SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

DÁMASO RUIZ-JARABO COLOMER

vom 30. Juni 20051(1)

Rechtssache C‑461/03

Gaston Schul Douane-Expediteur BV

gegen

Minister van Landbouw, Natuur en Voedselkwaliteit

(Vorabentscheidungsersuchen des College van Beroep voor het bedrijfsleven [Niederlande])

„Artikel 234 EG – Gültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift – Pflicht zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens – Voraussetzungen“





I –    Einleitung

1.     Gemäß dem Urteil Foto-Frost(2) sind alle Gerichte der Mitgliedstaaten verpflichtet, dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen, bevor sie Handlungen der Gemeinschaft für ungültig erklären. Nun stellt sich die Frage, ob diese rein richterrechtlich geschaffene Verpflichtung, weil sie sich nicht aus den Verträgen ergibt, uneingeschränkt gilt oder ob es davon eine Ausnahme gibt.

2.     Der griechischen Mythologie zufolge wurde Sisyphos zu der mühsamen Arbeit verurteilt, einen schweren Stein auf den Gipfel eines Berges hinaufzuwälzen, um ihn, einmal dort angekommen, wieder bis zu einer Felsschlucht hinunterrollen zu lassen, hinabzusteigen, ihn zu suchen und ihn ohne Unterlass immer wieder hinaufzuwälzen, ohne Rücksicht auf seine offensichtliche Erschöpfung(3).

3.     Die Gründe für diese schreckliche Strafe bleiben im Dunkeln, aber sie weisen auf ein anmaßendes Verhalten des Helden hin, das die Götter als eine gegen ihre Überlegenheit gerichtete Herausforderung auffassten(4).

4.     Ebenso wie Sisyphos, Gründer und König von Korinth, sieht sich der nationale Richter gezwungen, immer wieder Vorabentscheidungsersuchen zur Ungültigkeit von Handlungen der Gemeinschaft vorzulegen.

5.     Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ist deshalb interessant, weil es zwei der Kriterien miteinander in Verbindung bringt, die die Grenzen für die Befugnis der Gerichte darstellen, sich im Rahmen von Artikel 234 EG an den Gerichtshof zu wenden.

6.     Die Umstände des Ausgangsverfahrens lassen an der sachlichen Erforderlichkeit einer Befragung des Gerichtshofes zweifeln, da die Antwort sich offensichtlich eindeutig aus einer früheren Entscheidung ergibt.

II – Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen

7.     Der Sachverhalt ist von geringer Bedeutung für die Beantwortung der Vorlagefrage, so dass er ganz knapp zusammengefasst werden kann.

8.     Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, das Zollspeditionsunternehmen Gaston Schul Douane-Expediteur BV (im Folgenden: Gaston Schul), meldete am 6. Mai 1998 die Einfuhr einer Lieferung von Rohrohrzucker aus Brasilien mit einem cif-Preis(5) an, der über dem Schwellenpreis hierfür(6) lag.

9.     Mangels eines entsprechenden Antrags berechnete die zuständige Zollbehörde den Zusatzzoll, der auf der Grundlage des zu diesem Zeitpunkt geltenden repräsentativen Wertes auf dem Weltmarkt erhoben werden konnte.

10.   Gaston Schul focht die Gültigkeit der Berechnung zunächst auf dem Verwaltungs- und danach auf dem Rechtsweg an.

11.   Das College van Beroep voor het bedrijfsleven (im Folgenden: College van Beroep), bei dem Rechtsmittel eingelegt worden war und dessen Entscheidung gemäß der nationalen Rechtsordnung nicht angefochten werden kann, hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist ein nationales Gericht im Sinne von Artikel 234 Absatz 3 EG nach dieser Bestimmung auch dann verpflichtet, sich mit einer Frage wie der folgenden nach der Gültigkeit von Bestimmungen einer Verordnung an den Gerichtshof zu wenden, wenn die Ungültigkeit entsprechender Bestimmungen einer anderen, vergleichbaren Verordnung vom Gerichtshof festgestellt worden ist, oder kann es die erstgenannten Bestimmungen wegen der besonderen Übereinstimmungen mit den für ungültig erklärten Bestimmungen unangewendet lassen?

2.      Ist Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung … Nr. 1423/95 … ungültig, soweit er vorsieht, dass für die Bestimmung des darin genannten Zusatzzolls grundsätzlich der repräsentative Preis im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung … Nr. 1423/95 … und nur auf Antrag des Einführers der cif-Einfuhrpreis der betreffenden Sendung heranzuziehen ist?

III – Rechtlicher Rahmen

A –    Zur Pflicht, einen Antrag auf die Anwendung des cif-Einfuhrpreises zu stellen

12.   Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates vom 30. Juni 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker(7) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 3290/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über erforderliche Anpassungen und Übergangsmaßnahmen im Agrarsektor zur Anwendung der im Rahmen der multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde geschlossenen Übereinkünfte(8) (im Folgenden: Grundverordnung) sieht vor, dass den zur Erhebung eines zusätzlichen Zolles zu berücksichtigenden Einfuhrpreisen der cif-Wert der Lieferung zugrunde gelegt wird.

13.   Hierzu werden diese Preise auf der Grundlage der repräsentativen Preise des betreffenden Erzeugnisses auf dem Weltmarkt oder dem Einfuhrmarkt der Gemeinschaft ermittelt.

14.   Die aktuelle Fassung von Artikel 15 Absatz 3 der Grundverordnung geht auf die Arbeiten zur Anpassung der Gemeinschaftsvorschriften an die Bestimmungen des aus den multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde hervorgegangenen Übereinkommens über die Landwirtschaft zurück, das von der Gemeinschaft gemäß Artikel 228 EG‑Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 300 EG) abgeschlossen wurde.

15.   Im Rahmen der besonderen Schutzklauseln gewährt Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b des Übereinkommens über die Landwirtschaft jedem Mitglied der Welthandelsorganisation die Möglichkeit, Zusatzzölle auf die Einfuhr bestimmter Erzeugnisse zu erheben, wenn der Preis, zu dem sie in sein Zollgebiet gelangen, „auf der Grundlage des cif-Einfuhrpreises der betreffenden Lieferung in Landeswährung“ unter den Schwellenpreis (oder, gemäß der Terminologie der Gemeinschaftsverordnung, unter den „repräsentativen Preis“) fällt.

16.   Die Kommission setzte die Grundverordnung mit der Verordnung (EG) Nr. 1423/95 vom 23. Juni 1995 mit Durchführungsbestimmungen für die Einfuhr von Erzeugnissen des Zuckersektors außer Melasse(9) um.

17.   Gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1423/95 ist der für die etwaige Erhebung eines Zusatzzolls zu berücksichtigende repräsentative Preis der Einfuhrpreis der Sendung. Dennoch wird auf Antrag der cif‑Einfuhrwert angewandt, wenn er über dem anwendbaren repräsentativen Preis liegt.

18.   In einem solchen Fall sind dem Antrag bestimmte Unterlagen (Kauf-, Versicherungs- und Beförderungsvertrag oder Konnossement, Rechnung, Ursprungsbescheinigung) beizufügen, um den geltend gemachten Betrag glaubhaft zu machen, und es ist eine Sicherheit in Höhe des Betrages des Zusatzzolls zu hinterlegen, der zu entrichten wäre, wenn der Zoll auf der Grundlage des repräsentativen Wertes der Ware bestimmt würde. Dem Importeur wird dieser Betrag erstattet, wenn er nachweist, dass er die Sendung unter Bedingungen vermarktet hat, die bestätigen, dass die fraglichen Preise tatsächlich gezahlt wurden.

19.   Aus Absatz 1 geht demgemäß hervor, dass, wenn kein entsprechender Antrag gestellt wird, der zur Bestimmung eines Zusatzzolls herangezogene Einfuhrpreis der repräsentative Einfuhrpreis ist.

B –    Zur Möglichkeit, das anfängliche Fehlen eines Antrags zu heilen

20.   Die Vorschriften über die Berichtigung von Zollerklärungen sind im Zollkodex der Gemeinschaften(10) enthalten. Gemäß Artikel 65 Absatz 2 Buchstabe c kann eine Berichtigung nicht mehr zugelassen werden, wenn der Antrag gestellt wird, nachdem die Zollbehörden die Waren freigegeben haben.

21.   Nach Artikel 220 des Zollkodex kann eine Zollschuld innerhalb von zwei Tagen, nachdem die Behörden festgestellt haben, dass sie zuvor nicht oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst wurde, nachträglich buchmäßig erfasst werden. Keine nachträgliche buchmäßige Erfassung der Schuld erfolgt, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat (Absatz 2 Buchstabe b).

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

22.   Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 4. November 2003 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen.

23.   Die Regierung der Niederlande und die Kommission haben Erklärungen abgegeben.

24.   Die Rechtssache wurde der Großen Kammer zugewiesen. Obwohl die Bedeutung des behandelten Problems offensichtlich ist, hat keine mündliche Verhandlung stattgefunden.

V –    Prüfung der Vorlagefragen

25.   Die erste Frage des College van Beroep geht dahin, ob im Rahmen des Artikels 234 Absatz 3 EG die Lehre vom „acte clair“ in der besonderen Ausprägung, die sie im Urteil C.I.L.F.I.T.(11) erhalten hat, in Bezug auf die Gültigkeit einer Handlung der Gemeinschaft zu beachten ist.

26.   Die zweite Frage bezieht sich speziell auf die Vereinbarkeit von Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1423/95 mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht.

27.   Es erscheint angebracht, die Fragen in der umgekehrten Reihenfolge zu prüfen und mit der zweiten Frage zu beginnen, da die Entscheidung des Ausgangsverfahrens unmittelbar von ihrer Beantwortung abhängt.

A –    Zur zweiten Vorlagefrage

28.   Die niederländische Regierung, die Kommission und das vorlegende Gericht sind sich einig, dass Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1423/95 ungültig ist; sie können keine wesentlichen sachlichen Unterschiede zwischen dieser Vorschrift und Artikel 3 Absätze 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1484/95 vom 28. Juni 1995 mit Durchführungsbestimmungen zur Regelung der zusätzlichen Einfuhrzölle in den Sektoren Geflügelfleisch und Eier sowie für Eieralbumin, zur Festsetzung dieser zusätzlichen Einfuhrzölle und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 163/67/EWG(12) erkennen. Diese Vorschrift wurde mit dem Urteil Kloosterboer Rotterdam BV vom 13. Dezember 2001(13) für ungültig erklärt.

29.   Gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1423/95 ist im Rahmen des Zuckermarktes für die Bestimmung eines etwaigen Zusatzzolls der Einfuhrwert der Sendung heranzuziehen. Die Anwendung des cif-Betrags für den Zugang zum Zollgebiet, wenn dieser über dem repräsentativen Betrag liegt, erfolgt nur auf vorherigen Antrag des Einführers.

30.   Der für ungültig erklärte Artikel 3 Absätze 1 und 3 der Verordnung Nr. 1484/95 macht den Rückgriff auf den cif-Preis ebenfalls davon abhängig, dass der Einführer einen entsprechenden förmlichen Antrag stellt, dem die erforderlichen Belege beizufügen sind, und schreibt in den anderen Fällen die Gewichtung des repräsentativen Preises vor, die damit zur Regel erklärt wird(14).

31.   Wie ich dort ausgeführt habe(15), ist die Verpflichtung, einen ausdrücklichen Antrag auf Anwendung des cif-Preises zu stellen, wenn zusätzliche Einfuhrzölle festgelegt werden, in zweifacher Hinsicht ungültig:

–       Sie hat keine hinreichende Stütze in der Verordnung Nr. 2777/75 vom 29. Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Geflügelfleisch(16) in geänderter Fassung, und

–       sie verstößt auch gegen Artikel 5 Absatz 1 des Übereinkommens der Uruguay-Runde über die Landwirtschaft(17).

32.   Von derselben doppelten Unvereinbarkeit(18) ist Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1423/95 betroffen, denn

–       er verstößt zum einen gegen Artikel 15 Absatz 3 der Grundverordnung, d. h. der Verordnung Nr. 1785/81 in geänderter Fassung, wonach den überprüften Einfuhrpreisen zur Einführung eines zusätzlichen Zolles der cif-Wert der betreffenden Lieferung zugrunde gelegt wird;

–       er verstößt zum anderen gegen Artikel 5 Absätze 1 Buchstabe b und 5 des Übereinkommens über die Landwirtschaft, wonach immer dann ein Zusatzzoll erhoben werden darf, wenn der Preis, zu dem dieses Erzeugnis in das Zollgebiet gelangt, auf der Grundlage des cif-Einfuhrpreises der betreffenden Lieferung in Landeswährung unter einen bestimmten Schwellenpreis(19) fällt.

33.   Außerdem hat die Kommission vor dem Gerichtshof eingeräumt, dass sie die erforderlichen Schritte zur Änderung der streitigen Bestimmung eingeleitet habe.

34.   Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zweifelsfrei, dass bei Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1423/95 im vorliegenden Fall ebenso eine Überschreitung von Befugnissen vorliegt wie bei der im Urteil Kloosterboer Rotterdam streitigen Vorschrift. Daher ist er ebenso wie diese ungültig.

B –    Zur ersten Vorlagefrage

35.   Nach der Feststellung, dass die im Ausgangsverfahren geltend gemachte Ungültigkeit vorliegt, könnte von einer Beantwortung der ersten Frage abgesehen werden, da ihr jede Sachdienlichkeit fehlt. Befasste man sich mit ihr, liefe man Gefahr, die Aufgabe des Gerichtshofes grundlegend zu verändern, die auf eine Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten gerichtet ist, um eine einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten zu fördern, und nicht darauf, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben(20).

36.   Eine solche Sichtweise erscheint jedoch zu formalistisch und passt nicht zur pädagogischen Haltung des Gerichtshofes, aus der heraus er in einer umfangreichen schöpferischen Rechtsprechung die Grenzen seiner Zuständigkeit zur Vorabentscheidung umrissen hat. Selbst wenn man der Meinung ist, dass das vorlegende Gericht die Reichweite der Pflicht zur Vorlage eines die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht betreffenden Vorabentscheidungsersuchens nicht kennen muss, wenn es wegen der einschlägigen Präzedenzfälle keine vernünftigen Zweifel hat, ist die vorgelegte Streitfrage im Ausgangsverfahren nicht hypothetischer Natur. Die Annahme erscheint nicht abwegig, dass das College van Beroep seine zweite Frage stellt, um ein erneutes Vorabentscheidungsverfahren zu vermeiden, falls der Gerichtshof bestätigen sollte, dass immer vorgelegt werden muss, bevor eine Handlung der Gemeinschaft für ungültig erklärt wird. Eine Lockerung dieser Pflicht diente in erheblichem Maß der Prozessökonomie und würde noch einmal die gemeinschaftsrechtliche Verantwortung des nationalen Gerichts unterstreichen. Sie würde sich daher als vollkommen vereinbar mit der geordneten Rechtspflege in der Europäischen Union erweisen.

37.   Meines Erachtens sollte sich der Gerichtshof daher zu der ersten Frage äußern, die ihm das nationale Gericht mit lobenswertem Mut und Verantwortungsbewusstsein(21) vorgelegt hat.

38.   Sowohl die niederländische Regierung als auch die Kommission sind der Ansicht, dass ausschließlich der Gerichtshof für die Ungültigerklärung einer Handlung der Gemeinschaftsorgane zuständig sei. Sie sind zurückhaltend in Bezug auf eine Ausdehnung der durch das Urteil C.I.L.F.I.T. zugelassenen Ausnahme auf Gültigkeitsfragen, weil dies nach ihrer Ansicht mehr Nach- als Vorteile mit sich brächte.

39.   Die niederländische Regierung weist auf die Gefahr hin, dass bestimmte Gerichte der Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Haltungen einnehmen und damit die Einheit der Gemeinschaftsrechtsordnung und die dazu erforderliche Rechtssicherheit gefährden könnten. Außerdem erinnert sie daran, dass das nationale Gericht unter bestimmten Voraussetzungen einstweilige Maßnahmen treffen könne, um die Wirkungen einer Handlung der Gemeinschaft vorläufig auszusetzen, die es für ungültig halte.

40.   Die Kommission wägt die Argumente für und wider eine Änderung der Foto-Frost-Rechtsprechung(22) ab und ist der Meinung, dass mehr dagegen spreche.

41.   Die Bedeutung der Frage scheint offensichtlich zu sein, da ihre Bejahung eine tief greifende Kehrtwende in der Rechtsprechung bedeuten würde. Ließe man zu, dass in Fällen wie dem des Ausgangsverfahrens die nationalen Gerichte die Gültigkeit bestimmter Handlungen der Gemeinschaft verneinten, stellte dies eine Abkehr von der ausschließlichen Zuständigkeit dar, die sich der Gerichtshof in dieser Frage in der Rechtssache Foto-Frost vorbehalten hat.

42.   Daraus folgt, dass bei der Suche nach einer angemessenen Lösung die Prüfung geboten erscheint, ob der Sachverhalt und der rechtliche Rahmen der beim College van Beroep anhängigen Sache eine Änderung der gegenwärtig geltenden Grundsätze der Rechtsprechung rechtfertigen, die aus den achtziger Jahren stammen, einer Zeit, als die geopolitische Lage der Europäischen Union ganz anders war und die meisten der Ziele, die das Gefüge der Zusammenarbeit im Vorabentscheidungsverfahren geprägt haben, noch nicht erreicht waren.

43.   Zunächst ist eine summarische Prüfung der Rechtsprechung vorzunehmen, bevor untersucht wird, inwieweit im vorliegenden Fall der tatsächliche und rechtliche Rahmen eine weitere Ausnahme vom genannten Grundsatz der ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichtshofes zulassen würde.

1.      Prüfung und Besprechung des Urteils C.I.L.F.I.T.

44.   Artikel 234 EG regelt den Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den Gerichten der Mitgliedstaaten so, dass gemäß seinem Absatz 2 Letztere Fragen zur Vorabentscheidung vorlegen können, während sie gemäß Absatz 3 solche Fragen dem Gerichtshof vorlegen müssen, wenn ihre Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.

45.   Im Zuge der ihm zur Entscheidung vorgelegten Streitfragen hat der Gerichtshof die Bedeutung dieser Vorschrift verdeutlicht: Zum einen hat er das Profil dieser offensichtlich unbedingten Verpflichtung der letztinstanzlichen nationalen Gerichte besser herausgearbeitet; zum anderen hat er schließlich eine Unterscheidung bei der rechtlichen Behandlung der Vorlagefrage danach vorgenommen, ob sie die Auslegung oder die Gültigkeit einer Handlung der Gemeinschaft betrifft.

46.   In Bezug auf die Pflicht der letztinstanzlichen nationalen Gerichte hat sich die Rechtsprechung in mehrfacher Hinsicht gelockert und einige Ausnahmen eingeführt, die im Folgenden zum besseren Verständnis der Bedeutung des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens aufgeführt werden.

47.   Zunächst begrenzte der Gerichtshof im Urteil Da Costa(23) das Vorlagegebot dadurch, dass er die nationalen Gerichte von der Verpflichtung zur Vorlage befreite, wenn die gestellte Frage tatsächlich bereits in einem gleichgelagerten Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen war(24). Dieser Theorie liegt der Gedanke zugrunde, dass die Pflicht zur Vorlage neuer Fragen zur Auslegung derselben Bestimmung sinnlos wird, wenn der Gerichtshof eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts schon einmal ausgelegt hat(25).

48.   In diesem Zusammenhang, d. h. im Hinblick auf die Vorlagepflicht der letztinstanzlichen nationalen Gerichte, verdient das Urteil C.I.L.F.I.T. besondere Aufmerksamkeit, das die Palette der Sachverhalte erweiterte, in denen diese Gerichte von der Pflicht befreit sind, den Gerichtshof um Unterstützung zu bitten, indem es sie auf Fälle ausdehnte, in denen der Gerichtshof das rechtliche Problem, das Gegenstand des entsprechenden Rechtsstreits ist, im Rahmen eines Verfahrens anderer Art gelöst hat, „selbst dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind“(26). Davon umfasst sind auch die Fälle, in denen die obersten nationalen Gerichte der Ansicht sind, dass die auszulegende Frage nicht entscheidungserheblich sei(27), und in denen die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass kein Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt. Schließlich verlangt der Gerichtshof, dass das Gericht nur dann von einer solchen Offenkundigkeit ausgeht, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit besteht(28).

49.   Geht man näher auf die praktischen Aspekte des Urteils C.I.L.F.I.T. ein, so ist festzustellen, dass ein strenges Verständnis der darin aufgestellten Forderungen dazu führen würde, dass das nationale Gericht eine empirische Untersuchung der Rechtsordnungen der anderen 24 Mitgliedstaaten vornehmen müsste, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass jedes andere Gericht die richtige Anwendung der Gemeinschaftsbestimmung bestätigen würde.

50.   Außerdem wurden im Urteil C.I.L.F.I.T. die spezifischen Kriterien für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts genannt: Zum einen verwendet dieses Recht eine eigene, besondere Terminologie, die in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen nicht unbedingt die gleiche Bedeutung hat(29); zum anderen ist jede Vorschrift in ihrem Zusammenhang zu sehen und im Licht des rechtlichen Gesamtgefüges, in dem sie steht, seiner Ziele und seines Entwicklungsstands auszulegen(30).

51.   Das Urteil C.I.L.F.I.T. weist auch darauf hin, dass das Gemeinschaftsrecht in mehreren Sprachen – derzeit zwanzig – abgefasst ist, und erinnert ausdrücklich daran, dass alle Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich sind(31).

52.   Alles in allem war der vorgeschlagene Prüfungsmaßstab schon zu der Zeit, als er erstmals formuliert wurde, nicht handhabbar, aber in der Realität des Jahres 2005 erweist er sich als unsinnig, da er nicht dem historischen Anliegen entspricht, das seiner Einführung zugrunde lag, nämlich einem übermäßigen Gebrauch der Lehre vom „acte clair“ durch einige letztinstanzliche Gerichte der Mitgliedstaaten entgegenzuwirken.

53.   Diese regelrechte Unanwendbarkeit der C.I.L.F.I.T.-Methode hilft zu verstehen, dass sich der Gerichtshof in den seltenen Fällen, in denen er sie später erwähnt hat, damit begnügt hat, das vorlegende Gericht auf diese Rechtsprechung hinzuweisen und zu dieser Lösung auszuführen, dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts so offenkundig sein muss, dass „keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel“ bleibt(32). Seltsamerweise nimmt der Gerichtshof nicht auf die Voraussetzung Bezug, dass das nationale Gericht zu der Überzeugung gelangen muss, dass die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten und der Gerichtshof selbst die streitige Vorschrift genauso auffassen würden.

54.   Ein solcher Hinweis fehlt auch, und das nicht aufgrund eines Versehens, in den alten Fassungen wie in der neuesten Fassung der „Hinweise zur Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen durch die nationalen Gerichte“(33). Diese Voraussetzung wird weder in den alten noch in den neuen Leitlinien, deren Nummern 11 bis 14 Ersuchen um Auslegung betreffen, erwähnt,

55.   Obwohl diese Hinweise nur einen Informationszweck verfolgen und keine normative Wirkung haben, scheint es sonderbar, dass der Gerichtshof weiterhin mit derselben Strenge an dieser Voraussetzung festhält, wenn er in den Ratschlägen für die nationalen Gerichte, mit denen der Mechanismus der Zusammenarbeit in Vorabentscheidungsverfahren verbessert werden soll, nicht einmal knapp auf diese Anforderung hinweist. Mäße er dieser Voraussetzung tatsächlich so viel Bedeutung bei wie im Urteil C.I.L.F.I.T., wäre es umso selbstverständlicher, auf der Prüfung dieser Voraussetzung in Dokumenten dieser Art zu bestehen.

56.   Ich freue mich, feststellen zu können, dass andere Generalanwälte meine Haltung teilen. Generalanwalt Jacobs etwa weist in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache S. I. Wiener(34) darauf hin, dass sich aus dem Urteil C.I.L.F.I.T. für die nationalen Gerichte keine Verpflichtung ergebe, eine Maßnahme der Gemeinschaft in jeder Amtssprache der Union zu prüfen. Diese Methode werde selbst vom Gerichtshof nur selten angewandt, obwohl er hierfür über eine bessere Infrastruktur verfüge. Vielmehr sei das Bestehen vieler sprachlicher Fassungen ein weiterer Grund dafür, Gemeinschaftsrechtsvorschriften nicht zu wörtlich auszulegen und dem Zusammenhang, dem allgemeinen Aufbau und dem Zweck der Bestimmungen größere Bedeutung beizumessen(35).

57.   Ebenso hat es Generalanwalt Tizzano in den Schlussanträgen in der Rechtssache Lyckeskog(36) für angebracht gehalten, auf die besondere Vorsicht hinzuweisen, die das nationale Gericht walten lassen müsse, bevor es jeden vernünftigen Zweifel ausschließe.

58.   Angesichts aller dieser Argumente muss der Gerichtshof seiner Verantwortung gerecht werden und die C.I.L.F.I.T.-Rechtsprechung korrigieren oder sie zumindest inhaltlich abschwächen, um sie den heutigen Anforderungen anzupassen, da nur eine weniger strenge Auslegung des Urteils den Erfordernissen der gerichtlichen Zusammenarbeit entspricht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bekanntheitsgrad des Gemeinschaftsrechts bei den nationalen Gerichten seit 1983 erheblich gestiegen ist. Nach 22 Jahren der Orientierung an diesem Urteil ist die Zeit gekommen, eine Rechtsprechung zu überdenken, die ihre Aufgabe in einem bestimmten historischen Kontext der Gemeinschaft erfüllt hat, aber von der Entwicklung der europäischen Rechtsordnung überholt worden ist.

59.   Auch die vorhersehbare Zunahme der beim Gerichtshof anhängig gemachten Rechtssachen aufgrund des Beitritts neuer Mitgliedstaaten und die Überforderung, zu der eine strenge Beachtung des Urteils C.I.L.F.I.T. führen würde, sprechen für Formeln, die den nationalen Gerichten wieder mehr Befugnisse verleihen. Die Neuordnung des Dialogs zwischen den Gerichten durch die entsprechende Auslegung von Artikel 234 EG würde höchstwahrscheinlich dazu beitragen, die Tätigkeit des Gerichtshofes wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken, wenn eine Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird. Dies würde sich auch günstig auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes auswirken(37).

2.      Die Foto-Frost-Doktrin

60.   Der Gerichtshof hat die Befugnis der in Artikel 234 Absatz 2 EG genannten nationalen Gerichte zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens nuanciert und ihnen in bestimmten Fällen eine ähnliche Pflicht wie die auferlegt, die für letztinstanzliche Gerichte besteht. Genauer gesagt sind die Gerichte, deren Entscheidungen mit Rechtsmitteln des nationalen Rechts angefochten werden können, nach dem Urteil Foto-Frost, auf das ich bereits Bezug genommen habe, „nicht befugt, Handlungen der Gemeinschaftsorgane für ungültig zu erklären“(38).

61.   Die Grundsätze dieses Urteils sind so bekannt, dass sie nicht wiederholt werden müssen. Es genügt eine summarische Zusammenfassung.

62.   Zunächst sei die Gefahr divergierender Ansichten der Gerichte der Mitgliedstaaten über die Gültigkeit von Handlungen der Gemeinschaft geeignet, die Einheit der Gemeinschaftsrechtsordnung selbst aufs Spiel zu setzen und das grundlegende Erfordernis der Rechtssicherheit zu beeinträchtigen(39). Außerdem gebiete die Kohärenz des vom Vertrag geschaffenen Rechtsschutzsystems, dass die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Gemeinschaftsorgane allein beim Gerichtshof liege(40). Schließlich sei der Gerichtshof nach Artikel 20 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes am besten in der Lage, über die Gültigkeit dieser Handlungen zu entscheiden, weil die Organe danach berechtigt seien, deren Gültigkeit in den Verfahren vor dem Gerichtshof in Luxemburg zu verteidigen(41).

63.   Außerdem wurden die nationalen Gerichte im Urteil Hoffmann-Laroche(42), das vor dem Urteil Foto-Frost ergangen ist, von der Verpflichtung befreit, dem Gerichtshof eine Auslegungs- oder Gültigkeitsfrage zur Vorabentscheidung vorzulegen, die in einem Verfahren wegen einstweiliger Maßnahmen aufgeworfen wird, sofern es jeder Partei unbenommen bleibt, ein Hauptverfahren einzuleiten, in dem die im summarischen Verfahren vorläufig entschiedene Frage erneut geprüft werden und den Gegenstand einer Vorlage bilden kann(43). Das Urteil Foto-Frost akzeptiert diese Voraussetzung als einzige Ausnahme von der Pflicht zur Vorlage von Gültigkeitsfragen (Randnr. 19), nimmt aber, anders als Generalanwalt Mancini(44), nicht auf das Urteil Hoffmann-Laroche Bezug.

64.   Gemäß dem Urteil Zuckerfabrik Süderdithmarschen u. a.(45) sind die nationalen Gerichte befugt, die Vollziehung eines auf einer Gemeinschaftsverordnung beruhenden nationalen Verwaltungsakts auszusetzen. Zugleich aber wird diese Möglichkeit durch die Anforderungen, denen eine solche Aussetzung der streitigen Handlung unterworfen ist, streng eingegrenzt. Das nationale Gericht muss erhebliche Zweifel an der Gültigkeit dieser Handlung haben, die Entscheidung muss dringlich sein, dem Antragsteller muss ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Schaden drohen, und das Interesse der Gemeinschaft muss angemessen berücksichtigt werden(46).

65.   Die spätere Rechtsprechung hat den Kreis der Fälle noch weiter ausgedehnt, in denen einstweilige Maßnahmen für die Zeit zulässig sind, in der das Vorabentscheidungsersuchen anhängig ist. So schließt Artikel 249 EG gemäß dem Urteil Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u. a. (I)(47) nicht aus, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten den vorläufigen Rechtsschutz dazu nutzen, durch eine Maßnahme des nationalen Rechts Sachverhalte oder Rechtsbeziehungen zu gestalten oder zu regeln, die auf einer Gemeinschaftsverordnung beruhen, deren Gültigkeit in Frage gestellt worden ist.

3.      Das Ausgangsverfahren im Kontext der Urteile C.I.L.F.I.T. und Foto-Frost

66.   Dies vorausgeschickt soll nun geklärt werden, ob das College van Beroep angesichts der offensichtlichen Ungültigkeit der umstrittenen Handlung der Gemeinschaft befugt ist, diese gemäß der im Urteil C.I.L.F.I.T. vertretenen Lehre vom „acte clair“ für ungültig zu erklären, obwohl es gemäß dem Urteil Foto-Frost gehalten ist, dem Gerichtshof die Gültigkeitsfrage vorzulegen. Um diese von einem Teil der Lehre(48) vertretene Möglichkeit zuzulassen, müssen die Voraussetzungen der C.I.L.F.I.T.-Rechtsprechung erfüllt sein, ohne dass dabei die Grundlagen des Urteils Foto-Frost untergraben werden.

67.   Grundsätzlich wurde nachgewiesen, dass dem vorlegenden Gericht eine Vorschrift vorliegt, die inhaltsgleich mit der im Urteil Kloosterboer Rotterdam(49) für ungültig erklärten Bestimmung ist, sich in einen ähnlichen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang einfügt und für die, um mit dem Urteil C.I.L.F.I.T. zu sprechen, die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts so offensichtlich ist, dass in Bezug auf die Beantwortung der aufgeworfenen Frage kein Raum für vernünftige Zweifel bleibt. Davon abgesehen, dass es sich formell um eine andere Handlung der Gemeinschaft handelt, kann auf die im Urteil Da Costa entwickelte Lehre zurückgegriffen werden, da das Urteil Kloosterboer Rotterdam ebenfalls in einem Verfahren nach Artikel 234 EG erging.

68.   Daher erscheint die Behauptung nicht abwegig, dass die im Urteil Kloosterboer Rotterdam behandelte Frage nach der Gültigkeit von Artikel 3 Absätze 1 und 3 der Verordnung Nr. 1483/95 und die Frage nach der Gültigkeit von Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1423/95, die Gegenstand des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens ist, im Sinne des Urteils Da Costa(50) sachlich übereinstimmen, so dass das niederländische Gericht nicht zu einer Vorlage der Frage an den Gerichtshof verpflichtet wäre.

69.   Zudem verstärkt diese Vielzahl von Übereinstimmungen in beiden Rechtssachen den Eindruck, dass kein nationales Gericht in einer vergleichbaren Situation Zweifel in Bezug auf die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts hätte, vor allem, wenn die Ursache für die Ungültigkeit der Vorschriften in beiden Verfahren dieselbe ist, nämlich die, dass die Kommission die Grenzen ihrer Durchführungsbefugnis überschritten hat(51).

70.   Damit wäre die letzte der im Urteil C.I.L.F.I.T. vorgesehenen Situationen gegeben, nämlich die, dass ein früheres Urteil des Gerichtshofes vorliegt, in dem die Rechtswidrigkeit einer Bestimmung geprüft wird, die mit der im Ausgangsverfahren angefochtenen identisch ist, was die Voraussetzungen der engeren Auslegungen der Lehre vom „acte clair“ erfüllen würde, nämlich derjenigen, wonach jede andere Auslegung ausgeschlossen sein muss(52).

71.   Im vorliegenden Fall erfüllt die Ungültigkeit der Gemeinschaftsregelung die im Urteil C.I.L.F.I.T. vorgegebenen Voraussetzungen.

72.   Aber allein aufgrund dieses Umstands darf das niederländische Gericht diese Vorschrift nicht ohne ein vorheriges Vorabentscheidungsersuchen für ungültig erklären, weil es sich auch an die Vorgaben des Urteils Foto-Frost halten muss.

73.   Erstens birgt in Bezug auf die Gewährleistung der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts die von einem nationalen Gericht festgestellte Ungültigkeit in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es eine ähnliche Entscheidung des Gerichtshofes gibt, kaum die Gefahr einer die Einheit der Gemeinschaftsrechtsordnung gefährdenden Abweichung.

74.   Meines Erachtens zeichnet sich die Rechtswidrigkeit trotz der zweifellos seltenen Besonderheiten der vorliegenden Rechtssache so offensichtlich ab, dass kein Gericht eines Mitgliedstaats von diesem Kriterium abweichen würde. Ferner wird die Gefahr von miteinander unvereinbaren Entscheidungen der nationalen Gerichte auf ein verschwindend geringes Mindestmaß beschränkt.

75.   Was zweitens die Kohärenz des durch den Vertrag geschaffenen Rechtsschutzsystems angeht, lassen die Randnummern 16 und 17 des Urteils Foto-Frost erkennen, dass allein der Gerichtshof für die Ungültigerklärung der Handlungen der Gemeinschaftsorgane zuständig ist, weil die durch Artikel 230 EG gewährten Befugnisse durch die Befugnis ergänzt werden müssen, diese Handlungen für ungültig zu erklären, wenn ihre Gültigkeit vor einem nationalen Gericht in Frage gestellt wird. Daher besteht wohl kein Zweifel, dass der Gerichtshof bei Erlass dieses Urteils im Jahr 1987 dieses Vorrecht nicht mit den nationalen Gerichten teilen wollte, trotz der Bestimmung in Artikel 234 EG, die diese ausdrücklich mit dieser Aufgabe betraut und zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens nur die letztinstanzlichen Gerichte verpflichtet, bei denen sich die eigentliche Gefahr einer unterschiedlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts konzentriert.

76.   Gemäß der vor dem Urteil Foto-Frost ergangenen Rechtsprechung galt eine Rechtmäßigkeitsvermutung für alle Handlungen der Gemeinschaft, solange der Gerichtshof sie nicht für ungültig erklärt hatte(53), weil eine Handlung nur dann als offensichtlich rechtswidrig angesehen werden kann, wenn eine entsprechende Entscheidung des Gerichtshofes vorliegt(54).

77.   Drittens verdient die Vorstellung Kritik, dass der Gerichtshof am besten in der Lage sei, über die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaft zu entscheiden, weil sich die Organe, deren Handlungen in Frage gestellt werden, nach Artikel 20 der Satzung am Verfahren vor dem Gerichtshof beteiligen könnten, um die Gültigkeit dieser Handlungen zu verteidigen(55). Die nationalen Verfahrensvorschriften enthalten keinen Hinweis darauf, dass das betreffende Organ, wenn es um die Gültigkeit einer seiner Handlungen geht, nicht persönlich erscheinen oder von Amts wegen geladen werden könnte.

78.   Zudem würde der Gerichtshof, wenn er dem nationalen Gericht die Befugnis zuerkennen würde, eine Handlung der Gemeinschaft für ungültig zu erklären, diese Befugnis davon abhängig machen, dass das Organ, das diese Handlung erlassen hat, die Möglichkeit hat, sich an dem Verfahren zu beteiligen(56).

79.   Man hat den Eindruck, dass sich der Gerichtshof die alleinige Befugnis zur Ungültigkeitserklärung von Handlungen der Gemeinschaft mehr aufgrund der Befürchtung vorbehält, bei Gültigkeitsfragen die Büchse der Pandora zu öffnen, als wegen einer Gefahr, die von Rechtssachen wie der beim College van Beroep anhängigen ausgehen könnte; daher ist näher auf das System der vom Vertrag vorgesehenen gerichtlichen Zusammenarbeit einzugehen, um zu prüfen, ob den nationalen Gerichten diese Befugnis übertragen werden kann.

4.      Überlegungen zum Urteil Foto-Frost in Verbindung mit dem Mechanismus der gerichtlichen Zusammenarbeit nach Artikel 234 EG

80.   Da in der vorliegenden Rechtssache das Urteil Foto-Frost in Frage gestellt wurde, ist sie an die Große Kammer verwiesen worden. Wegen der Bedeutung des Ausgangs des vorliegenden Verfahrens wäre eine mündliche Verhandlung unter Beteiligung zahlreicher Mitgliedstaaten und der Gemeinschaftsorgane angebracht; dadurch würde die Debatte bereichert, und es könnte zur eingehenden Erörterung des aufgeworfenen Problems kommen(57), was unerlässlich ist, wenn es um die Aufteilung der Befugnisse innerhalb der Union zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten geht(58). Eine solche Korrektur des bisherigen Verfahrens käme der Suche nach einer nuancierten Lösung zugute, die in dem vielfältigen und pluralistischen Dialog gefunden würde, der der europäischen Wirklichkeit wesenseigen ist und der zu einem vertrauensvollen Klima bei der gerichtlichen Zusammenarbeit nach Artikel 234 EG beitragen würde. Außerdem kann der Gerichtshof beim geringsten Anzeichen von Rebellion die den nationalen Gerichten überlassene Verantwortung jederzeit wieder an sich ziehen. Geradeso wie Sisyphos durch das Eingreifen von Hermes wieder in den Hades zurückkehrte, nachdem er noch einmal zu den Lebenden zurückgekehrt war(59). Der Gerichtshof hat dies anders gesehen, aber wenn ihm Kriterien fehlen, um die Wende in seiner Rechtsprechung zu begründen, könnte er jedenfalls die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zulassen.

81.   Vor allem ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof sich im Urteil Foto-Frost eine Befugnis zuschrieb, für die Artikel 234 EG keinerlei Anhaltspunkt bietet(60), indem er die Pflicht einführte, ein Vorabentscheidungsersuchen in Fällen vorzulegen, für die der Vertrag lediglich die Möglichkeit einer Vorlage vorsieht(61). Damit erkennt sich der Gerichtshof selbst auf Kosten der nationalen Gerichte die ausschließliche Zuständigkeit für die Kontrolle der Wirksamkeit der Handlungen der Gemeinschaft zu(62). Eines Tages wird der Fluss in sein Bett zurückkehren, und die nationalen Gerichte werden wieder die Rolle erhalten, die ihnen gemeinsam mit dem Gerichtshof im Rahmen der Zusammenarbeit bei Vorabentscheidungsfragen zukommt, und die Nebenrolle ablegen, die ihnen aufgrund des Beschützerinstinkts des Gerichtshofes zugewiesen wurde.

82.   Die vorliegende Rechtssache kann dazu beitragen, die jeweiligen Aufgaben neu zu verteilen, vorausgesetzt, der Gerichtshof zeigt die Reife, die im Urteil C.I.L.F.I.T. zur Frage nach der Auslegung entwickelte Lehre vom „acte clair“ auf die Frage nach der Gültigkeit auszudehnen.

83.   Andererseits entnimmt ein Teil der Lehre diesem Urteil zwischen den Zeilen einen anderen Sinn als den, der sich auf den ersten Blick ergibt(63).

84.   Auch wenn im Urteil C.I.L.F.I.T. im Rahmen der Frage nach der Auslegung auf die Lehre vom „acte clair“ eingegangen wird, wurden die obersten nationalen Gerichte darin zur Zurückhaltung bei Problemen im Zusammenhang mit der Auslegung oder der Anwendung des Gemeinschaftsrechts aufgerufen(64). Jedenfalls erreicht die Lehre vom „acte clair“ aufgrund der strengen Voraussetzungen, denen sie unterliegt, einen Abstraktionsgrad, der sie in die Sphäre des theoretischen Symbolismus verweist(65).

85.   Es gibt auch keinen Grund dafür, das vor dem Erlass der Urteile C.I.L.F.I.T. und Foto-Frost entworfene Bild von offensichtlich rechtswidrigen Handlungen von vornherein zu verwerfen(66), die insbesondere unter den hier vorliegenden Umständen vom nationalen Gericht ohne Vorlage an den Gerichtshof für nichtig oder unanwendbar angesehen würden.

86.   Werden den nationalen Gerichten im Einklang mit dem Wortlaut und dem Geist des Vertrages wieder die auf solche Situationen beschränkten Befugnisse übertragen, d. h., wird im Rahmen der Frage nach der Gültigkeit eine Theorie der offensichtlich nichtigen Handlung anerkannt, wäre dies dem gerichtlichen Dialog auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung der jeweiligen Befugnisse dienlich(67).

87.   Zudem wird in Randnummer 17 des Urteils Foto-Frost die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofes dafür, Handlungen der Gemeinschaft für ungültig zu erklären, damit gerechtfertigt, dass er diese Befugnis nach Artikel 230 EG auch bei Nichtigkeitsklagen hat. Jedoch wurde zu Recht die alleinige Zuständigkeit des Gerichtshofes für solche Klagen kritisiert, da sie sich nicht aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt(68). Würde Artikel 234 EG dahin ausgelegt, dass das nationale Gericht die Ungültigkeit solcher Handlungen feststellen darf, wäre logischerweise in Artikel 230 EG kein Hinweis auf die Ausschließlichkeit dieser Zuständigkeit des Gerichtshofes erforderlich.

88.   Wird an der Pflicht zur Vorlage der Vorabentscheidungsfrage unter den Umständen des von Gaston Schul anhängig gemachten Rechtsstreits strikt festgehalten, wenn die Vorschrift offensichtlich ungültig ist, spricht das zudem für einen übertriebenen Formalismus, der nicht mit dem Grundsatz der geordneten Rechtspflege vereinbar ist. In diesem Kontext erlangen die Ausführungen des College van Beroep zur Prozessökonomie Bedeutung.

89.   Dem nationalen Gericht kann keine so unergiebige Qual wie Sisyphos auferlegt werden. Albert Camus schrieb vielleicht die glänzendste Abhandlung über diese Person, die er als „Held des Absurden“(69) bezeichnete, da es keine schlimmere Strafe als unnütze und hoffnungslose Arbeit gebe. Am Ende seines Werkes gelangt Camus jedoch zu der Überzeugung, dass Sisyphos „seinem Schicksal überlegen [ist]. Er ist stärker als sein Fels“(70) und überwindet ihn mit seinem Bewusstsein(71). „Das Wissen, das seine eigentliche Qual bewirken sollte, vollendet gleichzeitig seinen Sieg.“(72)

90.   Schließlich ist festzustellen, dass das Urteil Foto-Frost im Gegensatz zu anderen Entscheidungen des Gerichtshofes, die nach und nach in die Verträge eingearbeitet wurden, den Gemeinschaftsgesetzgeber nicht zum Handeln veranlasst hat, der mehrfach die Möglichkeit ungenutzt gelassen hat, diesen Beitrag des Gerichtshofes in das Primärrecht der Union aufzunehmen, u. a. anlässlich der Verträge von Maastricht, Amsterdam oder Nizza und des Vertrages über eine Verfassung für Europa. Das Schweigen dieser Verträge zu jenem Punkt spricht Bände und lässt erkennen, dass es dieser so künstlich geschaffenen Alleinzuständigkeit an Akzeptanz fehlt.

91.   Aufgrund der vorstehenden Erwägungen bin ich der Ansicht, dass die Antwort auf die erste Frage des niederländischen Gerichts den Gerichten der Mitgliedstaaten unter Umständen, wie sie im vorliegenden Fall gegeben sind, die Möglichkeit einräumen muss, die Handlung der Gemeinschaft, deren Gültigkeit bestritten wird, nicht anzuwenden. Meine Überzeugung, dass die vorgeschlagene Lösung keine Gefahr für die Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts mit sich bringt, beruht letztlich darauf, dass die nationalen Gerichte von ihrer „Kunst der Klugheit“(73) Gebrauch machen werden, wenn der geringste Zweifel besteht, und sich in diesem Fall immer für ein Vorabentscheidungsersuchen entscheiden werden.

VI – Ergebnis

92.   Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen des College van Beroep wie folgt zu beantworten:

1.      Ein Gericht im Sinne von Artikel 234 Absatz 3 EG ist gemäß dieser Bestimmung nicht zur Vorlage eines Ersuchens um Vorabentscheidung über die Gültigkeit einer Handlung der Organe verpflichtet und kann von ihrer Anwendung absehen, wenn der Gerichtshof bereits die Ungültigkeit einer anderen vergleichbaren Handlung festgestellt hat und die fragliche Handlung aus denselben Gründen ungültig ist.

2.      Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1423/95 der Kommission vom 23. Juni 1995 mit Durchführungsbestimmungen für die Einfuhr von Erzeugnissen des Zuckersektors außer Melasse ist ungültig, soweit er bestimmt, dass der dort genannte Zusatzzoll auf der Grundlage des repräsentativen Preises zu bestimmen ist.


1 – Originalsprache: Spanisch.


2 – Urteil vom 22. Oktober 1987 in der Rechtssache 314/85 (Foto-Frost, Slg. 1987, 4199).


3 – Bereits in Homers Ilias sind Anspielungen auf Sisyphos, den Sohn Aiolos', des Gottes der Winde, zu finden. Er wird als „der schlaueste unter den Männern“ bezeichnet (Homer, Ilias, Übersetzung von Johann Heinrich Voss, Rheingauer Verlagsgesellschaft mbH, Eltville am Rhein, 1980, Sechster Gesang, Vers 153, S. 111). Aber die erste Beschreibung seiner Qualen erscheint in den Versen 593 bis 600 des Elften Gesangs der Odyssee, während des Besuchs von Ulysses im Hades: „Sisyphos sah ich auch und seine schreckliche Mühsal, Wie er mit beiden Händen wälzt einen mächtigen Steinblock; Immer sich fest anstemmend zugleich mit Händen und Füßen, Stößt er den Stein den Hügel hinauf. Doch glaubt er ihn eben Über den Gipfel zu drehn: da entwindet ihn ihm die Krataiis, Polternd kollert hinunter ins Feld der tückische Steinblock. Er aber stemmt und stößt von neuem hinauf, und der Schweiß bricht Ihm aus den Gliedern, und steigender Staub umwölkt ihm das Antlitz.“ (Homer, Odyssee, a. a. O., S. 654 f.).


4 – Der eigentliche Grund für das Unglück des Sisyphos liegt darin, dass er so taktlos war, Asopos zu erzählen, dass Zeus dessen Tochter, die Nymphe Aigina, geraubt hatte, mit der er eine leidenschaftliche Romanze auf einer Insel der Ägäis hatte. P. Brunel und A. Bastian, Sisyphe et son rocher. Ed. Du Rocher, Monaco, 2004, S. 34 ff..


5 – Dieser Begriff umfasst den Wert der Waren, die Kosten für die Versicherung und die Transportkosten (c ost, i nsurance, f reight). In Bezug auf die Gebühren entspricht er dem fob-Preis (f ree o n b oard), der die Einfuhr von Waren in das Herkunftsland zuzüglich der tatsächlichen Transportkosten und die Kosten für die Versicherung bis zum Eintritt in das Zollgebiet der Gemeinschaft abdeckt.


6 – Schwellenpreis, bei dessen Unterschreitung die Handelsschutzklausel Anwendung findet.


7 – ABl. L 177, S. 4.


8 – ABl. L 349, S. 105.


9 – ABl. L 141, S. 16.


10 – Erlassen mit der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 (ABl. L 302, S. 1).


11 – Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81 (Slg. 1982, 3415).


12 – ABl. L 145, S. 47.


13 – Rechtssache C‑317/99, Slg. 2001, I‑9863.


14 – Randnr. 31 des Urteils Kloosterboer Rotterdam.


15 – Schlussanträge vom 2. Mai 2001 in der Rechtssache Kloosterboer Rotterdam.


16 – ABl. L 282, S. 77.


17 – Gemäß Anhang 1A des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsgesellschaft (WTO), der im Namen der Gemeinschaft durch Artikel 1 Absatz 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses 95/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986–1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1) angenommen wurde.


18 – Die in Wirklichkeit nur eine einzige Unvereinbarkeit, die mit dem völkerrechtlichen Vertrag, widerspiegelt, dessen Inhalt die Grundverordnung berücksichtigt.


19 – Der dem durchschnittlichen Referenzpreis des betreffenden Erzeugnisses entspricht.


20 – Urteile vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C‑415/93 (Bosman, Slg. 1995, I‑4921, Randnr. 60) und vom 21. März 2002 in der Rechtssache C‑451/99 (Cura Anlagen, Slg. 2002, I‑3193, Randnr. 26).


21 – Insofern können die Strophen, mit denen Baudelaire das Elfte Gedicht, Le Guignon, von „Les fleurs du mal“ beginnt, nicht ungenannt bleiben: „Pour soulever un poids si lourd, Sisyphe, il faudrait ton courage“ (Ch. Baudelaire, Les fleurs du mal, XI, Gallimard. La Pléiade, Paris 1975, S. 17).


22 – Zitiert in Fußnote 2.


23 – Urteil vom 27. März 1963 in den verbundenen Rechtssachen 28/62 bis 30/62 (Slg. 1963, 63).


24 – Urteil Da Costa, 81.


25 – Urteil Da Costa, 81.


26 – Urteil C.I.L.F.I.T., Randnr. 14.


27 – Ebenda, Randnr. 10.


28 – Ebenda, Randnr. 16.


29 – Ebenda, Randnr. 19.


30 – Ebenda, Randnr. 20.


31 – Ebenda, Randnr. 18.


32 – Urteile vom 17. Mai 2001 in der Rechtssache C‑340/99 (TNT Traco SpA, Slg. 2001, I‑4109, Randnr. 35) und vom 30. September 2003 in der Rechtssache C‑224/01 (Köbler, Slg. 2003, I‑10239, Randnr. 118).


33 – Hinweise zur Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen durch die nationalen Gerichte vom 18. Juni 1996 und vom 8. März 2005 (ABl. 2005, C 143, S. 1).


34 – Rechtssache C‑338/95, in der das Urteil vom 20. November 1997 (Slg. 1997, I‑6495) erging.


35 – Nr. 65 der Schlussanträge in der in der vorstehenden Fußnote genannten Rechtssache.


36 – Urteil vom 4. Juni 2002 (Rechtssache C‑99/00, Slg. 2002, I‑4839), insbesondere Nr. 75 der Schlussanträge.


37 – Die Schlussanträge in der Rechtssache S. I. Wiener, Nr. 62, folgen diesem Kriterium.


38 – Urteil Foto-Frost, Randnr. 15.


39 – Ebenda.


40 – Urteil Foto-Frost, Randnr. 16.


41 – Urteil Foto-Frost, Randnr. 18.


42 – Urteil vom 24. Mai 1977 (Rechtssache 107/76, Slg. 1977, 957).


43 – Urteil Hoffmann-Laroche, Randnr. 6.


44 – Schlussanträge in der Rechtssache Foto-Frost (Slg. 1987, 4211), insbesondere zweiter Absatz der Nr. 6.


45 – Urteil vom 21. Februar 1991 (verbundene Rechtssachen C‑143/88 und C‑92/89, Slg. 1991, I‑415).


46 – Ebenda, Randnr. 33.


47 – Urteil vom 9. November 1995 (Rechtssache C‑465/93, Slg. 1995, I‑3761).


48 – So z. B. J.‑F. Couzinet, „Le renvoi en appréciation de validité devant la Cour de Justice des Communautés européennes“, in Revue trimestrielle de droit européen, 1976, S. 660 ff., insbesondere S. 662.


49 – Bereits genannt.


50 – Zitiert oben in Nr. 47 dieser Schlussanträge.


51 – Urteil Kloosterboer Rotterdam, Randnr. 29.


52 – Zu den verschiedenen Auslegungen und dem Grad ihrer Strenge in Bezug auf diese Voraussetzung des Urteils C.I.L.F.I.T., K. Lenaerts, „L’arrêt C.I.L.F.I.T.“, in Cahiers de droit européen, 1983, S. 471ff., insbesondere S. 497.


53 – Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 101/78 (Granaria, Slg. 1979, 623).


54 – Dies zumindest ist dem Urteil vom 13. Mai 1981 in der Rechtssache 66/80 (International Chemical Corporation, Slg. 1981, 1191) zu entnehmen.


55 – Urteil Foto-Frost, Randnr. 18.


56 – P. Dyrberg, „La aplicación uniforme del derecho comunitario y las sentencias C.I.L.F.I.T. y Foto-Frost“, in Ordenamiento jurídico comunitario y mecanismos de tutela judicial efectiva, Vitoria, 1995, S. 247ff., insbesondere S. 255.


57 – D. Sarmiento, Poder judicial e integración europea, Garrigues y Thomson Civitas, Madrid, 2004, S. 334, vertritt diese Meinung für Rechtssachen verfassungsrechtlicher Natur; seines Erachtens „ist es in einer immer verfassungsrechtlicher geprägten EG/EU erforderlich geworden, die rechtsprechende Gewalt im Einklang mit dem diskursiven Modell zu gestalten“.


58 – G. Isaac, „La modulation par la Cour de justice des Communautés européennes des effets dans le temps de ses arrêts d’invalidité“, in Cahiers de droit européen, 1987, S. 444ff., schrieb, dass es keine wichtigere, aber auch keine gefährlichere Aufgabe als die des Gerichtshofes gebe, den genauen Umfang seiner eigenen Zuständigkeit zu bestimmen.


59 – A. Camus, Der Mythos von Sisyphos, übertragen von Hans Georg Brenner und Wolfdietrich Rasch, Rowohlt, Hamburg 1959, S. 98, erzählt, dass Sisyphos, als er zum Sterben kam, törichterweise die Liebe seiner Frau erproben wollte. Er befahl ihr, seinen Leichnam unbestattet auf den Marka zu werfen. Sisyphos kam in die Unterwelt und wurde dort von ihrem Gehorsam, der aller Menschenliebe widersprach, derart aufgebracht, dass er von Pluto die Erlaubnis erwirkte, auf die Erde zurückzukehren und seine Frau zu züchtigen. Als er aber diese Welt noch einmal geschaut, das Wasser und die Sonne, die warmen Steine und das Meer wieder geschmeckt hatte, wollte er nicht mehr ins Schattenreich zurück. Alle Aufforderungen, Zornausbrüche und Warnungen fruchteten nichts. Er lebte noch viele Jahre am Golf, am leuchtenden Meer, auf der lächelnden Erde und musste erst von den Göttern festgenommen werden. Merkur packte den Vermessenen beim Kragen, entriss ihn seinen Freuden und brachte ihn gewaltsam in die Unterwelt zurück, in der sein Felsblock schon bereitlag. P. Brunel und A. Bastian, op. cit., S. 51, weisen auf die in diesem Punkt von Camus vorgenomme Latinisierung hin und führen dies auf seine Informationsquellen, im Wesentlichen die Mythologie von Commelin und des Grand Larousse, zurück; daher bezieht er sich auf Pluto anstatt auf Hades und auf Merkur anstatt auf Hermes. Diese Autoren, op. cit., S. 45 und 46, machen geltend, dass die Geschichte des unbestatteten Körpers von Sisyphos von diesem selbst angezettelt worden sei, weil er, kurz bevor er starb, seine Frau gebeten habe, ihn nicht mit Trauerfeierlichkeiten zu ehren, um so einen Vorwand für seine Rückkehr in das Reich der Lebenden zu haben.


60 – A. Glaesner, „Die Vorlagepflicht unterinstanzlicher Gerichte im Vorabentscheidungsverfahren“, in Europarecht, Nr. 2/1990, S. 143ff., A. Barav, „Le renvoi préjudiciel communautaire“, in Justices, Nr. 6, April/Juni 1997, S. 1ff., und J. Pertek, La pratique du renvoi préjudiciel en droit communautaire, Paris 2001, S. 78, wobei Letzterer sich nicht so kategorisch ausdrückt.


61 – A. Barav, op. cit., S. 5.


62 – A. Barav, op. cit., S. 6.


63 – H. Rasmussen, „The European Court’s Acte Clair Strategy in C.I.L.F.I.T. (Or: Acte Clair, of Course! But What does it Mean?)“, in European Law Review, Nr. 10/1984, S. 242ff..


64 – H. Rasmussen, op. cit., S. 259.


65 – K. Lenaerts, op. cit., S. 500, sowie J. Boulouis und M. Darmon, in „Contentieux communautaire“, Paris, 1997, S. 27.


66 – Wie dies seinerzeit J.‑F. Couzinet, op. cit., S. 659, betonte.


67 – A. Barav, op. cit., S. 1.


68 – P. Dyrberg, op. cit., S. 254.


69 – A. Camus, op. cit., S. 99.


70 – A. Camus, op. cit., S. 99.


71 – In den künstlerischen Darstellungen des Sisyphos ist dieser Aspekt zu erkennen. In dem wunderbaren Bild von Tizian, das im Prado in Madrid ausgestellt ist, sind die enorme Größe des Steins und die Anstrengung des Helden beim Hinaufwälzen des Steins betont, wobei das Haupt des Helden eins wird mit den Unebenheiten des Steins, in denen er all seine Anstrengungen begräbt. Wiederum ist auf Camus (op. cit., S. 99) zurückzukommen: „Ein Gesicht, das sich so nahe am Stein abmüht, ist selber bereits Stein!“ Aber im Hintergrund des Gemäldes wird die Szene durch ein Licht erhellt, was einen Hauch von Triumph vermittelt. Bei der Plastik des deutschen Künstlers Schmidt-Hofer wird der in Bronze gegossene athletische Körper des Sisyphos, der die extreme Tapferkeit des Hinaufwälzens mit dem Ruhm dessen verbindet, der ein wertvolles Ziel erreicht, sehr vorteilhaft in einem Gleichgewicht von Formen und Bildern dargestellt, das das ganze Charisma des mythischen Helden unmittelbar zum Ausdruck bringt.


72 – A. Camus, op. cit., S. 99, ergänzt: „Es gibt kein Schicksal, das durch Verachtung nicht überwunden werden kann.“


73 – Ich erlaube mir, den bekannteren Teil des Titels des klassischen Werkes des spanischen Schriftstellers Baltasar Gracián (1601–1658), „Oráculo manual y el Arte de la Prudencia“, zu entleihen, dessen erste Ausgabe 1647 in Huesca erschien. Das gesamte Buch besteht aus 300 kommentierten Aphorismen, die die Lebensweisheit vermitteln sollen, aus der die Vorsicht und die Umsicht fließen, die nötig sind, um die Herausforderungen des täglichen Lebens erfolgreich zu meistern. Dadurch unterscheidet es sich deutlich von den „Maximen“ von La Rochefoucault (1613–1680) und den Denksprüchen des Francisco de Quevedo (1580–1645), die satirisch und sarkastisch, jedoch nicht weniger unterhaltsam und lehrreich sind.