Rechtssache C‑321/03
Dyson Ltd
gegen
Registrar of Trade Marks
(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Chancery Division)
„Marken – Rechtsangleichung – Richtlinie 89/104/EWG – Art. 2 – Begriff des markenfähigen Zeichens – Durchsichtiges Behältnis oder durchsichtiger Auffangbehälter als Teil der äußeren Oberfläche eines Staubsaugers“
Schlussanträge des Generalanwalts P. Léger vom 14. September 2006
Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 25. Januar 2007
Leitsätze des Urteils
Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 89/104 – Markenfähige Zeichen
(Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 2)
Art. 2 der Ersten Richtlinie 89/104 über die Marken ist dahin auszulegen, dass der Gegenstand einer Markenanmeldung, die sich auf alle denkbaren Formen eines durchsichtigen Behältnisses oder Auffangbehälters als Teil der äußeren Oberfläche eines Staubsaugers bezieht, kein „Zeichen“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt und damit auch keine Marke im Sinne dieser Bestimmung sein kann.
Der Gegenstand einer solchen Anmeldung besteht nämlich in Wirklichkeit in einer bloßen Eigenschaft der betreffenden Ware, soll sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen erstrecken können und ist somit unbestimmt. Angesichts der Ausschließlichkeit des Markenrechts würde der Inhaber einer Marke, die sich auf einen solchen unbestimmten Gegenstand bezieht, entgegen dem Zweck des Art. 2 der Richtlinie einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil erlangen, da er verhindern könnte, dass seine Wettbewerber Staubsauger anbieten, auf deren äußerer Oberfläche sich irgendeine Art von durchsichtigem Auffangbehälter gleich welcher Form befände.
(vgl. Randnrn. 37-40 und Tenor)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
25. Januar 2007(*)
„Marken – Rechtsangleichung – Richtlinie 89/104/EWG – Art. 2 – Begriff des markenfähigen Zeichens – Durchsichtiges Behältnis oder durchsichtiger Auffangbehälter als Teil der äußeren Oberfläche eines Staubsaugers“
In der Rechtssache C‑321/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 6. Juni 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juli 2003, in dem Verfahren
Dyson Ltd
gegen
Registrar of Trade Marks
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. Malenovský und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Dyson Ltd, vertreten durch H. Carr, QC, und D. R. Barron, Solicitor,
– der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten zunächst durch C. Jackson, sodann durch E. O’Neill und C. White als Bevollmächtigte im Beistand von M. Tappin, Barrister,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Banks und N. B. Rasmussen als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. September 2006
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 3 Abs. 3 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1, im Folgenden: Richtlinie).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Dyson Ltd (im Folgenden: Dyson) und dem Registrar of Trade Marks (im Folgenden: Registrar) über dessen Weigerung, zwei Marken einzutragen, die jeweils aus einem durchsichtigen Behältnis oder Auffangbehälter (im Folgenden auch nur Auffangbehälter) als Teil der äußeren Oberfläche eines Staubsaugers bestehen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Die Richtlinie bezweckt nach ihrem ersten Erwägungsgrund, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken anzugleichen, um die Unterschiede zu beseitigen, durch die der freie Warenverkehr und der freie Dienstleistungsverkehr behindert und die Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Markt verfälscht werden können.
4 Im siebten Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es: „Die Verwirklichung der mit der Angleichung verfolgten Ziele setzt voraus, dass für den Erwerb und die Aufrechterhaltung einer eingetragenen Marke in allen Mitgliedstaaten grundsätzlich gleiche Bedingungen gelten. Zu diesem Zweck sollte eine Beispielliste der Zeichen erstellt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden“.
5 Art. 2 der Richtlinie („Markenformen“) bestimmt:
„Marken können alle Zeichen sein, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“
6 Art. 3 der Richtlinie („Eintragungshindernisse – Ungültigkeitsgründe“) sieht in den Abs. 1 und 3 vor:
„(1) Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:
a) Zeichen, die nicht als Marke eintragungsfähig sind,
b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,
c) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können,
…
e) Zeichen, die ausschließlich bestehen
– aus der Form, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist, oder
– aus der Form der Ware, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, oder
– aus der Form, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht,
…
(3) Eine Marke wird nicht gemäß Absatz 1 Buchstabe b), c) oder d) von der Eintragung ausgeschlossen oder für ungültig erklärt, wenn sie vor der Anmeldung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat. Die Mitgliedstaaten können darüber hinaus vorsehen, dass die vorliegende Bestimmung auch dann gilt, wenn die Unterscheidungskraft erst nach der Anmeldung oder Eintragung erworben wurde.“
Nationales Recht
7 Die Sections 1(1) und 3(1) des Trade Marks Act 1994 (Markengesetz 1994) sehen vor:
„1(1) Im vorliegenden Gesetz bedeutet ‚Marke‘ jedes Zeichen, das sich grafisch darstellen lässt und geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
Eine Marke kann insbesondere in Wörtern (einschließlich Personennamen), Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und der Form oder Aufmachung der Ware bestehen.
…
3(1) Von der Eintragung ausgeschlossen sind:
a) Zeichen, die nicht die Voraussetzungen nach Section 1(1) erfüllen;
b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben;
c) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können;
d) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den lauteren und ständigen Verkehrsgepflogenheiten üblich sind.
Eine Marke wird nicht gemäß den Buchst. b, c oder d von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie vor der Anmeldung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
8 Seit 1993 produziert und vertreibt Dyson den Staubsauger Dual Cyclone, einen Staubsauger ohne Staubbeutel, bei dem Schmutz und Staub in einem durchsichtigen Behälter aus Kunststoff gesammelt werden, der Teil des Geräts ist.
9 Am 10. Dezember 1996 reichte das James Dyson gehörende Unternehmen Notetry Ltd beim Registrar einen Antrag auf Eintragung von sechs Marken für folgende Waren der Klasse 9 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in der geänderten und überarbeiteten Fassung ein: „Geräte zum Reinigen, Polieren und Schamponieren von Böden und Teppichen; Staubsauger; Teppichreiniger, Fußbodenpolierer; Bestandteile und Zubehör der genannten Waren“. Dieser Antrag wurde am 5. Februar 2002 im Namen von Dyson wiederholt.
10 Die Anmeldung wurde für vier Marken zurückgenommen, für die übrigen beiden Marken jedoch aufrechterhalten, die jeweils wie folgt beschrieben werden: „Die Marke besteht aus einem durchsichtigen Behältnis oder Auffangbehälter, der Teil der äußeren Oberfläche eines Staubsaugers ist, wie in der Abbildung gezeigt.“ Diesen beiden Beschreibungen war jeweils eine Abbildung des betreffenden von Dyson hergestellten und vertriebenen beutellosen Staubsaugermodells beigefügt.
11 Die Anmeldung wurde durch Entscheidung des Registrar zurückgewiesen, die am 23. Juli 2002 vom Hearing Officer bestätigt wurde. Gegen diese Entscheidung legte Dyson ein Rechtsmittel beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, ein. Der High Court vertrat die Ansicht, dass den beiden fraglichen Marken die Unterscheidungskraft im Sinne von Section 3(1)(1)(b) des Markengesetzes von 1994 fehle und sie eine Beschreibung der Merkmale der im Eintragungsantrag genannten Waren im Sinne von Section 3(1)(1)(c) des Markengesetzes seien. Der High Court fragt sich jedoch, ob diese Marken nicht zum Zeitpunkt der Anmeldung im Jahr 1996 infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft im Sinne von Section 3(1)(2) des Markengesetzes von 1994 erworben hatten.
12 Dazu führt der High Court aus, 1996 hätten die Verbraucher zum einen den durchsichtigen Auffangbehälter als Hinweis wahrgenommen, dass sie einen beutellosen Staubsauger vor sich sähen, und seien zum anderen aufgrund der Werbung und des Fehlens von Konkurrenzprodukten – Dyson habe damals für diese Art von Erzeugnis ein tatsächliches Monopol innegehabt – darüber informiert gewesen, dass es sich um einen Dyson-Staubsauger handele. Der durchsichtige Auffangbehälter sei zu diesem Zeitpunkt jedoch von Dyson noch nicht als Marke aktiv beworben worden. Unter Berücksichtigung von Randnr. 65 des Urteils vom 18. Juni 2002, Philips (C‑299/99, Slg. 2002, I‑5475), sei daher fraglich, ob angesichts der gedanklichen Verbindung zwischen der Ware und dem Hersteller ein bloßes tatsächliches Monopol für die Bejahung der Unterscheidungskraft ausreichen könne oder ob darüber hinaus die Bewerbung des Zeichens als Marke zu verlangen sei.
13 Der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die beiden folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Genügt es in einem Fall, in dem ein Antragsteller ein Zeichen (bei dem es sich nicht um eine Form handelt) benutzt hat, das aus einem sichtbaren Merkmal besteht, das eine Funktion erfüllt und zum Erscheinungsbild eines neuartigen Erzeugnisses gehört, für das der Antragsteller bis zur Antragstellung ein tatsächliches Monopol innehatte, für die Erlangung der Unterscheidungskraft im Sinne des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie, dass ein wesentlicher Teil des maßgeblichen Publikums zur Zeit der Stellung des Eintragungsantrags die in Rede stehenden Waren, die das Zeichen trugen, mit dem Antragsteller und keinem anderen Hersteller in Verbindung brachte?
2. Wenn dies nicht genügt, was ist sonst noch erforderlich, damit davon ausgegangen werden kann, dass das Zeichen Unterscheidungskraft erlangt hat? Ist es insbesondere erforderlich, dass der Benutzer des Zeichens Werbung für dieses Zeichen als Marke getrieben hat?
14 Mit Beschluss vom 12. Oktober 2004 hat der Gerichtshof das Verfahren gemäß Art. 54 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs bis zum Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache Dyson/HABM (Staubsauger) (T‑278/02) ausgesetzt, in der die gleiche Auslegungsfrage wie in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfen wurde.
15 Mit ihrer Klage beim Gericht beantragte Dyson, die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) aufzuheben, mit der diese die Eintragung einer Marke für „Apparate zum Reinigen, Polieren und Schamponieren von Fußböden und Teppichen; Staubsauger; Teppichschamponiergeräte; Fußbodenpoliermaschinen; Teile und Zusatzteile für alle vorstehend genannten Waren“ abgelehnt hatte. Im Anmeldeformular hatte Dyson die anzumeldende Marke wie folgt beschrieben: „Die Marke besteht aus einem durchsichtigen Behältnis oder Auffangbehälter, der Teil der äußeren Oberfläche eines Staubsaugers ist.“
16 Diese Anmeldung nahm Dyson in der Folge zurück, worauf das Gericht mit Beschluss vom 14. November 2005 feststellte, dass die Klage gegenstandslos geworden und die Hauptsache damit gemäß Art. 113 seiner Verfahrensordnung erledigt sei. Daraufhin ist am selben Tag das Verfahren vor dem Gerichtshof wieder aufgenommen worden.
Zu den Vorlagefragen
17 Mit seinen Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, unter welchen Voraussetzungen ein Zeichen Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie erwerben kann, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Wirtschaftsteilnehmer, der das Zeichen benutzt hat, vor der Einreichung seiner Markenanmeldung hinsichtlich einer mit diesem Zeichen gekennzeichneten Ware ein tatsächliches Monopol innehatte.
18 Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass diese Fragen anlässlich eines Antrags von Dyson auf Eintragung zweier Marken aufgeworfen worden sind, die nach dem Wortlaut dieser Anmeldung „aus einem durchsichtigen Behältnis oder Auffangbehälter [bestehen], der Teil der äußeren Oberfläche eines Staubsaugers ist, wie in der Abbildung gezeigt“.
19 Wie Dyson mehrmals sowohl in ihren schriftlichen Erklärungen als auch in der Sitzung klargestellt und das nationale Gericht selbst in seiner Vorlageentscheidung festgestellt hat, zielt diese Anmeldung nicht auf die Eintragung einer Marke für eine oder mehrere bestimmte Formen eines durchsichtigen Auffangbehälters – die in der Anmeldung grafisch dargestellten Formen sind nur Beispiele für einen solchen Behälter –, sondern für den Behälter selbst ab. Im Übrigen ist unstreitig, dass Bestandteil dieser Marken nicht eine bestimmte Farbe, sondern die Abwesenheit konkreter Farben, d. h. die Durchsichtigkeit ist, die es dem Verbraucher ermöglicht, festzustellen, wie viel Staub im Auffangbehälter enthalten ist, und zu erkennen, wann dieser voll ist.
20 Folglich sind Gegenstand der im Ausgangsverfahren fraglichen Markenanmeldung alle denkbaren Formen eines durchsichtigen Auffangbehälters, der Teil der äußeren Oberfläche eines Staubsaugers ist.
21 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat in ihren schriftlichen Erklärungen und in der Sitzung ausgeführt, der Gegenstand einer solchen Anmeldung sei kein „Zeichen“ im Sinne von Art. 2 der Richtlinie und seine Eintragung als Marke sei daher nicht möglich. Auch wenn diese Frage vom vorlegenden Gericht nicht aufgeworfen worden sei, sei daher vor einer etwaigen Auslegung von Art. 3 der Richtlinie zu prüfen, ob der Gegenstand der genannten Anmeldung die Voraussetzungen des Art. 2 der Richtlinie erfülle.
22 Dyson und die Regierung des Vereinigten Königreichs vertreten die Auffassung, der Gerichtshof könne im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 234 EG nicht von Amts wegen eine Frage aufwerfen, die vom vorlegenden Gericht nicht angeschnitten worden sei. In der Sitzung haben diese Beteiligten dazu vorgetragen, der Registrar habe die Einwände, die er im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Frage erhoben habe, ob der Gegenstand der Anmeldung von Dyson ein markenfähiges Zeichen sei, wieder fallen gelassen, als Dyson die Anmeldung für vier der ursprünglich angemeldeten sechs Marken zurückgenommen habe.
23 Zwar ist es nach der Rechtsprechung allein Sache des vorlegenden Gerichts, den Gegenstand der Fragen festzulegen, die es dem Gerichtshof vorlegen möchte. Denn nur die mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichte, die über den Rechtsstreit entscheiden müssen, haben im jeweiligen Einzelfall sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass ihrer Entscheidung als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. März 1999, Castelletti, C‑159/97, Slg. 1999, I‑1597, Randnr. 14, und vom 6. Juli 2006, Kersbergen-Lap und Dams-Schipper, C‑154/05, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 21).
24 Beschränkt jedoch ein vorlegendes Gericht seine Frage formal auf die Auslegung bestimmter möglicherweise in Betracht kommender Gemeinschaftsbestimmungen, hindert dies den Gerichtshof gleichwohl nicht daran, diesem Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, unabhängig davon, worauf es in seiner Frage Bezug genommen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. April 2004, Weigel, C‑387/01, Slg. 2004, I‑4981, Randnr. 44, und vom 21. Februar 2006, Ritter‑Coulais, C‑152/03, Slg. 2006, I‑1711, Randnr. 29).
25 Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie sind Zeichen, die nicht als Marke eintragungsfähig sind, von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Fall der Eintragung der Ungültigerklärung. Diese Bestimmung steht somit der Eintragung von Zeichen entgegen, die die Bedingungen des Art. 2 der Richtlinie nicht erfüllen, der bezweckt, die Arten markenfähiger Zeichen festzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Philips, Randnr. 38).
26 Auch wenn sich die Fragen des vorlegenden Gerichts ihrem Wortlaut nach nur auf Art. 3 der Richtlinie beziehen und das Gericht im Ausgangsverfahren die Frage, ob der Gegenstand der fraglichen Anmeldung als markenfähiges Zeichen im Sinne von Art. 2 der Richtlinie angesehen werden kann, nicht angeschnitten hat, ist somit entgegen der Auffassung von Dyson und der Regierung des Vereinigten Königreichs zunächst diese Frage zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Mai 2003, Libertel, C‑104/01, Slg. 2003, I‑3793, Randnr. 22).
27 Nach Art. 2 der Richtlinie können alle Zeichen Marken sein, sofern sie sich grafisch darstellen lassen und geeignet sind, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteile Philips, Randnr. 32, und vom 12. Dezember 2002, Sieckmann, C‑273/00, Slg. 2002, I‑11737, Randnr. 39).
28 Um eine Marke im Sinne von Art. 2 der Richtlinie sein zu können, muss daher der Gegenstand jeder Markenanmeldung drei Voraussetzungen erfüllen. Erstens muss er ein Zeichen sein. Zweitens muss sich dieses Zeichen grafisch darstellen lassen. Drittens muss dieses Zeichen geeignet sein, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteile Libertel, Randnr. 23, und vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, Slg. 2004, I‑6129, Randnr. 22).
29 Nach Ansicht der Kommission erfüllt die Anmeldung von Dyson nicht die erste dieser Voraussetzungen, da sie sich auf einen Begriff, nämlich den des durchsichtigen Auffangbehälters eines Staubsaugers gleich welcher Form, beziehe. Da ein Begriff jedoch nicht durch einen der fünf Sinne wahrgenommen werden könne, sondern sich allein an die Vorstellungskraft des Betreffenden richte, handele es sich bei ihm nicht um ein „Zeichen“ im Sinne von Art. 2 der Richtlinie. Könnte ein Begriff eine Marke sein, so würde die Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie zugrunde liegende Konzeption zunichte gemacht, nämlich zu verhindern, dass der Schutz des Markenrechts dazu führe, dass der Markeninhaber ein Monopol für technische Lösungen oder Gebrauchsmerkmale einer Ware erhalte. Es sollte daher nicht möglich sein, diesen Vorteil durch Eintragung aller Formen zu erlangen, die ein bestimmtes Funktionsmerkmal aufwiesen, was aber dann der Fall wäre, wenn man einen Begriff eintragen lassen könnte, der sich auf eine Vielzahl von äußeren Gestaltungsmöglichkeiten erstrecken könne.
30 Demgegenüber vertritt Dyson, insoweit unterstützt vom Vereinigten Königreich, die Auffassung, zwar treffe es, wie sie in der Sitzung dargelegt habe, zu, dass ein Begriff kein als Marke eintragungsfähiges Zeichen sei, doch beziehe sich ihre Anmeldung sehr wohl auf ein „Zeichen“ im Sinne von Art. 2 der Richtlinie. Der Begriff „Zeichen“, der in der Rechtsprechung weitgehend festgelegt sei, bezeichne nämlich jede Botschaft, die durch einen der fünf Sinne wahrnehmbar sei. Aus dem Ausgangsverfahren gehe hervor, dass die Verbraucher den durchsichtigen Auffangbehälter, der Gegenstand der Anmeldung sei, mit Dyson in Verbindung brächten. Sie könnten diesen Auffangbehälter, der einen körperlichen Bestandteil des Staubsaugers darstelle, zudem betrachten und feststellen, dass er durchsichtig sei. Der durchsichtige Auffangbehälter sei daher mit dem Auge wahrnehmbar und könne somit nicht als Ergebnis der Vorstellungskraft des Verbrauchers angesehen werden.
31 Dazu ist festzustellen, dass nach Art. 2 der Richtlinie insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware markenfähige Zeichen sein können.
32 Diese Bestimmung erwähnt zwar nur Zeichen, die visuell wahrnehmbar sind, seien sie zwei- oder dreidimensional, und die daher mit Hilfe geschriebener Buchstaben oder anderer Schriftzeichen oder aber einer Abbildung dargestellt werden können, doch ergibt sich aus dem Wortlaut sowohl des Art. 2 der Richtlinie als auch ihres siebten Erwägungsgrunds, der eine „Beispielliste“ der markenfähigen Zeichen vorsieht, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist. Der Gerichtshof hat demgemäß bereits festgestellt, dass Art. 2 der Richtlinie zwar Zeichen, die, wie etwa Klänge oder Gerüche, selbst nicht visuell wahrnehmbar sind, nicht erwähnt, aber auch nicht ausdrücklich ausschließt (Urteile Sieckmann, Randnrn. 43 und 44, und vom 27. November 2003, Shield Mark, C‑283/01, Slg. 2003, I‑14313, Randnrn. 34 und 35).
33 Es kann aber, soll diese Voraussetzung nicht ausgehöhlt werden, nicht der Ansicht gefolgt werden, dass der Gegenstand einer jeden Markenanmeldung notwendig ein Zeichen im Sinne von Art. 2 der Richtlinie sei.
34 Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, soll mit diesem Erfordernis insbesondere ausgeschlossen werden, dass Marktteilnehmer das Markenrecht missbrauchen, um sich einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (Urteil Heidelberger Bauchemie, Randnr. 24).
35 Im vorliegenden Fall steht fest, dass im Ausgangsverfahren nicht ein spezieller Typ eines durchsichtigen Auffangbehälters als Teil der äußeren Oberfläche eines Staubsaugers, sondern allgemein und abstrakt alle denkbaren Formen eines solchen Auffangbehälters Gegenstand der Anmeldung sind.
36 Dyson kann daher nicht geltend machen, der Gegenstand ihrer Markenanmeldung, um die es im Ausgangsverfahren geht, sei visuell wahrnehmbar. Denn was für den Verbraucher mit dem Auge erkennbar ist, ist nicht der Gegenstand dieser Anmeldung, sondern sind zwei grafische Darstellungen dieses Gegenstands, wie sie in der Anmeldung abgebildet sind. Diese Darstellungen können aber nicht dem Gegenstand der Anmeldung gleichgestellt werden, da sie, wie Dyson mehrfach hervorgehoben hat, nur Beispiele für ihn sind.
37 Daraus ergibt sich, dass sich der Gegenstand der Anmeldung im Ausgangsverfahren im Gegensatz zu den Markenanmeldungen, die den Urteilen Sieckmann und Shield Mark zugrunde gelegen haben, auf eine Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen erstrecken können soll und dass er somit unbestimmt ist. Wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge im Wesentlichen festgestellt hat, sind nämlich die Formen, Dimensionen, Aufmachungen oder Gestaltungen dieses Gegenstands von den von Dyson entwickelten Staubsaugermodellen ebenso abhängig wie von den technischen Entwicklungen. Die Durchsichtigkeit lässt zudem verschiedene Einfärbungen zu.
38 Angesichts der Ausschließlichkeit des Markenrechts würde der Inhaber einer Marke, die sich auf einen solchen unbestimmten Gegenstand bezieht, entgegen dem Zweck des Art. 2 der Richtlinie einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil erlangen, da er verhindern könnte, dass seine Wettbewerber Staubsauger anbieten, auf deren äußerer Oberfläche sich irgendeine Art von durchsichtigem Auffangbehälter gleich welcher Form befände.
39 Der Gegenstand der im Ausgangsverfahren fraglichen Markenanmeldung besteht daher in Wirklichkeit in einer bloßen Eigenschaft der betreffenden Ware und ist infolgedessen kein „Zeichen“ im Sinne von Art. 2 der Richtlinie (vgl. in diesem Sinne Urteil Libertel, Randnr. 27).
40 Demgemäß ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass Art. 2 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Gegenstand einer Markenanmeldung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die sich auf alle denkbaren Formen eines durchsichtigen Behältnisses oder Auffangbehälters als Teil der äußeren Oberfläche eines Staubsaugers bezieht, kein „Zeichen“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt und damit auch keine Marke im Sinne dieser Bestimmung sein kann.
41 Damit erübrigt sich eine Auslegung von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie.
Kosten
42 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass der Gegenstand einer Markenanmeldung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die sich auf alle denkbaren Formen eines durchsichtigen Behältnisses oder Auffangbehälters als Teil der äußeren Oberfläche eines Staubsaugers bezieht, kein „Zeichen“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt und damit auch keine Marke im Sinne dieser Bestimmung sein kann.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Englisch.