SCHLUSSANTRÄGE DER FRAU GENERALANWALT
CHRISTINE STIX-HACKL
vom 17. Februar 2005(1)



Rechtssache C-511/03



Staat der Nederlanden
gegen
1) Ten Kate Holding Musselkanaal BV
2) Ten Kate Europrodukten BV
3) Ten Kate Produktie Maatschappij BV


(Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden [Niederlande])

„Landwirtschaft – Gesundheit – Schutz vor der spongiformen Rinderenzephalopathie (BSE) – Verfütterung von aus Säugetieren gewonnenen Futtermitteln – Entscheidung 94/381/EG – Staatshaftung – Verpflichtung eines Mitgliedstaats zur Erhebung einer Untätigkeitsklage“






I – Einleitende Bemerkungen

1.        Im vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen, das die BSE-Problematik betrifft, geht es im Wesentlichen um die Frage, ob ein Mitgliedstaat Maßnahmen gegen die Kommission zu ergreifen hat, die eine von diesem Mitgliedstaat beantragte Ermächtigung nicht erteilt hat.

II – Rechtlicher Rahmen

A – Gemeinschaftsrecht

2.        Als Maßnahme im Kampf gegen BSE hat die Kommission die – nicht mehr geltende – Entscheidung 94/381/EG vom 27. Juni 1994 über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die spongiforme Rinderenzephalopathie und die Verfütterung von aus Säugetieren gewonnenen Futtermitteln (2) angenommen. Deren Artikel 1 lautete in der hier maßgeblichen Fassung:

„(1) Die Mitgliedstaaten untersagen innerhalb von 30 Tagen nach der Notifizierung der vorliegenden Entscheidung die Verfütterung von aus Säugetiergewebe gewonnenen Futtermitteln an alle Wiederkäuerarten.

(2) Mitgliedstaaten, die ein System einführen, das eine Unterscheidung zwischen aus Wiederkäuern gewonnenen tierischen Futtermitteln und nicht aus Wiederkäuerarten gewonnenen tierischen Futtermitteln ermöglicht, werden von der Kommission gemäß dem Verfahren des Artikels 17 der Richtlinie 90/425/EWG jedoch ermächtigt, die Verfütterung von Futtermitteln, die aus anderen Tierarten als Wiederkäuern gewonnen werden, an Wiederkäuer zuzulassen.“

3.        Artikel 17 der Richtlinie 90/425/EWG (3) lautet:

„Wird auf das Verfahren dieses Artikels Bezug genommen, so entscheidet der durch den Beschluss 68/361/EWG eingesetzte Ständige Veterinärausschuss gemäß den in Artikel 17 der Richtlinie 89/662/EWG festgelegten Regeln.“

4.        Artikel 17 der Richtlinie 89/662/EWG des Rates vom 11. Dezember 1989 zur Regelung der veterinärrechtlichen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel im Hinblick auf den gemeinsamen Binnenmarkt (4) lautet in der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Juni 1990 berichtigten Fassung (5) :

„(1) Wird auf das Verfahren dieses Artikels Bezug genommen, so befasst der Vorsitzende des durch den Beschluss 68/361/EWG eingesetzten Ständigen Veterinärausschusses, nachstehend ‚Ausschuss‘ genannt, diesen unverzüglich von sich aus oder auf Antrag eines Mitgliedstaats.

(2) Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuss einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu diesem Entwurf binnen zwei Tagen ab.6  –In der nicht berichtigten Fassung lautete der 2. Satz von Artikel 17 Absatz 2:„Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der betreffenden Frage festsetzen kann.“ Die Stellungnahme wird mit der Mehrheit abgegeben, die in Artikel 148 Absatz 2 des Vertrages für die Annahme der vom Rat auf Vorschlag der Kommission zu fassenden Beschlüsse vorgesehen ist. Bei der Abstimmung im Ausschuss werden die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten gemäß dem vorgenannten Artikel gewogen. Der Vorsitzende nimmt an der Abstimmung nicht teil.

(3) Die Kommission erlässt die beabsichtigten Maßnahmen, wenn sie mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmen.

(4) Stimmen die beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht überein oder liegt keine Stellungnahme vor, so unterbreitet die Kommission dem Rat unverzüglich einen Vorschlag über die zu treffenden Maßnahmen.

Der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit.

Hat der Rat nach Ablauf einer Frist von 15 Tagen von seiner Befassung an keinen Beschluss gefasst, so werden die vorgeschlagenen Maßnahmen von der Kommission erlassen, es sei denn, der Rat hat sich mit einfacher Mehrheit gegen diese Maßnahmen ausgesprochen.“

5.        Die Entscheidung 96/449/EG der Kommission vom 18. Juli 1996 über die Zulassung alternativer Verfahren zur Hitzebehandlung von tierischen Abfällen im Hinblick auf die Inaktivierung der Erreger der spongiformen Enzephalopathie (7) untersagte grundsätzlich die Verarbeitung von tierischen Abfällen aus Säugetieren und gestattete nur bestimmte Verfahren. Um den betroffenen Unternehmen die Anpassung oder Ersetzung ihrer Anlagen zu ermöglichen, war für das Inkrafttreten der 1. April 1997 vorgesehen.

B – Nationales Recht

6.        Das Productschap voor veevoeder (öffentlich-rechtlicher Verband für die Vermarktung von Viehfutter) (im Folgenden: Productschap) legte in einem Protokollentwurf (im Folgenden: Protokoll) ein Produktions- und Kontrollsystem fest, mit dem Eiweiß von Wiederkäuern von Eiweiß unterschieden werden kann, das aus anderen Tierarten, z. B. Ferkeln, gewonnen wurde.

7.        Das Protokoll war der Verordening Vvr regeling verwerking dierlijke produkten in diervoeders (Verordnung über die Verarbeitung von tierischen Erzeugnissen in Futtermitteln) vom 9. November 1994 (im Folgenden: Verordnung von 1994) als Anhang I beigefügt. Nach dieser Verordnung dürfen Futtermittelhersteller in für Wiederkäuer bestimmten Futtermitteln keine tierischen Erzeugnisse verarbeiten. Dieses Verbot gilt nicht für tierische Erzeugnisse, die ausschließlich von Nichtwiederkäuern stammen, wenn der Erzeuger vom Productschap aufgrund dieser Verordnung anerkannt worden ist und die betreffende Partie mit einer Markierung versehen worden ist. Der Erzeuger von tierischen Erzeugnissen wird vom Productschap anerkannt, wenn er nach dem Protokoll der Anlage I tätig wird.

8.        Das Protokoll ist jedoch mangels Zustimmung durch den zuständigen Minister nie in Kraft getreten.

9.        Mit Schreiben vom 29. November 1994 beantragte der Staat bei der Kommission, ihn gemäß der Entscheidung 94/381 zur Anwendung des Protokolls über die Eiweißtrennung zu ermächtigen. Die Verordnung von 1994 wurde nicht genehmigt.

10.      Der Staat regte im Dezember 1995 bei der Kommission an, das Ermächtigungsverfahren in Gang zu bringen. Im Juni 1997 bat er die Kommission mit Nachdruck, Aufschluss über den Antrag zu geben, sodass die Niederlande der Wirtschaft darüber Klarheit verschaffen könnten.

11.      Der Staatssecretaris van Volksgezondheid, Welzijn en Sport führte die Entscheidung 96/449 mit der so genannten „Regeling warmtebehandelingssystemen en eindproducten“ (Regelung über Wärmebehandlungssysteme und Endprodukte) vom 25. März 1997 (8) , geändert durch die Regelung vom 23. Juli 1997 (9) und am 30. Juli 1997 in Kraft getreten, durch. Nach dem zuletzt genannten Zeitpunkt durfte aus dem Gewebe von Säugetieren gewonnenes Eiweiß nur noch dann für den Gebrauch in Futtermitteln von Wiederkäuern verkauft werden, wenn die Erhitzung stattgefunden hatte.

12.      Diese Maßnahme (die Erhitzungspflicht) galt auch für das Produktionsverfahren von Ten Kate, die ab 30. Juli 1997 das vorgeschriebene Erhitzungsverfahren anwenden musste. Da dieses Verfahren jedoch für Ten Kate erhebliche Investitionen zur Folge gehabt hätte und immer noch keine Aussicht auf die von der Kommission gemäß der Entscheidung 94/381 zu erteilende Ermächtigung bestand, stellte Ten Kate die Herstellung von aus Ferkelfett gewonnenem Eiweiß ein.

13.      Mit Schreiben vom 9. März 1998 forderte der Minister das Productschap auf, die Verordnung von 1994 und den Beschluss des Vorsitzenden vom 8. August 1994 mit der Entscheidung 94/381 in Einklang zu bringen, da kurzfristig auf europäischer Ebene keine Entscheidung in Bezug auf das Protokoll ergehen werde.

14.      Der Vorsitzende des Productschap erließ am 30. Juni 1998 das Besluit PDV regeling verwerking dierlijke producten in diervoeders 1998 (Beschluss des öffentlich-rechtlichen Verbandes für die Vermarktung von Futtermitteln „Productschap Diervoeder“ über die Verarbeitung tierischer Erzeugnisse in Futtermitteln) (10) . Artikel 2 dieses Beschlusses bestimmt, dass Futtermittelhersteller in für Wiederkäuer bestimmten Futtermitteln keine tierischen Erzeugnisse verarbeiten dürfen, dass von diesem Verbot aber (u. a.) tierische Erzeugnisse ausgenommen sind, die ausschließlich aus Nichtwiederkäuern gewonnen wurden und die in den Niederlanden gemäß dem als Anhang I beigefügten Protokoll über die Eiweißtrennung von Erzeugern, die vom Productschap gemäß diesem Beschluss anerkannt worden sind, hergestellt wurden und die mit einer in Artikel 8 erwähnten Markierung versehen sind. Gemäß Artikel 3 kann eine Anerkennung nach diesem Beschluss erst dann erfolgen, wenn das Protokoll über die Eiweißtrennung von der Kommission genehmigt wurde.

15.      Am 22. Februar 1999 erließ der Staatssecretaris van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij (Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Fischerei) die Regeling verbod diermelen in diervoeders (Regelung über das Verbot von Tiermehl in Futtermitteln) (11) , die am 1. März 1999 in Kraft getreten ist. Darin wurde die Verwendung von tierischem Eiweiß in für Wiederkäuer bestimmten Futtermitteln (abgesehen von einzelnen Ausnahmen, die hier nicht einschlägig sind) ohne weiteres verboten.

III – Sachverhalt und Ausgangsverfahren

16.      Ten Kate Musselkanaal BV ist die Muttergesellschaft von Ten Kate Europrodukten BV und Ten Kate Produktie Maatschappij BV (im Folgenden: Ten Kate), die u. a. zur Verwertung in Kälbermilch bestimmtes Eiweiß erzeugen und verkaufen. Dieses Eiweiß entsteht als Endprodukt bei der Verarbeitung von aus Ferkeln gewonnenen Schlachtfetten.

17.      Ten Kate richtete ihr Produktionsverfahren am Protokoll über die Eiweißtrennung aus. Der Rijksdienst voor de keuring van Vee en Vlees (Behörde für die Untersuchung von Vieh und Fleisch) (im Folgenden: RVV) erlaubte Ten Kate diese Arbeitsweise. Ten Kate war in den Niederlanden die einzige Fettschmelzerei, die nach dem im Protokoll über die Eiweißtrennung festgelegten System arbeitete.

18.      Am 24. Februar 1998 verklagte Ten Kate den Staat bei der Rechtbank Den Haag auf Feststellung der Verantwortlichkeit des Staates für den durch das seit 30. Juli 1997 geltende Verbot der Herstellung und des Verkaufs von Eiweiß zur Verwertung in Kälbermilch entstandenen Schaden sowie auf Zahlung von Schadenersatz.

19.      Der Schaden sei durch die Maßnahmen entstanden, die der Staat auf der Grundlage der Entscheidungen 94/381 und 96/449 erlassen habe. Der Staat sei beim Erlass von Maßnahmen zu dem Zweck, dass die Kommission die beantragte Ermächtigung erteilt, säumig gewesen.

20.      Im November 1994 habe der Staat nämlich bei der Kommission beantragt, ihn gemäß der Entscheidung 94/381 zur Anwendung eines von den niederländischen Behörden entwickelten Produktions- und Kontrollsystems betreffend die Eiweißtrennung zu ermächtigen.

21.      Die Rechtbank Den Haag wies die Klage ab, der Berufung durch Ten Kate wurde durch den Gerechtshof Den Haag stattgegeben.

22.      Es wird von den Parteien des Ausgangsverfahrens außer Streit gestellt, dass eine von Ten Kate selbst erhobene Untätigkeitsklage nicht zulässig gewesen wäre. Mit einer Klage auf Schadenersatz nach Artikel 288 EG hätte nicht erreicht werden können, dass Ten Kate ihre Tätigkeit fortsetzen hätte können.

23.      Dem Hoge Raad stellen sich Fragen nach dem Ermessen, über das der Staat hinsichtlich der Erhebung einer Untätigkeitsklage verfügt. Des Weiteren ist für den Hoge Raad zu klären, ob die Kommission über das ausschließliche Initiativrecht zur Unterbreitung von Vorschlägen an den Ausschuss verfügte.

IV – Vorlagefragen

24.      Der Hoge Raad hat den Gerichtshof um Beantwortung folgender Vorlagefragen ersucht:

1.
Ist die Frage, ob der Staat in einem Fall wie dem vorliegenden gegenüber einem betroffenen Bürger, wie Ten Kate, verpflichtet ist, von seinen Klagemöglichkeiten aufgrund von Artikel 175 EG-Vertrag (Artikel 232 EG) bzw. Artikel 173 EG-Vertrag (Artikel 230 EG) Gebrauch zu machen und bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung den infolgedessen dem betreffenden Bürger entstandenen Schaden zu ersetzen, anhand der Bestimmungen des nationalen niederländischen Rechts oder anhand der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu beantworten?

2.
Wenn Frage 1 ganz oder teilweise anhand der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu beantworten ist:

a)
Kann das Gemeinschaftsrecht unter Umständen eine Verpflichtung und Haftung im Sinne dieser Frage mit sich bringen?

b)
Wenn Frage 2a bejaht wird:

Welche Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts sind bei der Beantwortung von Frage 1 in einem konkreten Fall wie dem vorliegenden als Maßstab heranzuziehen?

3.
Ist Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 94/381/EG, erforderlichenfalls in Verbindung mit Artikel 17 der Richtlinie 90/425/EWG und Artikel 17 der Richtlinie 89/662/EWG, so auszulegen, dass sich daraus eine Verpflichtung für die Kommission bzw. den Rat ergibt, eine Ermächtigung im darin genannten Sinne zu erteilen, wenn sich das System, das der antragstellende Staat anwendet/anwenden will, tatsächlich dafür eignet, Eiweiß von Wiederkäuern von dem von Nichtwiederkäuern zu unterscheiden?

4.
Inwiefern führt die Antwort auf Frage 3 zu einer Einschränkung des Rechts des Staates bzw. der in Frage 1 genannten Verpflichtung des Staates, nach Artikel 175 EG-Vertrag (Artikel 232 EG) gegen die Unterlassung der Erteilung einer Ermächtigung wie der im vorliegenden Fall in Rede stehenden vorzugehen bzw. nach Artikel 173 EG-Vertrag (Artikel 230 EG) gegen die Ablehnung der Erteilung einer solchen Ermächtigung vorzugehen?

25.      Die Vorlagefrage 3 ist sowohl von Bedeutung, wenn Vorlagefrage 1 nach nationalem niederländischem Recht zu beurteilen ist, als auch dann, wenn dies nach Gemeinschaftsrecht zu geschehen hat, es sei denn, Vorlagefrage 2a wäre zu verneinen. Vorlagefrage 4 ist nur im Zusammenhang mit Vorlagefrage 2b von Bedeutung.

V – Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen

26.      Die erste Vorlagefrage zielt auf die Ermittlung der Rechtsgrundlage für eine eventuelle Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erhebung einer Nichtigkeits- oder einer Untätigkeitsklage und – für den Fall der Nichterhebung – der Haftung des Mitgliedstaats.

27.      Als mögliche Rechtsgrundlage führt das vorlegende Gericht auch das niederländische Recht an. Damit zielt die erste Vorlagefrage jedenfalls auch auf die Auslegung von nationalem Recht.

28.      Nach der in Artikel 234 EG festgelegten Zuständigkeit des Gerichtshofes in Vorabentscheidungsersuchen gehört die Auslegung nationalen Rechts jedoch nicht zu den Aufgaben des Gerichtshofes. Insoweit ist die erste Vorlagefrage also unzulässig.

VI – Zur ersten und zweiten Vorlagefrage

29.      Mit den ersten beiden Vorlagefragen, so wie sie im Hinblick auf die Zuständigkeit des Gerichtshofes einschränkend zu verstehen sind, will das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Gemeinschaftsrecht die Mitgliedstaaten zur Erhebung einer Nichtigkeits- oder einer Untätigkeitsklage verpflichtet und die Mitgliedstaaten bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung dem betreffenden Bürger den entstandenen Schaden zu ersetzen haben.

30.      Da eine eventuelle Ersatzpflicht nach Gemeinschaftsrecht die Verletzung einer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung voraussetzt, ist zuerst zu prüfen, ob das Gemeinschaftsrecht eine entsprechende Verpflichtung statuiert.

31.      Schon eine Analyse des insoweit klaren Wortlauts in allen Sprachfassungen der Artikel 230 EG und Artikel 232 EG zeigt eindeutig, dass diese Bestimmungen den Mitgliedstaaten eine Befugnis zur Erhebung solcher Klagen einräumen.

32.      Eine dahin gehende Verpflichtung lässt sich weder aus der Formulierung der beiden Vorschriften noch aus der Systematik des gemeinschaftlichen Rechtsschutzes ableiten. Eine Verpflichtung zur Erhebung von Klagen ist den einschlägigen Bestimmungen des Primärrechts fremd. Auch die Zielsetzungen des Rechtsschutzes der Mitgliedstaaten sprechen nicht für eine Verpflichtung zur Erhebung einer Nichtigkeits- oder einer Untätigkeitsklage. Im Gegenteil: die Mitgliedstaaten, welche im Übrigen auch die Hohen Vertragsparteien, also die Normsetzer des Primärrechts sind, wollten den über eine Aktivlegitimation verfügenden Mitgliedstaaten die Entscheidung überlassen, ob sie von ihrer Klagebefugnis Gebrauch machen oder nicht. Die Mitgliedstaaten sollten also die freie Entscheidung darüber behalten.

33.      Damit fehlt es einmal an einer entsprechenden Absicht des Normsetzers.

34.      Eine Verpflichtung zur Klageerhebung stellt stets eine weitgehende Einschränkung der Befugnisse einer Partei dar, welcher Aktivlegitimation eingeräumt ist. Eine so einschneidende Begrenzung des Handlungsspielraums hätte einer entsprechend deutlichen Regelung bedurft.

35.      Gegen eine Verpflichtung zur Erhebung einer Nichtigkeits- oder einer Untätigkeitsklage spricht des Weiteren der von der französischen Regierung angeführte Vergleich mit der Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG. Zu dieser hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass die Kommission nicht zur Erhebung der Klage verpflichtet ist. Wenn nicht einmal die Kommission als Hüterin der Verträge zur Erhebung der Klage nach Artikel 226 EG verpflichtet ist, sind die Mitgliedstaaten umso weniger verpflichtet, die ihnen eingeräumten Befugnisse zur Kontrolle der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts auszuüben.

36.      Auch aus der in Artikel 10 EG normierten Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten lässt sich keine Verpflichtung zur Erhebung einer Klage ableiten. Diese Bestimmung des Primärrechts sieht zwar Handlungspflichten der Mitgliedstaaten vor, doch handelt es sich dabei um „Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus dem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben“. Das bedeutet, dass Artikel 10 EG an das Bestehen einer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung anknüpft; er setzt eine solche also voraus. Im vorliegenden Verfahren ist aber das Bestehen einer solchen Verpflichtung erst zu klären.

37.      Eine Verpflichtung zur Erhebung einer Nichtigkeits- oder einer Untätigkeitsklage könnte sich allenfalls aus dem jeweiligen nationalen Recht ergeben.

38.      Auf die Unterfrage a der zweiten Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht die Mitgliedstaaten in einem Fall wie dem vorliegenden nicht verpflichtet, von seinen Klagemöglichkeiten aufgrund von Artikel 230 EG bzw. Artikel 232 EG Gebrauch zu machen.

39.      Da die Antwort auf die Unterfrage a der zweiten Vorlagefrage negativ ist, erübrigt sich die Beantwortung der Unterfrage b.

40.      Auf die erste Vorlagefrage ist zu antworten, dass die Frage, ob ein Staat in einem Fall wie dem vorliegenden gegenüber einem betroffenen Bürger verpflichtet ist, von seinen Klagemöglichkeiten aufgrund von Artikel 232 EG bzw. Artikel 230 EG Gebrauch zu machen und bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung den infolgedessen dem betreffenden Bürger entstandenen Schaden zu ersetzen, nicht anhand der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu beantworten ist.

VII – Zur dritten Vorlagefrage

41.      Mit der dritten Vorlagefrage will das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die einschlägigen Bestimmungen des abgeleiteten Rechts die Gemeinschaft dazu verpflichten, eine Ermächtigung zu erteilen.

42.      Der Wortlaut von Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 94/381 in allen zum Zeitpunkt der Annahme maßgeblichen Sprachfassungen spricht – zumindest auf den ersten Blick – dafür, dass die Kommission eine Verpflichtung zur Erteilung einer solchen Ermächtigung trifft.

43.      So verwenden die verschiedenen Sprachfassungen im Wesentlichen Formulierungen wie „die Mitgliedstaaten werden … ermächtigt“ (12) oder „die Mitgliedstaaten sollen … ermächtigt werden (sind zu ermächtigen)“ (13) .

44.      Dieses erste Auslegungsergebnis ist jedoch im Hinblick auf den in Artikel 1 Absatz 2 enthaltenen Verweis auf Artikel 17 der Richtlinie 90/425, der wiederum auf das Verfahren nach Artikel 17 der Richtlinie 89/662 verweist, zu prüfen.

45.      Durch diese Verweise sollte sichergestellt werden, dass die Kommission ihre Entscheidung unter Einhaltung eines bestimmten Komitologie-Verfahrens anzunehmen hat.

46.      Die verwiesene Bestimmung, also Artikel 17 der Richtlinie 89/662, sieht ein bestimmtes Verfahren vor, das die Einbindung eines Ausschusses, und zwar des Ständigen Veterinärausschusses, normiert.

47.      Artikel 17 der Richtlinie 89/662 unterscheidet dabei zwei Fallgestaltungen, je nachdem, ob die von der Kommission beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmen oder nicht (oder der Ausschuss keine Stellungnahme abgibt).

48.      Diese in Absatz 3 bzw. Absatz 4 von Artikel 17 der Richtlinie 89/662 normierten Vorgangsweisen haben dabei eine Gemeinsamkeit: die Kommission trifft zunächst nur eine Entscheidung über beabsichtigte Maßnahmen. Nur diese Entscheidung kann die Kommission unabhängig von anderen Organen treffen. Diese Entscheidung ist allerdings einem Vorschlag gleichzuhalten und darf nicht mit der Erteilung der Ermächtigung verwechselt werden.

49.      Die Entscheidung betreffend die Ermächtigung erfolgt erst nach der Annahme der ersten Entscheidung und nach Befassung des Ausschusses. Sie wird – je nach Fallgestaltung – entweder von der Kommission oder vom Rat angenommen.

50.      Eine Verpflichtung der Kommission kann sich aus verfahrenstechnischen Gründen nur auf Akte beziehen, die die Kommission alleine setzen kann. Die Akte, die in die Zuständigkeit des Rates oder des Ständigen Veterinärausschusses fallen, sind nicht erfasst. Von dem in diesem Vorabentscheidungsersuchen verfahrensgegenständlichen Rechtsproblem zu unterscheiden ist die Frage, ob der Rat oder der Ausschuss ihrerseits verpflichtet sind, bestimmte Akte zu setzen.

51.      Unter einer bestimmten Voraussetzung trifft die Kommission nach Artikel 17 Absatz 3 der Richtlinie 89/662 sogar ausdrücklich die Verpflichtung, dem Ausschuss einen Vorschlag (und nicht nur den Antrag des betreffenden Mitgliedstaats!) zu unterbreiten und die beabsichtigten Maßnahmen zu erlassen, und zwar dann, wenn sie mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmen.

52.      Des Weiteren ergibt sich auch aus Artikel 17 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Richtlinie 89/662 eine Verpflichtung der Kommission, und zwar dem Rat unverzüglich einen Vorschlag über die zu treffenden Maßnahmen zu unterbreiten. Das gilt für den Fall, dass die beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht übereinstimmen oder keine Stellungnahme vorliegt.

53.      Schließlich trifft die Kommission nach Artikel 17 Absatz 4 Unterabsatz 3 der Richtlinie 89/662 dann eine bestimmte Verpflichtung, wenn der Rat keinen Beschluss gefasst hat. Diesfalls hat die Kommission die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen zu erlassen, es sei denn, der Rat hat sich mit einfacher Mehrheit gegen diese Maßnahmen ausgesprochen.

54.      Dafür, dass Artikel 2 Absatz 1 der Entscheidung 94/381 in Verbindung mit Artikel 17 der Richtlinie 90/425 und Artikel 17 der Richtlinie 89/662 dahin auszulegen ist, dass er – wenn auch nur unter bestimmten Bedingungen bestehende – Verpflichtungen der Kommission normiert, spricht ferner ein Vergleich mit anderen Bestimmungen der genannten Richtlinie.

55.      So kennt die Richtlinie 89/662 in Bezug auf die Kommission neben den erwähnten Vorschriften ausdrückliche Kann-Bestimmungen, wie Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a, Artikel 8 Absatz 1 und Artikel 9 Absatz 3 belegen.

56.      Hinsichtlich der Richtlinie 90/425 wiederum kann deren Artikel 9 Absatz 1 als Nachweis dafür angeführt werden, dass diese Richtlinie wie auch andere Rechtsakte des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts zwischen „kann“ und „muss“ unterscheidet.

57.      An diesem in Artikel 1 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 17 der Richtlinie 90/425 normierten Regime ändert auch der vorletzte Erwägungsgrund dieser Richtlinie nichts. Denn auch dieser Erwägungsgrund verweist auf Artikel 17 der Richtlinie 89/662 und „importiert“ damit ebenso das dort geregelte Ausschussverfahren.

58.      In diesem Zusammenhang ist nun auf die Frage einzugehen, ob Artikel 17 Absatz 2 der Richtlinie 89/662 eine Frist vorsieht, binnen derer der Ausschuss eine Stellungnahme abzugeben hat.

59.      Diese Rechtsfrage wirft nur insofern eine Schwierigkeit auf, als es zwei Fassungen der entscheidenden Passage in Artikel 17 Absatz 2, nämlich von Satz 2, gibt. In der ersten nach Annahme der Richtlinie veröffentlichten Fassung fehlt eine ausdrückliche Frist. Diese Fassung wurde allerdings später – wenn auch erst mit Veröffentlichung im Juni 1990 – berichtigt. Erst diese, d. h. die zweite, berichtigte Fassung schreibt dem Ausschuss eine Frist von zwei Tagen zur Stellungnahme vor. Dabei fällt auf, dass die ursprüngliche Fassung im Unterschied zu typischen Berichtigungsfällen in allen damals geltenden Sprachversionen die gleiche Regelung traf, welche keine in Tagen bemessene Frist vorsah. Deswegen wurden auch alle Sprachversionen berichtigt.

60.      Da sich eine Auslegung von Artikel 17 Absatz 2 Satz 2 der Richtlinie 89/662 an der berichtigten Fassung zu orientieren hat, ist das Ergebnis eindeutig: der Ausschuss hat binnen Frist von zwei Tagen zu entscheiden.

61.      Dass sich die Frist auf das Tätigwerden des Ausschusses bezieht und Artikel 17 für die Kommission keine entsprechende Frist normiert, ändert an den sich aus Artikel 17 ergebenden Verpflichtungen der Kommission nichts.

62.      Als Zwischenergebnis ist also festzuhalten, dass die Kommission eine Pflicht zum Tätigwerden trifft. Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob die Kommission verpflichtet ist, dem Ständigen Veterinärausschuss bzw. dem Rat Maßnahmen mit einem bestimmten Inhalt vorzuschlagen. In casu geht es um die Erteilung einer bestimmten Ermächtigung, insbesondere um die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Ermächtigung.

63.      An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass die Erteilung einer Ermächtigung nicht durch die Kommission allein erfolgen kann. Damit verbunden ist die Frage, welches von den am Verfahren beteiligten Organen welche Verpflichtung trifft.

64.      In diesem Vorabentscheidungsverfahren ist jedoch in erster Linie auf die materiellen Voraussetzungen einzugehen, unter denen eine Verpflichtung zur Erteilung einer Ermächtigung besteht.

65.      Die Antwort auf diese Rechtsfrage liefert der insofern klare Wortlaut von Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 94/381 selbst. Die Ermächtigung ist nur denjenigen Mitgliedstaaten zu erteilen, „die ein System einführen, das eine Unterscheidung zwischen aus Wiederkäuern gewonnenen tierischen Futtermitteln und nicht aus Wiederkäuerarten gewonnenen tierischen Futtermitteln ermöglicht“.

66.      Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 94/381 knüpft also an das Vorliegen einer objektiven Voraussetzung und nicht an die von subjektiven Wertungen geprägte Überzeugung der Kommission an. Da diese Vorschrift aber bei Vorliegen der Voraussetzung keine ex-lege Erlaubnis des betreffenden Mitgliedstaats vorsieht, sondern ausdrücklich die Erteilung einer Ermächtigung normiert, kann man daraus ableiten, dass die am Verfahren nach Artikel 17 der Richtlinie 89/662 beteiligten Organe, wie Ständiger Veterinärausschuss, Kommission und Rat, das Vorliegen der Voraussetzungen zu prüfen haben.

67.      Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 94/381 ist ferner dahin auszulegen, dass Tätigkeiten von Unternehmen auch dann rechtswidrig sind, wenn sie zwar einem objektiv geeigneten nationalen System entsprechen, für dieses aber noch keine gemeinschaftsrechtliche Ermächtigung erteilt wurde. Eine Erlaubnis, die nur durch eine Stelle des betreffenden Mitgliedstaats erteilt wurde, kann eine Ermächtigung durch die Gemeinschaft nicht ersetzen und reicht daher als Grundlage für eine gemeinschaftsrechtskonforme Tätigkeit nicht hin.

68.      Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 94/381 ist daher so zu verstehen, dass die am Verfahren nach Artikel 17 der Richtlinie 89/662 beteiligten Organe sich nicht nur ein Bild über das Funktionieren des von dem betreffenden Mitgliedstaat beantragten Systems machen dürfen , sondern sogar verpflichtet sind, die konkrete Situation zu prüfen.

69.      Die Kommission hat sich also von der Eignung des Systems zu überzeugen. Dazu stehen der Kommission mehrere Mittel zur Verfügung, wie etwa die Durchführung von Inspektionen oder das Verlangen von Auskünften. Dabei ist der Kommission auch die dafür erforderliche Zeit zu geben. Dem entspricht auch das Regime der Entscheidung 94/381, welche der Kommission keine Frist setzt.

70.      Das sich aus den Regelungen der Entscheidung 94/381, der Richtlinie 90/425 und der Richtlinie 89/662 ergebende Regime unterscheidet sich dabei von dem Regime, das der Rechtssache Monsanto zugrunde lag und für das der Gerichtshof entschied, dass die Kommission nicht an die Stellungnahme des Ausschusses gebunden war (14) . Abgesehen davon, dass der in jenem Verfahren auszulegenden Regelung ein ganz anderes Verhältnis von Kommission und Ausschuss zugrunde lag, hatte die Kommission nach der dort maßgeblichen Vorschrift ihre Maßnahmen „unter Berücksichtigung“ der Stellungnahme zu treffen (15) .

71.      Zu der Frage, ob die Kommission oder ein anderes Organ im hier vorliegenden Anlassfall verpflichtet war, die von den Niederlanden beantragte Ermächtigung zu erteilen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die zuständigen Organe der Gemeinschaft nicht davon überzeugt waren, dass der betreffende Mitgliedstaat ein System eingeführt hat, das eine Unterscheidung zwischen aus Wiederkäuern gewonnenen tierischen Futtermitteln und nicht aus Wiederkäuerarten gewonnenen tierischen Futtermitteln ermöglicht.

72.      Ob die Kommission in concreto ihre Verpflichtung verletzt hat, hätte jedenfalls Gegenstand einer Untätigkeitsklage nach Artikel 232 EG sein können. Ob eine solche zum Erfolg geführt hätte, wäre allerdings in einem Vorabentscheidungsverfahren wie dem vorliegenden kein zulässiger Verfahrensgegenstand.

73.      Zu prüfen ist freilich, ob die Untersuchung, ob das von den Niederlanden beantragte System den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts entsprochen hätte, Verfahrensgegenstand dieses Vorabentscheidungsverfahrens ist.

74.      Der Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens wird durch die Vorlagefragen – im Zusammenhang mit den anderen Teilen des Vorlagebeschlusses – bestimmt. Das bildet freilich nur den Maximalumfang eines Verfahrens. Keinen Verfahrensgegenstand bilden nämlich diejenigen Vorlagefragen, die zur Gänze oder zum Teil unzulässig sind. Wie sich jedoch hier aus den Vorlagefragen und dem Vorlagebeschluss ergibt, gehört die Frage nach der Eignung des beantragten Systems nicht zu den vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen. Eine Erweiterung des Verfahrensgegenstandes scheidet ebenfalls aus.

75.      Im Übrigen könnte die Eignung des beantragten Systems auch deswegen nicht überprüft werden, weil das die Prüfung der Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht betrifft, die nicht Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens nach Artikel 234 EG sein kann.

76.      Schließlich beträfe die Beurteilung der Vorgehensweise der am vorliegend fraglichen Verfahren tatsächlich beteiligten oder zu beteiligenden Organe die Prüfung von Umständen eines Einzelfalls. Auch dies ginge über das hinaus, was nach Artikel 234 EG Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens sein kann.

77.      Auf die dritte Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 94/381 in Verbindung mit Artikel 17 der Richtlinie 90/425 und Artikel 17 der Richtlinie 89/662 dahin auszulegen ist, dass sich daraus eine Verpflichtung für die Kommission ergibt, dem Ständigen Veterinärausschuss bzw. dem Rat vorzuschlagen, einem Mitgliedstaat eine entsprechende Ermächtigung zu erteilen bzw. die Ermächtigung zu erteilen, wenn das mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmt bzw. wenn der Rat nach Ablauf einer Frist von 15 Tagen von seiner Befassung an keinen Beschluss gefasst hat, es sei denn, der Rat hat sich mit einfacher Mehrheit dagegen ausgesprochen. Eine Handlungspflicht trifft somit auch den Ständigen Veterinärausschuss sowie den Rat. Eine Verpflichtung zur Erteilung einer Ermächtigung setzt voraus, dass der betreffende Mitgliedstaat ein System einführt, das eine Unterscheidung zwischen aus Wiederkäuern gewonnenen tierischen Futtermitteln und nicht aus Wiederkäuerarten gewonnenen tierischen Futtermitteln ermöglicht.

VIII – Zur vierten Vorlagefrage

78.      Da die vierte Vorlagefrage nach Angabe des vorlegenden Gerichts nur im Zusammenhang mit Vorlagefrage 2b, und diese wiederum nur bei Bejahung der Vorlagefrage 2a von Bedeutung ist, d. h. für den Fall, dass das Gemeinschaftsrecht unter Umständen eine Verpflichtung und Haftung mit sich bringen kann, kann deren Beantwortung im Lichte der hier vorgeschlagenen Antwort auf die erste und zweite Vorlagefrage entfallen.

IX – Ergebnis

79.      Nach alledem wird dem Gerichtshof vorgeschlagen, die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

1.
Die Frage, ob ein Mitgliedstaat in einem Fall wie dem vorliegenden gegenüber einem betroffenen Bürger verpflichtet ist, von seinen Klagemöglichkeiten aufgrund von Artikel 232 EG bzw. Artikel 230 EG Gebrauch zu machen und bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung den infolgedessen dem betreffenden Bürger entstandenen Schaden zu ersetzen, ist nicht anhand der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu beantworten.

2.
Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 94/381/EG in Verbindung mit Artikel 17 der Richtlinie 90/425/EWG und Artikel 17 der Richtlinie 89/662/EWG ist dahin auszulegen, dass sich daraus eine Verpflichtung für die Kommission ergibt,

das Vorliegen der in Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 94/381 festgelegten Voraussetzung zu prüfen;

dem Ständigen Veterinärausschuss bzw. dem Rat vorzuschlagen, einem Mitgliedstaat eine entsprechende Ermächtigung zu erteilen;

die Ermächtigung zu erteilen, wenn das mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmt bzw. wenn der Rat nach Ablauf einer Frist von 15 Tagen von seiner Befassung an keinen Beschluss gefasst hat, es sei denn, der Rat hat sich mit einfacher Mehrheit dagegen ausgesprochen.

Handlungspflichten treffen auch den Ständigen Veterinärausschuss sowie den Rat.

3.
Eine Verpflichtung zur Erteilung einer Ermächtigung setzt voraus, dass der betreffende Mitgliedstaat ein System einführt, das eine Unterscheidung zwischen aus Wiederkäuern gewonnenen tierischen Futtermitteln und nicht aus Wiederkäuerarten gewonnenen tierischen Futtermitteln ermöglicht.


1
Originalsprache: Deutsch.


2
ABl. L 172, S. 23.


3
Richtlinie 90/425/EWG des Rates vom 26. Juni 1990 zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzüchterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt (ABl. L 224, S. 29).


4
ABl. L 395, S. 13.


5
ABl. 1990, L 151, S. 40.


6
In der nicht berichtigten Fassung lautete der 2. Satz von Artikel 17 Absatz 2:

          „Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der betreffenden Frage festsetzen kann.“


7
ABl. L 184, S. 43.


8
Stcrt., S. 61.


9
Stcrt., S. 141.


10
Verordeningenblad Bedrijfs-organisatie1998, Nr. 44.


11
Stcrt. 1999, Nr. 37.


12
So die romanischen Sprachfassungen sowie die deutsche und die niederländische Version.


13
So verwendet die englische Sprachfassung „shall“.


14
Urteil vom 8. Januar 2002 in der Rechtssache C‑248/99 P (Frankreich/Monsanto und Kommission, Slg. 2002, I‑1, Randnrn. 71 und 86 ff.).


15
Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des Rates vom 26. Juni 1990 zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Höchstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs (ABl. L 224, S. 1), mehrfach geändert.