Schlüsselwörter
Leitsätze

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1. Gemeinschaftsrecht – Dem Einzelnen verliehene Rechte – Verletzung durch einen Mitgliedstaat – Pflicht zum Ersatz des dem Einzelnen entstandenen Schadens

2. Gemeinschaftsrecht – Dem Einzelnen verliehene Rechte – Verletzung durch einen Mitgliedstaat – Pflicht zum Ersatz des dem Einzelnen entstandenen Schadens

Leitsätze

1. Das Gemeinschaftsrecht steht nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die allgemein die Haftung des Mitgliedstaats für Schäden ausschließen, die dem Einzelnen durch einen einem letztinstanzlichen nationalen Gericht zuzurechnenden Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, wenn sich dieser Verstoß aus einer Auslegung von Rechtsvorschriften oder einer Sachverhalts‑ und Beweiswürdigung durch dieses Gericht ergibt.

Wenn man unter derartigen Umständen jegliche Haftung des Staates ausschlösse, würde man nämlich den Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten zum Ersatz der Schäden verpflichtet sind, die dem Einzelnen durch aus einer Entscheidung eines letztinstanzlichen nationalen Gerichts resultierende offensichtliche Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, seines Inhalts berauben, da dem Einzelnen bei einem solchen Ausschluss kein effektiver gerichtlicher Schutz der ihm aufgrund des Gemeinschaftsrechts zustehenden Rechte gewährleistet würde.

(vgl. Randnrn. 33, 36, 40, 44, 46 und Tenor)

2. Der Mitgliedstaat haftet nur in dem Ausnahmefall, dass das letztinstanzliche nationale Gericht offenkundig gegen das geltende Recht verstoßen hat, für Schäden, die einem Einzelnen durch diesem Gericht zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind. Ob ein offenkundiger Verstoß vorliegt, bemisst sich insbesondere nach einer Reihe von Kriterien wie dem Maß an Klarheit und Präzision der verletzten Vorschrift, der Entschuldbarkeit des unterlaufenen Rechtsirrtums oder der Verletzung der Vorlagepflicht nach Artikel 234 Absatz 3 EG durch das in Rede stehende Gericht; ein solcher Verstoß wird jedenfalls angenommen, wenn die fragliche Entscheidung die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes offenkundig verkennt.

Insoweit kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass das nationale Recht die Kriterien hinsichtlich der Natur oder des Grades des Verstoßes festlegt, die erfüllt sein müssen, damit der Staat für einen einem letztinstanzlichen nationalen Gericht zuzurechnenden Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht haftet, doch können mit diesen Kriterien auf keinen Fall strengere Anforderungen aufgestellt werden, als sie sich aus der Voraussetzung eines offenkundigen Verstoßes gegen das geltende Recht ergeben, wie sie in den Randnummern 53 bis 56 des Urteils vom 30. September 2003 in der Rechtssache C‑224/01 (Köbler) beschrieben ist.

Das Gemeinschaftsrecht steht daher nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die diese Haftung auf Fälle von Vorsatz oder grob fehlerhaftem Verhalten des Richters begrenzen, sofern diese Begrenzung dazu führt, dass die Haftung des betreffenden Mitgliedstaats in weiteren Fällen ausgeschlossen ist, in denen ein offenkundiger Verstoß gegen das anwendbare Recht begangen wurde.

(vgl. Randnrn. 42-44, 46 und Tenor)