1. Freizügigkeit – Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung Nr. 1348/2000 – Keine Regelung der Folgen bestimmter Tatsachen in der Verordnung – Anwendung des nationalen Rechts – Voraussetzungen – Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität – Umfang
(Verordnung Nr. 1348/2000 des Rates)
2. Freizügigkeit – Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung Nr. 1348/2000 – Zustellung eines Schriftstücks, das nicht in einer Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder in einer Sprache des Mitgliedstaats, die der Empfänger versteht, abgefasst ist – Möglichkeit, diesem Mangel durch Übersendung einer Übersetzung abzuhelfen – Umstände – Anwendung des nationalen Rechts – Voraussetzungen
(Verordnung Nr. 1348/2000 des Rates, Artikel 8)
1. Wenn gemeinschaftsrechtliche Vorschriften fehlen, ist es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, das Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den Schutz der dem Einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Diese Verfahren dürfen jedoch nicht weniger günstig sein als diejenigen, die Rechte betreffen, die ihren Ursprung in der innerstaatlichen Rechtsordnung haben (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Außerdem muss der Effektivitätsgrundsatz das nationale Gericht dazu veranlassen, die in seiner innerstaatlichen Rechtsordnung vorgesehenen Verfahrensmodalitäten nur insoweit anzuwenden, als sie die Existenzberechtigung und die Zielsetzung der Verordnung nicht in Frage stellen. Wenn die Verordnung Nr. 1348/2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen die Folgen bestimmter Tatsachen nicht vorsieht, ist es folglich Sache des nationalen Gerichts, grundsätzlich sein nationales Recht anzuwenden, wobei es dafür Sorge zu tragen hat, dass die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts gewährleistet wird. Letzteres kann das Gericht dazu veranlassen, falls erforderlich, eine nationale Vorschrift, die dem entgegensteht, außer Acht zu lassen oder eine nationale Vorschrift, die nur im Hinblick auf einen rein innerstaatlichen Sachverhalt ausgearbeitet worden ist, auszulegen, um sie auf den betreffenden grenzüberschreitenden Sachverhalt anzuwenden.
(vgl. Randnrn. 49-51)
2. Artikel 8 der Verordnung Nr. 1348/2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen ist dahin auszulegen, dass dann, wenn der Empfänger eines Schriftstücks dieses mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass es nicht in einer Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder in einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die er verstehe, abgefasst sei, dieser Mangel dadurch geheilt werden kann, dass die Übersetzung des Schriftstücks nach den in der Verordnung Nr. 1348/2000 vorgesehenen Modalitäten so schnell wie möglich übersandt wird.
Zur Lösung der Probleme, die damit zusammenhängen, wie das Fehlen einer Übersetzung zu heilen ist, und die nicht in dieser Verordnung geregelt sind, hat das nationale Gericht sein nationales Verfahrensrecht anzuwenden und gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, dass die volle Wirksamkeit dieser Verordnung unter Beachtung ihrer Zielsetzung gewährleistet wird.
(vgl. Randnrn. 53, 71, Tenor 1-2)