwar bis zur Entscheidung dieser Gerichte am 13. Februar und am 10. März 2003, das Verfahren einzustellen, und andererseits, dass die Anstellungsbehörde ein Disziplinarverfahren einleitet, um den Empfehlungen des OLAF nachzukommen, und zwar bis zur Entscheidung der Kommission am 2. September 2003, wie die Gerichte das Verfahren einzustellen.

160   Die Verletzung der Ehre des Klägers wog umso schwerer, als der Bericht des OALF der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, wie oben in Randnummer 20 ausgeführt. Der streitige Bericht wurde, obwohl er ein internes Dokument war, das nur den in Artikel 9 der Verordnung Nr. 1073/1999 genannten Adressaten hätte mitgeteilt werden dürfen, außerhalb dieses begrenzten Kreises verbreitet, und zu seinen Schlussfolgerungen wurde in der Presse Stellung genommen, nachdem die spanische Tageszeitung „El País“ über die gegen den Kläger erhobenen namentlichen Anschuldigungen in einem Artikel berichtet hatte, der in der Ausgabe vom 11. Dezember 2002 erschienen war.

161   Dagegen kann im Zusammenhang mit der festgestellten Rechtswidrigkeit der angebliche Schaden nicht als erwiesen angesehen werden, der nach Auffassung des Klägers dadurch entstanden ist, dass er von den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen nicht „reingewaschen“ wurde, nicht vor weiteren zukünftig eventuell beschlossenen Untersuchungen geschützt ist und auch in Zukunft in einem Bericht aufgeführt sein wird, der in den Archiven der Empfängerbehörden und ‑dienststellen verbleibt.

162   Nach alledem ist es jedoch erwiesen, dass dem Kläger, der aufgrund der ihm gegenüber erfolgten Anschuldigungen, Schlussfolgerungen und Empfehlungen des OLAF eine Beeinträchtigung seiner Ehre und seines beruflichen Ansehens sowie eine Störung seiner Lebensverhältnisse erleiden musste, ein immaterieller Schaden entstanden ist.

163   Der Kläger hat seinen Schaden vorläufig mit 10 000 Euro veranschlagt. Die Kommission hat zu dem geltend gemachten Betrag nicht Stellung genommen.

164   Unter den Umständen des vorliegendes Falles liegt der dem Kläger durch den Bericht des OLAF entstandene Schaden nicht unter dem verlangten Betrag. Dem Antrag des Klägers auf Schadensersatz ist daher in voller Höhe stattzugeben, und die Kommission ist zu verurteilen, an den Kläger 10 000 Euro zum Ersatz des immateriellen Schadens zu zahlen.

–       Zum Schadensersatzantrag bezüglich der Kosten, die dem Kläger durch seine Verteidigung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens entstanden sind

165   Der Kläger hat auch beantragt, die Kommission zu verurteilen, ihm die Kosten zu erstatten, die ihm im Rahmen der Untersuchung und im Rahmen seiner Verwaltungsbeschwerde gegen die Entscheidung vom 17. Mai 2002 und den Bericht des OLAF vom 17. Oktober 2002 entstanden sind.

166   Dieser Antrag ist jedoch nicht beziffert, und der Kläger hat besondere Umstände, die es rechtfertigen könnten, diesen Schadensposten in der Klageschrift nicht zu beziffern, weder bewiesen noch auch nur behauptet. Der Antrag auf Ersatz des fraglichen materiellen Schadens erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des Artikels 44 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichts und ist deshalb als unzulässig zurückzuweisen (Urteil des Gerichtshofes vom 23. September 2004 in der Rechtssache C‑150/03 P, Hectors/Parlament, Slg. 2004, I‑8691, Randnr. 62).

 Kosten

167   Artikel 87 § 3 Absatz 1 der Verfahrensordnung bestimmt: „Das Gericht kann die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist.“

168   Unter den vorliegenden Umständen sind der Kommission die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Kommission wird verurteilt, an den Kläger 10 000 Euro zu zahlen.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Legal

Lindh

Mengozzi

Wiszniewska-Białecka

 

       Vadapalas

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. April 2006.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       H. Legal


Inhaltsverzeichnis

Rechtlicher Rahmen

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Verfahren

Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zu den Anträgen auf Aufhebung der Entscheidungen vom 17. Mai 2002 und vom 29. November 2002

Zu den Anträgen auf Aufhebung der Entscheidung vom 28. Mai 2003, mit der die am 4. Februar 2003 gegen den Bericht des OLAF erhobene Beschwerde zurückgewiesen wurde

Zum Antrag auf Aufhebung des Berichts des OLAF vom 17. Oktober 2002

Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zu den Anträgen auf Ersatz der angeblichen Schäden

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

– Zur Verpflichtung, zuvor Beschwerde einzulegen

– Zu dem Zusammenhang zwischen dem Schadensersatzantrag und dem Antrag auf Aufhebung

In der Sache

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

– Zur außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft

– Zu den angeblich verletzten Rechtsvorschriften

– Zum Verhalten des OLAF bei der Durchführung der Untersuchung und der Erstellung des Berichts über das IRELA

– Zum Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des OLAF und den vom Kläger behaupteten Schäden

– Zum Schaden des Klägers

– Zum Schadensersatzantrag bezüglich der Kosten, die dem Kläger durch seine Verteidigung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens entstanden sind

Kosten



* Verfahrenssprache: Französisch.