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Leitsätze

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1. Staatliche Beihilfen – Von der Kommission genehmigte allgemeine Beihilferegelung – Individuelle Beihilfe, die als in den Rahmen der Genehmigung fallend dargestellt wird

(Art. 87 EG und 88 EG)

2. Staatliche Beihilfen – Begriff – Maßnahme, mit der ein sozialer Zweck verfolgt wird

(Art. 87 Abs. 1 EG)

3. Staatliche Beihilfen – Begriff – Finanzhilfen der öffentlichen Hand für ein Unternehmen

(Art. 87 Abs. 1 EG)

4. Staatliche Beihilfen – Begriff – Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers

(Art. 87 Abs. 1 EG)

5. Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Ermessen der Kommission – Befugnis zum Erlass von Leitlinien

(Art. 87 Abs. 3 EG; Mitteilung 94/C 368/05 der Kommission)

Leitsätze

1. Ist eine allgemeine Beihilferegelung von der Kommission einmal genehmigt worden, braucht diese über die individuellen Durchführungsmaßnahmen nicht mehr unterrichtet zu werden, es sei denn, sie hat in ihrer Genehmigungsentscheidung entsprechende Vorbehalte gemacht. Da die individuellen Beihilfen bloße Maßnahmen zur Durchführung der allgemeinen Beihilferegelung sind, hätte die Kommission bei der Beurteilung der Beihilfen die gleichen Faktoren wie diejenigen zu berücksichtigen, die sie bei der Prüfung der allgemeinen Regelung berücksichtigt hat. Es ist daher unnötig, die individuellen Beihilfen der Kommission zur Überprüfung vorzulegen. Sind die individuellen Maßnahmen hingegen nicht von den herangezogenen allgemeinen Regelungen gedeckt, stellen sie neue Beihilfen dar, die der Kommission zur Überprüfung ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt vorzulegen sind.

Eine Entscheidung der Kommission über die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit einer genehmigten allgemeinen Beihilferegelung gehört zu ihrer Pflicht, für die Anwendung der Art. 87 EG und 88 EG Sorge zu tragen. Daher überschreitet die Kommission mit der Prüfung, ob eine Beihilfe mit dieser Regelung vereinbar ist, nicht ihre Kompetenzen. Folglich kann die Beurteilung der Kommission nicht durch die Beurteilung der nationalen Behörden, die die Beihilfe gewährt haben, beschränkt werden.

(vgl. Randnrn. 92, 94-95)

2. Eine Maßnahme staatlicher Stellen mit dem Ziel, ein Unternehmen von Belastungen zu befreien, die wie Lohnkosten ein Kostenbestandteil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit sind, ist ein wirtschaftlicher Vorteil im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG. Staatliche Maßnahmen sind aber nicht schon wegen ihres sozialen Charakters von einer Einordnung als Beihilfen im Sinne des Art. 87 EG ausgenommen.

(vgl. Randnrn. 194, 197)

3. Um festzustellen, ob Kapitalzuweisungen der öffentlichen Hand an Unternehmen, in welcher Form auch immer, eine staatliche Beihilfe darstellen können, ist zu prüfen, ob ein privater Kapitalgeber von vergleichbarer Größe wie der öffentliche Kapitalgeber unter derartigen Umständen sich hätte veranlasst sehen können, eine Transaktion dieses Umfangs vorzunehmen. Mit dem Verhalten des privaten Kapitalgebers, mit dem die Maßnahme des öffentlichen Kapitalgebers, der wirtschaftspolitische Ziele verfolgt, verglichen werden muss, ist insoweit zwar nicht zwangsläufig das eines gewöhnlichen Kapitalgebers gemeint, der Kapital zum Zweck seiner mehr oder weniger kurzfristigen Rentabilisierung anlegt, aber doch wenigstens das Verhalten einer privaten Holding oder einer privaten Unternehmensgruppe, die eine globale oder sektorale Strukturpolitik verfolgt und sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lässt. Außerdem ist das Verhalten eines öffentlichen Kapitalgebers mit dem eines privaten im Hinblick darauf zu vergleichen, wie sich ein privater Kapitalgeber bei dem fraglichen Vorgang angesichts der zum entsprechenden Zeitpunkt verfügbaren Informationen und vorhersehbaren Entwicklungen verhalten hätte.

Auch wenn nichts dagegenspricht, dass die staatlichen Stellen die Sozial-, Regional- oder eine sektorbezogene Politik in ihre Erwägungen einbeziehen, ist ihre Einbringung von Kapital am Kriterium des privaten Kapitalgebers zu messen, unabhängig von allen sozialen oder regionalpolitischen Überlegungen oder Erwägungen einer sektorbezogenen Politik.

Das Vorliegen einer Beihilfe kann zwar ausgeschlossen werden, wenn das Tätigwerden des Staates parallel zu einer nennenswerten Intervention privater Wirtschaftsteilnehmer unter vergleichbaren Bedingungen erfolgt, jedoch kann das Vorliegen einer Beihilfe nicht ausgeschlossen werden, wenn die privaten Investitionen in dasselbe Unternehmen erst nach der Zuweisung öffentlicher Mittel erfolgen.

(vgl. Randnrn. 236-238, 242, 254)

4. Die von der Kommission vorzunehmende Prüfung der Frage, ob eine Maßnahme das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers erfüllt, umfasst eine komplexe wirtschaftliche Beurteilung. Die Kommission verfügt aber über ein weites Ermessen, wenn sie eine Handlung vornimmt, die eine derartige Beurteilung umfasst, und die gerichtliche Kontrolle dieser Handlung beschränkt sich, auch wenn die Frage, ob eine Maßnahme in den Anwendungsbereich von Art. 87 Abs. 1 EG fällt, grundsätzlich umfassend zu prüfen ist, darauf, ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten wurden, ob kein Rechtsfehler begangen wurde, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt. Insbesondere darf das Gericht die wirtschaftliche Beurteilung des Urhebers der Entscheidung nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen.

(vgl. Randnr. 239)

5. Der Kommission wird in Art. 87 Abs. 3 EG ein weiter Ermessensspielraum bei der Genehmigung staatlicher Beihilfen unter Abweichung von dem allgemeinen Verbot des Art. 87 Abs. 1 zugestanden, da bei der Beurteilung, ob eine Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, in einem solchen Fall vielschichtige wirtschaftliche Gegebenheiten zu berücksichtigen und zu bewerten sind. Da der Gemeinschaftsrichter insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht seine Beurteilung des Sachverhalts nicht an die Stelle derjenigen des Urhebers der Entscheidung setzen darf, hat sich die Kontrolle durch das Gericht insoweit auf die Prüfung zu beschränken, ob die Verfahrensregeln und die Begründungspflicht eingehalten und die Tatsachen richtig festgestellt worden sind und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt.

Im Übrigen ist die Rechtmäßigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts anhand des Sachverhalts und der Rechtslage zu beurteilen, die bei Erlass des Aktes bestanden; die komplexen Bewertungen, die die Kommission vorgenommen hat, dürfen nur anhand der Informationen geprüft werden, über die sie bei der Durchführung dieser Bewertungen verfügte.

Zudem kann sich die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens durch Maßnahmen wie die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten selbst binden, sofern diese Regeln enthalten, denen sich die von ihr zu verfolgende Politik entnehmen lässt und die nicht von Normen des Vertrags abweichen.

So kann eine Beihilfe, die einem Unternehmen in Schwierigkeiten gewährt wird, nicht allein deshalb für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden, weil Umstrukturierungsmaßnahmen vorgesehen waren, und zwar selbst dann nicht, wenn diese Umstrukturierung erfolgreich durchgeführt wurde. Damit die Kommission beurteilen kann, ob die gewährten Beihilfen die begünstigten Unternehmen zu einem Verhalten veranlassen können, das zur Verwirklichung des in Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG angestrebten Ziels beitragen kann, bedarf es der Prüfung, ob der Umstrukturierungsplan alle materiellen Bedingungen erfüllt, die in diesen Leitlinien vorgesehen sind.

(vgl. Randnrn. 268-270, 280)