Rechtssache C-132/03

Ministero della Salute

gegen

Coordinamento delle associazioni per la difesa dell'ambiente e dei diritti degli utenti e dei consumatori (Codacons)

und

Federconsumatori

(Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato)

„Verordnung (EG) Nr. 1139/98 – Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b – Zusätzliche Anforderung an die Etikettierung von Lebensmitteln –Zwingende Angabe des Vorhandenseins von aus bestimmten genetisch veränderten Organismen (GVO) stammendem Material – Genetisch veränderte Sojabohnen und genetisch veränderter Mais – Befreiung von der Anforderung im Fall eines zufälligen Vorhandenseins, das eine bestimmte Toleranzgrenze nicht überschreitet – Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind – Säuglinge und Kleinkinder – Anwendbarkeit der Befreiung – Vorsorgegrundsatz“

Schlussanträge des Generalanwalts P. Léger vom 3. März 2005 

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 26. Mai 2005 

Leitsätze des Urteils

Rechtsangleichung – Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln – Lebensmittel, die aus genetisch veränderten Organismen (GVO) hergestellt wurden – Verordnung Nr. 1139/98 – Zwingende Angabe des Vorhandenseins von aus GVO stammendem Material – Befreiung – Nahrung für Säuglinge und für Kleinkinder – Anwendbarkeit der Befreiung – Kein Verstoß gegen den Vorsorgegrundsatz

(Verordnung Nr. 1139/98 des Rates, Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b)

Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1139/98 über Angaben, die zusätzlich zu den in der Richtlinie 79/112 aufgeführten Angaben bei der Etikettierung bestimmter aus genetisch veränderten Organismen hergestellter Lebensmittel vorgeschrieben sind, in der durch die Verordnung Nr. 49/2000 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Befreiung von der in Artikel 2 Absätze 1 und 3 dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtung, auf der Etikettierung von Lebensmitteln das Vorhandensein von aus bestimmten genetisch veränderten Organismen (GVO) stammendem Material anzugeben, wenn dieses auf einer zufälligen Kontamination beruht und eine De-minimis-Schwelle von 1 % nicht überschritten wird, auch für Lebensmittel gilt, die für die besondere Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern bestimmt sind.

Diese Auslegung ist auch im Hinblick auf den Vorsorgegrundsatz nicht zu beanstanden, der voraussetzt, dass Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit bestehen. Das Inverkehrbringen der von der Verordnung Nr. 1139/98 erfassten GVO kann nämlich nur erfolgen, wenn diese zuvor nach Abschluss einer Risikobewertung genehmigt wurden, mit der gewährleistet werden soll, dass sie unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen dieser Bewertung keine Gefahr für den Verbraucher darstellen. Der Vorsorgegrundsatz kommt daher gegebenenfalls in einem solchen Entscheidungsprozess zum Tragen.

(vgl. Randnrn. 55-56, 61, 63-64 und Tenor)




URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)

26. Mai 2005(*)

„Verordnung (EG) Nr. 1139/98 – Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b – Zusätzliche Anforderung an die Etikettierung von Lebensmitteln –Zwingende Angabe des Vorhandenseins von aus bestimmten genetisch veränderten Organismen (GVO) stammendem Material – Genetisch veränderte Sojabohnen und genetisch veränderter Mais – Befreiung von der Anforderung im Fall eines zufälligen Vorhandenseins, das eine bestimmte Toleranzgrenze nicht überschreitet – Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind – Säuglinge und Kleinkinder – Anwendbarkeit der Befreiung – Vorsorgegrundsatz“

In der Rechtssache C‑132/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 28. Januar 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 25. März 2003, in dem Verfahren

Ministero della Salute

gegen

Coordinamento delle associazioni per la difesa dell’ambiente e dei diritti degli utenti e dei consumatori (Codacons),

Federconsumatori,

weitere Verfahrensbeteiligte:

Lega delle Cooperative,

Associazione Italiana Industrie Prodotti Alimentari (AIIPA),

Adusbef,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter) sowie der Richter C. Gulmann und R. Schintgen,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–       des Coordinamento delle associazioni per la difesa dell’ambiente e dei diritti degli utenti e dei consumatori (Codacons), vertreten durch C. Rienzi und F. Acerboni, avvocati,

–       der Associazione Italiana Industrie Prodotti Alimentari (AIIPA), vertreten durch G. Ferrari und F. Capelli, avvocati,

–       der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von M. Fiorilli, avvocato dello Stato,

–       der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch I. Martínez del Peral und A. Aresu als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. März 2005

folgendes

Urteil

1       Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 1139/98 des Rates vom 26. Mai 1998 über Angaben, die zusätzlich zu den in der Richtlinie 79/112/EWG aufgeführten Angaben bei der Etikettierung bestimmter aus genetisch veränderten Organismen hergestellter Lebensmittel vorgeschrieben sind (ABl. L 159, S. 4) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 49/2000 der Kommission vom 10. Januar 2000 (ABl. L 6, S. 13) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1139/98).

2       Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits des Coordinamento delle associazioni per la difesa dell’ambiente e dei diritti degli utenti e dei consumatori (Codacons) (Koordinierung der Verbände für Umweltschutz sowie für Nutzer- und Verbraucherschutz, im Folgenden: Codacons) gegen das Ministero della Salute (Ministerium für das Gesundheitswesen).

3       Dieser Rechtsstreit betrifft eine Nichtigkeitsklage, die gegen das Dekret Nr. 371 des Ministers für das Gesundheitswesen vom 31. Mai 2001 zur Umsetzung der Richtlinie 1999/50/EG der Kommission vom 25. Mai 1999 zur Änderung der Richtlinie 91/321/EWG über Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung (GURI Nr. 241 vom 16. Oktober 2001, S. 4, im Folgenden: Dekret Nr. 371/2001) gerichtet ist. Nach diesem Dekret muss das Vorhandensein genetisch veränderter Organismen (im Folgenden: GVO) mit einem Prozentsatz von höchstens 1 % der Zutaten von Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung, das auf eine zufällige Kontamination zurückzuführen ist, auf der Etikettierung dieser Nahrung nicht angegeben werden.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

 Gemeinschaftsregelung über die Etikettierung von aus GVO hergestellten Lebensmitteln

4       Die Verordnung Nr. 1139/98 nennt die Angaben, die auf der Etikettierung von aus bestimmten GVO hergestellten Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten zwingend aufgeführt sein müssen.

5       In der vierten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1139/98 heißt es, dass die Unterschiede zwischen den Maßnahmen, die einige Mitgliedstaaten bezüglich der Etikettierung von aus diesen GVO hergestellten Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten ergriffen haben, den freien Verkehr der betreffenden Lebensmittel und Lebensmittelzutaten und somit ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Binnenmarktes behindern können und dass deshalb einheitliche Gemeinschaftsregelungen für die Etikettierung der betreffenden Produkte erlassen werden müssen.

6       Die fünfte und die sechste Begründungserwägung dieser Verordnung lauten wie folgt:

„(5)      In Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten [ABl. L 43, S. 1] sind zusätzliche spezifische Etikettierungsanforderungen festgelegt, um den Endverbraucher angemessen zu informieren. Diese zusätzlichen spezifischen Etikettierungsanforderungen finden nicht auf Lebensmittel und Lebensmittelzutaten Anwendung, die bereits vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 258/97 gemeinschaftsweit in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und deshalb nicht als neuartig gelten.

(6)      Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sollten für Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die aus GVO bestehen oder von GVO stammen und die vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 258/97 nach einer gemäß der Richtlinie 90/220/EWG [des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (ABl. L 117, S. 15)] erteilten Zustimmung in Verkehr gebracht wurden, sowie für Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die danach in Verkehr gebracht werden, hinsichtlich der Information der Endverbraucher Etikettierungsanforderungen gelten, die auf den gleichen Grundsätzen beruhen.“

7       Nach Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1139/98 gilt diese für Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die aus folgenden GVO hergestellt werden:

–      Sojabohnen, die unter die Entscheidung 96/281/EG der Kommission vom 3. April 1996 über das Inverkehrbringen genetisch veränderter Sojabohnen (Glycin max. L.) mit erhöhter Verträglichkeit des Herbizids Glyphosat nach der Richtlinie 90/220 (ABl. L 107, S. 10) fallen, sowie

–      Mais, der unter die Entscheidung 97/98/EG der Kommission vom 23. Januar 1997 über das Inverkehrbringen von genetisch verändertem Mais (Zea Mays L.) mit der kombinierten Veränderung der Insektizidwirkung des BT‑Endotoxin-Gens und erhöhter Toleranz gegenüber dem Herbizid Glufosinatammonium gemäß der Richtlinie 90/220 (ABl. L 31, S. 69) fällt.

8       Nach Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1139/98 bestehen diese Etikettierungsregeln im Wesentlichen darin, dass je nach Fall die Angabe „Aus genetisch veränderten Sojabohnen hergestellt“ oder „Aus genetisch verändertem Mais hergestellt“ hinzuzufügen ist.

9       Die Verordnung Nr. 1139/98 sieht jedoch eine Ausnahme von diesen Etikettierungsregeln im Fall des zufälligen Vorhandenseins von aus den betreffenden GVO stammendem Material vor, sofern eine De-minimis-Schwelle oder Toleranzgrenze nicht überschritten wird.

10     Nach der vierzehnten Begründungserwägung der genannten Verordnung kann eine solche zufällige Kontamination nicht ausgeschlossen werden. In der vierten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 49/2000 heißt es, dass es z. B. während des Anbaus, der Ernte, des Transports, der Lagerung und der Verarbeitung zu einer zufälligen Kontamination kommen kann.

11     Daher bestimmt Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1139/98:

„Für die genannten Lebensmittel gelten die zusätzlichen spezifischen Etikettierungsanforderungen nicht, sofern

b)      das Material aus [GVO], auf das in Artikel 1 Absatz 1 Bezug genommen wird, zusammen mit Material aus anderen [GVO], das gemäß der Verordnung (EG) Nr. 258/97 in Verkehr gebracht wurde, in ihren Lebensmittelzutaten oder in einem Lebensmittel aus einer einzigen Zutat mit einem Prozentsatz von höchstens 1 % der jeweils einzeln betrachteten Lebensmittelzutaten oder Lebensmittel aus einer einzigen Zutat zufällig vorhanden ist.

Um glaubhaft machen zu können, dass das Vorhandensein dieses Materials zufällig ist, müssen die Handelnden gegenüber den zuständigen Behörden nachweisen können, dass sie geeignete Maßnahmen ergriffen haben, um zu vermeiden, die unter Buchstabe b Unterabsatz 1 genannten genetisch veränderten Organismen (oder Produkte daraus) als Ausgangsprodukt zu verwenden.“

12     Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 sieht vor:

„Unbeschadet der übrigen Anforderungen der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für die Etikettierung von Lebensmitteln gelten folgende zusätzliche spezifische Etikettierungsanforderungen für Lebensmittel zur Unterrichtung der Endverbraucher über:

a)      alle Merkmale oder Ernährungseigenschaften, wie

–      Zusammensetzung,

–      Nährwert oder nutritive Wirkungen,

–      Verwendungszweck des Lebensmittels,

die dazu führen, dass ein neuartiges Lebensmittel oder eine neuartige Lebensmittelzutat nicht mehr einem bestehenden Lebensmittel oder einer bestehenden Lebensmittelzutat gleichwertig ist.

Ein neuartiges Lebensmittel oder eine neuartige Lebensmittelzutat gilt als nicht mehr gleichwertig im Sinne dieses Artikels, wenn durch eine wissenschaftliche Beurteilung auf der Grundlage einer angemessenen Analyse der vorhandenen Daten nachgewiesen werden kann, dass die geprüften Merkmale Unterschiede gegenüber konventionellen Lebensmitteln oder Lebensmittelzutaten aufweisen, unter Beachtung der anerkannten Grenzwerte für natürliche Schwankungen dieser Merkmale.

In diesem Fall sind auf der Etikettierung diese veränderten Merkmale oder Eigenschaften sowie das Verfahren, mit dem sie erzielt wurden, anzugeben;

b)      vorhandene Stoffe, die in bestehenden gleichwertigen Lebensmitteln nicht vorhanden sind und die Gesundheit bestimmter Bevölkerungsgruppen beeinflussen können;

c)      vorhandene Stoffe, die in bestehenden gleichwertigen Lebensmitteln nicht vorhanden sind und gegen die ethische Vorbehalte bestehen;

d)      vorhandene [GVO], die durch die in der nicht erschöpfenden Liste in Anhang I A Teil 1 der Richtlinie 90/220/EWG genannten Verfahren der Gentechnik genetisch verändert wurden.“

13     Durch die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl. L 268, S. 1) wurde die Verordnung Nr. 1139/98 aufgehoben und Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung Nr. 258/97 gestrichen.

14     Die Verordnung Nr. 1829/2003, die seit dem 18. April 2004 angewandt wird, sieht in den Artikeln 12 bis 14 spezifische Anforderungen für die Kennzeichnung von Lebensmitteln vor, die GVO enthalten oder aus GVO hergestellt werden, sowie eine Befreiung von diesen Anforderungen im Fall einer zufälligen oder versehentlichen Kontamination durch GVO, die eine De-minimis-Schwelle von 0,9 % nicht übersteigt.

 Allgemeine Gemeinschaftsregelung über die Etikettierung von Lebensmitteln

15     Die dritte und die vierte Begründungserwägung der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. L 33, S. 1) lauten:

„Mit dieser Richtlinie sollen die allgemeinen, horizontalen Gemeinschaftsregeln für alle Lebensmittel festgesetzt werden, die in den Handel gebracht werden.

Die spezifischen, vertikalen Regeln, die nur bestimmte Lebensmittel betreffen, müssen dagegen im Rahmen der Vorschriften für diese Erzeugnisse festgelegt werden.“

16     In der sechsten Begründungserwägung dieser Richtlinie heißt es:

„Jede Regelung der Etikettierung von Lebensmitteln soll vor allem der Unterrichtung und dem Schutz der Verbraucher dienen.“

17     Artikel 3 der Richtlinie 79/112 enthält eine abschließende Liste der Angaben, die zwingend auf der Etikettierung der Lebensmittel aufzuführen sind.

18     Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Die Gemeinschaftsvorschriften, die nur für einzelne Lebensmittel und nicht für Lebensmittel im Allgemeinen gelten, können zusätzlich zu den in Artikel 3 aufgeführten Angaben weitere zwingende Angaben verlangen.“

19     Die Richtlinie 79/112 wurde durch die am 26. Mai 2000 in Kraft getretene Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 (ABl. L 109, S. 29) aufgehoben und ersetzt.

 Gemeinschaftsregelung über Lebensmittel, die für die besondere Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern bestimmt sind

20     In der zweiten und der dritten Begründungserwägung der Richtlinie 89/398/EWG des Rates vom 3. Mai 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind (ABl. L 186, S. 27), heißt es, dass diese Richtlinie einen ersten Schritt zur Beseitigung der durch die Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bedingten Hindernisse für den freien Warenverkehr mit Lebensmitteln, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, darstellt und dass sich die in ihr vorgesehene Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften im derzeitigen Stadium auf die Ausarbeitung einer gemeinsamen Definition, die Festlegung von Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers gegen Täuschungen über die Art der betreffenden Erzeugnisse sowie die Festlegung von Regeln für die Kennzeichnung dieser Erzeugnisse bezieht.

21     Die vierte Begründungserwägung der Richtlinie 89/398 lautet:

„Die unter diese Richtlinie fallenden Erzeugnisse sind Lebensmittel, deren Zusammensetzung und Herstellung besonders beschaffen sein müssen, damit sie den besonderen Ernährungsbedürfnissen des Personenkreises entsprechen, für den sie in erster Linie bestimmt sind. Es kann sich daher als notwendig erweisen, Abweichungen von den allgemeinen oder besonderen Bestimmungen für Lebensmittel vorzusehen, um dem spezifischen Ernährungszweck zu entsprechen.“

22     Artikel 1 Absatz 2 dieser Richtlinie sieht vor:

„a)      Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, sind Lebensmittel, die sich aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen Verfahrens ihrer Herstellung deutlich von den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs unterscheiden, die sich für den angegebenen Ernährungszweck eignen und mit dem Hinweis darauf in den Verkehr gebracht werden, dass sie für diesen Zweck geeignet sind.

b)      Eine besondere Ernährung muss den besonderen Ernährungserfordernissen folgender Verbrauchergruppen entsprechen:

         …

         … oder

         iii) gesunder Säuglinge oder Kleinkinder.“

23     Nach Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 89/398 sind besondere Vorschriften, die für die in Anhang I dieser Richtlinie genannten Gruppen von Lebensmitteln gelten, welche für eine besondere Ernährung bestimmt sind, durch Einzelrichtlinien festzulegen. Unter diesen Gruppen befinden sich insbesondere in Nummer 1 die Gruppe „Säuglingsfertignahrung“, in Nummer 2 die Gruppe „Folgemilch und andere Folgelebensmittel“ und in Nummer 3 die Gruppe „Sonstige Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder“.

24     Nach Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe f der Richtlinie 89/398 können derartige Einzelrichtlinien insbesondere Bestimmungen über Kennzeichnung, Aufmachung und Werbung für die Erzeugnisse umfassen, die zu einer der Gruppen von Lebensmitteln in Anhang I dieser Richtlinien gehören.

25     Artikel 7 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Die Richtlinie 79/112…, zuletzt geändert durch die Richtlinie 89/395/EWG, gilt für die in Artikel 1 genannten Erzeugnisse gemäß den nachstehenden Bedingungen.

(3)      Die Kennzeichnung der Erzeugnisse, für die keine Einzelrichtlinie nach Artikel 4 erlassen wurde, muss ferner Folgendes umfassen:

(4)      Die besonderen Kennzeichnungsanforderungen in Bezug auf die Erzeugnisse, für die eine Einzelrichtlinie erlassen wurde, werden in der Einzelrichtlinie festgelegt.“

26     Nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 89/398 sind insbesondere erlassen worden die Richtlinie 91/321/EWG der Kommission vom 14. Mai 1991 über Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung (ABl. L 175, S. 35), die durch die Richtlinie 1999/50/EG der Kommission vom 25. Mai 1999 (ABl. L 139, S. 29) geändert wurde (im Folgenden: Richtlinie 91/321), und die Richtlinie 96/5/EG der Kommission vom 16. Februar 1996 über Getreidebeikost und andere Beikost für Säuglinge und Kleinkinder (ABl. L 49, S. 17), die durch die Richtlinie 98/36/EG der Kommission vom 2. Juni 1998 (ABl. L 167, S. 23) und die Richtlinie 1999/39/EG der Kommission vom 6. Mai 1999 (ABl. L 124, S. 8) geändert wurde (im Folgenden: Richtlinie 96/5).

27     Nach Artikel 1 Absatz 2 Buchstaben a und b der Richtlinie 91/321 und Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie 96/5 sind „Säuglinge“ Kinder unter zwölf Monaten und „Kleinkinder“ Kinder von ein bis drei Jahren.

28     Die Richtlinien 91/321 und 96/5 legen Normen für die Zusammensetzung und Kennzeichnung von Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung für gesunde Säuglinge bzw. von Getreidebeikost und anderer Beikost für Säuglinge und Kleinkinder fest.

 Nationales Recht

29     Artikel 3 Absatz 2 des Dekrets Nr. 128 des Präsidenten der Republik vom 7. April 1999 zur Umsetzung der Richtlinie 96/5 und 98/36/EG über Getreidebeikost und andere Beikost für Säuglinge und Kleinkinder (GURI Nr. 109 vom 12. Mai 1999, S. 5, im Folgenden: Dekret Nr. 128/1999) bestimmt:

„… Die fraglichen Lebensmittel … dürfen weder Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln im Umfang von über 0,01 mg/kg noch genetisch veränderte Stoffe enthalten.“

30     Artikel 4 Absatz 1 des Dekrets Nr. 500 des Ministers für das Gesundheitswesen vom 6. April 1994 zur Umsetzung der Richtlinie 91/321/EWG der Kommission vom 14. Mai 1991 über Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung und der Richtlinie 92/52/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung zur Ausfuhr in Drittländer (GURI Nr. 189 vom 13. August 1994, S. 3, im Folgenden: Dekret Nr. 500/1994) sieht vor:

„Säuglingsanfangsnahrung ist aus den in den Anhängen des [Dekrets Nr. 128/1999] definierten Proteinquellen und nach den dort angeführten Vorgaben sowie aus sonstigen Lebensmittelzutaten herzustellen, deren Eignung für die besondere Ernährung von Säuglingen von der Geburt an durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigt sein muss.“

31     Durch das Dekret Nr. 371/2001 wurde in Artikel 4 Absatz 1 des Dekrets Nr. 500/1994 folgender Satz hinzugefügt:

„Jedenfalls darf, mit Ausnahme der in der Verordnung (EG) Nr. 49/2000 vorgesehenen Toleranz, kein aus [GVO] stammendes Material verwendet werden.“

 Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

32     Mit Urteil vom 14. Mai 2002 erklärte das Tribunale amministrativo regionale del Lazio das Dekret Nr. 371/2001 für nichtig, soweit sich daraus ergibt, dass das Vorhandensein von GVO mit einem Prozentsatz von höchstens 1 % der Zutaten von Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung, das auf eine zufällige Kontamination zurückzuführen ist, auf der Etikettierung dieser Nahrung nicht angegeben werden muss.

33     In diesem Urteil wurde insbesondere festgestellt, dass die im Dekret Nr. 371/2001 vorgesehene Ausnahme von der Etikettierungspflicht gegen Artikel 3 Absatz 2 des Dekrets Nr. 128/1999 verstoße und auch nicht nach der Verordnung Nr. 49/2000 geboten sei, da diese nicht auf Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder anwendbar sei.

34     Nach Ansicht des Tribunale amministrativo wurde mit der Richtlinie 91/321 insbesondere für die Etikettierung von Lebensmitteln für Säuglinge und Kleinkinder eine Sonderregelung geschaffen. Diese Regelung weiche jedoch insoweit von der allgemeinen Gemeinschaftsregelung über die Etikettierung von Lebensmitteln nach der Richtlinie 79/112 ab, als sie strengere Anforderungen festlege als den allgemeinen Grundsatz der vollständigen und zutreffenden Information des Verbrauchers.

35     Diese Auslegung der Gemeinschaftsregelung sei nicht nur wegen deren systematischer Logik zwingend, sondern auch im Hinblick auf den Vorsorgegrundsatz, einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der bestmögliche Information verlange.

36     Mit diesem Urteil wurde die Klage jedoch im Übrigen abgewiesen. So wurde festgestellt, dass das Dekret Nr. 371/2001 rechtmäßig sei, soweit es zulasse, dass Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung aus GVO stammendes Material mit einem Prozentsatz von höchstens 1 % enthielten.

37     Am 25. Juni 2002 legte das Ministero della Salute beim Consiglio di Stato Berufung gegen dieses Urteil ein und beantragte dessen Aufhebung, soweit es das Dekret Nr. 371/2001 für nichtig erkläre.

38     Das Ministero della Salute stützt seine Berufung insbesondere darauf, dass in keiner der Einzelrichtlinien über für Säuglinge oder für Kleinkinder bestimmte Lebensmittel Regeln enthalten seien über Angaben auf der Etikettierung, die sich auf das zufällige Vorhandensein von aus GVO stammendem Material in diesen Lebensmitteln bezögen.

39     Daraus folge, dass die einzigen anwendbaren Vorschriften die der Verordnung Nr. 1139/98 seien; diese Vorschriften einschließlich derjenigen über die durch die Verordnung Nr. 49/2000 eingeführte Toleranzgrenze seien daher auf alle Lebensmittel anwendbar und somit auch auf für Säuglinge oder für Kleinkinder bestimmte Lebensmittel.

40     Die Associazione Italiana Industrie Prodotti Alimentari (AIIPA) (Italienischer Verband der Lebensmittelindustrie) trat dem Verfahren auf Seiten des Ministero della Salute bei.

41     Codacons, unterstützt durch Adusbef und Federconsumatori, Streithelferinnen im Berufungsverfahren, beantragte die Zurückweisung der Berufung.

42     Da der Consiglio di Stato unter diesen Umständen der Ansicht war, dass für die Entscheidung des Rechtsstreits die Auslegung der Verordnung Nr. 1139/98 erforderlich sei, hat er das Verfahren ausgesetzt und folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1139/98 auch auf Lebensmittel für Säuglinge und für Kinder bis zu drei Jahren anzuwenden, d. h. konkret, muss bei diesen Lebensmitteln die zufällige Kontamination mit Material, das aus GVO stammt, mit einem Prozentsatz von höchstens 1 % auf der Etikettierung angegeben sein?

 Zur Vorlagefrage

43     Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1139/98 dahin auszulegen ist, dass die darin vorgesehene Befreiung von der in Artikel 2 Absätze 1 und 3 dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtung, auf der Etikettierung von Lebensmitteln das Vorhandensein von aus bestimmten GVO stammendem Material anzugeben, wenn dieses auf einer zufälligen Kontamination beruht und eine De-minimis-Schwelle von 1 % nicht überschritten wird, auch für Lebensmittel gilt, die für die besondere Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern bestimmt sind.

44     Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es grundsätzlich allein Sache des vorlegenden Gerichts ist, die Reichweite der Fragen zu bestimmen, die seiner Ansicht nach dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen sind.

45     Daher kann die Frage der Rechtmäßigkeit von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1139/98, die von Codacons hilfsweise, d. h. für den Fall aufgeworfen worden ist, dass der Gerichtshof zu dem Ergebnis kommt, dass diese Vorschrift auch auf Lebensmittel anwendbar ist, die für Säuglinge oder für Kleinkinder bestimmt sind, vom Gerichtshof nicht geprüft werden, da sie offensichtlich weiter reicht als die Vorabentscheidungsfrage des vorlegenden Gerichts.

46     Zur Beantwortung der Vorlagefrage sind die einschlägigen Vorschriften der Verordnung Nr. 1139/98 in den Rahmen der gesamten Gemeinschaftsregelung über die Etikettierung von Lebensmitteln einzuordnen.

47     Die Verordnung Nr. 1139/98 bezieht sich in ihrem zweiten Bezugsvermerk auf Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 79/112, wonach die Gemeinschaftsvorschriften, die nur für einzelne Lebensmittel und nicht für Lebensmittel im Allgemeinen gelten, zusätzlich zu den in Artikel 3 dieser Richtlinie aufgeführten Angaben weitere zwingende Angaben verlangen können.

48     Die Verordnung Nr. 1139/98 enthält somit Etikettierungsvorschriften, bei denen es sich nach der vierten Begründungserwägung der Richtlinie 79/112 um „spezifisch[e], vertikal[e]“ Vorschriften handelt, „die nur bestimmte Lebensmittel betreffen“.

49     Die Verordnung Nr. 1139/98 gilt nämlich nur für bestimmte Lebensmittel, und zwar für solche, die ganz oder teilweise aus bestimmten genetisch veränderten Sojabohnen oder bestimmten genetisch veränderten Maissorten im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 dieser Verordnung hergestellt werden.

50     Was die Gemeinschaftsregelung für Lebensmittel angeht, die für eine besondere Ernährung, speziell für die von Säuglingen und Kleinkindern, bestimmt sind, so ergibt sich aus Artikel 4 der Richtlinie 89/398, dass es Sache der Kommission ist, Einzelrichtlinien zu erlassen, die insbesondere Bestimmungen über die Kennzeichnung, Aufmachung und Werbung für bestimmte Erzeugnisse enthalten, zu denen Säuglingsfertignahrung, Folgemilch und andere Folgelebensmittel sowie sonstige Lebensmittel für Säuglinge und für Kleinkinder gehören.

51     Auf diese Weise sind die Richtlinien 91/321 und 96/5 erlassen worden, die Regeln über die Zusammensetzung und Etikettierung von für gesunde Säuglinge bestimmter Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung bzw. von Getreidebeikost und anderer Beikost für Säuglinge und für Kleinkinder festlegen.

52     Es stellt sich daher die Frage, ob die besonderen Anforderungen der Verordnung Nr. 1139/98 hinsichtlich der Etikettierung auch für die für die besondere Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern bestimmten Lebensmittel im Sinne der in den Randnummern 50 und 51 des vorliegenden Urteils angeführten Gemeinschaftsregelung gelten.

53     Aus Artikel 7 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 89/398, ausgelegt im Licht der vierten Begründungserwägung dieser Richtlinie, ergibt sich, dass Vorschriften über die Etikettierung wie die der Verordnung Nr. 1139/98 grundsätzlich für die für eine besondere Ernährung bestimmten Lebensmittel im Sinne dieser Richtlinie, d. h. für Lebensmittel, die einem spezifischen Ernährungszweck im Hinblick auf bestimmte Gruppen von Personen entsprechen sollen, gelten, sofern es nicht zur Erreichung des betreffenden spezifischen Ernährungszwecks erforderlich ist, eine Abweichung von diesen Vorschriften vorzusehen (in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 1999 in der Rechtssache C‑101/98, UDL, Slg. 1999, I‑8841, Randnrn. 15 und 18).

54     Die Richtlinien 91/321 und 96/5 enthalten jedoch in Bezug auf das Vorhandensein von aus GVO stammendem Material keine besonderen Etikettierungsanforderungen, mit denen bei Lebensmitteln, die für Säuglinge oder für Kleinkinder bestimmt sind, von den in der Verordnung Nr. 1139/98 vorgesehenen Anforderungen abgewichen würde. Bis heute wurden solche Anforderungen also nicht für notwendig gehalten, um dem spezifischen Ernährungszweck im Hinblick auf Säuglinge und Kleinkinder zu entsprechen.

55     Da sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang oder dem Zweck des Artikels 2 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1139/98 etwas anderes ergibt, ist diese Vorschrift somit dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Befreiung von den in dieser Verordnung enthaltenen besonderen Etikettierungsanforderungen auch für Lebensmittel gilt, die im Sinne der Richtlinie 89/398 für die besondere Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern bestimmt sind.

56     Diese Auslegung ist auch im Hinblick auf den Vorsorgegrundsatz nicht zu beanstanden.

57     Wie sich aus der vierten und der sechsten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1139/98 ergibt, verfolgt diese zwei Ziele, nämlich erstens die Beseitigung potenzieller Hindernisse für den freien Verkehr von Produkten, die genetisch veränderte Sojabohnen oder genetisch veränderten Mais enthalten, und zweitens die Information des Endverbrauchers (in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2003 in der Rechtssache C‑316/01, Glawischnig, Slg. 2003, I‑5995, Randnrn. 30 und 31).

58     Die Verordnung Nr. 1139/98 zielt darauf ab, dass zusätzliche Informationen zu denen gegeben werden, die bereits nach der Richtlinie 79/112, die selbst nicht als Maßnahme zum Schutz der Umwelt konzipiert ist, auf der Etikettierung bestimmter Lebensmittel erwähnt werden müssen (vgl. Urteil Glawischnig, Randnr. 33).

59     Die fünfte und die sechste Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1139/98 weisen außerdem darauf hin, dass die zusätzlichen spezifischen Etikettierungsanforderungen, die diese Verordnung vorsieht, auf den gleichen Grundsätzen beruhen, wie sie Artikel 8 der Verordnung Nr. 258/97 zugrunde liegen, und der Information der Endverbraucher dienen sollen.

60     Darüber hinaus geht aus diesen Begründungserwägungen hervor, dass diese Anforderungen für Lebensmittel und Lebensmittelzutaten gelten, die aus GVO bestehen oder von GVO stammen und die vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 258/97 nach einer gemäß der Richtlinie 90/220 erteilten Zustimmung in Verkehr gebracht wurden, sowie für Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die danach in Verkehr gebracht werden.

61     Nach ständiger Rechtsprechung müssen Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit bestehen, damit der Vorsorgegrundsatz zum Tragen kommt (in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2003 in der Rechtssache C‑236/01, Monsanto Agricoltura Italia u. a., Slg. 2003, I‑8105, Randnr. 111 und die dort zitierte Rechtsprechung).

62     In der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 258/97 heißt es jedoch, dass die in dieser Verordnung vorgesehenen zusätzlichen spezifischen Etikettierungsanforderungen sicherstellen sollen, dass dem Verbraucher die notwendigen Informationen über die betreffenden Lebensmittel zur Verfügung stehen. Weiter heißt es dort, dass diese Lebensmittel keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen dürfen und dass dies durch das in der Richtlinie 90/220 enthaltene Genehmigungsverfahren und das in der Verordnung Nr. 258/97 festgelegte einheitliche Prüfungsverfahren gewährleistet wird.

63     Das Inverkehrbringen der von der Verordnung Nr. 1139/98 erfassten GVO kann nämlich nur erfolgen, wenn diese zuvor nach Abschluss einer Risikobewertung genehmigt wurden, mit der gewährleistet werden soll, dass sie unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen dieser Bewertung keine Gefahr für den Verbraucher darstellen. Der Vorsorgegrundsatz kommt gegebenenfalls in einem solchen Entscheidungsprozess zum Tragen (in diesem Sinne Urteil Monsanto Agricoltura Italia u. a., Randnr. 133).

64     Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1139/98 dahin auszulegen ist, dass die darin vorgesehene Befreiung von der in Artikel 2 Absätze 1 und 3 dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtung, auf der Etikettierung von Lebensmitteln das Vorhandensein von aus bestimmten GVO stammendem Material anzugeben, wenn dieses auf einer zufälligen Kontamination beruht und eine De-minimis-Schwelle von 1 % nicht überschritten wird, auch für Lebensmittel gilt, die für die besondere Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern bestimmt sind.

 Kosten

65     Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem nationalen Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 1139/98 des Rates vom 26. Mai 1998 über Angaben, die zusätzlich zu den in der Richtlinie 79/112/EWG aufgeführten Angaben bei der Etikettierung bestimmter aus genetisch veränderten Organismen hergestellter Lebensmittel vorgeschrieben sind, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 49/2000 der Kommission vom 10. Januar 2000 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Befreiung von der in Artikel 2 Absätze 1 und 3 dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtung, auf der Etikettierung von Lebensmitteln das Vorhandensein von aus bestimmten GVO stammendem Material anzugeben, wenn dieses auf einer zufälligen Kontamination beruht und eine De-minimis-Schwelle von 1 % nicht überschritten wird, auch für Lebensmittel gilt, die für die besondere Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern bestimmt sind.

Unterschriften.


* Verfahrenssprache: Italienisch.